1897 / 76 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Regierungs - Präsident gelegentlich der Centenarfeier und zwar wiederum an dem Morgen des Tages, an welchem die konstituierende Comitésißung stattfinden follte —, genau in derselben Form eine glei geartete gedruckte Aufforderung (bört, hört! rechts), und er kat darauf ebenfalls, meines Grahtens ganz korrekt, geantwortet (sehr richtig! rets): zu seinem Bedauern sähe er sih nit in der Lage, seinen Namen unter die Aufforderung des Comités zu seßen.

Meine Herren, es kann niemand mehr bedauern, als der Herr Regierungs-Präfident von Hannover, daß er gerade bei dieser Gelegen- beit seine Ablehnung hat eintreten lassen müssen, wie er mir selbst verfichert hat. Es ist ihm die Sache in hohem Maße peinlih gewesen, er befand sich aber im Stande der Nothwehr und konnte, meines Er- ahtens, angesihts der Vorgänge garnicht anders handeln. (Sehr

“richtig! rechts. Obo! bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, diese Angelegenheit ist sehr ausführlich in den Zeitungen erörtert worden, und der Herr Regierungs-Präsident hat ih felbftverständlih die Frage vorgelegt, ob er etwas auf diese Zeitungs- nachrihten erwidern sollte. Er ist, meines Erachtens, ganz mit Recht zu der Ueberzeugung gekommen, das nicht zu thun. Er hat es für

„unter seiner Würde gehalten. (Sebr richtig! rechts.) Denn, meinz

Herren, jeder wobldenkende Mann kann wohl annehmen, daß es einem

Regierungs-Präsidenten sicher niht darum zu thun ift, derartige Feiern

wie die Sedanfeier und die Centenarfeier, zu stôren und zu beein- trähtigen.

Wenn Herr Abg. Wallbre&t weiter hervorgehoben hat, daß diese Angelegenheit in dér Provinz ein weitreihendes Aufsehen gemacht und viel Staub aufgewirbelt babe, daß man in hohem Maße über diefes Verhalten des Herrn Regierunge-Präsidenten entrüstet sei, so muß ih, meine Herren, in erster Linie sagen: das ift eine arge Uebertreibung. Denn nah mir zugegangenen Nachrichten hat man es in weiten Kreisen sehr wobl verstanden, daß der Herr Regierungs-Präsident in dieser Weise vorgegangen if. Wenn das Vorgehen aber thatsächlih in einigen Kreisen Aufsehen erregt und Mißstimmung hervorgerufen baben sollte, fo ift das meiner Meinung na einzig und allein die Schuld des Herrn Abz. Wallbrecht und seiner Hintermänner, die diese Sacke in einer Weise behandelt haben, die nah meiner Meinung in keiner Weise Billigung finden kann. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube also, die Verantwortung für eine etwaige Mißstimmung muß man voll und ganz auf die S&ultern des Herrn Wallbreht und der Herren Comitémitglieder abladen (sehr rihtig! rechts), die na wiederholten Andeutungen des Herrn Regierungs-Präfidenten einfa bei einem Verfahren geblieben find, welches, glaube i, au die große Mehrzahl dieses hehen Hauses als ein geeignetes, zutreffendes nit bezeihnen kann. Meirer Meinung nach if man einem fo hohen Beamten, wie dem Regierunge-Präsidenten {ultig, daß man ihn nit auf diese Weise miitels einer gedruckten Zuschrift einladet, (grcße Unruhe, links), und noch dazu so spät einladet, daß er unter Umständen nicht einmal in der Lage ift, seinen Dissensus zu erklären. (Setr richtig! rechts, Unrube und Widerspruch links.)

Menn tann \{ließlich noch der Herr Abg. Wallbrcht es über fich gewonnen hat, dem Herrn Regierungs-Präfidenten von, Branden- ftein Mangel an Takt vorzuwerfen, so muß ih das entschieden zurück- weisen und fagen: nach meiner Meinung könnte man eber davon sprechen, daß Herrn Atg. Wallbre{cht das erforderliße Maß von Selbsterkenntniß abgeht. (Bravo! rets.)

Abg. Dr. Sattler (nl.): Es beruht auf mangelbafter Information des Herrn Ministers, wenn er behauptet, daß die Mißstimmung der Bevölkerung in Hannover, von der ih auch unterrichtet bin, durch meinen Freund Wallbrecht und feine Hintermänner veranlaßt sei. Mein Freund Wallbreht hat in keiner Zeitung darüber gescrieben ; das ift ein duraus unberechtigter Vorwurf, daß Herr Wallbreht die MiKßftimmung in der Bevölkerung ges{ürt habe. Nach den mir bekannten Thatsachen muß ih das durchaus zurückweisen. Das große Verktrec;en besteht darin, daß der Stadtdirektor als Vorsißender des Comités ein gedrudtes Swhreiten dem Regierungs-Präsidenten zu- geshidt hat. Darunter steht: Wenn Sie uns nicht b:nachrihtigen, fo werden wir annehmen, daß Sie an der Sache 1beilnehmen. Wir fönnen darin nidts Beleidigendes und Unpasfendes finden. Wir möôdten die N:chte bitten, ihre Lehren des Anftandes dann auch an die Vorgänger des Herrn vcn Brandenstein zu rihten. Die NRegierunas - Präsidenten von Kranah und Graf Bitmarck haben also auch eiwas zugelaffen, was sih nit {ick. Die national denkenten Beamten und die Bürgersckaft in Hannover haben das Bewußtsein, daß sie zusammenstehen müssen, und darum haben sie fich bei Nationalfeiern immer zusammengebalten und von reinen Formfragen abgesehen. Das Comitó hat gar keine Ahnung gebakt, daß das unangenehm aufgefaßt werden kênnte, und die Vorgänger des Regiertings-Präsidenten haben auh nihts SWlimmes darin ge- funden. Daß bei der Sedanfeier der Name des Regierungs-Präfi- denten unter den Aufruf gesctzt wurde wider seinen Willen, ift betauerlich. Bei der Centenarfeier wurde nrr die gute alte Sitte innegebalten, und nun {rieb der Regierungs. P. âäfident kurz, er wolle dem Comité nicht beitreten. Wäre es nit richtiger gersesen, daß der Präsident ih mit dem Vo: sitzenden des Comités ins Einvernehmen ge!eßt und ihn erjuht bâtte, fünftighin eine andere Form zu wäßlen? Und wenn es wirflih ein s{werer Formfebler war, war es denn richtig, gerade bei dieser Gelegenheit die Formfrage in den Vordergrund zu ziehen ? Ein feines Tafktgefühl hätte den Präfidenten veranlassen soll:n, solche Bedenken beiseite zu lassen und den Frieden in der Gemeinde nit zu stören. Auch ich und H:rr Wallbreckcht sind der Meinung, taß die Frage in Gegenwart des Ministers des Innern verbandelt werden muß. Darum habe icchèden Untrag auf Vertagung gesteüt, und Herr Wali- brecht hat den Antrag unterstüßt. Allerdings wollte Herr Wallbreht die Sache bei dem Etat des Ministeriums des Innern vorbringen. Die Etatsberathung zieht sih aber so lange bin, taß die erfte Ge- legenheit berußt werden mußte, wo es sachlich anzubringen war, denn man fann dcch mit der Erörterung dieser wi@tigen Sache nicht Monate lang warten. Herr W2Übreht war der Meinurg, daß der Miinister des Innern beute anwesend sein würde, und bat sich sofort an den Ministertisch gewandt. Ein Vorwurf trifft ihn aso niht. Der Graf Limburg bat meinen früheren Fraltionsgenossen, den Stadt- direktor Tramm, scharf angegriffen und ibm Tafttloßgkeit vor- geworfen. Gr war es aber gzrait, sondern der Stadtsyndikus, der das angeblie große Verbrewen begangen hat. Derselbe Vorwurf ridtet sich aber auch gegen die Vorgänger des jetzigen Regierung®- präsitenten. Herr Tramm beansprucht în diesem Falle keine befondere Stellung in ter Provinz. Ueber die Stellung zu urtheilen, welhe Herr Tramm in unsecer Partei eingenommen bat und noch einnimmt, ift der Graf Limburg nicht kompetent. Ih boffe, daß er den Vorwurf der Tafilosigkeit gegen Herrn Tramm, ein Herrenbauêmitglied, als unsubstantiiert und als in der Hiße des Gefechts entschlüpft; ¿urücknimmt. Ì

Abg. Wallbrecht: Der Minister kenrt unsre Verbältnifse nit, sonst würde er anders urtheilen. Hâtte der Präsident Takt gehabt, fo bâtte cr tie Sache unter der Hand abgemacht und sie nit auf- gebausdt. Es bandelt si do um eire notionale Sache, nicht um die Person des Regierungs-Präfidenten. Das ist die Ansicht der ganzzn Provinz. x

__ Abg. Graf zu Limburg-Stirum (konf.): Herr Tramm hat nit den Takt en1wickelt, ten er in seiner Stellung scinem Vor- geseßten gezerüber hätte an ten Tag legen sollen. (Nuf links:

VBorgeseyter?) Insofern vorigen Worte ) O ern lg r ree me end Die aus Hannover

Präsident hat abgteden, als „Person, sondern als Beamter; troßdem haben die Mitglieter des Comités sih in der gerügten Form an ibn gewendet. Beim cen Mal mlges sih die Herren nichts Le t haben,

find aber zurechtà en worden, und beim zweiten Mal ße roßdem bewußt ebenso gehandelt, und das hieß nichts Anderes, als eine Aufforderung an den Prlldenten, ih dem Comité zu beugey. Die Gemeinden find es threr Selbftahtung \{huldia, daß sie au in der Form korrekt verfahren. Als Regierungs-Präsident konnte Herr von Brandenstein über die Sache nicht hinweggeben. Das war er au feinen Nachfolgern schuldig. (Zuruf links : Vorgängern!) Aus diefer Diskussion wird Herr von Brandenstein fehr gut hervorgeben.

Abg. von Eynern (nl.): Wir haben die Frage sahlih be- handelt, nit der Abg. Ee Limburg und der Minister des Innern.

tte der Minister seinen Angriff als Abgeordneter gegen den Abg.

Dbrecht gerihtet, so würde ihn der Präsident auf die Bestim- mungen der Geschäftsordnung hingewiesen haben. Einen solhen Angriff haben wir wohl niemals hier seit den vierziger Jahren gehört. Diese Diskussion wird im Lande den traurigsten Eindruck maen. Der Regierungs - Präsident hat einen der nichtigften Vorwände gebraucht, um einer Feier fernzubleiben, die Seine Majeftät empfohlen hat. Der Regierungs-Präsident hat dieselbe Aufforderung erhalten wie der kommandierende General, und die Provinz glaubt, daß seine Ge- finnung den Präsidenten veranlaßt bat, der Feier fern zu bleiben. Es fragt si, ob er überhaupt hinter den Nationalgesinnten fteht. Den etwa der Regierungs-Präsident, daß wir ihn in Fcack und weißer Binde einladen? Dann muß aker eine Verfügung dazu er- laffen werden.

Vize - Präsident Dr. Krause bemerkt, daß er auch dann bâtte keine Rüge eintreten lassen, wenn die betreffende Aeußerung von einem Mitgliede des Hauses gegen ein anderes gebrauht worden wäre.

Abg. Ehlers (fr. Vag.)z: Diese Diskussion über eine ganz nebensächlidhe Etiquettenfrage kann nit dazu dienen, das Ansehen der Regierung zu stärken. enn wirklich auf der einen Seite ein Ver- sehen geschieht, so muß do von der anderea Seite darüber binweg- gesehen werden. Der Regierungs-Präfident beklagt sih über den ge- druckten Brief, obwobl doch noch neulih auf die Verminderung des Schreibwerks An icien worden ist. Der Regierungs-Präsident ift allerdings die Auffichtsinftanz; er kann aber doch nit verlangen, daß der Ober-Bürgermeister in Frack und weißer Binde um feine Er- laubniß fragt in einem solhen Falle. Es scheint fast, als wenn die Regierung den Konflikt zwishen Gemeinde und Regierung ver- shärfen will. Ist es überbaupt nicht zweifelhaft, ob ein Prâsident, der so empfiadlih und zartfühlend ist, 3000 4 Repräsentantengeider braucht, um mit den Bürgern u. st. w. zu verkehren? Im Kriege ift es unritterlih, den Feind zu beleidigen; um so mebr im Frieden.

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Jch glaube, der Abg. Wallbrecht häite kaum eine vernihhtendere Kritik seines Vorgehens im Hause erfahren können, als wie durch die Ausführungen seines verehrten Fraktionsgenofsen Herrn Dr. Sattler (oh! oh! bei den Nationalliberalen), der, glaube ih, sih mit Erfolg bemüht hat, ironisch diese ganze Sahe als eine Haupt- und Staatsaktion hinzustellen. Jh bin der Meinung, daß diese Angelegenheit überhaupt nicht bätte in diesem bohen Hause be- handelt werden follen (sehr rihtig! rechis), und timme darin voll- ständig mit den Ausführungen des Herrn Abg. Ehlers überein.

Der Herr Abg. von Eynern hat es dann für nüylih befunden, mir bier vers{iedene Belehrungen zu theil werden zu lafscn. Der Herr Präsident ift hon fo gütig gewesen, meine Vertheidigung zu übernehmen. Ich habe daher nicht nöthig, auf diefen Theil der Ausführungen des Herrn Abg. von Eynern näher einzugehen. JIch kann in der That nicht ein- seben, daß, wenn einem hohen Verwaltungsbeamten wiederholt der Vorwurf der Taktlosigkeit gemacht wird, cs mir nit freistebhen soll, in der Vertheidigung dem betreffenden Herrn Mangel an Selbst- erkenntniß vorzuwerfen. (Sehr rihtig!) Jh habe mir nur noch das Wort erbeten mit Rücksicht auf die Ausführungen des Herrn von Eynern, in welchen er es überhaupt als möglich hinstellt, daß der Herr Präsident von Brandenftein aus Mangel an nationaler Gefinnung sich geweigert habe, dem betreffenden Comité beizutreten. Mcine Herren, diefen Vorwurf halte ih für so undenkbar, daß ih es für ganz über- flüffig gehalten habe und noch halte, hier dem Herrn Präsidenten von Hannover das Nationalbewußtsein noh auëdrücklich zu bescheinigen. (Sebr gut! rehts.) Ich meine, darin liegt do wahrlich kein Mangel an Nationalgefühl, wenn man aus beftimmten formellen Gründen seine UntersŸrift unter einen bestimmten Aufruf verweigert ; wesentlich ift doÿ nur in diesem Fall die Theilnahme an den betreffenden Fest- lichkeiten, und diese, meine Herren, ift vorhin {on konftatiert worden. (Bravo!)

Abg. Wallbreht: Die S{uld liegt nur an dêm Regierungs- ta éi B er mußte wissen, daß immer ss in Hannover verfahren orden ift.

Abg. Dr. Sattler: Ih habe nur die Uebers@äßung der Form- frage gerügt.

Abg. von Eynern: Der Herr Präsident kat den Ausdreck „Mangel an Selbsterkenntniß" wobl nicht auh sachlich als berechtigt Men E [le (Zentr): I muß ; g. Im Walle (Zentr.): muß dagegen proteftieren, d jeder Nationalgesinnte Trauer über diese Votatage Ses Gs ist nachgewiesen worden, daß der Regierungs-Präfident sih an der Feier selbst betheiligt bat und nur ten Eintritt in das Comité ver- sagt bat. Jh trebe ganz auf seitcn des Regierungs - Präsidenten. Die Nationalliteraiín scheiaen aber den Patriotismus für sich allein ove e E, lec Gd

g. Dr. Sattler (nl.): Dagegen muß ih protestieren. Wi sind bei allen solwen Angelegenheiten immer mit dn Fabsétvativen

und anderen Parteien zuïammen gegangen. Das weiß auc Hcrr Im

Dane er ga aan u Per gewesen ift.

bg. Im Walle: Gerade aus meiner Kenntniß der V:rhältni habe ich meine Beurtbeilung ge\{öpft. R R

Damit ist diese Angelegenheit erledigt, und die Diskussion wendet sih wieder der Frage der Beamtenbesoldung zu.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Indem ih von diesem Zwischenfall zur Haupt- sache zurückfehre, glaube ih dem Hause einen Dienst zu leiften, wenn ih im Allgemeinen die Stellung der Staatsregierung zu den Be- {{lüfen ihrer Kommission schon jeßt kennzeihne. | Meine Herren, der Herr Abg. Rintelen hat den Antrag gestellt, die ganze Vorlage abzulehnen, und es ift nit zu leugnen, daß, so wenig ih mit dem zweiten Theil feiner Rede einverstanden bin, er in dem ersten Theil zur Motivierung seines Antrag:8 einiges Beherzens- werthe gefagt hat. Es könnte vielleiht diese Motivierung, wenn man auch nicht zu seinem Schluß kommt, wie ih, doch einige Wirkung auf das Haus üben, und dem Hause zurufen, in den finanziellen Verwendungen und in den Opfern, die der Staaî sih auferlegt zu Gunsten der Beamtenschaft, wcnigstens einiges Maß zu balten. Der Herr Abg. Rintelen sagt, unsere Finanzen find so gesichert, wie man glaubt, nit, daß man kxs wagea könnte, 29 Millionen dauernde

man könne nicht wissen, wie in dieser Beziehung die nähste

fic geftalte, und es trete die Befürbtung hervor, taß eix Fut F

wenigstens. dieser 20 Millionen von ten Steuerzablern aufget; werden müßte. : N aht

Meine Herren, natürli habe ih mir als Finanz-Mirifter di Frage au vorgelegt. Ih kann tem Herrn Abg. Rintelen au E sichern, daß fie sehr genau erwogen if, und zwar um fo mehr 1s es fich keineswegs bei dieser ganzen Sache um 20 Millionen ati, handelt, sondern um ganz andere Summen. Meine Herren wi haben im Jahre 1890, also ver 7 Jahren, für die Unterbeamt, 15 Millionen verwandt und 3 Mikionen für die Alterézulagen tex Lehrer, mat 18.- Wir haken feit dèr Zcit die Dienstalterszulgz durchgeführt mitten im Defi,it: wir baben die etatsmäßigen Stellen de, mittleren Beamten um etwa 4000 vermehrt. Wir haben die Vereizi der Bureaukteamten erster und zweiter Klasse durchgeführt : wir baben die Anr: chnung der Militärdienstzeit auf die Zivildienftzeit um ein Jah erhöht. Mit den hier fraglichen, jeßt s{hoa durch die Beschlüsse e Kommission überschrittenen Verwendungen von rund 20 Milliorey Mark haben wir in dieser kurzen Zeit zur Verbesserung der ° è unserer Beamten nicht weniger als 424 Millionen Mark vetvrike (Sehr ricttig!) In diefem Jahre kommen dazu 10 Millionen Mz neue Ausgaben für die Lehrer, mat also 52§ Millionen. Wir kai, das Wittwengesetz hier in dritter Lesung bereits angenommen, bejîae lih welches ih nohmals besonders betonen möhte, daß dasselbe ter allem den Unterbeamten zu gute kommt, daß beißt den Hinterbliebenez derselben. Das wird eine Ausgabe, wenn der Normal, punkt erreicht ist, von etwa 6 Millionen Mark verurfacen, mat also 58} Millionen. Sie haben bier {on im Hause erkläct, daß tie Lage der Geiftlichen verbefsert werden soll, und es {eint ja tarüber ein allgemeines Einverständniß im Hause vorhanden zu sein, Ih fann das im Augenblick nicht s{häßen, möchte auch nicht vorgreifen daß aber mehrere Millionen Mark dazu erforderli sein werden, s über fann nit der mindeste Zweifel sein. Hier im Hause sind hon Wünsche hervorgetreten, die Wittwenbezüge der Elementarlehrer zy erhöhen. Eine Resolution liegt vor, die im nächsten Jahre in einem großen Maßstabe wiederum die im Jahre 1890 aufgebesserten Unt-r- beamten bedenken will. Wir kommen da allerdings zu Summen, wo man sebr wohl mit dem Herrn Abg. Rintelen vom finanziellen Standpunkt bedenklih werden kann, wo man sagen muß: bis bierker und nit w-iter.

Meine Herren, die Lage der Dinge war doch aber unzweife[bai so, daß man bei den großen Uebers{üfsen unserer Finanzen, die wir zu haben uns freuen, das alte Versprechen, die alte Forderung dieie boben Hauses seitens der Regierung zu erfüllen, {!lechterdirgs nitt unterlassen konnte. Wir mußten anerkennen, daß die seit Jahrzehnten vertröfteten mittleren und höheren Beamten gegenüber den Fort- \{ritten der allgemeinen Lebenshaltung und den höheren Ansprüchen, die an ihre Stellung gemacht werden, endlih bedaht werden mußten, sobald die Mittel des Staats es geftatten. Es würde eine {were Eattäushunz und eine {were Verstimmung, ja Verbitterung in diesen Kreisen mit Recht gegeben baben, wenn wir dies alte, immer wiederholte urd in jedem Jahre neu ausgesprotene Versprechen nunmehr nicht erfüllt bätten. Die Lage batte fich so gestaltet, daß man dazu, möte i sagen, gezwungen war, jedenfalls berechtigt, es zu thun, felbft wen ein gewifses Risiko einer möglihen Stcuecerböhung dadur berbi geführt war. Ich gehe gewiß nicht leihifertig an eine weitze Steigerung der Auëgaben (Heiterkeit) da3 werden, glaube i, die Herren wissen aus meiner ganzen Haltung als Minister —, und wenn ih darin nit so vorsihtig gewesen wäre und dem Drängen der Presse, dem Drän-en der Interessenten, dem Drängen dieses hozen Hauses niht oft Widerstand entgegengesezt bätte, so wären wir vielleißt niht in der Lage, diefe 20 Millionen mit den anderen großen Summen verwenden zu können.

Also, mcine Herren, alle diese Bedenken haben ja gewiß ctwa für sih; aber gegenüber der Gefammtlage und in Anbetracht aud der dauernden Ersparungen in den Auszaben turch die Konvertierung und dur die davernde Steigerung unserer Einnahmen um eiwa 8 Millionen, die ganz unabhängig sind von den Betriebéverwaltunger, konnte man verantworten, diese Summen neu in den Etat eir- zustellen.

Meine Herren, ih babe, glaube ih, bei der ersten Lefung géfagt, man follte sh dcch ni@t einbilden, und namentlich die Beamten niht, daß diese Vorlage \o besonders populär sei. (Sehr ridtig!) Meine Herren, es ift rihtig, daf: große Kreise in der Bevölkerung anfangen, bei dieser Steigerung der Beamtengehalte eiwas bederklih zu werden, daß sie sih sagen: \hliezlich baben tcch die Steuerzabier dafür aufzukommen, und man kann richt behaupten, daß in dea mittleren Klafsen und in der Lantwirthschaft die Lebensbaltung der Bevölkerung im allgemeinen si erhöht hätte (sehr richtig! rechtt); vielmehr kann man das Gegentheil behaupten. (Oho! linfs.)

Fa, meine Herren, in dem bäuerlichen Stande, in der Landwirtt- schaft, kann man von einer Steigerung ter Lebenshaltung in den letzten 6, 7 Jahren jedenfalls nicht sprechen. (Sehr richtig! ret}

Meine Herren, ih fage alles dies ja nur, um daran die Vitte knüpfen, daß man endlich Maß halten solite, und um den Stand punkt der Regierung, tie Ihnen sehr weit entgegengekommen ift und auh den Bescklüfsen der Kommission noh weiter entgegenzukommen gzneigt ist, um das schwere Werk zu stande zu bringen, daß man diefen Standpunkt doch auÿ würdigen soll, daß niht nah den subjeltiven Meinungen, nicht nah den besonderen Verhältnissen des einzelnen Abgeordneten zu einer einzelnen Bearatentlasse unaufhörlih neue Ar! träze kommen, die s{ließlich dabin führen, das ganze Werk zu £ fährden, sodaß dann auch diejenigen Beamten, für welche die be treffenden Abgeordneten eintreten, um die ganze Aufbesserung ihrer Lage gebracht zu werden Gefahr laufen.

Meine Herren, Sie müssen auch erwägen ich bin überzeugt: wenn ich die Dinge so bezeichne, wie sie liegen, so wird man das n manchen Kreisen niht gern hören Sie müssen auch erwägen, das, was der Staat thut in Bezug auf die Normierung der Gehalt säge, keineëwegs isoliert bleibt, daß das scine Rückwirkung bat att alle Verbände, auf Kommunalverbände böherer und riederer Art, selbft auf die kirchlihen Verbände. Wir erböben damit dea ganzen s dard of lise nitt bloß ter Staatsbeamten, sondern auch der Beami! überbaupt. Das wird also tie Gesammtbelastung des preußisé Volkes noch weiter in die Höhe bringen.

(S{&lufßi in der Zweiten Beilage.)

Zweite Veilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M ‘96.

Berlin, Dienstag, den 30. März

1897.

A E R E —————————————

(Schbluß aus der Erfien Beilage.)

Meine Herren, der Herr Abg. Sattler hat zu meiner Freude anerkannt, daß die Staatsregierung alles gethan hat, um gewisse auf- gestellte Vorfragen die ih übrigens nicht für Vorfragen gehalten habe aus dem Wege zu räumen. Wir haken das Gesetz, betreffend die Reliktenbezüge, vorgelegt ; wir haben ein Gese vorgelegt, betreffend die Diäten, und wir haben die Frage der Remunerationen, die ja noch den engsten Zusammenhang mit der Besoldung der Beamten hat, hier durch eine Vorlage in der Budgetkommission zu ordnen gesucht. Jch stimme ganz darin mit ihm überein, daß die Frage der Kommunal- besteuerung der Beamten in keiner Weise eine Vorfrage ift, jedenfalls nit bei dieser Gelegenheit, wo es sich nur um die Erhöhung der Gehalte der mittleren und höheren Beamten handelt, als Vorfrage bezeichnet werden kann, und daß, wenn diese Regelung überhaupt mal angezeigt ift, jedenfalls damit eine sehr \{chwierige Aufgabe gestellt wird und nit einfah damit gelöst werden kann darüber sind heute wohl alle Parteien einig —, daß man einfah diese Benefizien der Beamten aufhebt, sondern daß dann eine ganz tiefgreifende Regelung

des Verbältnisses stattfinden muß, welhes auch mit der Frage der |

Wohnungsgeldzushüfse zusammenhängt u. f. w.

Also ih acceptiere es gern, wenn die Herren von der national- liberalen Partei diese Frage jeßt nicht mehr als eine Vorfrage be- zeichnen.

Meine Herren, von anderer Seite wird gewissermaßen als Vor- frage aufgestellt das hat auch namentlich Herr Abg. Rintelen gethan —, daß man hier gleihzeitig auch die Unterbeamten generell wieder aufbessern fol. Meine Herren, ih habe den Standpunkt der Staatsregierung, an dem sie noch heute in vollem Maße festhält, bei der ersten Lesung hon deutlih genug präzisiert. Wir glauben, daß es durhaus den Verhältnifsen, den billigen Ansprüchen der mittleren und böberen Beamten entsprächhe, daß man das mit den Unterbeamten begonnene Aufbesserungswerk nun einmal zum Abschluß brächte nah oben und wir find darin garnicht weit gegangen, denn wir find ‘ja nur mit wenigen Ausnahmen bei 12000 Gehalt stehen ge- lieben; alles, was darüber ist, ist aus dem Spiele gelafsen worden.

Meine Herren, nun kommen Aniräge, man solle hon im nälhsten Jahre generell die Unterbeamten aufs neue aufbessern. Ja, meine Herren, auf die Weise kominen wir garniht zu Ende; dann wird unaufbörlih die Schraube gedreht werden, und es wird nicht lange dauern, so sind wir wieder bei den mittleren Beamten angelangt und ‘dann wieder bei den böberen Beamten.

Im Jahre 1890 das sind do erst 7 Jahre her sind den Unterbeamten 13 9% mehr durhschnittlich am Gehalt zugelegt. So {nell können fich die Verhältnisse unmögli geändert haben, daß wir jeßt son eine generelle Aufbesserung aller Unterbeamten wieder ‘vornehmen müßten. JIch wüßte auch nicht, meine Herren, woher die Mittel kommen sollten. 4

Meine Herren, man maht täglich die Erfahrung, daß

der Andrang kaum zurückzubalten ist, in den Staats- dienst einzutreten. (Sehr richtig! rechts.) Derjenige, der diesen Wunsh hat, ift mit allem zufrieden. Er erblickt in dem festen, etatsmäßigen Gehalt, der ihm wird, ob Regen oder Sonnen- hein dur das Land geht, ob die Gewerbe gehen oder nit, der von keiner Konjunktur abhängig ist, einen fo großen Vortheil, daß er sich gerne besheidet, zumal er obendrein noch die Garantie hat, daß für seine Wittwe und Waisen gesorgt ift. In dem Augenblick aber das erlebt man ja vielfach —, wo die Anstellung dem Mann ge- worden ist, fangen oft bald die Klagen an, kommen die Beschwerden ; da ist nichts gut genug, da ift der Minister ein Filz u. f. w. {Heiterkeit.) Meine Herren, ich habe {hon anerkannt, daß einige Ungleihheiten vorhanden sind, wo die Besoldungen nah den heutigen Verhältnissen zu niedrig sind. Das wird bezüglih der Besoldung der Unterbeamten im Etat in Betracht gezogen werden müssen. Ich bin persönlich dieser Ansicht: wenn die Mittel es irgendwie gestatten, so wird man unzweifelhaft dieser Frage näher treten. Ob das schon möglich if im nähsten Etat, wie von Herrn Dr. Sattler, glaube ih, beantragt if, ich würde, wenn ih diese Resolution überhaupt beurtheilen darf, die Refolution der Budgetkommission vorziehen, die auch nit von einer generellen Aufbesserung der Unterbeamten spricht, sondern eben nur Härten aus- gleihen will und- den richtigen, den finanziellen Verhältnissen am besten entsprehenden Ausdruck wählt: „sobald als thunlich“.

: Wenn die Staatsregierung in dieser Beziehung, was ihren guten Willen betrifft, ihre Fürsorge für unsere ausgezeichnete, ireue und gewissenhafte Beamtenschaft, wenn sie dafür Vertrauen be- anspruht, so kann sie ih einfah beziehen auf diese Vorlage und auf die ganze Geschichte der Gehaltsaufbefserung in den leßten Jahr- zehnten, die ih vorher Jbnen bezeihnet habe. Ich glaube, daß Sie der Staatsregierung gewiß zutrauen können, wo wirklich die Ver- hältnisse es erfordern und die Mittel es gestatten, daß sie da auh selbst ohne einen solhen Druck von außen der Abgeordneten hilft.

Meine Herren, gestatten Sie mir, dabei noch ein Wort ein- zuflehten. Wir wollen durch diese Vorlage Zufriedenheit hafen, Vertrauen und Anerkennung der Fürsorge der Staatsregierung bei unseren Beamten herbeizuführen suhen. Ift es nicht richtig, daß die Abgeordneten, die doch ebensogut wie die Staatsregierung ‘ein Interesse haben, nicht eine verbitterte, verheßte Beamten- schaft zu schaffen, fondern eine zufriedene zu erhalten, ift es da nicht richtig, daß die Herren Abgeordneten bei jedem Antrag, den sie stellen, namentlich wenn sie wissen, daß die Regierung ihn doh vit annehmen kann, si fagen: welche Wirkung übt das auf die betreffenden Beamten aus! (Sehr richtig! rechts.) Was man gern will, das höôrt man gern, und was man gern bört, das glaubt man leiht. Es wird die betreffende Beamtenklasse durch folche An- träge oft dahin gelangen, zu sagen: der Abgeordnete so und so hat ‘die Berechtigung unserer Forderungen anerkannt, wir sind shlechter ¿behandelt als .die anderen Beamten, wir können mit unserem Gehalt

nit auskommen, und doch hat die Staatsregierung diefen Antrag abgelehnt. Ein gewissenhafter Minister muß das oft thun auf das Nisiko hin, daß ihm diese Beamtenklafsen das nicht fehr angenehm aufnehmen. Aber, es handelt ih \{ließlich nicht darum, fondern es handelt sich um die Befestigung und Aufrechterhaltung des bisher Gott sei Dank! im großen Ganzen noch durchaus guten Verhältnisses der Beamtenschaft der Regierung gegenüber und zu ihren Vorgeseßten. Meine Herren, in der Beamtenschaft muß auch Disziplin erhalten werden; sie darf durch Niemanden gelockert werden, der s mit dem Staatswohl gut meint. Wenn man einzelne Erscheinungen vor fich sieht, so kann man doch nur sagen: es ist doch rathsam, au für die Abgeordneten vorsichtig zu sein. Ih möchte die Herren bitten, mal gelegentlih, wenn Ihnen so ein Blatt in die Hände fällt, eins von den Fachblättern zu lesen, die für bestimmte Beamtenkategorien publiziert werden. Da werden Sie oft eine Sprache finden, die doch im böôsten Grade bekflagenswerth ist. (Sehr richtig! rets.) Einzelne solcher Blätter, die meist ausgehen von früheren Beamten, haben einen so hegenden Ton, baß man bedauern muß, daß es über- baupt noch Beamte giebt, die derartige Blätter niht a limine vor ihrer Thür zurückweisen. (Sehr gut! rechts.)

Meine Herren, Sie werden mir wohl diese Vorbemerkungen ver- zeihen; denn, wenn man sich nun 14 Jahre mit dieser Sache be- schäftigt hat, den Kampf der Wagen und Gesänge (Heiterkeit) auf allea Stadien bat führen müssen und es waren häufig gerade feine sehr melodishen Gesänge (Heiterkeit) —, daß man nun im lezten Augenblick vor der Befürchtung steht, das ganze Werk fönnte noch scheitern, man könne es der Staatsregierung durh Annahme von Anträgen geradezu unmögliG machen, das Ganze zu acceptiren das werden Sie mir wohl vielleicht selbst nadfühlen. Ih würde es auf das äußerste beklagen für unfere preußishen Beamten, wenn, nahdem ihnen nun doch son fehr nahe Ambrosia gezeigt ist (Heiterkeit), plöglih wieder zurückgezogen würde, und vielleicht auf Nimmerwiedersehen verschwände. (Sehr richtig! rets.) Nun, meine Herren, möchte ih dem Herrn Abg. Rintelen auch sagen, er findet den gegenwärtigen Augenblick nicht geeignet. Ja, meine Herren, verschieben Sie das auf das nächste Jahr, haben Sie dann einen geeigneteren Augenblick ? Vor allem, wenn nach dieser gründ- lihen Berathung, na der gründlihen Information in der Kommission in einer Zeit, wo wir die Mittel besigen ih fage vielleicht mit dem Herrn Abg. Rintelen: noch besien —, wenn wir da in diefer Session nicht zu Ende kommen: welhe Garantie hat die Staatsregierung, wenn sie im nächsten Jahre wirkli eine neue Vorlage machte, nun damit weiter zu gelangen ? Dieselben Parteien, dieselben Anschauungen, vielleiht noch vershärft dur das Drängen der betheiligten Beamten, wenn die Herren eine ruhige Ferienzeit genießen wollen, dieselben Tendenzen; würde nicht dasselbe Resultat wieder hervorkommen? Und würde man eine in vielen Be- ziehungen so schwierige Vorlage, die auf solhe großen Hoffnungen be- rechtigt, wenn sie sheitert, so schwere Enttäuschungen hervorruft seitens der Regierung noch einmal wagen, im nächsten Jahre wieder vorzulegen? Und, meine Herren, können Sie wissen, ob wir das näâthste Jahr noch in der Lage sein werden, fie vorzulegen? Können nit Ereignisse wir sind doch alle der Zukunft niht sicher das z¡wishenkommen, die die Sache im nächsten Jahre überhaupt nit mehr möglich machen, und wann wird es dann möglih werden? Wie fann man es verantworten, um einzelne Wünsche befriedigt zu erhalten, diese Sache ad kalendas Graecas, mödte ih fagen, zu vertagen? richtiger wäre es, zu sagen, ins völlige Ungewisse zu verschickon,

Alles dieses führt mich dahin, meine Bitte zu motivieren, daß Sie doch jeßt aufhören mögen, hier im Plenum noh neue Anträge auf Aenderung der Beamtengebälter zu stellen. (Sehr richtig ! rets.) Meine Herren, es wird der Staatsregierung niht leicht, das kann ih Ihnen sagen, weil sie eine Reihe von Beschlüssen, die in der Kommission gefaßt sind, nicht für begründet hält und wenigstens nicht für durhaus nothwendig, weil sie auch glaubt, daß dadur gewisse Verschiebungen in die sehr wohl durchdahte und, ih glaube auch, nah bestimmten \ystematishen Gesichtspunkten aufgestellte Vorlage der Staatsregierung bringen, es wird der Staatsregierung nit leiht , das Wort auszusprehen, welhes ich und ih freue mich persönlich darüber heute auszusprehen seitens des Staats - Ministeriums ermächtigt bin, daß nämlich die Staatëregierung ohne Luéênahme sämmtliche Beschlüsse der Kommission annimmt. (Bravo! rets.) Meine Herren, sie kann das aber nur thun in der Erwartung der Gegenleistung und unter Vorausseßung derselben. Sie kann das nur dann verantworten, denn es handelt sich auch finanziell allein um eine Mehrausgabe durch die Beschlüsse der Kommission von nahezu 900 000 A, wir kommen alfo über die 20 Millionen {hon hinaus, was den Herrn Abg. Rintelen wahrscheinlich in seinem Widerstand noch bestärken wird (Heiterkeit), sie kann das nur thun, wenn sie die Beschlüsse der Kommission als Kompromiß zwischen der Staats- regierung und dem hohen Hause ansieht. Wird dies Kompromiß hier wieder durchbrochen, werden überall Lücken gerissen, die dann aufs neue Ungleichheiten oder neue Konsequénzen hervorrufen, wird das Werk der Kommission nit als ein Ganzes angesehen, dann kann die Staats- regierung sih auch niht an diese Beschlüsse gebunden erahten. Meine Herren, nehmen Sie das nicht leicht; glauben Sie nicht, daß die Staatsregierung sich wohl noch etwas abhandeln lassen wird! Die Sache liegt so, und ih gehe weiter; ih glaube, ih leiste Ihnen selbst damit einen Dienst, wenn ih dies in der bestimmtesten Weise sage: Sie können von den Wünschen, die Sie im einzelnen für durchaus rihtig halten, viel leiter zurücktreten, wenn Sie wissen, welche Folgen es haben fann, wenn Sie dafür eine Mehrheit erreihen; Sie können si selbst und den betreffenden Beamten leichter trösten, wenn Sie sagen können: nah den Erklärungen der Staatsregierung war cin Mehreres nicht zu erlangen. (Sehr richtig ! rechts.)

Meine Herren, betraten Sie das nicht als einen unberehtigten Drudck, sondern als den rihtigen Weg, um gemeinsam in Anbetracht der großen Gesichtspunkte zu einem gedeihlihen Ziele zu kommen : zu einem gedeihlihen gemeinsamen Ziele niht bloß zwischen uns beiden,

sondern auch gedeiblih gegenüber dem Eindruck nach außen, gegenüber der Wirkung auf die ganze Beamtenschaft.

Der Herr Abg. Rintelen hat gesagt: Ihr follt mir erst ein System vorlegen. Meine Herren, ih behaupte, in dieser Vorlage ist System (Widerspruch im Zentrum), das einzige System, was möglich ift, das System, das man vor allen bei den Verhältnissen unserer Beamtenbierarchie, den gegenwärtigen und biftorishen Zu- ständen allein befolgen fann, das System, fich thunlichst, soweit die Veränderungen niht durchaus nothwendig waren, an das Vorhandene und Gewohnte anzusch{ließen. Wollen Sie ein System aufstellen nun hat noh keiner dies System gekennzeihnet, und das follte doch fein; wenn man verlangt, die Vorlage soll nah einem System ge- macht werden, dann müßte man mir doch das System näher be- zeichnen —, aber wollten Sie hier ein folches System diskutieren, fo bin ih überzengt, Sie kämen nie zu Ende. Sie würden im einzelnen auf folhe * Schwierigkeiten bei Durchführung eines folhen an- genommenen Systems ftoßen, daß Sie bald davon abließen. Mit dieser Forderung halte ih jede generelle Aufbesserung der Gehälter unserer Beamtenschaft für ausges{hlofsen.

Meine Herren, das werden auch die Beamten fühlen. Sie werden ih nicht darum kümmern, ob nach dem System Rintelen ihre Ge- hälter aufgebefsert werden oder nah der „systemlosen“ Vorlage der Königlichen Staatsregierung (Heiterkeit), es wird ihnen darauf an- kommen, eine angemessene Besserung ihrer Lage zu erreichen, und ih glaube, \{chließlich wird doch die Mäßigung, die, Gott sei Dank, in unserer Beamtenschaft vorhanden ist, fich fagen müssen: alles ift zwar nicht erreiht, das Wesentliche ift aber erreiht, und wir fönnen dann doch schließlih der Staatsregierung und dem Landtage recht danfbar sein.

Meine Herren, ich würde von Herzen wünschen, daß die weitere Diskussion von diesen Gesichtspunkten aus geführt würde, daß wir die Erregung von Unzufriedenheit vermeiden, dagegen die Beamten tavon überzeugen, wie wohlwollend und fürsorglih die Staatsregierung und der Landtag ihrer gedacht haben. Meine Herren, wenn Sie diese Vorlage in diesem Sinne abschließen und diesen Eindruck im Lande hervorrufen, dann wird diese Vorlage nit bloß den Beamten, sondern König und Vaterland zum Segen gereihen. (Lebhaftes Bravo! rets.)

Abg. von Tiedemann-Bomst (fr. kons.): Meine Freunde werden für die Beschlüsse der Kommission füimmen und gegen alle weiter- gehenden Anträge, aus den Gründen, die der Finanz-Minister an- eführt hat. Der Antrag Rintelen scheint aus Rücksichten auf seine reunde im Reichstage gestellt zu sein. Wir haben keine Veranlaffung, die r zu verschieben und vor den Wahlen zu einem Streitobjekt zu machen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Auch wir werden nur für panenige stimmen, was sih übersehen läßt. Die Verbesse- rungen für die Unterbeamten lassen fih aber niht übersehen. Herr Rintelen \priht von einem System. Er geht dabei aber nur von einem Gesichtspunkt aus, den er generalisiert. Wir haben uns in der Kommission davon überzeugt, daß die Sache äußerst kompliziert ist und daß etwas allseitig Befriedigendes niht gemaht werden kn. Wir stimmen für die Vorlage nur mit \{chweren Bedenken. Wir wissen nicht, wie die Finanzlage in den nächsten Jahren {ih gestalten wird. In den Kreisen der Landwirthshaft und des Handwerks hat man allen Anlaß, sih zu beklagen. Hier is die Lebenshaltung nicht gestiegen. Wir drängen diese Bedenken aber zurück und erwarten, daß das Plenum sih. auf weitergehende Beschlüsse nicht einlassen wird. 20 Millionen sind immer noch besser als garnichts.

Abg. Gothein (fr. Vgg.): Es ist mir ganz neu, daß die Lebenshaltung der Beamten nit theurer geworden ist. Wieviel haben sie niht shon für Vereinsbeiträge zu zahlen! Es ist wünschenswerth, daß unsere Beamten sich aus dem Beamtenstande felbst ergänzen. Das Gehalt unserer Beamten reiht aber nicht aus, um zwei Söhne studieren zu lassen. Ohne eigenes Vermögen oder das seiner Frau fann der Beamte für seine Kinder niht ausreichend sorgen und für 1eine Wittwe nichts zurücklegen. Der Finanz-Minister hat die Einnahmen so phâänomenal niedrig bemessen, daß wir für die Zukunft feine Be- sorgnisse zu haben brauchen. Handel und Indusirie blühen und werden auch dur die Wolken am politischen Horizont niht bedroht. Für die Gehaltsverbesserung haben wir ja das Geld gewissermaßen auf der Straße gefunden in der Konvertierung. Daß dabei einige benah- theiligt werden, ist unabwendbar. Die großen Kapitalisten können eine Reduktion des Zinsfußes wohl ertragen. Die Vorlage bringt aber leider nur Flickaerk, das höchstens die Ober-Regierungs-Näthe, Katasterbeamten und Ministerial-Subalternbeamten befriedigen kann. Die Regierung erregt damit Unzufriedenheit. Der Bautechniker muß sehr viel eifriger \tudieren als der Jurist und Ver- waltungsbeamte, und doch erhält er ein geringeres Ge- halt. Auf die Anfangs- und Durhschnittsgehälter kommt es an, nit auf die Maximalgehälter. ‘Der Verwaltungsbeamte bekommt ein Anfangsgehalt von 4200 6 Der Baumeister muß Jahre lang sich mit Diäten begnügen. In Bayern existiert ein vollständig durh- gearbeitetes System der Beamtenbesoldung. Warum nahm man es niht zum Muster? Wir wünschen, daß die Vorlage in dieser Session zu stande kommt. Der Minister foll aber nicht glauben, daß fie Zu- friedenheit unter den Beamten {aft und weiteren Wünschen keinen Raum ließe. : : :

Abg. Kirsch (Zentr.) erklärt namens eines Theils seiner Freunde, daß sie die Vorlage niht a limino ablehnten, sondern sh nah dem Gange der Verhandlungen vorbehielten, ob sie für oder gegen sie stimmen würden. Das Zentrum, führt er aus, sieht ein, daß die Gehaltsaufbefserung für die Unterbeamten in dieser Session nicht mehr möglich is; dagegen glauben wir, daß in der nächsten Session nicht allein die Üngleichheiten und Härten in den Besoldungen der Unterbeamten beseitigt werden können, sondern daß auch eine generelle Regelung erfolgen fann. Wir haben unsere Anträge aus der Kom- mission erneuert, weil sie in der Kommission nur mit geringer Mehr- heit abgelehnt worden sind. : :

Abg. Ehlers (fr. Vgg.): Die Finanzlage ist für diese Frage nit allein maßgebend. Daß unser Vorgehen auf andere Einzelstaaten und auf die Kommunen zurückwirkt, steht außer Frage. Die Gehalts- aufbesserung is aber nothwendig, um dem Staate ein brauchbares Beamtenmaterial zu sichern, und weil den Beamten Jahre lan eine Gehaltsverbefierung versprochen is. Fiele die Vorlage unter den Tisch, so würde das nah außen hin über die Stg E unserer staatlihen Institutionen keinen guten Eindruck machen. Man hat mir in der Presse einen „Umfall“ in der Kommission vor- geworfen und gemeint, pas man doch bis zum nähsten Jahre warten könne. Darauf ist kein Verlaß. Selbst die Richter werden nicht wünschen, daß in diesem Jahre garnichts zu stande kommt. Die Besoldung kann nicht für die Ehre eines Beamten maßgebend sein. Wollten sie die Vorlage, so würde ih sie am liebsten ablehnen. Es wäre überhaupt besser, wenn das Richteramt als unbesoldetes Ehrenamt ausgeübt werden könnte. Wir follten mit einer Bewilligung