1874 / 290 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

ten gehören, Liegt für Jedermänn klar zu Tage; daß dur die in einzelnen von ihnen dem Ang-{1agten gematen Vorhaltungen und ertbeilten Rektifikationen deren Charakter in keiner Weise alterir wird, ist selbstverständlich.

II!. Erlasse und Berichte, über deren BVerbleikß, der Angeklagte keine Auskunft geben zu können erkiärt: Zu diesen Sthriftstücken, deren Beiseiteshaffung dem B ngeklagten

ebenfalls zur Last gelegt wird, gehören unter Anderem folgende:

: A. Erlasse: : i

1) Erlaß Nr. 17 vom 24. Januar 1872, betreffend ein Memoire Tiber Unterredungen mit dem General Fleury. :

2) Erlaß Nr. 18 vom 24. Januar 1872, betreffend die Stellung 20 Es russishen Botschafters zu Paris, Fürsten Orloff zu

uts{land.

3) Erlaß Nr. 34 vom 10. Februar 1872 über eine Unterredung des Fürsten Orloff mit Thiers. s

4) Erlay Nr. 35 vem 12. Februar 1872, betreffend die Stellung der „Kreuzzeitung“ zur Regierung. : S

5) Erlaß Nr. 91 vom 28. April 1872, betreffend die beabfichtigte Srueninns des Kardinals Hohenlohe zum deutshen Botschafter am päpstlihen Stuhle. E

6) Erlaß Nr. 99 vom 12. Mai 1872 über die Lage und Aus- sihten der Parteien in Frankreich. D Le

7) Erlaß Nr. 210 vom 21. Oktober 1872, betreffend die öôster- rei bie und italienishe Presse über Gambetta.

8) Erlaß Nr. 15 vom 2. Februar 1873 über die Stellung der Deutschen in Paris, die sozialen Verhältnisse und die Pflichten der Kaiserlichen Vertretung daselbst. .

9) Erlaß Nr. 295 vom 30. Dezember 1873, betreffend Jnstruk- tion in der Affaire Rothschild. :

10) Erlaß Nr. 26 vom 18. Januar 1874, betreffend die Hal- tung Frankreichs zu Jtalien und Instruktionen hierüber.

11) Erlaß Nr. 39 vom 23. Januar 1874, betreffend denselben

Gegenstand. B. Berichte:

1) Bericht Nr. 10 vom 22. Januar 1872, betreffend die Regie-

zungsfkrifis in Versailles und die Unfähigkeit von Thiers.

92) Bericht Nx. 155 vom 1. Dezember 1872 über Budget und

Finanzlage in Frankreich. Ï : 3) Bericht Nr. 158 vom 2. Dezember 1872 über die deutsche Journalistik in HOY L ; 4) Bericht Nr. 13 vom 22. Januar 1873 über die Stellung der Deutschen und die sozialen Verhältnisse in Paris. :

5) Bericht Nr. 21 ‘vom 7. Februar 1873 über die Stellung “Deutschlands zu Frankreich, über Thiers und die Räumungsfrage.

6) Immediat-Bericht Nr. 30 vom 11, April 1874 über die

Stellung Deutschlands zu Frankrei.

7) Bericht Nr. 61 vom 22. April 1872 vom Grafen v. Wes-

“Dehlen über Gambetta's Auftreten in der Provinz. 8) Bericht Nr. 70 vom 6. Mai 1872 über die politische Lage Frankreichs Thiers und Gambetta. R G 7 Bericht Nr. 3 vom 7. Januac 1874 über die Affaire Rot h- {ch ild. Ï 10) Bericht Nr. 8 vom 13. Januar 1874 über die Lage Frank- reis und die politishen Parteien. 2 : :

11) Bericht Nr. 9 vom 13. Januar 1874 über die Beziehungen Frankreichs zu Jtalien. L |

12) Bericht Nr. 120 vom 17. Oktober 1873 über eine Unter- redung mit dem Duc de Broglie bezüglih der Stellung Deutsch- JIands zu Frankreich. : ) S

Bezüglich des leßten Berichtes giebt der Angeklagte die Möglich- Feit zu, daß derselbe fich noch unter seinen Privatpapieren befinde.

Von jenen Erlassen und Berichten find nur folgende in die Jour- uale der Botschast eingetragen : q

a) die sub Nr. 5, 6 und 8 aufgeführten drei Erlaffe Nr. 91, 99 (aus 1872) und Nr. 15 aus 1873. L

b. die sub 1, 2, 3, 4, 7 und 8 aufgeführten sechs Berichte Nr. 10, 155 und 158, 61 und 70 aus 1872 und Nr. 13 aus 1873.

Außer der Annahme, daß der Angeklagte die hier in Rede stehen- den Schriftstücke absichtlich nach fich und mitgenommen habe, bleiben nur die folgenden drei Möglichkeiten übrig: 5

1) Daß die Shriftstücke sich noch im Botschafts-

archive befinden. i

Diese Möglichkeit wird durch das Ergebniß der von dem Kanzlei- personal vorgenommenen genauesten Durchsuchung des Archivs aus- geshlossen. Von den nicht zur Eintragang gelangien Schriftstücken ift nah der Aussage des Kanzlei-Diätars Hammerdörfer über- dies anzunehmen, daß sie überhaupt nicht zum Archiv omares find.

2) Die Möglichkeit, daß ein Dritter die chriftstüdcke nach sich genommen habe. Für dieselbe fehlt jeder thatsächliche An- halt. Das Archivspind ist von dem Angeklagten und in seiner Abwesenheit von dem Grafen Wesdehlen stets unter Verschluß gehalten worden. Einen Theil der Papiere hatte der. Angeklagte unter Privatverscluß. Ueber seine Angabe, daß die unter A. Nr. 10 und 11 aufgeführten Erlasse Nr. 26 und 39 in seiner Abwesenheit an den Grafen Wes- de hlen gelangt seien und daß er am 17. Januar 1874 (am Tage nah dem Tode seiner Tochter) demselben die sub B, 9, 10 und 11 aufgeführten Berichte Nr. 3, 8 und 9 übergeben habe, hat fich der Graf v. Wesdehlen dahin ausgelassen: Die Erlasse Nr. 26 und 39 habe er dem Angeflagten nah ‘dessen Rückunft zugleich mit den übrigen von demselben Feldjäger überbrachten Schriftstücken, unter denen sih auch der von dem Angeklagten geständlih mitgenommene Erlaß Nr. 33 (f. Nr. I1, 10) befunden, ausgehändigt, und ebenso s die Berichte, wenn, was ihm übrigens nicht wahrscheinli sei,

er Angeklagte ihm solche übergeben, von ihm demselben wieder zu- gestellt worden.

3) Die Möglichkeit endlich, daß die Schriftstücke bei der Abreise des Angeklagten aus Versehen unter dessen Sachen gerathen seien. Los und zugleich für die abjichtlihe Mitnahme spricht

olgendes : :

Die Abréise des Angeklagten von Paris verzögerte sich längere Zeit und ecfolgte erst mehrere Wochen nach seiner Abberufung. Für die Sonderung der amtlichen Schriftstücke von seiner Privatkorrespon- ‘denz blieb ihm also Zeit genug. Jn Nassenheide find seine Brief- A und hier von seinen Sachen diejenigen Kisten und sonstigen

ehâltnisse, în denen man Sfripturen vermuthen konnte, erfolglos dur{sucht worden. Wollte er selbft ernstliche Nahsuchungen anstellen, so hatte er seit Monaten hierzu Zeit und Muße. Die fraglichen Sgriftstücke betreffen niht blos meist Gegenftände von größter Wich- tigkeit und von besonderem JInterefse für den Angeklagten, sondern Ee zum Theil auch noch in der ganz besonderen Ver- bindung mit einander, daß mit den Erlassen zugleich die - Dezüglichen Berichte verschwunden find. Es sind dies die : Erlasse: Forrespondirenden Berichte : A. Nr. 6 Erlaß Nr. 99. B. Nr. 8 Bericht Nr. 70. A, Nr. 8 Erlaß Nr. 15. B. Nr. 4 Bericht Nr. 13. A. Nr. 9 Erlaß Nr. 295. B. Nr. 9 Bericht Nr. 3. A. Nr. 10 Erlaß Nr. 26. B. Nr. 11 Bericht Nr. 9. A. Nr. 11 Erlaß Nr. 39. B. Nr. 11 Bercrcht Nr. 9. : Für die Klarlegung der Motive und Endzwecke der Handlungs- weise des Angeklagten, für die Beurtheilung der Glaubwürdigfkeit seinec Angaben, zur Kennzeichnung feiner Auffaffung von seiner _ Stelkang, sowie für seine Charakteristik überhaupt, sind die tolgentenYThatsaten von Gewicht: :

1) Bei seiner Verhaftung zu Naffenheïde gab er über den Ver- leib der g tändlih nah si jmans Schriftstücke anfangs an, dieselben befänden sich im Auslande. Demnächst erbot er sich für deu Fall, daß er auf freiem Fuß gelassen würde, die Papiere binnen drei Tagen herbeizushaffen und erklärte sih guley: unter derselben Des eßung Vereit, einen Beamten an den Aufbewahrungsort der dessen

Sh Fe zu führen, wenn dieser über die Person desjenigen, in ahrung fi dieselben befänden, absolutes* Stillshweigen . gelobe. Bei seinen späteren Vernehmüngen kam er auf die Erklä- ung, daß die Schriftstücke sich im Auslande befänden, zurück, -

5) Der fräglicßèn Schriftstücke will êr u seinèx Vertheidigung“ gegen die seinen Ruf auf das Spiel sezenden \{chweren Anschuldigungen des Reichékanzlers bedürfen. Mit der leßteren Bemerkung scheint er zu- gleih auf die unten zu erwähnenden Vorgänge (cf. Nr. 3 und 4) abzuzielen. Im übrigen versteht er unter den Anschuldigungen den von dem Reichskanzler in seinen Erlafsen wiederholt gegen ihn erho- benen Vorwurf, daß er in Verkennung seiner Stellung eine dessen Intentionen und Instruktionen uwiderlaufende Politik triebe. Für die Berechtigung dieses Borwurss spriht der Inhalt der vorliegenden Erlafse und Berichte. E

Die bereits oben erwähnte Art und Weise, wie der Angeklagte fich nach seiner Verseßung in den einstweiligen Ruhestand über seine Stellung zum Auswärtigen Amte aussprach, läßt einen Rükschluß auf seine Auffassung von seiner früheren Stellung zu dieser Behörde, resp. zu dem verantwortlichen Leiter der Politik zu. i

3) Am 21. September 1872 brate das zu Brüffel erscheinende „Eco du Parlement“ folgende Mittheilung: : J

„Der deutsche Botschafter in Paris, Graf Arnim, soll feine Demission gegeben haben, nachdem die Kriegsentshädigungsfrage definitiv geregelt ist. Graf Arnim soll geltend IayeR daß der Botscafterpostea in Paris ihm keine Entschädigung ür die Unan- nehmlichkeiten biete, denen er im Verkehr mit der Pariser Gefell- schaft begegne. Wenn die Demission angenommen wücde, wird der Botschafterposten auf unbestimmte Zeit vakant bleiben. Es scheint, daß Fürst Bismarck geneigt is, nur einen Konsul in Paris zu belassen, der die laufenden Geschäfte zu besorgen bie

Diese gleichzeitig von Brüssel telegraphisch uach allen Richtungen hin verbreitete falsche Nachricht erregie in der europäischen Preffe nicht geringes Aufsehen. S

Der Ängeklagte berichtete unter dem 1. Oktober 1872 hierüber dem Auswärtigen Amte amtlich. Der Eingang seines Berichtes lautet wörtlich: : : : i:

„Für die Verbreitung der irrthümlichen Zeitungsnachricht, daß ich meine Entlaffung verlangt habe, wird jeßt von einem hiesigen Blatte der in Berlin wohlbekannute br. v. Kahlden verantwort- lih gemacht. Derselbe soll die betreffende Mittheilung aus Unmuth über seine Aus\{ließung aus» dem Jockey-Club und die dadur verdorbene Whistpartie in die Welt geschickt haben.“

„Wie dem auch sei, die wenigen Zeilen, welche wohl aus Versehen den Weg aus irgend einem Briefkasten nah Brüssel ge- [UnDen haben, find der Anlaß zu einer ungewöhnlichen Aufregung geworden. . . .“

Als Anfangs April 1874 in der „Wiener Presse“ die bekannten „diplomatischen Enthüllungen“, enthaltend mehrere Briefe und ein Promemoria des Angeklagten über das Konzil, erschienen, welche auf ihn als den Autor der Veröffentlichung hinwiesen, wurde im Aus- wärtigen Amte der Verdacht laut, daß auch jene Notiz im „Echo du Parlement* von ihm berrühre. Dieser Verdacht fand in einem von dem Grafen von Wesdehlen auf Erfordern hierüber unter dem 13. Mai 1874 erstatteten Berichte, sowie in einer demselben bei- gefügten Aussage des Dr. Beckma'un seine volle Bestätigung. Hier- nach hatte Leßterer am 20. September 1872 von dem damals auf Urlaub abwesenden Angeklagten durch Vermittelung der Botschafts- Kanzlei ein Billet mit der Anweisung erhalten, der demselben bei- gefügten Notiz die größtmögliche Verbreitung zu verschaffen. Folge diesec Weisung war Beckmann nah Brüssel gereist und hatte dort die Veröffentlichung der Notiz in dem ihm mitgetheilten Wort- laut erwirft. :

Vom Auswärtigen Amte mittels Erlasses vom 28. Mai 1874 zu verantwortlichen Erklärung hierüber aufgefordert, gab der Ange- flagte in einem Schreiben, d. d. Karlsbad, 20. Juni 1874, die Dar- stellung des Herganges durch den Grafen Wesdehlen und Beck- mann im Wesentlichen als rihtig zu, monirte jedoch die Ausdrucks- weise des Ersteren, daß die Notiz dem Beckmann von der Kaifser- lichen Botschaft zugegangen sei; denn nicht er, der damals beurlaubté Angeklagte, soudern det Graf Wesdehlen habe an der Spiße der Botschaft gestanden, . hob ferner hervor, daß die von ihm dem Beckmaun zur Veröffentlihung mitgetheilte Notiz von ihm nicht unterzeichnet gewesen féi und einen etwas abweichenden Wortlaut ge- habt, und daß er dem Beckmann die Reise nah Brüssel nicht auf- getragen habe, bemerkt sodann, daß er durch die Notiz in Paris „einen gewissen Effekt“ habe hervorbringen wollen und machte endli geltend, daß der Reichskanzler seine Auffassung getheilt, auch die Maß- regel gebilligt habe, was jedoch nit der Fall ist, und daß er bei Abfassung seines Berichtes an das Auswärtige Amt vom 1. Ofk- tober 1872 geglaubt habe, dasselbe sei von dem Hergange unter-

rich

tet.

Die leßtere Behauptung if angesichts der Fassung des oben mit-

getheilten Berichts gradezu unbegreiflich. E E 4) Das Wiener Blatt, „Die Presse“ Nr. 91 vom 2. April 1874,

brachte, wie bekaunt und bereits oben erwähnt ist, unter dér Ueber-

schrift: i ; . i eDiplomatische Enthüllungen, i Warend 27. März“

einen Artikel, welher vershiedene im Sahre 1870 von dem Ange- klagten, damaligen Gesandten bei der Curie, an bervorragende Tas tholishe Theologen (man nannte den Stiftspropst Dr. Döllinger und Bischof Hefel e), gerichtete Schreiben sowie ein Promemoria veröffentlihte. Diese Schriftstücke bezogen fih auf die Politik, welche die deutshe Regierung dem vatikanishen Konzil gegenüber befolgte, oder vielmehr nach Ansicht des Verfassers befolgen sollte. Die Ber- öffen:lihung der Schriftstücke erregte wegen der amtlichen Stellung ihres Verfassers das allgemeinste Aufsehen.

Ans der dem zweiten Briefe unten beigefügten Anmerkung :

„An den Bischof von . . . gerichtet. Derjelbe gab sein Ehren-

wort, daß er abdanken, aber sih nicht unterwerfen wolle“, ergab si sofort, daß der Adressat die Publikation nicht veranlaßt habe. Mit Bezug hierauf schrieb der Angeklagte in einem an den Staats-Sekretär ». Bülow gerichteten Briefe d. d. Paris, 11. April 1874, wörtlich:

„In der „Wiener Presse" sind Korrespondenzen von mir ver- öffentliht worden. Jch habe dazu nur zu bemerken, daß ich den kurzen Brief, welcher das Promemoria begleitet, weder für apo- kryph, noch für authentisch erklären fann. Aber ich weiß mit der größten Bestimmtheit, daß er nicht an den Bischof efele ge- richtet war. Denn ich entsinne mich, daß ich dem Bischof das Promemoria persönli ch in seiner Wohnung im Quirinal mitgetheilt babe. Wenigstens glaube ih “mich dessen zu entfinnen. Auch ist es niht genau, daß mir dieser oder ein anderer Bischof sein Ehren- wort gegeben habe, fich nie unterwerfen zu wollen. Versprochen haben es Viele, fich selb und Anderen. Aber von „Ehren- wort“ ist mir nihts bekannt. Jch möchte nicht gern direkt mit der „Presse“ in Korrespondenz treten. Aber es wäre mir sehr er- wünscht, wenn Hefele' dur ein Communiqué in offiziösen Zeis- tungen reingewaschen würde, soweit es fich um Ehrenwortbruch und Empfang jenes Billets handelt.“

Hatte der Angeklagte felbît die Veröffentlihung veranlaßt, fo suchte er jeßt den durch jene Anmerkung begangenen Fehler wieder gut zu machen. Auf sein Ansinnen wurde nit eingegangen, er viel- mehr, nachdem inzwischen in der „Augsburger Allg. Ztg.“ vom 25. April 1874 sein bekannter Brief an Dr. Döllinger veröffentlicht worden war, auf Allerhöchsten Befehl durch Erlaß des Staats-Sekre- tärs v. Bülow vom 5. Mai 1874 unter Hinweis auf die Bedeutung des Amtseides zur amtlichen und \chriftlichen Aeußerung über folgende Punkte aufgefordert :

___ 1) ob die Veröffentlihung in der Wiener are direkt oder indirekt von ihm ausgegangen oder durch Mittheilung der betreffen- den Piecen an Dritte hervorgerufen sei, event. ob er davon, daß eine solche Veröffentlihung beabsichtigt sei, vorher Kenntniß gehgbt habe, sowie ferner, wer die Adressaten jener Briefe seien;

2) ob er den in der „Augsb. Allg. Ztg.“ publizirten Brief ge- schrieben und seine Veröffentlichung veranlaßt habe. j

Unter dem 7. Mai 1874 erwiderte er, daß er sich ad Punkt 2 zu der Autorschaft dieses Briefes bekenne. Ueber den ersten Punkt ließ er sich nicht aus, ebenso wenig über die Veröffentlihung des

Kenntniß ohne Autorisation des Auswärtigen erscheint als selbftverftändlich.

Briefes sub 2, Durch Erlaß vom 10. Mai 1874 zur Aeußerung über diese Punkte nochmals aufgefordert, schrieb er am nächsten Tage, u die Erledigung des Eclasses Korrespondenzen mit Personen voraus}eße, die nit in Berlin, zum Theil nicht einmal in Deutschland wohnten, und ließ sich in einem ferneren Schreiben vom 14. Mai 1874, indem er zugab, den Dr. v. Döllinger zur Publikation des Briefes sub F ermächtigt zu haben, ad Punkt 1 wörtlich dahin aus:

“Für die in der „Presse? veröffentlichten Ent-

hüllungen bin ich unter keinem Gesichtspunkt ver-

antwortlich, Ich kann darüber au keine Aufklärungen von Anderen erlangen . . .…. Die Adressaten der beiden veröffent- lichten Briefe kann ih nicht bezeihnen. Aber ih glaube mich bestimmt zu erinnern, daß ich an den Herrn Bischof von Rotten- burg nie geschrieben habe. Í

Zugleich fügte er cine Abschrift eines Briefes des Herauêgebers

der „Presse“ bei, worin sich dieser gegen die Zumuthung, den Ein- sender der qu. Sriftstücke zu nennen, verwahrt und zugleich erklärt, daß der Gewährsmann des Blattes sich weder auf den Angeklagten berufen, noch, so viel bekannt, jemals in irgend einer Beziehung zu ibm gestanden habe.

Abgesehen von der großen inneren Unwahrscheinlichkeit, daß die

Veröffentlihung der qu. Schriftstücke ohne Zuthun oder Wissen des Angeklagten erfolgt sein sollte, sprechen gegen die Wahrheit der von ihm abgegebenen amtlichen Erklärung folgende Thatsachen:

Der Redacteur der Wiener „Presse“ ist W. Lauser. Dr.

Landsberg ist ein in Paris lebender deutscher Literat. Unter den bei dem Angeklagten in Nassenheide in Beschlag genommenen Pas- pieren befindet si eine eigenhändige Notiz von ihm, dahin lautend ;

; E 22. Mai. Heute bei Landsb., der mir einen rief von Laufer (Presse) mittheilte, ungefähr folgenden Jnhalts: ia tén; 19

Lieber Freund! ;

Heute war ein Baron (Name unleferlich) bei mir, um mi gegen Hinterlegurig einer „Kaution“, deren Höhe ich bestimmen sollte, zu veranlassen, den Einsender der Enthüllungen zu nennen. Es scheint also, daß man keine Mittel scheut. Meine Florentiner Reise kommt mir jeßt vortrefflich zu Statten.

E Ihr Lauser.“

„Beckmann sah ich auf der Straße. Er ift, wie ih von Landsberg wußte, auf der Botschaft protofollarisch vernommen worden. Nach B.'s Mittheilung, der mir von seinem Verhör nichts sagte . . ., dürfte das Verhôr mehr die Feststellung des Thatbe- standes in Hinsicht auf die Enthüllungen, als die damalige Indis- fretion des „Ech. d. p.“ zum Gegenstande gehatt haben.“

Fn dem eben dort in Beschlag genommenen Kopirbuche des An-

geklagten befindet sich ein Brief von ihm an Dr. Landsberg d. d. Karlsbad, 7. Juni, in welhem es nah Konstatirung einer miß- verständlichen Auffassung Seitens des Leßteren heißt:

„Jh hatte Jhren Gedanken, der etwa so sch refumirte :

„Point de sacrifice et point de chantage“,*) reyroduzirt mit einem melancholiscch-neidischen Seitenblick auf die mildthätige Stiftung, welche man R.-Fonds nennt.

Sie haben verstanden, daß ih Ihren wohl begründeten, [egitimen, bonneten, bescheidenen, unabweislichen, beschämend disfreten Anu- spruch auf Erstattung von auf meinen Wunsch gemackten Auslagen als einen exorbitanten, überraschenden Anspruch habe bezeichnen wollen, der nur von Jemand befriedigt werden könnte, der über den +-Fonds disponirte. Zum Unglück habe ih, wenn ich nit irre, gesagt: Jett kann ih mit dem B. nicht konkurriren, und Sie haben gelesen: Jeßt kann ih das „Billet“ nicht übersenden, weil ich den R. nicht habe, während ich nur sagte: Jett kann ih für eine Verbesserung des deutschen Zeitung8wesens nicht so viel thun, wie ih wohl möhte. Und schließlich haben Sie vermuthlich meine Aeußerung: „Das Billet wird Ihnen von einem anderen Orte zugehen“, so verstanden, als wolle ich es Jhnen dermalein st von einem anderen Orte shicken, während ich nur sagen wollte: Ic muß Jemand, der nicht hier, sondern in Schwalbach ist, den Auftrag geben, Ihnen“ das Fragliche oder vielmehr Unfragliche im Couvert obne Begleitschreiben zu s{icken. Ecco! mir s{heint, daß Sie mich nun ve:standen haben werden . . .“ L:

Zum Schluß spriht der Angeklagte dem Dr. Landsberg noG

seinen herzlichsten und aufrichtigsten Dank aus. Demnächst muß das sogenannte „Billet* an Landsberg gelangt und Laufer befrie- digt worden sein; denn unter den saisirten Papieren des Angeklagten findet sich ein von Laufer an Landsberg gerihteter, von Leßterem dem Angeklagten anscheinend als Quittung übersandter Brief, dahin lautend:

i Wien, 11. Juni 1874, „Lieber Freund! *

Besten Dank für Brief und Souvenir. Rechnen Sie stets auf meine Bereitwilligkeit, Jhnen zu dienen. . . . Es versteht fich von selbst, da ih unseres Freundes Ruf überall folgen werde. Dabei werde ih suchen, Ihrer Empfehlung keine Unehre zu machen. Gestern war Bucher bei mir, um mich wegen der Bestehungs- geschihte zu fragen. Denken Sie vielleicht einmal gelegentlich daran, den Bordeaux für mich zu bestellen. Nochmals besten Dank und Gruß.

Ihr Lauser.“

In dem Uebersendungsschreiben an den Angeklagten theilt

Landsberg diesem mit, daß der von Lauser genannte Bucher ein Bruder des Geheimen Legations - Raths und felbst Schriftsteller sei, und fährt dann fort: :

„L. (Lauser) nach Karlsbad kommen zu lassen, lohnt jeßt ge- wiß niht mehr, er will mit seiner Zuschrift vielmehr sagen, daß er auch einem Rufe nah einem Wiener Hotel bereitwillig folgen wolle. Beckm. ist gestern nah Berlin abgegangen, man wird durch ihn E Druck auf mich zu üben suchen; selbstverständlih ohne

olg.“ Landsberg hat sein Zeugniß über diese Angelegenheit ver-

weigert, ebenso Laufer.

Wie bereits erwähnt, gab der Angeklagte die Seitens des Aus-

wärtigen Amtes unter Hinweis auf seinen Diensteid von ihm erforderte Erklärung über die Veröffentlihungen der Wiener „Prefje“ erst nach wiederholter Aufforderung ab. In einer unter den saifirten Skfripturen befindlichen Briefe eines Verwandten an ihn vom 10. Mai 1874 findet sich mit Bezug auf ein Schreiben von ihm die Bemerkung: daß seine Weigerung, seine Antworten auf ein gewisses ministerielles Anschreiben auf den Diensteid zu nehmen, da er wie der Angeklagte im Prozesse stehe, etwas subtil seine.

Der Entwurf des veröffentlichten Promemorias befindet sich unter

den bier in Beschlag genommenen Skripturen des Angeklagten.

5) Unter den zuleßt erwähnten Papieren fand fich ferner der Ent-

wurf eines Zeitungsartifels mit der von der Hand des An eklagten herrührenden Bemerkung, daß derselbe für die „Kölnische Zeitung“ bestimmt sei. Der Artikel findet si denn auch in der That in dieser Zeitung, und zwar in der Nummer vom 29. März 1872. Der die Räumungsfrage behandelnde Artikel ist rein politisch und gründet sih auf die Kenntniß von Verhältnissen, wie fsolhe der Angeklagte nur vermöge seiner amtlichen Stellung erlangen konnte.

Daß der Angeklagte zu einer as ritte ur Pen t

6) Inhalts eines Briefes von Franz Wallner d. d. Marien-

bad, 15. Juni 1874, an den Angeklagten hat dieser auch zu der Wiener „Neuen Freien Yresse“ Beziehungen gesucht. Es wird darin einer von dem reiber im Auftrage des Angeklagten mit dem Dr. E. (Redacteur des Blattes) genommenen Rücksprache erwähnt, bei wel- wer der Dr. E. hervorgehoben habe, daß das einflußreiche Journal in der letzten Angelegenheit contra B

des Angeklagten gestanden habe. Zug

einer Zusamnienkunft des damals

. ganz und voll auf der Seite leich werden die Modalitäten noch in Karlsbad aufgehaltenen

*) Zu Deutsch eiwa: „Umsonst ist der Tod!"

Angeklagten mit dem Dr. E. erörtert. Ein fernerer Brief des oben mehr erwähnten Dr. Landsberg ap den Angeklagten ergiebt, daß der leßtere mit der Idee umgegangen ift, ein hiesiges großes Lokalblatt

zu erwerben. Bei Besprechung dieses Planes stellt Landsberg die

persönliche Betheiligung des Angeklagten durh Inspiration, thatsäh- lihe Aufklärung, und mit der eigenen Feder als eine selbstverständ- lihe Voraussetzung hin.

Die bier in Rede stehenden amtlihen Schrifistücke würden für die Abfassung von Promemorias, resp. für ZeitungsSartifel eine reiche Ausbeute geliefert haben. Als beweiskräftige Driginale waren fie besonders werthvoll für den Angeklagten, nit zu seiner’Vertheidi- qua, sondern zu erneuten Angriffen auf die derzeitige Politik des

eutshen Reiches.

Demgemäß, und da die fraglichen Schriftftücke sich nach Form und Inhalt als Urkunden im Sinne des §. 348, Alin. 2 des Siraf- geseßvuches darstellen (vergl. v. Holßendorffs Handbuch des Deutschen Strafcechts Band 1Il., Seite 956), der Thatbestand der Unterschlagung aber durch die Absicht rechtswidriger Zueignung, ohne daß es zugleich einer gewinnsüchtigen Absicht bedarf, bedingt wird und auf Sacen von Vermögens - (Tausch -) werth nicht beschränkt ift (cf. v. Holßendorff a. a. O. 634, 635, 655 flg., 668, 693, 698 flg., und Oppenbof Kommentar zum Strafgeseßbuch zu §. 243, Nr. 4, 52 und

8 246, Nr. 3 und 46) klage ih den Grafen v. Arnim an:

im Hotel der Kaiserlichen deutshen Botschaft zu Paris während der Zeit von 1872 bis 1874 dur eine und dieselbe Handlung als Beamter

a. ihm amtilich anvertraute Urkunden vorsäßlich bei Seite ge-

saft, b. Sachen (die Urkunden sub -a), die er in amtlicher Eigenschaft empfangen hatte, sich rechtswidrig zugeeignet zu haben. Vergehen gegen die §8. 348, 350 und 73 des Strafgefeßbuches. Ich beantrage: - demgemäß die Untersu&ung gegen ihn zu eröffnen und in dem an- zuberaumenden Termine zur mündlichen Verhandlung, für welchen ih mir Anträge auf Beschränkung der Oeffentlichkeit vorbehalte, die oben erwähnten Schriftstücke zum Zwecke der Beweisaufnahme verlesen zu lassen und zu demselben als Zeuzen zu laden: 1) den Geheimen Hofrath und Direktor des Centralbureaus im Auswärtigen Amte, Roland, 9) den Botschaftêrath Grafen von Wesdehlen, | u Paris 3) den Vorsteher der Botshafts-Kanzlei vonScheven, ö a mit der Auflage, die politishen Jeurnale mit zum Termine zu bringen, 4) den Kanzlei-Diätar L T zu Paris, 5) den Legations-Kanzlisten und Konsulatsverweser Höhne zu Marfeille, ; 6) den Geheimen Hofrath und Vorsteher der Botschafts-Kanzl:i Gasperini zu Wien, 7) den Schriftsteller Dr. Landsberg zu Paris, 8) den General-Feldmarschall Freiherrn von Manteuffel hier, 9) I : E des Bundesamts für das Heimathswesen, oenig, hier. Berlin, den 11. November 1874. Der Staatsanwalt am Königlichen Stadtgericht. gez. Tessendorff.

Nachtrag zur Anklage wider den Grafen Harry v. Arnim. Nachträglich, und zwar durch den Rechtsanwalt Munckel, sind: 1) von den unter Anklage gestellten Schriftstücken und zwar

von den Schriftstücken Nr. Il. der Anklage: die Erlasse Nr. 17, 18, 34 (Nr. 17 und 34 mit den Anlagen), 91, 11, 99 aus dem Jahre 1872 cfr. III. A. 1, 2, 3, 9

und 6;

der Bericht Nr. 70 aus dem Jahre 1872, cfr. IIl. B. 8;

9) von denjenigen Schriftstücken, welche, weil ihre absolute Geheimhaltung durch das Staatsinteresse geboten is, von der An- flage ausgeschlossen geblieben find, die Erlasse Nr. 16 und 273 (cfr. Verzeichniß Bl. 2, Aften Nr. 1. u. 10),

als angebli in einem bisher verpackt gewesenen Schreibsekretär auf- gefunden, offen dem Gericht überreit.

Die Herausgabe dieser Schriftstücke, die zu denjenigen gehören, von denen der Angeklagte früher wiederholt behauptet hatte, daß sie p noch in Paris befinden müßten, ändert an der Anklage nichts zu einen Gunsten.

Berlin, den 13. November 1874.

Der Staatsanwalt am Königlichen Stadtgericht. gez. Tesjendorff.

An die VII. Deputation bier.

An die Verlesung der Anklageschrift {loß sich eine eingehende Diskussion über die von Seiten der Vertheidigung angeregte Fragen der örtlichen Kompetenz des Gerichtshofes, wobei dieselbe die Beweis- last für die Kompetenz der Staatsanwaltschaft zuzuschieben unter- nahm- und daran festhielt, daß Graf Arnim zur ersten Verhaftung sein Domizil in Nassenheide und nicht in Berlin gehabt habe, wo- nach das Stadtgericht zu Berlin der örtlichen Kompetenz gegenüber dem Grafen Ärnim ermangelt habe. Die Staatsanwaltschaft behauptete, daß sowohl forum domicilii vorhanden sei, da Graf Arnim vom 1. Oktober ab im Palais, Pariser Plaß 4, eine Wohnung gemiethet habe und die Miethssteuer für das 4. Quartal bezahlt sei, wie daß au forum delicti commissi angenommen wer- den müsse, da die Botschafter und Gesandten ihren persönlichen Ge- richtsstand beim Berliner Stadtgericht hätten, gleichviel, ob sie im Snlande ein Domizil hätten oder nicht.

Die Sitzung wurde hierauf um 14 Uhr vertagt, und der Ge- richtshof zog sich zur Berathung der Kompetenzfrage zurück.

Nach Wiedereröffnung der Sißung um 3 Uhr theilte der Vor- sißende mit, der Gerichtshof habe bes{lofsen, daß über die Frage der materiellen Kompetenz erst im Urtheilsspruch selber zu entscheiden sein werde; zur Begründung der formalen Kompetenz genüge, daß Graf Arnim jedenfalls uicht zu der Zeit, wo er dazu befugt gewesen sei, namlich während noch s{chwebender Voruntersuchung einen formalen Kompetenzeinwand erhoben habe und daß fecner folge seiner zweiten Verhaftung, nach deren Verfügung erst die gerichtliche Untersuhung eingeleitet und die VIT. Deputation ab ovo damit befaßt wurde, beim Berliner Stadtgericht forum deprehensionis vorhanden sei. Dieses genüge, um die formale Kompetenz zu begründen.

Der Gerichtshof trat darauf in die Verhandlung der Sache ein. Auf die vom Vorsitzenden an den Grafen von Arnim gerichtete Auf- forderung, ih über den Passus 2 und 3 der Anklage zu äußern, ob er si schuldig bekenne, erklärte derselbe fich für nit Thuldig, Der Vorsitzende ließ darauf drei Reskripte verlesen, welche sich auf die arhivalishe Behandlung von diplomatischen Schriftstücken beziehen. Um das dienstliche Verfahren in Bezug auf die Absendung und den Empfang diplomatischer Schriftstücke festzustellen, wurden sodann der

here -vortragende Rath im Auswärtigen Amt, jeßige H des undesamtes für das Heimathwesen, König, und der Vorsteher des Central-Bureaus des Auswärtigen Amts, Geheime Hofrath Roland, der Erstere amts-, der Zweite R G vernommen. Schließlich wurden dem Grafen Arnim noch zwei auf der Pariser Bot-

haft geführte Journale zur Rekognition vorgelegt; der Graf erklärte,

dieselben während seiner Amtsführung nie oder so selten gesehen zu 2 , daß er si darüber nicht erklären fôönné, do glaube er, in den- elben die Handschrift des auf der Botschaft angestellten Kanzleidiätars Hammerdörfer zu erkennen. Damit wurde um 44 Uhr die Sißung geschloffen und die Fortseßung der Verhandlungen auf heute, Vormit- tags 10 Uhr, vertagt. -_

10. Dezember. 2, Sißungstag. -

Die heutige Sißnng, welche von dem Vorsißenden um 10} Uhr Vormittags eröffnet wurde, begann nach dem „W. T. B.* mit der Verlesung eines Berichtes des fei en Kaiserlich Deutschen Botschaf- ters in 8, Fürsten zu Hobeniohe, vom 8. Juni 1874 über fehlende

Aktenstücke Eabeerines JSnhalts auf der dortigen Botschaft.

dem Auswärtigen Amt führten Korrespondenz, betreffend die Rückgabe der fraglichen Akten- üde. Der Graf v. Arnim ließ einige derselben \{chließlich durch seinen Sohn, den Reserve-Lieutenant Freiherrn v. Arnim-Swhlagenthin, dem Auswärtigen Amte überweisen, und bemerkie in dem beigefügten Schreiben, daß er weitere Aktenstücke nicht zu besißen glaube, Alsdann wurde ein zweiter Bericht des Fürsten zu Hohenlohe vom 20. Juli 1874 ver- lesen, worin weitere fehlende Aktenstücke aus den Jahren 1872, 1873, 1874, im Ganzen 86 an der Zabl, aufgezählt werden, darunter viele, welche in der Anklage keine Berücksichtigung gefunden, weil fie meift weniger C! (Erlasse und Berichte über vermißte Soldaten, Mißhandlungen Deutscher, Grenzverleßzungen, Beamtenperfonalien). Demnächst folgte die Verlesung der vierüber - zwischen dem Auswär- tigen Amte und dem Grafen von Arnim geführten Korrespondenz (bereits früher in der-Presse veröffentlicht).

Aufgefordert, sich über die einzelnen Punkte auszulassen, erklärte der Angeklagte, daß er von dem Augenblicke an, da ein Theil der Presse ihn als reihsfeintlich bezeihnet habe, seine gesammten Privat- papiere in das Ausland, d. h. außerhalb Preußens geschafft habe, wo sie ficher deponirt seien. Zu diesen Papieren und zwar zu einem von ihm mit „Konfliktsakten“ überschriebenen Faêcikel gehörten au die- nigen Briefschaften, deren Rüdckerstattung bisher nicht erfolgt sei. aßregel sei er genöthigt gewesen, weil er fortan fich Haus nicht mehr ficher in Preußen gefühlt habe. Der Vorsißende konstatirte, daß die meisten der zurückerstatteten und sonft vorgefundenen Erlasse des Reichskanzlers mit hämischen Rand- bemerkungen Seitens des Angeklagten versehen find. Einige derselben wurden verlesen. j die - weitere

dem Grafen

bedeutender Art find.

u dieser M

Der Angeklagte 2 - Veröffentlihung dieser Anmerkungen. ihm darauf ein Brief des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck ( : J . _ Von diesem nit jour- nalifirten Briefe, dessen Inhalt Geheimniß bleibt, wurde noch kon- ftatirt, daß derselbe Darüber, ob die Striftftücke, welche die Veranlassung zu den persönlich gehaltenen Depeschen Angeklagten

vorgelegt und von ihm rekognoszirt.

allein politishe Instruktionen des Reichskanzlers i welche der Angeklagte weigert, vom Auswärtigen Amt eingefordert uud verlesen werden sollen, zog der Gerichtéhof sih zur Berathung zurück. Nah einer viertel- stündlihen Berathung lehnte der Gerichtshof das Eingehen auf ; Nur die näher bezeichneten r die vorhergegangenen Berichte Reichskanzler Fürsten von Bismarck sollen zur Verlesung gelangen. Hierauf wird ein Schriftwehsel zwischen - dem Reichskanzler Fürsten von Bismarck resp. deu Staats-Sekretär v. Bülow und dem Au- geklagten, betr. die franzöfishen Zustände in der leßten Zeit der Thiersschen Regierung und die Stellung, welche der Angekl. dazu einnahm, verle}en.

Der. Rechtsanwalt Do&horn beautragte sodann die Vernehmung des Professor Dr. Lewis bei der hiesigen juristi]chen bald nah dem Schriftwehsel zwishen dem Staats - Bülow und dem Grafen von Arnim wegen gehaltenen Depeschen, auf Anfrage des Gr. e Streitfrage eine rein civilrehtlihe Bedeutung habe. Gerichtshof zog sich zur Berathung über diesen Antrag zurück und es trat eine Pause bis 3 Uhr ein.

herauszugeben fih

diesen Antrag ab. des Angeklagten an den

Sekretär von erauêgabe der zurüd- rnim erklärte, daß die

Vereinswesen.

j Im Friedrihsstädtischen Bezirksvereine hielt der Stadtverordnete Lissauer in vergangener Woche einen sehr beifällig aufgenoinmenen V Mahl- und Scchlachtsteuer mit Rücksicht auf die neue Münzwährun g.“ Derselbe beleutete die Fährlichkeiten, denen das Publikum dur das Zusammentreffen der Aufhebung der Schlacht- und Mahlfsteuer mit der neuen Münzwährung und der neuen. Maß- und Gewichtsordnung ausgeseßt sei, berührte die Verfälschung der Lebensmittel und die ohne Mißwachs oder s{hlechte Ernte künstlich heraufbeschworene Fleisch-, Brot- und Milchsrage und empfahl der unberechtigten Theuerung gegenüber die Selbsthülfe, die Koalition als leßte Konsequenz der Gewerbefreiheit. Im Anschluß hieran referirte Hr. Johannes Bloch über den Fleisch-Konsumenten-Verein. Derselbe ist jeßt soweit gediehen, daß die Eröffnung zweier Verkaufsftellen, in der Brandenburgstraße und zwischen der Koh- und Bellealliance- l t. Der Verein hat ‘nun die bestimmte Form der Kommanditgesellschaft gewählt; ein persönlich haftender Gesellschafter hat sich gefunden und wird ein angeschener Bankier das Amt des Schabmeisters übernehmen. Mitgliedern wesentliche Preisermäßigungen bieten können. Verkauféstelien das Engagement von mindestens 4 Schlächtern, 2 Aufsehern, ferner ein beträchtlihes Betriebskapital erfordern, so er- scheint es erwünscht, daß fich in den verschiedenen Stadtgegenden Los falvereine bilden, die zur Vereinfahung der Kosten an der Verwaltung partizipiren und je einen Delegirten an das Die Aufforderung des Hrn. Bloch zur Konstituirung eines. derartigen Vereins wurde mit lebhafter Freude begrüßt und die Versammlung beauftragte den Vorstand damit, für die nächfste Sißung eine beson- dere Vorlage auszuarbeiten.

Statistische Nachrichten. Nah den vom Rechnungs - Departement 6 ten Abgaben im Kaiserlih Königlichen Finanz - Mipisterium \o- eben publizirten Tabellen betrug der Waarenverkehr der ¿ster- reichbisch-ungarischen Monarchie den Monaten Januar bis Oktober l. J. in der Ausfuhr mit 365,267,915 Fl. Im Vergleiche mit der- abres zeigt fich in der Einfuhr eine Zunahme der Ausfuhr eine Zunahme von 19,221,011 __ Die Einnahme an Zöllen und Nebengebühren in den im Reichs- rathe vertretenen Königreichen und Ländern betrug in ten Periode 15,343,233 Fl, um 4,059,331 Fl. weniger ben Periode des Vorjahres.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Zur Weihnachtszeit dürfte Vie geschichte von Ferdinand Schm ofessor G. Bleibtreu (Verlag erlin) erwünscht sein, da fih diejelbe gan für die reifere Jugend eignet. Ferdinand unterhaltend-belehrenden Geschichtserzähl lebensvolle Darstellungen, Natur des Landes, in die gei sen und fittlihen Zustände und Anschauungen ümliche Darstellungsweise bereits als Familienbuch eingeb chnell nöthig gewordene elbe, ebenfalls mit 12 24 Liefecungen à75 Pfennige.

Im Verlage von Emil Baens@ch, [lagsbuhhändler in Magd eburg, erf fleißig gearbeitete Monogra Guericke unter dem Stadt Magdeburg, Jahrhunderts, eschihte der Stadt Magdeburg“, pel (mit einem Anhange von dem Heraus Magdeburgs und einem Porträt Guericke's), in einem größeren Aufsaße zurückzukommen gedenken.

Jhre Kaiserlichen Ho der Erzherzog Ludwi Betrag von je 1000 Fl. im Neubau des germaniscen

__— Die soeben aus zeitung,

„die Aufhebung der

straße unmittelbar bevorsteht.

Der Verein wird seinen

Haupt-Comité senden.

für die indirek-

mit dem Auslande in in der Einfuhr 480,997,139

selben Periode des Vorj von 1,996,985 F[l., in

der bezeichne» als in dersel-

len ein Hinweis auf die Welt- idt, mit 12 Illustrationen von von Albert Goldschmidt in besonders zum Geschenke chmidt, der Meister der bietet hier interessante, welche einen Einblick in die eigenthümliche stige Entwickelung der Völker und in die zen gewähren. Diese hat die Weltge])chihte von Schmidt rt, wofür am Deutlichsten die so „Auflage des Werkes spricht. Die- Jllustrationen Bleibtreu's geziert, erscheint in

Königl. Hof- und Ver- Kurzem eine interessante, über den Physiker Otto von Titel: „Otto von Guericke“, Bürgermeister der in Lebensbild aus der Deutschen Geschichte von Friedr. Wilh. Hoffmann, Verfasser der herausgegeben von Ju geber über die Zerstörung auf welche wir demnächst

eiten der Kronprinz Rudolf und Oesterreich haben den Herstellung zweier gemalter Glasfenster useums in Nürnberg überwiesen.

egebene Nr. 5 der Jllustrirten Jagd- agd, Fischerei und Naturkunde, herausge,

ictor von

geben von W. H. Nibßsche, Kgl. Oberförster (Leipzig, Verlag von Heinrich Schmidt) enthält folgende Aufsäße: Die Schädlichkeit und Nüßlichkeit dez weißen Stores von v. Shuckmann. Jagd- streitigkeiten aus alter Zeit von Fciedrich Freiherr v. Droste-Hüls- hoff. Merkwürdige Begegnnng mit einem RehboÆX. Eine Hof- jagd von Oberförster Gödde..— Schopfwachtel. Ein 13irkfsamer Schrotschuß. Ein Raubvogelfang. JFagdschußvereine u. \. w. u. f. w. Zlluftrationen: 25 abnorme Rehgebörne aus der Samm- lung des verstorbenen QOberst-Forstmeisiers v. Cotta (Original). Begegnung mit einem Rehbock von G. Sundblad (Original) u. f. w. E, G. A. Hansen in Norwegen, welcher mit Unter- stüßung von Seiten der medizinishen Gesellshaft in Chriftiania einige Reisen unternommen hat, um den Ursachen der in Norwegen unter dem Namen „Spedalskhed“ bekannten Krankheit (Ausfaß) nah- zuforschen, is zu dem Resultat gekommen, daß diese Krankheit spezi- fish und ansteckend, aber nicht erblich ift.

Ein neuer Komet ist, wie der Direktor der Marseiller Sternwarte, Hr. Stephan, dem Pariser Astronomen Leverrier, tele- graphish mitgetheilt hat, in Marseille entdeckt worden. Derselbe ift ziemlich glänzend, hat einen scheinbaren Durhmesser von 3 Minuten und bewegt sich nach Nord - Nord - Oft. Rektaszension 15? 59‘ 45“, Polhöbhe 53° 0, 53",

Land- und Forstwirthfschaft.

_ Der im Verlage von Wiegandt, Hempel und Parey hierselbst erscheinende Deutsche Garten-Kalender auf das Iahr 1875 (I1. Jahrg.), herausgegeben von Th. Rümpler, General- Sefretär des Gartenbauvereins in Erfurt, liegt seit Kurzem in 2 Theilen vor. Der erste Theil, als Taschenbuch auf das Prafktischste eingerichtet nund geschmackvoll ausgestattet, enthält, außer den herkömm- lichen Kalendertabellen und Verzeichnissen, werthvolle Wirthschafts- tabellen; die zweite Abtheilur-g bringt iuteressante Aufsäße und Mit- theilungen der verschiedensten Art.

Ebendaselbft ist der IIT. Jahrg. des Deutschen Forft- und Jagd-Kalenders auf das Jahr 1875 von Dr. F. Judeich, Königlich sächsisher Obver-Forstrath und Direktor der Forstakademie zu Tharand, erschienen. Der Kalender, welcher bei nicht minder guter Ausftattung wie der vorige, sich bereits viele Freunde erworben hat, enthält diesmal im zweiten Theil den Personalstatus der Forstverwal- tung aller Staaten des Deutschen Reichs (inkl. Revierförfter und Förster) nebst Namens- und Orktsregister.

Menzel und v. Lengerke's verbesserter, den Landwirthen wohlbekannter landwirthschaftliher Hülfs- und Schreib- falender auf das Jahr 1875, herausgegeben von Dr. Hugo Thiel, Königl. Landes-Oekonomie-Rath und General-Sekretär des Königl. preußischen Landes-Oekonomie-Kollegiums in Berlin, und Dr. Emil Wolff, Professor an der Köoigl. Landwirthschaftlichen Akademie zu Hohenheim bei Stuttgart, mit demLandwirthschaftlichen JFahr- bu als 2. Theil, (aus demselben Verlage) tritt bereits in den 18. Jahr- gang. Der Landwirthschaftlihe Kalender für den flei- neren deutschen Landwirth für 1875, herausgegeben von A. Graf zur Lippe-Weißenfeld, hat den 8. Jahrgang zurüdckgelegt.

Gewerbe und Handel.

Die- Inhaber von Schuldverschreibungen der Kor poration der Kaufmannschaft von Berlin Serie T. und IL, welche die Konvertirung nicht vorgenommen haben, können den per 2. Januar künftigen Jahres gekündigten Kapitalbetrag mit den ab- gelaufenen Stückzinsen à 5 % s{chon jeßt an der Couponskasse der Berliner Handelsgesellschaft gegen Auslieferung der Schuldverschrei- bungen in Empfang nehmen.

Der am 8. Dezember abgehaltenen Generalversammlung der Gewerbe bank Schuster, in der 46 Aktionäre mit 1278 Aktien vertreten waren, wurde mitgetheilt, daß die Verwaltung von den #. Z. normirten 3,000,000 Thlr. eigene Aktien bis jeßt erft 9,019,400 Thlr. habe anfaufen können. Jn Folge dessen fei der Antrag eingebracht, die Reduktion des Grundkapitals auf zunähft nur 4,000,000 Thlx. zu genehmigen. Die weitere Her- abseßung solle jedoch hierdurch nit ausgeschlossen fein, vielmehr dem früheren Beschlusse gemäß mit dem Ankaufe von Aktien fortgefahren werden. Aus den über den Ge|chäftsbetrieb gemachten Angaben ift hervorzuheben, daß die unrentablen Filialen auf den Ausfsterbe-Etat gesetzt sind. Nur in Potsdam, Luckau, Dahme und Schwerin follen auch fernerhin Vertretungen bestchen bleiben. Der Antrag, das Grundkapital von 6 auf 4 Millionen herabzuseßen, wurde \{ließlich angenommen.

Aufsichtsrath und Direktion der Hannoverschen Dis- fonto- und Wechsel-Bank machen bekannt, daß fie wegen juriftisher Bedenken, welche Seitens einiger Aktionäre gegen die beabsichtigte Ausführung der Kapitalsreduktion, insbesondere darüber, ob die Auslieferung der neuen Vollaktien vor Mai 1875 (dem Termine, an welchem der Beschluß wegen der Kapitalreduktion von 10 % den geseßlichen Vorschristen entsprech-nd in Kraft tritt) geschehen fönne, fundgegeben wurden, veranlaßt sind, in der Zeit vom 28. bis 30 De- zember a. c. zunächst nur die in der außerordentlichen Generalversamm- lung vom 17. November 1873 beschlossenen Kapitalêrüzahlung von 40 % vorzunehmen. Die Reduktion des Aktienkapitals um weitere 10 %, sowie die Ausgabe der neuen über 100 Thlr. lautendeza NVollafktien wird nach dem 20. Mai 1875 erfolgen und durch besondere Publikationen näher bekannt gemacht werden.

In der jüngst abgehaltenen Generalversammlung der Dorts- munder Brüdckenbgu-Gesell schaft wurde dem Aufsichtsrath Decharge ertheilt und die von mehreren Aktionären offerirte Schen- fung von 173,000 Thlr. in Aktien und 30,000 Thlr. in Baar zur Auëglei- ung der hervortretenden Unterbilanz von 203,000 Thlr. genehmigt. Diese Unterbilanz rührt wesentlich daher, daß bei der Inverturaufnahme am Schlusse des Jahres 1874 abgelaufenen Rehnungsjahres die be- deutenden, noch nicht verwendeten Eisenvorräthe, welhe zu 63 Thlr. per 1060 Pfund gekauft worden waren, nur zu einem Werthe, den diesjährigen Roheisenpreisen entsprechend, 30. Thlr. per 1000 Pfund eingeshäßt werden durften, obglei der Wiederverkauf derselben in verändertem Zustand zu einem dem Einkaufspreise nahe entsprechen- den Preise stattfand.

Die am 5. Dezember abgehaltene Generalversammlung des Neu - Oeger Bergwerks- und Hütten - Aktienvereins (11 Aftionäre mit 1005 Stimmen) nahm den Geschäftsbericht ohne Einwendungen entgegen, wählte die beiden ausscheidenden Aufsichts- rathsmitglieder, sowie die beiden austretenden Rechnungsörevisoren wie- der. Die Bilanz weist einen Verlust von 49,590 Thlr. nah. Davon fommen 18,663 Tblr. 15 Sgr. auf Rechnung der Einbuße, welche die Gesellshaft dadurch erleidet, daß fie kontraftlich gebunden ift, Kohlen und Roheisen auch vom 1. Juli 1874 bis zum 1. Januar 1875 noch zu den im Herbste 1873 abgeshlossenen hohen Preisen ab- zunehmen. |

Verkehrs-Anstalten.

Nach Allerhöchster Genehmigung des Königs von Bayern wird die Bahnstrecke Ebenhausen-Meiningen am 15. d. M. mit den Stationen Ebenhausen, Rottershausen, Münnerstadt, Nieder- lauer, Neustadt, Heustreu, Unéleben, Mellrichstadt, Rentwertéhausen und Meiningen eröffnet werden.

Vom Mittelrhein, 4. Dezember, meldet das „Fr. J.": Die Rheinschiffahrts-Interessenten haben in einer der Rhein- chiffahrtê-Kommission überreichten Denkschrift als Stellen, welche ür die Schiffahrt am meisten zu wünschen lassen, bezeichnet: 1) das og. Roxheimer Loh oberhalb Worms; 2) Gensheim mit 19 Mühlen im Rhein; 0 die Rheinauer Strecke (oberhalb Bieberih, zwischen Nieder-Walluf und Rüdesheim; 4) das Binger Loch; 5) das Fahr- wasser bei St. Goar u: a. m. Auf der oberen Strecke des preußi- shen Rheins werden mehr Häfen verlangt.

New-York, 9. Dezember. T. B.) Der norddeutsche loyddampfer „Deutshland* ift hier eingetroffen.