1875 / 147 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Jun 1875 18:00:01 GMT) scan diff

von den Beschränkungen handelt, die teten auferlegt werden können, war eine “Reihe von Anträgen gestellt, welche bezweckten, nllgemeine Normen für die Ausführung der Haft zu geben, welche, ohne den Zweck der Haft zu gefährden, dem Verhafteten Schuy gegen unnöthige Belästi- ung gewähren sollten. Von diesen Anträgen fand ein auf die

equemlichkeiten, die Beschäftigung und die möglichste Trennung der Untersuhungsgefangenen von den Strafgefangenen sich be- zgiehender Antrag des Abg. Hauck, ein die Fesselung der Verhafte- ten betreffender Antrag des Abg. Struckmann, sowie endlih ein Antrag der Abgg. Kloß und Genossen, daß die Bestimmung über die im einzelnen Falle zu treffenden besonderen Maßregeln dem Richter zustehen solle, Annahme. Bei §. 106 entspann sh eine längere Verhandlung darüber, ob eine Vershonung mit der Untersuhungshaft auch gegen Handgelöbniß oder gegen eid- liches Angelöbniß zuläsfig sein solle; die betreffenden Anträge wurden jedoch abgelehnt, ebenso ein Antrag, bei gewissen schweren Verbrechen die Freilassung gegen Sicherheitsleistung gar nicht zu gestatten. Die §8.-107—109 wurden nah kurzer Erörterung mit einer unwesentlihen Aenderung angenommen, L: 110 mit einem Zusaß des Abg. Schwarze, wo nah dem Fall, daß Bürgen oder Pfandbesteller die Gestellung des Beschuldigten bewirken, der Fall gleichstehen soll, wenn sie rechtzeitig dem Richter Anzeige davon machen, daß die Verhaftung erfolgen - könne, diese aber dur Schuld des Gerichts unterbleibt. Auch die §§. 111 und 112 blieben unverändert; ein Antrag, in Fällen, in welchen gegen ein freisprehendes Urtheil sofort bei Berkündigung des- \elben ein Rechtsmittel eingelegt wird und der Angeklagte si bis dahin in Haft befand, dem Gerichte die Befugniß zu ertheilen, einem Antrage auf Fortdauer der Haft statt zu geben, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Bei §. 113 beschloß man nach längerer Diskussion auf Antrag der Abgg. Struckmann, Dr. Gneist und Dr. Wolffson, in der Voruntersuhung zur Auf- hebung der Untersuhungshaft und zur Freilassung des Be- \{huldigten gegen Sicherheit niht, wie der Entwurf will, das Einverständniß, sondern nur die zuvorige Anhörung der Staats=- anmaltshaft zu erfordern und die Entscheidung, ebenso wie die Entscheidung über die Erlafsung des Haftbefehls, allein dem Untersuchungsrichter zu überlassen, gegen dessen Beshluß nach allgemeinen Grundsäßen die Beschwerde an die Rathskammer stattfindet.

Nach einer im „Iustiz-Ministerialblatt“ veröffentlichten Uebeësicht der Geschäfte beider Justiz-Prüfungs-Kommis- sion im Jahre 1874 sind derselben im genannten Jahre zur Vornahme der Staatsprüfung 272 Kandidaten überwiesen wor- den, während die Zahl derselben im Jahre 1873 331 betrug. Aus dem Jahre 1873 war noh ein Bestand von 93 Kandida- ten vorhanden; die Gesammtzahl derselben belief fich daher im Jahre 1874 auf 365. Von diesen hatten 25 die Prüfung zu wiederholen, und 340 hatten dieselbe zum ersten Male abzulegen. Vor Abnahme der Prüfung if ein Kandidat gestorben, einer auf seinen Antrag entlassen; nah Abzug dieser 2 find mithin verblieben 363 gegen 402 im Vorjahre, Die Prüfung haben mit Erfolg bestanden 271, und zwar 46 mit dem Prädikat „gut“, 225 mit dem Prädikat „ausreichend“; dagegen is wegen verzögerter Einreihung der Relation vorweg von der münd- lihen Prüfung ausgeschlo}en 1, die Prüfung haben nicht be-

anden 16, fi i ithi ie- Par ala sind 288. Es sind mithin als Bestand verblie

Die größte Zahl der Kanbidaten ist aus dem Departemeut des Kammergerichts (75), demnähft aus den Departements von Breslau (52), Cöln (39), Caffel (25) und Celle (24) zur Prüfung präsentirt worden. Aus dem Departement Ehrenbreit- ftein hat sich auch in dem abgelaufenen Jahre kein Kandidat gemeldet.

Die Zahl der Referendarien dagegen hat sh im Vor- jahre erheblich vermehrt. Am Schlusse des Jahres 1874 waren näâmlih 1897 Referendarien vorhanden, während die Zahl der- selben am Schlusse des Jahres 1873 1685, am Schlusse des Jahres 1872 1585, am Schlusse des Jahres 1871 1520 betrug. Die meisten Referendarien waren in den Departements des Kammergerichts (262), des Appellationsgerihtshofes zu Cöln (262) ; der Appellationsgerihte zu Breslau (222), Celle (132), Naumburg (126) und Königsberg (104).

Im Auftrage des Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten ist nach amtlihen Quellen eine Denkschrift über „die Einrichtungen zum Besten der Arbeiter auf den Bergwerken Preußens“ ausgearbeitet worden. Die- selbe ist in Stärke von 12 Bogen Text und 9 Bogen An- hang (14 Text - Beilagen und 12 Tabellen) nunmehr im Verlage von Ernft & Korn hierselbst . erschienen. Von Alters her {hon zeichnete sih, wie die Einleitung sagt, der deutsche Bergbau vor anderen Gewerben durch Veranstaltungen aus, welche Seitens der Bergwerksbetreiber zur Förderung des geistigen und leiblihen Wohles der Bergarbeiter getroffen wur- den, wie dies die reihlihen an Schulen und Kir- chen gewährten Unterstüßungen und namentlich das Knappschaftswesen beweisen. Mit der immer größeren Ausdehuung des Bergbaues, besonders seit dem raschen Auf- blühen des Steinkohlen-Bergbaues, erwiesen sih jedo die dur die Bergordnungen vorgesehenen Einrichtungen als unzureichend. Vielmehr erheishte der rasche Zuwachs der Arbeiterbevölkerung besondere Maßregeln, um ihre Seßhaftmahung in der Nähe der Bergwerke in zweckmäßiger Weise zu bewirken und ihren Kindern die Wohlthat genügenden Unterrichts zu verschaffen. Das dur seine beispiellose industrielle Bewegung ausgezeihnete Teßtverflossene Jahrzehnt is auch hierin hervorragend, und inner- halb dieses Zeitraumes find es namentlich die Jahre 1872 und 1873, deren günstige wirthshaftliche Ergebnisse die Werksbesißer nit haben vorübergehen lassen, ohne aus eigner Initiative für die Lebens- und Bildungsverhältnisse der Arbeiter möglichst zu \orgen, obschon allerdings die diesfälligen Leistungen den Ärbei- tern und deren wirthscaftliher Selbständigke;t vielfach erst gegen- wärtig wirklich zum Nugen gereihen. Jedenf.Uls ift namentli infolge der gegenseitig sich aufmunternden Wefstrebungen die soziale Lage der preußishen Bergarbeiter eine gegen- Über den Arbeitern anderer Industriezweige bevorzug.te geworden. Die vorliegende Denkschrift behandelt zunächst die fiskalischen Berg-, Hütten- und Salzwerke in den mittelbaren und“, in den unmittelbaren Unterstüßungen zur Hebung des leiblihen und des geistigen Wohles der Arbeiter bis zum Ende des Jahres 1873 zw: 1874, und geht sodann in ganz gleichartiger Anordnung und »Let- henfolge auf die Seitens der Privat-Bergwerksbesißzer mittelbar und unmittelbar hervorgerufenen Schöpfungen der nämlichen Art über. ri e U R im Wesentlichen eine dem entspr Ueberarbeiti-ng und Vervollständigu rjenige Schrift, welche bei GelegenSeit der Wiener Welt ustellen don 1873 als Erläuterung zu Hen vom Königlich preußischen Handels-Mintsterium ausgestellt gewesenen Plänen von Arbeiter-

dem Verhaf-

äusern auf den fiskalishen Berg-, Hütten- und Salzwerken erausgegeben worden ift. Der zweite, die Privatwerke behans- delnde Theil hat aus den von den einzelnen Werksverwaltungen im Jahre 1874 gelieferten Angaben, Zeihnungen und sonftigen Materialien, sowie aus den hierzu von den Königlichen Berg- Revierbeamten und Ober-Bergämtern erstatteten Berichten ge- \chöpft. Wir werden demnächst eingehend auf den Inhalt des Werkes zurückommen.

Die Rittmeister der preußishen Armee bekleiden, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 31. Mai d. I., eine und dieselbe Charge; ihre Klassifizirnng in Ritt- meister 1. und 2. Klase bezieht sih auf die nah der Anciennität der Rittmeister klassizirten Feldgehälter.

Der spanische Gesandte am hiesigen Hofe, Don Fran» cisco Merry y Colom, ist gestern Abend aus Dresden wieder hierher zurückgekehrt.

Der bisherige Spezial-Kommissarius in Cassel, Regie- rungs-Rath Grein, ift als Mitglied in das Kollegium der dortigen General-Kommission berufen worden.

Dem Handelsgärtner Birkel zu Charlottenburg ist für seine Gesammtleistungen auf der jüngsten Ausstellung des Charlottenburger Gartenbauvereins eine goldene Medaille zu- gesprochen worden.

S. M. Kbt. „Cy-clop“ hat am 13. Juni cr. Mor- gens den Hafen von Port Said verlassen und ankerte am 14. d. M. früh auf der Rhede von Suez.

Kiel, 24. Juni. (Kiel. Ztg.) Die Segelfregatte „Niobe verließ am 22. d. Mts. Stockholm, um fich nach Bergen zu begeben. Das Kohlenhulk „Thetis“ wird bei günstiger Witterung morgen nach Wilhelmshaven übergeführt. Außer dem Korvetten-Kapitän Pirner, welcher diese Ueberführung leitet, sind ferner dazu kommandirt die Unter-Lieutenants zur See Grill, Seweloh- und Ehrlich.

Bonn, 25, Juni. (W. T. B) Das gestern / in der Beethovenhalle von den hiesigen Bürgern zu Ehren des Mini- sters der geifilihen 2c. Angelegenheiten Dr. Falk veranstaltete Fe ft verlief in überaus glänzender Weise. Der Minister wurde von den zahlreich versammelten Festtheilnehmern mit lebhaften Kund- gebungen empfangen. In seiner Antwort auf die an ihn gerichtete Ansprache hob der Minister hervor, daß er in seinem Leben keine so \chöne Woche verlebt habe, wie die leztvergangene und sprach seinen Dank aus für die vielfachen Beweise der Zustimmung, die ihm in so überreihem Maße zu Theil geworden scien. Im wei- teren Verlaufe seiner Rede erklärte der Minifter, daß die Regierung „Sincere et constanter“ auf dem betretenen Wege fortfahren werde, d.h. daß, wie Niemand in feinen heiligsten und edelsten Empfindungen angegriffen werde, so auch Jedermann seine heiligsten und edelsten Empfindungen frei entwickeln könne zu feinem und des AU- gemeinen Besten. Die Worte des Ministers wurden mit über- aus lebhaftem Beifall aufgenommen.

Sachsen. Dresden, 24. Iuni. Ihre Majestäten der König und die Königin werden morgen die beabsichtigte Reise nah Süddeutschland antreten. Ihre “Majestäten werden \sich morgen Abend 6 Uhr 10 Minuten mit dem Schnellzuge zu- nächst nah Leipzig „begeben, im Königlichen Palais daselbst übernachten und Sannahond 0h die Nele uu) Jreankfurt a. M. fouisegen. Won dort gedenken dieselben sodann Darmstadt, Karlsruhe, Baden-Baden und Friedrilhshafen zu besuhen und von leßterem Orte aus noch einen Ausflug in die Schweiz zu unternehmen.

Württemberg. Stuttgart, 22. Juni. Ihre Majestät die Königin ist heute Nahmittag, von Schwerin kommend, in erwünshtem Wohlsein hier eingetroffen und hat auf der König- lichen Villa bei Berg Wohnung genommen.

Baden. Karlsruhe, 23. Juni. Kaufmann Jakob Lindau in Heidelberg und Pfarrer Kilian Benz in Dilsberg waren durch Urtheil der Strafkammer in Mannheim, ersterer zu 4, lezterer zu 3 Monaten Gefängniß verurtheilt worden, weil sie, als die Chorkirche zum heiligen Geist in Heidelberg den Altkatholiken eingeräumt wurde, noch rasch die dort befindliche, einer Brüderschaft gehörige Orgel aus der Kirhe wegshafften und nah Di!sberg verbrachhten. Die Nichtigkeitsbeshwerde der Verurtheilten, welche sih darauf gründete, daß die erforderliche Anzeige wegen dieses Vergehens nicht in gehöriger Weise erfolgt gewesen und der §8. 289 des Reichs-Strafgeseßzbuches unrichtig ausgelegt worden sei, wurde vom Ober-Hofgerihte in Mann- heim als unbegründet verworfen.

Hessen. Darmstadt, 24. Juni. (W. T. B.) Heute Vormittag hat Se. Majestät der Kaiser Alexander troß der sehr ungünstigen Witterung die Parade über die hiesigen Truppen, welche vom Prinzen Ludwig von Hessen kommandirt wurde, ab- genommen. Se. Königliche Hoheit der Großherzog, Prinz Alexander und die Prinzessin Ludwig von Hessen wohnten dem militärishen Schauspiele gleihfalls bei. Unmittelbar nah der Parade begab Sich Se. Majestät der Kaiser Alerander in Be- gleitung der Prinzen Alexander - und Ludwig nah Birkenbach, um Se. Majestät den Deutschen Kaiser zu begrüßen, AUerhöh|- welcher um 1 Uhr dort eintraf.

Sachsen-Weimar: Eisenach. Weimar, 23, Juni. Se. Königliche . Hoheit der Erbgroßherzog ist am 21. aus Pyrmont, Ihre Königliche Hoheit die Erbgroßherzogin am 22. aus Marienbad hierher zurückgekehrt, Heute Mittag fand im Beisein Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs, der Großherzogin und des Erbgroßherzogs die feierlihe Grundsteinlegung zu dem neuen Seminar- gebäude auf dem Bauterrain zwischen der Erfurter- und Brau- hausstraße statt. Der morgende Geburtstag des Groß- herzogs wird nur im engeren ‘Kreise der Großherzoglichen Familie gefeiert und ohne Hoffeftlihkeiten begangen werden.

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, 22. Juni, Gestern kamen die von den Hülfsgeldern noh übrigen und für Ausgleihung der Gebäudeschäden reservirten circa 266,000 Gulden an. die Abgebrannten zur Vertheilung. Bei Verrechnung derselben sind im Allgemeinen dieselben Grund- säße b gratien. woxdelt, welche bei Vertheilung der Summe für Mobiliarshäden als maßgebend betrachtet worden sind. Man hat zwischen Unbemittelten, Wohlhabenden und Reichen Unterschiede gemaht und nah Gewährung einer in allen Fällen

heutigen Stande |

sih gleich. bleibenden Summe von 900, 800 und 300 (4 die- selben noch außerdem mit 25, 20 '\und 15 Proz, ihres erlittenen Schadens unter vorzugsweiser Berückfichtigung der Kosten für dert Wiederaufbau entschädigt, dabei aber unter Umständen je na Ee fa oder geringerem Srl dem Einzelnen die auf 1ÿn fallenden Summen mehr oder weniger erhöht. Die

|

in Angriff genommenen Bauten \chreiten der „Weim. Ztg.“ zu- folge, mit wenigen Ausnahmen, langsam vorwärts. Nur sehr wenige Häuser sind bereits unter Dach, bei vielen wird noch am untersten Stockwerke gearbeitet, bei den meisten aber ist kaum erst der Grund fertig. An Baumaterial fehlt es nicht, wohl aber an Arbeitern. Feldziegeleien sind, namentlich in der Nähe der Eisenbahnlinien, in Menge entstanden.

Schwarzburg - Nudolstadt. Rudolstadt, 22. Iuni. Der Landrach Freiherr von Ketelhodt ist zum Zwecke des Uebertritts- in den Königlich preußishen Staatsdienst aus dem fürstlihen Dienste entlassen worden. Die Ausgaben für Justizpflege im Fürftenthume haben eins{ließlich der Zahlun- gen für die gemeinschaftlihen Gerichte 1873 rund 164,228 M, 1874: 173,529 M, die Ginnahmen dagegen 1873: 124,114 M oder 76 Prozent der Ausgaben, 1874: 115,250 4 oder 60 Prozent der Ausgaben betragen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 23. Juni. Der Kaiser

hat heute Morgen den Schießübungen bei Felirdorf angewohnt und 2E vou dort um 11 Uhr Vormittags wieder nah Wien urüd. i Der Kronprinz der Niederlande, Prinz von Oranien, if vorgestern unter dem Namen eines Kapitäns v. Bargange in Budapest angekommen und heute nah Mezö- hegyes abgereist um das dortige Gestüt zu besichtigen.

Das Reichsgesezblatt veröffentliht u. A. die Ver- ordnung der Ministerien des Ackerbaues, des Innern, der Finanzen und des Handels vom 29. April 1875, betreffend das Verbot der Einfuhr von Kartoffeln aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika, sowie von Abfällen und Verpackungsmaterial solcher Kartoffeln; das Gesez vom 29. April 1875 über die Verwendbarfeit dèr Obligationen des von der Gemeinde Prag auf Grund des Landesgeseßes vom 7. Oktober 1874 auf- genommenen verzinslichen Anlehens von fünf Millionen Gulden zur fruchtbringenden Anlegung von Kapitalien der Stiftungen, der unter öffentlicher Aufsfiht stehenden Anstalten, dann von Pupillar-, Fideikommiß- und Depositengeldern; das Gescy vom 22, Mai 1875, betreffend einige Aenderungen der bestehenden gesehlichen Bestimmungen über den Feingehalt - der Gold- und Silberwaaren und dessen Ueberwachung.

Am 16. d. M. traf, wie der „Avvis. Dalm.“ meldet, das vierte Schiff des großbritannishen Geschwaders, der Avisodampfer „Pallas“, von Antivari kommend, im Kanal von Lacroma bei Ragusa ein und ging daselbst vor Anker. Am 18. d. M. lief die englishe Korvette „Rodip“ in den Hafen von Lissa ein, um dort Kohlen einzunehmen.

Schweiz. Bern, 22. Juni. Der Nationalrath hat gleih dem Ständerath heute den Postmandatsvertrag mit Bel- gien ratifizirt und seßte dann die Berathung des bundesräthlichen Geschäftsberichts für 1874 fort. Beim Geschäftskreise des Militärdepartements erhob er folgenden neuen Antrag zum Be= \{chluß: „Der Bundesrath wird eingeladen, die nöthigen Anord- nungen zu treffen, daß die militärischen Vorarbeiten, welche im Interesse einer raschen Aufstellung und Dislokation der shweize- rischen Armee und einer nahdrücklihen Landesvertheidigung hon in Friedenszeiten ausgeführt werden können und sollen, mit thunlihster Beförderung an die Hand genommen, beziehungs- weise zu Ende geführt werden.“ Ebenso nahm er beim Ge- \häftsfkreise des Eisenbahn- und Handelsdepartements einen neuen Antrag an, dahin gehend: „Der Bundesrath ift eingeladen, in Uebereinstimmung mit Art, 31 des Eisenbahngeseßes dafür zu sorgen, daß alle Gesellschaften für jeden Personenzug, besonders an Sonn- und Festtagen, die genügende Anzahl Wagen bereit halten.“ Im Uebrigen trat er allen Postulaten des Stände- rathes bei. Für die Theilnahme der \{chweizerischen Industrie an dex Weltausstellung in Philadelphia nähsten Jahres hat der Dea heute einen Bundesbeitrag von 250,000 Fres. be- willigt.

Großbritannien und Jrland. London, 23. Juni. Ihre Majestät die Königin der Niederlande kam gestern mit ihrem Gefolge an Bord der niederländishen Staatsyacht „De Valk“ in Woolwih an, wo die Königin von dem nieder- ländishen Gesandten, Graf de Bylandt, empfangen wurde. Ihre Majestät, die unter dem Jnkognito einer Gräfin von Buren reift, fuhr alsdann in einer vierspännigen Equipage nah London, wo sie in . Claridge's Hotel Absteigequartier nahm. Die Königin gedenkt bis zum 8. Juli in England zu verweilen. Bald nah ihrer Ankunft im Hotel stattete fie dem Prinzen und der Prin- zessin von Wales in Marlborough-House einen Besuh ab, den dieselben bald darauf erwiderten, und später empfing sie Besuche von dem Prinzen und der Prinzessin Christian von Schleswig- Holstein und dem Fürsten und der Fürstin Teck. Unter den Per- sonen, die Ihrer Majeftät im Laufe des Tages ihre Aufwartung machten, befanden \sich der ehemalige König von Neapel sowie viele Viitglieder des diplomatischen Corps.

Jn Liverpool soll das in Elberfeld in Wirksamkeit befind- lihe System der freiwilligen Armenpflege versuhsweise eingeführt werden.

Frankreich. Versailles, 24. Juni. (W.T. B.) National- versammlung. Im Beginn der heutigen Sizung machte der Conseil-Vizepräsident Buffet nähere Mittheilung über die durch dieUebershwemmungen in den südlihen Departements ange- rihteten Verwüstungen und legte einen Gesehentwurf vor, in welchem die Verwilligung eines Kredits von 100,000 Frcs. zur Unterstüßung der Beschädigten beantragt wird. Die Versamm- lung beshloß die Dringlichkeit und verwies die Vorlage an die Budgetkommission. Von Buffet wurde mit besonderer Anerken - nung der Offiziere und Soldaten gedaht, welche miteinander darin gewetteifert hätten, den Bedrängten beizustehen. Im wei- teren Verlauf der Sißung gelangte der Bericht Pelletans über die Wahl im Departement Cotes du Nord zur Berathung. Der Bericht \priht fich für Giltigerklärung der Wahl Kerjegu's aus, mißbilligt aber das bei dieser Wahlangelegenheit von der Regierung beobachtete Verfahren. Nachdem der frühere Justiz- Minister Tailhand sein im Berichte angegriffenes Verhalten unter dem Beifall der Rechten gerechtfertigt hatte, wurde die weitere Berathung auf morgen vertagt. Die Versammlung ge- nehmigte hierauf noch die von dem Ministerium beantragte Ver- willigung eines Kredits von 100,000 Frecs. zur Unterstüßung der in den südlihen Departements von Wassersnoth Heimgesuch- ten und beschloß endlih auf den Antrag Chesnelongs, daß die dritte Lesung des Gesehentwurfs über den höheren Unter- richt nach der zweitèn Berathung des Gesehes über die öffent- lihen Gewalten stattfinden solle.

425. Juni. (W. T. B.) Bei dem gestern hier zu Ehren Hoche's stattgehabten Banket hielt Gambetta eine Rede, in der er ausführte, daß die Einigkeit der Parteien,

welche der Republik ihre Entstehung gegeben habe, fortbestehen werde. Die Republikaner, oufgeklärt und belehrt dur die ge- machten Erfahrungen, seien gemäßigter geworden und erwarteten von der Zeit die Verwirklihung ihrer Prinzipien. Die bevor- stehenden Wahlen für die Nationalversammlung würden eine fortschreitende Republik schaffen, indem fie eine Regierung der Bourgeoisie ermöglihen, welhe in einem demokratishen Staate auch demokratish zu regieren verstehen werde.

Spanfïen. Madr id, 24. Juni. (W. T. B.) Nach den Aeußerungen der der Regierung nahe stehenden Journale scheinen

die allgemeinen Wahlen für den Oktober und dec Zusam-,

mentritt der Cortes für den November d. I. in Aussiht genom- men zu sein. General Jovellar hat die Befestigung von San Mateo9s vollendet und darauf seine Bewegung zur Ver- einigung mit dem General Martinez Campos begonnen, welcher leßtere sich noch vor Miravet befindet und mit der Belagerung dieses Plages beschäftigt ift.

Portugal. Lissabon, 22. Juni. (C. Ztg.) Der König besuchte heute die zu Tejo ankerude französische Fregatte „Océan“ und wurde an Bord von dem französischen Gesandten Grafen Armand und dem Kapitän Maurin empfangen. Das Schif} geht morgen, mit dem Gesandten an Bord, nah Cherbourg.

Türkei. Konstantinopel, 25, Juni. (W.T. B.) Das Budget wird zu Anfang der nähsten Woche veröffentlicht werden. Der Julicoupon wird, wie von der Regierung ver- breitet wird, zu seiner Verfallzeit eingelöst werden. Die Ver- handlungen der türkishen Regierung mit der Banque impériale sind ihrem Abschlusse nahe.

Asien. Singapore, 6. April. Unsere offizielle Zeitung hat \eit der Mitte des vorigen Jahres eine Reihe amtlicher Aktenstücke veröffentliht, welhe wohl geeignet sind, die Aufmerksamkeit des europäischen Handelsftandes auf zwei bisher wohl wenig bekannte indishe Staaten zu richten.

Zwischen den britishen Niederlassungen Malacca liegen an der Meerenge leßteren einheimishen Reihe Perak und Salangore, selbständigen Fürsten beherrscht. Die beiden Staaten waren in den - lezten Jahren in vollständige Anarchie zerfallen und zwar Perak, das nördlihere Gebiet, namentlich durch die chinesishen Anftedler, welche die leichte und ergiebige Aus- beute der dortigen Zinngruben ins Land gelockt hatte, und die nun, über deren Besiß in tödlihem Zwift entbrannt, \sih unter einander bis aufs Messer bekämpften. In Salangore andererseits hatte sich die Bevölkerung mehr und mehr der Seeräuberei er- geben, \o daß im Lande keine Autorität mehr herrshte und die Gewässer der vorbeiziehenden vielbefahrenen - Handels\traße immer unsicherer wurden, Der letztere Umstand insbesondere le den Engländern zum Einschreiten Anlaß gegeben zu aben.

Auf Angehen der betreffenden machtlosen Sultane selbst haben die Engländer im Anfange des verflossenen Jahres ihre Bevollmächtigten in Begleitung der nöthigen Polizeikräfte in beide Länder entsandt, welhe die Autorität der einheimischen legitimen Herrscher wieder aufgerihtet und förmliche Verträge mit denselben abgeshlossen haben, kraft deren fie als britische Residenten mit ihrer Macht ständig ihnen zur Seite bleiben und faktisch die Länder regieren. Zu Langat, der Hauptstadt von Salan- gore, etablirte sich der britishe Resident Frank A. Swettenham im August v. Is., und bereits im Dezemver konnte er berihten, daß das Land vollständig pacificirt sei, daß kein Fall von RPiraterie seit jener Zeit mehr vorgekommen, daß Handel und Verkehr im Lande \ih belebten und die Chinesen im Gefühl der Sicherheit wiederum ihre Buden öffneten. Durch eine in der „Straits Settlement Government Gazette“ vom 12. Dezember v. Is. abgedruckte Proklamation vom 18. November desselben Jahres that Sultan Abdussamad Bin Tunku Abdullah den Beginn dieser neuen Aera ter Welt kund und lud alle euro- päischen „Gentlemen“, chinesishen „Headmen“ und „Andere“ ein, ins Land zu kommen, wo er dur den Gouverneur der britischen Settlements in den Stand-geseßt sei, mit Gerechtigkeit zu regie- ren und Leben und Eigenthum der Ansiedler zu beshüßen; diese möchten nun Zinn- oder Goldminen bearbeiten, oder Holz und Gutta-Percha gewinnen oder Zucker, Tabak und Reis bauen.

Zu Perak war bereits am 20. Januar 1874 ein Ueberein- fommen mit den Häuptlingen des Landes getroffen worden, wo- durch der Sohn des leßten Sultans als Sultan Abdullah Ma- homed Shah anerkannt und der leßte Regent pensionirt wurde. Damit mußte \sch der neue Herrscher eine Grenzreguli- rung gefallen lassen, durch welhe die britishe Pro- vinz Wellesley über das Flußgebiet des Krean - Flusses erstredt wurde, was der Statthalter von Penang unterm 13. Juli v. I, mit dem Bemerken bekannt machte, daß zur Befahrung des Flusses Krean Jedermann auf sein Ansuchen bei der Polizei-Station von Nebong Tubal Pässe und Schuß erhalten könne. Der Sultan von Perak erließ wegen seiner Thronbesteigung gleichzeitig und nah derselben Vorschrift, wie sein Nachbar von Salangore, eine entsprehende Kundmachung.

Perak i} besonders reih an Zinn. Der Name bedeutet in der Landes\sprache Silber, da die Eingeborenen das vielfah zu Tage tretende Metall* dafür hielten. Die Zinngruben befinden \ih zumeist in der zwishen 4 9 und 5 9% nördlicher Breite und 100 9 und 101 9 öftliher Länge, 70 englishe Meilen in der Länge, 20 bis 30 Meilen in- der Breite \sich erstreenden Pro- vinz Larut, wo seit den 50er Jahren eingewanderte Chinesen dieselben ausgebeutet haben. Die unter diesen bald entstehenden, durch ihre Neigung zu geheimen Gesellschaften beförderten Strei- tigkeiten arteten in offene Fehde aus, und seit 1872 haben die verschiedenen Faktionen dermaßen gegen einander gewüthet, daß pon der ganzen Bevölkerung der Provinz zu Anfang 1874 nur noch 4000 Seelen übrig waren. Elf Monate nach der Pacifi- kation war diese Seelenzahl bereits wieder auf 33,000 gestiegen, darunter 26,000 Chinesen, und in \solhem Aufshwunge befindet sich jegt das Land, daß der britishe Resident erwartet, die ge- dachte Zahl vor dem Schlusse des laufenden Jahres verdreifacht zu sehen, Im Beginn des Jahres 1874 waren 30 Minen im Betrieb, am Schluß desselben bereits 120. Das Produkt dieser Minen ist beziffert auf 79,200 Picul und der Werth desselben, berechnet zu 20 Dollars per Picul, auf 1,584,000 Dollars. Die Förderung geschieht noch mit den primitivsten Anstalten dur Wäsche des Flußsandes; ebenso einfah find die Mittel zur Schmelze.

Durch Anwendung von nur wenig Dampfkraft könnten nah der Ansicht des Residenten Kapitän Speedy, dessen sehr in's Einzelne gehenden Bericht die „Straits Settlements Govern- ment Gazette“ vom 3. April d. Is. veröffentliht, großartige Erfolge erzielt werden, da -der Vorrath an Zinn, das in den Bergen \sich in Klumpen findet, geradezu unershöpflih sei, Es

t

Penang und Namens die bislang von

wird jezgt noch von dem Produkt eine hohe Abgabe erhoben, 19 Dollars per Bhara (gleich 3 Picul gleih 400 Pfd. avoir dupois), das macht vom Werthe ca. 31 pCt., welche Abgabe indessen vom 15. April d. Is. an auf 15 Dollars und vor Ende des Jahres voraussichtlich auf 12 Dollar ermäßigt werden sollte. In Salangore beträgt diese Abgabe nur 9 Dollars. Der mexikanishe oder der spanische Dollar ist die Umlauf- münze.

Das Land ist fruchtbar und bringt in den Ebenen Zuter, Tabafï, Tapioca hervor, an den Bergabhängen Kaffee, Thee, Vanille, Muskatnüsse, Gewürze 2c.

Die klimatischen Verhältnisse sind nmach den vorliegenden Berichten ungleih günstiger, als die Regel in den Tropen. Das Thermometer zeigt im Schatten selten über 869 Fahrenheit und sinkt Nachts oft bis 659, An den Höhen find die Nächte manh- mal kühl, und warme Decken werden ‘unentbehrlih. Der Bericht \chließt mit einer Schilderung der Thierwelt, welche dem Jäger reiche Beute bietet. Heerden von wilden Elephanten, welche gezähmt zu Lastthieren benußt werden, durchziehen das Innere des Landes. Das Rhinozeros kommt in zwei Arten vor, der Tiger in dreien. Sodann giebt es Leoparden, Bären, Wild- \{chweine, auch verschiedene Spezies Hirsche, Shlangen der größ- ten Arten, giftige und nicht gistige; in den Flüssen Krokodile.

Der „A. A. C.“ vom 23. Juni liegen folgende Nachs rihten aus Indien, Birma und China vor:

Eine in Simla, dem Siß dex indischen Regierung, eingetroffeue amtliche Depesche meldet, daß der König von Birma dem indi- schen Gesandten Sir Douglas Foriyth Erklärungen betreffs des von ihm dem chinesishen General Leescetahi bereiteten ehrenvollen Em- pfanges abgegeben hat. Der König hat auch eine Uebereinkunft ab- gefaßt, wonach die Unabhängigkeit des westlichen Karenni gewährleistet wird. Feindseligkeiten mit Birma werden nun als unwahrscheinlich erachtet, Sir Douglas Forsyth bleibt in Birma, um weitere Jn- struktionen der indischen Regierung zu erwarten. Aus Simla wird unterm 22. d. ferner gemeldet: Heute brach hier eine Feuer s- brunst aus, dur welche eine Anzahl Läden eingeäschert und Schaden in Höhe von 10,000 Pfd. Sterl. angerichtet wurde, der größtentheils unversichert ist.

China. In Ching-Kiang ist einer Depesche aus Shanghai zufolge die Ruhe wieder hergestellt. Die chinesishen Behörden haben die von dem britischen und amerikanischen Konsul in Folge des jüng- sten Erxzesses gestellten Genugthuungs-Forderungen theilweise befriedigt.

Ausftralien. Die „A. A. C.“ vom 23. Juni meldct:

Die Goldausfuhr von Victceria beläuft sih in diesem Izhre auf 198,208 Unzen gegen 316,557 Unzen im Vorjahre. Zu Lf u, Loyally-Inseln, wurde in der Nacht des 28. März ein heftiger Erdstoß, der sich am folgenden Tage wiederholte, verspürt. Am Abend des 30. März fügte ein dritter Stoß den Gebäuden großen Schaden zu. Dem Erdbeten auf dem Fuße folgte eine gewaltige Fluth, die drei Dôufer hinwegshwemmte und viele Menschenleben und zahlreiches Eigenthum zu Grunde richtete. In Handelskreisen besorgt man in Folge der Minenspekulation der Jahre 1873—74 den Ausbruch einer Panik. Dem Zusammensturz vieler Handelshäuser wird in nächster Zeit entgegengesehen.

Nr. 54 des „Amts -Blatts der Deutschen Reichs- Postverwaltung“ hat folgenden Jnhalt: Verfügungen: vom 93. Juni 1875. Taxe für Drucksachen und Waarenproben im Ber- fehr mit Oesterreich-Ungarn. Vom 23. Juni 1875. Verfahren bei Postagenturen in Betreff vorausbezahlter Bestellgebühren 2c.

Nr. 26 des Justiz-Mintsterial-Blatts für die Preußische Geseßgebung und Rechtspflege, herausgegeben im Bureau des Justiz-Ministeriums, enthält eine allgemeine Ver- fügung der Minister des Innern und der Justiz vom 21. Juni 18374, betreffend die nah §. 41 des Geseßes vom 9. März 1874 (Geseßtz- Samml. S. 95) bei amtlich ermittelten Todesfällên den “Standes- beamten zu machende \{riftliche Mittheilung. Allgemeine Ver- fügung vom 22. Juni 1875, betreffend die Ermittelung der Gerichts- fosteneinnahme in Civilprozessen. Uebersicht der Geschäfte bei der Justiz-Prüfungskommissionu im Jahre 1874.

Landtags- Angelegenheiten.

Das Abgeordnetenhaus hat, wie die „Nat.-Ztg.* berechnet hat, mit dem Abschluß der diesjährigen Thätigkeit die umfangreichste seiner Sessionen hinter sih. Die Dauer der Sessionen und die Zahl der abgehaltenen Plenarsißungen stellt sich seit der 10, Legis- laturperiode im Jahre 1867 folgendermaßen: 10. Legiélaturperiode : I. Session vom 15. November 1867 bis 29. Februar 1868 mit 66 Sißungen; 11. Session vom 4. November 1868 bis 6. März 1869 mit 61 Sitzungen; IIl. Session vom 6 Oktober 1869 bis 12. Fe- bruar 1870 mit 68 Sibßungen. 11. Legislaturperiode: I. Session vom 14. Dezember 1870 bis 17. Februar 1871 mit 32 Sißungen ; II. Session vom 27. November 1871 bis 10. Juni 1872 (fodann Vertagung) und vom 22. Oftober bis 1. November 1872 mit zusammen 62 Sißungen; IIL. Session vom 12. November 1872 bis 21. März 1873 und nach der Vertagung vom 5. Mai bis 20. Mai 1873 mit 80 Sitzungen. 12. Legislaturperiode: T. Session vom 12, Novem- ber 1873 bis 21. Mai 1874 mit 72 Sitzungen; II, Session vom 16. Januar bis 15. Juni 1875 mit 81 Sizungen.

Auch das Herrenhaus, welhes diesmal 36 Sigzungen hielt, hat seit einer langen Reihe von Jahren nicht eine so anstrengende Session gehabt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Am 22. wurde unter Leitung des Gymnasial-Direktors Prof. W, Schwarßb aus Posen auf dem Dominium des Gutsbesißers Barth in Cerekwice eine Ausgrabung veranstaltet. Man stieß auf einem etwa +4 Meile südöstlich von Cerekwice gelegenen Felde, welches den Namen Lyssa Góra führt, an vier verschiedenen Stellen auf alt- beidnishe Gräber. Es waren Einzelgräber, die von Granitsteinen überdeck waren und etwa 17 Fuß unter der Erdoberfläche lagen. Außer einer Menge von Urnenscherben förderte mau aht vollständige Gefäße, welche zum Theil mit Näpfen zugedeckt waren, zu Tage ; darunter befand sih zunächst eine rohe, röthlih gefärbte große Urne mit Verzierungen, die von Fingereindrücken herrührten; ferner fand man zwei cylindrisch geformte rothe Töpfe; welche fast dieselben Linearzeichnungen aufzuweisen hatten, zwei kleinere bauchig geformte Gefäße von schöner, gefälliger Form, eine kleine hübsch verzierte flache Schale und ein außerordentlich zierlihes kleines Henkelgefäß, welches als Shspfkelle gedient haben mag. Zahlreiche Knochen- Ueberreste fanden sich in jedem Grabe; dagegen fehlten Schmuck- sachen und Werkzeuge, wie sie sonst oft in Urnen gefunden wer- den, vollständig ; Überhaupt zeigte sih in keinem der Gräber eine Spur von Metall,

Wie das „Athenäum* mittheilt, ist der norwegische Sce- Kapitän Carr Wile in England eingetroffen, um Studien für eine Expedition nah dem nordatlantischen Ozean zu machen, welce die ncrwegishe Regierung im nächsten Jahre auszusenden ent- [giossen ist und die unter Dr, Wile's Kommando gestellt werden soll. Die Zwecke dieser wissenschaftlichen Expedition werden dieselben wie die des „Challenger“ sein. Der Erforshung der mannigfachen Phänomene der nordischen Meere sollen drei Jahre gewidmet werden.

Die Dampypfyaht „Pandora*" verlicß am 23. Juni Southampton auf der Reise nah den arktishen Regionen. Sie ist für den Dienst in den Polarmeeren gut ausgerüstet und führt unter

andern Bedürfnissen sechs starke Boote, zwei Wallfishfangboote, Suiderbüchsen für die Nobbenjagd, Eiskondensators u. |. w. mit sich. hre Besatzung besteht aus 32 Mann einschlicßlich des Kapitäns Allen Young und der Offiziere, Licutenant Billingstone, Lieutenant Pirie, Lieutenant Baynan (von der niederländischen Marine) und Dr. Horner, der die Expedition außer in seiner ärztlichen Thätigkeit als Meteorologist begleitet. An Bord der „Pandora“ befindet sich auch „Eëquimaux Joe“, der mit Hall die Polar - Expedition mit- machte und von Amerika herübergebraht wurde, um als Dolmetscher zu fungiren. Die „Pandora”" segelt zuerst nah Disco und hoff, die Forichungen in den Polarmeeren rechtzeitig zu beenden, um gegen November wieder nach England zurückchren zu können, Da Lady Franklin einen beträchtlichen Theil der Ausrüstungskosten bestritten, wird die „Pandora“ wahrscheinlich das von M'Clintock begonnene ti n dati nah Ueberresten von Sir John Franklins Expedition ort]eßen

Am 17. Juui ist der Erste Russische Juristen-Kon- greß in Moskau eröffnet worden. Die Idee zu diesem Kongreß gehört der Moskauer Juristishen Gesells{aft, welche {on im Herbst 1872 den bezüglichen Vorschlag ihres Mitgliedes S. J. Barschew acceptirte und seit der Zeit unermüdlich durch Wort und That für die Verwirklichung des Kongresses gewirkt hat. An Mitgliedern des Kongresses haben sich 130 Personen zusammengefunden, Vertreter russisher Jurisprudenz aus St. Petersburg, Kiew, Kasan, Odess3, Dorpat, Jarosslaw, R{asan, Jekaterinosslaw u. #. w.

Im griechischen Kloster Agios Elias zu Zihßa in Cpirus ist unlängst ein Mönch gestorben, dessen Lord Byron in seinem Gedichte „Childe Harold“ erwähnt. Der betreffende Mönch, Nicephorus, war 117 Jahre alt und erinnerte sih recht wobl an Lord Byron, der 1827 sich mehrere Tage in dem Kloster aufhielt und in feinem Gedichte die malerische Lage des Klosters und die Gast- lihfkeit der Mönche pries, @

Die Provinzialorduung ist soebeu bereits in dritter Auflage, von Dr. G. M. Kletke bearbeitet, bei Eugen Groffer hierselbst, 8W., Gitschinerstraße 111, zum Preise von 2 A. erschienen.

Land- und Forstwirthschaft.

Aus Graubünden wird der „N. Zürch. Ztg.“ geschrieben : Am Calanda gegenüber Chur it die leßten Tage eine Schafheerde von über 100 Stück verunglückdt. WIrgendwie, man weiß nicht aus welcher Ursahe Viele behaupten, cs seien zur Zeit Geier in der Nähe in Schrecken gejagt, hatte sih die Spiße der Heerde über eine Felswand heruntergestürzt, und nah der Art dieser Thiere folgten alle übrigen blindlings nah. Einzelne, di: zuleßt auf den todten Haufen der vorangegangenen fielen, bliezen am Leben, Eigenihümer der Thiere waren Private und Gemeinden aus der umliegendey

Gegend. Gewerbe und Handel.

Berlin, 25, Juni. Gestern starb hier der Geheime Kon- merzien-Rath Moriß Heinrich Güterbock.

Die Generalversammlung der Wilhelmshütte, Aktien- Gesellschaft für Maschinenbau und Eisengießerei, in welcher 297,000 Thlr. Afkti-nkapital vertreten war, genehmigte die vom Vorsitzenden vorgelegte Bilanz pro 1874 einstimmig, sowie die vom Verwaltungsrath festgeseßte Dividende von 4% und ertheilte einstimmig Decharge. Zu Revisoren wurden die Herren Louis Stein- thal, H. Rust und Ad. Eiseck, in den Auffichtsrath für zwei aus- \cheidende Mitglieder die Herren Fecdinand Reichenheim und Sieg- fried Berend neu gewählt.

Aus Lübeck wird unter dem 21. d. M. geschrieben: Das zu Markt gebrahte Quantum Wolle zeigte gegen das Vorjahr einen Abfall von 400 Centnern. Die Ursache dafür mag in einigen Ber- fäufen vor dem Markt und Sendung ungewaschener Wollpöste zu den Ausfällen für Fabrikwäsche zu finden sein. Die Wäsche der zugeführ- ten Wolle war durhgängig eine gute; dies wie auch der gestrige ziemlich fest verlaufene Berliner Markttag, wie endlich die gegen sonst größere Anzahl der Käufer erleichterte das Ge\chäft derartig, daß in den wenigen Stunden von 103—1 Uhr Mittags fast das ganze Quan- tum vergriffen war. Außer den gewöhnlichen Käufern, Neumünsterschen Fabrikanten, Hamburger und medcklenburger Händlern, waren dänische und -\hwedische Fabrikanten erschienen, die das Geschäft belebten. Be- zahlt wurde für gute Kluftwollen 48—52 Thlx., mittel dito 57—60 Thlr., feine Wollen 61—65 Thlr., einzelne Posten 68—70 Thlr. Nach einem anderen Bericht ist ein Stamm fabrikgewashene medcklen- burger Mittelwolle gegen 90 Thlr. an einen Gubener Fabrikanten verkauft worden.

Wien, 2%. Juni. In der heute stattgehabten Geueral- Versammlung der Oesterreichishen Nordwestbahn wurde der Geshäftéberiht genehmigt und der Verwaltung Decharge er- theilt. Die Generalversammlung nahm fodann Kenntaiß von den eingeleiteten Verhandlungen über die Fusion der Nordwestbahn mit der Süd-Norddeutschen Verbindungsbahn, mir der Mährischen Grenz- bahn und der Lundenburg-Grusbacher Bahn und ertheilte dem Vor- stande die Ermächtignng, diese Verhandlungen fortzuführen. Ferner wurde beschlossen, die Aktiencoupons Lit. B. am 1. Juli cr. mit 2 Fl. 63 Kr. einzulösen und die etwaige Differenz zwischen dem Reinerträgniß und der zur Einlösung der Coupons erforderlichen Summe für das erste Jahr der Betriebsperiode zu Lasten des Bau- fontos vorzutragen.

London, 19. Juni. Für die gestern beendete zweite Serie dies- jähriger Auktionen von Koloniaiwollen, die am 4. Mai be- gonnen hatte, wiesen die Kataloge 477,273 Ballen Wolle nach, gegen 450,306 B. in 1874. Im Ganzen belief sich die Einfuhr von Ko- lenialwollen in diesem Jahre auf 748,545 Ballen, gegen 815,770 in 1874. Diese Serie zeichnete sih durch große Stätigkeit aus, und be- merkenswerthe Schwankungen kamen nur bei denjenigen Wolleklassen vor, welehe veränderlicher Nachfrage gewöhnlih unterworfen sino, wie superfeine Port Phillip und Mudgee Fließe, die namentlich die besten Loose zu einer Zeit bis 2 d. über März-Quotirungen be- dangen, während sie später ungefähr zu früheren Preijen käuflich waren. Auffallend war der starke Begehr nach groben Wollen, sowie der hohe Werth, welcher für Stücken und Locken, fchlerhafte .scoured und Kap, kurz für alle geringeren Tuchsorten angelegt wurde, und dem im Angust 1874, d. h. zur höchsten Periode des verfloffenen Jahres gang- baren, nicht nachsteht. Dagegen fanden feine Tuchsorten, besonders Sydney Fließe, einen weniger lebhaften und täten Markt und zeigten gegen Ende der Auktionen merkiichhe Schwäche. Schweißwollen für Kamm waren wiederum stark begehrt zu vollen, kaum variirenden Preisen. Dies gilt vorzugsweise von den besseren, gut beschaffenen Ba während die geringen und {weren von 104 bis 13d per Pfd. hin und wieder etwas, obwohl auch nit leiht quotirbar, fluf- tuirten. Port Philtip Fließe zogen in den ersten vixr Wochen ¿—1d per Pfund an, zeigten sich aber zugänglicher in den leßten vierzehn Tagen. Australische Lamm lösten jederzeit extremen Werth. Ebenso genossen die bescheiden vertretenen Kapwollen uxunterbrochen guten Begehr und haben im Vergleiche zu Märzpreifen eine Avanz von #—1d für Sließe, sowie befte Snow-whites und 13—2d per Pfund für geringe scoured aufzuweisen. Sowohl einheimische als fremde Käufer betheiligten si willig, und das von den leßteren acquirirte Quantum wird auf 130,000 Ballen, also bei- nahe die Hälfte des ausgebotenen Totals, geshäßt. Für die dritte Auktions-Serie, deren Anfang auf » Dienstag, den 17. August, firirt i}, find bis dato eingetroffen Total 163,451 Ballen, als shwimmend bekannt total 77,079 Ballen, und das verfügbare Total. dürfte 270—280,000 Ballen erreichen. Jn der gestern abgehalienen Auktion von ordinären Wollen wurden. offerirt total 2767 Baller, verkauft total 1518 Ballen Die Auswahl war spärlich und die Käuferzahl kleiner, als gewöhnlich. Preise stellten sich den früher per Privat- Kontrakt gezahlten glei mit Ausnahme von chinesischen Kameelhaaren, welche seit Kurzem sehr begehrt find und at d per Pfd. für gute bis ganz vorzüglihe Waare g-rholt habe, Chiîne- sische Flicße lösten 7—8} d ver Pfd., russiscze Fließe weiße Durch- \cnitts-Qualität 1048—11 d per Pîd., weiße ge:inge 94 d per Pfd., graue 73 d per Pfd.