1898 / 102 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Apr 1898 18:00:01 GMT) scan diff

: Noesicke G. k. F.): Na der Art der Agitation der Gegner nit den Vorwurf Veélbeidigen daß ich mein fe id das L l ée rolkaiaarelen verireten hätte: Die Großbrauereien verbrauhen kein Saccharin, sind also dur das Verbot desselben in keiner Weise betroffen. Die kleinen Brauer wollen auch das Verbot der Verwendung des Saccharins, weil nur auf diese Weise die Ausdehnung des unlauteren Wettbewerbs ver- hindert werden kann.

Abg. Schwarze (Zentr.) spriGt si für den Beschluß der Kom- mission aus, obglei derselbe nit ausreichend sein dürfte.

Präsident Freiherr von Buol stellt aus dem Stenogramm feft, daß die von dem Abg. Wurm gebrauchte Wendung eine Verdächtigung N gla eid Partei niht ganz aus\chließe und daß er sie deshalb

eln müfse.

Persönlich bemerkt Abg. Würm , daß ihm eine solhe Ver- dächtigung durchaus ferngelegen habe. i : i

Persönlich bemerkt fter Abg. Lessing, daß ihn der Präsident als ein junges Mitglied bezeichnet habe; er habe aber bei seiner Be- merkung die Meinung der ältesten Mitglieder des Hauses für ih gehabt.

Präsident Freiherr von Buol: Wenn der Vorredner die Be- zeihnung „jung“ als Beleidigung auffaßt, so nehme ih sie hiermit zurück; ih habe nur sagen wollen, daß der Vorredner von der lang- jährigen Praxis des Hauses keine Kenntniß haben könnte. i

Vor der Abstimmung bezweifelt Abg. Dr. Hermes die Beschlußfähigkeit des Hauses. Da der Präsident auf

rund des vorangegangenen Namensaufrufes sich diesem Zweifel anschließt, so wird die Sizung abgebrochen.

Schluß nah 5 Uhr. Nächste Sizung Sonnabend 1 Uhr. (Dritte Lesung des Weltpostvertrages, des Handels- provisoriums mit England und des Gesegzes über die elektri- schen Maßeinheiten; zweite Lesung des Ge egen betreffend die Naturalleistungen; Antrag Bachem bezüglich der Besteuerung der Pongees, und Petitionen.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus.

13, Sißung vom 29. April 1898.

Auf Vorschlag des Präsidenten werden die vom Hause der Abgeordneten zu erwartenden Geseßentwürfe über das Dienst- einkommen der Geistlichen einer Kommission von 14 Mitgliedera überwiesen. : A . : ;

Das neu eingetretene Mitglied Ludwig Riedes el Frei- herr zu Eisenbach wird in der üblichen Form auf die Ver- faffung vereidigt. i

Das Haus seßt hierauf die Berathung des Staats- haushalts- Etats für 1898.99 fort.

Beim Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung bemerkt ,

Ober-Bürgermeister Struckman n-Hildesheim: In den letten Jahren sind an verschiedenen Stellen Norddeutschlands, in Hildes- heim, Hannover und au im Regierungsbezirk Lüneburg, große Funde von Kali gemaht worden. So sehr die Sena der Kali- industrie zu wünshen i, so kann diese Entwi elung nah anderer Seite auch Schäden hervorrufen, denen man recht- zeitig vorbeugen muß. In Hildesheim haben sich bereits 20 bis 30 Bohrgesell haften gebildet, die auh {on Abteufungen vor- genommen haben. Es werden Cre Kalifabriken gegründet werden, deren Abwässer die öffentlihen Flüsse verfalzen und völlig unbrauch- bar machen werden. Dieser Uebelstand darf nit von Fall zu Fall für jede einzelne Fabrik erledigt werden, es muß ihm durch allgemein grundfäßlihe Vorschriften von vornherein vorgebeugt werden. Fn einem Fall hat sich die braun- s{chweigische Regierang gegen eine folhe Fabrik zu entgegenkommend erwiefen; sie hat die Ableitung der Abwässer zwar niht in einen Fluß, aber in tiefer gelegene Schluchten gestattet, von wo aus fie doch auf unterirdishem Wege in cinen Flußlauf drangen und ihn verunreinigten. Auch die hannovershe Re- gierung hat sich in einem Fall zu nachsihtig erwiesen. Die Industrie felbst hat ein Interesse daran, vorher zu wissen, wie sie ih einrichten foll ; deshalb müssen allgemeine Grundsätze von vornherein aufgestellt werden, ehe es zu spät ist. Verschiedene Gut- achten haben behauptet, das Wasser der Innerste ‘sei {on so ver- Unreinigt, daß die Kaliabwässer au niht mehr shaden würden. Aber die vorhandene Verunreinigung beruht auf mechanishen Beimengungen; m diese beseitigt, so wird das Wasser der Innerste für alle Zwedke rauchbar sein, aber niht mehr, wenn die Kaliabwässer in die Innerste geleitet werden. Nancntlih würde dann die Fischerei zerstört werden. Das Kaiserliche Gesundheitsamt hat nahgewiesen, das das ÎInnerste- Wasser für alle die Zwecke, denen es jeßt dient, dann unbrauchbar würde und auch der Boden des gesammten Innerste-Thales durch die Verfalzung des Grundwassers leiden würde. Es hat sich gezeigt, daß die Eisenbahnlokomotiven mit solchem versalzenen Wasser nicht gespeist werden dürfen, weil sich an den Ventilen eine solche Menge von Salz anseßt, daß eine golon erfolgen kann. Hildesheim würde dur die Versalzung des Wassers der Innerste unermeßlihen Schaden er- leiden. Auch verschiedene Staatsbehörden würden mit ihren Anlagen in Mitleidenschaft gezogen. Ich bitte die Regierung deshalb, reht- zeitig Vorforge zn treffen.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Der Herr Vorredner wird gewiß niht von mir eine Antwort erwarten, die eine materielle Lösung der außerordentlich s{chwierigen Fragen enthielte, die er in feiner Darlegung hier vor- gebraht hat. Jch muß aber im übrigen die thatsähhlihen Verhbält- nisse, wie sie in der Provinz Hannover beftehen und auf welche er die von ihm ausgesprchenen Befürchtungen begründet, im allgemeinen als zutreffend anerkennen. Die Bohrthätigkeit ist in der Provinz Hannover eine außerordentlich rege, man ist in vielen Orten auf Kalifalze findig geworden, hat Gruben angelegt, Schächte nieder- gebracht, und jeßt werden Kalifabriken angelegt, die alle ihr Wasser unterzubringen suchen und natürlich den bequemslen Weg wählen, die naheliegendsten Rezipienten, die öffentlichen Flüsse in An- spruch nehmen. Daß daraus erheblihe Gefahren, Gefahren in hygienisher Beziehung für die Gesundheit, Gefahren in land- wirthschaftliher Beziehung, in fabrikatorischer Beziehung für alle die zahlreihen Gewerbebetricbe, die auf die Benutzung des Wassers der Flüsse angewiesen find, entstehen, is gewiß anzuerkennen. Es fragt sich nur, in welher Weise man dem entgegenwirken kann. Die Gegenmaßregeln auf tehnischem Gebiete sind nah dem gegenwärtigen Stande der Technik sehr beshränkt. Man ift zwar in der Lage, eine Gntsalzung des Wassers vorzunehmen, aber sie kann nur im Wege der Destillation erfolgen, die aber bei den außerordentlichen Kosten für so große Wassermengen nicht in Frage kommen kann. Die übrigen Maßregeln liegen auf dem Gebiete der Verwaltung und der Gesehgebung. In dieser Beziehung sind in einer Eingabe, die der Herr Vorredner an das Staats - Ministerium gerichtet hat und die er in seinem Vor- trage s{chon erwähnt hat, ausführlich die Maßregeln er- Drtert, die hier in Frage kommen können. Jch kann meiner- seiiís nur sagen, daß ich gern bereit bin, der gegebenen Anregung Folge zu leisten, mich mit den betheiligten Ressorts in Verbindung zu seßen und zu erwägen, was mögli ift, um den Schäden und Nactheileu vorzubeugen, welche mit der Einführung der

Abwässer in die Flußläufe verbunden sind. Eins muß ich und kann ih \{on jeyt anerkennen: es if unter allen Umständen bei der Gründung foler Anlagen nothwendig, zu prüfen, wo die Abwässer bleiben, und andererseits Vorsorge zu treffen, daß eine genügende Be- kanntmachung statifindet, wodur alle Interessenten in die Lage verseyt werden, ihrerseits ihre Interessen bei der Ableitung der Abwässer folher Anlagen zu wahren.

Obex-Blirgermeister Struckmann giebt ferner seiner Freude darüber Ausdru, daß für das Fortbildungs\{ulwesen 100 000 M mehr in den Etat eingestellt sind. Befähigungsnahweis und andere Mittel, führt er aus, nügen nihts, wenn die Handwerker nit gut genug aus- gebildet sind. ie Hauptsache für die Fortbildungsshulen sind aber tüchtige Lehrkräfte, und für deren Heranbildung i noch nicht genügend gesorgt. Tüchtige Lehrkräfte sind auch nur zu haben, wenn sie im Haupt- amt beschäftigt sind mit ausreihendem Gehalt, Pensionsberehtigung und Reliktenversorgung. Nun sagt aber die Regierung, daß sie diese Kosten nihts angingen, daß sie nah ihren Prinzipien kein Geld dafür geben könne. Das halte ich für falsch; es wirkt abshreckend auf die Städte. Lieber sollte der Staat einen aeten Prozentsaß zahlen, aber er follte sich an den Kosten betheiligen, die dazu dienen, tüchtige Lehrer zu gewinnen und festzuhalten. Wie der Staat zu den Ausgaben für die Lehrer der Volks\{hule und der höheren Lehranstalten beiträgt, sollte er auch für die Lehrer an den Handwerkershulen beitragen. Diese Frage steht ja augenblicklich zur Erwägung, und ich bitte den Herrn Minister, der ja {hon früher ein Herz für das Handwerk ge- zeigt hat, mit aller Energie darauf zu dringen, daß au für diese Lehrer eine feste Anstellung ermöglicht wird.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Daß ich den Auéëführungen des Herrn Vorredners, die ja von Wohlwollen für das Handwerk getragen sind, in hohem Maße sym- pathish gegenüberstehe, brauche ih nit erft zu versichern. Ih kann nur sagen, daß über die Angelegenheit Verhandlungen {weben ; ob und welchen Erfolg sie haben werden, ist noch nicht zu übersehen. Ih muß mich deshalb darauf beshränken, der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß sie den Anforderungen genügen werden, welche den Wünschen des Herrn Vorredners entsprehen.

Beim Etat der Staats-Archive lankt

Ober-Bürgermeister Struckmann die Aufmecksamkeit auf das Archiv in Hannover, das nächst dem Berliner Arhiv wohl das be- deutendste der Monarchie sei. Das Gebäude des hannoverschen Archivs sei aber ungeeignet, es sei feut, und es hätten sih au Schwamm- bildungen gezeigt. Auf den Pergamenten seien Pilzbildungen, das Papier fühle sich feucht an, es liege also die Gefahr einer Zer- stôcung der Urkunden vor. Die RäumliWkeiten seien au fo dunkel infolge der kleinen Fenster, daß man im Winter die Akten ohne Laterne nicht lesen könne. Das Beste sei, dieses Gebäude ganz auf- zugeben für die Archivbzwecke. Für die Bibliothek und andere staat- liche oder städtishe Zwecke lasse sich das Gebäude noch benuzen. ens E aber für das Archiv einen Neubau, so lange die Finanz- age gut ift.

Direktor der Staats-Archive Dr. Koser erwidert, daß die Miß- stände bekannt seien und eine kommissarische Besichtigung des Ge- bâudes stattgefunden habe. Für den Lesesaal sei durch einen Umbau besseres Licht geschaffen worden, die Pilz- und Schwammbildungen seien im Absterben. Das Weitere müsse abgewartet werden, die Sache werde aber fortgeseßt im Auge behalten.

Beim Etat der Justizverwaltung macht

Graf von Mirbach darauf aufmerksam, daß nach einer Ent- {eidung der leßten Instanz Jagdbezirke wenigstens 300 Morgen um- fassen müssen. Dieser Entscheidung des oberften Gerichtshofs sei aber niht in allen Fällen Folge gegeben worden, in denen gegen die Aus- übung der Jagd auf einem kleineren Terrain seitens eines Nachbars geflagt worden ist. Er bitte den Minister, dur Anweisung die Sache zu regeln.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Auf die Shlußworte des Herrn Grafen von Mirbach darf ih wohl erwidern, daß er dem Justiz-Minister etwas zumuthet, was dieser niht leisten kann. (Heiterkeit.) Der Justiz- Minister ift nicht in der Lage, Anweisungen und Instruktionen auf dem Gebiet der Rechtsprehung zu ertheilen. Im übrigen liegt die Frage, die der Herr Graf von Mirbach angeregt hat, auf einem be- strittenen Gebiet; denn den Entscheidungen des Kammergerichts bezüglich der in Rede stehenden Frage stehen gegenüber Entscheidungen des Ober- Berwaltungsgerichts, die sih auf entgegengeseßztem Standpunkte bewegen. Es ist dadurch allerdings ein unerfreuliher Zustand herbei- geführt. Auf dem Standpunkt des Ober-Verwaltungsgerichts stehen au die zunächst betheiligten Refsorts, und die sich daraus ergebenden Widersprüche zu beseitigen, ist die Justizverwaltung außer stande. Es handelt si um die Frage, ob die Bestimmung des Jagdpolizeigesetzes, daß die Ausübung des Jagdrechts dem Besißer nur zusteht auf einem zusammenhängenden Gebiete von mindestens 300 Morgen, auch Anwendung findet auf die einen Gemeinde- oder Guts- bezirk bildenden Grundstücke. Das Ober-Verwaltungsgeriht hat diese Frage verneint, das Kammergericht hat sie bejaht. Es find nun auf Grund der von den Verwaltungsbehörden seit langer Zeit ver- tretenen und von dem Ober - Verwaltungsgeriht gebilligten Auffassung vielfach kleinere Jagdbezirke von Gemeinden ver- pahtet worden, und es wird die Jagd daraus ausgeübt. Das hat dann zu Beschwerden anderer Jagdnachbarn geführt, und es sind Bestrafungen eingetreten seitens der Strafgerichte, die mit der Entscheidung des Ober-Verwaltungsgerihts niht im Einklang stehen. Davon, daß irgendwo die Rechtsprehung der Gerichte versagt hätte gegenüber dem Nachweise, daß unzulässiger Weise in einem den Vor- schriften des Jagdpolizeigeseßes niht entsprechenden Jagdbezirke die Jagd ausgeübt worden sei, davon ist mir nihts bekannt geworden. Ich muß also abwarten, ob derartige Fälle zu meiner Kenntniß gebracht werden.

Graf von Mirbach bemerkt, daß er niht gerade Anweisungen, sondern nur Informationen gemeint habe. Eine Nechtsgleichheit müsse herbeigeführt werden. i j S

Bei dem Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten berichtet

Freiherr von Durant als Spezial-Referent über die Verände- rungen, welche dieser Etat u. a. durch das Lehrerbefoldungsgeseß erfahren habe, sodaß er bedeutend höhere Summen aufweise als früher.

Graf von Klinckowstroem: Das Lehrerbesoldungsgeset if in diesem Hause hauptsächlich infolge einer Erklärung der Regierung zu stande ekommen, daß dur dasselbe eine große Mehrbelastung für die kleinen andgemeinden und die mittleren und kleinen Städte und die Güter nit eintreten könne. Leider ift diese Hoffnung nicht erfüllt worden. Für die Frgoins Ostpreußen berehnete die Regierung den von den Sqchulunter- altungépflihtigen aufzubringenden Mehrbetrag auf 15 423 4 Wenn aber die Regelung der Lehrergehälter überall \o erledigt wird, wie {hon in einzelnen kleineren Gutsbezirken Oftpreußens, so wird die Provinz Ostpreußen vielleicht 2—300 000 M oder gar 400 000 M mehr aufwenden müssen.

Minister der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal- Angelegenheiten D. Dr. B osse:

Meine Herren! Ich stimme zunächst mit dem Herrn Grafen yon Klinckowstroem darin vollkommen überein, daß derartige Erklärungen,

wie fie im vorigen Jahre bei dem Zustandekommen des Lehrer- besoldungsgeseßes hier vom Regierungstishe aus abgegeben sind, mit unbedingter Loyalität erfüllt werden müssen. Ih will nit so weit gehen, daß ih diesen Erklärungen formell den gleichen Werth beimesse wie einer geseglihen Vorschrift. Aber gerade deswegen hat die Re- gierung darauf zu halten, daß solche Erklärungen mit absoluter Loyalität erfüllt werden. Das erkenne ih unbedingt an. Es ift ja für mich einigermaßen s{chmerzlich, daß mir auch {hon vor der heutigen Berathung der Einwurf entgegengebraht ift, als wenn es bei der Ausführung des Lehrerbesoldungsgeseßes nicht so zugegangen wäre, wie man es hätte erwarten können. Es ift mir das sehr {chmerzlich, weil wir ich kann das ehrlich sagen uns die äußerste Mühe gegeben haben, in dieser Beziehung keinen Zweifel darüber zu lafsen, daß wir mit der denkbar größten Schonung gegen die Gemeinden in dieser Beziehung vorgehen wollten. Ih bemerke dabei noch, daß wir die Gemeinden und Gutsbezirke absolut glei{mäßig behandeln. Es ist gegen den Willen der Regierung, wenn ein Gutsbezirk anders behandelt wird. Wenn etwa die Erklärung abgegeben sein sollte, daß auch ein [eistungsunfähiger Gutsbezirk keine staatlihe Beihilfe bekommen sollte, so widerspri%t das direkt der Meinung der Königlichen Staats- regierung.

Nun darf ih aber darauf aufmerksam machen: Die Ausführurig des Lehrerbesoldungsgeseßes is in der That eine geradezu riesige Arbeit gewesen, und wenn man s\ih das vergegenwärtigt, was die Durchführung dieser ganz neuen Bestimmungen durhch die ganze Monarchie für eine Arbeit hervorgerufen hat, so wird man gewiß geneigt sein, nah dieser Richtung hin einige Billigkeit walten zu lassen und zu bedenken, daß es von vornherein nit anzunehmen war, daß nicht hie und da einmal ein Mißgriff von seiten der Provinzial-Regierungen gemacht werden follte. Jh kann im allgemeinen sagen, die Sache ift gut ge- gangen. Wir sind zu neun Zehnteln in der ganzen Monarchie glatt fertig, zu einem Zehntel noch nicht, und es ist ja begreiflih, daß bei einzelnen Regierungen entweder die Schulabtheilung nit ganz auf der Höhe gewesen ist, oder daß sich der Präsident niht so speziell und eingehend mit der Sache befaßt hat, wie bei anderen. Wo das geschehen ift, ist die Sache sehr gut gegangen. Wir haben Bezirke, große Bezirke, die absolut glatt und ohne eine einzige Be- schwerde, und das will in einer solhen Sache sehr viel sagen, voll- frommen fertig reguliert sind. Jch weise namentlich hin auf den NRegierungtbezirk Gumbinnen in Ostpreußen, der fertig ift, ohne daß bisher eine einzige Beschwerde an mi gekommen wäre. Höchst ungünstig für die Durhführung lagen die Verhältnisse im Regierungs- bezirk Königsberg. Als das Geseß zur Durchführung gelangte, war der Vorsißende der Schulabtheilung in Königsberg tiefkrank er ist inzwischen verstorben und es is da in der That die Sache nicht nur langsam gegangen, fondern in mancher Beziehung au nit so, wie wir es gewünscht haben würden. Immerhin aber mache ih darauf aufmerksam, daß auch aus dem ganzen Regierungsbezirk Königsberg bis jeßt nur drei Bes{werden an mich ge- langt sind; eine von einem Mitgliede dieses hohen Hauses, die ich fofort auf Grund einer mündlichen Besprechung einer eingehenden Untersuhung unterzogen babe, es sind zwar von seiten der Behörde, auch des Ober-Präsidenten, Bedenken dagegen erhoben worden, ob wirkli Grund zur Beschwert e vorliege; ih habe aber den betreffenden Herrn Beschwerdeführer gebeten, mir seine Be- {werde zu spezialisieren, und habe ihm zugesagt, daß wir in der Lage fein würden, wenn sie sih wirkli irgend als begründet erweift, ihm zu helfen. Es handelt sich dabei um-etnen Gutsbezirk. Jch darf ferner darauf aufmerksam machen, daß die Regierung in Königsberg angezeigt hat, daß sie die Fonds, die zu staatlichen Beihilfen und Unter- stüßungen für Gemeinden und Gutsbezirke bestimmt find, keineswegs bisher erschöpft hat, sondern taß noch ein erhebliher Betrag vor- handen ift, mit dem wir weiter helfen können. Ich kann daher, da die Herren do sonst den Weg zum Ministerium sehr wohl zu fiudén wissen, nur anheimgeben, mir das Material der einzelnen Fälle, in denen Beschwerden über eine ungere{te Ausführung des Lehrer- besoldungsgeseßes und namentlich über eine illovale Erfüllung dieser Zusage zu erheben sind, zugängig zu machen. Jh verspreche hiermit ausdrücklich, wie es auch meine Pflicht ist, dec Sade bis auf den Grund nachzugehen und zu helfen, wo irgend zu helfen ift, sodaß in der loyalften und weitherzigsten Weise diese Zusagen ihre Er- füllung finden. Jch glaube, Herr Graf von Klinckowstroem wird mir zutrauen, daß ich nicht leihtfertig bier etwas sage, sondern mit vollem Bewußtsein der Tragweite meiner Worte, daß ih mit meiner ganzen Person dafür einstehe; ih stehe dafür ein und will damit stehen und fallen.

Das würde im wesentlichen das sein, was ih auf die Bemerkungen des Herrn Grafen von Klinckowstroem, welchem ih sehr dankbar bin, daß er die Sache jeßt zur Sprache gebracht hat, zu erwidern habe, Wir haben jeßt in Königsberg einen neuen Vorsitzenden der Schulabtheilung, einen tüchtigen Mann, ter das Lehrer- besoldungsgeseß im Abgeordnetenhause mitgemaht hat, der genau informiert ist, von dem ich seiner ganzen Persönlichkeit nah erwarten darf, daß er dort sehr gründlih in die Sache hineinfteigen wird, und ih zweifle keinen Augenblick, daß es ihm in seiner Abtheilung gelingen wird, die Beshwerden, die im Regierungsbezirk Königsberg etwa noch bestehen, glatt und zur Befriedigung der Betheiligten zu erledigen. Jch bitte Sie, uns dieses Zutrauen zu schenken, und sich zu überzeugen, daß es uicht getäusht wird.

Graf von Klinckowstroem dankt dem Minister für diese Er- klärung. Er habe, ehe er dem Minister einzelne Beshwerden mit-

theile, versuhen wollen, die Sache hier im Hause im Großen ab- zumachen.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Jh glaube, daß meine heutigen Erklärungen auch {hon in gewisser Weise eine Instruktion für die Regierung in Königsberg sein werden. Jch bin aber sehr gern bereit, das noch einmal zum Ausdruck zu bringen; ih möchte nur noch bemerken, daß ih sehr bedauern würde, wenn die Regierung in Königsberg diese 90 %%/ als eine ein für alle Mal geltende Minimalgrenze ansehen würde, Sie ist durhaus nicht bindend und foll es nicht sein. Wir haben allerdings 50% als die regelmäßige Minimalgrenze für die Belastung in der Gemeinde angeschen, aber hinzugefügt: Es giebt

"le, wo auch diese Minimalgrenze nicht ausreicht, wo andere Verhältnisse liegen, die die Gemeinde so belasten, daß das niht angeht. Die v Amission des Abgeordnetenhauses hat diese eminente Schwierigkeit der rihtigen Bemessung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden jeyt

bei der Berathung des Pfarrerbesoldung8geseßes ebenfalls erkannt und eine gewisse. Direktive nah dieser Seite hin in das Gesetz hineins- geshrieben, mit der wir uns einverstanden erklärt haben. Wir selbst haben unter der mehanischen Bemessung der Leistungsunfähigkeit der Gemeinden oft außerordentli gelitten. Eine Tediglich mehanisch [eichtfertige Behandlung dieser so tief in das wirthshaftlihe Leben der Gemeinden einschneidenden Fragen dur eine Provinzialbehörde hat in den einzelnen Fällen sehr große Schwierigkeiten und, wie Sie si denken können, auch Unzuträglichkeiten zu Tage gefördert. Es ift falsch, zu fagen: die Gemeinde zahlt so und so viele Prozente zur Staatsfteuer, infolge dessen i sie leistungsfähig oder nit. Denn es giebt Verhältnisse wirth\{aftliher Natur, Verhältnisse der Situation der Gemeinden, ihrer topographischen Lage, threr Verkehrs- verbindungen, ihrer sonstigen Belastung, die das ganze Bild, das bloß auf Grund der Kalkulation gewonnen wird, vollständig verschieben. Es kann Gemeinden geben, die nur 25% zur Staatss\teuer zahlen und doch leistungsunfähig sind, und es kann sehr wohl Gemeinden geben, namentlich ftädtishe Gemeinden, die 100 9% Zuschlag zur Steuer zahlen und doch vollkommen leistungéfähig bleiben. Also, mit folhen mechanishen Berehnungen auf diesem Gebiete kommt man nit aus. Allerdings ift es rihtig, es gehört, wenn ih mich so ausdrüdcker darf, zur rihtigen Handhabung dieser Dinge ein Herz der ausführ-nden Behörde für die Gemeinde und ein administratives Verständniß für das Wohl des Landes. Man darf hier niht mit einfachen bureaukratishen und fkalkulatoris{hen Maßregeln renen, fondern muß ein Herz und ein lebendiges Verständniß dafür haben, wie tief eine folhe Maßregel in das wirthschaftlihe Leben einer Gemeinde eingreift, Das is unser Grundsatz, und dieser wird auch in der Vorlage über das Pfarrerbesoldungsgeseß zum Ausdruck kommen. Ich kann sagen, daß ih mich freue, daß auf Anregung der konser- vativen Partei im Abgeordnetenhause diese Direktive auh in das Geseg hineingekommen is, obwohl sie ihrer Natur nah mehr in die Ausführungsbestimmungen hineinpaßt. Es ist aber sehr gut, daß dies einmal im Geseß zum Ausdruck kommt, daß niht bloß mit bureau- kratisher und falkulatorischer Schablone gearbeitet werden darf das würde nur Unheil bringen —, während wir wirksam und nach Gerechtigkeit und Billigkeit helfen wollen. Wir wollen den Ge- meinden zu Hilfe kommen und ihren Verhältnissen wirkli materiell Rechnung tragen.

Also ich resumiere mich dahin: wir werden bemüht sein, auch das Lehrerbesoldungsgeseß, wo wir irgend können, so sinngemäß, fo verständig und besonnen und zu Gunsten der Gemeinden auszuführen, wie es mögli ift.

Ich darf in dieser Beziehung noch eins bemerken, Zu meiner tiefen Betrübniß sind au allerdings vereinzelten Orten die Lehrer dazu geschritten, einen Einfluß auf die Be- {chlüfse der Gemeinden zu üben, den ih nit billigen kann, den ich im Gegentheil ausdrücklich habe mißbilligen müfsen. Gs ift von folhen Lehrern, wenn auch nur in einzelnen Fällen, viel zu weit gegangen, und ih bin damit garnicht einverstanden. Ich bin jüngst in der Lage gewesen, in einer Gemeinde im Westen gegen den Willen der Gemeinde zu sagen: ihr seid na eueren Verhältnissen, nah euerer Leistungsfähigkeit mit den Beschlüssen zu Gunsten der Lehrer zu weit und über die Theuerungsverhältnisse in euerem Orte hinausgegangen; ihr belastet euch und euere Nahkommen für die Zukunft mit einer Last, die ihr nicht tragen könnt, und die bei den niedrigen Sägen, die im Umkreise beschlossen sind, niht nöthig gewesen wäre. Also davon können Sie überzeugt sein, daß ih weit davon entfernt bin, hier etwa bloß den Gesichtspunkt im Auge zu behalten, den Lehrern, ohne Rülsiht auf das Bedürfniß, zuzushanzen soviel als möglich ist. Was wir wollen, ift ein gerechtes, ein bescheidenes, aber auskömmlihes Einkommen nah den örtlihen Verhältnissen. Es ist eine gewisse Ungleichheit in dieser Beziehung eingetreten, die auch nicht ganz zu vermeiden war. Entweder mußten wir ein System wählen, bei dem wir sagten, wir mackchen Normal\äße für ganze Provinzen, für ganze Bezirke, für die ganze Monarchie, oder wir mußten Minimal- säße aufstellen und es im übrigen den Beschlüssen der Gemeinden unter Hinzutritt der Aufsichtsbehörden überlassen, die Gehälter ange- messen und nah dem örtlihen Bedürfniß, wie es in den einzelnen Gemeinden befteht, wobei deren Leistungsfähigkeit auch nit unberüdcksihtigt bleiben darf, zu regulieren. Dieses leztere System haben wir eingeschlagen, und das bringt selbft- verständlich mit sich, daß eine gewisse Ungleichheit bestehen kann. Diese Ungleichheit ist und ich bedauere das in gewissem Maße dadurch erhöht worden, daß im Landtage der Monarchie in 8 4 des Lehrerbesoldungsgeseßes in Bezug auf die Stellen, die mit kirhlihen Aemtern verbunden sind, die Pflicht auferlegt ist, für das kirhlihe Amt, für das Küsteramt eine angemessene Erhöhung der Lehrer- besoldung eintreten zu lassen. Wir hatten uns dies auch vor- genommen, hatten aber nicht ein formell vor¡uschreibendes Benehmen mit den kirhlihen Behörden vorgesehen. Das ist erst im Abgeordnetenhause hineingebraht worden. An sih ist es ja ganz berechtigt, daß die Kirche, die in Bezug auf das Küfteramt oder fonft ein kirhlihes Nebenamt betheiligt i, wenigstens gehört wird. Wir würden sie auch gehört haben ; aber dadur, daß diese Sache so, wie geshehen, in das Gefeß geschrieben ift, ift der Umstand eingetreten, daß einzelne Konsistorien ¡und auch einzelne Herren Bischöfe unge- messene, über das thatsählihe Bedürfniß hinausgehende Ansprücke in Bezug auf den Zuschlag, der für diese kirhlichen Stellen gemacht werden foll, erhoben haben. Das erschwert dann eine gleihmäßige und der Billigkeit entsprehende Gesammtregulierung nicht selten in recht erhebliGzem Maße.

Wenn jeßt ein Lehrer aus dem Gesammteinkommen der Stelle ein Einkommen hat, das nah so und so vielen Dienftjahren weit über 3000 „6 (Hört! hört!) ja bis an 4000 M heran, in ctnzelnen wohlhabenden Gemeinden darüber hinaus beträgt, wenn der Lehrer dadur in eine wirthschaftliche Lage kommt, die noch besser ist als die des Geistlichen, und wenn dann die Kirhenbebörde kommt und mich ersucht, ih solle dafür sorgen, daß der Mann noch tausend Mark für Küstergeshäfte bekommt, dann ftehe ih diesem Ansinnen gegen- über ganz befremdet. Wir find jeyt daran, das auszugleicben. Ich bin überzeugt, der Evangelishe Ober-Kirhenrath wird mir helfen, daß diese Dinge in Billigkeit und mit Verständniß und Besonnenheit er- ledigt werden, und daß übertriebene Forderungen der kirhlihen Provinzial - Behörden und Konsiftorien einigermaßen eingeschränkt werden; denn \{chließlich, meine Herren, fällt es immer auf die Ge- meinden, und wo nicht auf die Gemeinden, fällt es auf den Zuschuß, den wir geben können. Wir haben ja, dank derLiberalität desHerrnFinanz-Ministers,

einige Mittel für diese Zwecke; aber diese haben auch ihre Schranken. Ih kann jeßt niht an. den Herrn Finanz-Minifter nochmals heran- treten und sagen: Ih will noch mehr haben; denn der Herr Finanz- Minifter hat sich in dieser ganzen Sache äußerft entgegenkommend bewiesen, und ich muß anerkennen, daß die Sache doh auch endlich einmal zu einem Abschluß kommen muß.

So steht die Ausführung des Lehrerbesoldungsgeseßes. Sie fSunen überzeugt sein, daß wir, und zwar alle Betheiligten, alle Beamten, die dabei mitwirken, innerhalb des Ministeriums, alle ihre Kräfte daranseten, daß die Sache verständig gemabt werde. Bleiben hier und da einzelne Indiéparitäten, Ungleichheiten, übermäßige Be- lastungen nun, meine Herren, fo wird es in Zukunft si ändern lassen; die Beschwerden werden niht ausbleiben, sie werden gründlich geprüft werden, und wo wir irgend helfen können, werden wir helfen. (Lebkaftes Bravo!)

Graf von Zieten-Schwerin: Es war doch gut, daß wir in das Gesetz hineinschrieben, daß der Staat si in dieser Hinsicht mit der Kirche ins Vernehmen segen müsse; sonst wäre er über die Kirche hinweggegangen, als ob sie gar nit da wäre. Die Kirche muß in folWen Dingen gefragt werden.

_ Referent Freiherr von Durant bemerkt, daß auch in der Kom- mission Beschwerden darüber bvorgebraht worden seien, daß die Pro- vinzial-Schulbehörden nicht durhweg nach den Intentionen des Ministers verfahren seien.

Polizei-Direktor Dr. Ge sterding-Greiféwald bittet um einen Neubau für die Psychiatrische Klinik in Greifswald, um die Errichtung eines Ordinariats für Geographie und um den Bau einer Turnhalle bei dieser Universität.

Ministerial - Direktor Dr. Althoff: Die Einrichtungen der Psychtatrishen Klinik in Greifswald bleiben allerdings weit zurück hinter denen an den anderen Universitäten; das kommt daher, daß mit der Provinz noch keine Eintgung erzielt is über die Hergabe der Kranken der Provinzial-Anstalten für die Klinik; es würde vielleicht besser sein, auf „die Psychiatrishe Klinik in Greifswald ganz zu verzichten, als diesen polizeiwidrigen Zustand fortbestehen zu laffen. Für den Neubau einer Turnhalle können die nöthigen Vorbereitungen getroffen werden. Ordinariate für Geographie bestehen allerdings an den meisten Universitäten, aber doch nit an allen.“ Wie lange der Wunsch, das Extraordinariat für Geographie in Greifswald în ein R R umzuändern, noch ein frommer Wunsch bleiben muß, weiß ih nit.

Ober-Bürgermeister Struckmann mat auf cine Petition auf- merksam, nach welher aus dem Fonds von 10 Millionen zu Bei- hilfen an unvermögende Schulverbände für tie Schulunterhaltung Beihilfen gewährt zu werden schienen für Zwecke, die eigentli nit unter diefen Titel fallen dürften, z. B. für Reparaturen an Schul- gebäuden, die nach dem § 33 A.-L.-R. eigentlih der Gutsherrschaft zur Last fallen.

Ministerial-Direktor Dr. Kuegler will sich erft bei der Be- rathung der Petition näher auf diese Sache einlafsen, weist tber orps kurz nah, daß kein Verstoß der Regierung gegen den § 33 vorliege.

Ober-Bürgermeister Westerburg- Cassel hält doch das Ver- fahren der Regierung für unzulässig.

Ober-Bürgermeister Bender- Breslau bittet, die \{chöne Samm- lung von alten Geweben des Berliner Kunstgewerbe-Museums auch der ‘Provinz Schlefien zugänglich zu machen mit Hilfe eines neuen Druckverfahrens, vermittels dessen das Gewebe in seiner Art und Farbe ganz genau wiedergegeben werden könne.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ih bin sehr gern bereit, der Anregung des Herrn Bender Folge zu geben und die Verwaltung des Kunstgewerbe- Museums darüber zu hören, wie es kommt, daß sie dieses Verfahren, das ja nah meiner Auffassung etwas außerordentlich Nüßtliches und Schöônes ist, nit bereits benußt hat, um solche Vervielsältigungen in größerem Maße herzustellen. Ich bin augenblicklich über diese Frage nicht bis in die Details informiert, werde ihr aber nachgeben. Unsere Verwaltung des Kunstgewerbe-Museums ift so aktiv, daß ich wohl annehmen darf, daß sie einer solchen Anregung sehr gern Folge geben wird.

Der Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten wird bewilligt.

Eine Reihe anderer Spezial-Etats wird ohne Debatte an- genommen, ebenso der Etatsgesez-Entwurf, nahdem General- Berichterstatter Graf von Königsmarck auf die vom Hause der Abgeordneten eingefügte Jndemnitätsklausel für die bereits seit dem 1. April geleisteten Ausgaben hingewiesen hat.

Damit ist der Staatshaushalts-Etat für 1898/99 endgültig bewilligt. fi Es folgt die Juterpellation des Grafen von Klinckow- troem:

Welche Schritte hat die Königlih preußische Staatsregierung gethan, um beim Bundesrath die Aufhebung der gemischten Transit- lager, Zollkredite und Mühblenkonten zu erreichen, und welhe Er- fahrungen sind in Preußen mit dem vom Bundesrath unterm 16. Dezember 1897 erlassenen Regulativ für Getreidemühlen und Mälzereten gemacht ?

Graf von Klinckowstroem: Der erste Theil meiner Inter- pellation ift gegenstandslos geworden, nahdem bekannt geworden, daß der Bundesrath sih mit dieser Frage beschäftigen werde. Was den zweiten Theil betrifft, so sind die Beshwerden au nach der inzwischen zusammengetretenen Konferenz nicht hinfällig geworden. Das bis jeßt angewandte Typenverfahren ift unzulänglich; es darf nit vorkommen, daß auf Grund des Typenverfahrens Mehl ausgeführt wird, das allein garnicht zu verwerthen ist, sondern mit anderem Mehl ver- mischt werden muß. Au das Müblenregulativ ift wider- spruchsvoll. Mehl, welches der Type niht entspriht, foll niht zur Ausfuhr gelangen. Nun, dann nehme ih es zurü und deflariere es, dann kommt es zur Ausfuhr. Es fehlt überhaupt eine nähere Begriffsbestimmung : was ist Mehl ? Mehl ift doc nur ein Ver- edlungsprodukt. Man führt Mehle aus, die minderwerthig find und do eine Bonifikation bekommen. Das Regulativ is von den Unter- behörden anfänglih nicht verstanden worden, und es hat einer weiteren Verfügyng des Finanz-Ministers bedurft, die aber ebenfalls die Sache noch nicht geklärt hat in Bezug auf das Ausbeuteverbältniß. Ich habe darüber von Dn sehr interessante Mittheilungen erhalten. Wenn Mischungen stattfinden, so ift die Kontrole sehr ershwert. Es ist nicht möglich, die zuerst abgezogenen 15 % Feinmebl zu exportieren ; sie werden mit Rückständen gemi|cht. Es giebt kein Verfahren, die Bestandtheile dieser Mischungen festzustellen. Nun könnte man sagen: wenn die Exportmüller fals deklarieren, werden sie bestraft. Zch will auch nit behaupten, daß sie es thun, ales ih ihre kleineren Kollegen stark im Verdacht habe. Aber ih ehaupte, daß diefe Mischungen nit unter das Regulativ fallen. Es ift eben kein Mehl, und dieser Begriff muß genau festgestellt werden. Wir wünschen allerdings auch, daß der Export möglichst hoch ift, aber daß nur das feine Mehl exportiert wird und die Nückstände im Lande bleiben zu Futterzwecken für die Landwirthschaft. Statt dessen wird ein großer Theil Kleie von den 100 großen Exportmühlen und den kleinen Müllern exportiert, namentli in Form des gemischten Mehls. Kein Mensch weiß in dieser Frage, was eigentlich recht und billig ist. Die jeßige Kontrole kann garniht länger aufrecht erhalten werden; die Geschäftsbücher reihen dazu nicht aus. Sämmtliche Mühlen müssen unter Zollkontrole gestellt werden. Die Be- lästigung der Mühlen fällt niht ins Gewicht; eine solhe Be- lästigung müssen auch wir Landwirthe uns gefallen lassen.

Ih habe auch nichts dagegen, wenn der Staat die Kosten der Zollkontrole trägt; er macht dabei immer us ein gutes Geschäft. Man spricht jeßt soviel von Mittel atb politik. If das Meittelstandspo itik, wenn folde leinen Mühlen von den großen aufgerieben werden? Von 57 000 kleinen Betrieben P ras in den leßten Jahren nur 30 000 übrig geblieben. Ist das nit geradezu erschreckend? Wenn erst Reich und Arm un- vermittelt aufeinanderplatzen, dann geht der Staat zu Grunde. Der Kleinbetrieb wird in fteigender Geshwindigkeit langsam, aber sicher zu Grunde gerichtet, und es muß etwas gesehen. Man sei hier niht allzu sentimental. Die einseitige Begünstigung des Exports war vom Uebel. Es wäre thöôriht, den Export zu beshneiden, aber ich will auch die fleinen Mühlen am Leben erhalten.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ih habe allerdings die Bemerkung, worauf si Herr Graf von Klinckowftroem bezieht, hier ausgesprochen, daß ih es für rihtig halte und für wünschenswerth, daß dic Landwirthschaft mit diesen Fragen, wie Herr Graf von Klinckowstroem es fo eingehend thut, sih beschäftigt. Aber ih habe dabei gewünscht, daß man ih fo gründlich mit der Sache beschäftigt, daß man wirkli ein be- gründetes Urtbeil darüber gewinnt. Ich kann aber nicht finden, daß die Ausführungen des Herrn Grafen von Klinckowstroem in dieser Beziehung die volle Durchdringung des allerdings s{chwierigen Gegenstandes zeigen.

Meine Herren, die ganze Einrichtung, daß wir bei der Ausfuhr für Mehl eine Quantität Roggen oder Weizen bonitieren, war be- kanntlih an fi eine nothwendige und von allen Seiten als folhe anerkannte Erzeugung der Erhöhung der Getreidezölle. Man war darüber einverstanden, daß fonft die EGrhöhung der Getreidezölle den Export von Mehl und Getreide vollständig beseitigen würde, und infolge dessen wurde die Einrichtung getroffen, weil inan be- griff, daß das für die Landwirthschaft auch sehr {chädlich fei, wenn der Export in dieser Weise gänzli aufhören würde, daß man eine Bonifikation beim Export von Mehl gewährte. Dadurch würden die Mühlen erhalten.

(Fine ähnlihe Frage ift ja später aufgetaucht bei Gelegenheit der Aufhebung des Identitätsnahweises. Da handelte es \ih nicht sowohl um die Möglichkeit des Exports von Mehl, aber um die Möglichkeit des Exports von Getreide. Es war im wesentlichen dieselbe Frage, und gerade die Herren Landwirthe aus den östlihen Provinzen haben am meisten und am entsciedensten diese nah meiner Meinung wohlberehtigte Forderung vertreten. Und ih freue mich, daß die Erfahrung bewiesen hat, daß diese Maßregel durchaus zutreffend war. Wir können also nichts thun, und das hat au Herr Graf von Klinckowstroem eigentlih nicht verlangt, welches diese bestchende, auf dem Tarifgeseße des Reichs beruhende Einrichtung, daß wir überhaupt Bonifikationen für ausgeführtes Mebl gewähren, gänzli befeitigte. Es wäre das jedenfalls eine Frage, die vor den Reichstag gehört, die wir hier niht entscheiden können. Ih bin aber sicher, die preußische Staatsregierung würde sih auch gegen eine folche Aufhebung erklären. Auf der Basis müssen wir also operieren. Nun ist rihtig, daß von jeher die Frage der richtigen Feststellung des Ausbeutever- hältnifses und die Kontrole darüber sehr große Schwierigkeiten ge- macht hat. Es sind in dieser Beziehung eine Menge verschiedenec Konferenzen, Vernehmungen von Sachverständigen, Berathungen unter den Regierungen im Bundesrathe erfolgt, und es sind eine Reibe von Ergänzungen und Aenderungen darauf geriteter Vorschriften getroffen. Vor einigen Monaten noch hat eine folhe Konferenz von Sahh- verständigen unter Zuziehung der vershiedenen Vertreter der Bundes- staaten und preußisher Ressorts ftattgefunden, und es ift das von der- selben beshlofsfene neue Regulativ im Januar dieses Jahres in Kraft getreten. Meine Herren, wenn nun Herr Graf von Klinckowstroem die Frage stellt, welche Erfahrungen mit diesem Negulativ gemacht sind, so wird er felbffft erkennen, daß die Frage gegenwärtig, nach drei Monaten, überhaupt noch niemand beantworten kann. Wir aber können nicht sagen, daß wir {hlechte Erfahrung gemacht hätten. Denn über Unklarheit, Un- bestimmtheit oder Verkehrtheit dieser neuen Bestimmungen immer auf der Basis des bestehenden Reichsgeseßes gedacht haben wir weder Anfragen noch Beshwerden bekommen. Wenn die Bestimmung fo dunkel, unklar und unbestimmt wäre, daß die Behörden selber daraus nit klug werden könnten, dann würden wir Anfragen oder au Be- {werden bekommen haben. Einige Herren sind persönlich ¿zu mir gekommen, wié sie au zu Herrn Grafen von Klinckowstroem gekommen zu sein scheinen, und haben uns allerdings gesagt, daß sie die Sache nicht verständen. Das hat mir aber keinen großen Eindruck gemacht. Es gehört dazu eine gewisse mathematische und eine gewisse tehnishe Kenntniß der Zollgeseßgebung, um fol{he Bestimmungen zu verstehen. Es ist jedoch garniht {wer geworden, den Anfragern die Sache völlig klar zu machen, und sie sind meistens völlig befriedigt von dannen gegangen. Im Anfang haben sie allerdings gemeint, daß zu viel bonitiert würde, weil für vershiedene Mehle vershiedene Bonifikationsbeträge vergütet werden. Als sie sich aber überzeugten, daß niemals mehr gezahlt werden kann, als die Maximal- grenze vorschreibt, waren sie vollkommen beruhigt und fanden die Sache völlig in der Ordnung.

Meine Herren, der Herr Ministerial-Direktor wird das zolltechnis{e Verfahren noch näher erörtern. Jh will auf diese Spezialitäten zur Zeit niht eingehen. Jch frage nur, was bezweckt die Interpellation? Doch unzweifelhaft die Vertretung der berechtigten Interessen der Landwirthe und der kleinen Mühlen. Jh bin, meine Herren, aber zweifelhaft, ob das, was Herr Graf von Klinckowstroem erstrebt, nit den Juteressen dieser beiden Bevölkerungsklassen mög- liherweise widerstrebt. Offenbar bekümmert es Herrn Grafen von Klinckowftroem, daß hier geringwerthiges Mehl ausgeführt wird. Er sagt, die Abfälle sollen garniht ausgeführt werden, denn das ift eigentlich gar kein Mehl, es sind Abfälle. Eine geseglihe Definition von Mehl existiert allerdings nicht. (Graf von Klinckonstroem : das ist eben der Fehler.) Eine geseßliche kann au nicht gegeben werden. Jedenfalls ist dasjenige doh wohl im gewöhnlichen Sprachgebrauch Mehl, aus welchem Brot gebacken wird, welches von Menschen gegessen wird. Meine Herren, dieses Mehl, welches Herr Graf Klinckowstroem beanstandet, wird, wenn auch nit in Deutsche land, fo doch anderswo gegessen, z. B. in Finland und Norwegen, das ist aber Mehl. Wir effsen au gröberes Mehl als die Franzosen. Alles dasjenige muß als Mehl angesehen werden, aus welchem thatsählih Brot hergeftelt wird zum Genuß der Menschen, und das ift bei diesem Mehl zweifellos der Fall. Wenn dieses Mehl, welches Herr Graf Klinckowstroem beanstandet,

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