1898 / 101 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Apr 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minisier Dr. von Miquel:

Fch möchte als Finanz-Minister doch auch ein Wort zu der Sache sagen. (Heiterkeit.) Wir haben diese Anftalt lediglich als Versuchs- anstalt für die zweckmäßigste Einrihtung des Kornhauses betrachtet und als folhe bewilligt, Wenn das Kornhaus den Hauptz;weck gehabt hätte, zu dienen für die nächstbetheiligten Grundbesißer, fo würden wir dieselben Bedingungen gestellt haben, wie wir sie im übrigen für alle Kornhäuser in der ganzen Monarchie gestellt haben. Wenn die Benußung dur die Landwirthschaftskammern oder durch die Landwirthe in der Nähe von Berlin \ich mit diesen Zwecken des Kornhauses, für welche die ftaatlihéen Mittel hergegeben sind, verträgt, so haben wir nihts dagegen zu erinnern. Aber irgend ein besonderes Recht auf Benußung dieses Kornhauses hat durch die Bewilligung von ftaatliden Mitteln nit gegeben werden sollen.

Beim Etat der Bauverwaltung macht

Graf von Hutten-Czapski auf die Verzögerung des Baues des neuen Abgeordnetenhauses aufmerksam und befürdbtet, daß ih dadurch au der Bau des neuen Hrrrenhauses verzögern werde. Im Abgeordnetenhause sei die Größe der projektierten Dienstwohnung für den Chef des Geheimen Zivilkabinets bemängelt worden, weil diese Wohnung nicht den Gehaltsverhältnifsen des Chefs entspreche. Gr würde nit daraus den Schluß 2¿chen, daß die Wohnung zu groß, sondern daß das Gehalt zu klein sei. Für den Bau der Dienst- wohnung des Handels-Ministers müsse möglihst bald ein Bauplaß erworben werden. Ferner müfse auch der Präsident des Seechandlungs- Jyftituts eine Dienstwohnung erhalten.

Vize-Präsident des Staats-Minifteriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Herr Graf von Hutten-Czapski hat ja der Staatsregierung sehr viel Wohlwollen und sehr viel Geldausgaben entgegengebraht, und ih bin ihm dafür dankbar (Heiterkeit), umso- mehr, als die Vorschläge, die er. macht, in dieser Beziehung vollständig mit den Ansichten der Staatsregierung übereinstimmen. Es is von jeher die Ueberzeugung des Staats-Ministeriums gewesen, daß der Herr Handels-Minister eine eigene feste Dienftwohnung haben muß, und daß auf die Dauer der Zustand nicht aufrecht erhalten werden kann, daß ein preußisher Minister in einer Miethswohnung seine Zelte aufs{chlägt. Wir gehen aber noch weiter. Wir sind der Meinung, daß es dringend erwünscht ift, daß die Dienstwohnung des Ministers in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Geschäfts- gebäude des Ministeriums steht. Jh brauhe das niht weiter aut- einanderzuseßen. Ich bin überzeugt, daß das hohe Haus diese Anficht theilen wird. Nun find seit längerer Zeit verschiedene Projekte erwogen, wie das zu ermöglichen sei. Man hat die Idee gehabt, in dem Garten, der jetzt hinter dem Dienst-Ministerialgebäude des Handels-Ministeriums liegt, eine solche Dienstwohnung herzustellen. Das hat sih aber als ungangbar erwiesen aus vershiedenen Gründen, die ich hier nicht

. näher erörtern will, und man is daher auf den Plan gekommen, das jeßige Staats - Ministerium, welches in unmittelbarer Nachbarschaft liegt, mit dem Ministerial-Geschäftsgebäude des Handels-Ministeriums, für die Dienftwohnung des Herrn Handels - Ministers einzurichten, Da entsteht aber eine große Schwierigkeit: Wohin soll nun das Staats-Ministerium wandern? Meine Herren, diese Frage ist jeßt für die Staatsregierung, vorbehaltlich der zukünftigen Zu- stimmung des Landtages, gelöst, aber ih möchte gegen- wärtig noch niht näher darauf eingehen. Wir sind aber sicher, daß wir in dieser Beziehung nunmehr Wandel schaffen können. Dem hohen Hause wird nach dieser Richtung hin im nächsten Jahre eine Vorlage gemacht werden, und ih glaube, wir werden diese Frage in einer zweckmäßigen Weise erledigen können.

Was die Verlegung der Bibliothek betrifft, so {weben auch in dieser Beziehung Erörterungen. Die Ansichten, wohin die Bibliothek aus der jeßigen Lokalität zu verlegen ift, sind aber noch schr ver- schieden, sowohl unter den Tehnikern wie unter den Gelehrten, und ih glaube, es ift nicht rathsam, in eine solhe unreife Frage jeßt tiefer einzugehen. Allerdings können wir kaum bestreiten, daß aufdie Dauer eine Verlegung der Königlichen Bibliothek nothwendig werden wird. Das bängt aber mit fo vielen anderen Kombinationen in Bezug auf die Nerwendung von ftaatlihen Grundstücken und Gebäuden zusammen, daß es nit angezeigt sein dürfte, {hon jeßt die Einzelheiten zu erörtern.

Was endlich die Dienstwohnung des Präsidenten der Staats- \huldenkommission betrifft, fo ist diese Frage auch in Behandlung. Die Möglichkeit, eine solhe Dienstwohnung in unmittelbarer Nähe des Gebäudes der Staatss{uldenkommission jeßt herzustellen, ift gegeben auf dem Wege, den der Herr Berichterstatter bereits angezeigt hat. Die Frage is aber noch ‘nicht entschieden; fie s{chwebt noch. Ich glaube aber, \{chlicßlich wird sie im Sinne des Berichterstatters zur Entscheidung kommen,

Bei dem Etat der Münzverwaltung kommt

Graf von Mirbach auf die leßte Rede des Präsidenten des Reichsbank-Direktoriums Dr. Koh im Herrenhause bei der Berathung des Gesetzes über die Zentralgenofsenschaftékasse zurück und führt aus: Herr Reichsbank-Präsident Dr. Koch hat anerkannt, daß ein ftabiler, niedriger Diskontsaß von großer Bedeutung und ein erstrebenéwerthes Ziel der Reichsbank sei. Ich acceptiere das vollklommen. Der Diskontsay der Reichsbank ist aber jeßt wieder bis auf 49/6 gestiegen, während er in Frankreih dauernd nur 2 9/o beträgt. So lange unser Baarvorrath fo gering iff wie jeßt, kann unsere Bank nicht .den niedrigen ODiskontsay halten. Die Bank von E hat das Recht zur unbeschränkten und unbesteuerten

otenemission bis zum Betrage vcn so und so vielen Milliarden. Bei uns i} das Notenprivileg ganz außerordentlich durch die Notensteuer vinkuliert. Ohne eine Erleichterung hierin wird es der Reichsbank unmöglich sein, den Diskont niedrig zu halten, und vor allem wird es ihr {wer fallen, einen solchen Baarvorrath zu halten, wie die Vank von Frankreih. Der Reichsbank. Präsident sagte früher einmal, der Metallyorrath an si sei nit entscheidend, sondern die Relation zwishen dem Notenumlauf und dem Metallz vorrath. Das i} nicht unbedingt rihtig. Es kommt auch auf die absolute Menge des gemünzten Geldes bezw. der Barren an. In Frankreich is der Diskont von * 29%/% seit Jahren f\tabil, nur für das Ausland erhebt die Bank von Frankreich eine Goldprämie von etwa 6 9/0. Unsere Reichsbank könnte auch vom Ausland eine Goldprämie verlangen oder Bezahlung in Thalern offerieren. Unsere Erwerbskreise wünschen eine mäßige Erhöhung des Stammkapitals der Reichsbank, eine Erweite- rung der Notenemission und Maßnahmen, die uns vor dem Gold- abzug {üßen. Der Reichsbank - Präsident sogte hier am 29. März, daß der Diskont damals wieder auf 3/0 zurüdgegangen fei und nun- mehr hoffentlich so bleiben werde. Aber inzwischen sind wir wegen der Goldabzüge nah Amerika wieder auf 4/o gestiegen. Die Bank von Frankrei hat infolge ihres hohen Metallvorraths enorme Summen zur Verfügung stellen können, ohne den Diskontsay erhöhen zu müssen. Die Landwirthschaft leidet unter dem hohen Diskont zwar nicht so wie Handel und Industrie, aber fie wird auh in Mitleiden-

Das Ziel eines ftabilen und niedrigen Diskontsayes, en der Reichsbank-Präsident selbst als ein Ideal bezeihnet hat, ift nur zu erreichen durd eine Reform der Reichsbank: Beseitigung der Notensteuer, unbeschränkte Ae in bedeutendem Umfange und Verwaltungsmaßnahmen zum Schuyge unseres Goldbeftandes. So sehr ich Anhänger der Doppelwährung bin, so muß ih doch sagen: solange wir die Goldwährung haben, ift der Goldbeftand die entscheidende Deckung für uns. Ich bitte den Herrn Minifter-Präfsi- denten, die Verwaltungsmaßnahmen dazu bald in Erwägung zu ziehen. Fch werde den Herren demnächst noch eine Denkschrift über meine Vorschläge unterbreiten.

Präsident des Reichsbank-Direktoriums Dr. Koch: Jh bedauere, daß Graf Mirbach die Angelegenheit nicht im Reichstage besprochen hat. Dieses Haus kann über die Frage nicht entscheiden. Graf Mir- bach hat nicht bestritten, daß wir im lehten Herbst Veranlassung hatten, den Diskont zu erhöhen. Der großartige Aufs{wung von Handel und Sndustrie, das große Bedürfniß des Verkehrs führte damals zu einer ganz ungewöhnlichen Anspannung des Kredits und nöthigte uns fo zur Erhöhung des Diskonts. Daß er jeßt neuerdings wiederum er- böht werden mußte, ist doch nicht meine S{uld; au der weisefte Bank-Präsident konnte doch den spanis-amerikanishen Krieg nit voraussehen. Ohne den Krieg wären wir bei dem niedrigen Diskont geblieben. Es is übrigens niht viel Gold in das Ausland ab- geflossen. Bei dem lebhaften Verkehr unter den einzelnen Ländern kommt es von Zeit zu Zeit dazu, daß Zahlungen in baarem Gelde

eleistet werden müssen, und dann geht eben Gold hinaus. Es herrscht fit Sahren Streit darüber, wie dieser Goldabzug zu vermeiden ift. Ein Mittel if die Erhöhung des Diskonts. Das Lieblingskind des Grafen Mirbach, die Goldprämie, wird von allen Sahkennern verworfen. Die Prämie würde uns die {were Aufgabe auferlegen, zu prüfen, wer unnügzer Weise Gold gebraucht. Wenn das Gold nicht von der Bank genommen werden kann, muß es vom Lande gczomien werden. Das ift au anderwärts gesehen. Das einzige Mittel ift der höhere Diskont. Er legt allerdings dem Handel und der Landwirthschaft große Opfer auf, aber im Handel hält man einen vorübergehenden Diskont von 4—d 9% nicht für zu ho, man hat sih au nit darüber beschwert. E3 ist ein natürlihes Schwanken vorhanden; manchmal ift das Geld billiger, manhmal theurer. Wollten wir den Leuten Thaler aufzwingen, so würde das einen {lechten Eindruck jür unsere Goldwährung machen. Gerade diese hat unseren Noten ihr Ansehen verliehen. Wir können unsere Landesvaluta nit entwerthen. Die Goldprämie hat ungelBe den Charakter eines Agios. Die Vor- schläge über die Reorganisation der Reichsbank mag uns Graf Mir- ba unterbreiten, wir werden sie würdigen.

Graf von Mirbach: Im Reichstag hätte diese Diskussion einen lebhafteren und \{härferen Charakter angenommen, und das wollte unsere Partei zur Zeit vermeiden. Der Krieg allein konnte die Diskonterböhung niht veranlassen. Tangiert der Krieg nicht auch Frankrei? Dort is der Diskont nicht erhöht. Die Goldprämie für den Export wäre für den internen Verkehr außerordentli ange der interne Zinsfuß würde dadurh niht erhöht. Frankrei erhebt die Goldprämie und hat unverändert 29/6 Diskont. Das ift ein Vorzug für die gesammte dortige Produktion. Mir sind lebhafte Klagen aus industriellen Kreisen über unseren hohen Diskont bekannt geworden. Diese Frage greift tief in das wirthschaftlihe Leben ein, und ih bin dem Herrn Reichsbank-Präsidenten dankbar, daß er erklärt hat, eine niedriger stabiler Zinsfuß sei ein erftrebenswerthes Ziel.

Freiherr von Solemacher-Antweiler: Bei der Doppel- währung wäre es niht nöthig geworden, den Diskont zu erhöhen ; also kommen Sie möglichst bald zur Doppelwährung.

Präsident des Reichsbank-Direktoriums Dr. Koh: Ich hätte geglaubt, daß diese Frage abgethan iff. Die Frage des Diskonts wird von uns sehr ernsthaft geprüft. Die Stabilität is aber kein Fdeal; zum Schuß unserer Währung müssen wir zur Erhöhung des Diskonts greifen.

Zum Etat der allgemeinen Finanzverwaltun lagen Mae von Manteuffel und Graf von Mirbach folgende Resolution vor:

Im Hinblick auf die bevorstehende Neuregelung der Wasser- geseßzgebung der Königlichen Staatsregierung gegenliber die Er- wartung auszusprehen, 1) daß den Selbstverwaltungskörpern bei der Auferlegung neuer Pflichten entsprechende ftaatlihe Dotationen überwiesen werden ; 2) daß die unzulänglihe, in einem ritigen Verhältniß von Leistung und Gegenleistung nicht mehr ftehende Dotation der Selbstverwaltungskörper einer den jeßigen WVerhälts- nissen entsprehenden Neuregelung baldigst unterzogen werde.

Der Antragsteller Freiherr von Manteuffel weift darauf hin, daß bereits im vorigen Jahre der inzwishen verstorbene Graf Frankenberg einen ähnlichen Antrag geftellt, aber in seiner damaligen Form auf keine Annahme habe rcchnen dürfen. Seit- dem hätten sfich auch die Landeshauptleute mit der Frage in einer Konferenz bes{chäftigt. Der vorliegende Antrag gehe über deren Wünsche hinaus. Der Finanz-Minifter habe im vorigen Jahre nicht anerkannt, daß die Provinzen so {wer mit Steuern belastet seien. Die Schulden der einzelnen Provinzen beliefen fich eins{ließlich der Ausgaben für Kleinbahnen auf 124 Millionen Mark. Die Pro- vinzialfteuern seien zwar noch keine sehr hohen, aber sie seien progrei|siv gestiegen, sodaß sie s{ließlich äußerst drückend werden müßten. Als neueste Steuern seien dieje Steuern die ungewöhnteften, alfo die läftigsten. An die Staatsfteuer sei man als an eine liebgewordene Eigenthümlichkeit gewöhnt. Auch die Steuern für die landwirthshaftlihen Berufs- uo ata seien sehr lästig, dazu kämen die Steuern für die

[ters- und Invalidenversiherung. Die gestrige Zusicherung des Finanz-Ministers über eine gerehtere Vertheilung diejer leßteren Last werde siherliÞh die landwirthschaftliche Bevölkerung mit großer Genugthuung erfüllen; es sei aber auch Pfliht der Regierung, dafür zu forgen, daß eine Grenze gezogen werde für die Höhe der von den Provinzen zu kontrahierenden Schulden ‘und die den Eingesefsenen auf- zuerlegenden Provinzialsteuern. Sie müsse den Provinzen bei ihren finanzicllen Leistungen zu Hilfe kommen, die ihnen namentlich durh die Wassershäden erwachsen seien. Wären die Landes-Direktoren und Landes-Hauptleute 1891 Mitglieder dieses Hauses gewesen, so würde man die Schäden vielleicht jeßt niht zu beklagen haben. 1878 habe der Staat ohne Zögern die Hälfte der Kosten für die Zwangserziehung verwahrloster Kinder übernommen. Leider set dieser vorzügliche Weg 1891 wieder verlassen. Um s#\o nothwendiger sei jeßt die Neugestaltung diefer Dotation. Die Irren in den Provinzen nähmen entsprehend der Zunahme der Bevölkerung fortwährend zu, und die Lasten der Provinzen zum Bau der JIrrenhäuser seien nicht einmalige, sondern dauernde und wüchsen unausgeseßt. Darum müsse die Regierung die Schäden infolge des Geseßes von 1891 einiger- maßen wieder gutmahen. Ebenso habe der Staat auch die Pflicht, für die Kleinbahnen mehr zu thun. Er bitte, die Resolution ein- stimmig anzunehmen.

Graf von Mirbach: Jh kann diese Ausführungen mit Rük- sicht auf die' Regierungsbezirke Königsberg und Gumbinnen nur unter- stüßen. Diese Kreise bezahlen fast 25% der Staatssteuern an Abgabe. Man könnte sagen: Daran habt ihr selb Schuld dur eure unproduktiven Anlagen. Aber die einzelnen Interessenten werden garniht gefragt, sie müssen zahlen, ob fie den Anlagen zustimmen oder nit. Die östlichen Provinzen sind ja viel {limmer daran als die westlihen, die eine viel höhere Einkommensteuer aufbringen. Der Beitrag für die Alters- und Invaliditätsversiherung erreicht bei uns für die Arbeitgeber im Durchschnitt die Höhe der vollen Grund- steuer. Vor 1891 betrugen die Lasten für die Armen fege bei uns 64 000 A Infolge des Geseyes von 1891 stiegen sie im vorigen Fahre bis über 391000 A Dabei geben wir beinahe 300 000 Arbeiter an den Westen ab welche Entziehung von Kapital! Unsere Verwaltungsbeamten stellen die Verhältnisse viel zu rofig dar bei ihren Berichten, wenn es auch niht so s{chlimm ist, wie in Ruß- land, wo der Finanz-Minister berihtet hat: Alles if in Ordnung, während 18 Millionen Menschen Hunger leiden. Die Verschuldung der Kommunalverbände darf nit so weiter gehen.

[R gezogen.

j

E des Staats-Minifteriums, Finanz-Minin,, Dr. von Miquel: Y

Ja, meine Herren, wenn ih alle Gesichtspunkte berühren wy die in dieser Resolution enthalten sind, dann müßte ih tagelqy sprechen. Ih muß mi beschränken umfomehr, als es si hier uur d eine Resolution handelt und niht um einen Geseßesparagrapken, t ¿war um eine Resolution, die si nicht auf die Gegenwart bezieht sondern auf die Zukunft. Jch muß mich beshränken, um daz bol Haus nit zu sehr in Anspruch zu nehmen, und ih kann daher nid jeden einzelnen Punkt beantworten.

Meine Herren, die Grundanschauung, die der Refolution wu Grunde liegt, halte ih von vornherein für irrig. Es hat si niema darum gehandelt, daß der Staat bei den Dotationsgeset die Absicht hatte, den Provinzen für alle Zeit zu garantiert, daß ihre wachsenden Ausgaben durch neue Dotationen d deckt würden, sondern es hat \sich einfach darum gehantel eine Dezentralisation durchzuführen, um von denjenigen V, waltungszweigen, die sih besser für die Provinzialverwaltung als fir die Staatsverwaltung eignen, der ersteren zu überweisen und da Provinzen von vornherein diesen Uebergang dur feste Dotationen , erleihtern, indem man ihnen neue Aufgaben überwies. J

Wenn die Ausgaben der Provinzen seit der Zeit höher gestie sind als die vom Staate gegebenen ursprünglihen Dotationen, s j das eine Erscheinung, die Sie im Staate beobahten können, in dy Gemeinden, in den Kreisen, in den Provinzen und in den Priv, hausbaltungen. Das ift garnichts Besonderes, das liegt in der Naty der Sache, daraus können Verpflichtungen für den Staat in kei Weise erwachsen. Meine Herren, wo find denn aber diese Meh, ausgaben der Provinzen entstanden? Zum theil durh d intenfivere und bessere Bewirthschaftung, welhe die Provinzen dy ihnen überwiesenen Verwaltungszweigen haben angedeihen las, Heute sind die Irrenpflege, die Blindeninstitute, die Taj stummeninstitute, die Versorgung verwahrloster Kinder gy andere als früher. Die Provinzen haben es selbst für nöthig halten, und es war auch nöthig, in dieser Beziehung ihre Aufgaby zu erhöhen. Andererseits giebt es cine Reihe von Ausgaben, die den Provinzen ganz verschieden \ind ; je nah der Art und Weise, wh die Provinzen verwalten, wird die eine Provinz für. Wege sehr vil thun, die andere hat die Wegelast wesentlih auf die Kreise geworfn; die eine Provinz hat sehr viel gethan für Tertiärbahnen, die ander fast gar nihts, \o sind die Ausgaben in den Provinzen ganz ver schieden, je nah den Wohlthaten, die sh die Provinzen haben j gute kommen laffen. Dafür kann der Staat nicht aufkommen, da

sind Vortheile, die die Provinzen sich erst verschafft haben, in ga

verschiedener Weise. Der Staat kann ebensowenig dafür aufkommen, wie für eine Einzelgemeinde. Die eine macht eine Wasseranlage, di: andere macht Elekrizität, die dritte begnügt fih mit Petroleum, di

vierte nimmt Gasbeleuchtung, dadurch werden natürlißh die Au gaben andere, folglich auch die Steuern, aber die Steuern sind pr duktiver Natur, erhöhen wenigstens die Kultur, erhöhen auch di: 6M

nüfse, dafür kann der Staat niht aufkommen.

Meine Herren, den Staatsverwaltung8ausgaben geht es ja zar

nit anders. Ich habe in meiner Etatsrede im Abgeordnetenhause nachgewiesen, daß die Staatsverwaltungsausgaben, die also dir wesentli der Bevölkerung zu gute kommen, also beispielsweise ti

Swulausgaben, die Ausgaben des Landwirthschaftlihen Minifteriunt, M der Justiz, des Handels-Ministeriums u. f. w. gewachsen find dem F Jahre 1880 um nit weniger als 223 Millionen, und davon entfallen, M meine Herren, auf die Zeit, wo ich im Amte bin, dem man de im Ganzen zutraut, daß er mit Vorsicht verwaltet, (sehr richtig) Also in dem leßten Jahrzehnt sind die Ver

allein über 59 9/o. waltungsausgaben, d. h. die Leistungen des preußischen Staats Melioration des Landes noch stärker gewachsen wie in der Zeit vet meinem Amtsantritt. Sehen Sie ih z. B. einmal einzelne P sitionen an, meine Herren, da finden Sie beispielsweise, daß von Sahre 1880, wo die Ausgaben für das Schulwesen und den Kultub Etat überhaupt 47 Millionen betrugen, dieselben geftiegen sid bis zu diesem Etat, exklusive der 5 Miklionen, die wir j! für die Geistlichkeit bewilligen wollen, auf 146 Million Wer hat das nun bezahlt, meine Herren? Die Bevölkerung rid! Denn in derselben Zeit sind die Staatsfteuern um 3 Millionen heruntergegangen, die Staatsfteuern betrugen mindeftens un 3 Millionen mehr im Jahre 1880, als sie heute betragen.

Nun, meine Herren, handelt es sich hier bei dieser gann Dotationsfrage in den Provinzen doch darum nur, ob es volkswirth- shaftlich und administrativ richtiger und in sich gerehter ift, Lasten, die in den einzelnen Provinzen ih ganz verschieden gestalten, nah deren Bedürfnissen und freiem Willen, auf den Gesammtbeutel de Staates zu übernehmen, wo sie sich ungerecht vertheilen. Das ift d! Frage, denn wenn alle Provinzen herangezogen werden, so ist das 10 der Staat, so handelt es \sich niht darum, ob leßterer allein dit Kosten trägt, in beiden Fällen ift es die gesammte Bevölkerung des Preußischen Staates sondern es handelt sih darum allein, wit Sie die Vertheilung einrichten. 8

Nun hat Herr Graf von Mirbach gesagt, er wolle auf di Steuervertheilung niht eingehen, und ih freue mi darüber au! Gründen, die ich hier nicht entwickeln will; daß aber, wenu de Diskussion einmal eröffnet wird, die Steuerreform als eine verhält nißmäßige Entlastung des Ostens ih herausstellen wird, darübet könnte id Ihnen Zahlen anführen, die selbs troy des gründlichen Studiums Herr Graf von Mirbach nicht widerlegen könnte. Meine Herren, bedenken Sie nur, mit einem Schlage wurde die Einkomm steuer nah der Steuerreform um vierzig Millionen erhöht, und wenn Sie einmal nahsehen, woher die vierzig Millionen gekommen sind so ist es ganz klar, daß sie shon früher hätten aufgebracht werde" müssen, daß das durhaus keine Benachtheiligung derer ift die \{härfer herangezogen worden sind, sondern daß die Steuerrefor® doch dieses große Einkommen lebendig gemacht hat für das allg meine Staatsganze, was ih bis dahin verborgen hat. Aber das hat den Osten entlastet. (Sehr richtig !)

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

oll,

101.

pu N y R zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 29. April

1898,

j

(S@&luß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, Herr Graf von Mirbah hat die Hypothese auf- gestellt: wenn wir allein wären im Osten, würden wir uns ganz anders verhalten mit unseren Ausgaben. Vollkommen zutreffend, Aber wir würden dann auch die kulturellen Vortheile, die der Ge- sammtstaat dem Osten bringt, die Gesammtmittel des Staates dafür überhaupt nicht haben. (Sehr rihtig) Der Osten hätte niht solhe Schulen, niht folche Landesmeliorationen, solche Eisenbahnen, solche Verkehrsmittel. (Sehr rihtig!)) Da würde die Rehnung doch wahrscheinlich ein ganz anderes Gesicht bekommen. Die Statistik ift nirgend täushender als auf dem Gebiet der staatlichen und kommunalen Belastung, wenn man die Sachen niht vollftändig durchdringt. Beispielsweise eine Belastung der Kreise im Osten können Sie absolut nicht vergleichen mit einer Be- lastung der Kreise im Rheinland, aus dem einfahen Grunde, weil die Lasten, die die Kreise im Osten tragen, im Rheinland die Ge- meinden tragen. Wenn hier also gesagt wird, 79 9/6 der Staatssteuer roerden von den Kreisen aufgebracht, so muß ich zugeben, daß das an sich eine hohe Belastung is, aber ohne Vergleich mit den Kommunallasten bedeutet mir die Zahl nicht viel. Herr Graf von Mirbah hat eine Rechnung aufgestellt, wobei er voraussetßzt, daß die gesammten Steuerzahler in den östlihen Provinzen, wenigstens in Ostpreußen, durchschnittlich 3% zahlen. (Graf von Mirbach: Wenn!) Ia, wenn, das ist eine Vorausseßung, aber die Voraussetzung ist irrig. Denn in diesen Provinzen zahlen, was vtelleiht 989 sind, alle Steuerpflichtigen zwischen 900 und 3000 Einkommen ledigli 1,10%, der Staats\teuer, und die Ge- sammtbelastung beträgt in den ländlihen Bezirken pro Kopf etwa l M 80 S4 für den Staat. Ich glaube, wenn Sie hier Vertreter aus der ganzen kulturellen Welt hätten, welhe hörten, daß durch- hnittliÞh in großen Provinzen die Staatsfteuer in Preußen nur 1,80 auf den Kopf beträgt, fie würden es garniht glauben. Wenn ich die Statistik viel ärmerer Länder, Jialien und Oesterreich, und auch reiherer Lênder, England und Frankreih, Ihnen vortrüge, so würden Sie segen, daß, was die Staatsfteuer betrifft, Preußen das gesegnetste Land der Welt i. Wenn wir durtschnittlih im ganzen preußischen Staat nur 5 4 an Steuer pro Kopf bezahlen, so kann ih kein Staat der Welt damit vergleihen, und was die indirekte Steuerbelastung betrifft, so ist sie auch in Deutschland viel niedriger als in anderen Kulturstaaten. Wenn ich es richtig im Kopfe habe, zahlen wir durchs{nittlich an indirekten Steuern 18 M pro Kopf. roeit hinaus.

In einem Punkt kann ich nun besonders den Herren Antrag- ftellern absolut nicht beistimmen. Aber er ist für die Jrrigkeit der ganzen Grundlage der Refolution charakteristisch. Die Herren Antrag- steller und ich verstehe das vom Standpunkt des Chefs einer

großen Kommunalverwaltung, die dabei wesentli interessiert ist, voll- | kommen wollen sih hauptsächlich wehren gegen Mehrbelaftungen | für die Unterhaltung der Flüsse, kleinen und großen Strôme u. st. w. |

Wie liegt nun die Sahe? Ganz ähnli, wie sie nach dem Gesetz von 1891 lag. Bis jeßt hat der Staat für die kleinen Flüfse keinen Pfennig zu verausgaben gehabt. Gr war garniht dazu verpflichtet und hat es au nicht freiwillig übernommen, sondern in allen diesen Provinzen sind die Anlieger die Verpflichteten zur Unterhaltung der kleinen Flüsse. Wenn wir nun eine Reformgeseßgebung machen und der Staat übernimmt einen Theil der Kosten, indem er die gesammten anliegenden Grundbesitzer entlastet, und die Provinz übernimmt auch einen Theil oder die Kreise, und die Provinzen und die Kreise haben

¡weifelhaft wäre, würden wir ihnen dieses Neht einräumen —, die bisher allein belafteten Grundeigenthümer zum Ersaß für die Aus- gaben, die ihnen neu auferlegt werden, besonders heranzuziehen, was

ih für dur(aus berechtigt halte, denn wer die Vortheile von einem |

Fluß genießt, muß auch die Lasten, soweit es möglich ift, tragen, fo würde also nach diesem Exempel lediglich der Staat neu und voll be- lastet werden, während die Provinzen für ihre Eingesessenen eintreten und sie in der Lage sind, zum großen Theil diese Kosten wieder auf die kleineren Verbände zu übertragen. Also sich nun durch eine Reso- lution zu verpflihten, ohne daß man die Details eines folhen Geseßes kennt, ohne daß man die Begründung kennt, einen generellen Saß hinzuwerfen, unter keinen Umständen sellen die Provinzen für das Wasser mehr Verpflichtungen übernehmen als bisher: das ist doch kein geseygeberish rihtiges Vorgehen, da muß man doch den konkreten Gesetzentwurf erst vor sich haben. Ich halte es gewiß auch durchaus nit für erwünscht, daß die Kommunalabgaben in der Weise steigen, wie sie in der lezten Zeit gestiegen sind. In dem Punkte bin ih mit dem Herrn Grafen von Mirbah durchaus einverstanden, daß die Kommunen nicht immer darauf sehen sollen, wie sie mebr Einnahmen bekommen, sondern au, wie sie ihre Aufgaben vermindern oder wenigstens in den gehörigen Schranken balten. Daß das wenigstens überall gesehen sei, kann man niht behaupten. Die Kommunen unterliegen in dieser Beziehung derselben Gefahr wie der Staat, und das liegt wesentlich an der kommunalen Vertretung. Man drängt immer zu neuen Ausgaben, jeder will die {hönsten Ein- rihtungen haben, und wenn nachher die Konsequenzen in der Steuer- veranlagung kommen, dann ist alle Welt unzufrieden. Das geht dem Staat gerade so wie den Kommunen. Die Verwaltungen müssen die Zukunft ihrer Kommune im Auge haben und nicht allein die momentanen Vortheile, die de Bevölkerung von solhen neuen Ein- rihtungen genießt.

Meine Herren, Herr Freiherr von Manteuffel meinte, man müsse eine Grenze der Verschuldung der Provinzen und auch ihrer Steuern ziehen. Das halte ich für unmöglich. Eine fortschreitende kulturelle Entwickelung führt in vielen Fällen nothwendigerweise zur Ver- mehrung der Schulden. Man mag das noch so fehr bedauern und ein Uebermaß darin für höchst gefährlih halten; aber ganz zu ver- meiden ist das uicht. Was aber wohl zu vermeiden ist, das ist, daß

Darüber gehen die Ziffern in allen andern Kulturstaaten | j darf in Deutschland nicht vorkommen.

; j | der ruhigen Entwicke Dinge nach dem Kommunalabgabeng:\seß die Befugniß und wenn das | Viet SAtvit erun Ges Mde,

die Schulden gemaht werden unter frivoler Belastung der Zukunft und der kommenden Generation, indem die gegenwärtige Generation für Zwede, die sie aus dem laufenden Auflommen, d. h. aus den Steuern bezahlen sollte, zu dem bequemen Mittel des Schuldenmachens schreitet. Das is ja natürlih sehr angenehm für die Gegenwart, aber was soll aus der Zukunft werden? Wir sind in dieser Beziehung in Deutschland ziemli leiht gewesen, wir haben an Schulden kontrahiert im Reih an 2 Milliarden, und jeßt fangen wir erst an, an eine Tilgung zu denken, obwohl diese Schulden sämmtilih doch nicht für Zwecke ih will nicht sagen un- produktive Zwecke aber doch für Zwecke gemacht sind, die keine Rente abwerfen. In Preußen haben wir leihten Herzens einshließ- lich dieses hohen Hauses im Jahre 1879 unsere obligatorishe Schulden- tilgung aufgegeben und gegenüber einer allerdings für rentable Zwecke gemahten, aber doch immer mit großen Gefahren und Risiken ver- bundenen Vermehrung der Schulden auf nahezu 7 Milliarden erst jeßt wieder uns endlich besonnen und die obligatorishe Schulden- tilgung eingeführt. Aber, meine Herren, wenn nun der Staat nah vier Jahren von Fehlbeträgen auch einige Uebershüsse bekommt und da- durch in die Lage kommt, die Schulden, die er zur Deckung der Fehl- beträge in den leßten Jahren gemacht hat, wieder zu decken, so ent- steht überall in der ganzen Monarchie das Geschrei: was if das für eine Uebershußwirthschaft ? Diese Uebershüsse wollen wir haben, die Gegenwart will sie haben. (Heiterkeit)

Man wirft dem Finanz-Minister, der ih untersteht, an die Zu- kunft und die dauernde Wohlfahrt des Staats zu denken, unbere{tigten Fiskalismus vor.

Wie ist es denn in den Kommunen gegangen? Manche Kom- munen, große wie kleine Städte, haben Perioden durhlebt, wo die Frage der Verschuldung der Kommunen seitens der Staatsregierung fehr gelinde behandelt wurde, wo unzweifelhaft für die Zwecke, die aus den laufenden Mitteln bezahlt werden mußten, Schulden gemacht wurden, bloß weil die Gegenwart, die Stadtverordneten und vielleicht auch der Magistrat, schwach genug war, lediglich an sich zu denken. (Zuruf) Jawohl, meine Herren, ih will die Beispiele niht nennen. Dieser Mißbrauch war fo stark, daß wir vor etwa 6 oder 7 Jahren feste Grundsäße aufgestellt haben, für welhe Zwecke die Kommunen allein Schulden machen dürfen, und seit der Zeit ist die Sache besser geworden. Wenn das fo fortgegangen wäre, würde ein Theil au großer Städte in die allergrößte Verlegenheit für die Zukunft ge- kommen sein. Jch habe oft den etwas krafsen Ausdruck gebraucht in solhen Fällen, wenn ih gedrängt wurde, Papiere au portour aus- zugeben: ihr müßt euch doch hüten, daß ihr niht Florenz werdet; das Also, meine Herren, auf all diesen Gebieten sind wir reihlich leiht gewesen. Man darf sich nicht

| einbilden, daß der Staat in der Lage ist, ohne daß es fühlbar woird der

Staat hat nur durchlaufende Posten beliebig neue Ausgaben zu übernehmen. Jh vertrete hier den Staat und Herr von Manteuffel vertritt, wie ih ihm gar niht verdenke, naturgemäß die ihm zunächst am Herzen liegende Provinz.

Meine Herren, wir baben in den leßten Jahren die dauernden

| Auszaben des Staats allein für Beamte, Lehrer und Geistliche um

etwa 80 Millionen erhöht, und wir sind ja nah all dem Drängen nach Gehaltserböhung damit noch nicht zu Ende. Näcbftes Jahr werden Sie sehen, daß die Sahe von neuem losgeht auf andern Gebieten, sodaß, wenn mal unsere Betriebseinnahmen wieder einzn starken Nückschlag erfahren, wir genau wieder in die alte Geschichte hineingerathen. Wie bedenklich aber das Schwanken von Ueberfluß und Defizit für die ganze Staatsverwaltung ist, welche Störungen in igen welhe Unzufriedenheit und welche Gefahr auh für den Staat daraus entsteht, brauhe ich Ihnen nit auseinanderzuseßen. Ich kann Sie nur immer wieder mahnen : glauben Sie - niht, daß, wenn die Provinz eder ein anderer Ver- waltungskörper die Last auf den Staat wirft, damit die Sorge für die preußishe Bevölkerung erledigt sei ; denn s{chließlich, meine Herren, ist dies nicht eine Frage der Regierung, sondern jeder einzelne Staats- bürger muß sich sagen : Tua res agitur ! (Bravo !)

Ober-Bürgermeister Becker: Dieser Antrag ist acceptabler als der vorjährige des Grafen Franckenberg. Aber man könnte fragen: haben die Provinzen auch sparsam genug gewirthshaftet? Jh spreche natürlih nicht von meiner Provinz. Kann man diese Frage nicht unbedingt verneinen, so entîteht die Gefahr, daß neue Dotationen die Provinzen veranlassen, noch weniger sparsam zu wirthschasten, die frühere Organisation * war für eine sparsame Wirthschaft günstiger als die jeßige. Schald trägt aber auch die Staatsregierung mit ihrem fortgeseßten Drängen zu neuen Aus- Pen, Diefem freundlichen Drängen kann man doh nicht wider- tehen. Ich erinnere nur an das Jrcrenwesen, das Landarmen- wesen, deren Kosten ganz enorm gewachsen siad. Unter solchen Umständen kann man sich sehr wohl für den zweiten Theil des Antrages entschließen. Jh nehme aber an, daß nicht der einen Provinz etwas genommen und der anderen gegeben wird. Alle Provinzen müssen mehr bekommen. Der erfte Theil des Antrages ist mir besonders sympathisch. Die Wasserbaukosten sollte man den Pro- vinzen überhaupt nit aufbürden; jedenfalls niht neue Lasten ohne Entschädigung. Wir haben an solchen Lasten jeßt {Gon genug. Staat und Provinzen decken sih nur durh die Kopfzahl, nicht in der Ver- theilung der Lasten. Man muß nach dem Grundsay der aus- gleihenden Gerechtigkeit verfahren. Ob die Entschädigung in Form einer Dotation oder einer sehr hohen Betheiligung des Staats an den Kosten, namentlich den Wasserbaukosten, erfolgen soll, lasse ih dahin- gestellt. Jch bin für das leßtere.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich will nur eine Bemerkung machen. Herr Ober-Bürgermeister Becker ist ein sehr edler Mann, er sagt: Jh rede zwar gegen meine Rheinpropinz, aber ich wünsche do, daß die weniger glücklih situierten Provinzen niht so scharf herangezogen werden, obwohl roir, weil die Ausgabe aus der Staatskasse gedeckt wird, dazu mehr beitragen müssen. Das ist sehr edel gedaht. J möchte ihn auf die Probe stellen. Herr von Manteuffel hat soeben ausgeführt: Wir im Often würden mehr entlaftet werden können,

wenn die Organisation der Berufsgenofsenschaften, der Alters- uud

JInvalidenversiherung anders geregelt würde. Wie kann sie nun anders geregelt werden, meine Herren, als daß man größere Verbände mat, am beften für den ganzen preußischen Staat (sehr richtig), wenn nicht, doch wenigftens für einen großen Theil? Und was würde die Folge sein? Daß die ländlihen Kreise im Osten, die den {weren Verlust haben, daß die jungen Leute nah dem Westen und in die Städte gehen, dadur eine gerechte Entlastung erhielten, und die preußishe Staatsregierung hat ih schon auf den Standpunkt gestellt. (Hört! hört!) Wir haben einen Entwurf eingereiht, durch welhen diefes Prinzip durchgeführt werden sollte, und wir waren sogar der Meinung, daß man es mög» liherweise durchführen kann ohne neue Geseßgebung dur die Befugnisse, die dem Staat bereits zustehen. Es kam aus den begürstigsten Be- zirken der heftigfle Widerstand. Sie waren niht \o edel, die großen Städte und Industriebezirke, obwohl beispielsweise die Versicherungs- anstalt hier in Berlin soviel Kapital ansammelt, daß sie in Zukunft kaum noch Beiträge zu erheben braucht, und obwohl die Versicherungs- korporation in Ostpreußen {on jeßt den gefährlichften finanziellen Zuständen entgegengeht. Nun hoffe ich, daß Herr Ober-Bürger- meister Becker, wenn diese Frage nochmals auf die Tagesordnung kommt, ebenso edel denken und dazu beitragen wird, Gerechtigkeit zu schaffen. Hier handelt es fich wirklih nur um eine gerehte Ver- theilung der Lasten, welhe unter der gegenwärtigen Organisation eine sehr ungerechte ifft. Einigermaßen verwundert habe ih mih aber über die Bemerkung des Herrn Ober-Bürgermeisters Beer, daß er sagt: wenn der Staat nun eintritt für neue Ausgaben, so ist mir die Form am liebsten, wenn der Staat {ih finanziell an den Ausgaben der Provinzen betheiligt. Das widerstrebt doch allen Grundsätzen, auf denen die ganze Dotationsgesezgebung beruht. Einer der Kardinalgrundsäße war der: Wir dotieren die Provinzen; dann mögen sie aber auch eine wirklihe Selbstverwaltung haben und niht immer unter der Kontrole des Geheimraths ftehen. (Sehr rihtig!)) Wenn sie umgekehrt verfahren, den Staat si betheiligen lassen an den Verwaltungen der Provinzen, dann wird die Selbst- verwaltung sehr bald eine leere Form sein; (sehr rihtig!) denn wer das Geld hergiebt und darauf hin ch an der Verwaltung betheiligt,

| der hat {ließlih vas Heft in der Hand.

Ober-Bürgermeister Becker: Der Staat betheiligt sch jeßt {on an der Fürsorge für die verwahrlosten Kinder, dasselbe verlange ih bezüglih neuer Lasten, z. B. der Wasserlasten.

Freiherr von Manteuffel: Die Chancen unseres Antrages 2 stehen doch nit so s{hlimm, wie es aussieht nah den Ausführungen des Finanz-Ministers. Schuldenmahen auf Kosten der Zukunft ver- urtheile auch ich; und unter der Amtsführung meines verehrten Amts- vorgängers find die Schulden der Provinz Brandenburg niht vermehrt worden. Anders liegt es aber bei Verpflichtungen der Provinzen auf Grund erlassener Geseße. Da hat der Staat die Pflicht, den Provinzen zu helfen; unter dem Geseß von 1891 leiden alle Provinzen gleihmäßig. In Bezug auf die „Betheiligung“ bin ih anderèr Ansicht als M0: Belker. Ich hoffe, daß auch der Finanz - Minister, wenn wir den Antrag mit sehr großer Mehrheit annehmen, seinen Widerspruch auf- geben wird.

Ober-Bürgermeister Bender (kehrt der Tribüne den Rüten zu und ift deshalb sehr schwer verständlih) scheint sih im wesentlichen für den Antrag auszusprehen, namentlich mit Rücksiht auf die Wasserbauverhältnisse der Provinz Schlesien.

Die Diskusston wird geschlossen. Jn seinem Schlußwort wendet fich

Graf von Mirbach gegen die Ausführungen des Finanz- Ministers und sucht nochmals nahzuweisen, daß die Lasten der östlichen Provinzen gestiegea seien.

Nr. 1 der Resolution wird fast einstimmig angenommen, Nr. 2 mit großer Mehrheit.

: Qu dem Etat für das Bureau des Staats-Ministeriums liegt folgender Antrag des Grafen von Mirbach vor:

__ Die Regierung zu erfuhen, im Bundesrathe nahdrücklih dafür einzutreten, daß bei künftigen Berathungen von Geseßesvorlagen im Reichstage und bei Beschlußfassungen über dieselben 1) jeder Versuch, auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Auf- bringung der Matrikularbeiträge in die Rechte der Einzelstaaten einzugreifen, seitens der verbündeten Regierungen mit größter Ent- schiedenheit zurückgewiesen werde, 2) hinsihtlich der Aufbringung der Mittel zur Durchführung einer Geseßesvorlage seitens der ver- bündeten Regierungen jede Stellungnahme, aus welcher ein Präjudiz gegen das System indirelter Besteuerung hergeleitet werden könnte, vermieden werde.

Der Antragsteller Graf von Mirbach weist auf die Verhand- lungen des Reichstages über die Deckung der Ausgaben für die Flotte und die Erflärungen der verbündeten Regierungen hin, von denen er eine Beschränkung der Rechte der Einzelstaaten befürchtet, und führt aus: Die Antwort des Grafen Posadowsky, daß unter den Begriff der „indirekten Neichssteuern* nicht die Zölle fallen, hat zwar den § 8 der Flottenvorlage über die Deckung wesentlih eingeshränkt, sie kann aber do als Präjudiz gegen das System indirekter Besteuerung aufgefaßt werden. Sie war eine Art Zustimmung zu der Reso- lution. Meine politishen Freunde legen auf den föderativen Charakter des Deutschen Reichs ein entsheidendes Gewicht, wenn uns au jede Spur von Partikularismus fehlt, was wir oft dur unsere Abstimmung bewiesen haben. Wir haben {hon im Reichstage Wider- spruch erhoben, aber wir wollten nit die Flottenvorlage gefährden und mußten uns deshalb Reserve auferlegen. Wir mußten auf das Zentrum Rüdsicht nehmen, das an dem Zustandekommen der Flotten- vorlage ein wesentlihes Verdienst sich erworben und feinen Patriotis- mus dabei bewiesen hat. Die Erklärung eines Staatssekretärs ift nicht unbedingt bindend; und sie ist auch hon im Reichstage von

egnerisher Seite zu Ungunsten der Getreidezölle gedeutet worden.

s muß aber festgehalten werden, daß zur Entwickelung der Reichs- einnahmen nur die indirekten Steuern ausgebeutet werden dürfen, nicht die direkten. Wir thun der Regierung einen Dienst, wenn wir sie in diesem Sinne unterstüßen wollen. Unsere Resolution hat nur diesen Sinn und keinen polemishen Zweck.

Reichskanzler und Präsident des Staats-Ministeriums Fürst zu Hohenlohe:

Meine Herren! Jch erlaube mir auf die Aeußerungen des Herrn Grafen von Mirbach mit einigen Worten zu entgegnen. Der erste Theil der vorgeschlagenen Resolution lautet, daß jeder Versu, auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Aufbringung der Ma- trikularbeiträge in die Rechte der Einzelstaaten einzugreifen, seitens der verbündeten Regierungen mit größter Entschiedenheit zurück- gewiesen werde.