1899 / 135 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Jun 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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* aufgebegt baben, zu en1Taffen, denn ih finde andere. (Präsident Graf

* es au ni&t darauf an, den Arbeitern Wohlthaten zu erweisen, wir

Deutscher Reichstag.

89. Sißung vom 9. Juni 1899, 1 Uhr.

Ueber die Annahme des Restes des Entwurfs eines Fnvalidenversiherungsgeseßes in zweiter Berathung wurde bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Die S ozialdemokraten beantragen, einen besonderen Artikel dem Geseß- anzufügen, durch welhen das Kranken- Fassengeseß dahin geändert wird, daß die land- und forstwirth- schaftlihen Arbeiter der Krankenverficherungspfliht unter- worfen werden, daß die Krankenkassen ferner verpflichtet werden, ihre Leistungen von 13 auf 26 Wochen auszudehnen.

Präsident Graf von Ballestrem bat Bedenken, den Antrag zur Verhandlung zu stellen, weil derselbe nicht, wie § 49 der Geschäfts- ordnung verlange, im wesentlihen Zusammenhang mit dem Verhand- Iung8gegenstande \tebe.

Abg. Stadthagen (Soz.) bält cinen folchen wesentlihen Zu- sammenhang, da die vorübergehende Invalidenrente direkt an die Krankenverfiherung anschließe, doch für vorbanden. Er begründet den Antrag damit, daß die Landesgesezgebung bisher nicht vorgecangen sei, um die land- und forstwirthschaftlihen Arbeiter der Krankenversiherung ¿u unterwerfen, daß ein folches Vor- gehen auh niht für die nächste Zeit in Ausficht stehe, E3 müsse aber dafür gesorgt werden, daß die traurigen Ver- bâltnifse, die in dieser Beziehung in ländlichen Kreisen, ins- besondere in Ostelbien beständen, beseitigt werden. Die Einführung der Krankenversiterung für die ländlien Arbeiter liege namentli auch im Interesse des kleiren Landwirths, weil derselbe sonst auf Grund des Bürgerlichen Gescßbuhs verpflihtet sei, auf 6 Wochen die Krankenkosten für sein Personal zu bezahlen. Der Reichstag habe die moralishe Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß diese Last den Land- wirthen dur die Krankenveisiherung erleichtert werde. Es gebe nirgends fo mangelhafte Wohnungen für die Arbeiter und so niedrige Löbne wie in Ostelbien; dadurch sei die Erkrankungs8gefahr sehr ge- steigert, und diefen Zuständen müsse ein Ende gemacht werden. Das sei eine nationale Aufgabe.

Abg. Graf von Klinckowstroem (d. kons.): Eine agrarische Dehbaite wird Herr Stadthagen nit hervorrufen; denn wir können seine Auéführungen nit völlig ecnst nehmen. Daß die Wohnungs8- verhältnisse in Ostprevßen noch nicht fo sehr {limm sind, beweist die Thatsahe, daß auf dem Berliner Rieselgut Blankenfelde 8 Shnitterfamilien in 8 nebeneinanderstehenden Betten untergebracht find. Daß Herr Stadthagen für die Bauern eingetreten is, wird einen Sturm der Heiterkeit in Dftpreußen erregen.

Abg. Freiherr von Richthofen (d. konf.) spriht si gegen den Antrag aus, weil die Kemmission dur eine Resolution die Regie- rung aufgefordert habe, eine Novelle zum Krankenkassengeseß vorzu- dee Dahin würde die Berathung des fozialdemokratishen Antrags gehören.

Abg. Roesicke- Dessau (b. k. F.) bält es nicht für richtig und nötbig, die Aenderung des Krankenkassengeseßes mit dieser Vorlage in Verbindung zu bringen.

Abg. Stadthagen: Wir haben die foziale Verpflichtung empfunten, diesen Antrag einzubringen Das Gut Blankenfelde liegt auf dem Lande in der Provinz Brandenburg. Wenn in Brandenburg \hlechte Wobnurgsverbältnisse vorhanden find, so sind dadurch die \chlechten Wobnungêverhältnisse in Ostpreußen noch niht entschuldigt. Sch kann Hunderte von Fällen anführen, in denen bie von der Armenpflege Berlins unterstügten Leute bitter, sie nit nach ODst- preußen zurückzuschickey, weil dort die Verhältnisse in den Wohnungen u. \. w. zu jämmerlih seien. Den Herren, die dort in besseren Berhält- nissen leben, seinen diefe Uebelstände aber nicht bekannt ¿zu sein. Ich kenne die kleinen Grundbesißer sowohl in Brandenburg als in Oft- und Wesilpreußen ziemlih genau; diejenigen, die ber raeine Aus- führungen in Heiterkeit autbreWen werden, find sehr dünn gesät. Sie baken meistens {on erkannt, daß der Großgrundbesiß der. größte Feind der wirklichen Arbeit ist. Herrn Noesicke will ih bemerkbar machcn, daß die Refclution sh nur auf die 14. bis 26. Woche be- zieht, nit aber auf die ersten dreizehn Wochen der Krankenfürsorge, in Bezuges auf welche die Regierung keinerlei Zuficherung gegeben hat.

Aba. Bräsicke (fr. Volksp.): Ih wäre ein s{chlechter Sohn Ostyreußens, wenn ich das hier Behauptete unwidersprochen ließe. Hexr Stadthagen hat sich fiarie Uebertreibungen zu s{ulden kommen lassen. Wenn er Recht hätte, würde ja Ostpreußen eine s@auderhafte Provinz sein. Wenn wir unfere Arbeiter fo {let behandeln würden, würden sie ja allesammt weglaufen. Unsere Arbeiter leben im Allgemeinen fogar fehr gut; Zusnahwen mögen ja vorkommen. Sie haben täglich z¡weimal ihr Stück Fleis, fie baben thre Kühe und ihre Schweine. Die kleinen Landwirthe stehen, seitdem fie ihre MWirthschaft auf die Viebzucht eingerichtet Eaben, besser da als früher.

Abg. Graf von Klinckowstroew weist darauf bin, daß Kautéky in seinem Buche über die Agrarfrage bezüglih der Wok nungéfrage ein Reichsgeseß verlange, das den Bau von ÄArbeiterwohnungen fordere. Dann würden die Landwirthe ibr Gesinde beschränken und nur freie Tagelöhner annehmen. Damit sei die gan:2e Fürforge für die Wohnungéfrage todtgeshlagen. Er (Redner) freue fich, daß ein Landsmann von der Freisinnigen Volktpartei fich ebenso geäußert habe wie er. s

Abg. Haase-Königéberg (Soz.): Der Abo. Bräsicke behandele seine Arbeiter gut und sehe in seinem kleiren Gesichtekreise nicht, daß es anderswo \chlechter sei. Denn scnst würden doch die Arbeiter nicht in Scharen r en. Graf Klinckowitroem bes(äftige allerdings auéländishe Arbeiter, weil er feine ciabcimiscen bekornmen fênne. Graf Klinckowstroem babe feine, deë s, Abwefenteit reulich be- nutt, um auf seine Avsführunçcen einzugehen. ¿f Graf von Ballestrem: Wenn der Redner â C Atgeordneter habe sich seine Abwesenbeit zu Nutze g-mach so sei das nicht zuläsfig, denn er mae sich dadur zum Nichter über innere ‘Motive; es sei beffer, w:nn er das unterlafsz.) Redner tritt den damaligen Auéführungen des Grafen Klinckorostreein entgegen, wird aber vom Präsidenten Grafen von Bailestrem geLeten, nicht zu weit von der Sacke_ abzuschrceifen. Nedner weist fecner auf das vom „Vorwärts“ veröffentlihte Zirkular der Zentralstelle zur Be- kTämpfung der Sozialdemokratie hin, welches die Zunahme der fozial- demokratischen Stimmen als bedrohlich bezeidne, während Graf Klinckowftroem die Wahlergebnisse für die Sozialdemokratie als geradezu erbärmlih bezeihnet habe. }

_ Abg. Graf von Klinckowstroem: Es würde mir kinderleicht sein, den Vorredner zu widerlegen. Ih möchte Herrn Haase nur auffordern, mit seinem Genoffen Braun nicht zu paradieren. Ich werde bei anderer Gelegenheit Briefe dazu verlesen. Wenn die Stimmung in sozialdemokratis@en Kreisen gegen mich gereizt ist, so beweift tas nur, daß fie mi fürchten. Die Arbeiter werden bei mir

t behandelt, und es wird für fie über die kontraftlichen Verpflichtungen

inaus gesorgt, besonders von meiner Frau. Ich habe keine Wohnung Ieer, habe Arbeiter genug. Ich bin in ter Lage, Arbeiter, die sie

von Ballestrem: Das „Si:“ war doch ni&t groß geschrieben ?) Mein! Ich bin erfreut, wenn Herr Haase recht viel im Reichstage fpriht; des farn uns in der Provinz nur nsitzer.“ Herr Haase hat einen grcßen, ehrenwerthen Stand angegriffen, die Quittung dafür wird niht ausbleiben. : Abg. Haase: Wir sind niht gereizt gegen den Vorredner ge- ftimmt, denn jede Rede von ibm if cin Gewinn für uns. Uns kommt

wollen den Ärbeitern ihre Rechte wahren.

Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Frei- finnigen Volképartei wird die Ausdehnung der Kranken- verfiherungsepfliht auf die land- und forstwirthschaftlichen Arbeiter abgelehnt.

Abg. Molkenbuhr (So0z.) begründet einen weiteren Antrag,

die Leistung der Krankenkassen von 13 auf 26 Wo@Sen auszudehnen, wozu 1

die Kecankenkassen ohne weiteres im stande seien, da sie zumeist Ueber- schüsse hätten. ]

Der Antrag wird abgelehnt. E

Ein dritter Antrag der Sozialdemokraten, wonach der ortsüblihe Tagelohn für erwachsene Arbeiter mindestens auf 1,50 M festgeseßt werden soll, wird vom i

Abg. Stadthagen bearündet; derselbe spricht seine Verwunde- rung darüber aus, daß der Aba. Bräfike sich zu der agrarischen Auf- fassung bekanrt habe, daß ortéübliie Tagelöhne von 60 S, wie fie in Ostpreußen vielfa vorkämen, vollständig ausreichend und daß ktie Arbeiter vorzüglich gestelit scien. 60 4 Tagelohn feien 20 Z weniger, als. der preußische Staat vor 50 Jahren als Unterhaltskosten einer Zuhthäuslerin angenommen habe. L

Abg. B räsicke: Neben dem baaren Geld bekommen die Arbeiter Naturalien. Ein Lohnbetrag von 1,20 (A im Osten entspricht viel- leiht einem Betrage von 2,590 4 im Westen,

Abo. Stadthagen: Die ortéüblihen Tagelöhne follen den wirklichen Löhnen entsprehen, also unter Einrehnung der Naturalien festgestellt werden; es is um fo nothwendiger, diele Tagelöhne an- gemessen zu firieren, weil danach das Krankengeld, die Unfall- und die Snvyalidenrenre si richtet.

Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozialdemo- kraten und der freisinnigen Volkêpartei abgelehnt.

Endlich beantragen die Sozialdemokraten nah Ablehnung dieser Anträge eine neue Bestimmung, wonach die Arbeitgeber für diejenigen Arbeiter, die niht der Krankenver- sicherungspflicht unterliegen, doppelte Beiträge an die Jnvaliden- versicherungsanstalt zahien sollen. :

Abg. Molkenbu hr führt zur Begründung des Antrages aus, die Versicherungsanstalten sollten ein Entgelt dafür erhalten, daß sie in diesen Fällen das Heilverfahren übernehmen müßten, welches fonst den Krankenkassen zufallen würde.

Auch dieser Antrag wird abgelehnt und die von der K ommission vorgeschlagene Resolution, welche die ver- bündeten Regierungen zur Vorlegung einer entsprehenden Novelle zum Krankenkassengeseß auffordert, angenommen.

Resolutionen der Abgg. Freiherr von Stumm (Np.) und Dr. Schädler (Zentr.) wegen der Einführung einer MWittwen- und Waisenversicherung werden bei der dritten Be- rathung besprochen werden.

Damit ist die zweite Berathung des Entwurfs eines Jn- validenversicherungsgeseßes erledigt.

Jn zweiter Lesung nimmt das Haus darauf den Geseß- entwurf wegen Verwendung von Mitteln des Reichs-Jnvalidenfonds an.

Bei der sich anschließenden zweiten Berathung des Gese ß- entwurfs, betreffend die Gebühren für die Be- nuzung des Kaiser Wilhelm-Kanals kommt der Abg. Broemel (fr. Vgg.) auf seinen Antrag zurück, die Frist für die Fest)jezung der Gebühren seitens des Kaisers ohne Zustimmung des Ÿleichstages nur auf drei Jahre statt der vorgeschlagenen fünf Jahre festzuseßen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf

von Posadowsky - Wehner:

Meine Hrrren! Jch bitte, es bei der Vorlage zu belassen. Ein dreijähriger Zeitraum: ift in der That zu kurz, um \sich ein Dur s{hnittebild machen zu können, wie sih die Verhältnisse auf Grund des Tarifs in diefen Zeitraum entwickelt haben. Es können zwei außer- ordentlich günstige Jahre oder auch zwei sehr ungünstige Jahre auf einander folgen, und tieser hieraus fih ergebende Durchs@nitit würde deshalb ein volisiändig falsckchcs Bild der Entwickelung infolge neuer Tarifsäße geben, Wer die Geschichte der Entstehung des Gesetzes von 1886 kennt, wird ganz genau wissen, taß es dem Reichstage da- mals eigentlich nicht darauf ankam, überhaupt durch Gesetz den Tarif für den Kaiser Wilhelm-Kanal festzuseßen; der Reichstag beschloß damals nur, daß nah einem bestimmtea Zeitcaum die Voll- macht der vertündeten Regierurgen, den Tarif festzust-llen, aufhören j sollte, weil cer bei dem Gesey von 1886, acht Jahre vor Vollendung des Baues, überhaupt über die zukünftige Gestaltung des Tarifs und wie dieser Tarif zu stande kominen follte, einem künftigen Neich8tage nit präjudizieren wollte,

Außerdem, meine Herren, wenn Sie auch tie erbctenen 5 Jahre bewilligen, find Sie doch bei jeder Etatéëberaihuong bei dem Titel Kanalamt in der Lage, Ihre Wünsche zum Auédruck zu bringen, und diese werden, soweit es {G mit den Interessen des Handels und mit dem Einnahme: Etat des Kanals einigermaßen verträgt, gewiß in jedem Falle berücksihtigt werden.

Ich glaube, der Reichstag ift mit Geschäften so belaßet, daß man nit noŸ) ba, wo es richt unbedingt nothroendig ift, neue De- batten und neue Vorarbeiten berbeiführen scllte. Ich möchte Sie deshalb bitten, es bei der fünfjährigen Frist zu bilafsen,

Abg. Broemel: Die Stellung des Reichstags is aker eine stärfere, wenn er seine Zustimmung zu geben hat und davon die Befugviß zur Festsiellung der Gebühren abhängig ift.

; ciRE n: Hahn (b. k. F.): Jch würde mi füc fünf Iabre nur n+tihetrer ôznen von Kt Ulan s L è Münsche der Küstenschiffer ra Ae INTYAGEN MMEs 28

Staatssekretär des Junern, Staatz-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Die Hoffnungen, die sh an den Kanal in Bezug auf seine Erirägvisse geknüpft haben, sind bekanntlih nicht erfüllt. Ich bin au der Ansicht, wan muß den Kanal als eine große Welt- straße betraten, die Deutschland einerfeits zum Besten des deutschen Handels und für den Verkehr überkaupt hercetellt hat, und anderer- seits im Interesse seiner Kriegëmarine Vom fiskalishen Gesichts- punkt aus kann man deshalb diese greße Wasserstraße nicht betraten. Ich glaubz, das wird dem Herrn Abg. Dr. Hahn auch ein gewisser Schvy dagegen fein, daß wir auch niht im fiskalisWen Interesse gegen die kleinen Küstershiffer hart vorgehen werden. Wir haben bither allein an Schlipplöhnen sür diese kleinen Küstenschiffer fast 259 000 4 jährli zugeseßt, und das mag dem Herrn Abgeordneten ein Beweis scin, daß wir niht engherzig ver- walt:t haben. Außerdem ift uns ja genau bekannt, welhe {were Konkurrenz diese- kleinen Küstenschiffec jeßt auszuhalten haben gegen- über den großen sogenannten Tenderunternehmungen; diese großen Schiffsgefäße, die turhgeschleppt werden und gewaltige Lasten tragen können, find fehr gefährliie Konkurrenten für die kleinen Küstenshiffer, viel gefährlicher als die fremden Küstenfahrer, wie ih nebenbei Herrn Abg. Hahn bemerken mödhte,

Ih glaube also, die allgemeine Versicherung geben zu können, daß wir nihts tun wollen, was den Gewerbebetrieb dieser kleinen Küsten- {iffer irgendwie emtfindlih zu stôren geeignet wäre, daß wir im Gegeniheil immer zum Ausdruck bringen werden, daß wir diese kleinen Leute in ihrem Sewerbebetrieb mögli} erhalten wollen, soweit das

F glaube, diese Versiherungen werden dem Herrn Abg. Dr. Hahn vollkommen genügen, um sein Mißtrauen zu zerstreuen. De- taillierte Verpflichtungen bin ih ja selbstverstänklich niczt in der Lage bier feftzulegen.

__ Abg. Gröber (Zentr.): Ob man für drei oder fünf Jahre stimmt, ist nit Vertrauensfache, sondern ein Gegenstand fahliher Sun, Mir wollen mitspreWen und nicht nur das Recht der Bitte bek der Etatéberathung haben. Wir werden für den Antrag Broemel stimmen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d.kons.): Wir find niemals der Meinurg gewesen, daß der Kanal fich rentieren würde; die Ent- wickelung hat unsere Erwartung bestätigt. Wir geben jährli eine Million zu. Ih möchte do bitten, daß man auf fünf Jahre ein- geht, denn in der kurzen Zeit von drei Jahren wird sich in dem Kanalverkehr kaum etwas ändern.

Abg. Dr. Hahn tritt ncch einmal für die Interessen der kleinen SV “Mll Duisb S er- Duisburg (ul.) erklärt b ür di - Türzung ‘der Frist auf drei See, Le BOO OSPTARA C E Der Antrag Broemel wird gegen die Stimmen der beiden konservativen Gruppen und im übrigen auch der ganze Ge-

N mit einer kleinen Aenderung bei den Straf- bestimmungen angenommen.

1 M Meiues Aeraung geang! e der Ges Et etreffend das Flaggenrecht der Kauffahrtei É; ohne Debatte zur N iime, ade dh

Der Bericht der NReihs\{chulden-Kommission wird der Nehnungskommission überwiesen.

Es folgen Wahlprüfungen.

_Die Wahl des Abg. Rother (d. kons.) wird für gültig erflärt. Die Wahlen der Abgg. Graf von Carmer (d. kons.), Henning (d. kons.), Harriehausen (b. k. F.), von Staudy (d. fons.), Dr. Hasse (nl) uvd Hilbck (nl.) werden beans standet und Beweiserhebungen beschlossen. i

Eine längere Debatte knüpft sih an die Prüfung der Wahl des Abg. Loe (Reformp.), die nah dem Beschlusse der es mission für ungültig erklärt werden soll.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp. beantragt Zurücküberweisung an die Kommission. Währe nach Ablehnung dieses Antrags die Abgg. Lenzmann (fr. Volksp.), Bebel (Soz.) und Dr. S pahn (Zentr.) für die Un- gültigfeit der Wahl plädieren, treten die Abgg. Dr. Oertel- Sachsen (d. kons.), Deus (d. kons.) und von Brockhausen B. fons.) den Ausfül rungen des Abg. Liebermann von Sonnen-

erg bei, daß die Frage, ob das Verbot einer einzigen Ver- sammlung die Ungültigkeitserklärung der Wahl rechtfertige, nohmals zu prüfen sei.

Die Wahl wird für ungültig erklärt, nahdem ein Versuch des Abg. Liebermann von Sonnenberg, die Beschluß- fähigkeit des Hauses zu bezweifeln, durch Verspätung der be- treffenden Bemerkung gescheitert war.

Schluß nach 61/4 Uhr. Nächste Sizung Montag 1 Uhr. (Zweite Berathung des Nachtrags-Etats und des Hypotheken- bankgeseßes.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 73. Sißung vom 9. Juni 1899.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Geseg- entwurfs, betreffend die Bildung der Wählerabthei- lungen bei den Gemeindewahlen.

Minister des Jnnern Freiherr von der Nee:

Meine Herren! Jch biite um die Erlaubniß, die heute hier zur Beratbung stebende Vorlage, welckche tei aller Kürze Won wegen ihrer NRückwirkungen auf mindbestens 30 000 Gemeinden doch einer recht erkeblihen Tragweite nit entbehrt, mit einigen Bemerkungen ein-

| leiten zu dürfen.

Das für die Landtagêwablen allgemein und für die Gemeinde- wablen in dem größten Theile der Monarchie in Geltung befind- lie Dreikflafsenwahblsystem hat zweifellos in feinen Einzelheiten manche Mängel, aber sein Grundgedanke, die Abstufung des politishen und kommunalen Einflusses nah den nachweisbaren. Leistungen, d. h. nach den Steuer- leistungen für das Gemeinwesen, und die Zusammen- fassung wirthschaftlih- sozialverwandter Elemente: in den Rahmen der1elben Abtheilung ist zweifellos ein gesunder, und daran ändert auh nihis der übrigens zunähst sie nur auf die Landtagswahlen beziehende bes kannte, bis zum - Uebecrdruß abgeheßte Autspru. Man kann auch nicht sagen, daß das Dreikllassenwablsystem etwa im Absterben begriffen sei. Wir haben, unter Mitwirkung dieses hohen Hauses, noch 1891 für die Landgemeinden des Ostens der Monarchie und 1897 für die Stadt- und Landgemeinden von Hcfssex-Nafsau eine Wakbhlorganisation auf der Grundlage des Dreitlassenwahlsystems geshaffen, und au in * anderen außerpreußishen Ländern iffft man auf das Dreiklassenwabliystem erst in der jüngsten Zeit zurlick- gekommen. Ich erinnere an das Landtag?wablgeseß in Sachsen von 1896. Au bei den Vechandlungen im Jahre 1893 konnte der da- malige Minister - Präsident Graf zu Eulenburg zu seiner Freude konstatieren, daß das hohe Haus in seiner großen Majorität mit der Königlichen Staatscegierung dahin einverstanden sei, daß das Dreiklassenwahlsystem unter allen Umständen in seinen Grundpfeilern zu erhalten sei. Es verst:ht sich also von selbst, meine Herren, èaß nicht der Wuns, an den Grundlagen dieses Dreikllafsenwahlsystems zu rütteln, der Königlichen Staatsregierung jeßt den Griffel des Geseßzgebers in die Hand getrückdt hat; nein, es handelt sich bei dieser Novelle auf eine andere Bezeißnung will dies Geseg feinen Anspru mahen lediglich um einen Ausgleich derjenigen Verschiebungen, die dur die Steuerreformgeseßgebung ein- getreten sind. Die Staatsregierung hatte hon bei den Verhandlungen in den Jahren 1891 und 1893 darauf aufmerksam gemacht und wenn sie dies nit selbst gethan hätte, würde es ihr zweifellos aus“ diefem hohen Hause heraus entgegengetragen worden sein —, daß die Verschiebungen , die dur die Steuerreformgeseßzgebung bereits ein- getreten waren bezw. noch eintreten konnten, einen Ausgleih erfahrea müßten. Sie hat damals auch eine fortgeseßte Prüfung der Ursachen und Wirkungen dieser Verschiebungea sowie des Ein- flufses der damcals einstweilen beschlossenen Ausgleihsmittel zugesagt und erklärt, daß sie sofort mit den geeigneten Vorschlägen an dieses hohe Haus treten würde, falls die Prüfung cine weitere Ausgleichung

überhaupt mit fisfalishen Grundsäßen verträglih erscheint.

erforderlich machen sollte.

.

Meine Herren, in Verfolg dieser Erklärungen und Zusagen hat die Königliche Staatsregierung ‘sehr umfangreihe Echebungen in dem vorher geshilderten Sinne angestellt; dieselben sind zum theil den Mitgliedern dieses hohen Hauses zugänglih gemaht. Aus den zahl- reihen Anfragen, die im Laufe der leßten Sessionen an die Staats- regierung gerichtet sind, kann man wohl unschwer entnehmen, daß diese Ermiitelungen den verehrten Herren theilweise etwas zu lTange ge- ienen baben; es war aber keim besten Willen, wenn man wirkli beweiskräftiges Material sammeln wollte, nicht mögli, eher zum Ab- [chluß zu kommen. Denn, meine Herren, es wird meistens vergessen, daß die Steuerreformen nicht gleihzeitig eingetreten find; man über- sieht, daß die Einkommensteuergesezgebung {on im Jahre 1892, das Kommunalabgabengeseß aber erst am 1.’ April 1895 in Geltung getreten ift. Es wird ferner vergessen, daß man, um richtige Ver- gleihungen anstellen zu können, Wählerlisten aus denselben Gemeinden sih befaffen muß, und daß Ersazwahlen in den Gemeinden nicht alljährlih, sondern meistens nur alle zwei Jahre stattfinden. Kurzum, meine Herren, ich kann hier nur wiederholen, daß die Königliche Staatsregierung in der Sammlung des Materials durhaus nicht in mora gewesen ist.

Bezüglih der Landtag8wahlen if auÿ jeßt noch kein beweis- fräftiges und brau{bares Material vorhanden; dasselbe kann erft dur eine Bearbeitung der Landtagswahlen des Jahres 1898 beschafft werden. Das Material, welches über die Landtagswahlen des Jahres 1893 aufgearbeitet worden ist, ist niht beweiékräftig, weil in ihm die Berschiebungen, die durch die Kommunalfteuerreform eingetreten sind, niht zum Ausdruck kommen konnten, E3 ist den Herren Mitgliedern diefes hoben Hauses bekannt, daß die Ermittelungen des Jahres 1893 bei den Landtagswablen feine2wegs eine Verschiebung im plutokratischen Sinne ergeben haben; es ift allerdings eine kleine Abbröckelung der Zahl der Wähler der ersten Klasse zu konstatieren gewesen, dagegen eine stärkere Zunahme der Wähler der zweiten Klafse, sodaß also, zusammengerechnet die Zahl der Wähler der ersten und zweiten Klasse im Jahre 1893, also nachdem die Einkommensteuerreform {hon in Geltung war, immer noch, verglichen mit dem Zuftande des Jahres 1888, eine leihtere Zugärglihkeit der beiden ersten Klassen vorhanden war. Die Zahlen, wenn ih sie rekapitulieren darf, sind folgende: Im Jahre 1888 fielen auf die beiden erften Klafsen zusammen 14,44 9/0, im Sahre 1893 aber 15,58 9/9 der Wähler. Soweit si{ch das nah dem Stande der Vorarbeiten bezügli der Wahlen von 1898 scheon jeyt beurtheilen läßt, wird eine ‘erheblide Verschiebung in diesen Zahlen nicht ein- treten. Aber etwas Definitives kann ih darüber jegt noch nit sagen.

Die Frage der Gem-indewahlreform, meine Herren, ist dagegen jeßt insofern \spruchreif, als die angestellten Erhebungen ergeben haken, daß in der That troy der Ausgleich9mittel, die in dem Gesez von 1893 vorgesehen sind, bedeutende Vershiebungen in plutokratischem Sinne eingetreten sind; d. h., es ift die Zugänglichkeit zur ersten und ¡weiten Klasse zu Ungunsten der Wähler der dritten Klasse hwieriger geworden. Die näheren Zahlenangaben finden Sie in den Motiven. Besonders auffallend sind diese Zahlen bei Berlin.

Die Königliche Staatsregierung erkennt nun auf Grund der Er- hebungen die Nothwendigkeit einer Abhilfe an; und diese Abbilfe soll durh den vorliegenden Geseßentwurf erfolgen. i

Grundgedanke und Ziel dieses Geseßentwurfs ist die möglichste Beseitigung der durch die Steuerreform eingetretenen Verschiebungen dur ‘ein geseßlihes Korrektiv, welches tas Dreiklassenwahßlsystem un- angetastet erhält, ianerlich begründet, feiht faßlid, möglich#| an- passungéfähig ift für die sehr verschicdenartigen NBerhbältnifse in Stadt und Land, in Oft und West, und wel@es zugleih dem Ziele der Wiederherstellung des statvs quo ante vom Fzhre 1893 möglichst nabekommt.

Ein solches Korreltiv glaubt die Königliche Staatsregierung in dem sogenannten Dur(hschnittéprinzip gefunden zu haben, welches an entscheidender Stelle diese Gescßesnovele beherrscht. Es ift zweifellos innerlih begründet, daß, wenn man die Steuer leistung für die Inten- sität tes Wahlrechts maßgebend sein lassen will, diejenigen Elemente, welche eine überdurchschnittlihe Steuerleistung aufzuweisen haben, nihi der dritien Kläfse zugewiesen werden sollen.

Die Entwickelung der Abtheilungsbikldung, die sih in den letzten Jahren nach Einführung der Steuerreform gezeigt hat, widerspricht aber diesem Grundsay. Es sind, wie die Erbebungen ergeben haben, in einer grcßen Zahl von Fällen Personen, welche dem wirtb\caft- lihen Mittelstande angehören und eine überdurchschnittiliche Steuer- leistung aufzuweisen battza, infolge des Drucks, welchen die Hötst- besteuerten von oben ber nach unten hin auf die Abthcilungsbildung ausübten, in die dritte Klasse verwiesen wordea, wo fie also zusammen mit den wesentlich Besitlosen wählen mußten. Daß. dies in weiten Kreisen des besseren Mittelstardes Unzufriedenheit erregt hat, darüber kann wobl kein Zweifel sein, und es scheint der Königlichen Staatsregierung an- gezeigt, für diese Elemente eine Abhilfe zu schaffen,

Das Ausgleih8mittel nun, diese Personen aus der dritten in die ¿weite Klasse zu verweisen und damit die Zahl der Wäkbler der ersten und zweiten Klasse zusammengenommen angemessen zu verstärken, ist duraus kein mechanishes und künstli&cs Mittel, es entspricht der Billigkeit, ift vermöge seiner Relativität schr anpassungsfähig und überall vecwendbar und führt auf Grund der Erhebungen zu dem Ziel, daß im wesentlichen der Stand der zweiten Abtheilung aus dem Jakre 1891 wiederhergestellt wird.

Nicht die gleiche Wirkung übt dieses Durdschnittesyftem auf die

_ Zahl der Wähler der ersten Klasse. Diese wird nur mittelbar in

S ciner Reihe von Fällen dadur verstärkt, daß dur das U-ebertreten

von Wählern der dritten Abtheilung in die zweite Abtheilung die Gesammtsteuersumme der ersten und zweiten Abtheilung und damit auch die Steuersumme der ersten Abtheilung erhöht wird. Jedenfalls wird die Zahl ter Wähler der I. Abtheilung durhschnittlih niht auf ven Zustand des Jahres 1891 zurückgeführt. Es lag also die Erwägung nohe, ob es nicht billig und zweckmäßig sei, das Korrektiv des Durchschnitts noch einmal zur Anwendung zu bringen, und zwar bei der Scheidung der Wählec der ersten von der der zweit:n Klasse. Die stattgehabten Eriebungen haben aber er- geben, daß man damit weit über den Zustand des Jahres 1891 hinaus eine Verstärkung der ersten Klasse hecbeiführen wärde, und nah Meinung der Staatsregierung würde dies eine den tkatsäch- lihen sozialen Verhältnissen nit entsprechende und gegenüber der besonders verstärkten Besteuerung der großen Vermögen au unbillige Minderung des Einflusses der Träger diefer Vermögen herbeiführen. Wir baben daher geglaubt, von einem Vorschlage, das

Korrektiv auch an der Grenze der 1, und 2. Abthcilung anzuwenden, absehen zu sollen.

Die Regierung if der Meinung, meine Herren, daß durch diefen Gesetzentwurf im wesentlihen das erfüllt wird, was auf diesem Gebiet in den leßten Jahren erstrebt, in Ausficht geftellt und vor allem, was erreihbar is. Sie giebt ch natürlich niht der Täufung hin, in diesem Durchschnitts\ystem ein Univerfal- heilmittel gegen alle Aus8wübse des Dreiklassensystems gefunden zu haben, Dazu sind die Gestaltungen, welhe \fih bei den Nbtheilungsbildungen in einer großen Monarchie ergeben, viel zu mannigfaltig. * Aber sie glaubt doch von der Durchführung diefes

Prinzips eine erheblihe Abshwähung der Uebelstände, die bei dem

Dreiklassensystem durch die Steuerreform gezeitigt sind, erhoffen zu dürfen.

Meine Herren, prüfen Sie diese Vorlage mit derselben Objiektivität, mit der sie aufgestellt is, und lassen Sie sih durch die Befürchtungen, daß vielleiht durch die vorgeshlagenen Maßnahmen in einzelnen Gemeinden oder Bezirken eine geringe Verschiebung in der politisWen Parteigruppierung möglichenfalls eintreten wird, nicht beirren. Auf keinem Gebiet ist meines Erachtens eine zu starke Hervorkehrung der parteipolitishen Gesichtspunkte weniger angezeigt, als auf dem der Gaemeindeverwaltung. Diese gedeiht am besten und man entspricht ibrem Charakter am besten, wenn man si bestrebt, im wesentlichen die wirthscaftlihen Interessen in den Vordergrund zu ftellen. Warnen möchte ich Sie, meine Herren, endlich noch vor Versuchen, die König- lie Staatsregierung von der von ihr vorgeschlagenen mittleren Linie abzudrängen. Der Vorschlag ift unter Berücksichtigung aller Verhältnisse und Momente sehr wohl erwogen und genau abgestimmt. Vestigia terrent! S glaube, die Erfahrungen, die man im Jahre 1893 ge- mat bat, sollten eigentli von derartigen Schritten zurückhalten. Die Königliche Staatsregierung legt den größten Werth darauf, diese Vorlage noch in dieser Session erledigt zu sehen, und sie würde daher für eine beshleunigte Behandlung der Sade sehr dankbar sein. Greifen Sie zu, meine Herren; begnügen Sie sih mit dem Eireich- baren, und Sie werden durch die Annahme dieser Borlag2 dessen bin ih gewiß einen dankznswerthen Schritt vorwärts machen auf dem Wege einer gesunden Mittelstzndspolitik.

Meine Herren, auf diese wenigen einleitenden Bemerkungen möchte ih mi zunähst beshränken. Es wird, glaube ih, angezeigt sein abzuwarten, welche Einwendungen gegen die Vorlage erhoben werden, und ich muß mir vorbehalten, sei es hier, sei es in der Kommission, diejenigen Erklärungen darauf abzugeben, die ich für angezeigt halte.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (konf.): Ich muß mein Bedauern ausf\prechen, daß eine so s@wierige und verantivortungs- volle Vorlage erst in dies Stadium eingebracht worden ist, wo wir garniht einmal wissen, ob wir in 10 Tagen noch an dieser Stelle sind. Die Ermächtigung zu dieser Vorlage datièrt vom 27. März. und Ende Mai ist fie erst eingebraht. Das veranlaßt uns, die Berathung nicht zu üvereilen, sondern die Vorlage in einer Kommission, die zweifellos nothwendig ist, sorgfältig zu prüfen. Der Minister hat gemeint, das statistische Material wäre noh niht soweit gediehen, um auch das Landtag8wahlrecht zu ändern. Beide Dinge brauchen überhaupt nit einheitlih ge- regelt zu werden; die Ordnung des Kommunalwahlrechts kann febr wohl in einer besonderen Vorlage und unabhängig vom Landtags- wablrecht geändert werden. Die Mißstände und Ungerechtigkeiten treten auch auf dem Gebiete des GemeindewablreHts viel mebr zu Tage, als auf dem Gebicte des Landtagswahlre&ts. Schon darum ist es bedauerlih, daß die Regierung die Vorlage so |pât ge- braht hat. Ich kann dem Minister darin beitreten, daß er die eform auf diejenigen Wirkungen beschränkt hat, die durch die Steuerreform in die Erscheinung getreten find. Weitere Reformen würden auf großen Widerstand stoßen. Die Reforin bewegt ih hier auf einem gangbaren Gebiet, und |ch_ ) daß die vorliegende Verschiebung zu Ungunsten des Mittelstandes în sahgemäßer Weise au?geglihen werde. Ich erkenne an, daß das

| Durchschnittssyftem sehr diskutabel ist. Wer eine mittlere Steuer

bat, foll au cin mittleres Wahlrecht haben. Die Kommiision wird

dieses Prinzip eingehend erwägen müssen. Der Minister üverschägt |

aber doch die Bedeutung dieses Prinzips, wenn er tagt, daß dadurch allein eine wirksame Abhilfe zu {hafen sei. Das Dur®schnitts- vrinzip ist mehr etwas Willkürliches, Zufälliges, Mechanishes. Es läßt ih nidt übersehen, wel%ze Wirkung diejes Prinzip auf die Zu- samm-nfetzung der dritten Abtheilung autüben wird. Dieses Prinzip fönnte au bet den Landtagswahlen zur Anwendung fommen und Erscheinungen zeitigen, die wir nit acceptieren könnten. Die einzelnen Elemente müssen miteinander tun einem gewt}en Zu- sammenhange stehen. So ist eine politische AusgleiWung der Gegen- säße zu erreihen. Ih sede nit ein, weshalb Stadt und Land agleichmäßig behandelt werden follen. Die Verhältnisse von Berlin find ganz verschieden von denen anderer Städte und der Landemeinden. Es giebt do Unterschiede genug, daß irgendwo Grenzen gefeßt werden müssen. Die Kommission wird auf etne angemehene Difsferenzierung Bedacht nebmen müßen. Außerdem müßte den Gemeinden innerhalb gewisser Grenzen auf diesem ebiet das NRebt der Selbstverwaltung gewährt werden. Gewiß hat der Staat ein großes Interesse an dem Gemeindewahlrecht. Aber in gewissen Grenzen muß den Gemeinden Freiheit gelassen werden, wobei der Zweck der Vorlage ebenso gut, viclleicht no besser erreiht werden fann. Ich glaube, namens meiner Freunde sagen zu können, daß es uns fern liegt, einer durhgreifenden Reform Schwierigkeiten zu bes reiten, die niht in der SaŸe felbst lizgen. _Eingehend muß aber die Prüfung sein, wenn si: dem Lande zum Segen gereihen sol. Wir müssen uns deshalb unsere endgültige Entschließung vorbehalten, bis das Resultat der Kommission vorliegt.

Ybg, Herold (Zentr.): Auch wir bedauern, daß die Vorlage uns so spät beschäftigt. Die Reform ist aber dringend nothwendig, um die bestehenden Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Meine politischen Freunte baben wiederbolt darauf hingearbeitet. In_ der drtiten Klasse sind in vershiedenen Städten die verschiedensten Stäude zu]ammen- geworfen. Es ist hier gewissermaßen das allgemeine gleihe Wahl- recht durchgeführt. Wir müssen Maßregeln treffen, die eine Ges sundung herbeiführen. Wir begrüßen die Vorlage mit Freuden. Es kommen hier lediglih wirthschaftlide und foziale Interessen în Betracht. In der ersten Klasse sollen die reihen Leute wählen, in der ¡weiten der Mittelstand. Cine völlige Auagleichung der Ver- sciehungen wird aber auch dur diese Vorlage nicht erreicht. Der Best kommt immer noch zu sehr zur Geltung. Das Durch- \{nittsprinzip ift uns aber durhaus_ geeignet zur Ausgleichung. Der Gedanke, den der Vorredner über Stadt und Land angeregt hat, ist mir do bedenklich. Aub ih bin ein Freund der Selbstverwaltung, aber die Regelung des Wahlrechts darf man nicht dea Gemeinden felbf überlaffen. Wir sind überzeugt, daß in absehkbarer eit etwas Besseres nicht zu errcichen ift, als die Vorlage »vorschlägt. Wir ftellen uns auf den prafktishen Boden, daß wir eine Verbesserung acceptieren. Wir hoffen, daß die Kommission noch einige Verbesserungen erreichen wird.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Dieses Geseg is voa sehr großer Bedeutung und bedarf deshalb einer eingehenden Prüfung. Die Zusammenseßung der Gemeindevertretung ist sehr witig, daher au die Kommunalwahl. Der politishe Standpunkt muß hinter dem wirthschaftlichen und sozialen zurücktreten. Die Reform des Wahl- rechts zum Abgeordnetenhause ist aber dringender als die Reform des Kommunalwahlrech!s,. Auch wir wünschen die Beseitigung

wüniche, f

der Berschiebungen auf dem Gebiete des Kommunalwahlrechts. Wie behalten uns aber eine genaue Prüfung der Vorlage vor. Wir sind uns noch garniht einmal klar, welchen Geltungsbereih dieses Geseß haben fol. Es find Zweifel vorbanden, ob Hannover in bas GSeseß einbegriffen werden foll. Die Beant- wortung dieser Frage ift sehr wihtig. Sollte fi herausstellen, daß das Gesey sich nicht auf einen allzugcoßen Kreis von Gemeinden erstrecken soll, so muß dies das Urtheil über das Gefeß wesentli beeinflussen. Es if mir sehr fraglih, ob es richtig ist, eine vell- ständige Schablone für den ganzen Staat zu machen. Auf die Gestaltung des Wahlrehts muß den Gemeinden in ge- wissen Grenzen ein Einfluß gewährt werden. Ja Hannover baben wir 4, 5 Abtheilungen. Das hat fi sehr gut bewährt. Und wie ist es mit der Erlaltung des Zensus ? Man müßte beinahe vermuthen, es solle jeßt werden, wie bei den Abgeordnetenwahlen, daß sämmiliche Bewohner das Wahlrecht bekommen sollen. Die Zwölf- telung hatte wenigstens den Vorzug, daß der Einfluß der ersten Klasse ctwas vermindert wurde. Die Gründe für das Durch- s{nitt8prinzip sind nicht durhaus durs{hlagend. Weshalb hat man nit das sâchsishe System angenommen? Alles das bedarf der Prüfung. Die gegenwärtigen Mitglieder der zweiten Klasse werden durch diese Vorlage unbedingt stark beeinträchtigt, denn ein großer Theil der dritten Klasse kommt nah dem Durchschnittêprinzip in die zweite, niht aber ein großer Theil der zweiten in die erste Klasse. Ob das richtig ist, ist doch zweifelhaft. Warum wendet die Re- gierung das Dur&shnittsprinzip nicht auch auf die erste Klasse an? Das wäre doch cine konfequente Durchführung ih-es Prinzips. Das Dur{schnitt:prinzip ift s{ließlih ebenso mehanisch wie j-des andere. Es muß sicz also erst in seinen Wirkungen bewähren. Sollen auh die filtiven Steuern bei der Berechnung zu Grunde ge- legt werden? Es müssen doH nur die wirklichen Steuern und die wirklichen Steuerzahler in Betracht gezogen werden. Ferner wind zu erwägen seiv, ob ni&t auss{ließlich die Ge- meindesteuern, nicht die Staatssteuern, zu Grunde gelegt werden können. Die Schädigung der Minderbegüterten zu beseitigen, die dur die Steuerreform herbeigefüh1t worden ist, ist ein gutes Biel, aber die Reform darf nicht eine ungerehte Ver\hietung der Machtmittel in den Kommunen herbeiführen. Die Wablfrage ift in der Regel eine Machifrage. Wir wollen die Wirkung dieser Vorlage prüfen und hoffen, daß eine Vereinbarung zu stande kommt, die die richtigen Ab- sichten der Regierung wirklih erreicht, die plutoftratisBe Wirkung der Steuerreform beseitigt und den Mittelstand stärkt.

Abg. Richter (fr. Volk2p.): Zu meinem Bedauern habe ih von der Nede des Ministers des Innern kein Wort hier- verstanden ; er wandte \sih ledigli an die rechte Seite. Herr von Heydebrand wandte sih an den Ministertis, sodaß ih nur halbe Säge von seiner Rede gehört habe. Im besten Falle wird aus diefer Vorlage nur Flickwerk herauskommen. Die öffentliche Stimmenabgabe soll nicht durch die geheime Stimmen- abgabe ersegt werden, obwohl der Landtag sich seiner Zeit dafür ausgesprohen hat. Das Dreik/assenwahlreßt soll be- stehen bleiben, obwohl es ein irrationelles Wablsystem ift. Der Vor- {lag des Abg. Sattler, nur die Gemeindesteuer zu Grunde zu legen, würde niht eine Verminderung, fondern eine Verschärfung des pluto- fratifhen Uebergewihts zur Folge haber. Mit der Zulaffung orts- statutarischer Aenderungen würde ih mich einverstanden erklären, wenn damit eine Erweiterurg, nit Verengerung des jeßigen Wahlrechts verbunden wäre. Die Vorlage will den Zustand vor 1891 wieder-

erstellen. Jn der Durchführung dieses Grundsaßes macht sie aber vor der ersten Klasse Halt. Diese Inkonfequenz wird h namentlich in Berlin bemerklih machen. In den kleineren Städten und Undgemeinden wird nur eine ganz geringe Steigerung der Mitglieder stattfinden. Ein Mittel zur Abhilfe läge jehr nahe: daß in die erste Klasse hineinkommen alle diejenigen, welche mehr als den Durchschnitt der ersten und zweiten Klase zahlen. Allzu groß würde der Zuwachs für die _ erste Klasse, den die Regierung befürchtet, niht sein. Eine Schranke bat die Ne- gierung selbft gezogen, indem sie will, daß în etner böheren Ab- theilung niemals mehr Wäßler sein sollen, als in einer niederen. Die großen Besißer bekümmern si um fommunale Angelegenheiten viel weniger als die kleinen Leute, die der dritten Klasse angehören. Durch die Beschränkung der Wäblerzahl der ersten Abtheilung wächst die Beeinflussung der Kommunalverwaltung durch Private bei Straßenanlagen u. st. w. Diese Gefahr nimmt umsomehr zu, je kleiner die Zabl der Wähler in der ersten Abtheilung ist. Die Vorlage enthält cine Tabelle darüber, die niht erfreulich ift. Im engeren Zirkel am Stammtish in der „Harmonie“ werden dann die Sachen abgemacht. In großen Städten ift zwar die Zahl der Wähler erster Ab- theilung größer, aber solhe privaten Machenschaften sind auch dort nicht autgeshlosscn. Sclhe Dinge müssen die Betheiligung an den Kommunalwahlen noch mehr herabd:ücken. Gegen die Vermebrung der Wähler zweiter Klasse babe ih nihts einzuwenden, es muß dieses Prinzip aber au auf die erste Klasse ausgedehnt werden. Die rechte Seite geberdet si als Vertreterin einer Mittelstandspolitik. Hier wäre sie verpfliWtet, ihren Standpunkt zu vertreten gegenüber der ersten Klosse dec Kommunalwählec. z

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Die Staatsregierung kann ja mit dem bisherigen Gang der Verathung in Betreff dieses Geseßes ganz zufrieden sein. Es ist von allen Seiten anerfaznt, daß das Gese einem offenbaren und dringenden Bedürfniß entspricht. Es ift anerkannt, daß das Gesetz vie Erfüllung eines feierlihen Versprehens der Staatsregierung nicht bloß ist, sondern au auf dem eigencn Verlangen der Redner dieses koken Hauses fast aus allen Parteien und fast in allen Sessionen seit vem Jahre 1891 beruht.

Es ift aber auch weiter im allgemeinen anerkannt, daß das Ziel, welHes dieser Gesezentwurf ih fteckt, die Mittelklassen zu einer stärkeren und sicheren Vertretung in den Kommunalyerwaltungen zu bringen, welhe se im wesentlihen durch die Verschiebungen, die in- folge der Steuerreform gegen früher entstanden sind, verloren haben, daß dies Ziel durhaus berechtigt ist.

Endlich ist im wesentlihea doch zugegeben ein anderer gang- barer Vorschlag au) bisher nicht gemacht —, daß der Gedanke der Vorlage, diese restitutio in integrum in Beziehung auf das Wahl- recht in den Kommunen durch das Prinzip des Durchschnitts zu bewirken, an und für sich ein rihtiger und glücklicher Gedanke ist. Di-ser Gedanke läßt, wie der Herr Minister des Innern schon hervorgehoben hat, das System der Dreiklassenwahl als Grundlage des Wahlrechts unberührt.

Der Gedanke selbst und seine Durchführung is zugleich im bödsten Grade einfah. Die Wirkungen sind durch eine höchs gründ- liche und klare Statistik jedem ersihtlich, Im wesentlihen wird auh hier im Hause zugegeben, daß im großen Ganzen der Wahlrehts- zustand vor dem Jahre 1891 auf diesem Wege wiederhergestellt wird.

Meine Herren, ist dics nun richtig und erkennt es das hohe Haus an, daß das Ziel, welches dieser Geseßentwurf verfolgt, in sih be- rechtigt ist, vorhandene entschiedene Mißstände beseitigt, so möchte ih daraus die Bitte herleiten und begründen, daß das hohe Haus \ih doh die Sache nicht selbst allzushwierig mach-n und niht die Ver- abschiedung des Entwurfs auf die lange Bank schieben möge. Wir werden in der nächsten Session, wenn etwa dieser Gesehentwurf in dieser Session nicht zu stande käme, nicht klüger und wahrscheinlich au in den einzelnen Gemeinden niht einiger sein, Das Bedürfniß ift dringend, wie allgemein anerkannt wird ; todt kann die Sachs

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