1920 / 144 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

an die Türkei mit 156,1 Millionen türkischer Pfund, die bis 11 Jahre

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name diSontierten Schaßanweisung darauf zurüdck- zuführen, daß 2,7 Milliarden Mark Zah vechbungen nunmehr in diéfontierte Schaßanweisungen umgewandelt werden mußten.

Das Bild der ReichEverschuïdung ist aber damit noch nicht abge- Das Reich hat ja für die Krieg8aufwendungen der Länder iden aufzukommen. Deren Höhe steht nod nit ganz genau

eit, wird sich aber auf 15 bis 16 Milliarden belaufen, Eine Summe ven 800 Millionen Mark für Verzinsung und Tilgung der Summe ist

im Schuldendienst in den neuen Haushalt cingestellt. Erlauben Sie mir, wenn auch nux rechner!sch, Nilliarden zu den 210,3 Milliarden hinzuzuseßen, dann haben Sie, eine Neichs\chuld in der

Höbe von 225,3 Milliarden Mark.

Endlich darf man nicht vergessen, daß auch die Abfindung für die Vebernahme der Eisenbahn auf das Nech einen Betrag von 394 Milliarden erfordert. Sobald diese Summe auc rechneri\s& hin-

und ich will es tun, obwohl Sie mir darüber Vor-

machen könnten; denn es stehen natürlich dieser Schuld aub

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Werte gegenüber; aber die Gesamtverpflichtung des Neiches darf man recnerisch einmal zusammenzählen —, so kommen Sie auf eine Ge- famtreihéschuld von 264 bis 265 Milliarden Mark.

Bei dem ungeheuren Ernst unserer Finanzlage kann es nicht weiter geschehen, daß die ganze Volkswirlschaft vom Neiche zehrt, und daß umgekehrt bei der Erhebung von Steuern Schwierigkeiten gemacht werden. Das deutsche Volk ist leider während des Krieges nicht zu dem so dringend nötigen Steuerheroi8mus erzogen waxden. der 6 Jahre von 1914 bis Ende 1919 ih bitte, diesen Saß auch einmal wie vorhin mit einer gewissen Ruhe entgegen- nehmen zu wollen sind nur 16/4 Milliarden Mark an laufenden Steuern in die NReichskasse geflossen, wozu noch eias{ließlich des Wehrbeitrags 9,5 Milliarden einmalige Steuern hinzukamen. Jeßt brauchen wir in cinem einzigen Jahre mehr laufende Neichssteuern, als in den 6 Jahren zusammen au dauernden und einmaligen Steuern avfgelommen sind. (Hört! hört!) Gerade weil man im Kriege nicht an das Steuerzahlen gewöhnt worden ist, ist unsere Finanz- lage beute so außerordentlih trostlos. Es ist eben wie bei einer Krankheit: je länger sie vershleppt wird, desto gefährlicher wird sie, und desto s{wieriger ist nachher die Heilung.

Die Folgen einer weiteren Verschlehierung unserer Finanzlage bei den Versuchen etwaiger Steuersabotage kann man sih gar nicht ausdenken, Sie müßten sich unbedingt in einer neuen Entwertung unseres Geldes äußern und würden so in allererster Linie den Ar- beiterstand und die sonstigen Klassen des Volkes treffen. Darum ist die Erhebung der neuen Steuern eine der wichtigsten und vor- dringlihsten Probleme unserer Fincmzyolitik.

Welche Schwierigkeiten diefe Erhebung bereitet, davon kann sich der Außenstehende kaum eine Vorstellung machen. Wenn schon bei den direkten Steuern, die vor dem Kriege eingeführt worden sind, eine ziemlih große Zeitpanne zwischen der Verabschiedung eines Ge- setzes und ver Grhebung der Steuer verstrich, so erklärt sich die Ver- zögerung der gegenwärtigen Steuerveranlagung umsomehr, als dur den Krieg und seine Folgewirkungen unser ganzer Finanzapparat gelitten bat und nun ganz neu aufgebaut werden muß. Dazu kommt, daß die neuen Steuergeseße wesentlih kTomplizierter sind wegen ihres starken sozialen Einschlags, daß sich weiter die Zahl der Steuer- pflichtigen außerordentlih vermehrt hat. Auch die Tatsache, daß demnächst mehr als das Zehnfahe an Neichssteuern erhoben werden muß, als das früher der Fall war, hedingt eine Menge neue Arbeit. Nichtsdestoweniger geht mein Bestreben in der lurzen Zeit, wo ih dm Amte bin, stets dahin, die Veranlagung der neuen Steuern, soweit es möglich ist, gu beschleunigen. Was nur irgendwie geschehen kann, um den Finanzapparat möglihst rasch zum Arbeiten zu bringen, soll dabei geschehen. Aber auch vom Volke muß man angesichts der Bedeutung, die die Steuererhebung für das ganze Wirtschaftsleben hat, erwarten, daß es zu einer möglichst reibungs- losen Einhebung der Steuern beiträgt. Dieje Mahnung gilt aber auh den Banken. Auf alle Fälle wird mit allem Nachdruck gegen Steuerflucht und Stenevhinterziehung angekämpft werden. Man darf unter anderem eins nit vergessen, daß zum Beispiel das Neichsnot- opfer dur drei Jahre hindurch neu veranlagt werden kann. Wer also seine Steuererklärung nicht richtig abgibt, braucht noch lange nicht zu denken, daß er vor schweren Strafen sicher 1. Nah SÞpaa wird es die Hauptsorge der Negierung sein, im Benehmen mit dem Reichstage die Frage der Steuererhebamng aufs neue in Fluß gu bringen.

Als stzuerliche Maßnahme, um deren unbedingte Regelung noch in dieser Tagung des Neichstags ih den Reickstog dringend bitten muß, kommt die Verlängerung des Kohlensteuergeseßes in Betracht. Die CGeltungsdauer diefes Gesebes läuft am 31. Juli d. J. ab. Auf die Einnahmen daraus, die im abgelaufenen Nechnengsjahr rund 1,3 Mill:arden betragen haben und in diesem Jahre voraussichtlich 42 Milliarden betragen werden, kann unter keinen Umständen ver- zidbtet werden. Die Finanzlage würde sogar dringend cine Erhöhung der Kohlensteuer fordern. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ic muß mich aber bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage darauf be- \chrän!ken, zur Zeit ledigli eine Verlängerung des Gesehes zu fordern, und zwar zunächst mur auf ein Jahr. Eine Erhöhung der Kohlen- steuer lehne ih zur Zeit aus sozialen Gründen ab. Während dieser Zeit kann auch die mehrfach angeregte Frage, ob und in wieweit eine Neugestaltung der Steuer durchführbar ist, geprüft werden. Neben der Verlängerung der Geltungsdauer des Kohlensteuergeseßes soll auch in weitem Umfange die Möglichkeit geschaffen werden, die Gewinnung gewisser wibtiger Nebenerzeugnisse aus der Koble steuerlih zu be- günstigen. ;

Und nun Spaa! Wir stehen vor Sipaa und damit, wie Sie gewtß zugeben werden, vor einer Stunde unseres Schicksals, vielleicht vor dem Scbickfal Europas. Von den Verhandlungen in Spaa hängt nit

nur unsere Zukunft ab, sondern anch die Frage des gesamten europä- iden Wiederaufbaus. Wenn Vernunft und Verständigungewille die Verhandlungen beherrst, kann man wohl auf einen Erfolg hoffen, der zu ciner rasden Behebung der Krieg&scäden zu führen vermag und auc uns wirtscaftlid wieder zu Atem kommen läßt. Nothwendig aber

ährend

ist, daß Deutschlands wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wieder gehoben

wird und daß weiter der Umfang der Leistungen wie aub die Modali-

tät ihrer Durchführung von den Gefeßen der wirtscafilichen Vernunft diktiert sind. Diese wirtschaftliche Vernunft gebietet, daß man einen |

D D E D L E R O D L L Mi er E e L Mr a a

Tèner in Lem Vestreben, seinen Verpflibtungen dur® Arbeit und j

of «mul Ey 120 nit 4 è r L ¿S MEIT N a

02:3 naczuiommen, untcritußt. (Sehr iti) Raubt man dem Inne; 49 S f E E E ap lckfeit, zu aubeiten und sich wirisGaftl:ch über |

¿u Hallen, dann beraubt man sich selbst seiner Forderungs- |

Das Problem der deutsden Zahlungsfähigkeit ist primär cin

afilibes und erst fekundär ein geldliches Problem. Die Volks- massen insbesondere in den fremden Ländern denken immer an Geld- Dabei haben sie Æecrbaupt keine Vorstellung davon, weldcke 1ht hinter dem lakonishen Milliardenbegriff teht, haben faum cine Ahnung von der ungeheuren Größe der Maßstäbe, um die es sich dabei Erst wenn man die Zahlenauêdrüde in. Beziehung zu wirtschoftlicen Werten seßt, dämmert ter Begriff von threr übterwältigenden Größe auf. So ist z. B. der Wert des nesamten Grund und Bodens in DeutsGland (ohne den Wohnungs-

ungeheure Zallent

r G eyl, andelt.

boden) vor ckem Kriege, also in einer Zeit, da unser Boten in böcbster

Grtragsfähigkeit stand und noch keine Abtrennung großer Gebietsteile in Ost und West zu berücksihtizen war, auf 40 bis 50 Milliarden

nah den höchsten Schäßzungen angegeben worden. (Hört, hört!) Das waren Goldmark, Betrachtet man ‘so die Milliardenziffern, wie sie

in der franzosishen chauvinistiscen Presse genannt worden sind, von 120 Milliarden Goldmark usw., die also annähernd das Zweieurhalb- faee des ganzen land- und forstirirtsckaftlih benußten Bodens in Deutsckland bedeuten, so fann man si erst einen Begriff macken von

, der Unsiznigkeit der Summen. (Lebhafte Zustimtnung.) Mit Zahlen-

begriffen um sih zu werfen, hat bei der Wiedergutmachungsfrage nicht fehr viel praktischen Wert. Die gange Welt muß überhaupt von dem Ge‘dwahn loszukommen versuden, muß wirtschaftlih denken lernen, die Zusammenhänge zwischen Finanz- und Volkswirtshaft, die gerade vei den geldlichen Problemen die auss{lacgebende Rolle spielen, er- kennen und sh danach einstellen, sons kommt man immer wieder auf einen toten Punkt.

Man darf nicht vergessen, daß internationale Schuldenabtragungen nur erfolgen können zur& Sacbgutlieferungen oder Dienstleistungen irgendwelcber Art. Dic Aßktretung von Forderunaen kommt für die deulsde Bolkêwirtschaft órerst nit mehr in Fraae, da wir ja unsere Auslandsguthaben ber&{is verloren haben. Es bleibt also bloß das eine Mittel der Sab ¿ut- und der Dienstleistungen. Das ganze Wieder- guimacbunasp¿oblem wächst sih damit von selbst aus zu cinem Problem der Produ con. Welche Finanztransaktionen man au ausdenken mag, sie gebzn alle {ließli immer wieder zurück auf die cinfahe Formel der Ucbers(ußleistung der heimisen Wirtschaft an Waren oder Viensten zugunsten der Entente. Unter diesem wirtschaftlihen Gesichts- punkt ist die ganze Wiedergutmacbungsfrage zu behandeln. Der Geld- {letier, welcher die einfahen Gemüter so sehr verwirrt, muß zerrissen werden; die Milliardenpsychose in der Welt muß überwunden werden.

| Das Geld ist kein Wert an sih. Hat es stofflihen Wert, wie das

Gold, dann ist es eben die Ware Gold, welche den inneren Wert dieses Geldes ausmaht. Das Geld ist heute bloß noch eine rechtliche unv wirls{aftlide Anweisung auf Sakgüter und Dienste, vor allem jeßt in der Papiergeldwirtschaft, es ist das allgegenwärtige Medium der Volks- und Weltwoirtschaft, is Mittler und Maßstab aller wirtschaft- lien Vorgänge und Transaktionen, mehr niht. Von dieser für den Volkswirt selbstverständlihen Tatsahe muß ausgegangen werden, wenn das Problem von Shzaa zu einem für Europa günstigen Ende geführt werden foll. Dazu sind aber Verhandlungen notwendig, Ver- handlungen, die mit dem ehrlihen Willen geführt werden müssen, das niederagedrückte Europa aufzurihten und die drohende Gefahr des / finanziellen, wirtschaftlichen, sozialen und allgemein fkulturellen | Bankrotts von den bart getroffenen Ländern des ganzen europäischen Kontinents zu bannen. Das Problem ift niht nur ein deutshes, sondern ein europäisches, es ist sogar ein Weltproblem. Würde man Deutsch- lond eine Last auferlegen, unter der es zusammenbrehen und zum | Bankrott kommen müßte, dann würden die Folgen mit unerbittlicer Konsequenz auch auf die gesamte Wirtshaft Europas und der Welt zurüsc{lagen. Man sollte bedenken, daß niht selten der Bankrott | des Schuldners auch den Bankrott des Gläubigers am näthsten Tage | zur Folge hat. (Lebhafte Zustimmung.) Die Schuld und Finanz- |

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verpflihtung, die aus dem Kriege resultieren, sind eine einzige ungeheure | Kette, die sih von Volk zu Volk, von Kontinent zu Kontinent \{lingt | und die ganze Welt direkt und indirekt umfaßt. (Zustimmung.) Kommt es irgendwo in der Welt zu cinem Zusammenbruc, so pflanzt si dieser | Stoß wohl auf alle übrigen Länder fort, und die Weltwirtshaft würde | ungeheuren Schaden erleiden, {on aus dem Grunde, weil wichtige | Absaßmärkte veröden müßten. Staatsbankrott das ist heute keine ' bloß finanzielle Angelegenheit mehr; es bedeutet die Zertrümmerung | der ganzen Wirischaftsmaschinerie, die Zertrümmerung des gesamten | kulturellen und sozialen Unterbaues. Darum sind die Finanzprobleme | der Gegenwart so ungeheuer ernst und folgens{wer, und darum is} es | au notwendig, daß allmählich die Finanzprobleme im Jnnern Deutsh- | lands wie der Welt aus dem Gebiete der Polemik herauskommen. | (Sehr richtig! bei der Deutshen Volkspartei.) | An unserm guten Willen bei den Verhandlungen in Sipaa wird ' es nil fehlen. Wir wissen, daß wir in Deutschland mehr wie in jedem anderen Lande unter den Lasten zu tragen haben werden, die der Krieg auferlegt hat. Die Deutsche Regierung und das deutscke Volk haben nicht nur erklärt, daß sie bereit sind, thren Verpflichtungen im Rahmen | des wirtshaftlih Müöglichen und damit auch im Rahmen der im | Friedensvertrag gesteckten Grenzen nadzukommen, sie haben troß aller ungeheuren Nöte der Zeit bisher on Leistungen vollbracht, wie sie noch keinem Volk nach einem verlorenen Kriege jemals auferlegt worden sind. (Lebhafte Zustimmung.) Nur darf man nicht immer wieder vergessen, daß jeder, der Arbeit leisten soll, auch das nötige Handwerkszeug und die nötigen Avbeitsftoffe zur Loistung haben muß. / Nimmt man dem deutschen Volke diese weg, oder hält man sie thm | vor, so kann man es nicht beschuldigen, daß es zu wenig geleistet habe. | Was vom einzelnen gilt, gilt in gloicher Weise von der gangen Volks- fein, wenn nit unser Verkehräwesen und die organis@en Mittel unserer weltwirischaftlihen Betätigung durch Waffenstillstand und | Friedensvertrag so hart getroffen worden wären. (Sehr richtig! bei | den Deutschen Demokraten, im Zentrum und bei der Deutschen Volks- partei.) Wer sich am meisten dur Waffenstillstand und Friedens- vertrag geschädigt hat, das sind die Völker, die sich nad Wiederaufbau chnen. (Erneute Zustimmung.) Wir würden in viel größerem Maße leistungsfähig sein, sagte ih. Unsere Volkswirlschast is aber dadur | stark gelähmt worden, und mau wundert sih nun in der Welt, daß | wir nicht so viel leisten, wie kühne Phantasten und Jlusionisten sich ausgerechnet haben. (Zustimmung.)

| wirtschaft. Wir würden heute in viel größerem Maße leistungsfähig

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bewußt sein. Es dreht fb um unser aller Wohl. Hier müssen innere Kämpfe und Gegenfäße zurücktreten hinter ter großen nationalen Auf- gabe, aus der Not der Zeit wieder den Weg zu langsamer Besserung zu finden. In diesen Stunden entscheidet sib nicht nur unser nächstes Scthifsal, sondern aub die Zukunft der deuischen Kinder und Kindes- finder. Einig und ges{blossen sollten und müßten wir steben, müßten wir die Lasten auf uns nehmen, die uns aus dem Kriege und dem Friedens- vertrage emvrabsen. Al unsere Hoffnung, daß dech noch eine bessere Zeit kommen wird, beruht auf Arbeit, auf unserem Können und auf dem Fleiß unserer Hönde, Nur ein entschlossener eiserner Wille zum Wiederaufbau kann uns vor dem drobenden Verderben retten. Wi

müssen uns Tag für Tag, Stunde für Stunde vor Augen halten, da

Das deutshe Volk muß G jebkt des ganzen Ernstes seiner Lage L

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wir arm, bettclarm geworden sind, daß jeder von uns opfern und seine leßten und besten Kräfte anstrencen muß, damit wir im Kampf mit der großen Not cobsiegen, die sich nit länger durch das Flitterkleid von. Papiermilliarden verdecken läßt, Die fremden Missionen, die in Deutschland arbeiten und wirken, alle die Berichterstatter fremder Völker, die unser Vaterland durcheilen und studteren, sollten fh nit

von einem gewissen Schein blenden lassen, der in Deutscbland da oder dert in cinem Lupusbadeort oder in einer Großstadt sich aufmacht, Das Scchlemmen von Hunderttausenden, das Jubilieren von Zehn- tausenden ist nit die Stimme des deutschen Volkes. (Lebhafte Zu- stimmung bei den Soz., den D. Dem. und im Zentrum.) Das sind die, die hre rasden Gewinne verbrauten, weil Sinn und Ziel ihres Ledvens gar nichts anderes enthält, als von einem Sinnengenuß zum anderen zu taumeln. (Zuruf von den U. Soz.) Ich habe Ihren Laut nicht verstanden. (Zuruf von den U, Soz.: Stinnes! Große Heiterkeit bei ter D. Volkêp.) Jh sage deshalb: tiejenigen, ie das deutsde Volk in seinem Schaffen und Wirken erkennen, und ,_ die Völker, die über uns ein Urteil fällen wollen, haben die Pflicht, |_in die Tiefen unseres Volkes binunterzushauen (sehr gut!), zum arbeitenden Volke in Stadt und Land zu gehen, die haben die Pflicht, die Künstler und die Forscher aufzusuben in der Universität wie in der stillen Stube, wo sie ihre unsterblichen Werke ersinnen. Dort werden sie sehen, wie weit das deutsde Volk gekommen ist. Es greift einem ans Herz, wenn man heute hört, wie mancher junge und alte Gelehrte niht mehr in der Lage ist, ein großes Werk, an dem er Jahrzehnte gearbeitet hat, überhaupt nur drudken zu lassen. Es ist mir erzählt worden, daß große Gelehrte Deutschlands thr vollendetes Werk im Manuskript der Universitätsbibliothek einverleibt haben, da sie niht mehr in der Lage sind, es im Druck ersHeinen zu lassen. _ (Sehr richtig!) Ich glaube dieser Notstand der deuten Wissenschaft, die eine Leuchte für die ganze Welt war, sollte den fremden Völkern die Augen über den Zustand des deutschen Volkes öffnen.

Was si aber das deutse Velk bewahrt hat, das ist der gute Wille, das ist die sittliche Pflicht, die wir übernommen haben, an unserem Teil nah allen Kräften beizutragen am Wiederaufbau von ganz Guropa. (LÆbhaftes Bravo im Zentrum und bei den D. Dem.)

Hierauf ergreift das Wort

Abg. Henke (U. Soz): In dem großen Entschkeidungskampfe zwischen Arbeit und Fapiial hat die große Masse selbst in die Er- scheinung zu treten, und zwar durch ihre Aktionen Vg der Parlamente. Wenn die Arbeiterklasse ihr Ziel erreicht haben wird, | muß sie der Diktatur der Schwerindustrie, des Finanzkapitals und Î der Offizierskaste die Diktatur des Proletariats „entgegenstellen. * Mittel dazu ist das NRätesystem. Deshalb lehren wir die Arbeiter, daß sie ihr Ziel im Klassenkampf erreichen müssen, nur in diesem

| Zeichen werden sie fiegen. Bürgerlicbbe und proletarische Welt-

anschauung liegen im Kampf miteinander; davon, daß der Kampf auch im Parlament eine Rolle spielte war bisher wentg zu merken.

Die sozialistishe Lehre in ihrer materialistischen Geschichtsauffassung

begründet die Forderung der Sozialisierung, Vergesellschaf-

tung der Produktionsmittel, allerdings niht in der

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Weise, wie gestern der Abg. Stresemann diese Idee gewisser- maßen auch als einen Glaubensartikel der Deutschen Volks-

partei refklamierte. (Große Heiterkeit bei den U. Soz.) Herrn Scheidemann muß und wird ebenfalls die Maske vom Gesicht ge- rissen werden. An der „Negierungskrippe“ haben doch früher gerade die Parteifreunde des Herrn Hergt getehen. Die Gegensäße innerbalh der bürgerlihen Parteien stören ihre Einheit und Einigkeit gegen den Sozialismus und gegen die Sozialisten niht im mindesten; das wird {hon der nächste Redner, Herr Helfferich, deutlih erkennen lassen. Es ijt im Wahlkampf der Ruf nah Fachministern stürmisch erhoben worden; aber was hat die Deutsche Volkspartei davon in das Ministerium eingebrachi? Es sind gerade die wichtigsten Ministerien nah der Meinung der „Frankfurter Zeitung“ mit Müännerz beseßt, die schon ihre eigenen Parteien als Verlegen- beiten empfinden, so Herr von Naumer und Herr Scholz. Die großen Leute der Industrie, der Handelskontore und der Kontore der Banîïen, dic keinen Ministerposten übernahmen, wissen ganz gut, daß die Politik nicht allein vom O und von der Negterung

macht wird. Da bleiben sie lieber draußen und verzichten auf das umpige Ministergehalt. Die Banken haben Konjunkturgewinne von vielen Millionen gehabt. Kolossale Gewinne zu machen, ist natürlich viel interessanter als in der Negierung zu sißen. Die Kapi-

Gbuvg-Anzerika-Lime is dem amerikaniscken Kapital verfallen. Die Kapitalisten haben aus dem Kriege Riesengewinne gezogen, und nun erzielen e auch Riesengewinne aus dem ungeheuren Elend. Jn | Spac kommen nicht die Vertreter der Arbeiterschaft zusammen, | sondern die des Kapttalismus. Wenn es nach dem Willen

der NReaktionäre ginge, dann würden wir bald einen weißen Schrecken | in Deutsck"and erleben. Darum rufen wir den Arbeitern zu: Seid | auf der Hui! Nur durch den internationalen Klassenkampf können | de Forderungen des Sozialismus verwirkliht werden. (Beifall bei l

en U. Soz.) Bayerischer Gesandter von Preger: Ih will nur kurz auf eine Bemerkung des Neichsfinanzministers eingehen. Bayern soll durch höhere Besoldung seiner Landesbeamten als die, die das Neich vorsieht, bei den jeßt dort tätigen Reichsbeamten das Gefühl der Zurückseßung hervorgerufen haben. Ih weise darauf hin, daß; es sich hier um Beamtenklassen handelt, die von jeher eine höhere - Besoldung batten als die entsprebenden Beamten im Reich. Es kann also nit der Vorwurf erhoben werden, als ob Bayern etwa | durh seine Beamtenpolitik irgendwie die Finanznöte deé Neichs | vermehrt habe. | Abg. Eisenberger

(Bayer. Bauernbund): Man hat der alten Koalitionsregierung während des Wahlkampfes viele unge- rechten Vorwürfe gemacht. Man muß anerkennen, daß sie in einer Zeit das Nuder in die Hand genommen hat, als andere Parteien davor zurücks{reckten. In der Zwangswirtschaft haben wir von jeher nur ein notwendiges Uebel gesehen. Sie hat viele Auswüchse " gezeitigt, die besser vermieden worden wären. Zur Hebung der land- wirtlscaftlihen Produktion müssen die Wasserkräfte nad Mögli@&keit ausgenußt werden. Hoffen wir, daß das Wort sh bewahbrheitet: Gott verläßt den Deutschen nicht!

| Um FLettua, 1 E, Fortseßung dieser Beratuna: | vorher Anfragen, nachher Notetat, Schluß 614 Uhr.

talisten find ja Internationalisten vom reinsten Wasser. Die Ham- /

Sit

t:

zum Deutschen ReichSanzei

Ir. 144.

Dweite Beílage

Berlin, Freitag, den 2. Zuli

ger und Preußischen Staatsanzeiger

1920

Nichtamtliches.

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.) Vorläufiger Reichswirtschaftsrat. 2. Sißung vom 1. Juli 1920, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbiüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Präsident Edler von Braun eröffnet die Sizung nach 11%, Uhr. Der Saal ist wiederum voll beseßt.

Vor Eintritt in die Tagesordnung werden auf Antrag des Herrn Keinath die gestern noch nicht erledigten Teile der vorläufigen Geschäftsordnung angenommen.

Der Neinat) versichert, daß der Geschäftsordnungsaus\{huß feine Arbeiten „fo beschleunigen werde, daß das Haus nichk zu lange unter der vorläufigen Geschäfisordnung zu tagen brauche.

Herr Generalsetretär Derlien (Vertreter des selbständigen Handwerks) bemerkt: Wir haben gestern bereits wahrgenommen, daß wir hier wenig gern gesehene Gäste find; nun hat der Präsident des Preußischen Landtags, Herr Leinert, Auftrag gegeben, das Lokal zu

raumen und Decken, Läufer usw. und alles, was nicht niet- und nagel fest ist, zu entfernen, so daß uns der Aufenthalt hier weiter verleidet werden soll. (Hört, hört !) Wir müssen das Präsidium bitten, alle Maßnahmen zu ergreifen, um uns ret bald eine würdige Unterkunft zu verschaffen. (Lebhafter Beifall.)

Der Präsident stellt aus diesem Beifall fest, daß das Haus damit einverstanden ist, und versichert, daß die Borstandschaft alles tun werde, um die Verhältnisse so rasch wie mögli zu verbessern.

Neichowirtshaftsminister Dr. Scholz: Sie dürfen versichert sein, daß die Reichsregierung und ih persönlich bestrebt sein werde, Ihnen die Unterkunft in diesem Hause so behaglich wie mögli zu machen. Wir bedauern lebhaft, daß dies durch verschiedene Nessort- ftreitigkeiten bisher nit gelungen ist; es wird mein ernstes Be- streben sein, Ihnen alle die Behaglichkeiten zu verschaffen, die ein Parlament wie der Neichswirtschaftsrat für {ih beanspruchen kann. (Lebhafter Beifall.)

Auf der Tagesordnung steht der von allen Gruppen unter- stükte Antrag Wissell:

Die andauernde Schließung von Betrieben, bezw. die Beschränkung der Produktion bringt volkswirtschaftliche und soziale Schädigungen so schwerer Art, daß dringend die Wege zur Ubwendung dieser Gefahren zu erforschen find. Der Ausbau der heutigen Grwerbslosenfürsorge zu eiuer pros- duttiven, deren Ziel die Steigerung der Warenerzeugung ist, er- scheint unumgänglich geboten. Dex gemäß Art. 11 der Berordnung über . den vorläufigen Neich8wirtshaftsrat vom 4. Mai 1920 bestelite wirtschaftspolitise Ausshuß wird beauftragt, die hier in Betract tommenden Fragen umgehend zu prüfen und dem NReichswirtschafts- rat Vorschläge zur Beschlußfassung zu unterbreiten.

Reichsminister a. D. Wissel l: Der Antrag ist von allen Gruppen, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und allen einzelnen MNichtungen unterschrieben. Man möchte fast alauben, man lebe heute in einer verkehrten Welt. Wir brauchen dringend Nobstoffeinfuhren, der Nahrungsmittelspielraum ift kleiner geworden, die Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft ist zurückgegangen, wir brauchen erhebliche Zu- fuhren von Lebensmitteln, die wir nur mit unserer Produktion be- zahlen können. Die Steigerung der Produktion muß unser erstes Ziel sein. Nicht die Lohnerhöhung schafft dem einzelnen ein besseres Dasein, sonden nur die Gütervermehrung. Troßdem geht unsere Produktion zurück: Betriebe werden ges{lossen oder beschränkt, weil fie nicht lohnen oder überhaupt nicht möglich sind. Wir müssen die Wege erforschen, wie wir unsere Produktion vermehren können. In meinem Antrage enthalte ih mich aller Ginzelheiten, ih sprehe auch nicht davon, ob die Reichskasse Mittel bereitstellen foll oder die Unternehmer gezwungen werden sollen,

die Produktion fortzuseßen gegen Ersaß ihrer Unkosten, ich

weise nur auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten hin. Durch die Ablieferung unjerer Handelsflotte müssen wir den aus ihren Wirkungskreisen gerissenenu Kräften geeignete Stellen

schaffen. Es genügt nicht, den Arbeitslosen nux eine Unter- stüßung zu geben, es gilt, ihnen Freude an der Arbeit zu bereiten und eine produkttve Erwerbslosenfürsorge zu \{affen. Alle diese Fragen müssen wir prüfen. Da der fozialpolitishe Ausschuß mit Necht meint, daß es sich aud) um sozialpolitische Fragen handelt, schlage ih vor, meinen Antrag niht nur dem wirtschaftspolitischen Ausschuß, sondern beiden Ausschüssen zur gemeinsamen Beratung zu überweisen, die cine innere Kommission mit den Vorarbeiten betrauen mögen. So können wir die Mittel erkennen, um aus der unhaltbaren Lage herauszukommen. Jch bitte, ohne eingehende Beratung dem Autrag zuzustimmen. (Lebhafter Beifall.)

Neid 8wirtshaftsminister Dr. Sch olz: Ich bin dem Autrag- steller außerordentli daukbar, da er der Reichsregierung mit seinem Antrage einen großen Dienst geleistet hat, weil er seine Hand auf eine ofene Wunde legt. Die Negierung wird im Ausschuß in der Lage sein, die bereits von ihr unternommenen und beabsichtigten Schritte darzulegen, dabei wird es uns von höchstem Werte sein, von den Sachverständigen im Ausschuß zu erfahren, ob sie mit unseren Maßnahmen einverstanden find oder welche Vorschläge sie zu machen haben. Schließlih bin ich dem Antragsteller für die Kürze seiner

Begründung dankbar, ih hoffe, ihn noch zu übertreffen, indem ich

erade bei der Beratung dieses ersten sachlichen Gegenstandes die ofortige Verweisung an den Ausschuß begrüße, denn der Reichs- e soll kein Redeparlament, sondern ein Parlament der æal lein.

Herr Denn se: Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat sih mit dem fozialpolitischen Ausschuß verständigt: beide werden heute nahmitta 4 Uhr in die sachliche Beratung des Antrages eintreten. QDa foll auch die sachliche Kommission gebildet werden.

Geheimrat Weigert: Das Neichsarbeitsministerium hat {ih mit der Frage der produktiven Erwerbslosenfürsorge bereits befaßt und begrüßi die Möglichkeit, mit Hilfe des von Ihnen einzuseßenden Ausschusses diese Frage auf eine breitere Basis zu stellen.

Textilarbeiter del: Unbegreiflicherweise ist bei der Zu- fammenstellung des wirischaftspolitishen Ausschusses der wichtigste Teil unserer Industrie, die Textilindustrie, nicht berücksichtigt worden, weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer. Deshalb muß ich 6 dem Ausschuß einiges mit auf den Weg geben. Herr Wissell hat bereits darauf hingewiesen, daß auch die Vergebung von Staatsauf- trägen eine produfktive Arbeitélosenfürsorge darstellen könnte. Wir leben in einer sehr verkehrten Welt. Deutschlands Textilindustrie ist von Aufträgen vollkommen entblöst, in diesem Augenblick vergibt man zur Bekleidung der Sicherheitswehr cinen Auftrag von 700 000 Meter Militärtuch an englische Firmen. (Lebhaftes Hört! hört !) Die deutsche Industrie hätte diesen Auftrag zu billigeren Preisen ausführen können. Weiter find von Süddeutschland gewaltige Aufträge ins Ausland gegangen, während bei uns Hunderttausende von den Textil- arbeitern arbeitsfos geworden sind. Vom Neichswirtschaftsrat ist festzustellen, nah welchen Grundsäßen diese staatlihen Ver- waltungen ihre Aufträge vergeben. Ich denke nicht daran, unsexe Kommission veranlassen zu wollen zu éiner besonderen Ab- neigung gegen die Englöndex oder die englische Industrie; wir müssen

aber das Interesse der deutshen Arbeiter voranstellen. Deutsch- land muß feine Aufgabe darin sehen, die einzelnen Fabriken dem Machtbereih des einzelnen Unternehmers zu entziehen und sie selbst zu verwalten. Es geht nicht, daß in der Zeit der Krisis, der Arbeitslosigkeit und der Stillegung die Arbeits- möglichkeit on das Ausland gegeben wird. (Lehhaftes Sehr richtig!) Weiter mnß ich Einspruch dagegen erheben, daß die Arbeiter von der cinen in die andere Industrie verschoben wird. Der Ar- beiter ist keine Maschine, sondern ein lebender Organismus; er ist verwahsen mit der Erde, auf der er geboren ist; seine seelishe und tförperliche Entwicklung ist beeinflußt von dem Beruf, in dem er jahrelang gearbeitet hat. Namentlich Textilarbeiterinnen sind zu vielen Tausenden in den leßten Jahren dur Entziehung der Unterstützung ver- anlaßt worden, in die Landwirtschaft zu gehen. Wenn das etwa für die Zukunft weiter eine produktive Crwerbslosenfürsorge sein \oll, so erhebe ich schon jeßt dagegen allerschiedensten Widerspruch. Besonders fällt ins Gewicht die Stillegung der Maschinen. Jch werde da dem Aus- {uß ein sehr großes BZahlenmaterial zur Verfügung stellen. Hunderttausende von Maschinen sind stillgelegt worden. Da müssen wir von Staats wegen die Fabrikanten einer öffentlihen Kontrolle unterziehen und die Produktion gegebenenfalls auf die Gesamtheit übertragen.

Der Antrag wird an den wirischaftspolitischen Ausschuß verwiesen.

Zum zweiten Punkt der Tagesordnung, Beratung über den Ausfuhrabgabenaus\chuß, beantragt Herr Keinath, den 1mwirtshaftspolitischen Ausschuß zu beauftragen, eine Kom- nission einzuseßen. Der wirtscaftspolitishe Ausschuß soll ferner beauftragt werden, die Nichtlinien für die Entscheidung dieser Kommisston aufzustellen.

Das Haus beschließt entsprechend.

Es folgt die Beratung über den aus\ch uß.

Drechsler Umbreit beantragt, diesen Gegenstand an den sozialpolitischen Ausschuß zu verweisen.

Malerobermeister Hansen beantragt die eines Spruchamts, bestehend aus neun Personen.

Ghefredalteur Bernhard: Wir halten diesen Gegenstand für einen, der allgemeines Interesse beansprucht. Der sozialpolitische Ausschuß sollte aber niht nur Mitglieder aus seinen eigenen Neiben in dieses Spruchamt nehmen, sondern au andere Mitglieder des MNeichswirtschaftsrats.

Herr U mbreit zieht darauf seinen Antrag zurü.

Herr Aufhäuser: Ich verstehe diese Zurückziehung des Antrags Unmbreit nicht, da er ursprünglich gegen die Dreiteilung, die dem Sinne des ganzen Béetriebsrätegeseßes widerspricht, sih wendete. (Widerspruh.) Cs müssen nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihm vertreten fein. Unsere Ausschüsse sind so gedacht, daß sie nur das Arbeitsmaterial für unser Plenum vorbereiten. Wird noch eine dritte Gruppe hinzugenommen, so bebt man die Parität wieder auf. Bon einer Neutralität kaun sonst niht mehr gesprochen werden. Ueberdies sind die vom Reichsrat berufenen Mitglieder keineswegs als neutral anzusprechen; wir finden unter diesen zwölf Herren vier Industrielle, einen Gutsbesißer, zwei Handelskammervertreter, einen Kaufmann und vier Herren ohue Beruf, deren Amtsbezeichnung aber Kommerzienrat ist. (Gg. Bernhard: Verbraucher von Arbeitskraft! Heiterkeit.)

Gewerkschaftsvorsißender Legien beantragt, den Gegen- stand, der augenscheinlich noch nicht zu erledigen sei, mit Nüc& sicht auf den beim Neichswirtschaftsministerium noch bestehenden Wirtschaftsrat von der Tagesordnung abzuseten.

Neichstagsabg. Behrens beantragt, den Gegenstand dem Geschäftsordnungsausshuß zu überweisen.

Der Gegenstand wird von der Tagesordnung abgeseßt.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Dem Vorstand wird Festseßung des Termins und der Tagesordnung für die nächste Situng überlassen, die mit Nücksiht auf die bevor: stehenden Verhandlungen in Spaa noch nicht bestimmt werden konnen.

Schluß 12, Uhr.

Betriebsräte-

Einsetzung

Parlamentarische Nachrichteu.

Der Reichstags aus\chuß für auswärtige Ange- legenheiten trat gestern abend zu einer Sißung zusammen. Der Minister des Aeußern Dr. Simons erstattete dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge eingehenden Bericht über die Vorbereitung der Konferenz von Spaa. Darauf vertagte sich der Ausschuß, ohne in eine Besprechung einzutreten.

Dem Reichstag ist eine Denkschrift über die Ein- reihung der N der Länder in die Gruppen der Reichsbesoldungsordnung,

der preußischen Landesversammlung ist der Ent- wurf eines Geseßes, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und E A M n an den öffentlichen Volksschulen, nebst Begründung zugegangen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Anbauflächen an Winterweizen und -roggen im Derbst 1919 gegen 1918 in Preußen.

Die Anfang November und Dezember erstatteten Saatenstands- berichte ließen erfennen, daß bis dahin die Aussaat an Wintergetreide fast im ganzen Staatsgebiete noch sehr im Nückstand geblieben war. Infolge des frühzeitigen Eintritts eines strengen Winterwetters, das mit nur kurzen Unterbrehungen von Ende Oktober bis Anfang Januar anhielt, war es den Landwirten niht mehr möglich gewesen, diese Bestellungen zu beenden. Cine Umfrage bei den Saateuftands- berichterstattern über den Umfang der ansgeführten Bestellungen an Winterweizen und Winterroggen gegenüber dem Vorjahre hat folgendes ergeben :

Im ganzen Staatsgebiet sind die Anbauflächen bei Weizen um 113 412 ha oder 18,5 t und bei Noggen um 366 690 ha oder 11,6 A hinter den im Herbst 1918 bestellten zurückgeblieben. Diese erheblichen Nückgänge sind um so meh r zu bedauern, als schon. feit mehreren Jahren ähnliche Abnahmen bei diesen wichtigsten Brotfrucht- arten zu verzeichnen waren, und zwar betragen fte im ganzen seit 1913 bis jeßt rund 422 000 ha oder 41,3 vH bei Weizen und 1 047 000 ha oder 26,8 vH bei Roggen. Auf die Provinzen und Regierungsbezirke verteilt E die leßtjährige Verringerung sehr ungleih; denn sie betrug bei Weizen nur 3,1 vH in Me stpreußen-Bosen, dagegen 32,2 vH

im Neg. - Bez. Liegnitz, bei Roggen nur 1,7 vH im Reg. - Bez. Wiesbaden, aber 23,1 vH im Reg.-Bez. Breslau. Die oie Pommern, Sachsen, Ober- und Niederschlefien mit 20,7 bis

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30,6 vH den größten Ausfall an Weizenaussaat, letztere beiden Pro- vinzen aber dazu au an Noggen, und zwar einen Ausfall von 19,9 bezw. 22,1 vH. Im ganzen Pera ist die Herbstbestellung beider Getreidearten in den mittleren und östlihen Provinzen kleiner aus- gefallen als in den westlichen.

Eine Zunahme is zwar auch vereinzelt gemeldet worden, sie blieb aber im allgemeinen verschwindend flein und verhält sih zur Größe der verringerten Fläche wie 1 : 22 bei Weizen und wie 1 : 36

bei Noggen. Nur in den Regierungsbezirken Schleswig und Aurich"

überwiegt die Zunahme bei Weizen und im Regierungsbezirk Sig- maringen bei Roggen um ein Geringes. Von etwa § sämtlicher Be- richterstatter wurde mitgeteilt, daß die Herbstbestellungen im gleichen Umfange wie im Vorjahre ausgeführt worden sind. Angaben über Nichtvermia1derung der Aussfaat liegen aus etwa der Hälfte der Be- richtsbezirke in Brandenburg, Pommern und der Rhein rovinz sowie aus etwa j bis 7 der Bezirke in Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen-Nalsau vor. (Stat. Korr.)

Arbeits streitigkeiten.

Der ArbeitgeberverbandderdeutsckWenStraßen- bahnen, Kleinbahnen und Privateisenbahnen gibt nah einer Meidung von „W. T. B.“ bekannt : „Die Oeffentlich- leit hat sih in den leßten Tagen eingehend mit der \chwierigen Lage beschäftigt, in der fih die Straßenbahnen der deutshen Städte befinden. Nicht minder shwierig ist die Lage der Kleinbahnen, an deren wirtschaftltcher Erhaltung die Oeffentlichkeit das allergrößte ZÖnteresse besißt, da sie unbedingt zu den lebens8wichtigsten Betrieben gehören. Obwohl der allergrößte Teil der Kle1m- bahnen nur noch unter größten Schwierigkeiten seinen Be- trieb aufrecht erhalten fann, haben die Arbeitnehmerorganisationen die Forderung gestellt, die Beamten und Arbeiter in ihren Einkünften vollständig den Arbeitnehmern der Neichseisenbahnen gleihzustellen. Die Crfüllung dieser Forderung würde eine Mehrausgabe beim Per- sonaletat von 80—90 vH bedeuten und den wirtschaftlichen Zusamnen-

bruch des weitaus größten Teils der deutschen Kleinbabnen in fich schließen. Der Arbeitgeberverband der deutschen Straßenbahnen und Kleinbahnen hat daher jedes Zugeständnis nach dieser Michtung hin ab- lehnen müssen. Am 28. Juni hat ein vom Neichsarbeitsministerium gebildetes Schiedsgericht, welches im Hinblick auf die große Bedeutun:

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der Angelegenheit mit drei Obmännern beseßt war, einen Scieds- spruch einstimmig gefällt, dur welchen die bisher gewährten Teuerungs- zulagen und Zuschläge zu den Teuerungszulagen um 50 vH erböbt werden. Gs fann nur die Hoffnung ausge] prochen werden, daß die Organisationen si bereit erklären, diesen Schiedsspruch anzunehmen, damit das Wirtschaftsleben vor neuen Erschütterungen bewahrt bleibt,“

Der Aufsichtsrat der Großen Berliner Straßenbahn hielt unter dem Vorsiz des stellvertretenden Berbandsdirektors Professors Dr.-Ing. Giese eine außerordentliche Sitzung ab, in der zu den Forderungen der Arbeitnehmer Stellung genommen wurde. Wie die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ berichtet, wurde befch{lossen, den Straßenbahnangestellten und -arbeitern unter fester Bindung bis zum 1. Dftober die Löhne nah den gegenwärtigen Säßen und daneben die Berliner Familienzulage unter Wegfall der bisherigen Kinderzulage zu gewähren. Außerdem wurden den Arbeitnehmern gewisse Zugeständnisse hinsichtlich der Urlaubsbewilligung und der An- rechnung der Dienstkleidung gemacht. Vorbehaltlich der endgültigen Negelung, über die bereits Verhandlungen s{chweben, sollen, wie bei der Stadt Berlin, vorläufig 25 4 für die Dienstkleidung monatlich abgezogen werden. Bezüglich des Urlaubs ist beschlossen, daß die Straßenbahner 50 % ves Mehrurlaubs erhalten sollen, den die Stadt Berlin ihren Angestellten gewährt. Das Ergebnis wurde den Ver- tretern der Arbeitnehmerschaft sofort mitgeteilt, von deren Entschluß jeßt das Zustandekommen der Einigung abhängt. E

In einer stark besuchten Versammlung der Wächter der Wach- und Swhließgesellschaften Groß BELline die gestern im Gewerkschaftshause taute, wurde einer ‘Mitteilung der „Berl. Börsenzeitung“ zufoige beschlossen, in etne Lohnbeiwegung ein- zutreten. Infolge der Verteuerung der Lebenshaltung, der Er- höhung der Versicherungsbeiträge, der Fahrgelder und des 10 prozentigen Steuerabzugs vom Lohne fordern de Wächter von den Gesellschaften einen Teuerungszushlag von 100 4. Das Weißenseer Wacßinstitut, das die tarifmäßigen Löhne nicht zahlen will, soll boykottiert werden. In ciner demnächit einzuberufenden Versammlung soll über den Stand der Verhandlungen berichtet werden.

Die vorgestrigen Verhandlungen zwischen der Direktion des Bitterfelder Fernkraftwerkes und Vertretern der treilenden CGlektrizitätsarbeiter haben, wie Berliner Blätter berichten, in später Abendstunde zu einer Einigung geführt. Den Bitterfelder Arbeitern sind ihre Forderungen zum großen Teil bewilligt worden. Daraufhin hat die Nachtschicht im Kraftwerk Golpa ihre Arbeit wicder aufgenommen, und Berlin konnte in- folgedessen am gest.igen Vormittag wieder zum größten Teil mit Strom beliefert werden. Durch die Einigung mit den Bitterfelder Arbeitern is auch die Gefahr, daß die Arbeiter in den Berliner städtischen Werker. in einen Sympathiestceik eintreten Xöunten, beseitigt worden.

Zwischen der Direktion und den Angestellten der Uferbahnu Grünau—Schmöckwiß ist nach s tägigem Streik eine Ginigung zustande gekommen. Es wurde ein Tarifvertrag ab- geschlossen, dem das Fahrpersonal zugestimmt hat. Die Uferbabn hat den Betrieb wieder aufgenommen.

In Königsberg i. Oftpr. sind nah einer Meldung der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ vom gestrigen Tage die Hafen - arbeiter und Getreideträger wieder in den Ausftand getreten.

Aus Saarbrücken wird dem „W. T. B." berichtet, daß auf der Burbacher Hütte seit gestern mittag die ganze Belegschaft im Ausstande ist. Im Laufe des heutigen Vormittags sind etnzelne weitere Betriebe gefolgt, wie z. B. Chrhard u. Sehmer, Gub und Waggonfabrik Lüttgens. Die Ursache des Streiks soll darin zu suchen sein das die vor mehreren Wochen abgebrochenen Lohnverhandlungen noch nicht wieder aufgenommen worden find.

Der Ausstand der Danziger Binnenschiffer ist nach einer Meldung desselben Büros gestern nachmittag dur gütliche Einigung zwischen den beteiligten Needereien und den Arbeitnehmern beigelegt worden. , Damit ist der von heute ab einscßende Abtransport der im Me Danzig wohnenden, mehrere tausend Personen umfassenden Abstimmungsberechtigten in die west- und ostpreußischen Abstimmungs- at gesichert. Der erste Dampfer mit deutschen [ erechtigten verließ heute früh den Danziger Hafen.

Einer Stefanimeldung aus Nom zufolge ist dort die A rbeit estern in vollem Umfange wiederaufgenommen worden.

ie Stadt ist ruhig. Auch in Ancona und in den Städten der Provinz herrscht Ruhe.

Land- und Forstwirtschaft.

Von zuständiger Seite wird dem „W. T. B.“ mitgeteilt: Di DuEO 4 hm, d L Lat n a s gewordene Er- öhung der reise in vie ommunalverbänden einer ungerechtfertigt Vaben Festseßung der Kleinhandsls:

Abstimmungs-

E S A E P E,

Se L E E Cd B Wit artin wem

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