1898 / 72 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

T fat Bi ies Std E Eni, rft:

P S Ea R E TA ee Ra ENE

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Anhalt.

Der Landtag, welcher in seiner vorgestrigen Sizung die dritte Lesung des Etats beendet hatte, genehmigte gestern au das Etats:Geseß in zweiter und dritter Lesung und wurde sodann im Auftrage Seiner Hoheit des Herzogs durch den Staats-Minister von Koseriß geschlossen.

Elsaß-Lothriugen.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrih Leopold v'on Preußen besichtigte gestern, wie „W. T. B.“ aus Meßt meldet, die Veste Friedrih Karl und sodann die Kampf- stätten des 14. August 1870. Heute Vormittag wird Seine Königliche Hoheit nah Wiesbaden abreisen.

Oesterreich-Ungarn,

Die Erzherzogin Natalie, geboren am 12. Januar 1884, die vierte Tochter des Erzherzogs Friedrih und der Erzherzogin Zsabella, geborenen Prinzessin von Croy, ist gestern in Preßburg verschieden. j l

Das „Fremdenblatt“ erfährt, der Minister des Aus- wärtigen Graf Goluchows ki habe die Vertreter Oesterreich- Ungarns bei den Großmächten beauftragt, den Kabinetten mitzutheilen: die Regierung gedenke das auf Kreta be- findlihe Truppenkontingent bis zum 5. April d F abzuberufen. Von österreihish-ungarischen Schiffen würden in den fkretishen Gewässern nur die zu einem etwaigen Schutze des Konsulats und der österreichish-ungarischen Staats- angehörigen nothwendigen verbleiben. Das („Fremdenblatt“ bemerkt dazu: Diese Maßregel solle naturgemäß weder das Aus- scheiden Oesterreich:-Ungarns aus dem europäischen Konzert be- deuten, welches sih zur Eindämmung der orientalischen Wirren heilsam und nothwendig erwiesen habe, noch ein Abweichen von der Linie der Politik, welhe sih die Monarchie in der kreti- hen Frage von Anfang an vorgezeihnet gehabt habe. Da aber ein baldiges Einverständniß der Kabinette hinsichtlich der praktischen Aktivierung des neuen kretishen Statuts, speziell in der Gouverneurfrage, in welcher keiner der auf-

etauchten Vorschläge die Billigung aller Kabinette ge- Eben habe, ferner ein prompter Abschluß der Aktion, welher die Abberufung der österreichisch - ungarischen Truppen in nahe Aussicht stelle, bis heute nicht ab- zusehen sei, so erachte es Oesterreich - Ungarn, welches an den Detailfragen bezüglih der Pazifikation Kretas niht mehr interessiert sei, für angemessen, sih in dieser Hinsicht auf eine diplomatische Mitwirkung bei europäischen Beschlußfassungen zu beschränken und die materielle Kooperation seinerseits ab- zuschließen. i :

Im österreihishen Abgeordnetenhause brachte gestern der Abg. Freiherr von Dipauli (katholische Volks- partei) einen dringlihen Antrag ein, betreffend die Einseßung eines Ausschusses von 36 Mitgliedern zur Berathung über die Frage der Aufhebung der Sprachenverordnungen und zur Feststellung grundsäßliher Bestimmungen für die Regelung der Sprachenfrage auf dem - Wege der Gesehgebung. Das Haus ging sodann zur Tagesordnung über, auf welher die Wahl der beiden Vize - Präsidenten stand. Der Abg. Ferjancic (Südslave) wurde mit 177 von 901 abgegebenen Stimmen zum Ersten Vize-Präsidenten ge- wählt. Derselbe nahm die Wahl dankend an. Zum Zweiten Vize-Präsidenten wurde der Abg. Lupul (Numäne) gewählt. Darauf begann die Debatte über die das Regicrungsprogramm enthaltende Erklärung des Minister-Präsidenten Grafen Thun. Als erster Redner ergriff der Abg. Türk (Schönerer-Partei) das Wort. Derselbe führte aus, daß die Deutschen die Aufhebung der Sprachenverordnungen verlangten. Er sei mit dem Programm des Ministeriums, troß persönliher Hoch- ahtung für die Person des Minister-Präsidenten, unzufrieden. Von den Deutschen verlange man immer, sie sollten warten, wobei stets auf die Staatsnothwendigkeiten hingewiesen werde. Er finde die Worte von der Gerechtigkeit in der Rede des Grafen Thun nicht ausreihend. Sollte die Regierung daran gehen, ein czehishes Staatsreht zu oftroyiren, so werde die Nemesis kommen. Der Abg. von Jaworski (Pole) er- flärte, die Polen hielten an zwei Prinzipien fest: an der Wahrung der Jnteressen und des Ansehens der Monarchie und an der Entwickelung der Autonomie Galiziens. Die Polen seien daher eine Staatspartei par excellence. Sie wünschten sehnlichst die Milderung der nationalen Gegensäße, die Her- stellung geordneter parlamentarisher Verhältnisse und die An- erkennung der unbedingten Staatsnothwendigkeit des Ausgleiches mit Ungarn; sie würden daher alles thun, damit ein solher Aus- it auf konstitutionelem Wege zu stande komme. Die

ünsche der Polen deckten sih also mit dem Programm der Negierung. Der Abg. Malfatti (Ftaliener) führte aus, daß die Jtaliener der Regierung gegenüber eine Politik der freien Hand beobachten, deren Verhalten nur von dem Standpunkt der Rechte und Interessen ihrer Wähler beurtheilen, im Nothfalle aber die Opposition ergreifen würden. Der Abg. Engel (Jung- czehe) erklärte, der Standpunkt der Czehen sei aus ihrem Adreß-Entwurfe bekannt. Bezüglich der Sprachenfrage würden sie mit einem Antrag zur Regelung dieser Frage hervortreten, in welcher aber von der vertsGen Sprache als Staatssprache nichts stehen werde. Diesen undurhführbaren Ge- danken müßten die Deutschen aufgeben. Die Czechen ständen der gegenwärtigen Regierung weder als Feinde noch als Freunde gegenüber und wollten deren Thaten abwarten. Der Abg. Okuniewski (Ruthene) sagte, die Deutschen möchten sih der Minoritäten annehmen, dann würden e Völker haben, welche treu zu ihnen ständen. Redner ver- angte, Graf Thun möge die Thaten des Grafen Badeni in Galizien wieder gut machen, verurtheilte die gegenwärtige Ver- waltung in diesem Lande, forderte eine gerehte Verwaltung und sprach sih gegen jede Erweiterung der jeßigen Verwaltung Galiziens aus. Bievauf wurde die Debatte vertagt.

Im Abgeordnetenhause haben die Abgg. Berks und Genossen eine Interpellation eingebraht über die Rück- berufung des vor Kreta befindlihen österreichish-ungarischen o waders sowie des Jnfanterie-Bataillons, nachdem infolge

es die ehrenvolle Aufgabe der österreichischen macht als gelöst erscheine. Die Abgg. Hofmann und Genossen haben eine analoge Jnterpellation eingebraht. Die Abgg. Mayseder und Genossen interpellieren wegen der Vorgänge in Wilkesbarre (Penn- aer, bei denen 32 öôsterreichishe Grubenarbeiter ge- tödtet und 50 verwundet wurden. Die Abgg. Schneider und Genossen beantragen, die Regierung wolle eine inter- nationale Konferenz behufs Herabseßung der industriellen

riedenss{lusses zwishen der Türkei und Griechenland Wehr-

Arbeitszeit veranlassen und in den Staatsbetrieben die acht- stündige Arbeitszeit einführen.

Éin Communiqué der katholischen Volkspartei besagt : Der Klub der katholischen Volkspartei verbleibe einst- weilen, den ganz cxceptionellen Verhältnissen Rehnung tragend, im Verbande der He ge Majorität des Sauen, unter der Vorausseßung, daß ihm in nationalen und religiösen Fragen volle Aktionsfreiheit gewährt werde.

Wie die Wiener Blätter melden, haben die deutschen und die czech ischen Abgeordnen Böhmens das Kom- promiß, betreffend die Repartition der Delegations-Mandate, welches seit Jahren bestand, jedoch im vorigen Jahre scheiterte, erneuert. Die deutschen und die czehishen Abgeordneten Mährens haben in diesem Jahre zum ersten Male ein ähn- lihes Kompromiß abgeschlossen.

Das ungarische Unterhaus hat gestern die Debatte über das Finanzgeseß beendet. Der Minister - Präsident Baron Banffy nahm sodann das Wort, um den Angriffen der Opposition gegenüber darauf hinzuweisen, daß die Re- gierung ihrem Programm vollkommen treu geblieben sei. Die Ausgleichsvorlagen seien fertiggestellt und würden dem- nächst, jedenfalls noch im April, eingebraht werden. Nach der Erledigung dieser Fragen werde die Verwaltungsreform in Angriff genommen werden müssen, welche schon wegen der agrarsozialistishen Bewegung nothwendig sei. Der Minister- Präsident führte den Nachweis, daß es sih bei der leßteren eigentlih garniht um Sozialismus handle, und wies darauf hin, wie schwer es sei, Ordnung zu halten, wenn man das Ansehen . der Regierung konsequent schmälere. Nachdem er, auf einen Zwischenruf eingehend, die Behauptung, es seien drei Millionen Gulden zu Wahlzwecken verwandt worden, als eine falsche Jnsinuation und Verleumdung bezeichnet hatte, warnte er eindringlich vor den Folgen der von der Volkspartei ausgegebenen Schlagworte „Reaktion und Anti- semitismus“ und vertheidigte sih gegen den Vorwurf, daß er die nationale Politik vernachlässige. Die Rechte zollte leb- haften Beifall. Hierauf wurden die Mitglieder des Quoten- ausschusses gewählt.

Frankreich.

Die Armeekommission der Deputirtenkammer hat gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, einen Antrag an- aenommen, welcher die Regierung ermächtigt, im Falle einer überseeishen fkriegerischen Unternehmung alle französischen Schiffe, wo sie sich au befinden mögen, aufbieten zu dürfen. Gegenwärtig hat die Regierung nur das Recht des Aufgebots der in den heimishen Gewässern besindlihen Schiffe.

Jn Algier i} es gestern aus Anlaß der Ankunft des Bruders des antisemitishen Agitators Regis abermals zu Kundgebungen gekommen. Durch das Einschreiten des Militärs wurde die Ruhe wiederhergestellt; einige Verhaftungen wurden vorgenommen.

Jtalien.

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Berathung des Berichts der Kommission über die Crispi’sche Angelegenheit fort. Der Deputirte Franchetti (Zentrum) besürwortete, wie „W. T. B.“ berichtet, eine Tagesordnung, nah welcher die Akten über diese Angelegenheit den ordentlichen Gerichten überwiesen werden sollen. Der Deputirte Novasenda bean- tragte die Verweisung vor den Staatsgerichtshof. Der Deputirte Nas i (Rechte) stellte den Antrag, die Akten an den Obersten Gerichtshof zurückzuverweisen. Der Deputirte Palberti trat für den Kommissionsbericht ein und erklärte, die Anträge der Kommission seien von dem Gefühl für Recht unb Sittlichkeit eingegeben. Die Kommissionsmitglieder seien von dem Bewußtsein erfüllt, ihre Pfliht gethan zu haben. Der Deputirte Prinetti (Rechte) begründete im Namen von weiteren 31 Abgeordneten eine Tages- ordnung, worin die Anträge der Kommission gebilligt werden, zugleich aber erklärt wird, daß man damit einem Verfahren vor dem nah dem Geseß über gemeine Ver- gehen zuständigen Gericht niht präjudizieren wolle. Der Deputirte Carmine (Rechte) beantragte eine Tagesordnung, welche bcsagt, daß die Kammer von den Kommissionsanträgen Kenntniß nehme und zur Tagesordnung übergehe. Der Depu- tirte Carcano (Linke) brachte im Namen von 14 weiteren Ab- geordneten eine Tagesordnung ein, welche die Kommissionsanträge billigt. Der Justiz-Minister Gian turco schloß sich den Worten des Kommissionsberichts über die Kor1 ektheit des Verfahrens des Gerichts in Bologna an und erklärte, sein Amtsvorgänger Costa habe der Gerichtsbehörde keinerlei Entscheidung vor- geschrieben. Er werde sich, entsprehend dem Geiste der Ver- fassung, der Abstimmung enthalten, glaube jedoch nach einer Kassationsentscheidung, daß die Kammer zwar das Recht habe, die Sache vor das Oberste Gericht zu bringen, nicht aber das Recht, ein Verfahren vor dem gewöhnlichen Gericht zu veranlassen. Die Achtung vor der Freiheit des Richter- standes erfülle sein Herz völlig, und deshalb ersuche er die Kammer, sich nicht Befugniffe beizulegen, die ihr nicht zu- ständen. Eine lebhafte Debatte entstand nun über die Frage, welche Tagesordnung bei der Abstimmung den Vorrang haben solle. Man schritt hierauf zur namentlihen Abstimmung über die Tagesordnung Alessio, welche besagt, daß fich die Kammer, ‘in der Erwägung, daß die in dem Bericht der Kommission dargelegten Thatsachen den Charakter eines ge- wöhnlichen Vergehens hätten, dahin aussprehe, dem Ein- greifen der Gerichtsbehörde wegen der gegen Crispi er- hobenen Anklagen volle Freiheit zu gewähren. Diese Tagesordnung wurde mit 184 gegen 106 Stimmen bei 25 Stimmenthaltungen abgelehnt. Ebenso lehnte die Kammer auch die Tagesordnung Rovasenda, welhe Crispi vor den Staatsgerichtshof verweisen will, durch Aufstehen resp. Sißen- bleiben ab und nahm in namentlicher Abstimmung die Tages- ordnung Carcano mit 207 gegen 7 Stimmen bei 65 Stimment- haltungen an, welche besagt, daß das Haus von den Er- Tlärungen des Berichterstatters der Kommission und des Justiz- Ministers Akt nehme und die Anträge der Kommission billige.

Der Präsident der-Budget-Kommission verlas geliern in der Kommission den Bericht über das endgültige

udget des Jahres 1897/98. Aus dem Bericht geht Biinor:

daß troß aller ge Umstände des verflossenen Jahres

das Budget einen Uebershuß von zwei oder drei Millionen erzielen wird. Spanien. Im Ministerrath theilte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister-Präfident Sagasta eine Depeshe des General- Gouverneurs Blanco mit, in welcher es heißt : der Kapitän

der „Maine“ habe um die Erlaubniß gebeten, das Wrack mit

Dynamit sprengen zu dürfen; die Erlaubniß sei verweigert worden. Ueber den Bericht, betreffend den Unfall der

auf und ehrte zunächst das Andenken des

Maine“, werde strengstes Stillshweigen beobachtei , der Minister des Aeußern sei aber beauftragt worden, die Frage zu prüfen und die Rechte. Spaniens energish zu vertheidigen.

Türkei.

Eine Untersuhungs-Kommission unter dem Prä- sidium des Staatsraths Nazim Bey ist, dem „W. T. B.“ zufolge, vorgestern von Konstantinopel nah Voiïo ah- gegangen.

_ Vie das Wiener „Telegr.-Korresp.-Bureau“ berichtet, wird, nah dem in St. Petersburg getroffenen Abkommen, die . vereinbarte Abzahlung auf die Nückstände der Kriegs entshädigung seitens der Pforte mit Anweisungen auf die Provinzialkassen gedeckt werden.

Der Sultan hat die von dem bulgarischen Agenten Markow nachgesuhte Begnadigung von 19 wegen politischer Vergehen verurtheilten Bulgaren gewährt. Ausgeschlossen werden die wegen der Vorkommnisse in Uesküb Verurtheilten.

Amerika.

Wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, hat das Marine-Departement beschlossen, die noch in Havanna befind- lihen Marine-Offiziere zurückzuberufen und das Wrack der „Maine“ aufzugeben.

Afien.

Nach, einer Meldung der „Daily Mail“ aus Hongkong vom gestrigen Tage wird Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen, Höchstwelcher sih am vergangenen Dienstag nah Swatow begeben hatte, heute nah Hongkong zurückkehren. Am 29. d. M. gedenkt die britishe Gesellschaft von Hongkong dem Prinzen zu Ehren einen Ball zu geben.

Aus Peking wird dem „Reuter’shen Bureau“ ge- meldet, daß sich, angesichts der neuerlihen Forderungen Ruß- lands, im Tsung-li-Yamen eine starke Strömung dahin kundgegeben habe, der Aggression von Westen her bis zum Aeußersten entgegenzutreten, und bereits Truppenzusammen- ziehungen und Verstärkung der bedrohten Punkte angeordnet gewesen seien. Da zedoh, namentlih infolge des Wider- spruchs Li-Hung-Chang’'s, keine Einmüthigkeit habe erzielt werden können, fo sci beschlossen worden, im wesentlichen der russischen Forderung zuzustimmen, daß die Eisenbahn durch die Mandschurei die Spurweite der russishen Bahnen fowie An- {luß nach Port Arthur und Talienwan erhalte.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Rei chs- tages und des Hauses der Abgeordneten befinden nh in der Zweiten Beilage.

In der heutigen (69.) Sißung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der Staals- sekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. G.af von Posa- dowsky - Wehner, der Staatssckretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister von Bülow, der Staatssekretär des Reichs - Marineamts, Kontre - Admiral Tirpiß und der Staatssekretär des Reichs - Shaßzamts Pr. Freiherr von Thielmann beiwohnten, wurde zunächst, entsprehend dem schleunigen Antrage der Abgg. Auer (Soz.) und Genossen, die Einstellung des gegen den Abg. Schmidt-Frankfurt \{hwebenden Strafverfahrens beschlossen. Das Haus seßte dann die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be- treffend die deutsche Flotte, fort.

In der Debatte, über deren Verlauf morgen ausführlich berichtet werden wird, nahmen bis zum Schluß des Blattes das Wort der Staatssekretär des Reihs-Marineamts, Kontre- Admiral T irpit, der Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Dr. Freiherr von Thi elmann sowie die Abgg. Hilpert (b. k. F.), Richter (fr. Volksp.) und Dr. von Bennigsen (nl.).

Das Herrenhaus nahm beute seine Sißzungen wieder am 6. d. M. ver- storbenen Mitglicds Grafen Wilhelm zu Stolberg Wernigerode in der üblihen Weise.

Neuberufen sind Prinz Heinrih XXVITII. Reuß und Ludwig Riedesel Freiherr zu Eisenbach; der erstere ift bereits in das Haus cingetreten und wird vom Präsidenten Fürsten zu Wied als Mitglied begrüßt.

Auf der Tagesordnung steht die Petitionen.

Ueber die Petition der Stellenbesiger Großmann und Ge- nossen in Agnetendorf, die sih über Beschränkung der von ihnen an Gräflich Schaffgolsh’shen Waldungen in Anspruch genomme- nen Holz- und Streunußzungen beshweren, beantragt namens der Agrarkommission der Berichterstatter, Herr von Reiners- dorff zur Tagesordnung überzugehen, weil das Verlangen der Petenten ungeseßlich sei.

Das Haus beschließt ohne Debatte nah diesem Antrage

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten sezte in der heutigen (55.) Sißung, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen beiwohnte, die zweite Berathung des Etats der Eisenbahnverwaltung bei den dauernden Ausgaben fort.

Zu außerordentlihen Remunerationen für höhere und mittlere Beamten sind 712 000 #6 ausgeworfen.

Abg. Dr. Sattler (ul.) fragt, warum diese Remunerationen noch beibehalten worden seten. i

Regierungs-Rath N ie haus: Diese Remunerationen follen uur für ganz besondere Leistungen geroährt werden; sie sind gerade für die Höheren Eisenbahnbeamten am Plate. i

Für Unterhaltung und Ergänzung der Jnventarien sowie dee REGONRg der Betriebsmaterialien werden 70 256 000 gefordert.

Abg. Pleß (Zentr.) regt die Frage des Ersaßes des Petroleumsb durch andere Brennstoffe im Interesse der Landwirthschaft an.

Abg. Wallbrecht (nl.) beklagt die Mängel der Heizung uud Beleuchtung in den D-Zügen. Der Mangel an Speisewagen set bereits behoben. Jede einzelne Abtbeilung müsse Vorrichtungen zum Abstellen der Heizung haben. Die Fettgaébeleuhtung solle dur die eleftrishe Beleuchtung erseßt werden, die in England und im-Orient- Expreßzug ausgezeichnet gut funktioniere. ;

Geheimer Ober-Baurath Wichert: Speisewagen sollen ne in größerer Zahl eingestellt werden. Auch die Heizung ift verbessert worden, und sie soll noch weiter vervollklommnet werden. Die Be- leuchtung soll im Herbst bei den Schnellzügen dur eine Vermischun von Acetylen und Fettgas bewerkstelligt werden. Es wird dadur eine erhöhte Lichtstärke erreicht werden. Der elektrishen Beleuchtung wird dadurch nicht pcäjudiztert.

Abg. Wallbrecht weist darauf hin, daß die elektrische De- leuchtung au in Amerika gut funktioniere. Hätten wir noh Privat- bahnen, so würden wir wahrscheinlich längst diese Beleuchtung haben.

Berathung von

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die große Mehr- ahl der amerifanishen Eisenbahnen geht dazu über, die elektrische Beleuchtung über Bord zu werfen, die bei uns einen Kapitalaufwand yon 29 Milltonen Mark erfordern würde. Die Art der Beleuchtung {s gleichgültig, wenn sie nur zweckmäßig ift. Die jeßige Beleuchtung {s allerdings entweder zu hell oder zu dunkel, sie soll aber verbessert werden. Ohne die Einführung von elektrishen Motoren und Accu- mulatoren können wir zur eleftrishen Beleuchtung nicht übergehen.

Abg. Wallbreht: Warum macht man bei uns nicht wenigstens einen Versuch wie in anderen Staaten ? N E

bg. Baensch-Scmidtlein (fr. konf.) rügt die ungünstigen Nerhältnifse des Bahnhofes in Hirschberg und fragt an," ob ein Um- hau oder eine Verlegung dieses Bahnhofes beabsichtigt ift. Bei der seßten Wasserkatastrophe hätten sich die Eisenbahndämme zwischen Hirschberg und Straupiß, Friedeberg a. Queis und Löwenberg als MWasserstauer erwiesen. Es müsse für eine genügende Zahl von Ourchläfsen gesorgt werden. Das Betreten der Brücke bei Straupißz und der Geleise sei bestraft worden. Dies sei in solchen Zeiten doch sehr hart. Gr bitte den Minister, an dieser Brücke Laufstege für den Personenverkehr zu errichten und das Eisenbahnreglement in di esem Sinne zu mildern. | :

Ministerial - Direktor Schroeder: Das Betreten der Geleise war nit ganz ungefährlih, es hätte aber mit Rücksicht auf die Noth- lage eine Ausnahme gemacht werden müssen. Der Minister hat auch sofort eine Anordnung in diesem Sinne erlassen. An einem Steg hat es allerdings bis jeßt gefehlt. Die Verhältnisse des Hir)chberger Bahnhofs sind nicht so s{chlimm, wie der Vorredner sie darstellt, es wird aber bei dem fteigenden Verkehr mit der Zeit nihts Anderes ébrig bleiben, als den Bahnhof zu erweitern. j /

Abg. Hobrecht (nl.) erinnert an den Unfall auf dem Brieger Babnhof und die Verhandlungen mit dem Minister über die Be- seitigung des Nieveauüberganges in Brieg. Der Minister werde hließlich den Bahnhof verlegen müssen. Bei dieser Frage sei der anze preußische Staat betheiligt, da es sich um Nothwendiges handle. Fehle es an einer Behörde, die dieses Nothwendige erzwinge, |o müsse sie geschaffen werden Mißtrauen gegen die Eisenbahnverwaltung liege diesem Gedanken fern. Es liege aber im allgemeinen Interesse, verbesserte Cinrihtungen zur Durchführung zu bringen. In diesem Falle heine das Scheitern der Verhandlungen mit Brieg auf den Kosten- punkt zurückzuführen zu sein; um so nothwendiger sei die Errichtung einer Aufsichtsinstanz. In den Sekundärbahngeseßen müßten die Forderungen an die Kreise und Provinzen genau präzisiert werden. Bis zu einem gewissen Theile set dieser Forderung in dem neuen Sekundärbahngeseß hon Rechnung getragen worden. Schwieriger sei aber die Sach? bei den Niveauübergängen; hier müsse der Staat dur ein unparteiishes, unabhängiges Organ helfend eintreten, um die Streitigkeiten der einzelnen Interessenten zu &lichten.

Minifter der ôffentlicen Arbeiten Thielen: Das erste Projekt für den Umbau des Bahnhofs verlangte von der Stadt Brieg keinerlei Kosten. Die Stadt verwarf aber dieses Projekt, und es wurden neue aufgestellt unter der Bedingung, daß die Stadt zu den Mehrkosten beitrage Diese Forderung wurde niht nur abgelehnt, jondern die Grundbesißer verlangten ganz exorbitante Entschädigungen. Wir baben als ultima ratio eine 1heilweise Verlegung des Bahnhofs in Auésicht genommen. Wir hoffen aber, ohne Zwang mit der Stadt zu einer gütlihen Einigung zu gelangen. Cine Spruchbehörde wäre ja ganz gut, aber diese Instanz würde Expropriationen herbeis- führen, die in die Rechts\sphäre der Korporationen und der Einzelnen eingreifen würden. Eine Vereinfahung der Geschäfte würde diese Behörde für uns niht zur Folge haben; es müßte auch auf jeden Fall das Expropriationsgeseß geändert werden.

(Schluß des Blattes.)

Nr. 12 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge- sfundheitsamts“ vom 23. März hat folgenden Inhalt: Gesund- beitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Infektionskrankheiten im Reg.-Bez. Schwaben, 1896. Gesundheitszustand in Christiania, 1896. Desgl. in Hongkong. Gesetzgebung u. #. w. (Preußen. Berlin.) Heilgehilfen. (Reg.-Bez. Potsdam.) Schweinefeuchen. - (Reg.-Bez. Breslau.) Desgl, (Reg.-Bez. Oppeln ) Ansteckende Krankheiten. Desinfektoren. (Reg.-Bez. Düsseldorf.) Wohnungen.

(Hessen.) Butter, Käse, Schmalz 2c. (Kreis Offenbach) Volks- j

seuen. (Mecklenburg-Schwerin.) Maul- und Klauenseuche. Schweineseuhen. Schafräude. (Oldenburg.) Gemeingefährliche Krankheiten. (Anhalt.) Desgl. (Hamburg.) Hafen-Inspektor. Fleishkochanstalt. Fleishschau. (Oesierreih, Galizien 2c.) Krankenhävser.— (Steierma1fk.) Infektionskrankheiten. Todtenbeschau. (Troppau.) Schulärzte. (Schweden.) Rinder-Tuberkulose. (Britisch - Ostindien.) Ansteckende Krankheiten. (Queensland.) Kindershußz. Gang der Thierseuchen in Ungarn, 1896. Desgl. in Jtalien, 4. Vierteljahr 1897. Deêgl. in den Niederlanden. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutshes Reich, Preußen, Württemverg, Oesterreich.) Kongresse. (Frankreih.) Tuberkulose. Vermisthtes. (Bayern.) Tuberkulin - Impfungen, 18936 (England.) Gesundheitêwesen, 1896/97. (Norwegen, Christiania.) Chemische Untersuchungen, 1896. Geschenkliste. Weochentabelle über die Sterbefälle in deutshen Orten mit 40000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenh äusern deutswher Großstädte. Desgl. in deutshen Stadt- und Land bezirken. Witterung. Grundwasser- ftand und Bodenwärme in Berlin und München, Januar.

Kunft und Wissenschaft.

Die Ausstellung von Künstler-Lithographien im Kunstgewerbe-Museum. S

Oefterreih ift nur durch einen Künstler, E. Orlik aus Prag ver- treten, der ih seit kürzerer Zeit, vorzüglih auch dur feine und estvoll-ftilifierte Bücherzeichen bekannt gemacht hat. Unter den aus- tétellten Blättern dürfte der „Blick aus dem Atelier", ein weiter Blk über Hügel, einmal in grau, einmal in mehreren Farben gedrudckt, Aumerksamkeit erregen. Seine Büchertitel zeihnen \sich durch geshmadckvolle Komposition aus. Moderne SymLolik, ein moderner Realismus finden fich in seiner Kunst wieder und verrathen uns, daß wir einen Künstler vor uns haben, der sich noch setnen Weg sucht. Ein \{ônes Talent ist ihm mitgegeben. : i _Von Holländern, welche, wie der vorgenannte Künstler, die Wände des Mittelganges einnehmen, finden wir zwei vertceten : einen Porträtisten und einen Landschafts\childerer, Jan 'Veth und Storm van Gravesande. Jan Veth is dem Berliner Publikum kein Fremder mehr seit der leßten großen Kunstauéstellung, auf der er dur Bil- der, Zeichnungen und auch dur Lithographien reih vertreten war. orübergehen an dieser eigenartigen Persönlihkeit , ohne von ihr berührt zu werden, einerlei ob sympathish oder antipathis, dazu wird niemand im ftande sein. Eine eigenthümlih harte, man möhte sagen unliebenswürdige Art zu sehen if Jan Beth eigen: das Charakteristishe des Menschen herauszuheben, tief einzudringen, wie in das Wesentliche der Juseren Erscheinung, so in das Bezeichnende des Seelenlebens der enschen, die er darstellt, Er vereinigt also in sich zwei Eigenschaften, die man gewohnt ift, getrennt zu finden: er ist Forscher und Künstler zugleich, er zerlegt gleichsam anatomish und faßt künstlerisch zusammen. Ist es Zufall, ist es die Stammetverwandtschaft, daß man? eines seiner erte uns an den großen Ahrherrn niederländischer Kunst, an Jan van Eyck erinnert, an Werke, wie etwa „der Mann mit den Nelken“ unserer Galerie? Dieselbe rücksihtslose Beobachtung hier wie dort, die gerade auf ihr Ziel losgeht. Neu für uns is das Porträt Wilhelm Bode's, das im Laufe des leyten Winters entstanden .isstt und das durch die wunderbare Meodellierung

*) S. Nr. 65 d, Bl. vom 16, d, M,

Kunstwerk eine besonders hohe Stellung Storm van Gravesande, ein halber Lands- mann von uns er if in Wiesbaden ansässig —, hat wie in seinen Radierungen, fo in seinen Algraphien immer wieder das Meer und das Wasser mit seinem ewig-reizvollen Spiel zum Gegenftand genommen: wie es \sich donnernd briht an den Holz- pflôcken der Molen und weißlich zurücksinkt, nachdem es ih einen Augenblick hoh erhoben, wie es am Morgen lacht und die Sonnen- ftrahlen auffängt, wie es den Schiffékolofsen als Träger dient. Der Hamburger Séfen kehrt oft wieder in seinen Schilderungen, unter denen großartig-imposant das eine Blatt ift, auf dem mächtige Schiffe \{chwärzlih fi aus dem Wasser heben zur Abendstunde, wo Dunkel- heit nur noch die großen Hauptformen dem Auge erscheinen läßt.

Unter den Ausländern heishen die Franzosen sowohl durch die reie lithographishe Produktion, wie durch die hohe künsilerische Qualität derselben die ernsthafteste Betrachtung ; unter ihnen steht wieder Alexandre Lunois als der fruhtbarste und geshickteste Künstler an erster Stelle. Ueber drei große Wände erstreckt sich die Aus- stellung seiner Blätter, die doch nur einen Theil seines Schaffens vorführt. An technischer Geschicklichkeit kann sih niemand, au unter seinen Landsleuten, ihm vergleichen. Wirken seine einfahen Sdhwarz- Weis-Blätter {on Tuschzeihnungen gleich und erreihen so feine Wirkungen, daß man die Monochromität oft ganz vergißt, so lassen stch seine farbigen Lithographien jedem noch [so ausgezeihneten Aquarell an die Seite ftellen, ohne die Konkurrenz fürhten zu brauen. So leiht und flüssig handhabt er die lithographische Tusche, so sehr verbinden si die Farbennüancen miteinander und laufen in einander über, daß einem Techniker von solhem Rang nichts unerreihbar ersheinen mag. Für seine farbigen Darstellungen wählt er mit Vorliebe die Motive aus Spanien, wo kräftige Farbenwirkungen dem Auge si täglich darbieten ; die harakte- ristishsten Erscheinungen : die Stieraefehte und die Tänzerinnen, hat er wieder und wieder dargestellt. Jn all! ihrer grellen Buntheit dort unter dem Einfluß des Sonnenlichts, hier der künstlichen Be- leultung sehen wir diese Scenen vor uns, voll von Licht, Leben, Bewegung; eine sichere Hand fixiert die wesentlihe Er- scheinung und stimmt die Farben fünstlerish - fein zusammen. Das Brustbild einer Spanierin s{cheint uns die höchste Leistung zu bezeihnen. Wie ein folhes Farbenbild h zusammenseßt aus einer Neihe einzelner Farbentöne, für deren jede ein besonderer Stein er- forderlich ist, das wird durch die sechs Zustände des Blattes „Danaë" flar gemaht. In seinen Schilderungen des Lebens seiner Heimath, wo der Künstler wohl im Dämmerlicht die Kapelle aufsuht, auf deren Altar die Kerzen ungewisses Licht verbreiten, wo wir hingeführt werden vor das offene Grab und den Priester sehen, der das leßte Geleit giebt, wo der Schnitter auf dem Felde vor uns steht, der einen Augenblick rastet von heißer Arbeit in diesen und zahlreiden anderen Blättern finden wir stets dieselbe frische Beobachtung, die Sicherheit der Hand und das gleiche Feingefühl, das die Mittel ab- wägt und geschickt vertheilt. N /

Nu die modernste Richtung des Pleinairismus, wie er dur Claude Monet und seine Freunde gepflegt wird, findet in der Litho- araphie thren Auédruck. Ein Blatt von Signac „Aus Holland“ ist in der gleichen Art behandelt, in der jene Künstler zu malen pflegen. Fleck is neben Fl-ck geseht, aber in rihtiger Entfernung verbinden sich die Flecken zum Bilde. Der zitternde, flimmernde Glanz vollen Sonnenlichtes über dem Wasser is in der That wundervoll wieder- gegeben. Straßfenscenen und Strandbilder, wo mächtige Felsen s ins Meer hbinabsenken, hat Luce unter breiter Sonnenbeleuhtung etwas derb, aber effektvoll getroffen; die Buntheit selbft will auf die Dauer doch nicht so unnatürlich scheinen, wie vielleicht im ersten Augenblick.

Mehrere andere Künstler noch treten uns unter den Franzosen als festumrissene Individualitäten tnit einer größeren Zahl von S{övpfungen entgegen. Da ist Carrière, den man an der nebligen Atmo|phäre leiht erkennt, aus der Gespenstern gleich die Gestalten herausragen ; hat man sih aber mit seiner Manier auseinandergeseßt, so muß man die Kraft und Sicherheit seiner Modellierung, die Tiefe des Ausdru, die er den von ihm Porträtierten darunter find Henri Nochefort, E. de Goncourt, Rodin abgewinnt, bewundern. Auch tehnisch sind seine Arbeiten, Schabkunstblätter, höchst beachtens- werth. Fantin-Latour weiß in Schwarz und Weiß dieselbe fein abge- stimmte Farbigkeit, die man an feinen Gemälden kennt, zu erreichen ; durch Wechsel der beiden Töne bringt er eine erstaunliche, zitternde Lebhaftigkeit hinein. Es if Stimmung in diesen Blättern; wie leise hallende Musik berührt es uns, und wir wundern uns nicht, zu erfahren, daß Brahms? und Wagner’'s Schöpfungen den Meister inspiriert haben. Moreau-Nélaton erzählt bekannte Geschihten aus Heiligenlegenden in etwas zu primitiver Form, doch - nicht ohne Geschick, aufs neue; ein modernes Thema, zwei fromme Schwestern, scheint uns durch tiefe Empfindung vor jenen andern Darstellungen fich auszuzeihnen. / :

Untec den Landschaften ragen die groß-gesehenen Blätter von Dulac hervor; verschiedene Stimmungen des Tages, einfach und an- \prehend wiedergegeben, erwecken sofort im Beschauer lebhaften Widerhall. Als Porträts werden Helleu's drei grazióse Studien, die genaue Bekanntschaft mit Waiteau's köstlichen Kreidezeichnungen ver- rathen, ferner das Porträt einer Dame, halb vom Nüden gesehen, in einem Empiresessel, von Gandara, und das pikante weibliche Porträt des in London lebenden Will Rothenstein Aufmerksamkeit erregen.

Die modernen künstlerischen Befirebungen treten bervor in den geistvoll andeutenden Augenblicksbildern von Edouard Manet: das „Wettrennen* mit den zahlreihen Equipagen zur Seite der Rennbahn \cildert unübertrefflih all’ das Hinreißende der Leidenschaft eines Augenblicks. Renoir in einem Kinderporträt, Pissarro mit einer Skizze, find ebenso pikante Lithographen wie Maler; Vinet's entzüdend lichte Arbeiten erinnern an die geistvollen Radierungen von Zorn; Besnard giebt hier den vollen Zauber des Sonnenlichtes, das durch das Grün des Laubes seinen Weg sucht, wieder („badende Frauen“); dort, wo wir die Familie beim Lampenlicht versammelt um den Tisch sehen, gelingen thm Halbtöne der Dämmerung, die an Rembrandt'’sche Nadierungen erinnern. Lepòre skizziert geistvoll Pariser Straßenbilder, und Raffaëli zcihnet ein Augenblicksbild und trifft das Flüchtige des momentanen Gindrucks wunderbar treu.

Waren auch, wie bemerkt, Plakate prinzipell von der Ausstellung ausgeschlossen, so wurden doch kleinere Arbeiten der berühmtesten Plakat- fünftler, die zum theil auch praktishen Zwecken (als Umschläge für Noten, Menus u. dgl. over als Theaterzettel) dienen, mit aufgenommen. Solchen Werken von Steinlen, Chöret, Willette wird man um ihres graziôsen Reizes willen gerecht werden, und auch den Programmen von JIbels oft die belustigend- derbe Wirkung nicht absprechen können. Toulouse-Lautrec neigt zu leiht zur karikaturenhaften Verzerrung der menshlihen Geftalt, aber gelegentlich verräth er doch eine folche absolute Herrschaft über tehnishe Dinge, daß ihm darum mancherlei verziehen sein mag (3. B. „das Wäschermädchen“, eine wundervolle Studte).

Die englishe Abtbeilung ift klein, aber gewählt. Shannon ift durch zahlreiche Kreidestudien vertreten: wundervolle Porträts, wie sein „A. Legros*, phantastishe Werke, deren farbiger Reichthum an die beste venczianishe Kunst gemahnt, märchenhafte Bilder im Stil des Präraphaelitismus, an denen aber zumeist die herrliche Zeichnung mit dem dunkeln Jnhalt versöhnt. Whistler, der geistvollste der lebenden Künstler, zeichnet feingliedrige Mädchengestalten mit jenem unsag- baren Reiz, der ihm eigen ift; in einem „Nocturne“, Motiv von der Themse, das so farbig reich wirkt und fo einfach gemacht ift, findet man den eigenartigen Zauber wieder, den man empfunden hat, wenn Abends am Themsestrand die Nebel auffteigen, die Häufermassen um- spielen und alles Detail untergehen lafsen in großen Formen.

Einen Ueberblick gewähren über das lithographische Schaffen der Gegenwart, das foll diese Ausstellung; fie soll zugleih anregend wien auf unfer Publikum, daß es sih davon überzeuge, welch reichen fünstlerishen Schaß uns die Lithographie zu bieten E Gute künstlerische Originalarbeiten werden hier geboten, zum theil beftimmt, in feiner und geschmackvoller Weise unsere Wände zu s{hmüdckden, oder auch in die Mappen der Sammler zu wandern, um zur reten Stunde

des ; Kopfes als beanspruht.

berausgeholt und ‘betrachtet zu werden. Wie eine Wahrheit, die einmal gefunden worden ift, nicht verloren gehen kann, mag fie au noch so lange Zeit nur von Wenigen erfaßt werden, fo geht au eine fünstlerishe Anregung niemals vorüber, ohne ihre Spur zu hiuter- lassen: sie wird und muß immer größere Kreise sih erobern. G. Gr.

Die Kollektiv-Ausfstell ung seiner Werke, welche der nord- \{leswigshe Maler Theodor Johannsen in den Räumen seines Ateliers (Steglizerstraße 45/46) am 15. d. M. eröffnete, verdient sowohl wegen der Mannigfaltigkeit, als auch wegen der künsileriscen Eigenschaften der zur Schau gestellten Gemälde die Aufmerksamkeit ver Kunftfreunde. Was zunächst auffällt, ist die Vielseitigkeit der Begabung des jungen Künstlers: die Landschaft und das Porirät find in seiner Aus- stellung ebenso vertreten wie die Motive eigener Komposition, in denen Form und Farbe unmittelbar an das - Empfinden des Beschauers appellieren. Um mit den lehteren anzufangen, o zieht den den Haupt- raum Betretenden cin größeres, „Leid“ betiteltes Bild an, welches eine unbekleidete weibliche Figur inmitten einer in großen Zügen ge- malten, erhabene, aber düstere Ruhe athmenden Landschaft darstellt. In der Haltung des Weibes, in der Herau?arbeitung der Farben-

egensäße und der dänimerigen, nur die höchsten Wipfel eines

Pian Waldkompleres vergoldenden abendlithen Beleuchtung liegt eine gewisse Symbolik, deren Verständniß sich aber nit aus den nüchternen Faktoren der Reflexion, sondern vielmehr aus dem Gefühl ergiebt, das dem Beschauer unmittelbar suggeriert wird. Dieses Bild kann man als typisch für eine ganze Neihe anderer Schöpfungen Johannsen's bezeichnen , welhe offenbar aus derselben Aufsafsung heraus entstanden find. Hierher gehören die Gemälde „Sehnsucht“, „Abend“, „Verlorenes Paradies“, „Abendsonne*", welhe mit ihren stillen, theils s{chattigen, theils von der Abendsonne beleuchteten Baumgruppen, der unergründlih \{heinenden Tiefe ihrer Ge- wässer und ihren mit dem Charakter der Landschaft in Ein- flang gebrachten Figuren alle mehr oder minder die gleiche Grundstimmung aufweisen. Dieses Erfassen landschaftlihßer Schön- beiten in großen Zügen, unter Hintanseßzung der nebensächlichen Details, dokumentiert sh auch in den vor der Natur fertig gemalten Bildern und \priht aus der großen Reihe der ausgeltellten landschaft- lichen Studien; namentlih muthen die Motive aus der wald- und wafserreihen Heimath des Künstlers und von threr Meeresküfte dur die Frische ihrer Farben und eine ungekünstelte Naturauffafsung an. Die Bildnißmalerei ist dur vier Stücke vertreten, unter denen zwet Damen- porträts in Lebenögröße zunächst durch ihre Eigenart fesseln. Das eine von diesen zeigt eine anmuthige Blondine, deren leuhtender Kopf mit den sprehenden Augen sh von dem hellen Blau des Kleides und dem dunkleren, fein abgetönten Blau des Hintergrundes faft plastisch abhebt. Das andere Porträt ist dagegen im wesent- lichen auf Grün abgestimmt, zu welhem der einfahe, dunkel-violette Hintergrund in wohlthuendem Gegensay teht. Von eigen- artiger Wirkung erweist sch bei beiden Bildnissen der Ge- danke, die Rahmen - der Hauptfarve der Bilder anzupafsen, sodaß sie, zu einem Bestandtheil des Ganzen geworden, die beabsichtigte künstlerishe Wirkung erhöhen helfen. Von den beiden weiteren Porträts ist dem Bildniß einer älteren Dame, welches energisch in der Zeichnung, charafkteristisch im Ausdru und namentlich in der subtilen, durchsichtigen Behandlung des Fleishtons überaus gelungen ersheint, vor dem „Selbstbildniß“ des Malers der Vorzug zu geben. Sqließlih is noch zu erwähnen, daß dem jungen Künstler ein besonders stark autgeprägter Sinn für das Dekorative eigen ist. Das erhellt nit allein aus dem Figuren- und Ornamentreichthum der zahlreichen Skizzen und Entwürfe, welche die Wände des einen der drei Räume zieren, sondern vor allem aus einem fein ftilisierten, tm wesentlichen in rornehmem blaugrünem Ton gehaltenen gemalten Gobelin, der, an die Worte der erwachenden Brünnhilde „Heil Dir, Sonne, Heil Dir Licht, Heil Dir leuhtender Tag!“ anknüpfend, einen Hymnus an Licht und Liebe darstellt.

Zu den Perlen der deutschen Renaifsance-Architektur gehört be- fanntlih das am Egydienberg zu Nürnberg gelegene „Peller- haus.“ Die reich und prähhtig durhgebildete Façade, der malerische Hof, rote die großentheils noch aus der Entstehungszeit erhaltene íInnendekoration machen diesen Patrizierwohnsig zu einem der hervor- ragendsten Beispiele eines vorrehmen deutshen Bürgerhauses. Ein alückliher Zufall hat es gewollt, daß nicht nur ein großer Theil von Plänen und Skizzen für die Straßen- und Hoffaçade, sondern auch für die innere Ausftattung, für die Bertäfelungen, Decken, Thüren, dann die Prunkmöbel, wie Bettstellen, Schränke und Tische, wie sie im Einklang mit dem Zeit- geshmack für die Ausstattung bestimmt waren, bis heute durch alle Generationen im Hause selbft erhalten blieb. Der jeßige Besitzer des

ellerhauses, Hofmöbelfabrikant Georg Eysser, hat nun, wie aus Nürnberg berichtet wird, diese kostbare, in ihrer Art wohl einzig da- stehende Sammlung von nahe an hundert Handzeihnungen dem dortigen Germanischen National-Museum gewidmet, wo sie einen werthvollen Bestandtheil der Sammlung von Blättern für bürgerliche Baukunst früherer Zeiten bilden wird. Für die Façade, bezw. zum Theil au den Hof, liegen niht weniger als aht Entwürfe vor, die, freilih vershieden gewerthet, in ihrer künstlerishen Bedeutung von dem l[öblihen Ehrgeiz des Erbauers Kunde geben, die beste Lösung der Aufgabe als Shmuckstück für seine Vaterstadt zur Ausfüßrung zu bringen. Aus einem der Blätter lernt man zudem den Namen eines bis jeßt völlig unbekannten Baumeisters der Zeit, Jakob Zösch, fennen. Von höhstem Interesse sind auch die Entwürfe für die Holzarbeiten, die auf die gedanklihe und formale Fruchtbarkeit der damaligen Blüthezeit des Kunstgewerbes ein glänzendes Licht werfen. Einer Reihe verschiedener Hände angehörig, die zum theil augenschein- lich den Hobel doch noh mehr als die Reißfeder zu führen gewohnt waren, geben die Blätter Zeugniß von dem tiefen, auf genauer Kenntniß des Materials beruhenden Verständniß, das den damaligen Handwerker befeelte und ihn ohne weitere künstlerishe Vorausseßungen do zum wahren Künstler in seinem Fache erhob.

Der „Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geiftiger Getränke“ (Vorsitzender: Ober-Bürgermeister G. Struckmann iu Hildesheim) schreibt einen Wettbewerb um Entwürfe für Trinkbrunnen aus. Gemeint sind Wafsertrinkstelen mit Trink- geräth in Verbindung mit Wasserleitungen oder Quellen; sie können freistehend gedacht sein oder angebraht an Mauern, z. B. von Kirchen, oder an Laternen oder Anschlagsäulen, oder cingebaut im Innern öffent- licher Gebäude, oder an Abhängen 2c. Die Wahl des Materials und der Stilart ist freigegeben, au bleibt es den Bewerbern überlaffen, ob sie für fünstlerishe Einzelausführung odér gewerbliche Massenherstellung entwerfen wollen; Bedingung if jedoch, daß der Preis des Brunnens obne die Aufftellungskosten sich zwishen 20 und 300 4 bewege. Als Maßstab der Zeihnung wird mindestens 1 : 5 vorgeschrieben; das

ewählte Material und eine Kostenshäßung ift auf den Blättern zu Peaceröak, Die Zeichnungen haben ein Kennwort zu tragen; in einem mit dem gleichen Kennwort versehenen Briefumschlag ift die Adrefse des Bewerbers anzugeben. Der Verein verwendet 300 M zur Prämiierung der drei oder vier besten Entwürfe, behält si (Bes vor, weitere Entwürfe anzukaufen. Die preisgekrönten Arbeiten gehen in das volle Eigenthum des Vereins über, aber au für die übrigen Einsendungen bleibt ihm das Vervielfältigungsrecht vor- behalten. Das Preisrihteramt haben übernommen die Herren : Amtsrichter Dr. Esche in Dresden, Pandelskammer-Sekret L De Gensel in Leipzig, Architekt Gräbner in Dresden, Stadt-Baurath Klette in Dresden, Bürgermeister Leupold in “Dresden, Dr. Paul Schumann in Dresden und Geheimer Baurath Professor Wallot in Dresden. Die Zeichnungen sind bis zum 15. Juni 1898 an den. Geschäftsführer des Vereins, Dr. W. Bode in Hildesheim, ein- zusenden. Die Preisvertheilung erfolgt bis zum 15. Juli 1898; das Ergebniß wird außer in den „Mäßigkeits-Blättern“ im „Kunftwart*, in der „Deutschen Bauzeitung“ und in der Dekorativen Kunst" be- kannt gegeben werden. Die Zeichnungen bleiben bis Gnde des Jahres zur Verfügung des Vereins, da die Absicht besteht, sie in Dresden,

Berlin, München, Heidelberg, Hildesheim 2c. auszustellen.