1875 / 280 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Nov 1875 18:00:01 GMT) scan diff

rung anf, sie solle sich über die von ihr befolgte Politik äußern. Der Minister Buffet erklärte darauf, er halte die Einzelwahlen aufrecht, weil er wünsche, daß die Wahlen der offene und wahre Ausdruck der Gesinnungen des Landes und des Willens der Wähler \ein sollten; das Listenskrutinium alterire die Unabhän- gigkeit der Wähler. Der Minister betonte die Nothwendigkeit des Zusammenhaltens aller konservativen Kräfte, welche zwar augenblicklich noch getrennt seien, die sich aber auf einem legalen konstitutionellen Wege vereinigen könnten, um die konservative Politik und die gesellschaftlihen Prinzipien zu vertheidigen, die jeßt von denen angegriffen würden, die die Verfassung vom 25. Februar votirt hätten, dieselbe aber in einer Weise interpre- tirten, der er entgegentreten müsse. Nachdem hierauf auch das Amendement Jozons mit 387 gegen 302 Stimmen abgelehnt war, wurde die Sizung aufgehoben.

Nufßlaud und Polen. St. Petersburg, 25. No- vember. Ueber die Lage der Dinge an der Grenze von rg bringt der „R. I.“ die folgenden neueren Nach- richten :

Das- Detachement, welches in dem neuerdings von uns beseßten Gebiet von Namangan zurückgelassen worden war, mußte bald nah der Rückkehr des Ober-Befehlshabers der Truppen, welche im Chanat Kokand operirten, nah Chodshent zu den Waffen greifen, um die einheimische Bevölkerung zur Ruhe zu bringen, unter welcher son in der ersten Hälfte des Dftober eine neue Gährung auégebrochen war, die in der leßten Zeit beständig zunahm. Um eine Bande bewaffneter Kip'schaken und Einwohver zu zersprengen, rückte der Chef des Detachements, General - Major der Suite Sr. Majestät Sfkobelcw, mit einem Tbeil desselben gegen Türa-kurgan, ein etwa 12 Werft westlich von Namanaan an dem Wege nah Tuß gelegenes Städtchen, vor, General-Major Ss\kobelew shlug die Bande am 23. Oktober (a. St.) vor Türa-kurgan und setzte dann feinen Zug gegen Tuß fort. Jun- gwischea waren die Kiptschaken in Namangan eingedrungen und hatten die Einwohner aufgewiegelt. Am 24. Oktober griffen sie die Citadelle der Stadt und das Lager unserer zurückgebliebenen Truppen an. Drei Tage lang wehrten fich unsere Leute heldenmüthig gegen die An- greifer; diese wurden endlih zurückges{chlagen und konzentrirten fich in einem Theil der Stadt, den sie stark befestigten.

Von diesen Vorgängen unterrichtet, kehrte General - Major Sskobelew am 26. Oktober, Mittags (a. St.), mit der Hauptmacht des Detachements nach Namangan zurück und traf fogleich Vor- bereitungen, um die Stadt zu stürmen. Am nächsten Tage eröffnete er das Feuer aus 16 Ge\chüßen, zerstörte den von den Kiptschaken beseßten Stadttheil und ließ die Truppen zum Sturm vorrücken. Die Stadt wurde jedo ohne Kampf genommen, da der Feind floh. Das Feuer unserer Artillerie haite ihm ungeheure Verluste beige- bracht, die circa 3800 Mann betrugen. Wir hatten an allen fünf Kampftagen an Todten 6 Mann, an Verwundeten 4 Offiziere und 34 Mann. Nach diefer entscheidenden Niederlage der Aufrührer beruhigte fich die garze Bevölkerung in Namangan und seiner Umgegend und unterwarf fich der . russishen Gewalt. Unsere Truppen bezogen in den unversehrt gebliebenen massiven Gebäuden der Stadt Winter-

uartiere und rihteten sich nach Möglichkeit bequem in denselben ein.

ie Verbindung mit Chodshent wird, wie bisher, durch gelegentliche Tranéporte unterhalten Gleichzeitig dauert auch in Kokand die Anarcie fort. Eine Bande von ca. 2000 Mann hatte si einen Tagesmarsch von der von uns beseßten Festung Machram gesammelt, wurde aber von dem Kommandanten der Festung, Major Rodsjanko, geschlagen, der mit einem Theil der Garnison zur Offensive vorgegan- gen war.

Amerika. Brasilien. Aus Rio de Janeiro wird unterm 24. d. telegraphirt: „Das „Diario Dficial“ erklärt mit Bezug- nahme auf die jüngste Meldung aus Rom, daß der Bischof von Olinda dem Vatikan gewisse kirhlihe Fragen zur Entschei- dung unterbreitet hätte, daß der Bischof von der brafilianischen Regierung mit keiner Mission, selbst|t nicht einmal einer offizióse: Natur betraut sei,“

Afrika. Aegypten. Kairo, 26. November. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten if ein von einem Oberst befchligtes Détahement ägyptischer Truppen von den Abessiniern überfallen und nach einem an 12 Stunden dauernden Kampfe faft vollständig aufgerieben worden, Die Abessinier hatten gleihfalls schr große Verluste. Der Kauf- preis von 100 Millionen Frcs., den der Khedive für die von ihm an die englishe Regierung verkauften ca. 177,000 Stüdck Suezkanal-Aktien erhält, ist zur Bezahlung derjenigen Be- träge der ägyptißchen {webenden Schuld bestimmt, die im nächsten Monat und im Januar k. I. rückzahlbar find. Uebrigens ift, wie es heißt, eine nur 5 prozentige (nicht 7 pro- gentige) Verzinsung garantirt; dieselbe soll jedoch 19 Jahre (nicht blos 11 Jahre) dauern.

Australien. Aus Sydne y wird unterm 16. d. die da- \elbstt am gedachten Tage erfolgte Eröffnung des Parlaments von Neu-Süd-Wales gemeldet.

Nr. 48 d8 „Central-Blatts für das Deutsche Reih“, herausgegeben im Reichskanzler-Amt, hat folgenden Jnhalt : Allge- meine Verwaltungssachen: Verweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Finanzwesen: Goldankauf der Preußischen Bank;

Nachweisung der Einnahmen "an Zöllen und gemeinschaftlichen Steuern, sowie anderer Einnahmen im Deutschen -Reiche für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats Oktober 1875. Münzwesen : Uebersichten der in den deutschen Münzstätten bis zum 13. und bis zum 20. November 1875 stattgehabten Ausprägungen von Reichsmaünzen. Zoll- und Steuerwesen: Bundesrathsbeslüfse, betreffend Denaturirung des Salzes mit Schwefelsäure; QDena- tufirung des Salzes mit Kienöl; Minimalbetrag bei Erhebung von Zoll- und Steuergefällen; Uebergangsabgabe und Auéfuhrver- gütung von Branntwein in Hohenzollern; Kompetenz eines Zollamts. Marine und Schiffahrt: Justruktion zur Strandungsordnung. Postwesen: Bekanntmachungen, betreffend: Versendung offener Karten : Eröffnung der Eisenb2hn Chemnißz-Aue-Adorf in Sachsen; Eröffaung der Eisenbahn Grauhof-Lautenthal; Drucffachen, denen kleine Muster zur Erläuterung des Tertes beigefügt find. Tele- graphenwesen: Worttarif für Telegramme nach Nord-Amerika. Konsulatwesen: Ernennungen 2c. Personalveränderungen 2c.: Ernenuung.

Nr. 36 des „Amtsblatts dez Deutschen ReiGs- Telegraphen-Verwaltung“ hat folgenden Jnhalt : Bescheidung vom 20. November 1875. Verfügung der Kaiserlichen General- Direktion der Telegraphen vom 20 November 1875 an sämmtliche Kaiserliche Telegraphen-Direktionen, die Zerstörung des Poldrahtnietes

an den Bleiplatten der Meidingerschen Elemente betreffend.

E __ Statistische Nachrichten.

Die Sozialdemokratie hat in Deutschland ca, 20 Zei- tungen, in Italien 2, in. Portugal 1, in Frankreih und England eine größere Anzahl, in Serbien 1. Außerdem werden in der Schweiz E Zeitungen in russisher Sprache gedruckt, wclche demselben Zweck

ienen,

Die Zahl der Feuersbrünste in Rußland im Ofkto- ber beträgt nah dem „Reg.-Anz,“ in 72 Gouvernements 2964; der verursahte Schaden ist mit Ausnahme von 279 noch -nicht taxirten Fällen auf 4,706,318 Rbl. berechnet worden.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

__Im Verlage von Julius Springer in Berlin erscheint gegen- wärtig eine neue Ausgabe der „Erzählungen von Jeremias Gotthelf“ (A. Bigius), von der uns, besorgt von dem b. kannten Volksfchriftfteller Ferdinand Schmidt, die ersten drei Vände, geschmackvoll gebunden, vorliegen. Dieselben enthalten 18 jener natur- wühsigen herzigen Erzählungen, welhe dem Verfasser den Beinamen eShakespeare des Voikslebens* eingebraht haben. Die neue Ausgabe ist namentlich darum empfehlenswerth und wird daher dem Dichter auch in Kreisen Eingang verschaffen, denen er biêher fremd geblieben, weil fie jene Bemerkungen auégeschieden hat, die vielfach der Politiker Bitius seinen Erzählungen und Gemälden eingefügt. hat und die sih auf zeitige Parteikämpfe bezogen. Jedenfalls hatten sie für Leser, die außerhalb des kleinen \chweizerishen Staat&wesens stehen, für welches sie berechnet waren, kein Jnterefse, ja, weniger noch als dies: sie ershwerten das Verständuiß und trübten den Glanz der Ge- mälde, fie führten eben zu dem Ergebniß, daß iy den großen Kreisen I Gotthelf noch durchaus niht nach Verdienst gewürdigt wurde.

Im Verlage der Luchardtshen Buchhandlung (Fr. Luck- hardt) Berlin und Leipzig ist bereits im 6. Jahrgange der Deutsche Reih3-Post- und Telegraphen-Kalender für das Jahr 1876 erschienen. Derselbe, bearbeitet von Gustav Llide- mann, Postmeifter, enthält in seinem ersten als Notizbuch gebundenen und ausgestatteten Theile außer einem Uebersichtékalender Formulare zu Verzeichnissen der ankommenden und abgehenden Posten und Eisen- bahnzüge, zu Reise-Aufzeihnungen, zu Aufzeihnungen über die bei der Ober-Pof:kafse hinterlegte Kaution u. f. w., zu Verwerken aus den General- und Bezirksverfügungen, aus den Amtsblättern u. f. w., Verzeia nisse der Bezeichnungen, welhe im postdierftlihen Verkehr an Stelle bisher gebräuchliher Fremdwörter 2c. anzuwenden sind, fo wie der zulässigen Abkürzungen der Ortônamen im inneren Betriebe der Postanstalten, ferner Termintafeln für Poftanstalten und Tele- graphenstationen und den üblichen Termin- und Merk-Kalender, Der zweite brochirte Theil bildet ein werthvolles postalishes Hülfs- buch, das in gedrängtec Kürze die wissex8werthesten und gebräuch- listen dienstlichen Formulare und Bestimmungen enthält.

Das Archiv der Stadt Lüneburg enthält bekanntlih mit seinen mehr als 6090 Original-Urkunden eine der reichhaltigsten Urkundensammlungen in ganz Deutschland. Auf Grund desselben hat der historishe Verein für Niedersahsen 2 Bände Tfines Lüne - burger Urkukdenbuches, die bis zum Jahre 1388 reichen, berausgegeben, und zwei weitere Bände find von Dr. Volger zum ODruck bereits vorbereitet. Die leßteren reihen bis zum 30 jährigen Kriege. Diese Lüneburger Urkunden haben keineswegs eine blos kom- munale, sondern eine weit darüber hinausgehende allgemein historische Bedeutung und liefern dem Geschichtsforscher manches werthvolle Material. Die historishe Bedeutung der Urkunden beruht einmal auf der unabhängigen Stellung, welche die Stadt Lüneburg einnahm, theils auf ihrer Angehörigfkeit zum Hansabunde, in welchem sie ein angeschenes Glied bildete. :

-- Die Nummern 90—94 der „Wissenschaftlihen Beilage der Leipziger Zeitung* enthalten folgende größere Aufsäße: Zur Geschichte des Königlich sächsishen Kadetten-Corps. Musika- lische Zustände in Leipzig. Das neueste Shakespeare-Jahrbuh. Tae Reformatocen. Zur Erinnerung an Friedrich Ladwig

midt.

Aus Düsseldorf, 25. November, wird der „Köln. Ztg.“ ge- \{rieben: Um 22. November entdeckte Hr. Direktor Palisa inPola

wiederum im Sternbilde des Widders noch einen Planeten zwölfter Größe, dessen Ort so angegeben ist : P , mitilere Zeit Pola Rectaëcenfion nördliche Deklination 22. Nov. 12 Uhr 0 Min, 2 Uhr 54 Min. 20S. #19 Grad 37‘ Durch diesen 10. in Oesterreich entdeckten Planeten wird die Anzahl der bekannten kleinen Planeten auf 156 gebracht, von welchen 16 im gegenwärtigen Jahre und 107 in Europa entdeckt sind.

Land- und Forstwirthschaft.

Der deutshe Landwirthschaftsrath hat, da die Berathung der Arbeiterfrage im Plenum noch nicht genügend vorbereitet war, eine ständige Kommisficn gewählt, welche diese Frage bearbeiten und besprechen soll, um dem deutschen Landwirthschaftsrath mögliößft in seiner nächsten Session die erforderlihen Materialien und Anträge zu Beschlüssen vorzulegen. Die Kommission besteht äus solchen Män- nern, welche ih hon sonst mit der Arbeiterfrage beschäftigt haben. Es sind der Oekonomie-Rath Griepenkerl-Braunshweig, welcher den Vorfiß hat, v. Saucken- Tar putshen, Scipio-Mannh-eim, Profeffor Richter-Tharaxd, Papst-Buragstall, Pogge-Roggow, Direktor Dr. v. Rau-Hohenheim, v. Wedell-Vehlingsdorff und v. Ow-Wachendcrf. Zunächst ift die Kommission daran gegangen, einen bestimmten Plan für ihre Arbeiten zuc besseren Förderung derselben aufzustellen.

Gewerbe und Handel.

Die Bestrebungen, welckche seit längerer Zeit für die Fusion dreier größerer hiesiger Bank-Justitute (Deutsche Union-Bank, Ber- liner Bankverein und Deutsche Bank) ins Werk geseßt find, haben insofern ein Resultat’ gehabt, als für den Berliner Bankverein eine außerordentlihe Generalversammlung behufs Beschlußfassung über die Liquidation nah Maßgabe sener Absicht der Fusion bereits eins beruf-n ist, In den nächsten Tagen steht nunmehr auch einer Sißung des Verwaltungsrathes der Deutschen Unionbank in Aussicht, um Beschlüsse in derselben Angelegenheit über Liquidation und Ein- berufung einer außerordentliczen Generalversammlung zu fassen.

Pojen, 26, November. (W, T. B.) Jn einer heute von De- legirten aller landwirthschaftlihen Kreisvereine und aller Handels- kammern der Regierungsbezirke Bromberg und Posen hier abgehal- tenen Versammlung wurde eine Resolution des Inhalts ange- nommen, daß die unveränderte Auéführung der Bestimmungen des Zolltarifgeseßes Über Aufhebung der Eisen- und Maswinen- zôlle im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt des Vaterlandes un- abweisbar sei. Zugleih wurde beschlossen, in diejem Sinne bei dem Reichstage und bei dem preußischen Staat3-Minifterium verstellig zu werden.

Cöln, 26. Novemker. (W. T. B.) Jn dem Gründung 8- prozesse gegen den Gencralfonsul Philipp Overlack und Ge- nossen wurde h-:ute das Urtheil gesprohen. Overlack wurde zu einem Jahr Gefängniß und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf 2 Jahre verurtheilt. Der Baumeister Gaenz wurde zu 3 Mo- naten Gefänguiß verurtheilt.

Die Vilanz der Norddeutshen Schiffbau-Aktien- Gesellshaft zu Gaarden bei Kiel weist, nachdem ‘ämmtliche angeliehene Kapitalien mit rot. 92,009 Æ verzinst, für Entwerthung ter Werft und Geräthe eine Abichreibung von rot. 34,00) #. vor- genommen, außerdem zur Ausgleihung von Verlusten und s{chweben- den Differenzen ferner 26,900 H. verwendet worden sind, einem Rein- gewinn von 142,172 M. oder 12,4 % des Aktienkapitals auf. Eine Gewinnvertbeilung hat nicht stattfinden können, da aus den Vorjahren noch ein Verlust von 789,227 Æ in Rechnung besteht. Derselbe ift um den Gewinn von 142,141 4 vermindert worden, und beträgt dér Berlust nun noch 647,055 H.

Hamburg, 26. November, (W. T. B.) Die heutige außer- ordenilihe Generalversammlung der Aktionäre der Deutschen Transailantishen Dampfshiffahrtsgesellshaft nahm einen fehr stürmischen Verlauf. Da viele Aktionäre vor Schluß der Versammlung das Sißungsl!okal verließen, konnte bis {eßt noch nicht festgestellt, werden, ob die Abstimmung über die Liquidation der Ge- sellihaft und die Wahl einer Liquidationskommission perfekt gewor- den ift. Voraussichtlich dürfte einz anderweite Generalversammlung anberaumt werden ;

In der Generalversammlung der Rybinsk-Bologoje- Eisenbahn-Gesellshaft wurde nah Verlesung des Berichts der Verwaltung zur Abstimmung über die vrrliegenden Fragen und zur Wahl der Revisions-Kommission behufs Revision der Bücher, dec Kasse und der Abrechnung über die Exploitation der Rybinsk- Bologoje-Eisenbahn im Jahre 1875 geschritten. Das Budget der Einnahmen und Ausgaben für die Exploitation der Rybinsk-Bologoje- Eisenbahn im Jahre 1876 wurde bestätigt. Der Antrag der Ver- waltung auf Anweisung einer Summe von 50,000 Rbl. S zu über- etatémäßigen Ausgaben in Jahre 1876 wurde angenommen. Nach Wahl der Revisions-Kommisjsion sprach die Genexalversammlung auf den Antrag eines der Aktionäre einstimmig den Wunsch aus, daß die Revisions-Kommission auf Grundlage des -§. 36 des Statuts nicht nur eine Revision der Bücher, der Kasse und dcr Abrechnung, sondern eine materielle Revision der ganzen Linie vornehmen möge.

Verkehrs-Anstalten.

Die Nr. 93 der „Z-itung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwalt ungen“, Organ des Vereins, hat folgenden VSnhalt: Verein Deutscher Eiseubahn-Verwaltungen: Chemniß-Aue- Adorfer Eisenbahn, Chemniß-Aue und Schöneck Adorf eröffnet , Niederschlesisch-Märkishe Eisenbahn; Haltestelle Friedrichsberg der Berliner Verbindungsbahn. Zur Vereinfahung des Güter-Erpedi- tionsdienstes, Englische Korrespondenz. Verein Deu'scher Eisenbahn- Verwaltungen: Zum Frachtbrief-Formular; Magdeburg: Halberstädter Eisenbahn, Bahobauten im November 1875; Pfälzische Eisenbahnen ; R Eröffnung der. Landau-Zweibrücker Bahn. Berliner

riefe 2c.

Berlin, 27. November.

Am Dienstag fand in der Eisengießerei von Gladebeck iu Gegenwart mehrerer Magistratsmitglieder der Guß der Btonze- statue Sr. Majestät des Kaisers statt, welhe, vom Bildhauer Keil modellirt, als Geschenk des Skadtverordneten Ebeling am Hauptportal des Rathhauses aufgestellt werden soll. Der Guß ist, wie es scheint, wohlgelungen.

Vor 200 Jahren am 21. November 1675 starb, wie das „Liegn. Stadtblatt“ \{reibt, der Herzog Georg Wilheim, der leßte Piast, im Alter von 15 Jahren. In ihm erlosch ein Fürstengeschleht, das 900 Jahre geblüht, Polen 24 Könige, Schlesien 123 Herzöge, der Kirche 6 Erzbischöfe und Bischöfe und einem großen Theile des öst- lihen Europa Religion und Kultur gebracht hatte.

Aus Dömitz a. d. Elbe verlautet vom 22. d., daß drei Del- phíne bis dorthin aus der See heraufgekommen waren, von denen einer durch Kugeln erlegt wurde. Die beiden andern find elbabwärts eutkommen. .

Das Programm der Rennen zu Nizza im Januar wird ein Nee Armee-Jagdrennen enthalten, welches auf erwenden von Offizieren der französishen Armee, in Erwiderung der zu Baden-Baden mit dem Armee-Steeple-Chase gebotenen Gast- freundshaft im Sport, ganz ausdrücklich den Offizieren der deutschen Armce eröffnet wird, nachdem ein Repräsentant der Pariser Gar- uison mit dem Redacteur des „Sporn“ über die Bedingungen dieses Rennens eine Unterredung gepflogen hatte. Der Preis für das Steeple - Chase ist auf 5009 Francs feftgeseßt und ofen für alle vom Staate (Remonte- oder Ankaufs- Kommisfion)“ angekauften Chargen - Pferde (Nicht - Bollblut), im aftiven Dienst oder als ausgedient im Besiß aktiver Offiziere des Heercs befindlich, zu reiten von Offizieren, die in der Rang- urd Quartierkiste aufgeführt find. Gewichtsbestimmungen sind vorläufig noch nit vereinbart, doch sollen frühere Sicger mit einem

die Distanz wird von dem Rénnvorstande zu Nizza bestimmt werden. Der Kriegs-Minister, General de Cissey, hat den an dem Rennen theilnehmenden französischen Offizieren es ausdrücklich gewährt, um den Geldpreis von 5000 Fres. konkurriren zu dürfen,

Die „A. A. C.“ berichtet aus London vom 25. November: An der Küste von Fifeshire herrshte heute die größte Aufregung. Jn dem fürchterlihen Sturme, der daselbst vor einigen Tagen wüthete, haben 16 Fischer aus der Umgegend ihr Leben verloren. Zwei andere Boote, von denen jedes eine Mannschaft von 7 Personen hatte, werden vermißt und man glaubt, daß sie mit Mann und Maus untergegangen find. -

Nach über New-York, 26. November, eingegangenen Nach- richten follen bei den Magdaleneninseln (in British-Nord- Amerika) 6 Sciffe Schiffbruch erlitten haben und von den 62 auf “dne befindlich gewesenen Personen nur 17 gerettet wor- den sein.

Bei dem Brande von Virginia City, Nevada, am 26. und 27. Oktober erlitten, der San Francisco „Abend-Post* zufolge, auch 43 deut\che Bewohner oder Firmen einen sih auf 1,042,500 Dollars beziffernden Verlust, während die Versicherung derselben nur ca, 300,000 Dollars betragen soll.

Theater.

Fr. Mallinger wird am 1. Dezember ihren diesjährigen foutraftlichen Urlaub antreten und ers am 15. Januar ihre künft- ierishe Thätigkeit hier wieder aufnehmen. Aus diesem Grunde kann auch eine Aufführung der „Meistersinger“imKöniglichen Oper n- hause bis dahin nicht mehr statifinden. Fl, Brandt wird in den erften Tagen des Dezember dreimal in Frankfurt a. M. gastiren, am Tage vor ihrer Abreise abec noch in den „Makkabäern“, und

Saison in Scene gehen, dann folgt „Tristan und Jsolde“, und am S@&lusse der Saison „Die bezähmte Widerspenstige". Das Gastspiel der Hrn. Klein und Link vom Stadttheater zu Leipzig hat zum Engagement am Königlichen Schauspiel- hause geführt. Hr. Klein wird am Sonntag noch einmal den Wallenstein, Hr. Link in nächster Woche den Badekommissär Sittig in „Bürgerlich und romantisch“" spielen.

Frl. v. Csevycsanyi, von Wien zurückgekehrt und wieder in den Verband des Friedrih-Wilhelmftädtishen Theaters eingetreten, wurde bei ihrem ersten Auftreten fceundlich begrüßt und errang sich in der „Fledermaus“ und „Mamsell Angot“ wieder den früheren Beifall. :

Das mit außerordentlihem Erfolge begonnene Gastspiel der Kaiserlich Königlichen Hofshauspielerin Frl. Bog- när aus Wien bereichert das Repertoire des Residenztheaters morgen mit dem Lustspiel „Die Eine weint, die Andere lacht“. Eine weitere Glanzrolle der Künstlerin „Adrienne Le- couvreur“ ist für nächste Woche in Ausficht genommen.

Im Wallnertheater wird am nächsten Mittwoh das neue fünfaktige historische Lustspiel von Otto Girndt „Drei Buchstaben" zum erften Male in Scene geben. Die Hauptrollen befinden sich in Händen der Damen Carlsen, Bredow, Arndt nnd der Hrn. Lebrun, Kurz, Keller, Kadelburg, Blencke und Schmidt.

Zum Besten des Friedrih-Werdershen Bezirks- Kindergarten findet heute eine Wohlthätigkeitsvorstellung im Stadttheater statt und hat Hr. Direktor Müller hierzu die 3, Aufführung des mit so großem Beifall aufgenommenen Lustspiels von Benedix, „Der Steckbrief oder die drei Staat3verräther“, bestimmt.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel).

Fünf Beilagen

Berlin:

Druck W. Elsner.

Tags nach ihrer Rückehr schon wieder in „Aida“ auftreten. Die

Extragewicht bedacht werden. Die Strecke mit den Hindernissen und

Oper „Das goldene Kreuz“ soll zuerst von den Neuheiten der

(einshliezlich Börsen-Beilage).

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Köuig

Berlin, Sonnabend, den 27. November

2 280. Ni&tamtliches.

Deutsches Neich

Prenßen. Berlin, 27. November. Die bereits er- wähnte Denkschrift, welhe der außerordentlichen Ge- nerals\yn ode Seitens des Evangelischen Ober-Kirchenraths über- reiht worden ist, hat folgenden Wortlaut :

Dent Gris des Evangelischen Ober-Kirchenraths, betreffend die Ressortverhältn isse der Kirhen- und Staats- behörden. (Zu §. 38 des Entwurfs der General- Synodalordnung.)

In §8. 38 des der auperordentlihen Generalsynode vorliegeuden Entwurfs der General-Synodalordnung wird für die staatliche Anord- nung der Vorbchalt ausgesprochen, mit dem Eintritt der vollstän- digen Syuodalordnung in kirchen- und landesgeseßlide Wirksamkeit die bisherig:n kirchlichen Ressorts der Staats- und Kirchenbehörden neu zu regeln.

Daß zu dieser Regelung in dem angegebenen Zeitpunkt geschritten wird, eracten wir für unumgänglich geboten. Die bisherige Scheidung, wonach die kirhlihen Augelegenheiten, je nachdem sie als äußerlicher oder innerlicher Natur bezeichnet wurden, der allgemeinen Staatsver- waltungsbebörde oder der Kirhenbehörde zur Bchakdlung zustanden, hat schon seit längerer Zeit sowohl von den Provinzialfonsistorien als auz in den westlihen Provinzen von den dort bestehenden Provinzial- Synoden lebhafte Beschwerden hervorgerufen. Sie ift an si unhalt- bar, weil die Organisation eines Gemeinwesens ihrem Wesen nah beide Kategorien von Angelegenheiten umfaßt, also eine Scheidung beider das 1m lebendigen Zusammenhange Verbundene von einander trennt und von einem Hineingreifen der Organe der sogenannten Externa in die Verwaltung der Jnterna nothwendig begleitet ift. Sie ist aber am wenigsten der Aufrechterhaltung fähig, wenn den neu organisirten Kreis-Provinzial- und Generalsynoden in der Mit- wirkung bei der firchlihen Geseßgebung, in der Einwirkung auf die firhlihe Verwaltung eine Stellung gegeben wird, die als den anderen Faftor der Geseßgebung uud als das Organ der kirhlihen Verwal- tung die kirchlichen Regimentsbehörden und über ihnen den Landes- herrn als Träger des Kirchenregiments vorauéseßt.

Indessen cine Aenderung hierin kann nur vou Seiten der Staats- geseßgebung eingeleitet werden. Die Provinzialregierungen, welche die Aufsichtsinstanz für die kirhlichen Externa bilden, sind auss{ließlich Staaté behörden, und selbst die Konsistorien, obschon sie ihrer Bestim- munz nach evangelische Kirchenbehörden sind (Instruktion vom 1. Of- tober 1847 Einl.), finden in den unter staatlicher Sanktion erschiene- nen Ressortverordnungen die Grundlage ihrer Exiftenz uud Absgren- zung ihres Wirkungskreiscs, in den ihnen zufließenden Staatsfonds die außeren Mittel ihres Bestchens. | i L

In Folge dessen war es unausführbar, in die als Kirchengeseß entworfene General-Synodalorduung hierher Ee Anordnungen oder auch nur Zusicherungen aufzunehmen. agegen scheint es dringend nahe gelegt, daß die außerordentlihe Generalsynode diejen zum Abschluß des Verfassungêwerks gehörigen Gegenstand nicht außer Acht läßt. Die Beschlüsse, welhe aus ihren darüber zu pflegenden Verhandlungen hervorgehen, werden allerdings nur die Gestalt von Anträgen an die Staatsregierung behufs Durchführung des §. 38 der General-Synodalordnung annehmen können, aber auch in diejer Form sehr werthvoll fein, iadem sie zum Ausdruck bringen, welche Zielpunkte und welche Grenzen dec Umgestaltung firhliherseits als die nothwendigen erkannt werden. S ; E,

Um bierbei der außerordentlihen Generalsynode unsererseits för- derlih zu sein, schen wir dur die gegenwärtige Denkschrift in eine nähere Erêrterung der Frage ein, L L

weiche Umgestaltung in dem bisherigen Verhältniß des fkirchlichen Ressorts zwischen den Staats- und Kirchenbehörden in Folge des JInkcafttretens der General-Synodalordnung erforderlih wird.

Die zur Zeit bestehenden Ressortbeftimmuugen ergeben sich hin- sitlich der Provinzialkonsistorien aus der Dienstinstruktion vom 23. Oktober 1817, G. S. S. 237, der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 31. Dezember 1825, betreffend eine Abänderung in der bisherigen Organisation der Provinzialverwaltungsbehörden sub Litt. B., G. S.

1826 S. 5, aus der Verordnung vom 27. Juni 1845, betreffend die

Ressortvert: ältnisse der Provinzialbehöcden für das evangelische Kirchen- wesen, G. S. S. 440, und der dazu ergangenen ministeriellen Jn- struktion vom 1. Oktober 1847, Minist.-Bl. für die innere Verwal- tung 1847 S. 278. Hirsichtlih des Evangelischen Ober-Kirchenraths * i das durch Allerhöchsten Erlaß vom 29. Juni 1850 publizirte Ressortreglement G. S. S. 343 maßgebend, welches mit den dazu ergangenen Nachtragsbestimmungen zusammengestellt als Aulage bei- efügt ift. M Dies vorausgeschickt, bemerken wir über die für die Reorgani- sation in Betracht fommenden Punkte im Einzelnen Folgendes: 1. Verwaltung und Leitung der kirchlichen Angelegen- heiten überhaupt. S Schon die vorgedachte Instruktion vom 1. Oktober 1847 spricht den Grundsaß aus, daß der Aufficht und Leitung der Konsistorien die Gesammtheit der evangelishen Kircenargelegenheiten anvcrtraut wird, soweit nit durch besondere Bestimmung einzelne Gegenstände und Angelegenheiten zu dem Geschästekreise der Regierungen gewiesen sind. Da auch künftig noch, freilich in viel beschränkterem Maße, firhlihe Angelegenheiten der Behandlung durch die Landesverwal- tungsbehörden zuzuweisen sind, daß gewisse Angelegenheiten der ge- meinschaftlicchen Erledigung durch die Kirchen- und Staatsbehörden anheimfallen wüssen, daß endlih für cine Anzahl von Verwaltungs- geschäften die Forderung einer staatlichen Kognition in Geftalt der Vorschrift, daß eine staatliche Genehmigung dazu einzuholen ist, er- wartet werden muß, dies Alles wicd im Folgenden näher erörtert werden. An das jetzt zn erstrebende ger, ist aber jedenfalls zunächst die Forderung zu stellen, daß es den Fundamertalgrundjaß ans)pricht : i „Die Verwaltung uvd Leitung der Angelegenheiten der Evange- lischen Landeskirh»-, soweit solche bisher von den Staatsbehörden geübt ist, geht auf die kirhenregimentlihen Behörden Über.“

1ï, Ferneres kirchlihes Ressort der Staatêbehörden. Für die dauernde Zuständigkeit der Staatsbehörden in den firch- liGen Angelegenheiten sind folgende Punkte herauszuheben : 1) Die Anordnung und Vollftreckung der zur Aufrechthaltung

der äußeren kirhlihen Ordnung erforderlichen polizeilichen Vorschriften. Die Instruktion vom 1. Oktober 1847 sub 1]. Nr. 4 bemerkt er- läuternd, daß hiezu incbesondere die Erlässe gehören wegen Heilig- haltung der Sonn- und Festtage; es würden aber dahin die polizei- lihen Funftionen zum Schuß der für die gottesdienstlichen Handlun- gen erforderlihen äußeren Ordnung überhaupt zu renen sein. 2) Die Regulirung des Interimistikums in streitigen Kiren-, farr- und Küsterbausachen, sowie die Vollftreckung der interimistischen Satscheidung. N , je firhlihe Verwaltung kann in diesen Bausachen eine Ent- scheidung, welhec die Vollftreckbarkeit im Zwangswege zur Seite \tcht, nicht treffen. Daß aber überhaupt im Verwaltungswege eine solche interimistishe Entscheidung beshafffl und zur Vollstreckung gebracht werden kann, liegt im dringendsten fkirchlihen Interesse. Uever die Frage, ob und wie ein kirchlicher Bau vorzunehmen sei,

Erste Beilage

lichen Ober- Tribunals vom 24. Oftober 1862, Min. Bl. f. d. | i. Verw. 1863 S. 65), dagegen steht derselbe über die Fragen, welche die Aufbringuag und Vertheilung der Baukosten betreffen, un- eingeschränkt offen. Es liegt vor Augen, daß, wenn dem Rechtt- verfahren mit feinem entwickelten Jnstanzenzuge nicht eine vorläusig

ordnuxg8mäßige Durchführung kirchlicher Bauten in der äußersteu Weise würde gefährdet werden. i i 3) Die Beitreibung fkirhliher Abgaben. Ein Exekutionsrecht dens die Kirche nicht, kann es auch nit erwerben wellen. Sie be- darf daber für die Einziehung der nicht gutwillig gezahlten kirchlichen Abgaben der vóöllftreckenden Hand des Staats 4) Die Aufsicht über die Kirchenbücher, soweit dieselben noch als Standesregister gelten. . Bis zum 1. Oktober 1874 haben die Kirhenbücher die Geltun als Standesregister behalten; die Aufsicht Über dieselben (IT. Nr der Instruktion vom 1, Oktober 1847) wird daher für dieselbe Zeit den Regierungsbehörden zu konserviren sein. : ; | Sn dem Geseß vom 20. Juni 1875 über die Vermögensverwal- tung in den katholi!chen Kirchengemeinden, G. S. S. 241, ift unter §. 51 auerkannt, daß der Kirchenvorstand zur Führung von Prozessen keiner Ermäcbtiigung bedarf, wie ein Gleiches für die vormundschaftliche Ver- waltung aus dem Gese vom 5. Juli 1875, G. S. S. 431, sich ergiebt. Dagegen ift in erstgenanutem Geseß den Staatébehörden die Auëéstellung von Attesten über die Legitimation kirlicher Vertreter zur Besorgung von Recktsangelegcnheiten, desgleichen über das Vorhandensein der- jenigen Thatsachen, w-lche die Kostenfreiheit begründen, _ausdrüdcklich Überwiesen. Daß für die Evangelische Kirche eine gleiche Bestim- mung sich eiguet, läßt sh bei Beachtung der Art und Weise, wie in Di die- einshlagenden Rechtsverhältnisse geordnet sind, schwerlih be- aupten. i Was zunächst die Feststellung der Legitimation des Gemeinde- firdenraths zu einzelnen Geschäften anlangt, worüber namentli bei Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Frage entftehen kann, fo ergiebt 8. 22 der Kirchengemeindeordnung, welcher dur das Staatsgeseß vom 25. Mai 1874 auch für das ftaatliche Rechtsgebiet in volle Wirksamkeit getreteu ist, daß der Gemeindekirhenrath in ver- mögensrehtliher Beziehung die Gemeinde nah Außen vertritt, und daß seine \{riftiliche W'lleaserklärung, versehen mit dem beigedruckten Kirchensiegel, sowie mit der Unterschrift des Vorsißenden oder seines Stellvertreters und zweier Aeltesten die Gemeinde unbedingt ver- pflichtet. Hienach kann die Legitimation des Gemeindekirhenraths zu vermögensrechtlihen Erklärungen für die Gemeinde nicht in Zweifel gezogen werden. Dagegen bleibt die Frage zuläfsig, ob diejenigen Perjonen, welche eine Urkunde vollzogen haben, die Eigenschaft des Vor sißenden oder der Mitglieder des Gemeindekirhenraths befißen und das beigedruckte Siegel das Kirchensiegel ist. Hierüber ein Attest auszustellen, sind aus eigener ÎInfermation nur die vorgeseßten Kirhenhehörden im Stande; die staatliche Aufsichtsbehörde nimmt von der regelmäßigen Bildung der Gemeindeorgane keine Kenntniß und kann daher aus eigenèr amtlicher Wissenschaft nicht attestiren, ob gewisse Personen Borsißender oder Mitglied eines Gemeindekixchenraths sind; sie vermag es nur auf Grund der von den Kirchenbehörden zu liefernden Auskunft. Aehnlich steht es mit Attesten hinsichtlich der Kostenfreiheit. Das Geseß vom 10. Mai 1851, G. S. S. 622, gewährt in § 4 Nr. 4 den Kirchen, Pfarreien, Vikarien und Küftereien die Befreiung von Zahs- lung der Gerichtäfosten insoweit, als . die Einnahmen derselben die etatêmäßige Ausgabe einschließlih der Besoldung oder des statt dieser überlassenen Ni-ßbrauchs nicht überstéigen und dieses durch ein Attest der denselben vorgeseßten Behörden oder Oberen bescheinigt wird. Es ist flar, daß die Ausftellung dieser Atteste den Regierungen gebührte, so lange diese die Aufsichtsinstanz für die kirchliche Vermögensverwal- tung bildétenz; wenn diefe Stellung jeßt auf die Konfsistorien übergeht und die Regierungen überhaupt nicht mehr als firliche Behörden fungiren, so scheint es nur dem Geseße vom 10. Mai 1851 ent- sprechend, daß jenen hinfort auch die Ausstellung der qu. Atteste zu- stehen muß. j i Es wird daher für ein Geseß in Betreff der evangelischen Kirche hinsichtli dieser beiden zuleßt be1prochenen Punfte ein Vorschlag nicht aufzunehmen sein. IIL, Zusammenwirken der Kirchen- und Staatsbehörden. Der gemeinschaftlichen Verfügung der Staats- und der Kirchen- behörden bedarf es für die Veränderung bestehender sowie die Bildung

neuer Pfarrbezirke. waren \chon durch

Die hierauf chon d die Inftruktion vom 1. dem gemeinschaftlichen Geschäftskr.ise der Konsistorien i überwiesen. Die rechtliche Bedeutung der Parochie als Korporation, die Ausdehnung der . Wirkungen, welhe von ihrer Begrün- dung oder Abänderung in Bezug auf die Interessen des Staats, in Bezug auf die Organisation des kirchlichen Dienstes, wie in Bezug auf Rechte und Pflichten der Gemeindeglieder si ergeben, machen es leiht exkennbar, ‘daß der Staat auf eine Mitwirkung bei den hierher gehörigen Maßaahmen nicht verzihtar kann. Es würde ihm auch niht genügen, sie den kirchlihen Behörden zu überweisen, und nur für das erzielte Endresultat seine Gexehmigung vorzubehalten. Denn der Staat hat auc eigene Interessen bei der Bildung von Parochien wahrzunehmen, wie die Rüdcksiht «uf bestehende Schulverhältnifse, auf Verhinderung einer übermäßigen Veanspruchung seiner Angehörigen für Parochialeinrihtungen und Anderes. Dazu kommt, daß die Ein- richtung oder Verändecung der Pfarbezirke von einer Reibhe von Er- mittelungen und Verhandlungen mit den dadurch betroffenen Interes- sentenkreisen abhängig ift; es würde daher {on aus dem praktischen Gesichtépunkt für die fkirhlihe Wrwaltung nicht zweckmäßig sein, wenn diese sollte einseitig alle die of sehr verwickelten Vorbereitungs- verhandlungen durchführen, ohne daggen geschüßt zu sein, daß shließ- lid ein Veto der Staatsbehörde de: Parochialbegründung überhaupt oder in der vorbereiteten Art hinder1d entgegenträte.

IV. Staatliche Genehmigrng zu einzelnen Verwal- tungsaften. t A |

Schon in der landrechtlihen Geseßgébung ist für die redtliche Verbindlichkeit einer Anzahl von Kehtshandlungen aus dem Kreie der kirchlichen Ve: mögensverwaltung. außer der nah Umständen erfor- derlichen Genehm:gung der geistlichm Oberen, eine Genehmigung der Staatsbehörde vorgeschrieben, die auêder allgemeinen Auffia t des Staats auf das Kirchenwesen sich ableitet. Neuerdings sind durch das Geseß vom 90, Juni 1875 G. S. S. 241 d! Geschäfte zusammengestellt, F denen der Staat dieses Recht der Cenehmigung der katholischen Kirche egenüber in Anspruch nimmt. Di! Generalsynode wird nicht umhin önnen, dics zu berücsihtigen und für das Staatsgeseßz, dessen Er- lassen erstrebt wird, diese Punkte nit aufzunehmen. Ein kirhliches Interesse waltet jedenfalls darin ol, daß dieselben zusammengestellt werden, und dadur der Umfang gaau abgegrenzt wird, in welch m diese e R des Staats nah dem Geseß geltend gemacht werden joll. s Ee ;

Eine bestimmte hierher gchörhe Vorschrift enthält hinsichtlich der evangelischen Kirche bereits das Geieß vom 25. Mai 1874, betreffend die Kirchengemeinde- und Synodaladnung in Bezug auf zwei Punkte, Art. 3, Umlagen auf die Gemeindglieder; Art. 9, Feststellung von Gemeindestatuten. / :

Es würde daher eiwa Folgends zu formuliren sein: L

Die Genehmigung der Staatbehörde ift, außer in den Fällen,

Geschäfte Oktober 1847 und Regierungen

bezüglichen

- findet allerdings der Rechtsweg nicht statt (Präjudiz des König-

wo eine solche bereits in dem Gese vom 25. Mai 1874 vorgesehen ist, erforderli ;

lich Preußischeu Slaals-Anzeiger.

vollstreckbare Verwaltungsentscheidung vorangestellt werden kann, die

1875.

1) bi dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Bes lastung von Grundeigenthum; / / j ! 2% bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschicht- lichen, wissenschaftlichen oder Kanstwerth haben ; i : 3) bei Anleihen im Sinne des §. 31 Nr. 3 der Kirchengemeinde- Ordnung; y O

4) bei dem Bau neuer, für den Gottesdienst, die Geistlichen oder andere Kirchendiener bestimmter Gebäude ;*) A G 5) bei der Anlegung oder veränderten Benußung vou Begrähniß-

äßenz /

x u bei der Einführurg oder Veränderung von Stolgebührentaxen;

7) bei der Ausschreibung, Veranstaltung oder Abhaltung von Sammlungen außerhalb der Kirchengebäude ; s

8) bei einer Ve: wendung des kirhlichen Vermögens zu anderen als den bestimmungsmäßigen Zwecken, außerhalb der in §. 31 Nr. 10 der Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 10. September 1873 zugelassenen Grenzen.**) H

9) In Betreff der Schenkungen und leßwilligen Zuwendungen bewendet es bei dem Geseße vom 23. Februar 1870. G. S. S. 118.

V. Allgemeine Staatsaufsicht.

Das Allgemeine Landrecht stellt das Kirchenvermögen unter die Aufsicht der geistlihen Oberen und verpflichtet diese, für die Uater- haltung und zweckmäßige Verwendung desselben nah der Verfassung einer jeden Kirchengesellshaft zu sorgen (IL. 11, 167, 68).

Außerdem unterstellt es das Kirchenvermögen der Oberaufsicht und Direktion des Staats und erklärt diesen für berechtigt, darauf zu sehen, daß die Einkünfte der Kirchen zweckmäßig verwendet werden (das. 8&8. 161, 162). Diese Oberaufsicht, welche gleihmäßig bei allen öffentlichen milden Stiftungen vorgesehen ist (daf. II. 19, 37—39), begreift niht die Ausübung einer regelmäßigen Funktion der Verwal- tung, wie solche der Aufsicht Seitens der geistlichen Oberen eignet, wohl aber das Recht der Obacht darauf, daß das Vermögen in Ueber- einstimmung mit den einschlagenden staatêgeseßlichen Vorschriften sowie seiner Zweckbestimmung gemäß und in ordnungmäßiger Form verwaltet werde. Es folgt daraus, daß der Staat befugt ift, nicht nur alle ihm zur Wahrnehmung dieser Obacht nothwendig scheinen- den Informationen einzuziehen, sondern auch die Abstelluug vorgefun- dener Mißbräuche anzuordnen, nöthigenfalls zwangswei}e durch- zuführen. Jn dem mehrgedahten Geseße vom 20. unt h: Je find diese Rechte des Staats unter § 51 bis 5d zum Ausdruck gebracht, und sie werden auch in einem die evangelishen Kirche be- treffenden Gesetze nicht zurückgestellt werden ; denselben zu widerstreben, hat die evangelische Kirche nach ihrer prinzipiellen wie verfassungs= mäßigen Stellung zum Staate keinen Grund, wenngleih die Gefähr- dung öffentlicher Interessen, welche zur Aufsteüung jener spezialisirten Bestimmungen hinführt, durch die Stellung der evangelischen Kir chen- behörden als Mandatare des Kirchenregiments des Königs ausge- lossen erscheint.

Es dürfte daher für das erwartete Staatsgeseß etwa folgende Formulirung in Aussicht zu nehmen sein: / E

Die staatliche Oberaufsichtsbehörde ist berechtigt, von der firchlihen Vermögensverwaltung Einsicht zu nehmen, zu diesem Behufe die Etats und Rechnungen einzufordern, fowie außerordent- lihe Revisionen vorzunehmen und auf Abstellung der etwa vorgefundenen Geseßzwidrigkeiten, nöthigenfalls durh Anwendung der geseßlichen Zwangêmittel zu dringen.

VI. Das landeshbherrliche Patronat und die regimentlichen Aemter.

Die aus dem landesherrlihen Patronat sich ergebenden ver- mögensrechtlichen Befugnisse werden durch die Staatsbehörden wahr- genommen; ebenso werden die Verpflichtungen aus dem sogenannten fiskalischen Patronatsbaufcnd bestritten, einem Staatsfond, der durch den Staatshaushalts-Etat festgestellt und von der Staatsbehörde, unter deren verfassungsmäßiger Verantwortung, verwaltet wird. Hier- bei wird es bewenden müssen. Die Beseßung der kirhlihen Aemter in landesherrlihem Patronat erfolgt durch die Kirchenbehörden ; jedoch sind diese verpflichtet, vor der Kollation die Aeußerung derjenigen Re- gierung, in deren Bezirk die vakante Stelle liegt, ‘Uber die Person des in Ausficht genommenen Kandidaten einzuholen und deren Ein- \pruch zu beachten (Justr. vom 1, Oktober 1847 sub I. Nr. 5). Auch hierin wird, namentlih mit Rücksicht darauf, daß der Landes- herr die Kirhenregimentsbehörden beseßt, eine Aenderung niht noth» wendig sein, Z : : .

Desgleichen ist bei der Beseßung der kirhenregimentlihen Aemter, für welche die kirchlichen Behörden die Jaitiative, die hinzuzuziehenden Staatsbehörden eine Mitwirkung ausüben, eine Aenderung der Ressort- vorschriften für jeßt und auf so lange niht ausführbar, als man nicht dazu übergehen fann, die in kirhenregimentlihen Aemtern fungirenden Männer ausscließlich als KirGenbeamten hinzustellen; zur Zeit haben fie zugleih die Rechte der Staatsbeamten, und es stehen damit für Besoldung, Peusionsberechtigung, Rangstellung, Disziplinarver- hältnisse derselben wichtige Folgen in Verbindung.

Es würde danach etwa zu formuliren sein:

Die auf dem landesherrlichea Patronat beruhenden vermögens- rechtlichen Befugnisse und Obliegenheiten der Staatsbehörden werden dur gegenwärtiges Geseß nicht berührt. i :

Desgleichen bewendet es in Betreff der Beseßung der kirche lien Aemter landesherrlihen Patronats und der kirhenregiment- lichen Aemter bei den bestehenden Bestimmungen.

VII. Staatsfonds für kirchliche Zwedcke.

Die für die Bedürfnisse der evangelishen Landeskirhe znr Ver- fügnng stehenden Mittel sind mit wenig bedeutenden Ausnahmen Staatsfonds, die theils für diese Kirche allein bewilligt, theils allge» mein für die Bedürfnifse der im Staat vorhandenen Kirchengesell- schaften oder für Kirhe und Schule gemeinsam bestimmt sind und dann nach Verhältniß des Umfanges und Bedürfnisses der evan» geli-chen Landeskirche mit zu Nuße fommen. Als für die leßtere allein bestimmte Fonds siud in dem Staatshaushalts Etat für 1875 ausgeworfen 1,322,283 Æ, eine Summe, welche fich aus den persönlichen und säd.lihen Ausgaben für den Evangelischen Dber- Kirchenrath, die Konsistorien und General-Superintendenten***), sowie aus einer größeren Reihe von Besoldungen und Zuschüssen an Geist- liche si bildet. Außerdem partizipirt die Landeskirche an bedeuten- den Fonds zu Gehaltszulagen für Geistliche, an Fonds zu Unter- stüßungen für deren Hinterbliebene und emeritirte Geistliche, fowie an verschiedeuen kleineren Fonds.

*) So im Geseß vom 20. Juli 1875. Das Allgemeine Land- recht (II. 11, 176) erfordert Staatsgenehmigung nur für die Er- bauung neuer Kirchen. Es wird übrigens wichtig sein, zu konstatiren, daß auf die Wiederersezung bisher vorhandener Gebäude durch Um- oder Neubau mit dieser Bestimmung nicht gerücksichtigt_ ist. Andernfalls würde jeder Wiederaufbau von Kirchen- und Dienstge- bäuden, außer dec baupolizeilihen Genehmigung, und außer der etwa durch landesherrliches Patronat begründeten Mitwirkung der Staats- behörde, noch einer besonderen Staatsgenehmigung beduufen.

**) Auf die Benuzung kirhliher Gebäude zu auderen, als den bestimmungsmäßigen Zwecken, wie etwa Kongertauf heungen in den Kirchep, Vermieihen von Räumen im Pfarrhause, ist diese Bestim- mung selbstredend nicht zu beziehen. RaG j

***) Dazu verschiedene Posten an sählichen Ausgaben, zu Reise- kosten, für Hülfsarbeiter 2c., die der Etat in einer Summe für

firhene-

sämmtliche Konsistorien im Staat aufführt,