1897 / 34 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

L i E E E S E 7

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wesen wäre, vom Sommer 1890 bis 1. Februar 1892 einen speziali- fierten neuen autonomen Tarif aufzustellen, durch alle die Geseßzes- faltoren zu bringen, dann zu verhandeln und die Handelsverträge wiederum durch die geseßgebenden Faktoren erledigen zu lassen, war es au ein sehr gewihtiger materieller Grund, der die verbündeten Regierungen von einem solchen Vorgehen abbielt. Es würde, wenn damals seitens Deutshlands abermals ein neuer Zolltarif aufgestellt worden wäre mit noch höheren Sägen, dies nit eine Förderung der Handelspolitik gewesen sein, die wir anstrebten, sondern die Negation dieser Handelsvyolitik. (Sehr rihtig! link3 und in der Mitte.) Es würden die anderen Staaten uns nachgefolgt sein, wir wiederu'n den leßteren, und dann wäre eine gegenseitige Sraube der Meistbeshädigung angezogen und ein Zuftand her- gestellt worden, der eben dur die Handelspolitik der verbündeten Re- gierungen vermieden werden sollte.

Man hat, um den Nahweis zu führen, daß Uneinigkeit in den Reichsressorts über die Hantelspolitik besteht, auch auf eine weitere Neußerung des Herrn Staatssekretärs des Reichs-Schatzamts Bezug genommen, wo er sagte, daß nah seiner Ansicht die neuen Handels- verträge nicht „einfah eine Abschrift derjenigen Handelsverträge sein könnten“, die jeßt bestehen. Diese Anschauung theile ich vollkommen. Ich halte sie geradezu für s\elbstverständlih. (Sehr rihtig!) Ich bin jederzeit mit voller Eâtshiedenheit eingetreten für lange dauernde Handelêéverträge, von dem Gesichtspunkt aus, daß unsere er- werbenden Kreise nihts so sehr wünschen als die Stabilität der Handelspolitik. (Sehr richtig!) Ih bin nah wie vor der Ansicht, daß diese Stabilität, die wir erreiht haben auf 10 bezw. 12 Jahre, der eigentliche Vorzug dieser Handelsverträge ist. (Sehr richtig !) Dabei habe ih aber keinen Augenblick verkannt, daß in unserer raschlebigen Zeit angesihis der vielen Veränderungen auf wirtk- shaftlihem, auf tehnishem Gebiete im Laufe von 10, 12 Jahren sih bei einem Handelévertrage so manhe Mängel, so manz Lüken, so manhe Zweifel ergeben müssen, daß eine Revision unbedingt noth- wendig ist. Ich bin überzeugt, daß, wenn wir die Revision nit verlangen, das von anderer Seite gesGehen würde.

Endlich spriht ncch ein weiterer Grund dafür. Würden wir die Handelsverträge einsach weiter laufen lassen, so würden sie jedes Jahr kündbar werden. Umfassende Tarifverträge, die jedes Jahr gekündigt werden können, haben meines Erachtens für unsere erwerbenden Kreise einen ganz minimalen Werth. (Sehr richtig! links; Wider- spruch rechts.) Jch weiß, daß Sie anderer Ansiht sind. Früher haben Sie vertreten, man solle die Verträge auf drei Jahre schließen ; jeßt scheinen Sie den Wunsch zu haben, daß sie nur auf ein Jahr geshlofsen werden.

Meine Herren, gestatten Sie mir zum Schluß nur eine kurze Darlegung. Bei der beginnenden Polemik über die zukünftige Handels - politik wird mein Name sehr viel genannt und bäufig mit einem gewissen Sagenkreis umgeben bezüglich der handelspolitishen Auf- fassungen, die ih hier vertreten habe. Jh bin natürliherweise nit in der Lage, hier ein Programm aufzustellen, aber ih kann doch in zwei Worten rekapituliecen die Auffassungen, die ih im Namen der verbündeten Negierungen und gleichzeitig au Traft meiner eigenen Ueterzeugung hier vertreten habe. In der Handels- politik habe ich stets hohgebalten das Prinzip des Schutzes der nationalen Arbeit. IY bin stets für den Say eingetreten, daß der innere Markt in erster Neihe der Berückfichtigung bedarf, und daß die Lantwirtbschaft als eines der bervorragendsten Gewerbe eines auêreichenden Zollshußes für ihre Produkte bedarf. Darüber, was aubreichenter Zollshuß ift, geben natürlicherweise die Ansichten aus- einander. (Heiterkeit.) Als ih vor 18 Jahren in Süddeutschland als einer der Ersten für einen Zollsuß auf Weizen von 1 4 eintrat, galt ih selbfi in konservativen Kreisen als ein gefährlicher Agrarierz heute, wo ih für 3 4 50 4 eintrete, placiert man mi bereits neben Herrn Bamberger. Die Getreidepreise baben fich seit jener Zeit wesentlich verändert, die menschlidhen Anschauungen aber noŸ mehr. (Heiterkeit.) Ich theile die Auffassung derjenigen nit, welWe in einer Erböbung der Preije der landwirth\chaftliten Produkte dur Zölle an si eine Prägravierung unserer arbeitenden Klaffen erbliken. Das ift nicht der Fall, wenn die Vor- ausfebung erfüllt wird, die ih für unumgänglih nothwendig halte, daß nämlih diesen arbeitenden Klassen, besonders den Induftriearbeitern, ibr Produkt, d. h. die Arbeit, auch ge\chÜüÜßt, daß ihre Arbeitsgelegenheit durch die Zollpolitifk erhaltea und erweitert wird. (Sehr richtig! aus der Miite.) Wird diefe Bedingung nicht erfüllt, geht man einseitig vor in Erhößurg ter Preise der landwirtßschaftilichen Produkte, wird dadur die Arbeits- gelegenheit jener Klafsen vermindert, fo würde ich das nicht nur für einen großen wirthschastlichGen Fehler, sondern für einx ozialpolitisch geradezu verhängnißvolles Erperiment Halten. (Sehr richtig! aus der Mitte.) Damit komme ih auf

einen fehr widtigen Punkt, indem ih sage: auch der auS3wärtige:

Markt bedarf des Schutzes; denn die Arbeit für den aus- wärtigen Markt ift ebenfalls nationate Arbeit. Ein Land wie Deutfch- land, dessen Ausfuhrwerth fi bereits der vierten Milliarde nähert, kann nicht diesen Theil seiner nationalen Arbeit der Willkür fremder Zolltarife anßeimstellen. (Sehr wakr! aus der Miite und liaks.} Darum bedarf es dec Tarifverträge, und wer die Entwickelung der Dinge genau beobachtet, wird mir Necht geben: die Nothwendigkeit, wirksam unsere Ausfuhr zu hüßen, bewegt s nicht in absteigender, sondern iz aufsteigender Linie; sie steigert siŸ mit der Zunahme unserer B: völkerung, mit der Verschärfung des Konkurrenzkampfes, vor allem aber mit der ganz naturgemäßen Entwickelung, daß ia dem Maße, in dem unsere Absazgebiete seTbst zu p:oduzieren anfangen, unsere Ausfuhr mehr und mehr auf Spezialitäten Hingewiesen wird, auf Qualitäiearbeit, und damit auh in dem Ge- famm!werth unserer Ausfubr die Quote sich steigert, die Arbeitslohn darstellt. (Sehr rihtig! aus ter Mitte.) Wenn es mögli wäre, statistish nachzuweisen, wie viel unter den deutschen Auéfuhrwerthen von 34 Milliarden jährlich sich Arteitslohn ke- findet, b. h. Lohn für. die Arkteit braver deutscher Arbeiter, ih glaube, in einer folden Statistik läge ein gewaltiges Warnungs- fignal gegen jene Leute, die, wenn man von Ausfubr und von der Nethwendigkcit ibres Schuges spricht, glauben, daß das cigenilih eine freihändlerische Schrulle sei. Davon ist nicht die Rede.

Mit Genugtbuung habe ih gesehen, daß in ter letzten Zeit auch in ten Blättern, die bisher die entsciedensten Gegner der Handelsverträge gewesen sind, der Gedanke allwählich ¿ur Geltung

kommt, daß eine autonome Zollpolitik unmögli sei, daß man au zukünftig Handelsverträge shließen müsse. Man sagt nur : die Handels- verträge müssen besser sein als die bisherigen. Das ift ein Ents{luß, den ih in jeder Beziehunz nur zu billigen vermag; und die Verträge werden dann befser sein als die jeßigea, wenn sie in noch böôherem Maße das Gesammtinteresse im Auge haben. (Sehr rihtig!) Deutschland ist gewiß kein Induftriestaat in tem einseitigen Sinne, wie man ihn fäls{lich einer Aeußerung des früheren Herrn Reichskanzlers unterlegt hat. Aber ih glaube, es wird mir jedermann zugeben: in diesem Sinne ist Deutschland au kein Landwirthschafisftaat. Deutschland is beides; es ist au ein Handels\taat, ein Handwerkerstaat und Arbeiterstaat, und -ich meine, wir follten froh sein, daß alle die Erwerbsstände in Deutschland vertreten sind; denn auf dem Zusammenwirken derselben berubt das Blühen und Gedeihen unserer wirthschaftlihen Verhältnisse. (Sehr richtig !)

Also, meine Herren, niemanden wird es mit größerer Genugtbuung erfüllen als mi, wenn die bisherigen Gegner der Handelsverträge in der .Lage sind, bessere Handelsverträge zu \{hließen. Sollte troy der guten Absicht dabei da urd dort ein Mangel sich ¡eigen, so dürfen die Herren versichert sein, daß ih ibnen ein milderer Richter sein werde, als sie es mir gegenüber gewesen sind. (Lebhafter Beifall in der Mitte und links.)

Abg. Dr. von Levetow (d. kons.): Die eigentlihe Spitze des Antrags Barth ift zwar durch den Antrag Frißen abgebrochen ; deshalb könnte man beide Anträge zusammen anne men, aber für eigertlih nothwendig kann ih fle niht balten. Welchen Nutzen foll die Denkschrift stiften ? „Die Verhältnisse haben sih Än den legten fünf Jabren erbeblih geändert, und was sich heute als Thatsate binstellt, vaßt in den nachsten fünf Jahren nit mehr. Dadurch läßt sih kein Mens mehr überzeugen. Es wird alfo kein Unglück sein, wenn die Anträge angenommen werden, aber auch kein Unglück, wenn sie abgelehnt würden.

Abg. von Kardorff (Rp.): Was Herr von Marschall jeßt als absolut nothwendig und nüßlih für Deutschland binftellt, war dasjenige, was wir auch gefordert haben. Jh kenne keine Gegner der ogs 8e verträge. Wir sind stets Anhänger der i ige gewesen. Es fragt sich nur, wie. die Verträge beschaffen find. Mit den Handels- verträgen, welche die landwirtbschaftlihen Interessen opferten der Industrie zu Liebe, konnten wir nicht zufrieden sein. Allerdings hatten wir 1892 feinen freibändlerishen Tarif, aber die landwirths{aftlichen Zölle wurden herabgeseßt, die industriellen niht. Jh möhte nicht in eine Debatte über diese Dinge jeßt eingehen. Aber Deutschland muß für künftige Handelsverträge \ich einen autonomen Tarif herstellen, und dabei müssen die landwirthshaftlihen Interessen eine bessere Vertretung finden als bisher. Daß die Exportmenge \ich der vierten Milliarde nähert, ist erfreulih. Aber diese Ausfuhr ift bedenklich, weil sie dafür spricht, daß der innere Markt an Kaufkraft verloren hat. Jch fürchte, wenn die Handelsverträge noch lange dauern, E wird {ließli von der Landwirthschaft nicht mebr viel übrig

eben.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.): Bei der Ausarbeitung der Denk-

frift kommt es darauf an, welche Instruktion diejenigen erhalten, die sie ausarbeiten. Wir baben manche Denkschrift erhalten, deren Ten- denz sehr offenkundig war. Die Denkschrift über das Börsengesctz zäölte die schlechten überseeisWen Anleiten auf, durch welche das deutsche Publikum geschädigt war; aber die Emissiensfirmen waren niht genannt. Ebenso war die Denkschrift zur Postdampfer- Vorlage fehr einseitig. Wird die Denkschrift ausgearbeitet von Ge- beimrätben, welwe Ankbänger der jeßigen Wirtbschaftépolitik find, so würde ich davon nichts erwarten. Es müßten Vertreter- aller ErwerbLzweige an der Ausarbeitung betheiligt werden. Die industriellen Vereinigungen sind immer noch im stande gewesen, das Material für ihre Branchen zusammen zu bringen. Der Zentralverband deutscher Industrieller erfreut \sich ja bei seinen Versammlungen der Anwesenheit der Minister, während dem Bunde der Landwirthe diese Ehre noch nicht widerfahren ist. Der Bund der Landwirthe wird jedenfalls über die Wirkung der Handelsver- träge auch feine Anschauung kundgeben. Jeßt ift der Zeitpunkt jedenfalls noch nicht gekommen ; denn die Verhandlung über neue Vandelsverträge steht noch in weiter Ferne. Redner führt aus, daß &ürst Biémarck die Handelérerträge, wenn er sie abges{lossen Hätte, auf anderer Basis abgeschlossen haben würte. Von 1890 bis 1892, fährt er. fort, bâtte man einen autonomen Tarif sehr gut berftellen können. Die Furcht, daß die anderen Staaten daun auß hobe Tarife eingeführt bâtten, fonnte davon ebenso wenig abhalten, wie eine HPeerefê- verstärkung deswegen unterbleiben darf, weil die anderen Staaten uns folgen. Für Freibändler haben wir die gegenwärtigen Minister nicht gehalten, aber sie haben sich nicht stark genug gemacht, um die deutsche Landwirthschaft zu [chügen. Verschiedene Länder nehmen ja unsere Ausfuhr auf, aber dieses Verbältaiß bört uater den modernen Verhältnissen mit der zunehmenden Entwicklung anderer Länder auf. (Zuruf: England!) England ist ein abshreckendes Beispiel für die einseitige Einwirkung der Industrie auf Kesten der Landwirthschaft. Die deutshe Landwirtbs{aft muß geschüßt werden, weil sie nit gefährdet werden fann durch einen Federstrih fremder Staatémänner, wie unsere industrielle Ausfuhr. (Präsident Freiherr vou ŒWuol bittet den Nedner, zu der Denkschrift zurückzukommen, da über die all- gemeine Yandelspolitik nit debattiert werde.) Ich bitte, zur ANuê- arbeitung diese: Denkschrift Vertreter der verschiedenen Berufsztwveige, auch der Lanèwirthfchaft, hinzuzuziehen. __ Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d. kons.): Wir habcn immer den Eindruck gehabt, daß die Handelsverträge uns bintern, der Landwirthschaft zu belfen; denn obne Bindung der Getreidezölle bâtten wir der Landwirthschaft belsen Tönnen, das hat sich besonders gezeigt bei dem Antrage des Grafen Kani. Die Grundsätze, die der Staatssekretär hinsihtlich der Zukunft entwi&elt bat, lassen eine Verständigung als mögli ers@einen. Der Staatssekretär hat die Vorzüge des inneren Marktes für die Industrie nicht genügend betont; der Export dée Industrie bängt von den Maßnahmen anderer Staaten ab. Die Getceidezölle dürfen niht gebunden werden; es wird auch dabei mögli sein, Tarifoerträge abzuschließen. Von der Anuahme des Antrages wird kein Vortheil zu erwarten sein.

Abg. Dr. Förster - Neustettin (Reformp ) hält s füc selbst verftändlih, daß alle Zweige des Erwerbslebens geschützt werden müßten; selbst der ftrengste Agrarier werde dagegen nichts einzuwen- den haben. Redner empfiehlt eine gründli&e Vorber-itung des Neu- abschlufses von Handelêve-rträgen hauptsächlich zum Schutze des inneren Marktes. Die Eile, mit welcher die Denkichrift verlangt werde, sei bedenklich. Fürhte man, später keine günstigen Wirkungen der Handelsverträge mehr fesisteiten wu können ?

Abo. Freiberr von Stumm (Rp.): Ic werde für ten Antrag Frizen , aber gegen den Antrag Barth stimmen. Auf den Abscbluß des österreihishen Handelsvertrages bat die Industrie keinen Eir fluß gehabt; der Zentralverband deutscher Indusirieller ist damals nicht gefragt worden ;. er bätte sich wahrscheinlich gegen den Absc@luß dieses Bertrages auêgesprochen, weil die Industrie keinen Vortheil haben will auf Kosten der Landwirthschaft. Mit Hilfe ter industrielen Schutzzöllner ist der Zollsaß für Getreide von 50 auf 1 4 für 100 kg festgeseßt worden. Nachher erfolgte die Er- böhurg auf 3 M und 5 #4 Wenn die Hantelsv:rträge ten Zoll auf 3,90 M ermäßigt haben, fo besteht immer nod) dasselbe Ver- hältniß, welches 1885 zwishen dem Eisenzoll und dem etreidezcll bestand. Wir soliten nah den Erklärungen des Staatssekretärs zur Regierung das Vertrauen haben, daß sie für die Landwirthschaft das Nöthige thun wird.

Damit \chließt die Debatte. Der Antrag Barth wird mit

dem Verbesserungsantrag Frißen gegen die Stimmen der

Reformpartei angenommen.

Das Gehalt des Reichskanzlers und die übrigen Aus- gaben des Etats der Reichskanzlei werden genehmigt.

In erster und zweiter Berathung genebmigt das Haus hierauf das Zusagzabkommen vom 4. Maîi v. J. zur Berner Uebereinkunft zum Schuße von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886.

Es folgt die erste Berathung des Geseltnlwurks wegen Abänderung des Gesezes, betreffend die Beschlag- nahme des Arbeits- oder Dienstlohnes, und der Zivilprozeßordnung.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieb erding:

Der Gegenstand der zur Diskussion ftehenden Vorlage wird dem hohen Hause erinnerlih sein aus den Verhandlungen des vorigen Sommers. Es handelt \ich um die Beseitigung der Beschränkungen, wele den geseßlihen Ansprüchen uneheliher Kinder gegen ihren Vater entgegenstehen, wenn diese Ansprüche verfolgt werden sollen, mangels anderer Vermögensobjekte bei dem Vater, gegen dessen Dienstlohn oder Gehalt. Es handelt sih also um eine wirksamere Geltendmaung der durch das Gesey den Kindern verliehenen Rechte; es handelt si gleichzeitig um eincn befseren SÖHut für die meist in bedrängter Lage befindlihe Mutter; es bandelt sich auh um den Schutz der Ge- meinden, die, meistens durch Armenlasten obnebin bedrängt, dagegen gesihert werden sollen, daß sie für diejenigen Leistungen aufkommen müssen, denen ein gewissenloser, ebrloser Vater sich entzieht.

Also ein wirthschaftliHes und ein moralisches Prinzip liegen der Vorlage zu Grunde.

Dies Prinzip hat bereits in den Verhandlungen des Hohen Hauses im vorigen Sommer i glaube sagen zu dürfen: auf allen Seiten des Hauses Zustimmung gefunden. (Sehr rihtig!) Die Be, reitwilligkeit des Neichstages, in cine gesezlide Regelung des Gegen- stands einzutret:n, war damals fo groß, daß wir noch im Sommer zu einer abshließenten Erledigung der Sache zu gelangen hoffen durften ; indessen die Frage blieb an einer Anzahl kleinerer juristischer Bedenken hängen und ist so bis zum dieêmaligen Zufammentreten des Reichstages vertazt worden. Die verbündeten Negierungen hätten an und für sich vorgezogen, die geseßliche Erledigung dieser Sache aufzushieben bis zur Revision der Zivilprozeß- ordnung, die ja voraussihtlih im nächsten Jahre an den Reichstag herantreten wird. Allein in Erwägung, daß im Rahmen der Zivilprozeßerdnung die neueren Vorschriften, die wir Jhnen vor schlagen, doch immer erft in Geltung würden treten können mit Bes ginn des neuen Jahrhunderts, und andererscits in Anbetra@t der aller- dings nit unerhebliGen Mißstände, die unleugbar bier vorliegen, haben die verbünteten Regierungen ibre Wünsche zurüFtreten lassen und in Befolgung mehrfather Anregungen, die im vorigen Jahre kier im Reichstage gegeben wurden, felbst die Jnitiative ergriffen, um cine Vorlage einzubringen, die tem praktischen Bedürfniß genügt und andererseits den {on im vorigen Sommer geltend gemahten rechtliGen Bedenken Rechnung trägt.

Die gegenwärtige Vorlage unterscheidet si vornehmlich in drei Punkten von den Kommissionsbeschlüssen des voriges Somme18. Ein- mal hat sie si der Regelung der Beziehungen zu den sozialpolitischen Renten aus der Kranken- und UnfalUlversicßerung entzogen. Sie hat das gethan mit Nücksiht auf die {webende Revision dieser Gesetze, von der Ansiht ausgehend, daß es richtiger ist, die Frage der Be- \chlagnahme dieser Nenten zu regeln im Rabmen der Versicherungé- gefeßgebung felbst, Zweitens hat die Vorlage es für geboten era@tct, die Nehte der einen gesetzlichen Unterbaltéanspruch gegen den Bater besitzenten Kinder und Verwandten unbedingt zu \chüten gegenüber den Resten auf Unterhalt ven seiten der illegitimen Deëêcendenz. Ekegaiten, Kinder und Verwandte, die einen geseßlichen Unterkalitanspuuch haben, sollen nah dem Entwurf vorgeken mit ihren Ansprüchen vor den unechelichen Kindern, tie Arsprüche erkcben wollen. Nah Ansicht ter verbündeten Regierungen entspriht das sittlichen, recktlihen und wirihshaftlihen Gesichtépunkten; und ih boffe, auch das hobe Haus wird, wenn auch im vorigen Sommer dic Kommission nicht geneigt war, diesen Gesichtépunkt ohne weiteres anzuerkennen, bereit sein, auf den Standpunkt ter Regierung ju

treten.

In dritter Reihe bat die Vorlage versu&t, kleine-Verschiedenheiten. ¿wischen dem Beschlagnahmegeseß von 1869 und zwischen der Zivilprozefi- ordnung bezüglich der Vorausseßung eines Rükgriffs auf Lohn und Gehalt und bezüglich des Umfangs dieses Rückgriffs auszugleichen. Die Differenzen sind zwar nit von großer praktischer Beteutung, ihre Beseitigung wird aber dazu beitragen, die Beziehungen beider Gefete ¿u einander flarer zu tellen und die Anwendung der Geseye in der Praxis zu erleichtern.

Ich beschränke mih auf diese Worte in der Hoffnung, taß es oÿvne Mühe gelingen wird, zwishen dem hohen Hause und den ver- bündeten Regierungen in dieser Materie ein Einverständniß Herzu- ftellen.

Abg. Lenzmann (fr. Velksp.): Die vorjährigen Nerhandl i bäâtten bewiesen, daß der damalige Antrag alla incine Se e funden babe, die ibn au zur Annahme gelangen ließ. Redner bemängelt, daß na der Vorlage bon der Beschlagnahme dasjenige ausgeschlossen fein solle, was zur Bestreitung des nothdürftigen Unterbalts des Da treffenden und der von ihm zu unterhaltenden Personen nöthig wäre. Man bâtte dem Ribter uiht die Entscheidung darüber überlassen, sondern cin gewisses Prozentverkbältniß; feststellen sollen. Redner be- ib irie {ür die zweite Lesung vor, die man eiwas binaus-

eben sollte.

Abg. Bassermann (nl) spricht seine Befriedigung darübcr

aus, daß auf G orjâhrigen Kommissionéverhand]ungen die verbündeten Regi Nedner empfiehlt ebenfalls zur Hebung verschiedener Zweifel und Meinungë- verschiedenbeiten eine Hinaussciebung der ¡weiten Lesung.

Abg. Stadthagen (Soz.) bâlt die Vorlage für niht aus- reichend, namentlich für die unehelihenKinder; man werde in Bezug auf das- Pfändungérecht weitergchen und bet der Revision der Zivil- Da den Kreis ter unpfändbaren Gegenstände erweitern müssen. :

Abg. Graf von Holstein (d. konf.) freut si, daß die verbündeten Regierungen der durch seinen Antrag gegebenen Anregung Folge ge- geben hätten; eine Kommifsionéberathung sei niht nötbig, wohl aber fei eine Hinautsiebung der zweiten Lesung zur Verständigung über Aenderungsanträge erwünscht.

Nachdem noch die Abgg. Schwarze und Schmidt-

Warburg (Zentr.) für die Vorlage esprochen ließt die erste / eit stattfinden.

Es folgt die erste Berathung dez Entwurfs eincs

Handelsgeseßbuchs und eines Einführungsgeseßes

E Die zweite wird in nächster

zum Handelsgeseßbuch.

Deutshkonservativen, der Reichspartei und der deutshsozialen 5

Staatssekretär des Reichs -Justizamts Dr. Nieberding:

Meiue Herren! Die Neugestaltung unseres deutschen Handels- rechts, wie die gegenwärtige umfangreihe Vorlage sie bezweckt, ist eine unvermeidlihe Folge der Neugestaltung unseres bürgerlihen Nechts. Aber sie trägt doch einen ganz anderen Charakter als diese. Während es sh bei tem bürgerlihen Ret um die Herausarbeitung eines erften gemeinsamen Rehts aus einem verwirrten, zer- splitterten und vielfach veralteten Rechtsstoffe, der Erbschaft einer langen, unglücklihen Rechtsentwickelung in Deutschland, handelte, ftebt Hier bei dieser Aufgase die Revision eines Gesetzbuchs in Frage, das bereits gegenwärtig in unserem- ganzen Vaterlande gilt, eines Geseßbuchs von durhaus modernem Ursprung, geschägt im Inlande, hohangesehen auch außerhalb der deutschen Grenzen, eines Werkes von zweifellos großer sahliher wie formaler Vollendung.

Ein solches Geseßbuh, meine Herren, das gewiß ein hochkedeut- sames ideales Kapitel in dem Leben einer Nation darstellt, set man den Wechselfällen einer neuen legislatorishen Kampagxe niht ohne Noth aus. Wenn wir es dennoch thun, \o sind es vornehmlich zwei Gründe, die uns dazu zwingen.

Einmal, meine Herren, haben wir zu bedenken, daß unser jeßiges Handelsgeseßbuch nicht eigentliG im engeren Sinne nur Handelsrecht ist. Bei der Ausarbeitung dieses Geseybuhes is man mit Vorbedacht über die Grenze des eigentlichen Handelsrechts hinaus- gegangen, hat man hinübergegriffen in benahbarte Gebiete des bürger- Aichen Rechts, da man den berehtigten Wunsch hatte in jener Zeit der Rechtêzersplitterung, niht nur auf dem eigentlihen Gebiete des Handels, foudern au innerhalb terjenigen Verkehrsgebiete, die wit der Handel8welt in nähere Berührung kamen, in möglichs weitem Umfang ein gemeinsames deutsches Necht zu schaffen, und da man damals doch noch nit cinmal zu träumen wagte, daß wenig mehr als ein Menschenalter vergehen werde, bis das deutshe Volk in den Besig eines gemeinsamen Bürgerlißen Geseßbuchs gelangt sein würde.

Meine Herren, das auf diese Weise von dem Handelsgeseßbuche

occupierte Terrain des bürgerlihen Nechts wird das Handelsrecht jeßt wieder aufgeben müssen. Mit dem nächsten Jahrhundert tritt das Bürgerlihe Geseßbuch an seine Stelle. Damit wird ein Theil des Rechtéftoffes, den das Handel8geseßbuch umfaßt, obsolet, und die Auf- gabe des Gesetgebers ift es, die unbrauhbaren Vorschriften zu be- eitigen. l Aber auf der anderen Seite auch auf demjenigen Gebiete, auf dem das Handelsrecht zweifellos in Zukunft seine berehtigte Geltung bes haupten wird berechtigt, weil es sich um die Regelung eigenartiger Verhältnisse und Beziehungen?des kaufmännischen Lebens dabei handelt— wird die selbständige Stellung, die das Handelsgefeßbuch biéher dem zersplitterten deutshen Recht gegenüber hat einnehmen können, von ihm niht mehr in Anspru genommen werden dürfen gegenüber dem gemeinsamen Bürgerlißen Geseßbuh. Auch das Handelsgesegbuch wird sich in allen Fragen von grundlegender Bedeutung denjenigen Anschauungen anschließen müssen, die die Gescßgebung niedergelegt hat in dem gemeinsamen bürgerlißen Recht. Seit der Zeit aber, da das Haudelsgeseßbuch verfaßt wurde, haben ih in den rechtlichGen, in den fozialen und in den wirthschaftliGen Anschauungen der Nation manche Wandkungen vollzogen, die auch auf den Inhalt des Bürgerlichen Gefseßbuchs nit ohne Rückwirkung geblieben sind. Hier cinen Ausgleich zu schaffen zwishen dem, was in früheren Fahr- ¿zehnten das Handelsgeseßbuch ¿u Grunde legte, und demjenigen, von dem jeßt das bürgerlide Necht ausgeht, ift die zweite Aufgabe des Gesetzgebers.

Meine Herren, diese beiden Aufgaben greifen ziemli tief in das Ecfüge des Handelsgeschbuchs ein, und wir sind zu unserem lebhaften Bedauern deéhalb nicht in der Lage gewesen, die Aufgaben zu erfüllen auf dem Wege einer Norellen-Gestt-ebung; wir baben zu ciner neuen Modifikation unseres Handelsrechts fch{reiten müssen. Wir haben das ungern gethan, weil &e&8 ja notorisch ist, daß unser jeßiges Handelsgeseßbu im Volke ein außerordentli beliebtes, von großer Autorität umgebenes Werk ist, und weil ißm außerdem cin niht zu unterschäßender national- geshihtliher Werth beiwohnt ift es do das erste größere gemein- same Geseßeswerk, das Deutschland kennen gelernt hat. Aber, meine Herren, wir haben uns sagen müssen, daß dem Kaufmannsstande dur eine Novellen-Gesetßgebung nicht mebr, wahrscheinlih noch \chlehtcr geholfen sein würde als durch ein neues einheitlihes Gefetzeswerk. Denn dann würde er neben dem Torso des alten Gesezbuches mit seinen vom neuen Neht durlöcherten Bestimmungen noch immer eine neue Novelle in die Hand nehmen müßen, die ebenfalls nur Bruch- \tüce des geltenden Rechts enthält, und die Zusammenfassung der für den Einzelfall in Frage kommenden Grundsäße aus diescn beiden Sesetßgebungen würde für ihn: cine schwierigere Lage geschaffen baben, als dez Sinblick in ein neues, erschöpfendes \ystematisckces Werk.

Dajii, meiné Herren, haben wir uns allerdings verpflichtet gefühlt; in dem neuen Handelsgeseßbuch troßdem den Charaktex des galten Geseybues mögli@st ¿u wahren, die «fte Fólgeordnung der Be- stlinmüngen, die alte Fassung, dié alte Sprache des Gesctzes zu kon- servieren, Jn allen diesen Punkten sind wir davon ausgegangen, daß es richtig ift, möglichst h anzu!{chließen an das alte Ret, damit der Kaufmaunéftand au in dem neuen Werke das alte Geseßbuch wieder- erkennt. Unser Bemühen is gewesen, aus dem Geiste des alten Weikes ein neues GeseßbuH zu schaffen, ein wiklich populäres Retht zu haben, wie es in dem alten Geseßbuch zweifellos enthalten ift, und um dem neuen Geseßbuh die Sympathien zu bewahren, die das alte Werk fih in ciner mehr als 30 jährigen Geltung überall er- worben hat.

Wenn wir so an die Neuaufftellung eines Entwurfs herantreten mußten, so war doch mit den vorher bezeihneten Aufgaben unsere Arbeit niht völlig ershöpfend begrenzt. Wir Latten auch andere Fragen zu stellen, die ein gewissenhafter Gesetzgeber bei dieser Gelegen- beit niht übergehen kann.

Es fragt si, ob seit der Zeit, wo da3 Handelsgesetz- bu entstand, sich niht neue wirthschaftlihe Betricbsformen berausgebildet baben, die bis dahin eine rechtlihe Ausgestal- tung niht gefunden haben, die fie aber vermöge ihrer wirthshaftlihen Bedeutung in Anspruch nehmen dücfen. Es fragt si, ob nicht in der Zwischenzeit neue rehtliche Institutionen dur die Geseßgebung ins Leben gerufen sind, die an und für sich ihren Play im Handelsrecht finden müßten, die man aber bis dahin nicht

| nuß, da hábei wix uns entscheiden müssen, das Handelsgeseßzbuch in

dem jezt anders gegenüber steht, wo man ein neues Geseßbuh schafft. Es fragt \sich endlich, ob niht ganz abseits von den Bestimmungen, die wir zu ändern genöthigt sind, weil das neue bürgerlihe Ret uns dazu zwingt, Erfahrungen aus der Praxis vorliegen, die uns bestimmen müfsen, auch in sonstigen Punkten zweckmäßige Aenderungen vor- zunehmen.

Ich will diese leßtere Frage vorwegnehmen. Wir haben vns auf den Standpunkt gestellt, daß es einer prinzipiellen Revision der durch das Bürgerliche Gesezbuh nit berührten Kapitel des Handelsgesetz- bus niht bedarf. Das einzige Gebiet des Handelsgesetßbuhs, welches im Verlauf seiner Geltung eine grundfäßlihe Revision er- fahren hat, ist das Recht der Aktiengesellshaften. Daß in anderen Gebieten gleich gcundsäßlihe Revisionsbedürfnisse hervorgetreten wären, wird niemand behaupten können. Daß die seit Revision des Aktienrechts im Jahre 1884 verflossene Zeit uns cinen dringenden Grund gäbe, an eine prinzipielle Umgestaltung dieses Theiles des Handel8gefeybuchs zu denken, haben wir nicht anerkennen können. Nah unserer Meinung ift die Zeit seit 1884 zu kurz, um eine Dircktive für eine Neugestaltung dieses Nets zu gewinnen um so mehr, als in dieser Zeit manche Jahre wirthschaftliher Depression liegen. Die Probe, ob Bestimmungen des Aktienrechts zutreffend gegeben sind oder nicht, wird niht gefunden in Jahren einer wirthschaftlihen Depression, sondern in denen einer wirthshaftlihen Hohfluth. Wenn wir aber keine praktischen Erfabrungen haben, die uns von den Grundsätzen des Jahres 1884 abzugeben zwingen, so würden wir es für unreif und unklug halten, aus allgemeinen wirths{chaftlihen oder politishen Jdeen heraus neue Vorschläge an das hohe Haus zu bringen. Wir find also der Ansicht, daß auch im Aktiengesellshaftsre&t zwingende Motive niht gegeben find, um zu einer gzundsäßlihen Umgestaltung zu \Qreiten ; aber allerdings hat uns gerade das Aktienreht viel Veran- lassung gegeben, in einzelnen Punkten auf Grund der Erfahrungen, die wir in den leßten 12 Jahren gemacht haben, Aenderungen vorzu- nehmen. Es sind darunter au solhe Punkte, die, wenn auch keine prinzipiellen, so doch eine große praktishe Bedeutung in Anspru nehmen dürfen. Ih mate aufmerksam beispielsweise auf die Be- stimmungen üker die veränderte, festere, selbständigere Stellung der Revisoren, die die Gründung neuer Gesellschaften zu prüfen haben, auf die andere Regelung der Rechte der Aktionäre bei der Ausgabe neuer Aktien zum Zweck, die berechtigten Bezugsrehte der Aktionäre zu \{chüßen, auf die Neuregelung der Verhältnisse derjenigen Zuckerfabriken, welhe darauf angewiesen sind, den nothwendigen Nübenbedarf ganz oder theilweise von ihren Aktionären zu entnehmen. Sole und andere Punkte von großer praktischer Wichtigkeit haben uns allerdings Veranlassung ge- geben, obwohl das Vürgerlihe Geseßbuch nicht dazu zwang, neue Vorschläge in den Entwurf aufzunehmen. Das haben wir aber nicht bloß auf dem Gebiet des Gesellshaftsrechts gethan, das trifft nit minder zu für andere Gebiete, eigentlich für den ganzen Umfang des Geseßbuchs, abgesehen vom Scereht. Ich erinnere da an die andere Bekbandlung der Stellung der Handwerker und Minderkaufleute, an die Ausgestaltung des Firmenrechts, an die festere juristishe Dur(h- bildung der Vollmachts- und Prokuraverhältnisse, im Handelsgewerbe an die s{härfere Abgrenzung der Neckte und Pflichten der Gehilfen und an den besonderen Schuß, den der Entwurf den Lehrlingen im Handelsgewerbe gewähren will. So werden Sie fast auf jeder Seite des Entwurfs Aenderungen finden, von denen ih hoffe, daß sie von Ihnen als Verbesserungen werden anerkannt werden können.

Las dann die zweite Frage betrifft, ob inzwisGen bei uns recht- liche Institutionen geschaffen worden sind, deren Recht wir verpflichtet wären, jeßt dem Handels8geseßbuh einzuverleiben, so haben wir diese Frage verneint vielfah allerdings im Widerspru mit Stimmen, die in der Oeffentlichkeit laut geworden sind, aus den Kreisen sowohl der Praxis, wie auch der Theorie. Es handelt si hier vor allen Dingen um das GesellschaftsreWßt. Kuf dem Gebiet des Gesellshaftsrehts find, seitdem das Handel8geseßbuch entstand, neue Bildunçen empor- gewachsen, die cine immer größere wirthschaftlihe und rechtliße Be- deutung in Anspru nehmen, fo vor allem in den Genossenschaften und neuerdings aud in den Gesellshaften mit bes{ränkter Haftung. Abgesehen von dem Gesellschaftsrecht, haben wir erft vor einigen Jahren in dem Recht der Binnenschiffahrt ein neues Rechtsgebiet erschlossen, das an und für sich ebenso wie das Genossenshaftsrecht in das Handelsgeseßbuch hineingehören würde. Wir haben uns aber die Frage vorlegen müsser, ob es in der That zweckmäßig sein würde, das Genossenschaftsrecht und au das Recht der Binnenschiffahrt nun in den neuen Geseßkörper aufzunehmen, und haben diese Frage ver- neint aus praktishen Gründen. Würden wir ein Lehrbuch des Hantelêrechis ¿u verfassen haben, so würde es zweifel- los rihtig sein, auch diese Gebiete in den Kreis unserer Arbeit hineinzuziehen. Aber, wo es sich darum handelt, ein praktisches Geseße8werk zu schaffen, dessen Inhalt den betheiligten Kreisen in leihtester Weise verständlich und zugänglih gemacht werden

seinen alten Grenzen zu belassen, Würden wir derartige umfangreiche MNechtésteffe in den Bereich des Handel8geseßbuches hineinziehen, so würde das Handelsgeseßbuch zweifellos noch viel fremdartiger den Handelsstand anmuthen, als es vorausfi@tlich schon jeßt der Fall sein wird vermöge seiner veränderten Gestalt, und wir haben do die Pfliht, dem Handelsstande seine Aufgabe, si mit dem neuen Net vertraut zu machen, nicht mehr als nöthig zu er!ckweren, wie wir es thun würden, wenn wir das Handelsgeseßbuch derart ausgestalten wollten.

Auf der anderen Seite sind doch nah meinem Gefühl au die- jenigen Kreise, die praktisch an dem Genossenshaftsreht vorzugsweise betheiligt find, und die Interessentengruppen, die das Binnenschiffahrts- ret vonehmlih in Benutzung nehmen, derart situiert, daß sie es vorziehen müssen, in besonderen, kleineren, in sich abgeschlossenen Gesetzen ihr Recht vor sich zu haben. Würden diese Kreise, die zum theil in kleineren Verhältnissen sih bewegen, genöthigt fein, immer das neue umfang- reihe Handel8geseßbuh nahzushlagen, um dort an einer süc sie nicht sofort erfindlichcn Stelle die sie allein interessierenden Bestimmungen aufzusuchen, so würde man ihnen ihre geshäftlice Thätigkeit in einer unerwünshien Weise ers{chweren. Wir haben in der That in der jetzigen Zeit, wo wir das Volk mit fo zahlreihen neuen Gesetzen, in die es sich einarbeiten soll, be- lasten, keine Veranlassung, in neuen Gesehesrevisionen und Kodifi- kationen weiter zu gehen, als unbedingt nöthig ift.

Was die dritte Frage betrifft, meine Herren, ob wir nicht bei

Tie Bildungen, die in der Zwischenzeit entftarden oder groß geworden

sind, Rüdcksiht nehmen müssen, tie bis dabin eine reckchtlihe Aus- gestaltung noch niht gefunden hatten, \o haben wir dieser Frage uns anders gegenüberstellen müssen. Solhe neuen gewerblichen Betriebéformen und Unternehmungen sind in der Zwischen- zeit allerdings, wenn auch nit gerade erft entstanden, so doch zu einer Bedeutung, gelangt, daß wir fie bei der Abfassung eines neuen Gesehz- buches für den Handel niht außer Betracht lassen können. Ich meine damit mehrere Unternehmungsformen, die sich auf dem Gebiete be- wegen, das ih als das tes kaufmännishen Vermittlungëgewerbes be- zeihnen möchte; es sind das Geschäfte der Handelsagenten, die Geschäfte der Handelsmäkler und diejenigen der Lagerhalter, alies Betriebsformen, die im Handel und Verkehr der geschäftlichen Vermittelung dienen, die bedeutsamer, umfangreiher und unentbehr- lier werden, je mehr sich im Handel die Theilzng der Arbeit voll- zieht, je kfomplizierter die Geshäftsverhältnisse werden, je mehr ih der Handelsverkehr zu einem internationalen auébildet. Jn diesen Momenten liegt der Schlüffel dafür, daß erst in ten leßten Jahrzehnten diese Geschäftsbetriebe sh so ausgebildet haben, daß die Gesetzgebung si? jeßt berä®sihhtigen muß, während fie bis dahin von unserem Handelsreht niht in Betracht gezogen worden waren.

Meine Herren, wir haben uns aber auf diesen Gebieten nur mit großer Vorficht bewegt ; wir haben die Regulierung der Stellung der Handel8agenten, der Stellung der Handelsmäkler die amtlichen Börsenmäkler sind ja seit dem Börsengeseß weggefallen; die nicht- amtlichen Handelsmäkler hatte das alte Handelsgeseßp noch nit in seine Regelung einbezogen und die rehtlide Ordnung der Geschäfte der Lagerhalter nur soweit unter- nommen, als es uns unbedingt nothwendig schien, um die ob- waltende Nehtsvnsicherheit zu beseitigen, Prozessen in den betbeiligten Kreisen vorzubeugen und der Rehhtsprehung eine bestimmte Direktive ¿u geben. Wir sind niht weiter gegangen, als es durhaus geboten war, weil wir nicht wünschten, aus theoretishen Konstruktionen heraus Verhältnisse, die sih aus dem praktishen Leben entwickeln, geseßlich zu regulieren, weil wir befürhten müßten, daß, wenn man mit dem Geseße zu weit vorgehen wollte, hier die Verhältnisse, die vielfa noh im Flusse befindlih sind, auf falshe Geleise gedrängt werden könnten, und einem folhen Vorwurfe möchten wir das neue Geseßbuh nit ausfeßen.

Meine Herren, ich habe Ihnen damit nah der sachlihen Seite hin den Umfang dessen angedeutet, was die Vorlage zu behandeln unternommen hat. Sie werden daraus entnehmen, daß, nah Materien gerechnet, der Inhalt der neuen Vorlage gegenüber dem alten Handelsgeseßbuh sich niht wesentli geändert hat, und doch besteht zwischen beiden ein sehr weitgreifender Unterschied, auf den ih hon bei dieser ersten Lesung aufmerksam machen muß. Der Unter- schied beruht in der Begrenzung des Personenkreises, welher dem kaufmännishen Recht unterworfen fein soll. Unser geltendes Hantdels- geseßbuch kennt eine Reihe von Geschäften, die denjenigen, weldher bei diesen Geschäften als Kontrahent betheiligt ist, ohne weiteres unter das Handelsrecht stellen. Ob die Geschäfte {ließenden Personen Kaufleute sind oder nicht, ob sie die Geschäfte einmal oder regelmäßig abschließen, ob dies gewerbsmäßig geschieht oder nicht, ist einerlei; die Thatsache des Geschäftsabschlusses bringt die geschäftabschließenten Personen unter das HandelsreÞt. Diesen Standpunkt hat der vorliegende Entwurf fallen lassen. Er will kein Geseßbuh für Handelsgeshäfte sein, er will ein Gesfetbuch sein für die Handelsgewerbe und deren Unternehmer, und das sind die Kaufleute. Darin liegt zweifellos cine gewisse Einschränkung des bisherigen RNechtsgebiets des Geseßbuches, die praktisch niht ohne Be- deutung ist. Während bisber Leute, die Geschäfte der von mir he- zeichneten Art abschlossen, au wenn sie sonst nihts mit Handel und Wandel zu thun hatten, unbedingt unter das Handelêre(t fielen, können na dem neuen Entwurf Leute, die nit Kaufleute sind, unter das Recht der Kaufleute bei derartigen Geschäften nicht mehr fallen.

Aber wenn das Geseßbuh in dieser Weise nit mehr von dem Begriff der Handelsgeschäfte ausgeht, indem es seinen Herrschaftskreis begrenzt, sondern von dem Begriff des Kaufmanns, so haben wir uns doch sagen müssen, daß der Begriff des Kaufmanns, wie ihn unser bestehendes Reht kennt, für das neue Recht nicht mehr brauchbar sein würde. Er ist zu eng, veraltet, er deckt sich nicht mehr mit den Auffassungen des praktischen Lebens. Ich brauche, um das klar zu machen, nur auf einige Beispiele hinzuweisen: Wir haben uns vor längerer Zeit ein- mal mit der Frage der Vaußandwerker und der Bauunternehmer beschäftigt. Es kam dort zur Sprache, daß die Bauunternehmer keine Kaufleute seien, den Pflichten der Kaufleute nicht unterliegen. Das ist richtig: die Bauunternehmer machen, namentlich in den großen Städten, Geschäfte von außerordentlih komplizierter Art von durchaus ¡aufmännishem Charakter dennoch sind sie niht Kauf- leute, und während der Bauunternehmer nicht Kaufmann ist, ift vielleit der Glasermeister, der in das von dem Unternehmer erbaute Haus die Fenster liefert, Kausmann. Das ift ein Widerspruch, der sich mit den praktif@en Verhältnissen nicht mehr verträgt. Jch er- innere Sie an das moderne Hotelgewerbe : der große Hotelunternehmer ift nicht Kaufmann, der kleine Kolonialwaarenhändler ihm gegenüber, dcr vielleiht nur den hundertsten Theil seines Umsatzes hat, ift Kauf- mann. Jch erinnere Sie an die eigentkümlihen Verhältnisse, die in denjenigen Betriebszweigen hervortreten, bei denen Bodenerzeugnisse verarbeitet werden: der Besizer einer großen Brennerei, der nur Kartoffeln seiner eigenen Ernte verbraucht, wird niemals Kaufmann, der Betrieb mag einen noch so großen Umfang annehmen; der Besitzer der kleinsten Brennerei, der genöthigt ist, von seinen Nachbarn Kartoffeln zuzukaufen, um den Betrieb in vollem Umfang aufrecht zu erhalten, wird Kaufmann. Das sind Unklarheiten, Widersprüche, die dem bie- herigen Net anhasten, die wir in das neue Necht nicht übernehmen dürfen. Der Entwurf hat deshalb auch den alten Begriff des Kauf- manns, der sich nah der Art der Geschäfte richtet, fallen lasen ; er bestimmt den Begriff des Kaufmanns nah der Art des Gewerbes, das jemand betreibt, ncch dem Gesammtchara=lter der geschäftlichen Operationen, die ‘der Unternehmer vornimmt. Von diesem Stand- punkte aus kennt der Entwurf zwei Gruppen von Kaufleuten: zunächst die eine Gruppe folcher Kaufleute, die deshalb unter das Kaufmanns- ret fallen, weil sie gewisse Gewerbe betreiben, die eben nur kaufmännish betrieben werden können wie Banquiergeshäfte, Großfabrikation, Kommissionsgeschäfte u. dgl. m. Wer dieser Gruppe von Gewerbe-

in den Kodex des Handelörehts aufgenommen hat, weil man den Zusammenhang des alten Geseßbuchs nit {ören wollte, und ob man

der Ausarbeitung des Handelsgeseybuhs auf etwaige neue wirthschaft-

treibenden angehört, foll nach dem Entwurf Kaufmann werden auf