1898 / 105 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 May 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Großhandels - Durchschuittspreise von Getreide an auferdeutschen Börsen-Plätzen für die Woche vom 25. bis 30. April 1898 nebsi entsprechenden Angaben für die Vorwoche. 1006 kg in Mark. (Preise für prompte [Loko-] Waare, soweit nit etwas Anderes bemerkt.)

E |Dagegen April | Bor- Wien. 1898 | woche Noggen, Fester Boden 186,76| 174,72 Weizen, E Ea 267,40| 251,05 a ungarifscher, prima 139,22} 134,86 erste, slovakishe . 179,97| 179,81 Budapest.

Roggen, Mittelqualität 164,11| 155,64 Wetzen, 2 253,40} 233,80

fer, / 130,74| 123,68

erfte, Malz- ¿ 135,70 St. Petersburg.

C 119,94| 109,93

Weizen, Saxonka 180,53} 164,90

G „4 120,97] 109,93 Odessa.

NMNoggen, 71 bis 72 kg per hl 119,20| 107,91

Wehen, Ulka, 75 bis 76 kg per 11 179,70| 166,48 iga.

Noggen, 71 bis 72 kg per 11 123,61| 112,66

Weizen, 75 bis 76 kg per hl 180,57| 168,06

Paris. Moggen | r; Maar “On 171,26| 154,55 Weren | ia S N laufenden Monats 263/49| 248/83 n C LPDEN: Donau- 199,22| 173,09 Weizen { L Plata 208,16 188,03

/ 139,23| 130,97 Roggen | St. Petersburger 139/23| 130/97 Weizen, poln. Odefsa- 176,30

J engl. weiß } 188,96 Weizen j O 204, 184,47

b. Gazette averages. 170,12

A | „z, „Englishe8s Getreide, * 1 13708| 13298 Be, / Mittelpreis aus 196 Marktorten 2 7's 159 82 Liverpool. Ghirka 170,67 Oregon 194,25 : 5,15| 191,89 Weizen 202, 186,70 Chicago Spring —— 190,48 Northern Spring Nr. 1 213,37| 190,48 La Plata 203,95| 182,93 2| 136,20 Hafer Fd elbe. ¿ 127,82 Californ. Brau- i 5 152,80

Gerste { Canadische - Schwarze Meer- 5) 124,15

Weizen, Mai-Lieferung 188,41| 173,70

New-York.

Weizen, Mai-Lieferung . 186,59| 170,43 Bemerkungen.

1 Tschetwert Weizen if = 163,80, Roggen = 147,42, Hafer = 98,28 kg angenommen; 1 Imperial Quarter is für die Weizennotiz an der Londoner Produktenbörse = 504 Pfd. engl. gerechnet; für die Gazette averages, b. h. die aus ben Umsägen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einheimisches Ge- treide, ist 1 Imperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfd. engl. angeseßt. 1 Bushel Weizen = 60 Pfd. engl.; 1 Pfd. engl. = 453,6 g; 1 Last Noggen = 2100, Weizen = 2400 kg,

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tages-Notierungen im „Deutschen Reichs- und Staats- Anzeiger“ ermittelten wöchentlichen Durchschnitts, Wechsellkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budavest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London,

pe Chicago und New-York die Kurse auf New-York, für St.

etersburg, Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, Annwoerven und Arasterdam die Kurse auf diese Pläge.

Personal-Veränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Offiziere, Portepee-Fähnriche 2c. Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Jm aktiven Heere. Karlsruhe, 19. April. Prinz Friedrich Wilbelm von Preußen Königliche Hoheit, Sec. Lt. vom 1. Garde - Regt. z. F., zum Pr. Lt. befördert.

Berlin, 30. April. Becker, Major und Bats. Kommandeur vom Inf. Regt. Nr. 138, unter Stellung zur Disp, mit Pension, zum Zweiten Stabsoffizier bei dem Kommando des Landw. Bezirks Barmen ernannt. Trentepohl, Major aggreg. dem 5. Westfäl. Inf. Regt. Nr. 53, als Bats. Kommandeur in das Fuf. Negt. Nr. 138 einrangiert. Prinz Hermann zu Stolberg-Werni- gerode, Sec. Lt. yom 1. Garde-Drag. Regt. Königin von Großbritannien und Irland, Prinz Heinrih XXXI, Reuß Durchlaucht, Sec. Lt. vom 2. Garde-Drag. Regt. Kaiserin Alexandra von Rußland, beide kommandiert zur Dienstleistung bei dem Aus- wärtigen Amt, ausgeshieden und mit Belassung ihrer bisherigen Uniform zu den Offizieren à la suite dex Armee übergetreten. Dn Franz zu Salm-Salm, in der Armee und zwar als Sec,

t. à la suite des Garde-Shüßen-Bats., mit Vorbehalt ver Paten- rung angestellt. v. Nothenburg, Port. Fähnr. der Ref., zuleßt im ren. Regt. Prinz Carl von Preußen (2. Brandenburg.) Nr. 12, im aktiven Heere und zwar als Portepee - Fähnrich bei dem 8. Ostpreuß. Inf. Regt. Nr. 45 wiederangestellt. v. Busse, Hauptmann und Kompagnie-Chef vom Inf. Negt. Nr. 148, unter Stellung à la suite des Regts, als Militärlehrer zur Haupt-Kadettenaustalt versezt. Fricke, Hauptm. von demselben Regt., zum Komp. Chef ernannt. Graf v. Göôten, Pr. Lt. vom 3. Garde-Ulan. Regt., kommandiert zur Dierstleistung bei dem großen Generalstabe, auf sechs Monate der Botschaft in Wasbington zu- etheilt. Graf und Edler Herr Bernhard zur Lippe-

iesterfeld, Sec. Lt. vom 2. Leib-Hus. Regt. Kaiserin Nr. 2, in das Hus. Regt. Kaiser Nikolaus 11. von Rußland (1. Westfäl.) Nr. 8

versept.

M Ae débewilltilniäen, Im aktiven Heere. .Hom- burg v: d. Höhe, 21. April. Nickisch v. Nosenegk, Gen. Major z. D., zuleßt Kommandeur der 283. Kay. Brig., der Charakter als s tra PEeEEn, G

erlin, 30. April. reulich, Hauptm. vom Inf. Negt. von Boyen (9. Oftpreuß.) Nr. 41, Krüger, Pr. Lt. vom 2. Hess. Inf. Negt. Nr. 82, tommandiert zur Dienstleistung bet der Militär-Intend., ausgeschieden und zu den Res. Offizieren der betreffenden Negt- menter übergetreten. v. Behr, Sec. Lt. vom Oldenburg. Inf. Negt. Nr. 91, Sergel, Sec. Lt. vom Niedershlesishen Train-Bat. Nr. 5, =— mit Persion der Abschied bewilligt. Raßmann, Major a. D., zuleyt Abtheil. Koaimandeur vom Westpreuß. Feld-Art. Regt. Nr. 16,

unter Fortfall der ihm bewilligten Auêësiht auf Anftellung im Zivil- dienst unter Ertheilung der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uni- form des 1. Westfäl. Feld: Art. Regts. Nr. 7, mit seiner Pension zur Disp. gestellt. d

Beamte der Militär-Verwaltung. j

Durch Allerhöchsten Abschied. 5. April. Hänsler, Zahlmftr. vom 5, Bad. Inf. Regt. Nr. 113, bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst mit Pension der Charakier als Nechnungs-Rath verliehen. | /

Königlich Bayerische Armee.

Offiziere, Portepee-Fähnriche 2c. Ernennungen, Be- förderungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. 21. April Powmrenke, Major z. D., zum Bezirks-Offizier beim Bezirkskommando Bamberg ernannt.

26. April. Windisch, Oberst-Lt. à la suite des Ingen. Korps, bisher mit Wahrnehmung der Geschäfte eines Sektionschefs bei der Insp. des Ingen. Korps und der Festungen beauftragt, zum Sektionschef bei genannter Insp.,, Dtt, Oberst-Lt. des 1. Pion. Bats., bisher kom- mandiert als Fährer des Detahements München, zum Kommandeur des 1. Pion. Bats., ernannt.

Abschiedsbewilligungen. Imaktiven Heere. 21. April. Hänlein, Major z. D. und Bezirksoffizier beim Bezirktekommando Bamberg, mit der geseßlihen Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des 14. Inf. Regts. Hartmann mit den für Verabschiedete vorgeschrtebenen Abzeichen der Abschied bewilligt.

26. April. Föringer, Oberst,.Lt. und Kommandeur des 1. Pionier:Bats.,, mit der Erlaubniß zum Tragen der bisherigen Uniform mit den bestimmungsmäßigen Abzeichen und unter Verleihung des Charakters a!s Oberst, mit der geseßlichen Pension zur Disp. geftelt. Moll, Sec. Lt. des 16. Inf. Regts. Großherzog Ferdinand von Toskana, mit der geseßlihen Pension der Abschied bewilligt.

Im Sanitäts-Korps. 26. April. Dr. Sedlmair, Unterarzt des 20. Inf. Regts, zum Asfist. Arzt 2. Kl. in diesem Regt. befördert.

Beamte der Militär-Verwaltuna.

21. April. RNottenh äuser, Ober- Auditeur vom Gen. Auditoriat, unter Verleihung des Charakters als Gen. Auditeur, mit Pension in den erbetenen Ruhestand getreten.

25. April. De Ahna, Pr. Lt, a. D., Kasernen - Iusp. der Garn. Verwalt, Ingolstadt, mit Pension in den erbetenen Ruhestand getreten.

X. (Königlich Sächsisches) Armee: Korps. : Militär- Geistliche.

Durch Verfügungdes Kriegs-Ministeriums. 20. April. Birnbaum, Predigtamts-Kandidat und Hilfsgeistlicher in Leipzig, als evangelish-lutherischer Div. Pfarrer in Leipzig angestellt.

Beamte der Militärverwaltung.

Durch Verfügung des Kriegs-Ministeriums. 31. März. Heinig, Königl. äch{\. Kasernen-Insp. in Straßburg i. E,, nach Vresden, Schindler, Kasernen-Insp. in Dresden, nah Straßburg i. E., unter dem 1. Juni 1898 versetzt.

Deutscher Reichstag. 82. Sißung vom 3. Mai 1898, 12 Uhr. Die zweite Berathung des Geseßentwurfs, be-

treffend Abänderung der Zivilprozeßordnung, wird fortgeseßt.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Jn H 508 schlägt die Vorlage vor, die Revisionssumme von 1500 4 auf 3000 #4 zu erhöhen. Die Kommission beantragt dagegen, für Ansprühe aus dem Jmmobiliar- rechte die Nevisionssumme auf 1500 /6 zu belassen, im übrigen aber dieselbe auf 3000 4 zu erhöhen.

Die Abgg. Träger und Genossen (fr. Volksp.) beantragen, es bei dem bestchenden Geseg zu belassen und jede Erhöhung der Revisionssumme abzulchnen.

Aba. Träger: Die Redner aller Parteien haben ich in der ersten Lesung gegen jede Grhöhung der Revisionssumme ausgesprochen. Wenn dur die Beibehaltung der Revisionssumme von 1500 M das ReichLgericht belastet würde, müßte man das Neichsgericht vergrößern ; um die Re@tseinheit aufcecht zu erhalten, müßte man eigentli die Revision von keiner Grenze abhängig machen. Fett werden {on die Prozesse über einen Werth unter 1500 4 durch die Ober-Landes3- gerichte fehr vershieden beurtheilt. Würde die Nevisionssumme auf 3000 M. erhöht, dann würden drei Viertel aller jeßt zur Revision gelangende4 Prozesse niht mehr vor das Reichsgeriht fommen. Das Publikum, inébesondere der RNehtsanwaltéstand, erblickt in der Er- héhung der Revisionssumme eine Gefährdung der Nechts\sicherbeit ; man sieht darin die Eniwickelung einer plutokratischen, fapitalistishen RNechtsprehung zum Schaden des Mittelstandes.

Ubg. Shmidt- Warburg (Zentr.) bält die Erhöhung der Re- vision6ssumme für bedenklih vom sozialen Gesichtspunkte aus, weil dadur das Reichsgeriht lediglich ein Gericht für die Reichen würde. Nedner weist darauf hin, daß bei der Schaffung der Reichs- Justizgeseße cin mecklenburgisher Regierungsvertreter sih gegen die Erhöhung der Revisionsfumme erklärt habe. Die Rücksicht auf die Belastung des Reichsgerichts allein sei nit maßgebend für eine fo wichtige Frage.

Mecklenburg - {werins{cher stellvertretender Bevollmächtigter zum Bünbdesrath Dr. Langfeld: Meine Herren! Jn heutiger Sitzung ift wiederum Bezug genommen worden auf eine Aeußerung, welche ge- legentlich bder Berathung der Reichs - Justizgeseße seitens eines da- maligen Regierungsvertreters gegen die Erhöhung der Revisionssumme über vie Summe von 1500 4 gefallen istt. Der damalige Negie- rungsvertreter und Direktor im Reichskanzleramt is der jeyige méecklenburgishe Herr Justiz-Minister, und ih hatte ähnlichen Aus- führungen gegenüber in der Kommission {hon die Ehre, darauf hin- zuweisen, daß mein gedachter Herr Chef nach der Entwickelung der Geschäftslast betm Reichsgericht niht mehr in der Lage sei, die da- maligen Aeußerungen auch jeßt noh zu vertreten, und daß, weil diese Aeußerung nit mehr aufredt erhalten werden könne, auch von dem Herrn Antragsteller niht mehr darauf Bezug genommen werden fann. Bei Berathung der Neichs-Justizgesege war überall noch nicht zu über- sehen, wie sich die Geschäftslast des Reichsgerichts entwickeln würde, und seitens der Reichsregierung stand man sogar der Befürchtung gegenüber, daß die alte partikularistishe Gewohnheit in den einzelnen Landestheilen dazu beitragen würde, die Zahl der Revisionen, die an das Reichsgericht zu leiten wären, zu beshrärken. Es lag daher bei der Reichöregierung ein begründetes Interesse dafür vor, die Zulässigkeit der Revision eher zu erhöhen als zu beschränken. Nun haben sich die Dinge aker ganz anders entwickelt, wie man feiner Zeit angenommen hat. Die Belastung des Neichsgerichts ist eine fy erhebliche geworden, daß die verbündeten Negçierungen mit shwerem Herzen, aber do der Nothlage gehorhend, zu der Ansitht gekommen sind: soll die .deutshe. Nechtseinheit, wie fie du:ch das Reichêgericht gewährleistet wird, nicht überbaupt in die Brüche gehen, soll die Rehtsvrechung des Neichzgerichts sich nicht vertheilen auf yexr- schiedene Senate, so kann nur geholfen werden, indem man sich zu dem {weren Schri1t entshließt, die Revisionssumme zu erhöhen. Dies möcte ih mir in aller Kürze gegenüber den Aeußerungen des Herrn Vorredn-rs zu bemerken erlauben.

Abg. von Salisch (d kons.) bestreitet, daß man im Volk wünsche, die Revisionesumme auf 1500 #4 zu erhalten. An diesen Fragen babe das Volk gar kein Interesse. Man verlange nur Schnelligkeit der Rechtspflege. Aber roenn es act Monat dauere, ehe vor dem Reichêgeriht eín Termin angeseßt werde, so komme das der Rechtsverweigerung gleih. 500 Tha!er feier in der alten preußi- schen Zeit ebensoviel gewesen wie jeßt 3000 46

Abg. Himburg (d. kons.) erklärt si, troß der drohenden Be-

| lastung des Reichsgerichts, für den ae Träger und gegen den Kom-

missionsbes{luß, weil font gewisse Stre fragen üb ¿ur Entscheidung des Reichsgerihts kommen ive R ME age

Staatssekretär des Reichs- Justizamts Dr. Nieber ding:

Meine Herren! Der Herr Abg. Traeger hat vorher bemerkt, daß die Frage, die uns jetzt beschäftigt, eine der wichtigsten ist, die die Novelle zur Zivilprozeßordnung behandelt. Das ist auch nah meiner Meinung richtig, ih stelle sie mit in die erste Reihe, und ih muß mir deshalb erlauben, zu dieser Frage einige Bemerkungen ausfübr- liherer Art zu machen. Es ist au richtig, daß diese Frage in besonderer Weise die Aufmerksamkeit weiterer Kreise in Anspru genommen hat und Besorgnisse angeregt hat, die ih zwar nit theile, die aber hier im Hause in weitem Umfange ver- treten worden sind. Meine Herren, für mich beweist die Bewegung, die aus Anlaß des Vorschlages der Regierung im Lande ent- standen ist, namentlich in den Kreisen der Anwaltschaft enistanden ist, wie s{chwer es bei uns in Deutschland i}, \sich in die Anforderungen einzuleben, die ein großes nationales Gemeinwesen an die Nechtsinstitutionen des Landes stellt. In England, meine Herren, ist der Weg vom Berufungsgericht an die oberste Instanz ge- bunden an eine Beshwerdesumme von 500 Pfund oder 10000 A In Frankrei sind alle Urtheile der unseren Landgerichten entsprechenden Gerichtshöfe, soweit fie niht 1500 Franken übersteigen, niht einmal der Berufungsinstanz zugänglih, und der Umfang, in dem der Kassaltonshof sih herbeiläßt, Urtbeile der Gerichte in leßter Instanz zu behandeln, is vyers{windend gegenüber dem- jenigen, was bei uns an die leßte Instanz gelangt. Das englische und das französishe Volk und die englishen und französischen Richter und Anwalte tragen diese Ginschränkung in dem Bewußtsein, daß damit der Nation und der nationalen Rechtspflege ein Dienst er- wiesen wird; sie wissen, welche Wirkung auf die Bedeutung und die Autorität der Entscheidungen der höchsten Gerichtshöfe der Umstand hat, daß verhältnißmäßig wenig Sachen an diese Gerichtshdfe ge- langen; fie wissen, daß die Autorität ihrer höchsten Gerichtshöfe in- folge dessen niht bloß eine nationale, sondern eine internationale ift, daß diese Autorität über die Grenzen des eigenen Landes binaus Propaganda macht für den Einfluß und die Weiterverbreitung ihrer nationalen Rechtsanschauungen, Propaganda damit macht für den Einfluß und die Weiterverbreitung ihrer nationalen Macht.

Alles das, meine Herren, was für den Franzosen, den Engländer selbstverständlich is, wird hier bei uns bei Seite gelaffen, und hier bei uns tritt dafür der kleinlihe Standpunkt in die Erscheinung, daß weniger bemittelte Leute, daß Wittwen und Waisen, wenn sie mit kleineren Ansprüchen an den höchsten Gerichtshof nicht gelangen Fönnen, in eine s{chwierige und mißlihe Situation gelangen. Meine Herren, ih beneide das deutshe Volk und den deutschen Juristen- stand nit darum, daß sie gegenüber der großartigen Rechts- anshauung, die auf diefem Gebiet unsere Nachbarländer si zu eigen gemacht baben, von solchen Anschauungen sich leiten lassen; aber ih erkläre mir das, denn auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege, meine Herren, haben wir bis zum heutigen Tage eigentlih noch ein fklein- staailihes Leben geführt. Dasjenige, was in den 6 Senaten des Neich8gerichts entschieden worden ist, ist ja im Großen und Ganzen noh das Recht partikularer Gemeinschaften innerhalb unscres Vater- landes gewesen, ohne wirklide nationale Bedeutung. Oaher kommt es, daß diese Anschauungen, die ich von meinem Standpunkt aus, vom Standpunkt des nationalen Interesses, unbegreiflih finde, noch in so weiten Kreisen des Landes Geltung behaupten. Nun erft, da wir für ein Volk von mehr als 50 Millionen ein einheitlihes Recht geschaffen haben, da an uns die Pflicht herantritt, dieses ein- heitlihe Recht für das große deutshe Volk auch einheitlich zu erhalten, nun erst wird für uns auch die Anschauung aufgehen, wie ih wenigstens hoffe, von der Nothwendigkeit einer Beschränkung der Kompetenz der höchsten Instanz, wie sie dort drüben jenseits unserer Grenzen als vollständig selbstverständlich gilt.

Meine Herren, wenn ih mir die Ausführungen der Herren Redner, die vorhin gesprochen haben, vergegenwärtige, so * hat darin eine besondere, gewifsermaßen pathetishe Rolle der Hinweis darauf gespielt, daß man dem Volk den Rechtsweg nicht weiter, als es schon dur unser bestehendes Geseß geschehen ift, beschränken darf. Der Herr Abg. Schmidt hat mit warmen Worten darauf hingewiesen, daß auch der kleine Mann das Reht haben müsse, ih an den höchsten Gerichtshof zu wenden, sobald es sich nur um einen Betrag von mehr als 1500 Æ handele, und dec Herr Abg. Traeger hat eben- falls hervorgehoben, wie s{chmerzlich es fei, wenn ein kleiner Mann bei einer Summe, die unter 3000 6 liegt, nicht an den höchsten Gerichtshof gehen darf. Auch der Herr Abg. Himburg hat diesen Gesichtspunkt berührt und, wenn ih recht verstand, den Wunsch aus- gesprochen, daß recht viele Fragen, die jeßt niht an den höchsten Gerichtshof kommen, doch dahin gebraht werden möchten.

Meine Herren, all diese Ausführungen treffen den Kern der Sache nit; denn fo gut Sie sich gegen die Revisionssumme, die wir Ihnen vorschlagen, von 3000 (A wenden, ebenso gut und nach meiner Meinung mit noch größerem Reht können Ihre Einweadungen überhaupt ges richtet werden gegen jede Nevisionsfumme, au gegen die bestehende von 1500 4; denn der kleine Mann, die große Masse der Bevölke- rung hat an den Prozessen unter 1500 4 und weniger ein viel größeres Interesse als an den Prozessen, die zwischen 1500 bis 3000 A liegen, und i verstehe nit, wenn die Herren diesen Standtpaunkt ver- treten, weshalb siedann nit den Antrag stellen, die Nevisions\umme über- haupt zu beseitigen. Den armen Leuten, den Wittwen und Waisen, deren Interessen der Herr Abg. Schmidt besonders vertreten hat, würde jedenfalls dadur ein größerer Dienst erwiesen als dadurch, daß die Summe von 3000 ( niht angenommen wird, indem es bei der Werthgrenze von 1500 (6 verbleibt.

Nun hat der Herr Abg. Traeger freilich gesagt: ja, die Summe von 1500 4 haben wir einmal und deshalb müssen wir sie behalten. Meine Herren, was ist das für eine Begründung? Es kommt doch darauf an, das beftehende Net, ebenso wie die Vorschläge, die wir maten, innerlich zu rechtfertigen, sih nit einfah damit abz.fiaden: die Werthgrenze von 1500 46 besteht nun einmal, deshalb wollen wir es dabei bewenden lassen Nein, meine Herren, wir behalten das, wa? besteht, nur dann, wenn es innerlih bere@tigt, wenn es verständig ist, sons werfen wir es über Bord, und wir ändern, was innerlih sich nicht aufrecht erhalten läßt. So müßte Herr Abg. Traeger die Frage stellen, dann hätte er freilih nit zu dem Resultate kommen können, zu dem er gelangt ift,

Nun hat der Herr Abg. Himburg gesagt, er sehe den Hauptzweck des höchsten Gerichtshofes mit darin, daß er die leßte Instanz in mögli vielen Rechtsstreitigkeiten zu bilden habe. Ja, meine Herren, man kann diesen Standpunkt grundsäßlih einnehmen; wie aber cin deutscher Jurist ihn gegenüber unserm geltenden Rebte ver- treten kann, das ift mir nit begreiflich. Denn wer die Ge\hichte unseres deutschen Prozesses kennt und der Verhandlungen sich erinnert, die geführt worden sind, als es sih um die Konstituierung und Organisation unseres Reichsgerichts handelte, der weiß, daß damals ausdrücklich davon aus- gegangen wurde, der Hauptzweck des Gerichts ist nit, legte Instanz zu sein für mögli viele Rechtsstreitigkeiten, der Hauptzweck unseres Gerichtshojes ift, die Rechtseinheit im Lande zu erhalten die Auf- fassung des Herrn Abg. Himburg richtet sich gegen die Tendenz unserer Prozeßordnung, gegen die Absicht des Gesetzes und gegen seinen Ursprung.

Weiter, meine Herren, hat der Herr Abg. Träger ausgeführt und der Herr Abg. Schmidt is ihm darin beigetreten, daß in der vorgeschlagenen Einschränkung der Sachen, die an das Reichsgericht gelangen, eine chwere Schädigung der Rechtspflege liege. Meine Herren, ein solhes Wort spricht si leiht aus aber haben die Herren es begründet? Ih will Ihnen einige Zahlen geben, die nah meiner Meinung geeignet sind, diese Frage richtig zu beleuchten.

Meine Herren, die deutschen Landgerichte fällen im Fahre etwas über 100 000 Endurtheile. Diesen über 100 000 Endurtheilen stehen nue bei dem Reichsgeriht eiwa 2400 Endurtheile gegenüber. Diese 2400 Endurtheile wollen wir reduzieren auf etwa 1900 Endurtheile. In diefer Reduktion von 2400 auf 190 liegt die „,schwere Schädigung“ unseres Rechts, von der die Herren s\prehen gegenüber den End- entsheidungen von mehr als 160 C00 an der Zahl, die von seiten der Landgerichte ausgehen. Man brauht ih doch bloß diese Zahlen zu vergegenwärtigen, um die Hinfälligkeit des Einwandes zu erkennen.

Weiter, meine Herren, auf je 100 000 Endurtheile unserer Ober- Landesgerichte falen durchschnittliÞ 185 Revisionen. Wir wollen die Zahl dieser Revisionen reduzieren auf etwa 140. Darin, meine Herren, daß künftig auf 1000 Endurtheile der Ober-Landesgerichte nit mehr 185, sondern 140 Revisionsentscheidungen fallen, soll eine schwere Schädigung unserer Rechtspflege liegen? Diese Zaklen sprechen entschieden gegen Ihre Behauptungen !

Nun hat der Herr Abg. S@{midt unter Berufung auf den Professor -Dr. Fischer in Breslau gesagt: gegenwärtig werden ja ein Drittel aller Prozesse, die von seiten der Ober-Landesgerichte an das Reichsgeriht kommen, von dieser höchsten Instanz abgeändert welcher Schaden für die Interessenten, wenn in Zukunft viele dieser Prozesse nicht mehr an das NReichsgericht gelangen follten, wenn es bei den unrihtigen Entscheidungen zweiter Justanz bleiben müßte. Ih muß dem Herrn Abgeordneten darauf erwidern, daß in dieser Folgerung ein Trugschluß liegt. Nicht alle Entscheidungen der Ober - Landesgerichte, die abgcändert werden, werden abge- ändert wegen des materiellen Rechts; ein sehr grcßer Theil dieser Entscheidungen wird abgeändert wegen prozessualen Verstoßes, und troß dieser Abänderung kann es materiell sehr wohl bei dem Resultat des Prozesses bleiben, wie es sich in zweiter Instanz ergeben hat. Es ist ein Irrihum und es dient zur JIrreleitung, wenn man behaupten will, daß auf dieses Drittel aller Sachen, die von den Ober - Landes- gerihten an das Reichsgeriht kommen, auch schließlich eine andere materielle Enischeidung entfällt, daß die materielle Entscheidung ¿weiter Instanz in allen Fällen zu Gunsten der bis tahin unterlegenen Partei eine Abänderung erfährt. Das ist nit richtig.

Der Herr Abg. Träger hat sih au auf die öffentliße Meinung berufen dafür, daß eine chwere Schädigung der Rechtspflege vorliege. Meine Herren, ih möchte doch darauf hinweisen, daß diese Behaup- tung wesentlich getragen wird von den Kreisen der Anwalte, aber au von den Kreisen der Anwalte aus vielfach irrthümli{en Voraus- feßüngen heraus. Diejenigen Anwalte, die sich näher mit der Sache befaßt haben, stehen auf unserem Standpunkt. Wir haben, bevor wir es unternahmen, einen folchen Vorschlag zu formulieren, Vertrauens- männer auch aus dem Anwaltéftande, Anwalte aus dem Norden, aus dem Westen, aus dem Süden Deutschlands vernommen, und diese sind übercinstimmend bis auf einen der Ansicht gewesen, daß die ‘Maß- regel, die rir vorshlagen, eine wohlthätige, ja eine nothwendige sei bis auf einen, meine Herren, der seinerseits auch die Nothwendigkeit einer Aenderung des bestehenden Zustandes anerkannte, der aber Ge- danken vertrat, die im Resultat auf eine partikularistishe Auflösung des Reichsgerichts hinausliefcn. Diese von der Mehrheit unserer Vertrauensmänner gehegte Ansicht wird au jeßt noch von angesehenen Organen der Anwaltschaft getheilt. (Unruhe. Glocke des Präsidenten.) Meine Herren, ih werde Sie niht länger als nöthig in Anspru nehmen, aber bei der Wichtigkeit der Frage muß ih mir do erlauben, das, was mir auf dem Herzen liegt, kurz vorzutragen.

Der Borftand der Anwaltskammer des Kölner Ober-Landes- geriits in Köln hat das Bedürfniß gefühlt, uns gegenüber ausdrüdtlich zum Ausdruck zu bringen, daß die Maßregel, die wir bvorgeschlagen haben, wie er sich ausdrückt, im Interesse der NRechtsprehung und im Interesse des Reichs- gerickts liege. Der Vorstand der bannovershen Anwaltskammer in Celle hat die gleihe Auffassung *in einer Erklärung an den preußischen Herrn Justiz-Minister zum Ausdruck gebraht. Nun, meine Hzrren, wenn angesehene Organe des deutshen Anwaltstandes in Ueberein- stimmung mit hervorragenden Vertrauensmännern aus dem Anwalt- stande, die wir vernommen haben, in dieser Weise sich aus- sprehen, ‘ann wird man nicht mit dem Einwand kommen können, die Maßregel, die wir vorhaben, s{chädige {wer die Interessen der Rechtspflege.

Man hat si hier aber aub noch darauf berusen, daß es nicht entscheidend fei, wenn wir an die Nothwendigkeit der Rechtseinheit appellieren, um diese Maßregel zu rechtfertigen, daß es unbedenklich sei und die Nechtéeinheit nicht gefährde, wenn die Zahl der Senate des höchsten Gerichtshofes vermehrt werde. Meine Herren, das behauptet sich sehr leiht, ist aber auch nur eine Be- hauptung und die Autorität des Reihsgerichts felbst spricht gegen fie. Die Präsidenten der Senate am Reichsgeriht, mit tessen Erstem Präsidezten, Männer, die doch in der Lage sind, ein sahverständiges Urtheil zu haben, und unabhängig genug, um auc der Regierung gegenüber eine felbftändize Ansicht auszusprehen, habea erklärt, daß eine Vermehrung der Senate in erhebliher Weise ohne {were Schädigung der Rechtsprechung nit mögli ist.

Aber diese Meinung entstammt nicht bloß dem Kreise des Reichsgerichts, sie wird von hoh angesehenen Prozessualisten Deutsch-

[ands in gleicher Weise vertreten. Ih habe hier eine Ausarkbeitung des auf dem Gebiete des Prozeßrehts hervorragenden Professors Dr. Stein in Halle, der lange Zeit in Leipzig thätig gewesen ist, der also nicht bloß von seinem wissenshaftlichen Standpunkt aus, sonderr aus der Praxis des Lebens, der Verhältnisse, wie sie am Reichsgericht bestehen, zu urtheilen vermag. Er sagt in seiner Schrift ih bitte um die Erlaubniß, diesen einen Saß zu verlesen ;

Ich kenne die Verhältnisse des deutschen Neichsgerihts aus eigener Anschauung hinter den Kulissen; ih habe beinahe zehn Jahre in Leipzig gelebt und viel in den Kreisen des Neichsgerichts verkehrt. Jch weiß, daß das Reichsgeriht um jeden Preis entlastet werden muß. Es geht so wie jeßt niht mehr weiter. Nicht nur daß die Senate fast ohne Fühlung miteinander sind, sodaß es un- zählige Streitfragen giebt, in denen jede Partei sich auf ihr günstige Reichsgerichtsentscheidungen berufen kann die Richter des Reichsgerichts sind in unerhörter Weise überbürdet, und das führt dazu, daß das Niveau der Nechtspreung zu sinken droht.

Dann sagt Professor Dr. Wach, wohl die erste Autorität auf dem Gebiete des Prozeßrechts in Deutschland, ein Mann, der an der Universität Leipzig in unmittelbarer Fühlung mit den Verhältnissen des Reichs sich befindet, Folgendes :

Die vorgeschlagene Maßnahme ist im wohlverstandenen Interesse des Neichs und der gesunden Rechtspflege dringend geboten. Sie ist geboten, damit das Reichsgericht fähig und tüchtig bleibe, die ihm gestellte große Aufgabe zu bewältigen. Die Frage ist von geradezu vitaler Bedeutung.

Meine Herren, ih bin beruhigt gegenüber solchen Einwänden von der Schädigung der Rechtspflege des Volkes infolge des Standpunkts, den wir vertreten, wenn ich mich stüßen kann nicht nur auf die Autorität des Reichsgerichts selbs, sondern auch auf die Autorität angesehenster und sahverständigster Männer, wie ih sie Ihnen hier vorführen fonnte,

In den Verhandlungen des Anwaltstage3, auf die der Herr Abg. Traeger vorhin Bezug nahm, is von hoh angesehener Seite aus dem Anwaltstande heraus, ohne daß von irgend einer Seite ein Widerspru dagegen erhoben wurde, gesagt worden: Wir haben jeßt eigentlih {on sechs oberste Gecihtshöfe in unserem Reichsgericht, wenn wir die Wahrheit sagen; so weit gehen die Entscheidungen unter den verschiedenen Senaten auseinander. Nun, meine Herren, sollte es einmal dahin kommen, daß die Zahl dieser sechs Senate ver- mehrt wird um drei oder vier Senate, da wird es auch weiter gehen und dahin kommen, daß die Lockerung in dem Verbande des höchsten Gerichtshofes noch weiter um {ih greift, dann werden die Senate ‘noch weniger durch gemeinsame Interessen sih gebunden fühlen, und die Senate werden kaum noch durch mehr als den Raum mit einander vereinigt erscheinen. Meine Herren, dann wird eines \{önen Tages die Frage aufgeworfen werden, weshalb denn die Senate alle in Leipzig sißen, da sie mit einander doch nicht nähere Fühlung haben; für das Volk wäre es jedenfalls dann bequemer, wenn der eine Senat, sagen wir in München, der andere tn Straßburg, der dritte in Hamburg und * so weiter säßen. Meine Herren, hüten Sie si, durch die Entwickelung, in die Sie das NReichsgericht fo unbedenklih hineinführen wollen, folhe Fragen an- zuregen. Sie werden damit mächtige Interessen auf den Plan rufen. Damit wäre die Zerstörung derjenigen Reichsinstanz nahe gebracht, auf der allein die Rethtseinheit , die wir jeßt mühsam nach fast 30jähriger Arbeit geschaffen haben, beruht.

Meine Herren, wenn Sie nun den Antrag annehmen, was wird dann werden? Der Herr Abg. Schmidt (Warburg) hat hier ctwas pathetisch uns entgegengehalten, die Regierung würde niht wagen, dann die Novelle zu verwerfen. Er hätte diese Ausführung nicht nöthig gehabt; denn der Herr Abg. Träger hatte bereits erwähnt, daß ich in der Kommission ofen erklärt habe: wir wollen von dieser Frage die Zivilprozeßordnungsnovelle nicht abhängig machen, wir werden die Novelle unter allen Umständen annehmen. Also diesen Warnungsruf an uns zu richten, war nit nöthig. Wir wollen Sie, meine Herren, nicht zwingen, wir wollen Sie überzeugen ; wir wünschen, daß die Einschränkung, die wir nothgedrungen in der Thätigkeit des Reichsgerihts vornehmen müssen, mit Jhrec freien Zustimmung ins Leben tritt, nicht unter dem Druck von Verhältnissen, deren Sie nicht Herr sind. Jh habe kein Bedenken getragen, das ofen zu erklären, in dem Vertrauen, daß der. Reichstag die große Bedeutung der ganzen Frage objektiv würdigen werde.

Meine Herren, wir werden, wenn der Vorschlag der verbündeten Regierungen und Ihrer Kommission abgelehnt wird, natürlich die Novelle annehmen ; aber wir werden dann, soweit es mir erlaubt sein wird, dabei ein Wort mitzusprehen, niht nach den Gesichtspunkten, die der Herr Abg. Träger dargelegt hat, das Reichsgeriht aus- bauen ; wir werden, wenn die verbündeten Regierungen, wie ich hoffe, meine Ansicht theilen, das Reich8gericht in den Grenzen halten, die das Interesse einer gesunden Rechtsprehung uns aufzwingt. Was dann aus den Verhältnissen wird, das wird die Zukunft lehren. Der Reichstag wird, wie ih wenigstens glaube, später dann doch genöthigt sein, der Maßregel zuzustimmen, die wir Ihnen jeßt, da es die redte Zeit ift, vorschlagen; die Verhältnisse werden den Reichétag zwingen, dieser Maßregel zuzustimmen, leider dann zu einer Zeit, wo der Um- stand, daß dieser Neichstag jeßt die Zustimmung versagt, {on \chwere Nachtheile über das Reichsgericht gebracht haben wird. Meine Herren, ih erkläre offen : id werde meinen Namen nicht dazu hergeben, daß die Zahl der Senate des RNReichsgerihts in einer Weise vermehrt wird, welche die Autorität des Reichsgerihts ershüttern muß. Wenn es nah den Wünschen unserer Gegner geht und dann eine spätere Zeit vielleiht von den Todtengräbern des Reichsgerichts sprechen follte ih will niht dazu gehören. Machen Sie ih die Verant- wortlihkeit Ihres Beschlusses klar und fragen Sie, ob Sie der Zu- kunft unserer Rechtsentwickelung und der shwer bedrohten Stellung des Reichsgerihts gegenüber in der Lage sind, den Beschluß der Kom- mission zu verwerfen. Jch bitte Sie dringend: stimmen Sie ihm zu! (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) tritt in erster Linie für den Antrag Träger ein; wenn dieser aber abgeiehnt werden sollte, dann sei s{ließ- tis "a S a annehmbarer, als der durhaus ver- v Dr La Dle dow t Pointan (Pole) spricht \ich namens seiner Partei gegen die Erhöhung der Revisionssumme aus.

_ Abg. Nembold (Zentr.) erklärt sich für den Kommissionsbes{hluß, e Dr. Ofann (nl.) meint, daß man jeßt nit mit der Er- höhung der Revisionssumme vorgehen solle; man folle vielmehr erft

einige Jahrzehnte nah Einführung des Bürgerli®wen Geseßbuhs warten, ob sih die Nothwendigkeit dazu wirklih herausftellen werde.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Es bandelt sih darum, ob das Haus in dieser Frage der Autorität der Nehtsanwalte oder der Autorität der verbündeten Regierungen folgen will. Fch werde mih für die Regierungsvorlage entscheiden.

Darauf wird die Debatte geschlossen, und der Antrag Träger, es bei der NRevisionssumme von 1500 M6 zu belassen, mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der beiden konser- vativen Gruppen und eines Theils des Zentrums angenommen.

Zu S 509 sollte nah dem Vorschlage der Kommission eine Nr. 3 hinzugefügt werden, wonach auch Rechtsstreitig- keiten, in welhen ein Anspruch auf Grund der Vorschriften über die Kirchenbaulast, Schulbaulast, das Pfründenrecht oder das Patronat geltend gemacht ist, zur Nevision zugelassen werden sollen.

Abg. Dr, von Cuny (nl.) beantragt, diesen Zusaß zu streichen, da diese Mehrbelastung des Reichsgerihts nur in Nüksiht auf die nunmebr abgelehnte Reoisionésumme in Aussicht genommen worden fei.

Das Haus beschließt nah dem Antrag von Cuny.

Bei den S8 528, 528a., 528b. und 529, die in der Be- rathung verbunden werden, beantragt

Abg. Dr. von Cuny gleihfalls, die darin enthaltene Ver- Mena ber Geschäfte des Reichsgerichts dur ensprehende Streichungen zu beseitigen.

Berichterstatter Abg. Trimborn (Zentr.) erklärt, daß dies nah Annahme des Antrags Träger den Absichten der Kommission ent- sprechen würde,

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Ich muß den Antrag des Herrn Abg. Dr. von Cuny im Namen der Negierung aufs dringendste unterstüßen. Jch kann den Aus- führungen, die der Herr Abgeordnete gemacht hat, und den damit übereinftimmenden Ausführungen des Herrn Referenten nur bei- stimmen. Es ist wirklich nicht thunlih ih glaubte das im Namen der verbündeten Regierungen sagen zu können —, diese Belastung dem Neichsgeriht zuzumuthen, wenn nach irgend welher Nichtung, wie tas eben beschlossen worden ift, eine Entlastung bezüglih der Revisionsfachen nit eintritt. Das entspri{t au, ich darf wohl sagen, der einstimmigen Auffassung des Reichsgerichts, und ih bitte Sie, erschweren Sie die Situation des Reichsgerichts niht noch mehr, als Sie es leider durh den Beschluß, den Sie vorher gefaßt haben, gethan haben. Ich bitte dringend, dem Antrag des Herrn

Antragstellers zu folgen.

Nachdem die Abgg. von Salish und Gamp den An- trag von Cuny befürwortet haben, und der Abg. Dr. Rintelen für den Kommissionsbeschluß eingetreten is, wird der Erstere angenommen. |

ZU S 715, der die Dinge aufzählt, welche pfandfrei sind, beantragt _ Abg. Dr. Böel (b. k. F.) in Erweiterung des Kommissionsbe- \{lusses, etne Uhr und ferner nit die „unentbehrlichen“ Gegenstände, sondern die zur Erhaltung des Hausstandes nothwendigen pfandfrei zu erklären ; die Erhaltung des Existenzminimums müsse gesichert werden; das sei die beste Mittelstandspolitik. Redner beantragt, die zur Er- werbsthätigkeit unentbehrlihen Gegenstände nit nur bei Künstlern, Handwerkern 2x, sondern au bei Sthriftstellern, Kleinkaufleuten, Kleinindustriellea und Berufsfishern für unpfändbar zu erklären. Bet dieser Frage sollte nit der juristishe Standpunkt entscheiden.

Geheimer Regierungs-Rath im Reichs-Justizamt Grzywacz weist darauf hin, daß die Vorlage {hon wefentlihe Verbesserungen des § 715 gebraht, daß ferner die Kommission noch weitere Ver- besserungen vorgenommen habe. Auf den Standpunkt, daß nur auf den Schuldner Rüksiht zu nehmen fei, habe si die Kommisfion allerdings nit stellen können.

Abg. Gamp (Rp) spricht sih in demfelben Sinne aus.

Der Antrag wird mit großer Mehrheit abgelehnt.

Jm übrigen wird die Vorlage nah den Beschlüssen der Kommission ohne erhebliche Debatte angenommen.

Das Haus beschließt ferner, den Reichskanzler zu ersuchen, die sämmtlichen Justizgeseße, nah der neuen Gestaltung revi- diert, zu veröffentlichen.

Es folgt die Abstimmung über die Anträge des Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.) bezw. Dr. Lieber (Zentr.), betreffend das Koalitionsrecht; sie werden beide, und zwar in folgender Fassung angenommen:

1. Antrag Pachnicke: „Die verbündeten Regierungen um die Vorlegung eines Gesetzentwurfs zu ersuchen, welcher die dem Koalitionsrecht noch entgegenstehenden Beschränkungen beseitigt, insbefondere a. den § 152 der Reichs-Gewerbeordnung dahin abändect, daß Verabredungen und Vereinigungen zur Erlangung güastiger Lohn- und Arbeitsbedingungen auch dann erlaubt sind, wenn sie nicht oder nicht nur die unmittelbaren Interessen der fich Verabredenden oder Vereinigenden, fondern auh die Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen im allge- meinen betreffen, oder darauf gerichtet sind, Aendernngen in der Gesetzgebung und Staatsverwaltung herbeizuführen; b. den im § 152 der Reichs - Gewerbeordnung erwähnten Vereinigungen und sonstigen zur Wahrung von Berufsinteressen gegründeten Vereinen gestattet, miteinander in Verbindung zu treten; c. den zur Wahr- nehmung von Berufsinteressen begründeten Vereinen Rechtéfähigkeit verleiht, wenn fie den §§ 55 bis 60 des Bürgerlichen Geseßbuchs genügen.“

11, Antrag Lieber und Genossen: „die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Geseßentwurf vorzulegen, dur welchen der § 152 der Gewerbeordnung dahin ergänzt wird, daß Verabredungen und Vereinigungen gestattet werden, welche die Ver- besserung der Lage der Arbeiter im allgemeinen oder die Erlangung günstigerer Lohn- oder Arbeitsbedingungen dur Veränderung der Geseßgebung bezwecken.“

Ferner werden Petitionen, betreffend die Einführung des Befähigungs8nachweises für das Baugewerbe, entgegen dem Antrage der Petitionskommission aur. Ueber- weisung als Material, entsprehend dem Antrage des Abg. Dr. Hive der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

s folgt die zweite Berathung des Nachtrags zum Reichshaushalts- Etat für 18988. Der Nachtrags-Etat wird einschließlich des Paushquantums von 5 Millionen für Kiautshou ohne weitere Debatte genehmigt.

Als Anlage zum Etats geseß werden für das Reichs- bank: Direktorium 18 000 46 zu nichtpensionsfähigen Zulagen an den Vize-Präsidenten und die Mitglieder bis zum Betrage von je 3000 M 1ährlih gefordert.

Abg. von Kardorff (Rp.) ecklärt fh gegen diese Bewilligung, weil die Reichsbank im Gegensaß zu der französishen Bank nicht der Aufgabe gerecht geworden sei, möglihst billigen Kredit zu gewähren. e e

Staatssekretär des Jnnera, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Wie {on der Herr Vorredner angedeutet hat, foll dieser Diépositionsfonds dazu dienen, um den Herrn Reichsbank- Präsidenten in die Lage zu verseßen, den Mitgliedern des Reichsbank- Direktoriums Zulagen zu gewähren. Hierfür maßgebend gewesen if die Thatsache, daß es erstens s{hwierig is, hervorragende Reihsbank-

beamte, die den Bankdienst praktis kennen, aus der Provini beran«-

S R S S M E I E T X M d. ti S M Vorr