1897 / 45 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Unter den Arbeiten, deren Erledigung Ibnen obliegt, nebmen die zablreichen, die Erhaltung und Fortentwidelung der versiedenen Rweige der kommunalen Provinzial-Verwaltung betreffenden Vorlagen Vhbres Ausschusses die erste Stelle ein. Au in der gegen Tagung werden Sie reiblid Gelegenheit baben, zu Verbesserungen auf diesem Gebiet Ibre Hand zu bieten und auß:rdem Kunft und Wissenschaft, Gewerke und Verkehr, gemeinnüßige und wokblthätige Unternehmen aller Art mit gewobnter Freigebigkeit zu unterftügen.

Mit Befriedigung werden Sie aus ter Vorlage des Provinzial- Ausschusses, betreffend die Förderung des Baues von Kieinbahnen, ersehen baben, daß die dieserhalb im vergangenen Jahre gefaßten Be- \{lüfse ibre wohlthätige Wirkung nicht verfehlt haben.

Das erböhte Interesse, welches infolge der dadur gegebenen An- regung in der Prcvinz diesem wichtige? Verkehrêmiitel der Neuzeit sih zugewendet und in versbiedenen Kreisen bereits greifbare Projekte gezeitigt bat, macht die Gewährung weiterer Mittel zur Unterstüßung tolher Unternebmungen nothwendig. Die in dieser Hinsicht Ibnea unterbreiteten Vorshlêge werden Sie wit um so größerem Wobl- wollen prüfen, als es si um vroduftivz Ausgaben handelt und als auch die Königliche Staatsregierung in Beröcksihtigung der besonderen Verkbältnuisse unserer Provinz zu den weitgebendsten Zugeständnifsen in Betreff ter für den Kleinbabnkau zu gewährenden Staatsëbeihilfen bereit ift.

Auch die Angelegenbeit wegen Einführung einer Entschädigung fur Pferde- und Rindvtebverlufte, welhe durch Milzbrand entstanden sind, wird Ibnen zur Bes&lußfafsung nochmals vorgelegt werden, nahdem die von Ibtnen gewün'{chten weiteren Erbebungen angestelit worden sind und neuerdings unter den Viebbeständen der Provinz eingetretene erb:blihe Verluste es nabegelegt baben, ten aus diefer Seuche erwachsenden wirtbs{aftliden Nacbthbeilen der Viebbesißer dadur vorzubeugen, aud in der hiesigen Provinz, wie dies in anderen Provinzen bereits geïcheben ift, von dem dur das Gesez vcm 29, Juni 1890 gegebenen Rechte Gebrau zu machen. Ich empfehle den dabin gebenden Antrag des Provinzial-Aués{hufses Ihrer beson- deren Berücksichtigung. 4 l ;

Die Köaigliche Staatêregierung erbittet infolge eines an Sie er- gangenen Antrages der betbeiligten Grundbesitzer erneut die Mit- wirkung der Provinz zur Durchführung der Waßerregulierungëarbeiten, wel®&e die mit Ihrer Unterstüßung zu fande gekommenen Melio- rationZanlagen im WMemeidelta weiter auëgestalten und deren Wir- fungen baldmöglidst fiherftellen follen. Wenn auch die mannig- faden an die Provinz hberangetretenen Ansprüche eine weitere Steigerung der Previnzialabgaben unvermeidlih gemacht haben, fo werden Sie de auch an die Prüfung dieser Vorlage mit demjenigen Entgegenkommen berartreten, welhes Sie bisber den auf die Förderung der Landwirthschaft gerichteten Bestrebungen baben zu theil werden lafsen und inébescndere den Bewohnern des gedachten ge- segneten Landstrihs dur frübere Beslüsse bereits bewiesen haben.

Ich gebe mi der Hcffaung bin, daß es Ihnen gelingen wird, alle diese Arbeiten zu einem für die Provinz ersprießlien Abs{luß ¿u Fen und erfläre hiermit den 21. Ostpreußischen Landtag für eröffnet.

Zum Ersten Vorsißenden wurde durch Acclamation der Ober- Marschall Graf zu Eulenburg -Prassen, zum Stellvertreter der Generallandéshafts-Rath Negenborn gewählt.

Posen, 21. Februar. Die zum 30. Provinzial-Landtage einberufenen Abgeordneten wohnten heute, Vormittag 10 Uhr, dem Gottesdienst in der evargelishen Kirhe St. Pauli bezw. in der katholishen Pfarrkirche ad St. Mariam Magda- lenam bci und versammelten sich sodann um 121/23 Uhr Nach- wittags im Sißzungssfaale des Ständehauses. Nachdem der Königliche Kommissarius, Ober - Präsident Freiherr von Wilamowiß-Möllendorff dur cine Deputation benach- richtigt worden war, daß der Provinzial-Landtag versammelt sei, begab si derselbe in die Mitte der Versammlung und eröffnete den Provinzial-Landtag mit folgender Ansprache:

Hohgeeb:te Herren!

Nachdem der 29. Provinzial-Landtag dur fast einstimmigen Be- {luß die Einführung einer Landwirthschaftskammer für die Provinz Posen emvfoblen hat, ist auf Grund der Allerhöchften Verordnung vom 3. August 1895 diese Vertretung der cesammter Landwirthschaft der Provinz in das L-ben getreten. Hoffertlih wird es derselben gelingen, nh zu €eincr fegenéreihen Institution füc unsere Heimatb auszubilden. Mie es ich die Königliche Staatsregierung angelegen sein läkt, die Land- wirthjWaft zu fêrdern, zeigt Ihnen u. a. die Ihnen gemaŸYte Vor- lage, beireffend Bildung eines avßerordentlihen WMelicrations- fonds, welder gröftentheils aus Staatêsmitteln gespeist werden soll, und aub der rom Staat g:förderte Bau von Kleinbahnen, mit welchen Sie sh zu beschäftigen baben werden, foll wesentli der Landwirtbschaft zu gute kommen. Aber die Vorlagen, welche die crößten Anforderungen an Ihr Bewilligungérec({t stellen, lizgea mebr auf anderen Gebieten. Eine voa Grund aus neue Gestaltung der Einrichtung zur Versorgung der Provinz mit ges{chultzn Hebeammen ift der Auêéfluß geseulider Berpflihtungen, ron deren Erfüllursg die ftaatlihe Aufsichtébebörde niht länger würde entbinden können, und daß eine anderweite, ebenfalls auf gesßlider Pfliht berubende Für- sorge für Epilevtishe und Idioten geboten it, wud Jénen nah Prüfung der bezüglichen Vorlage kaum zweifelhaft sein. Daf bierbei eine Mebrbelastung der Steuerzahler unvermeidtih ift, darf niht verkanni, e muß aber au bzahtet werden, daf diese Mebrvelastung großentheils durch diz weitere Aus- dehnung des Provinzial-Chausseeneßes veranlaßt wird, während tie Berichte Ihres Landeébauptmannes Ibnen als das Resultat einer ebenso ¿3weckmäßigen wie fvarsamen Verwaltung bedeutende Uebecschüfse nackcweisen, welhe Ihnen die nothwendigen Bewilligungen gewiß er- leihtern werden. An der weiteren Entwickelung der Landef-Bibliotbek und tes Preovinzial-Museums werden Sie freudigen Antheil nebmen und dieselbe, wie ih boffe, mit thatfräftigem Woblwollen auch ferner- bin begleiten.

Fest vertraue ich, daß der der sachliden und erfchöpfenden liegenden reichen Arbeitspenfums nit zurüdcksteben wird. Dieses Vertrauen berubt nicht zum mindesten darauf, daß die Litung der Verbandlung wieder ia Ibren Händen licat, bohvzrehrter Herr Landtags-Marschall, tber Sie mit ebenso großer Vufcpferung wie Sachkenntniß auch die Ver- bandlungen des Provinzial. Aus!chosses leiten. Indem ih Ihnen den Allerböcbsten Landtagéabschied vom 15. Februar 1897 und das Aller- hôdste Propositionsdekcet vom felben Tage übergebe, erkläre ih im Allerhöchsten Auftrage Seiner Majestät des Kaisers und Königs den 30. Provinzial-Landtag der Provinz Posen für eröffnet.

Der Landtags-Marschall, Schloßhauptmann von Dziem- bowsfi entgegnete hierauf :

Hochverebrter Herr Landtags-Kommifsarius! Vie Worte, welche Eure Excellznz im Allertöhsten Auftrage Seiner Majestät des Kaisers und Königs zur Eréffnung des 30. Provinzial-Landtages an uns ge- richtet baben, erfülen uns mit lebhatter Freude und vollem Verkrauen in die flete, unablässige Fürsorge der Königl chzn Staatsregierung für das Wobl und das Gedciben uusferer Heimathprovinz.

Der zweijährige Zwischenraum, der vns von den Beratbungen des vorangegangenen Provinzia!-Landtages trennt, bat die Entwickelung unserer provinziellen Verbäitaifse und Einrichtungen fihtlich und er- freulih gefördert.

Mit Eurcr Excellenz halte ich mi überzeugt, daß in der Aller- bôdhst genehmigten ŒEinfühcung einer Landwirtbschaftekammer der ge- sammten Landwirthshaft der Provinz die geeignete Grundlage eines Zusammens&luïses geboten ift, auf welher fie an die Verfolgung der der Kammer ge!eßten Aufgaben mit regstem Eifer herantritt.

Wie es die Königliwve Staatëéregierung in dankenêwertbester Weise an der Anregung und materiellen Unterstüßung bedeutfsamer und ge- meinnügiger Meliorationen nit fehlen läßt, fo wird auch eine künf- tige Gewährung finanzieller Beihilfen aus Mitteln des Staats bei

30. Provinzial - Landtag in Bektandlung des ibm vor- binter feincn Vorçäangern

dem Bau ven Kleinbahnen in Aussicht gestellt, welhe um so werth- voller und E versprehender ange‘ehzn werden muß, als die hobe Anfpannung der Steuerkcaft der Kreise und der Provinz, wie solhe in unver?ennbarer Weise s{hon jeßt vorliegt, auch der kommunalen Förderung des Verkehrêwefens zum {weren Hinderniß gereicht und uns zwingen wird, der Uebernahme dauernder Unterbaltungslasten auf die Provinz gewisse Grenzen zu ziehen. i i

Es wird die Aufgabe der Provinz und ihrer Vertretung bleiben, alle Maßnabmen der Königli Staatsregierung zur Hebung der materiellen Lage der Provinz und ibrer Einwohner voll zu würdigen, zu erbitten und nad Maßgabe ihrer Kräfte zu unterstüßen, da ja vor allem in der wirtbs{astlicen Stärkung, in dem Aufs{luß der Berkehrsverbältnisse, in dem fulturellen Vorschreiten unserer Provinz eine sidere Gewähr für ihre den staatlichen Intecefsen entspredende Fortentwidelung und für die Vereinigung aller unsercr Mittürzer ju gemeinsamer, frietlider und gern übernommener Mitarbeit, zu gemeianüßigem Schaffen des Einzelnen für das Ganze gefunden werden darf. s

Auch die Zuwendung, welche der neu errihteten Landes-Biblio!hek und dem Provtnzial-Mujeum aus dem Allerhöchsten Ditpositiontfonds vor furzem zu theil geworden ift, läßt uns mit Dank die Fürsorge des Staats für das auf diesem Gebiet zu Schaffende erkennen.

Die Pflichten, die das Dotationégeseß und das Geseg über die außerordentliche Arment flege den Provinzialverbänden auferlegt baben, verlangen zu ihrer Erfüllung die Errihtung neuer Anstaltsgebäute, für welhe die Bewilligung der Mittel von sciten des Provinzial- Landtazes erfolgen foll. 2 : :

Sie werden, meine verehrten Herren Mitstände, bei Dur&sit der Vorlagen, der Verwaltungsberihte und der Abshlüfse dem Herin Landeéhauptmann die Anerkennung nicht versagen können, daß er mit Uaisiht und Erfolg bemüht gewesen ist, die Unterhaltung der provirziellen Anstalten und Verfkehrsanlagen fo einzurihten und zu beaufsihtigen, daf die in ten leßten Jahren angesammelten, ret er- beblidzen Uebershüfse der laufenden Verwaltung Ihnen heute darge- botea werden zur freien Verfügung für die geeignetere und voll- kommercre Lösung einer Aufgabe, die das Gese dauernd der Provinz gestellt bat. ; 7 2

Die bobe Auszeichnung, welhe Seine Majestät der Kaiser und König Allergrädigst geruht hat, mir für diesen Lanttag wiederum zu tbeil werden zu laffen, gewährt mir Gelegenbeit, für die bevorstehenden Berathungen Eurer Excellenz wohlwollende, geneigte, uns schon oft be- wiesene Unterstüßung von neuem zu erbitten, wie an Sie, meine bhoc- verehrten Herren Mitstände mit ter von Zuversicht getragenen Bitte mi zu wenden, mic Ihr Vertrauen und Zhre Nachsicht bei Leitung Ihrer Verhandlungen eberso zu leihen, wie Ihre thatfkräftige Mit- wirkung bei der gemeinsamen Arbeit, zu der uns Gott scinen Segen geben möge. | i

Ebe wir aber beginnen, lassen Sie uns in unverbrülicer Treue und mit einem Herzen voll ehrfurchévollften Dankes unseres Kaiser- lihen und Königlitzen Herrn, unter dessen Scepter und Schirm wir bier zu Arbeiten des Friedens und ter Woblfahrt zusammenberufen sind, gedenken mit dem Rufe: Seine Majeftät der Kaiser und Könia Wilbelm II. lebe bo!

Die Versammlung stimmte in das von dem Landtags- Marschall ausgebrachte Hoch begeistert in

Der Königliche Kommissarius wurde hierauf durch die Deputation zurückvegleitet, und es wurden sodann die Ver- handlungen der diesmaligen Session eröffnet.

Hirschberg, 20. Februar. Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich, Seine Hoheit der Erbprinz und Jhre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen- Meiningen begaben sich heute früh um 91/2 Uhr, nachdem vor- her das Musikkorps des 5. Jäger-Bataillons Höchstdenselben cine Morgenmusik dargebracht hatte, von hier aus über Agnetendorf nach der Peterbaude. Ueberall wurden die Höchsten Herischaften freudig begrüßt. Vereine und Schhuljugendo bildeten Spalier. In der Peterbaude fand ein Diner zu 50 Gedecken statt, bei dem Prinz Heinrih ein begeiflert aufgenommenes Hoch auf Seine Majestäi den Kaiser von Oesterreich ausbrahte. Nach Tische sahen die Höchsten Herrschaften einer Gefehtsübung des 6. Jäger - Bataillons auf Schneeshuhen zu, worauf die Hörnerschlittenfahrt zu Thal erfolgte, an welœer auc sämmtliche Offiziere der Hirschberger Garnison theilnahmen. Zur Thalfahrt nah Agnetendorf wur- den 25 Minuten gebraucht. Um 5 Uhr Abends trafen die Höchsten Herrschaften hier wicder ein: um 6 Uhr fand ein Diner im

ffizier - Kasino statt. Die Fahrt von dort zum Bahnhof gestaltete sich zu einer großartigen Kundgebung. Einige Straßen waren besonders prächtig illuminiert. Das Jäger- Bataillon bildete mit Fackeln vom Kasino bis zum Bahnhof Spalier. Um 8 Uhr 14 Minuten traten die Höchsten Herr- schaften dann die Rückreise nah Breslau an.

Oesterreich-Ungarn. s

Der Kaiser empfing, wie dem „W. T. B.“ aus Wien cemeldet wird, gestern Nachmittag den Minister des Aus- wärtigen Grafen Goluchowsfki sowie den Reichs - Kriegs- Minister von Krieghammer. Graf Goluchowski empfing den russishen Botschafter Grafen Kapnist und besuchte sodann den deutshen Botschafter Grafen zu Eulenburg, welcher wegen Unpäßlichkeit noch das Zimmer hütet.

Jn der vorgestrigen Sißung des ungarischen Unter- hauses begründete der Abg. Kossuth einen Antrag, die 50 jährige Erinnerung der 1848er Ereigniffe als Nationalfeier zu betrahten und würdig zu begehen. Der Minister-Präsident Baron Banffy erklärte : Die Regierung sei der Ansicht, daß sie die Feier nur auf die Sanktionierung der im Jahre 1848 zu stande gekommenen Geseße ausdehnen könre; sie werde €s als ivre Pfliht erachten, Vorbereitungen in dieser Richtung zu treffen, und dem Hause über die Form, in welcher die ions begangen werden solle, Bericht erstatten. Er bitte, den

ntrag abzulehnen. Die Ablehnung erfolgte sodarn mit 156 gegen 39 Stimmen.

Frankrei.

In der Deputirtenkammer rihtete am Sonnabend der Deputirte Guesde eine Jnterpellation an die Re- gierung über die Ausweisung von Elsässern, die am 6. September 1896 in Wifsenbah einer Versammlung hätten beiwohnen wollen, in welcher die Deputirten des Deutschen Reichstags Bueb und Bebel Rechenschaft über ihr Mandat ab- legen wollten. Der Redner erinnerte daran, daß Bebel und andere deutshe Sozialistcn gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen Einspruch erhoben hätten. Der Minister des Innern Barthou erwiderte: Die Ausweisung habe sih nur gegen Bueb und Bebel gerichtet, deren Anschluß an den Sozialismus ihre Anhänglichkeit an das deutshe Vaterland nit ausscließe. Die deutshen Sozialisten rühmten sih offen, erst Deutsche zu sein und dann erst Sozialisten; es wäre zu wünschen, daß dasselbe in allen Ländern - der Fall sei. Die Regierung wolle nicht eine Wieder- holung von Kundgebungen schen, wie solhe auf dem

Kongreß von Lille im August ftatigefunden hätten. Maire von Wissenbach habe die ergriffencn Mare gebilligt; denn die Bevölkerung verwerfe verbreherishe internationaliftishe Lehren. Der Deputirte Guesde er. widerte, der Patriotismus werde im Elsaß durch die sozialistischen Arbeiter verkörpert, welhe wünschten, daß der Rhein die Verbindungslinie zwischen den Völkern werde, anstatt eine trennende. Schranke zu sein. Die Debaite wurde hierauf geshlossen. Der Minister des Junern Barithoy crilärte, er nehme die cinfache Tagesordnung an, als Zei der Billigung des Verhaltens der Regierung, und beklagte ih über die Unterbrewzungen, denen er seitens der äußersten Linken ausgeseßt gewesen sci. Die einfache Tagesordnung wurde hierauf mit 361 gegen 73 Stimmen angenommen und die Sizuag aufgehoben.

Der chemalige Botschafter Decrais Bordeaux zum Deputirten gewählt worden.

Die Erregung im (@uartier latin war vorgestern Abend sehr groß; es hat sich aber kein ernstliher Zwischenfall ereignet. Auf dem Montmarire fand eine von etwa 2000 Per- sonen besuhtie Volksversammlung zu Gunst:n der Un- abhängigkeit Kretas statt, in der zahlrcihe Reden agchalten wurden. Unter Anderen sprachen die Deputirten Nouanret, Chauvière, Vaillart und Sembai. Die Versammlung naum eine Tagesordnung an, weiche den Völkern, die sih gegen ihre Mörder crhöoben, ihre Sym- pathie ausdrüdckt und die Politik der Unthätigkeit von seiten Franfreihs verurtheilt. Nah Schluß der Versammlung wurden noch an verschiedenen Stellen, auch im Quartier latin, Kundgebungen veranstaltet, die zur Verhaftung ven etwa 30 Perjonen führten. Ein bedeutender Zwischenfall ist jedo nicht vorgekommen. : y

Eine Anzahl junger Griechen ist gestern Vormittag von Paris nach Griechenland abgereist. Dieselben hatten iz emzeln rah dem Bahnhof begeben.

Rußland.

Im „Regierungsboien“ werden, wie „W. T. B.“ bes richtet, folgende Ernennungen bekannt gemacht : Der Botschafis- Nath Graf von Bencckendorff von der Botschaft in Wien ist zum Gesandten in Kopenhagen, der Minister - Nesident bei dem pâpstlihen Stuhl Jswolsky zum Gefandten in Belgrad, der General-Konsul in Budapest von Basili zum Direktor des «asiatischen Departements im Ministerium des Aeußern, der General-Korsul in Danzig Baron von Wrangell zum Minister-Residenten beim Königlich sächsishen und Herzoglich braunshweigishen Hofe, der Rath im Ministerium des Aeußern Baron von Budberg zum Minister: Refidenten bei den Höfen von Sachsen-Weimar und SachsenAltenburg, der Erste Legations - Sekretär der Gesandishaft in Bufkarefi Lwow zum G.neral-Konsful in Budapest, der Ge- sandte in Belgrad Baron Rosen zum Gesandten für Japan ernannt worden. Der Minister-Refident bei dem Königlich sächsishen und Herzoglih braunshweizishen Hofe Baron Mengden und der Minister - Resident in Weimar und Altenburg von Höißke sind auf ihr Ersuchen krankheitshalber aus dem Diensie cntlafsen worden.

Wie ferner amilich mitgetheilt wird, ift das Stadihaupt von Odessa, Professor Ligin, zum Kurator des Warschauer Lehrbezirts ernannt worden.

Jtalien.

Die radikalen Vereinigungen Noms hielten gestern zu Gunsten der kretishen Bewegung cine Versammlung ab, welcher mehrere Deputirte, unter ihnen Barzilai, bei- wohnten. Nach einigen Ansprachen wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, eine Tagesordnung angenommen, welche Sym: pathien für die Kreter sowie den Wunsch zum Ausdru bringt, daß die Hoffnungen d.r Griechen si erfüllea möchten. Die Theilnehmer an der Kundgebung zogen hierauf vor die grichis he Gísandischaft und brachten dcm Gesandten Konduriotis Ovationen dar. Der Gesandte er- schien am Fenster und dankte. Schließlih gelang es ter Polizei, die Veranstalter der Kundgebung, welche auch vor die türkische Botschaft zichen wollten, zu zerstreuen. Auch in Neapel veranstalicte die Menge unier Führung des Depu- tirten Casilli vor dem grichishen Konsulat - eine Kund- gebung. Der Konsul erschien in großer Uniform mit vier ariechishen Offizieren auf dem Balkon und danfte in einer Ansprache, auf welche die Deputirten Casilli und Fmbriant antworteten.

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Türkei.

Nachdem Karatheodory Pascha die Berufung auf den Posten eincs Generat-:Gouverneurs von Kreta abgelehnt haite, ist die Ernennung Photiades Bcys zum Gencral- Gouverneur amtlich bekannt gemacht worden.

Das Wiener „Telegraphen-KorrespondenxBureau“ berichtet aus Konstantinopel vom Sonnabcnd: Die Annahme, daß die beschlossene partielle Mobilmachung der Land- Armee sich als shwer durchführbar erweisen könnte, weil iné- besondere im Bereich des TI1. Korps die Verpflegungslieferanten in der leßten Zeit dic Licferungen wegen großer Schuld- rücstände wiederholt eingestellt hätten, erweise si vorläufig als grundlos, da die dringend nothwendigen Summen dem bestehenden geh.imen Kriegëshage von 450 000 Pfund ent- nommen worden seien. Ein außerordentlicher Ministerrat habe beshlossen, wenn nöthig, 250 Bataillone auf der westlichen Baikanhalbinsel zu konzentrieren, um alle Opera- tionen btezüglih Macedoniers im Zaum zu halten. Jufolge der bei der Pforte eingelaufenen Berichie, welche die Anwendung der Bleckade gegen Griechenland und die Entfernung der griehischen Truppen cus Kreta als feineswegs gesichert erscheinen ließen, scien weitere maritime Maßnahmen in Aussicht genommen worde? Außer den zwei Geschwadern solle eine Reserve - Divifion formiert werden. Das erste Geshwader solle in act Tagen auslaufen, in cinem Monat sollten 35 Kriegs um Kreta versammelt werden. Dem Marine - Ministerium sei vorläufig ein Kredit von 50000 Pfund cröffnet worden. Man halte jedech die Au€führung dieser Pläne angesichts des Zustandes der türkishen Marine immer noch für problematis u. a. sollten erst in acht Tagen 5000 Marine- Reservisten aus Trapezunt eintreffen. E

Eine in London eingetroffene Depesche des briti] e? Konsuls in Kanea bjagt, die Garnison von Vukolis habe dem Angriffe der griehishen Truppen ver? zweifelten Widerstand gelcifstet, einen Ausfall unternommen und den Feind drei bis vier Meilen zurückgeworfen. Schließlich sei sie aber durch di? überwäitigende Ueber- macht des Feindes zum Weichen gezwungen worden. Nur

türfishen Soldaten sei es gelungen, nach den türkischen Linien = Kanea zu gelangen. Nach dem s E t des Oberften Vassos über den Kampf bei Vukolis dort 17 Soldaten

efallen, ein Lieutenant und 20 Kreter verwundet worden. Das

Fort wurde mit Dynamit gesprenat. Auf die Ang ica, daß die Be- s von Kanea gegen die Christen vorrücke, s{hickte dann Oberst Vassos eine Kompagnie Freiwilliger zur Unterstüßung der Christen ab. Außer 1500 Soldaten der Besaßung von Kanea nahmen noch 2500 Mohamedaner mit zwei Gcschüßen an dem Kampfe gegen die Kreter theil. Nach einem andert- halbstündigen Gefcht wurden die Türken gezwungen, in die Stadt zurüdckzukehren. Nah dem Kawpfe beseßten die Griehen zwei Thürme von Agria. Jn dem dortigen Fort fanden sie reih2 Beute vor, auch fielen ihren die Verwundeten in die Hände. Die Verlujte der Türken sind unbekannt. Die Griechen verloren an Todten drei Offi- ziere, mehrere Unteroffiziere wurden {wer verwundet.

Eine in Athen eingetroffene Depesche aus Kanea von vorgestern Abend 7 Uhr 55 Minuten meldet, der „Agence Havas“ zufolge, daß die Admirale der fremden Ge- \chwader si von Hagios Thcodoros vor das Lager des Obersten Vassos begeben hätten. Von dort zurückgckehrt, ktten fie den Befehlshaber des griehishen Krieasschiffes ‘Admiral Miaulis“ zu sich cingeladen und dem- jelben den Beschluß mitgetheilt, die griechishen Truppen mit den vier bei Hagios Theodoros anfernden Kriegsschiffen anzugreifen, falls Oberst Vassos in das Jnnere vorrücken sollie. Das Aus- ihiffen von Lebenêmitteln sci gestaltet. Der Befehlshaber des Admiral Miaulis“ und der britishe Admiral hâtien sodann cine Zusammenkunft mit dem Obzrsien Vassos gehabt und ihn von dieser Entscheidung in Kenniniß geseßt.

Der gestern Vormittag vor Kanea eingetroffene deutsche

Kreuzer „Kaiserin Augusta“ hat, wie „W. T. B.“ meldct, daselbst 50 Matrosen gelandet: die deutsche Flagge ist auf der Festung gchißt worden. Gestern Vormittag begann, wie die „Ager.ce Havas“ meldet, in der Umgegend von Kanea ein Gewehrfeuer. Von der Stadt aus erkannte man die griehische Fahne. Nachmittags wurde das Feuer heftiger. Um 4 Uhr be- shloïssen die Geschwader - Chefs, das Lager der Auf- ständischen zu bombardieren. Da die Aufständischen um 5 Uhr das Gewehrfeuer noch unterhielten, eröffneten die Fahrzeuge das Geshüßfeuer. Ein britishes Schiff gab den erten Schuß ab ; hi-:rauf folgten die anderen. Es wurden eiwa 40 Schüsse auf das Lager der Aufständischen abgegeben. Als das Feuer aufhörte, sah man die grichische Fahne in der Höhe des Lagers gehißt. 50 mit Doppelflinten bewaffnete Nizams verließen Nacdmittags Kanca, um die cingeborenen Mohamedaner zu verstärken. Wie die „Daily News“ von heute aus Kanea melden, wurde gestern Nachmittag 4 Uhr 30 Minuten drei britishen Kriegsschiffen, cinem italienishen, einem russishen und dem deutschen Kriegsschiffe das Signal gegeben, das Feuer auf die Stellung der Kreter zu eröffnen. Jm Ganzen wurden 70 Schüsse abgegeben, und der von den Kretern gehaltene Ort zersiórt. Die griehishe Flagge wurde baid niedergeholt. Nach 10 Minuten wurde das Einstellen des Feuers angeordnet, worauf die Flagge wieder gehißt wurde. Das „Reuter“ sche Bureau“ berichtet, der Angriff der Schiffe sci erfolgt, als die Insurgenten auf Afrotiri die türkishe Garnison in Haleppa angegriffen hätten. Das Bombardement der vereinigten Schiffe hate sich 25 Minuten hindurch gegen die Jn- surgenten gerichtet, welche alsdann die Fluchi ergriffen bätten. Bei Beginn der gestrigen Beschießung des Lagers der Auf- ständischen hatte, der „Agence Havas“ zufolge, das vor Kanca liegende griechische Kricgsschiffff „Hydra“ Dampf aufgcmacht, um, wenn nöthig, in See zu stechen.

Das „Reuter sche Bureau“ meldet aus Kanea von vor- gestern, daß die Mohamedaner in Rethymon, welche durch die Meldung von der Niedermeßelung ihrer Religionsgenoßen in Sitia T das hotste gereizt gewesen seien, einen Ausfall cus der Stadt gemacht und die Posten der Aufsiändischen an- gegriffen hätten.

_JIa Athen verlautete gest:rn, wie die „Agence Havas“ berichtet, daß 700 griehische Soldaten mit Geschüzen bei Kllfamo an Land gegangen seien.

Wie die „Agerce Havas“ aus Aleppo meldet, hat das Krieg8geriht den an der Ermordung des italienishen Paters Salvator mitshuldigen Obersten Mazhar Bey zum Rang- verlust und zur Einschließung in einem befestigten Plaße verur theilt.

Griechenland.

__ Das in Athen erscheinende Blatt „Asiy“ veröffentlicht Er- flârungen, welche der König dem Gesandten einer auswärtigen Macht gemacht habe. Der König habe daran erinnert, wie er bemüht gewesen sei, die Aufmerksamkeit Europas in cinem fur Kreta günstigen Sinne auf die dortigen Zustände zu lenken, aber nur die Schaffung der gemishten Gen- darmerie und jcne Reformen erreiht habe, welhe die lezten Feindseligkeiten hervorgerufen häiten. Der König habe zum Schlufe gesagt : „Meine Geduld if ershöpft; ih hade mi zur Annektierung Kretas entschlossen, eines Landes, das mit Leib und Seele zu Griechenland gehört. Dieser Ert- [luß mird gegen mi vielleiht Zwangsmaßregeln veran- lassen, aber ich werde den ganzen Hellenismus auf meiner Seite haben. Jch habe meiner Armee befohlen, die An- gliederung Kretas niht aufzugeben, dessen Verwaltungs- verhältnisse geregelt werden sollen. Sie können meine Erklärung Jhren Kollegen mittheilen.“ „_ „Anläßlich einer Kundgebung, welche eine gegen 30000 Versoncn starke Volksmenge am Sonnabend in Athen auf dem laße vor dem Schlosse veranstaltet hatte, erschien, wie die „Agence Havas“ berichtet, der König auf dem Balkon und Gußerte in einer Arsprahe, daß er das Mandat des gejammien Volk:-s ausführe. Der König schloß mit den Danke für die zum Ausdruck gebrachten Gefühle und mit dem Wunsche, Gott wolle Griechenland s{üßen und die gemeinsamen Enstrengungen des Volkes stärker. Nach der Kundgebung vor dem Schlosse zogen die Theilnehmer vor das Jinanz-Ministeriuum, wo der Minister-Präsident Delyannis 1ch in einer Ansprache ähnlich wie der König äußerte. G Der Kronprinz hat an das Bataillon seines Re- ilen welches auf Kreta gefochten hat, folgendes Telegramm bas Ich bin fiolz auf den glänzenden Sieg, welhen mein Regiment “Ongetracen bat, und begalückwünsche die Offiziere 1nd Soldaten.

Mi Helten gefallenen Seldaten wird ewiges Andenken bewahrt

Der Prinz Nikolaus ifi in Larissa eingetroffen.

Der griechische Konsul in Kanea hat sih als König- liher Kommissar nah dem griechischen Lager begeben.

Das 10. grichishe Regiment is vorgestern Nach- mittag von Corfu nach Arta an der albanesishen Grenze abgegangen.

Bulgarien.

Zum Nachfolger des zum Minister - Refidenten beim Vatikan ernannten russishen diplomatishen Agenten von Tscharykow ist, der „Agence Balcanique“ zufolge, der bis- herige Erste Sekreiär der russishen Gesandtschaft in Athen Bachmetiew ernannt worden. E

Die Regierung hat mit den französishen Werken im Creuzot eine erfie Bestellung auf eine Anzahl Kanonen abgeschlossen.

Schweden und Norwegen.

Die Zweite Kammer des schwedishen Reichs- tages hat, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend mit 106 aegen 100 Stimmen die Verlängerung des s\chwedisch- norwegishen Handelsvertrages verworfen. Die Erste Kammer verwarf die Verlängerung des Ver- trages ohne Abstimmung.

Amerika.

Der Senat hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, vorgestern eine Resolution angenommen, worin er Griechenland scine Sympathie ausspricht.

Die Kommission des Nepräsentantenhauses be- schloß, einen Bericht zu Gunsten des am 29. Januar von dem Senat angenommenen Geseßzentwurfs zu erstatten, durch welhen der Präsident ermächtigt wird, Vertreter zu jeder etwa ftattindenden internationalen Konferenz zu ernennen, die den Zweck hat, ein festes Verhältniß zwishen Gold und Silber zu sichern. Die Kommission nahm einen Zusaßzantrag an, welher dem Prä- sidenten die Befugniß ertheilt, wenn er es für besser halte, zu cersuhen, auf diplomatishem Wege, anstatt mittels einer Konferenz ein internationales Einvernehmen herbeizuführen.

Der Präsident Cleveland hat dem Kongreß den Schriftwechjel mit Deutschland über die amerikanischen Versiche- rungsgesellshaften übersandt.

Afrika.

Aus Tanger von gestern erfährt die „Agence Havas“, daß die Ermordung des deutshen Kaufmanns Häßner von einer wohlorganifierten Bande begangen worden sei. Auf

das Geständniß eines am Sonnabend verhafteten Arabers seien mehrere Spanier in Haft genommen worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die vorgestrigen Siyungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (182.) Sißung des Reichstages, welher der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats- Minister Freiherr von Marschall beiwohnte, wurde die zweite Beratifung des Reihshaushalts-Etats für 1897/98 bei dem Etat des Auswärtigen Amts, und zwar bei dem Kapitel „Gehalt des Staatssekretärs“, fortgesctt.

Bis zum Scluß des Blattes nahmen die Abgg. Prinz von Arenberg (Zentr.), Dr. Hasse (nl.) und der Staats- sekretär des Auswärtiaen Amts, Staats-Minister Freiherr von Marschall das Wort.

Das Haus der Abgeordneten nahm in der heutigen (36.) Sißung, in welcher der FinanpMinister Dr. von Miquel und der Minifter der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten D. Dr. Bosse zugegen waren, zunächst in zweiter Berathung den Gesetzentwurf, betreffend die Ergänzung einiger j1agdrechtlihen Bestimmungen, n2ch kurzer Debatte an, erledigte die dazu eingegangenen Petitionen durch Uebergang zur Tagesordnung und ging darauf zur Berathung des aus dem Herrenhause in abgeänderter Fassung zurückgekommenen Entwurfs eines Lehr er- bejoldungsgeseßes über.

Jn der Generaldiskussion bemerkt

Nbg. Sepyffardt (nl.): Meine Freunde baben bei der vorigen Berathung im Interesse der Lehrer auf weitergehente Abänderungs- vorichlâge verzichtet. Die Aenderungen des Herrenhauses find keine Ver- besserungen, aberau feine wesentlihen Verjchlebterungen. Unser Haupt- bedenken richtet sich gegen die Aenderung in § 2, wo die Bestimmung über diz Oôöbe des Grundgebalts auch in besonders billigen Orten gestrichen worden 1st. Kardinal-Fürstbishef Kcpp bat mit Rücksicht auf die Beunrubigung in Lehbrerkreisen die Aufrechterhaltung dieser Worte beantragt, die Regierung sie aber für entbehrlih gehalten. Auch eine Anzahi ron Mitgliedern des Herrenhauses hat diee Worte für überflüssig be;eihnet und auédrüdckli& betont, taß eine Verkürzung der Lehrer durch Fort?all dieser Bestimmung nicht beabsithtigt sei, und Kardinal- Fürftbishof Kecpvy bat darauf seinen Antrag zurückgezogen. Wir wollen denn auch diesen Antrag nicht wieder aufnehmen und empfehlen dem Haufe, die Fassung des H-rrenbauses unverändert anzunehmen.

bg. Dr. Porsch (Zentr.): Ich kann in diesem Falle mich den Ausführungen des Abg. Sexffardt anschließen. Die Abänderungen des Herrenbauses find in der That Vershlehterungen. Es ist aber feine Aussicht, daß das Herrenhaus seinen bieberigen Standpunkt auf- gebenwürde. Das zeigt datSchidsal deé Antrages des KardinalsKopp. Wir alle haben ein Interesse an dem Zustandekommen des Geseyes und wollen es niht acermals im Herrenhause scheitern laffen. Jn dieser Noitlage ftimmen wir für die Herrenkausbesblüfie, wenn wir auch niht verkennen, daß tas die Gefahr einer Staatéshule vermehrt, aber in der Hoffauug, daß es nur cin Provisorium ift.

Abg. Ridtert (ir. Vgg.): Wenn das, Zentrum mit den National- liberalen stimmt, fo scheint großer Friede zu herrschen. Es ift aber nur ein Waffenftillstand. Die Lebrer sind mit diesem Gesey nicht z¡ufcieden; da sie aber zur Zeit si damit begnügen müffen, jo machen wir au den Waffenstillstand mit und accevtieren das Gese als keine Abs(lagszablung. Die Ablehnung meins Antrags, daß den Lehrern über die Gründe der Versagung der Alterszulage ein schriftliher Bescheid zu ertheilen ist, bedauere ih; ih befe aber, daß ter Kultus-Minister von der ihm zusteßenden Wefuagniß feinen üblen Gebrau machen wird.

Minister der geistlichen :c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: Es ift nit rihtig, daß das Geseg hinter früberen preußischen Entwürfen ¡urüdbleibt. Ich hoffe, daß die Lehrer sih dur das, was bither noh zur Erreichung ihrer Wünsche feblt, nicht in eine weitere Unzufriedenheit werden bineinheßen laffen, sondern erkennen werden, daß alle Parteien unter shweren Opfern ibnen entgegengekommen find, und daß diefes

Gesetz ein Fortschritt ift. Es thut mir wobl und if mir ein Bedürfniß, bier festzustellen, daf die Lebrer in ihren Zeitungen das auch {on an- erkannt haben. Ueber den § 2 babe ih mich îckon erflärt, und ih wiederbole, daß der Paragraph troß des Ausfalls jener Bestimmungen so ausgeführt werden wird, als ob die Beftimmunaen darin fänden. Mit dea Bestimmungen des § 7 \oll kein Mißbraucb ge- trieben werden. Es ist besser, wenn die Sacbe ganz in der Stille emacht wird, und die Lebrer kennen auch die Gründe sehr gut. Jch halte es für eine Ghrenpfliht der Negierura, tas Gefey îo auszu- führen, das es den Lehrern zum .Segen gereidz.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Die Aenderungen des Herrenhauses find nicht so wesentlih, da5 wir deshalb das ganze Geseh in Fraze stellen könnten. Wir baben Opfer gebracht, weil wir es für nothwendig hielten, den Lehrern zu belfen, und ia der Hoffnung, daß das G-feß s{honend durchgeführt werden wird. Jh befe, daß die Regierung unfer . Vertrauen niht ents täuschen wird.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Ich erkläre, daß auh meine Pariet dem Herrenbauébes{luß zustimmen wird. Wir tankea der Regierung, daß sie dur recktzeitige Einberufung des Landtages und durch \s{leunige Einbringung ‘dieses Gesetzes das vorjährige Scheitern der Verlage wieder wett gemacht hat, sodaß daderch den Lehrern eine Schâtigung erspart worden ist. Die vorgenommenen Aende- rungen- des Herrenbauses fiad nit so s{chlimm, wie man es varstellt. __ Zau begrüßen ift die Ausme:zung der Fremdwörter. Dies Gese if das Marimum dessen, was j-t für die Lebrer zu erreichen ift, und deshalb sollte man in diesem Augenblick nit wieder, wie es Herr Rickert gethan hat, Agitations&zwecke verfolgen und die Brandfackel der Unzufriedenbeit in die Lebrershaft werfen. Der äußersten Noth des Lehrerftandes ist mit diefem Geseyz ein Ende gemaht, und das erkennen die Lebrer auch unumwunden an. Jch wünschte aber, daß fih an dies Gefey, wenn mözlih in der nächsten Sessien, eine beffere geseßlide Veriorgung der Hinterbliebenen der Lebrer ans&ließen möchte. Diesen Wunsh möchte ih namentlih dem Herra Finanz-Minister ans Herz legen. Auch ein Gese über die Schulunterbaltungevfliht wird si nicht lange binausschieben laßen : für Schlesien intbefondere ift es cin dringendes Bedürfniß. i

Abg. Latacz (Z?ntr.) meint, daß der ganze Lehrerstand jenen dankbar sein werde, die das Gescy nit darh zu weitgehende Ver- besserungêvorschläge gefährdet baten. Deshalb nehme er agu die Ab- änderungen des Herrenbauses an. Er sei überzeugt, daß die Lebrer allen Faftoren der Gesezgebung für dieses Geseg danfbar sein würden.

_Abvg. Knörcke (fr. Volkëp.): Die Abänderungen d2s Herren- bauses sind nit fo bederflih, daß ih ibretwegen das Gesetz in Frage stellen möhte. Wir bandeln im Intereffe der Lehrer, wenn wir das Gefe obne jede weitere Diskussion annehmen.

Abg. Vèo tiv (Pole) erklärt, taß feine Partei tre ter nit gerade wünshenêwertbhen Aenderungen des Hecrenbauses für den ganzen Gesetzentwurf in der Faffung des Herrenbauscs stimmen werde.

Damit {ließt die Generaldiskussion.

(Schluß des Blattes.)

_— Dem Hause der Abgeordneten ift hause angenommene Entwurf eines Gef einigung der Stadtgemeinde Bur gemeinde Aachen, zugegangen.

der von dem Herren- betreffend die Ver- 1d mit der Stadts-

n ees, tihec

Von den Advgg. von Detten, Dr. von Achenbach, Graf von Kaniß und Knebel ist im Hause der Abgeordneten folgende Interpellation eingebraht worden :

1) Beabsichtigt die Königliche Staatsregierung zum Schutze des Betriebes der beimishen Eictensälwaldungen auf die bald- tbunli&ste Einführung eines wirfsamen Schußzzolles auf Quebra(obolz und auf die Extrakte und Präparate diesc8 Holzes hinzuwirken ?

Im Weigerungéfalle : Mit welchen Mitteln und Véaßregeln beatsihtigt die König- lihe Staatëregierung jzne Waldungen, welche zur Erhaltung fowokl unserer Webrkraft, als unserer Kleinbauern und zakbl- reiher Grbereitetriebz unentbebrlih find, vor dem dur die zollfreie Einfuhr von Quebrachcholz droßenden, heute bereits in die Erscheinung tretenden Unterzarg zu bewahren ?

Nr. 8 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, beraus- geaeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 20. Februar, bat folgenden Inhalt : Amtliches: Dienst:-Nachribten. Nichtamtliches : Ueber Inschriften an öffentlichen Gebäuden und Denkmälern (Schluß). Die Regulierung des Eisernen Thores in der unteren Donau. Die Preisbewerbung für den Neubau der Hoschule für die bildenden Künste und der Hoschule für Musik in Berlin. V. (Sch!uß). Tangermünder Backsteine. Der Verkehr auf den Wasserstraßen Berlins im Jahre 1896. Vermischtes: Wettbewerb um Entwürfe zu einem Kaiferdenkmal in Wanzleben. Besuch der Technischen Hochschule in Dreéden. Reinigung der ftädtis{en Abwässer in Leipzig. Brand der Kreuzkirhe in Dresden. Herzstück von Tyler-Ellis. Neue Patente.

Arbeiterbewegung.

Aus Hamburg berihtet das „Wolf {he Bureau" über die weitere Entwickelung der Arbeiterverbältnisse nah der Beendi- aung des Ausftandes der Hafenarbeiter: An der am Sonnabend unter dem Vorsiß des Senators O’Swald akb- gehaltenen Sitzung der Senatskommission zur Prüfung der Arbeitëverhältnisse im Hafen nabmen die Senatoren Hery und Holthusen sowie je vier Delegirte der Stauer und der Schaucrleute theil. Es handelte sih in der Sitzung, welche gegen 2 Uhr f{loß, niht um Unterhandlungen zwishezn den Arbeit- gebern und Arbeitnehmern, sondern um Auskünfte von beiden Seiten zur Gewinnung einer Unterlage für die richtige Beurtbeilung aller Arbeitsverbältnisse im Hafen. Wie der „Voss. Ztz.* aus Hamburg gemeldet wird, wollten die Schauerleute gestern zur Berichterstattung über die Ergebnisse der Sitzung der Senatskommiision eine Ver]ammlung abhalten. Der Hafen ist nahezu eiéfrei, die Hafenarbeit verläuft ungestört; der Poftdampfer „Reichs- tag“, das biébherige Wohns{if der fremden Hilfsarbeiter, wurde am Sonnabend geräumt ; die bisherigen Bewohner reisten faft alle ab.

Aus Triptis in Sachsen-Weimar meldet der „Vorwärts“, daß der Ausstand in der dortigen Porzellanfabrik nah einer Dauer von 23 Wochen obne Erfolg für die Arbeiter beendet worden ift.

Hier in Berlin baben, nah demselben Blatt, die Hilfsarbeiter der Buchdruckerei von Iulius Sittenfeld, 20 Mann, die Arbeit eingestellt.

Kunft und Wissenschaft.

Im Verein für deutihes Kunstgewerbe wird am Mittwoch, den 24. d. M., Abends 85 Uhr (im Architektenhause) Herr Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. Julius Lessing einen Vor- trag halten über: „Meittelalterlihe und moderne Wandteppiche in Gobelintehnik.* Ferner gelangen zur Ausftellung und Befprehung die eingelieferten Plakat-Entwürfe der Firma Jünger u. Gebhardt, Parfümeriefabrik in Berlin.