1897 / 108 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

mit den Herren Vorrednern von der rehten Seite und der Mitte des Hauses für eine ganz unnügze Belästigung einer ganzen Anzahl von Leuten, die ein ganz ehrlihes und erlaubtes Geschäft treiben, und die doch auch der polizeilihen Kontrole unterstehen, sobald der Verdacht auftaucht, daß fie dieses Geschäft zur Täushung des Publikums miß- brauchen.

Die Abgg. Fritzen - Düsseld tr. empfehlen io die Ablep e e p

Der Antrag Wurm wird abgelehnt. S 7 wird an- genommen, ebenso der Rest des Gesegentwu s. Die ein- ge enen Petitionen werden dur die Beschlüsse für erledigt erklärt.

Schluß nach 51/4 Uhr. Nächste Sißzung Sonnabend, 12 Uhr. (Dritte Lesung des Auswanderungsgeseßes und dritte Lesung des Margarinegeseßes.)

und Dr. Bachem

Preußischer Laudtag. Haus der Abgeordneten.

78. Sißung vom 7. Mai 1897.

Das Haus set die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unterrichts- und M F Dai a1 ARRERE I ILE fort.

Zu dem Titel „zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlihen aller Bekenntnisse: 5474300 e“, welcher Fonds hauptsächlih zur L von Alterszulagen an die Geistlichen bestimmt ist, liegt der Antrag der Abgg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) u. Gen. vor:

die Regierung aufzufordern, dem Landtage einen Gesehentwurf vorzulegen, dur den a. dieser Fonds behufs Gewährung von Auf- besserungszulagen an bestehende Pfarreien und von Alterszulagen an Pfarrer wesentlich erhöht wird, b. diese Staatsmittel in einer festen Summe den geordneten Organen der evangelischen Landes- kfirhen und der fatbolischen Kirche zur eigenen Verwendung nah Ae staat8geseßlih festzustellenden Grundsäßen überwiesen werden.

Die Budgetkommission beantragt, denselben unverändert

anzunehmen. : /

Die Abgg. Haacke, Freiherr von Zedliß und Neu- kirch (fr. Lan.) und Genossen beantragen, den Antrag in folgender Fassung anzunehmen:

die Regierung aufzufordern, dafür Sorge zu tragen, daß vom 1. April 1898 ab den Geistlichen in einem kirhlihen Amte in Preußen Alterszulagen, und zwar: den evangelishen Geistlichen bis zu einem Höchsteinkommen von 4800 4 und den katholischen Geistlihen bis zu einem angemessenen Höchsteinkommen gewährt werden Éöônnen.

Die Abgg. Schmieding, Schaffner (nl.) und Genossen beantragen :

die Regierung aufzufordern, im nächstjährigen Etat diesen Fonds durch Erhöhung des Mindest- und Höchstgehalts derart zu nor- mieren, daß den Geistlichen dasjenige Gehalt gewährt wird, welches ibrer Stellung im Staat und der O ihrer Aufgabe ent- spriht und ibnen die zum ftandesgemäßen Leben und zum ange- messenen Unterhalte ihrer Ne und Ausbildung ihrer Kinder erforderlichen finanziellen Mittel gewährt.

Ueber den Beginn der Debatte ist gestern berichtet worden. Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Ich kann im wesentlichen nur wiederholen, was ih bei der ersten Lesung im Einverständniß mit dem Herrn Finanz-Minister gesagt habe. Wir sind beide darin einig, daß wir uns über den modus procedendi in diefer Sache nit eber {lüssig machen können, bis roir die statistishen Ermittelungen über die finanzielle Tragweite der ganzen Angelegenheit besißen und uns mit den kirchlichen Instanzen in Verbindung geseßt haben.

Nun liegt die Sache so, daß die Berichte der Behörden über die statistishen Unterlagen zum großen Theil eingegangen find; der Rest muß in diesen Tagen eingehen. Wir haben uns bereits darüber verständigt, daß wir demnächst in kommifsarisher Verhandlung erörtern werden, wie die Sache anzugreifen ist. Wir werden sie so- fort in Angriff nehmen; denn wir sind mit Ihnen allen darüber voll- fommen einig, daß die Sache so s{hnell, fo gut und in folcher Ueber- einstimmung mit den fkfirchlihen Interessen gemaht werden muß, wie es irgend möglich ift. (Bravo!)

Die Hauptbedeutung der sämmtlihen Anträge, auf die ih mich nah dieser Erklärung gegenwärtig im Einzelnen nicht äußern fann, scheint mir darin zu liegen, daß auf allen Seiten in diesem Hause eine erfreuliße Uebereinstimmung zu Tage getreten ift darüber, daß den Geistlichen beider Konfessionen unter allen Umständen wirksam geholfen werden muß. Uns if es ebenfo ernst damit, das zu thun, als es Ihnen ernst damit ist, uns die An- regung dazu zu geben. Deshalb habe ih die feste Zuversicht, es wird uns gelingen in Uebereinstimmung mit den firchlihen Behörden au einen Weg zu finden, um diefes Ziel zu erreihen, und dann hoffe i, daß wir bis zur nächsten Session das wäre ja -so s{chnell wie möglich in der Lage sein werden, den Geistlihen niht bloß freundlihe Gesinnung, sondern auch endlich einmal die baare Hilfe entgegen zu bringen, deren sie so nöthig bedürfen. (Lebhaftes Bravo.)

Abg. Shaffner (nl.) hätte gewünscht, daß in dem Antrage Schmieding aub ein Mindestgehalt von 2400 #4 feftgeseßt worden wäre, schließit sich aber im übrigen den Ausführungen des Abg. Schmieding an. / J ¿ f

Abg. Lückhoff (fr. kons.): Es wäre erwünscht, etwas über die Höbe der rechtlihea Verpflichtung des Staats gegenüber der Kirche zu erfahren, und ih bitte den Miniter, uns im näâchften Jahre Material dafür vorzulegen. Mit dem Antrage von Heydebrand können wir uns nit befreunden, wenn ich auch meine, daß der Kirche ein größeres Maß von Freiheit gewährt werden muß. Aber die Erörterung dieser Fragen gehört nicht in das Abgeordnetenhaus; wir verftoßen damit gegen die geseßlihen Bestimmungen, denn_ wir haben hier nur Geld zu bewilligen, die übrigen Fragen find Sache der General-Synode. Der Antrag Haacke hätte {on früher Erfolg gehabt, wenn uns die Konservativen unterstützt hätten. Ich bedauere, daß sie fih in diefen Fragen nit mit uns vereinigen fönnen. Ih ftimme Herrn Haae in allen Punkten bei. Unter den Geiftlihen herrscht Mißstimmung darüber, daß unserem früheren Antrage noch nit olge gegeben iff. Aber wenigstens muß im nächsten Jahre die Aufbefserung der Geist- lien erfolgen. Für Reisen, welhe die Geiftlihen im Interesse der Schule machen, erhalten fie überhauvt keine Entshädigung. Ich bitte den Herra Minifter, dafür zu sorgen, daß sie nit erst um eine Ent- schädigung für solhe Dienste bitten müssen. E ;

Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Ich be¿weisle, daß die evangelischen Geistlichen der Aufbesserung bedürftiger sind als die katholishen. Die Erflärungen des Ministers berechtigen zu der Hoffnung, Me im nächsten Kahre etwas Befriedigendes zu stande kommen wird. Unter diesen Umftänden verzihten wir darauf, besondere Anträge zu tellen. Interefsant wäre es, zu erfahren, ob die Regierung die altkatholishen

mit demselben . Maßstab gemessen hat wie die römi s{- katholishen und die Wangelten Geistlichen. Der Tamag von Heyde- brand will eine anderweite Lösung des Verhältnisses zwishen Staat und Kirhe an sich garniht herbeiführen. Wir werdea für diesen Antrag stimmen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Aus meinem Schweigen, da ih mal anwesend bin fönnte eine gewisse Beunruhigung folgen (sehr richtig! im Zentrum), als wenn ih niht ganz auf dem Standpunkt des verehrten Herrn Kollegen, des Herrn Kultus-Ministers \tände. Jch habe es daher wenigstens niht für \{ädlich gehalten, wenn ich ausdrüdlich hier erkläre, daß auch der Finanz-Minister von der Ueberzeugung durhdrungen i}, daß die Bezüge der Geistlichen beider Konfessionen verbessert werden, und daß der Staat nach der ganzen Geschichte dieser Verhältnisse auch niht ablehnen darf, dabei seinerseits mitzuwirken.

Ebenso wenig wie dem Herrn Kultus-Minister kann es mir ob- liegen, mich über die vershiedenen Arten der Erreihung dieses Zieles, welhes die Anträge vorschlagen, zu äußern. Wir find dazu ganz außer ftande. Das Material is zwar im wesentlichen erst jeßt eingekommen, wir kennen die materiellen Verhältnisse noch nit, das Material if noch nicht genügend gesichtet. Jch möchte des- halb das ift der Grund, warum ih das Wort ergriffen habe Ihnen do schon jeßt sagen, daß die Durchführung der ganzen Maßregel wahr- \einlich viel größeren Schwierigkeiten begegnen wird, als das hohe Haus heute anzunehmen \cheint. Für den Staat wäre es ja am leichtesten, nahdem man im Ganzen das Bedürfniß, welches sih aus der Lage der betreffenden Gemeinden ergiebt, übershauen kann, dem. Antrag des Herrn von Heydebrand beizutreten. Dann würden die großen Schwierigkeiten, die in der Sache liegen, der Kirche zufallen, und der Staat hätte sich von dieser schweren Arbeit befreit. Auch finanziell vielleiht, von rein fisfalishem Gesichtspunkte aus, wäre der Antrag des Abg. von Heydebrand für den Staat vielleiht der an- nebhmbarste, wenn man nämlich annimmt, daß damit eine ges{lofsene Dotation auf diesem Gebiet herzustellen wäre. Nichtsdestoweniger können wir uns auch über diesen Antrag um fo weniger gegenwärtig äußern, als wir die Meinung der kirhlichen Organe ja garniht zur Zeit kennen. Das wird doch jedenfalls das Erfte sein, daß der Staat sucht, in Beziehung zu treten in Betreff der Durch- führung der hier vorliegenden Anträge mit den kirchlichen Organen beider Konfessionen, um ein Einvernehmen zu erzielen.

Ich habe den Eindruck, meine Herren, daß es eigentlich nicht nothwendig wäre, irgend einen dieser Anträge anzunehmen. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Denn an all den Anträgen kann man im einzelnen Kritik {hon jeßt üben, beispielsweise an dem An- trag Haade, der eine bestimmte Maximalsumme einseßen will; das kann zu wenig und zu niedrig sein nach den Ergebnissen der Unter- suchung. Ich halte es daher nicht für rihtig. Am wenigsten prä- judizierlich würde der Antrag Schmieding sein. Aber im Großen und Ganzen, da eine volle Uebereinstimmung aus der Haltung des hohen Hauses und der Staatsregierung darüber sih ergiebt, daß ohne Ver- zug, fo {chnell als möglih, wie der Herr Kultus-Minister sagte, die Frage der Aufbesserung der Geistlihen auch mit ftaatliher Unter- ftüßung in Angriff genommen werden solle, wäre es vielleiht richtiger, gar keinen speziellen Antrag anzunehmen. Ich glaube auch, der Herr Abg. von Heydebrand wird seinerseits nit bestimmt übersehen können, wie die kirhlichen Organe si zu seinem Antrage stellen würden. Er verlangt aber ein bestimmtes Geseg, was dieses festlegt, ohne die kirchlihen Organe gehört zu haben. Er sagt zwar: wir wollen den kirchlichen Organen hier durch diesen Beschluß zu erkennen geben, daß eine Mehrheit im Abgeordnetenhause mit einer festen Dotation einver- standen ist. Meine Herren, diese Motivierung heißt, wenn ih recht verstehe, soviel, daß, wenn die fkirchlihen Organe etwas Anderes wünschen, man auch seitens der Herren von der Rechten geneigt sein würde, diesen speziellen Vorschlag wegen einer festen Dotierung und Ueberlassung der Verwendung dieser dotierten Summe an die Kirche nit weiter zu verfolgen. Meine Herren, ih glaube nicht, daß, wenn die General-Synode und die Bischöfe sagten: wir können diesen Modus nit acceptieren, daß dann die Herren von der Rechten daran festhalten würden, während sie jeßt das festlegen wollen vorab dur ein bestimmtes Gese. Das führt mich dahin, daß ih sage: eigentlich sind alle die Anträge Resolutionen über einen Gegenstand, bezüglich dessen man im Ziel vollkommen einig ist, wo man aber nit in der Lage ist, volle Klarheit über die Materie zu haben und so die richtige Form zu finden. Erst muß man in allen Dingen die Thatsachen fennen und die gesammten Verhältnifse klar vor si haben; ehe man gesetgeberishe Formen konstruiert. Jch würde, wenn auh das hohe Haus dem Antrag von Heydebrand beiträte, doch die Sache so auf- faffen, daß damit das Haus sich nicht unbedingt festilegen will, fondern auch geneigt sein œürde, wenn die weiteren Verhandlungen mit den fkirchlichen Behörden uns auf einen anderen Weg führen, diesen andern Weg zu beschreiten, indem das Wesen der Sache, wie der Herr Abg. Haake ganz richtig gesagt hat, das ist, daß man der Noth der Geistlichkeit thatsählich abhilft. (Sehr rihtig!) Meine Herren, wenn Sie sih klar machen wollen, wel%che Schwierigkeiten in der Sache stecken, so brauchen Sie bloß zu denken an die Schwierig keiten, die sih bei der Dotation ergeben, die der Staat den einzelnen Schulgemeinden giebt, nah welhen Grundsäßen dort verfahren wird, wie wir vergeblich gesucht haben, feste Prinzipien zu finden, wie wir \chließlich alles dem Ermessen haben überlassen müssen, wie wir berausgezogen haben aus der Gesammtdotation die Alterszulagen und wie wir besondere Kassen fkonstruiert haben, was man vielleiht bei den Alterszulagen der Geistlihen auch wird thun müssen, welche Schwierigkeit besteht zwischen denjenigen Gemeinden, die hohe Pfründen besizen, die kaum Steuern erheben, zwishen folhen, die sehr wohl in der Lage sind, Steuern zu erheben, bis jeyt aber aus Gleihgültigkeit nicht erhoben haben, und denjenigen Gemeinden, die bobe Steuern auf fich genommen haben im Interesse ihrer Geistlichen.

Alle die Fragen werden große Schwierigkeit machen, und es wird eines großen Entgegenkommens aller Organe bedürfen, um da das Richtige zu finden, damit wir niht etwas Verkehrtes mahen. Daher bin ih auch noch nicht, obwohl ih verspreche, in eifrigfter Weise mit- zuwirken, unbedingt sicher, ob wir {hon im nächsten Landtage die Sade erledigen können. Ich hoffe es, aber mit Sicherheit kann ih das bei der großen Schwierigkeit der Sache niht sagen. Meine Herren, ih glaube, die Geiftlihen und diejenigen, die sich für ihre Lage interessieren, was wir wohl alle thun, ohne Kücksiht auf Partei- stellung und fonfessionelle Auffassung, werten aus den Berathungen

dieses hohen Hauses die Ueberzeugung und den sicheren Troft gewinnen, 3

daß auch ihnen wird geholfen werden. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Jrmer (kons.): Der Herr Finanz-Minifter daß keiner der Anträge angenommen werde. - Die Berathung s aber nicht ohne ein Ergebniß aReIC Wir verzihten um so weniger auf unseren En als er ein Programm wünschen auch, daß die kirchlihen Organe gehört werden. Es kommt uns darauf an, dur die Uebernahme des Antrags den kirchli Organen unsere Bereitwilligkeit zu erkennen zu geben, den kirhli Gesegen, die sie bes{ließen würden, unter gewissen Bedingungen die ftaatsge Sanktion zu geben. Ein Vergleich mit den An, gelegenheiten der Schule is hier niht zutreffend. Wir meinen daß die Organe der evangelishen Landeskirhe erfreut fein werden über unsere Auffaffung, weil sie der Autonomie der Kirche Rechnun ae Zenn die Synoden unserer Anschauung widerstreben würden, if es ja nit ausgeschlossen, daß wir zu einer anderen Auffassung kommen werden. Es ift ja sehr {ön, wenn man den Nothstand der Geistlichen beseitigt; aber ich habe viel zu viel Hochachtung vor unseren Geistlichen, als daß ih glauben könnte, sie könnten sih in ihrer Stimmung irgend einer politishen Partei gegen, über dur die Regelung ihrer materiellen Lage beeinflussen laffen, Das geschihtliche Verhältniß zwishen Staat und Kirhe wollen wir nit verändern; es handelt fih nicht um eine qualitative, sondern nur um eine quantitative Aenderung. Die Nationalliberalen wollen auf der shiefen Gbene, die SORLAR zu Staatsbeamten zu machen, immer weiter gehen. Jch bitte Sie, den Antrag von Heydebrand mit großer Mehrheit anzunehmen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

; Meine Herren! Damit keine Mißverftändnisse entstehen, möhte ih einige Aeußerungen des Herrn Vorredners berihtigen. Er \{eint zu glauben, daß ich tas Verhältniß des Staates zur Schule glei stelle dem Verhältniß des Staates zur Kirche. Mit nichten ; daß eine ftaatlihe Veranstaltung, wie die Schule, niht zu vergleichen if mit der evangelischen oder fatholisckien Kirhe, darüber kann ja gewiß kein Zweifel sein; wohl aber, ob die Kirhe die Dotation verwendet ihrerseits oder der Staat und ein direktes Verhältniß des Staates zu den einzelnen Gemeinden beibehalten wird. Die von mir berührte Schwierigkeit, die in der Thatsache liegt, daß eine lokale Last zum Theil getragen wird von den Steuerpflichtigen oder von dem vorhandenen Vermögen der Lokalität und zum Theil vom Staat, ist in beiden Fällen gleich, und infofern ift das Verhältniß allerdings analog in Beziehung auf die Dotation und die Beihilfen, die der Staat aus seiner allgemeinen Kasse den Schulgemeinden leiste, Wie die Sache sich gestalten wird, ob der Staat direkt oder die Kir eine Gesammtsumme verwendet zur Subventionierung der einzelna Kirchengem einden auf alle Schwierigkeiten, auf die wir bei den Schulgemeinden stoßen, wird man auch in dieser Frage stoßen —, darüber kann ja Zweifel sein, und Sie lösen dadur die Frage nicht, daß Sie der Kirche einen Fonds geben.

Ich habe mich wohl gehütet, den Antrag materiell zu bekämpfen; ih will und kann gar nicht zu dem Antrag materiell eine bestimmte Stellung nehmen; ih weiß gar nicht, wie \chließlich die Staats- regierung si stellen würde zu der Frage, diese Fonds der Kirche zur eigenen Verwaltung zu überlassen oder sie unter Mitwirkung des Staates zu verwenden. Das if mir vollkommen unbekannt. Ih sage nur, Sie präjudizieren der Sache allerdings in gewisser Weise, wenn der Antrag des Herrn Abg. von Heydebrand angenommen wird, so liegt darin doch von vornherein die Direktive, daß die Staatsbehörden den fkirchlihen Organen dem entsprechende Vorschläge machen sollen. Eine freie Besprechung der Art der Durch- führung der Besserstelung der Geistlichkeit wird dadur in gewisser Weise gelähmt. Kommen die kirchlihen Organe dahin, daß es im Interesse der Kirhe mehr liegt, das jeßige System ganz odec theil- weise beizubehalten, dann sfagen ja die Herren selber: Dann wollen wir uns überlegen, wie wir uns stellen wollen. Also eine definitive Stellung haben Sie doch auch noch nit in diefer Angelegenheit. Jch meine, es wird von keine Seite etwas verloren, wenn in dem gegenwärtigen Stadiur wo bestimmte Positionen noch "garni@t genommen werden könnt wegen der mangelhaften Kenntniß des vorliegenden Materials, w: wir noch garnicht wissen, in welhen Provinzen hauptsählich der Notb- stand besteht, wie hoh er ist, welhe Summe erforderlich ist, wie weit die Gemeinden mitkontribuieren können, wie weit die Pfründen der reih dotierten Pfarreien herangezogen werden sollen oder könnez, wenn da von einer speziellen Stellungnahme abgesehen wird. Man würde der Sache vielleiht mehr dienen, wenn man sich an dieser Diskussion und der konstatierten allgemeinen Uebereinstimmung ir Beziehung auf das Ziel zur Zeit genügen ließe.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Aus den Worten des Abg. Irmer klang der Vorwurf heraus, daß mein Freund Schmieding die Geistlichen 1 einer politishen Stellungnahme hätte bestimmen wollen. Ich lege gegen diesen Vorwurf entshieden Verwahrung ein. Herr Irmer schein! von einer rihtigen psyhologishen Beurtheilung meines Freunde Schmieding noch weit entfernt zu sein, sonst hätte er die Auffassung erhalten, daß Herr Shmieding gemeint hat, daß die Geistlichen mt! wirklihem Grfolge nur wirksam sein könnten, wenn sie von Nahrung? sorgen befreit sind. Das war also die Anerkennung der hohen, fozialen und seelsorgerishen Bedeutung der Geistlichen; Herr Schmieding hatt: aber keine politishen Absichten. Verkehrt ift auch die Auffassung, alt wollten wir den Wagen auf der shiefen Ebene noh weiterrollen lafser, die dahin führt, die Geistlichen zu Staatsbeamten zu machen. De Antrag des Abg. Schmieding würde aber an dem bisherigen Zustand? absolut nichts ändern, sondern nur die Besoldung der Geistlichen regeln. Es ist kein Mittel, das Staatskirchenthum zu stärken. Wenn Herr Irmer lediglich die Uebereinstimmung des Hauses und der Re- gierung feststellen will, fo hätte er nichts Besseres thun können, alé für den Antrag Schmieding zu stimmen ; denn dieser faßt in seiner Allgemeinheit das zusammen, was von der Regierung und allen Parteien festgestellt ist, daß nämlih eine Erhöhung der Bezüge der Geistlichen nota weg ift und der Staat mit seinen Mitteln dafür eintreten will, wenn die Kirche dazu niht im stande ist. Gegen einige Ausführunge? des Abg. Lückhoff muß ih Verwahrung einlegen. Die Beredsamkeit deé Abg. Schmidt-Warburg scheint auf den Abg. Lückhoff Einfluß ausgeütt zu haben und ihm die Ueberzeugung beigebracht zu haben, d der Staat seine Verpflichtungen gegen die Kirche nicht erfüllt. Die! Behauptung is absolut nicht substantiiert. Es kann ja zweifelha!: sein, wie weit eine rechtliche Verpflichtung geht, aber Pay der Staa: seine rechtlichen Verpflichtungen für die Kirche niht erfüllt, ift et Behauptung, gegen die ih entschieden protestieren muß. Eine Ab schaffung des Pfründensystems in der evangelischen Kirche if absols unmöglih. Was für einen Eindruck würde es mahen, wenn # hieße, diese Grundstücke, die seit Jahrhunderten zur Dotierung Pfarrer verwandt sind, sollen nicht mehr dem Pfarrer am D zufließen, sondern dem allgemeinen Fonds der Kirche! In gewifsez frassen Fällen geht man dazu über, aber im allgemeinen kann m2 das Pfründensystem nicht abschaffen. Wenn die Konservativen nur wünschen, daß die kirhlihen Organe gehört werden sollen, so das im Antrage von Heydebrand ganz anders zum Ausdruck gebr werden. Der Antrag von Heydebrand verlangt eine feste Sumæ

Damit shaden Sie aber den Geistlihen, wie has Beispiel Katholiken beweist, deren Wünsche durch die Bulle do 8818

deutet. Wir -

este Summe

find. Man kann dann sehr \{chwer neuen Bedúrfn L m. ‘Von einer staatlihen- Kontrole über die Verwendung der festen Summe is in dem Antrage nicht die Rede; auf diese Kontrole kann aber der Staat nit verzihten. Glaubt Herr

er, daß das Gesey in der General-Synode so zu Pun kommt, daß wir thm zustimmen können? Ich würde eine folhe Verant- wortung niht übernehmen. Wollen Sie den Geistlichen shnell helfen, vann müfsen Sie den Antrag Schmieding annehmen.

Abg. Kirsch (Zentr.) bemerkt, daß eine Erhöhung der Dotation f beide Lu o; utunse sehr wohl möglih sei, wenn jeßt eine estgelegt werde.

Abg. Schröder (Pole) erklärt, daß auh seine Freunde für den Antrag von Heydebrand timmen würden.

Die Diskussion wird geschlossen. Die Nummer a. des Antrages von Heydebrand wird mit großer Mehrheit, die Nummer þ. nur mit den Stimmen der Konservativen, des

entrums und der Polen, und mit derselben Mehrheit der Los im Ganzen angenommen.

Die Anträge Haacke und Hn werden abgelehnt.

Der Titel und das Kapitel werden bewilligt.

Beim Kapitel „Medizinalwesen“/ bedauert

Abg. von Werdeck (kons.), daß die Krankenanstalten nur auf die allopathishe Behandlung eingerihtet seien, worunter die Aus- bildung von Homöopathen leide. Die Homöopathie erwerbe fich immer mehr Geltung; namentlich das plaite Land könne ohne sie nicht auskommen. Aus Berlin liege bereits eine Petition um den Bau eines homöopathischen Krankenhauses vor. Er bitte die Lestternnige in den nächsten Etat Mittel dafür einzustellen. Ferner hätten die homöo- pathishen Aerzte den Wunsch einen Vertreter ihrer Richtung in der Mini- sterialinstanz zu erhalten. Den bomöopathischen Aerzten sei dur einen Erlaß des Ministers die eigene Verabfolgung von Arzneimitteln nur da gestattet, wo keine homöopathische Apotheke vorhanden ist ; die Homöo- pathen legten auf völlige Freiheit hierin den größten Werth. Irr- jhümer fönnten in den Apotheken um so mehr vorkommen, als die Apotheker nur allopathish ausgebildet seien. In Berlin sei es doch vorgekommen, daß ein ganz unsinniges Rezept auëgeführt worden, und bei einer Revision seien von 58 Rezepten nur 10 in brauhbarem Zustande gewesen. In einer Apotheke sei Estremadura verlangt worden, das es in der Medizin gar nicht gebe, sondern nur in der Strikgarnfabrikation, und es sei auch etwas dafür verabfolgt worden.

Ministerial-Direktor Dr. von Bart \ ch: Die Medizinalverwaltung steht den Homöopathen durchaus nicht unsympathish gegenüber, aber die Homöopathen haben sih niht immer den Gesegen gefügt, wie kürzlich der Fes gegen einen Homöopathen in Düsseldorf erwiesen hat. In Bezug auf das Selbstdispensieren der Rezepte ist seit Jahrzehnten gegen die geseßlihe Vorschrift verstoßen worden, daß dazu eine ministe- rielle Genehmigung erforderlich ist. Deshalb erging unser Erlaß, ih selbst habe den Mißbrauh aufgedeckt, aber der Minister wi den Homöopathen au das Selbstdispensieren gestatten, wo keine Apotheke vorhanden is. Der Erlaß ist lediglich im Interesse des arznei- bedürftigen Publikums erlassen. Die Errichtung eines homöopathischen Krankenhauses und die Einstellung eines Vertreters der Homöopathie im Ministerium müssen wir ablehnen. / i

Abg. Dr. E ckel s (nl.): Die Kurpfuscherei hat einen Ae an- enommen, der aller Beschreibung svottet. Der Schäfer Ast soll sich eut ein Rittergut gekauft haben. Erst behandelte er das Vieh, das angeblich durch Behexung erkrankt war, und dann ging er zur Kur von Menschen über und zog den Aermsten das Geld aus der Tasche. Es is wunderbar, daß noch nicht gegen Ast wegen Betrugs vorge- angen ist. Der verstorbene Glünicke in Berlin hat jährlich 30 000 A für Drucksachen ausgegeben und 250 000 ( eingenommen. Redner erinnert noch an eine Reihe anderer Kurpfuscher, darunter an einen in Darmstadt, der nur brieflih kurierte und hon drei Jahre im Zucht- haus gesessen hatte. Die Kurpfuscherei, führt er weiter aus, wird dur die erleihterten Verkehrsverhältnisse und die Zeitungsreklame be- günstigt. Ast soll sogar Agenten gehabt haben, und der Staat steht mit verschränkten Armen dabei. Der Gastwirth bedarf der Konzession, der Kurpfuscher ist frei. Wie konnte die Geseßgebung die Ausübung der Heilkunde frei geben? Daß das ein s{hwerer Fehler war, sehen jegt alle Aerzte ein. Die Wucherfreiheit is aufgehoben worden, die Freiheit der Heilkunde muß auch aufgehoben und bestimmt werden: Die Heilkunde is gegen Entgelt nur approbierten Aerzten gestattet. 3st durch die Reichsgeseßgebung nichts zu erreichen, so muß die Landes- gebgebung eingreifen. Die Medizinalverwaltung muß zunächst eine

tatistik über die Kurpfuscherei aufstellen und ganz energisch gegen sie d welche wir {on den

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vorgehen, auch dur eine Prohibitivsteuer, dur Wanderlagerschwindel beseitigt haben. E i

Ministerial-Direktor Dr. von Bartsch: Für die Kurpfuscherei haben wir feine Sympathie; es is dur sie hon großer Schaden gesehen. Wir sind aber seit Jahr und Tag damit beschäftigt, auf diesem Gebiet Wandel zu schaffen. Der Minister hat an seiner Seite einen Beirath von Männern ersten Ranges, nämlich die wissenschaft- lide Deputation des Medizinalwesens, und diese hat si eingehend damit beschäftigt. Wir haben erwogen, ob die Stellung der Aerzte in der Gewerbeordnung überhaupt noch haltbar ist, und die Deputation hat ih dafür ausgesprochen, daß die Aerzte aus der Gewerbeordnung herausgelöst werden müssen und die Kurpfuscherei verboten werden muß. Wir haben das gesammte Material darüber dem Reichskanzler übermittelt mit dem Ersuchen, mit uns in kommissarische Berathung über die Frage einzutreten. So lange das Reich sih nit entschieden hat, fann die Landesgeseßgebung niht vorgehen. Wir hoffen aber, daß von seiten des Reiches etwas wird geschehen können.

Abg. Dr. Kruse (nl.) is über diese me erfreut, erkennt ferner dankbar an, daß die Regierung einleitende Schritte für die Medizinalreform gethan und geeignete Grundsäße dafür aufgestellt hat, und fragt an, wie der Minister sih zu der Frage einer Abgabe der Medizinalabtheilung und der gerihtlihen Medizin von dem Kultus- Ministerium an das Ministerium des Innern stellt.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Schon im ersten Jahre, als ich Minister war und den Verhand- lungen hier beiwohnte, wurde an mih der Antrag gerichtet, dafür zu sorgen, daß die Medizinal-Angelegenheiten vom Unterrichts-Ministerium getrennt und an das Ministerium des Innern überwiesen würden. Jh habe mich damals diesem Antrage gegenüber sehr zweifelnd verhalten und darauf aufmerksam gemaht, in wie enger Verbindung die Medizinal-Angelegenheiten mit den Universitäten stehen. Das tritt sehr lebhaft hervor im Ministerium, namentlich in der wissenshaftlihen Deputation, diefer

. vornehmen Körperschaft, die einen ausshließlich wissenschaftlichen

Charakter hat. Auch font ergeben sih aus der Verbindung der Medizinal-Angelegenheiten mit dem Unterrichts-Ministerium manche Vortheile, die der Medizin zu gute kommen. Auf der anderen Seite muß ih aber anerkennen, daß im Laufe der Zeit ih do au dagegen mih niht habe verschließen können, daß in der That zwischen der Verwaltung des Innern, namentlich der Kommunalverwaltung, und zwischen allen sanitätspolizeilihen Maß- nahmen, die jeßt von mir getroffen werden, sehr enge Berührungs- punkte bestehen, daß diese sanitätspolizeilichen Sachen eigentlich viel mehr nah der Seite des Ministeriums des Innern gravitieren als nah unserer Seite hin. Und wenn man nun in Betracht zieht, daß das Kultus-Ministerium ganz zweifellos überlastet ist, so wird es begreiflich, daß ih allmählih zu der Meinung gekommen bin, daß, wenn von seiten der Landesvertretung und der wissenschaftlichen Berather, die mir zur Seite ftehen, der dringende Wuns gehegt werden sollte, die Medizinal-Angelegenheiten abzuzweigen, ih meinerseits persönlih da keine Hindernisse in den Weg legen würde. Vorläufig ist die Sathe

aber noch nit so weit. Meine Herren, gegenüber dem Drängen auf die Medizinalreform habe ich wiederholt auf die entgegenstehenden Schwierigkeiten hingewiesen, und ih glaube, daß jeyt die Ueberzeugung davon, wie {wer es ift, etwas Gedeihlihes auf dem Gebiete der Medizinalreform, was doch für viele Jahre hinaus maßgebend sein soll, zu stande zu bringen, mehr verbreitet ift als früher. Darüber aber kann gar fein Zweifel sein : die Medizinalreform, die Aenderungen in der Organisation der Verwaltung müssen im wesentlihen von der Behörde gemacht und geleitet werden, der die Me- dizinalverwaltung bis jezt unterstelt war und welcher auf diesem Gebiete die Erfahrungen auch über die Mängel, die in unserer jeßigen Organisation vorhanden sind, zur Seite stehen. Diese Behörde muß auch die Junitiative ergreifen, um die Verbefsse- rungen herbeizuführen. Ih habe nun, wie der Herr Abgeordnete eben gesagt hat, binsihtlih der Medizinalreform Fühlung gesfucht auch mit parlamentarischen, praktischen und wifsenshaftlißen Kreisen, um zu- nächst über einen Entwurf {lüssig zu werden. Eine Konferenz hat soeben stattgefunden. Jch bin außerordentlih dankbar für das Material, das dort beschaft worden is. Mein Herr Kollege Dr. von Bartsch hat diese Konferenz geleitet. Jh werde das Material prüfen und ih hoffe, Ihnen bis zur nächsten Session wirklich eine Vorlage machen zu können. Dabei wird si auch herausstellen, ob es nah Maßgabe der Organisation, die wir Ihnen vorschlagen werden, hier im Hause noch ferner Anklang finden und als wünschenswerth bezeihnet wird, die Medizinal-Angelegen- heiten an das Ministerium des Jnnern abzugeben. Das nimmt sie sehr gern. Das liegt auch sehr nahe: es sind wesentlich Polizei- Angelegenheiten ; und daß diese in eine Hand' gelegt werden, dagegen finde ih wenn ih von dem Interesse absehe, welhes die Unter- rihtsverwaltung an der Verbindung hat an und für sh nihts zu erwähnen.

I glaube nicht, daß die Hoffnung eintrifft, die der Herr Abg. Dr. Virchow hier im vorigen Jahre geäußert hat, daß die polizeilihe Macht, die im Ministerium des Innern konzentriert ist, für die Interessen der Medizinalverwaltung sehr viel günstiger wirken würde, als die Verbindung mit der Unterrichtsverwaltung. Ich glaube, das ist eine JUlusion; im Gegentheil, ich glaube, das Ansehen der Medizinalverwaltung steht si viel besser bei der Verbindung mit der Unterrichtsverwaltung. Aber es kann sein, daß die praktische Aus- übung namentlih nah der sanitätspolizeilihen, nah der hygienishen Seite hin das is ja jeßt weitaus die Hauptsahe praktischer, \chärfer, konkreter in Angriff genommen wird, wenn man die Sache im Ministerium des Innern bearbeitet.

So stehe ih zu der Sache. Jch werde persönli kein Hinderniß bieten. Im übrigen sind aber noch viele Instanzen zu überwinden. Es handelt sich um eine große Organisationsfrage. Die Frage, wo- hin die Medizinalverwaltung gehört, is eine Frage, die im Schoße der Regierung entschieden werden muß, und ih darf au nach dieser Seite hin dem Königlichen Staats-Ministerium absolut niht präjudizieren. Aber das kann ich allerdings sagen : ih persönlich werde kein Hinder- niß sein, weil ih anerkenne, eine Entlastung des“Kultus-Ministeriums wäre im hohen Grade wünschenswerth, und weil, soweit ih die Sache jeßt übersehe, ohne einen fertigen Entwurf der Medizinalreform vor Augen zu haben, ih mir sagen muß : es sprechen doch auch wichtige Gründe dafür, daß das Ministerium des Innern die Sache über- nimmt.

Warten wir also ab, ob es gelingt, bis zur nächsten Session einen Entwurf für die Medizinalreform zu stande zu bringen. Wenn der erst einmal beshlofsen und Gese ist, dann wird es ein Leichtes sein, wenn es sein muß, den trennenden Schnitt zwischen der Medizinal- verwaltung und der Unterrihtsverwaltung zu vollziehen. Vielleicht über- legen es sich auch noch die Herren hier inzwischen etwas näher, ob dieser Schnitt wirkli so heilsam wirken wird, wie es von vielen Seiten erwartet worden ift. (Bravo!)

Ministerial-Direktor Dr. von Bart \ch: Jn der Konferenz haben wir auch die Angelegenheit der gerihtlihen Dedizin einer Be- rathung unterzogen, es wird weiter die Frage erwogen werden, welhem Ressort sie zugetheilt werden soll. Die gers e Medizin ist bei uns allerdings noch zurückgeblieben, aber ih versichere, daß die Sorge auch dafür jeßt in den besten Händen ist.

Abg. Rick er t (fr. Vgg.): Ich wünschte, der Kultus-Minister hielte zäher daran fest, daß die Vedizinalabtheilung in Verbindung mit der Wissenschaft und beim Kultus-Ministerium bleibt. Zu polizeilichen Maßregeln wird auh diese Verwaltung die nöthige Kraft haben. In der Medizinal-Konferenz hat sih ergeben, daß eigentlih niemand das wollte, was das Haus in seiner Resolution beschlossen hat; nahdem der Minister sich bemüht hat, einen Vorschlag für die Umformung aller Medizinalorgane auszuarbeiten, wie das Haus gewünscht hat, ist nihts anderes übrig geblieben, als eine Reihe neuer Medizinal- Selbstverwaltungen. Wir sollten uns diese Erfahrung merken, wenn wir wieder MAolutionen fassen. bitte den Minister, die Grundzüge für die Medizinalreform zu veröffentlichen, damit alle Interessenten sich darüber äußern können. Wenn die Me- dizinalreform aber leisten soll, was sie leisten muß, da wird der Finanz-Minister auch Opfer bringen müssen.

Abg. Dr. Virchow erinnert an die Erfahrung, welche mit der Abzweigung der Veterinär-Angelegenheiten vom Kultus-Ministerium

emacht worden sei, und erklärt si für die Ea der Medizinal- Abtheilung. Die Unterstellung der Aerzte unter die Gewerbeordnung sei mit gutem Grunde erfolgt. Das Verbot der Ausübung der Heilkunde habe immer nur einen negativen Effekt erzielt, und die Prozesse gegen die Kurpfuscher hätten gar nihts genügt. Durch die Geseßgebung könne man die Kurpfuscherei nicht bekämpfen. Wenn die Menschen einmal dumm seien, so sei ihnen nicht zu helfen. Redner wendet \sich sodann in s{arfen Ausdrücken gegen die Fs athie, die aber auf der Tribüne nur sehr s{chwer verständlich nd. ie Homöopathie sei der gerade Gegensaß einer Methode, ein Unsinn; er würde bis zum leßten Athemzuge dagegen ankämpfen, daß sie besonders gelehrt werde. Eine Statistik über die Kurpfuscherei sei unmögli aufzustellen. So riesige Fortschritte, wie man meine, habe die Kurpfuscherei gar niht gemacht; im Gegentheil, sie sei vor 40 Jahren viel größer gewesen. Eine Grenze der Kurpfuscherei fei au {wer zu ziehen, wenn man z. B. an die verschiedenen Kinder- mehle und andere Dinge denke.

Abg. von Werdeck: Der Abg. Viräow sagt mit der ganzen Üdberbibinia, die ihm fo wohl ansteht: Die Homöopathie ist Unsinn. Wo ist denn die Methode in der Allopathie? Früher wurde Schar- lah mit Hie, jeßt mit Kälte behandelt. Der Aderlaß war früher ein nothwendiges Mittel der Allopathie, wurde dann verworfen, und jeßt neigt man ihm wieder zu. ch überlasse dem Herrn Virhow, wie er fich mit den Tausenden von homöopathishen Autoritäten in der ganzen Welt abfinden will. Redner bedauert, daß die bomöopathische Zentralapotheke in der Charlottenstraße geschlossen set. :

Ministerial-Direktor Dr. von Bartsch bemerkt, daß dies eschehen sei, weil den geseßlihen Anforderungen nicht genügt worden et. Die Sache werde augenblicklih geprüft, und eventuell werde die Apotheke wieder eröffnet werden. /

Abg. Dr. Virchow: Herr von Werdeck hat mit anerkennen®s- werther Sicherheit seine Ansichten über die Homöopathie geäußert. Wenn aber jemand, wie ih, fich länger als 50 Jahre mit diesem

Gegenftand beschäftigt mit allen Mitteln. der Wissenschaft, die ihm _. einigermaßen zur Verfügung stehen, und dabei verpflichtet ift, jährlich alles mit ter größten Sorgfalt dur{chzuarbeiten, weil er unter- richten , fo fann er wohl darüber urtheilen. Von Hercn von Werdeck vermuthe ih, daß er niemals das Material zur Hand gehabt hat. Jh überlasse es dem Urtheil des Hauses und der Welt, ob er mir folhe Vorwürfe machen kann.

Abg. von Werdeck bedauert, daß ihm der Ausdruck „Ueber- hebung“ ents{chlüpft sei, und nimmt ihn zurü.

Nach weiterer kurzer Debatte wird das Kapitel bewilligt.

Schluß 4 Uhr. Nächste Sißung Sonnabend 11 Uhr. (Rest des Etats; zweite Lesung der Vorlage wegen der Charité und des Botanischen Gartens; kleinere Vorlagen.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Genossenshaftswesen.

Nachdem es gelungen ift, durch Gründung der Rheinischen Genossenschaftsbank den in Genoffenschaften vereinigten Hand- werkern leiht und billig Kredit zu verschaffen, find auch die Be- strebungen auf Errihtung von Handwerker-Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenshaften von größerem Erfolge begleitet gewesen. In Köln sind bereits mehrere folher Genossenschaften ent- standen, und an anderen Orten des Regierungsbezirks sind solche in der Gründung begriffen.

Wohlfahrts-Einrichtungen.

Die Stadt Köln hat die Vornahme umfangreicher statistischer Erhebungen über Größe, Belegung und Preis der gegenwärtigen Arbeiterwohnräume Mon und die Absiht ausgesprochen, für die von ihr selbst angestellten Arbeiter geeignete Wohnungen her- zurihten. Die allgemeine Arbeitsnachweiseanstalt in Köln erfreut sich eines ständig wachsenden Zuspruches der Arbeitnehmer und Arbeitgeber; die Thätigkeit der Anstalt joll demnächst auch auf den Nachweis guter und billiger Arbeiterwohnungen ausgedehnt werden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Dänische Antillen.

Die für Herkünfte von der Insel Martinique wegen Gelbfiebers angeordnete Quarantäne if aufgehoben und durch eine S Ana erseßt worden. (Vergl. „R.-Anz." Nr. 58 vom

. März d. J.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 7. d. M. gestellt 12 802, niht rechtzeitig geftellt keine Wagen. i In Oberschlesien sind am 6. d. M. gestellt 4098, niht recht- ¡eitig gestellt keine Wagen.

: Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht I1 Berlin standen in den ein Tagen die nachbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung : Theilung halber, Bullenwiese 37 zu Schönerlinde belegen, der Karoline Henriette Schulße, später verehelihten Nickel, und Genofsen gehörig; Flähe und Nußungswerth nicht angegeben; mit dem Gebot von 315 #4 blieb der Mifitann (Banquier) Heymann Gumpert zu Berlin, Alexanderstraße 2, Meistbietender. At- podienstraße zu Lichtenberg belegen, dem Zimmermann Carl Richter zu Niederlehme bei Königs-Wuksterhausen gehörig; Fläche 7,72 a; mit dem. Gebot von 500 #4 blieb die Berlin-Lichten- berger Terrain-Aktiengesellsha ft zu Berlin, Wilhelmstraße 71, Meistbietende. Lehder straße 114, zu Neu-Weißen see belegen, dem Fuhrherrn Friedrich Ruppersberg zu Weißensee gehörig; Fläche 4,20 a; Nußungswerth 1425 A; mit dem Gebot von 36 701 M blieb der Möbelfabrikant Wilhelm Appelt zu Berlin, Reichenbergerstraße 107, Meistbietender. Florastraße 22, zu Stegliß, der Frau Kaufmann Karl Roeseler, Emma, geb. Pinnow, zu Schöneberg gehörig; Fläche 2,31 a; Nußungswerth 5000 A; mit dem Gebot von 68300 4 blieb Kaufmann

h. Bräunig zu Berlin, Brüderstraße 15, Meistbietender.

hausseestraße 98 zu Groß-Lichterfelde, der Wittwe Louise Schlüter, geb. Pannier, ebendaselbst gehörig; Flähe 24 a; Nuzungswerth 1119 4; mit dem Gebot von 23 952 X blieb der Stadtrath Max Weise zu Berlin, Kaßbachstr. 6, Meistbietender. Drakestraße, Ecke Stubenrauchstraße, zu Groß-Lichter- felde belegen; dem Architekten Paul Boswau zu Magdeburg gehörig; Fläche 6,39 a; Nußtungswerth 3200 4; mit dem Gebot von 49 800 A blieb der Restaurateur Wilhelm Borhmann zu Berlin, Neue Friedrichstraße 36, Meistbietender. Meßterstraße zu Neu- Weißensee belegen, dem Glasermeister Emil Diechmann zu Berlin gehörig; Flähe 5,12 a; mit dem Gebot von 2500 4 blieb die Aktiengesellschaft für Mittelwohnungen zu Berlin, Markgrafenstraße 21, Meistbietende. Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung wegen der nahbenannten Grund- stücke: Heyn straße 19 zu Pankow, dem Kaufmann Emil Heyn zu Pankow gehörig. E 24 zu Groß-Lichter- felde, dem Kaufmann Wilhelm Fleher zu Berlin gers, E Chaussee- und Augustastraßen-Ecke zu Groß-Lichterfelde belegen, dem Zimmermeister Eduard Siewert ebendaselbst gehörig.

Berlin, 7. Mai. (Bericht über Speisefette von Gebr. Gause.) Butter: Die Zufuhren bleiben infolge der ungünstigen Witterung noh immer klein, während der Konsum qut ist; daher konnten fich alle Einlieferungen s{lank zu unveränderten Preisen räumen. Auch frishe Landbutter ift _zugeführt und bleibt gefragt. Die heutigen Notierungen sind: Hof- und Genossen- schaftsbutter: Ia. Qualität 101 #, Ila. Qualität 98 A, ab- weichende Qualität 95 4; Landbutter: 78—90 A Schmalz: Größere Schweineantriebe drückten auch in dieser Woche auf die Preise, doch \chließt der Markt fester. Hier ist das Geschäft ruhig und die Käufer beshränken ih troy des billigen Preises auf den Be- darfökauf. Die heutigen Notierungen sind: Choice Western Steam 28 f, Hamburger *Stadtshmalz 30 #, amerikanishes Tafelshmalz 31 1, Berliner Bratenschmalz 32—34 M

Vom oberschlesischen Eisen- und Zinkmarkt be- richtet die „Schl. Ztg.*: In den Verhältnissen des Roheisen- marfktes hat si gegen die Vorwoche nihts geändert; die Nachfrage ist andauernd durhaus befriedigend. Auch auf dem Stabeisen- und Blehmarkt is eine nennenswerthe Veränderung nicht einge- treten. Die Marktlage kann als fest bezeihnet werden, wenn auch neue Abschlüsse in größerem Umfange in den leßten aht Tagen nicht zu stande kamen, da die Händler noh auf längere Zeit mit Waare auf Grund früherer Schlüsse versehen find. Die Spezifikationen gehen in befriedigender Weise ein, sodaß die Walzenstraßen mit vor- liegender Arbeit genügend versehen find und die Verladungen keine Verminderung erfahren haben. Aus dem Auslande, namentlich aus Nußland, sind den Werken weitere erheblidhe Arbeitsmengen zugeführt worden. Die Rohrwalzwerke, Konstruktionswerkstätten u. |. w. sind gut beschäftigt, der Marft für Bauträger liegt weiter fest und au die Stahlwerke sind reihlich mit Arbeit versehen. Die Eisengieße- reien für Maschinen- und Handelsguß fowie die Maschinenbau- Anstalten verdanken ihre andauernd gute Beschäftigung ebenfalls zum theil dem Auslande. Eine für den Export oberlesiiden Eisens [von wiederholt beantragte und auch vom Breslauer Bezirks-Eisen- ahnrath einstimmig befürwortete Tarifmaßnahme hat jeßt au die Zustimmung des Ministers der öffentlichen Arbeiten erhalten und ift am 1. d. M. in Kraft getreten; sle besteht darin, daß der Einheitssaßz

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