1876 / 54 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Ges. vom 19. Mai 1873), kann niht von der Frage abhängig sein, ob dur dasselbe die bürgerlichen Ehrenrechte im Sinne des Str. G. B. berührt werden, da überhaupt kein kirh- lihes Sirafmittel auf den Genuß der bürgerlihen Ehrenrehte im Sinne des Str. G. B. Einfluß hat und daher von der An- wendung dieses Kriteriums unmöglih die Rede sein kann; und auch im Abs. 2 des §. 1. cit. kann bei den Strafmitteln „gegen die bürgerlihe Ehe niht an die Bestimmungen des Strafgeseß- bus über die bürgerlichen Ehreurehte und deren Aberkennung gedacht sein. Dagegen müssen die (in der Nichtigkeitsbeshwerde) auf Verlegung der §8. 1 und 4 des Geseyes vom 13. Mai 1873 gegründeten Angriffe für gerechtfertigt erachtet werden. . . Das an fi zulässige Strafmittel der Aus\{ließung aus der Kirchen- gesellschaft kann zu einem unzuläffigen in zwei Fällen werden: entweder durch das Hinzuziehen der Verkehrssperre, dur. welche die excommunicatio major zu einem gegen die bürger- liche Ehre gerichteten Strafmittel im Sinne des 8. 1 Abs. 2 werden kann, oder dur eine nah §. 4 a. a. D. unzulässige Verkündung. Der §. 1 des Geseges vom 13. Mai 1873 verbietet, daß ein unzulässiges Strafmittel angedroht, ver- hängt oder verkündet werde. Im vorliegenden Falle, in welchem nur eine Androhung in Frage i, genügt daher nicht die bloße Androhung der excommunicatio maior, es mußte vielmehr, wenn dieselbe strafbar sein soll, auch festgestellt werden, daß die An- drohunzg eines jener beiden Momente mit umfaßt habe, dur welches die Exfommunikation zu einem unzulässigen Zuchtmittel wird. Die Feststellung der bloßen Absicht des Angeklagten oder des Willens desselben, eines jener Momente eintreten zu lassen, erseßt diese Feststellung niht, weil der Schuß des Gesezes nit gegen die unausgesprochene und niht erkennbar gemachte Absicht der An- wendung eines unzuläffigen Strafmittels gewährt is, die Be- einträhtigung der Rechte des Bedrohten (2 erst dann be- ginnt, wenn aus der Androhung selbs die Unzulässigkeit des angedrohten Strafmittels zu entnehmen ift.“

Der Redacteur N. von Gruszcynski in Posen war wegen öffentliher Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze auf Grund des §. 110 des Str. G. B. von dem Appellations- geriht zu Posen verurtheilt worden. Die: vom Angeklagten da- gegen eingelegte Nichtigkeitsbeshwerde wurde vom Ober-Tri- bunal am 26. Januar d. I. zurückgewiesen, indem dasselbe in seinem Erkenntnisse folgende für die Interpretation des S. 110 des Str. G. B. („Wer öffentlih vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anshlag oder öffentliche Aus- ftellung von Striften oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam

egen Gescze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von

bee Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anord- nungen auffordert, wird mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefänguiß bis zu zwei Jahren bestraft“) wichtige Säge aussprah: „Es i} nicht verftändlih, wenn Angeklagter den S. 110 nur auf solhe Gesege bezogen wissen will, welche generelle Anordnungen enthalten, welche ein bestimmtes positives oder negatives Verhalten vorschreiben, einen bestimmten Ge- ho:sam fordern; denn jedes Geseß ist allgemein verpflih- tend, fordert ein dem Gesetze entsprechendes Verhalten, den Gehorsam gegen das Geseh und diese Kriterien bedürfen daher in Beziehung auf Geseße nicht einer besonderen Prüfung. Ebenso ist es unerheblich, ob die geseßlihe Pflicht, zu deren ungehorsamer Verlezung aufgefordert worden is, nur auf einem Gesegze beruht, oder aus dem Zusammenhange meh- rerer Gesezesbestimmungen herzuleiten ift. Endlicy ist die Prü- fung, ob eine b-stimmte Aeußerung als eine „Aufforderung“ zum Ungehorsam anzusehen sei, wenn sie den Ungehorsam nicht mit aus- drüÆlihen Worten fordert, aus\chließlih Beweisfrage und daßer in dieser Instanz nicht nahzuprüfen; es folgt hieraus von selbst, daß nit jeder Tadel eines Geseges als indirekte Aufforderung zum Ungehorsam dem §. 110 unterliege, vielmehr die Frage, ob der Tadel nur ein solcher sei oder zugleih eine Aufforderung zum Ungehorsam enthalte, der konkreten thatsählihen Prüfung anheim fällt und auf diesem Wege die von dem Angeklagten befürchtete Verwishung der Grenzen der 8§. 110 (betreffend die Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Geseße) und 131 des Str. G. B. (betreffend das Verächtlichmachen von Staats- einrichtungen) vermieden wird.“

Posen, 2. März. Die „Posener Zig.“ \hreibt u. A.: „Bekanntlich hat die kath olische Presse vor 2 Jahren die an- \cheinenden Hoffnungen des Grafen Chambord in Frankreich und des Don Carlos in Spanien in der ausgiebigfien Weise als ein Vorzeichen des Triumphs der katholischen Kirche gefeiert. Jeßt, nahdem die Illufionen in dieser Beziehung gründlih zu Swhanden geworden find, verkünden dieselben Bläiter, daß es im Rathe der Vorsehung beschlossen heine, an die Stelle der monarchischen Ordnungen in Europa republikanishe Ein- rihtungen zu seßen, und gleichzeitig sprehen fie sih dahin aus, daß niemals eine lediglich politishe Einrihtung eine Ordnung Gottes sei und daß der gute Katholik in einer Republik eben so gut wie in einer Monarchie seiner Aufgabe nagehen könne. Der Liberalismus irre sih, wenn er glaube, daß die fatholishe Kirhe und ihre Kinder unbedingte Gegner der vepublifanishen Verfassung seien. Und damit die praktische Nutzanwendung nicht fehle, wird auseinandergeseht, daß die Zu- fiände im Deutschen Reiche niht geeignet seien, die Liebe und das Vertrauen zwischen Fürst und Volk zu stärken. Dieser avis anu lecteur wird jedenfalls verstanden und beherzigt werden, aver gewiß nicht im Sinne und nah den Absichten der ultra- wmontanen Prefse.

Bayern. München, 29. Februar. Der Herzog und die Herzogin von Anhalt find heute Morgens hier ein- getroffen und im Hôtel zu den vier Jahreszeiten abgestiegen, n:o dieselben heute Nachmittag einen Besuch Ihrer Majestät der Æsnigin-Mutter empfingen. Die beiden Prinzen des Herzog- lichen Paares find bekanntlih während des dermaligen Winter- semesters an der hiesigen Hohshule immatrikulirt. Die Hohen Herrschaften werden nächster Tage die Reise nach Italien fort- segen. Auf morgen if} eine Sizung des Staatsrathes aeg in welher Vorlagen für den Landtag berathen wer- den sollen,

Oesterreich-Ungarn. Wien, 1. März. Der Kaiser at den Frhrn. Alfred v. Roth\child in London zum unbe- \so:deten General-Konsul daselbft ernannt.

(W. T. B.) In der heutigen Sihung des Abgeord- retenhauses wurde die Gesehvorlage, betreffend die Fusion der galizishen Bahnen, in dritter Lesung angenommen. So- dann wurde der Gesezentwurf, betreffend die Emission der öfterreihishen Goldrente, mit einem Amendement angenom- wen, wonach die Rententitel auf Gold, Silber und Papier ausgegeben werden können. Jm Laufe“ der Debatte hob der Finanz - Minister hervor, daß die Steuereingänge des Jah-

res 1875 die Voranschläge überschritten hätten und daß die finanziellen Verhältnisse daher nicht so ungünstig lägen, wie man dieselben von Seiten der Rechten des Hauses darzustellen sch bemühte. Der Minifter Unger wandte fih dar- auf gegen die Ausführungen der Rechten und bemerkte, daß die Regierung ihren größten Stolz darin \eße, die bevorsiehenden Verhandlungen zu einem günstigen und gedeihlihen Abschluß zu bringen. Die Regierung habe den festen Willen, die Rechte und das Beste des Staates dabei zu wahren; fie gebe sih der sicheren Hoffnung hin, ihre Absicht zu erreihen. Wenn der gegenwärtigen Regierung von der rechten Seite des Hauses eine gewisse Großmuth ge- zeigt oder angeboten werde, so sei diese Großmuth nicht dem Nicht- wollen, sondern dem Nichtkönnen dieser Partei zu verdanken. Der Minister kennzeichnete die Taktik der Rehten des Hauses als darin bestehend, nur Mißtrauen zwischen der Regierung und ihrer Partei zu säen, und fuhr dann fort: Sollte je das Ministerium die traurige Erfahrung gewinnen, daß es das Ver- trauen der Krone niht mehr besie, oder daß seine Anshauungen nicht mehr mit jenen seiner Partei übereinstimmen, \so werde es nicht säumen, seine Entlassung zu nehmen, ob mit oder ohne Charakter, aber jedenfalls aus Charakter. Es werde dann das Bewußtsein mitnehmen, in \{wi:rigen Zeiten feine Pflicht gethan zu haben und mit gutem Gewissen seinem Nachfolger die Leitung der Geschäfte übergeben zu tönnen. (Lebhafter Beifall.) Im weiteren Verlaufe der Sißung wurde der Geseenuuuri, betreffend die Ertöhung der Staatsgarantie für die Kaschau-Oderberger Bahn, angenommen. Das Haus nahm \chließlich die Dele agten vor.

2. März. (W. T. S.) Das Amtsblatt theilt den Ent- {luß des Kaisers von Desterreih-Ungarn und des Königs von Jtalien mit, ihre beiderseitigen Gesandtschaften zum Range von Botschaften zu erheben. (S. a. Italien.)

Niederlande. Haag, 1. März. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat heute die Diskussion über die Zucker- Fonvention auf nächsten Montag vertagt, um morgen in den Abtheilungen den Antrag des Deputirten Brynkops, be- treffend die Aufhebung der Zuckersteuer, zu berathen. Nah weiteren aus Atchin hier eingetroffenen Nachrichten hat der General Wiggers van Kerhen den Oberbefehl über die niederländishen Truppen an Stelle des verstorbenen Generals Pel übernommen und seßt die Operationen gegen die Einge- borenen fort.

Großbritannien und Jrland. London, 29. Februar. (E. C.) Es wird nunmehr als bestimmt angegeben, daß die Abreise der Königin nah dem Kontinent am 25. März er- folgt. Ihre Majestät wird si direkt nah Baden-Baden be- geben und bei ihrer Rückkehr aus Deutschland den Prinzen von Wales in Windsor begrüßen. Zur Feier der Heim- fehr des Prinzen von seiner Rundreise in Indien wird f\odann eine Reihe von Hoffesten stattfinden. Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh sind gestern zum Besuche bei der Königin nach Windsor abgereist. Heute hielt der Herzog, Namens der Königin, ein Lever im St. James-Palast ab. Die Admiralität hat dem Eigenthümer der Yacht „Misiletoe*“, welhe von der Königlichen Yacht „Alberta“ vergangenen August in den Grund gebohrt wurde, eine Entshädigungssumme von 3000 Pfd. Sterl. zur Dispo- fition gestellt. Unter anderen Aktenstücken is auch der Bericht Hrn. Rothery's an das Handelsamt über den Untérgang des Dampfers „Deut\chk an dem Párlamente vorgelegt worden. Den- so eben veröffentlichten Milizlisten für das verflossene Jahr zufolge betrug die effektive Stärke des Milizheeres in den drei Königreichen 139,490 Mann, Offiziere, Unteroffiziere und Gemeine, und zwar 92,586 in England und Wales, 12,758 in Schottland und 34,146 in Irland. Zu Uebungen und Kontrolversammlungen stellten sich in England 65,830, in Scottland 10,483 und in Irland 22,923. Die oben angegebene Stärke bleibt hinter der Normalstärke zusammen um 505 Offi- ziere, 244 Offizianten bei den Stammbureaus und 23,097 Unter- offiziere und Gemeine zurück. In die Milizreserve aufgenommen wurden im Jahre 1875 in England und Wales 4489, in Schottland 979 und in Irland 1481 Mann. Die Gesammtstärke der Miliz- reserve stellt sh mit diesem Zuwachs auf 27,983 Mann. Aus Shanghai wird gemeldet, daß Herr Grosvenor und die übrigen Mitglieder der britishen Untersuchungskom- mission am 26. Ianuar in Satschau angekommen und daselbft von der britishen Eskorte empfangen worden find, die fie nah Yunnan begleiten wird. i

1. März. (W. T. B.) Dem Parlamente ist heute das Budget für die Marine vorgelegt worden. Dasselbe beläuft sich auf 11,288,872 Pfd. Sterl. und weist eine Ber- mehrung um 463,678 Pfd. Sterl. auf. Leßtere ist hauptsählih durch die Ausgaben für den Bau neuer Schiffe veranlaßt. Die Zahl der Matrosen und Seesoldaten bleibt unverändert.

Frankreich. Paris, 24. Februar. Die Wahlen bilden begreifliherweise den fast aus\ließlihen Gegenstand der Leit- artikel fast sämmtliher Blätter.

Vollkommen befriedigt äußern fich außer den Organen der Radikalen nur einige rein republikanische Blätter, wie „Répu- blique Française* und „Evénement,“ zu denen fich au ein Blatt der konservativen Republikaner, der „Temps“ gesellt, Alle übrigen Stimmen der leÿtgenannten Färbung konstatiren zwar mit großer Befriedigung die definitive Begründung der Republik, drücken aber gleichzeitig ihr Bedauern über die extremen Elemente aus, von denen fie befürchten, daß sie den Auf- gaben der neuen Affemblée durch ihre Ueberstürzung hinderlih sein könnten. Das „Journal des Débats“ beklagt die unverbesserlihe Verblendung der großstädtischen Wähler, insbesondere der Pariser, giebt aber der Hoffnung Raum, daß es den gemäßigten Republikanern gelingen werde, die Ra- dikalen im Zaum zu halten. Denselben Wunsch drückt ohne Zuversicht das orleanistishe „Journal de Paris“ aus, wäh- rend sein Parteigenosse der „Soleil den Untergang des centre gauche fonfstatirt und beflagt.

Die monarghishen Blätter machen aus ihren Befürhtungen kein Hehl, und zwar find es die Bonapartisten, welche die Gefahren der neuen Assemblée am Eifrigsten zu verwerthen suchen. Der „Gaulois“ spricht von „crises pendant la durée des- quelles il faudrait écrazer le peuple pour qu’il s’arrêtât“‘, während „Pays“ vom Marschall verlangt: „qu'il déploie l’énergie d’un soldat chef d’état.“ Die legitimistishen Blätter sprechen s{ mit mehr Ergebung aus und sehen in den radi- falen Wahlen die Konsequenz der von dem früheren Regime begangenen Fehler. „Union“ warnt ihre Partei vor jeder Verbindung mit der revolutionären Fahne der Bonaparte, während sämmtliche imperialistischen Organe es \elbstverständlih finden, wenn fich alle konservativen Elemente im Kampfe gegen die radi- kale Majorität um fie gruppiren.

Was die nächsten Aufgaben der Kammer betrifft, so äußert

fich der „Temps? nah einer beruhigenden Einleitung über die Absichten der fiegreihen Republikaner dahin, man müsse vor Allem dem Belagerungszustand ein Ende machen und den Ver- folgungen der Presse ein Ziel segen. „Bien Public“ geht in seinen Wünschen weiter und verlangt Reform der Armee, der Steuern des Civil Codex, kurz der ganzen Gn, Die „France“ zweifelt niht, daß die Aufhebung des elage- rungszustandes den ersten und wichtigsten Gegenstand der Ver- handlungen in der Assemblée bilden wird und vermuthet, daß von dieser wihtigen Frage, welhe nach ihrer Anschauung die Amnestie involvirt, die ganze Gruppirung der Partcien abhängen wird. Sie warnt übrigens die Sieger ebenso vor Uebersiürzung wie vor Unthätigkeit. „Paris-IJournal“ würdigt die voraus- sihtlihe Zurückhaltung Gambetta's, indem es erklärt, ein oppor- tunistisher Radikaler verhalte fich zu einem Intranfigenten wie ein geshickter Gauner zu einem Räuber.

29. Februar. Das „Journal officiel“ vom 27. Februar veröffentliht den zu Saigon am 31. August resp. 93. November 1874 zwischen Frankreih und dem Königreich

Anam geshlossenen Handelsvertrag nebst einem Zusagartikel und einer Nachtragskonvention, deren Ra- tififationen säâmmtlih am 26. August 1875 zu Hué

ausgetauscht worden sind. Die darin gewährten Vergünstigungen sollen au den übrigen seefahrenden Nationen zu statten kommen. So werden gewisse Häfen niht nur dem französischen, sondern überhaupt dem auswärtigen Handel geöffnet und die Zölle, Leuhtthurm- und Ankergelder, sowie die Freiheit des Pilotendienstes für alle Nationen zugleih geregelt. Der Zolltarif ift ein sehr mäßiger. Die Waaren zahlen bei -der Ein- und Ausfuhr einen Zoll von 5 Proz. ad valorem; nur Salz und Getreide zahlen 10 Proz., und das leytere darf nur auf Grund besonderer zeitweiliger Erlaubniß ausgeführt werden. Dem franzöfishen Handel wird nur der eine Vorzug eingeräumt, daß die von ihm nah Saigon ein- und von Saigon ausgeführten Waaren blos den halben Zoll zu ent- rih!en haben. Endlich verpflichtet fich Frankreich, der Regierung von Anam ein geeignetes Zollpersonal zur Verfügung zu stellen und bei der Beshühung des Seehandels gegen die Piraten hülfreihe Hand zu bieten.

99, Februar. Bei der Senatswahl auf Gua- deloupe wurde General Cazaille zum Senator gewählt.

Ajaccio, 22. Februar. (K. 3.) Gestern Abend \pät kamen die Delegirtenwahlen zum Abschluß. Die aufgestellten Kandidaten waren Rouher, Prinz Napoleon JIerome Bonaparte und Ceccaldi. Die Wahltage verliefen, im Vergleih zu jenen der Senatorenwahlen, sehr ruhig. Das Resultat stellte \sich folgendermaßen: Rouher 5653, Prinz Napoleon 4498 und Ceccaldi 1818 Stimmen, so daß die endgültige Entscheidung durch Stichwahl herbeigeführt werden muß. Als der Ausgang bekannt wurde, zog ein Theil des Volkes vor das vom Prinzen bewohnte Hotel und forderte Lezteren zum Reden auf, welcher Aufforderung er auch vom Balkon aus nachkam; sonft blieb es sehr still in der Stadt. Rouher und Ceccaldi waren nicht

anwesend.

(Monatsübersiht für Januar.) Am Neu ahrs- tage nahm der Marschall-Präsident Mac Mahon in Versailles die Glückwünsche der Nationalversammlung und Nach- mittags in Paris diejenigen der Mitglieder des diplomatischen Corps sowie der obersten Behörden entgegen.

Das „Journal officiel“ vom 3. veröffentlihte das Preß - ges eß, welches (Amendement Ianzé) den Vermwaltungsbehörden die Befugniß entzieht, den Straßenverkauf der Jour- nale zu verbieten und den Belagerungszustand in allen Departements aufhebt, während derselbe in Paris, Versailles, Lyon und Marseille bis zum 1, Mai noch fortbestehen soll. Unter dem 7. erließ darauf der Justiz-Minister ein Rundschrei= ben an die Ober-Staatsanwälte, in welhem das Gesetz erläutert wird. Im Wesentlichen wurden darin die Ausführungen wieder- holt, welche die Minifter in den betreffenden Kammerdebatten vorbrahten. Dann heißt es: Sie müssen sich von der Idee durhdringen lafsen, daß hier kein Geseß der Reaktion

egen die Presse vôrliegt, sondern daß es lediglich den Zweck

Hal, Vergehen, die naturgemäß vor die ordentlichen Gerichte ge- hören, die an fh keinen politischen Charakier haben und von unserem weisen Richterstand unbeschadet seiner ruhigen und un= parteiishen Gewohnheiten abgeurtheilt werden fönRen, auch vor die ordentlichen Gerichte zu verweisen.

Das amtliche Blatt vom 6. Ianuar brachte das Dekret, wodur die Gemeinderäthe des ganzen Landes auf den 16. JIa- nuar zusammenberufen werden, um ihre Delegirten für die auf den 30. Januar festgeseßten Senatorenwahlen zu er- nennen. Die Präfekten erhielten n ein Cirkular des Mi- nisters des Innern ihre Instruktionen für die Vollstreckung der Geseze über die Wahlen.

Da innerhalb des Kabinets wegen des gegenüber den Wahlen zu beobachtenden Verhaltens Meinungsver\ chiedenheiten entftanden waren, drohte am 10. eine Ministerkrisis. Die Minister Léon Say und Dufaure gaben ihre Demission, indessen wurden durhch die Bemühungen des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten alle Schwierigkeiten beseitigt und ein Programm vereinbart, das in Form einer Proklamation des Präsidenten am 13.-veröffent- liht wurde. Dieselbe gipfelte in den Worten: „Eine Revision der neuen Verfassung darf nicht eintreten, bevor niht eine ehr- lihe Handhabung derselben stattgefunden hat; aber um dieselbe zu handhaben, wie dies Frankreichs Heil erfordert, ist eine kon- servative und dabei doch wahrhaft liberale Politik e rit wie ih stets anempfohlen habe“ und \{ließt: „Ih habe nicht nah der Gewalt geftrebt, werde sie aber ohne Schwäche aus- üben, Ih rehne für die Ausführung meiner Mission auf den Beistand Gottes und auf die Unterstüzung der Nation.“ Die Proklamation fand bei der Bevölkerung eine günftige Aufnahme. Jn republikanischen Kreisen wurde der fonstitutionelle Charakter derselben rühmend hervorgehoben.

Da in Folge von Schneefall die Kommunikationen vielfach unterhrohen waren, wie nameitlih auf Korsika, in den Departe= ments Hérault, Aude, Aveyron und in vielen anderen Gegenden Süd-Frankreihs, so wurde der Artikel 5 des erwähnten Dekrets vom 3. Januar, betr. die Einberufung der Gemeinderäthe zur Ernennung ihrer Vertrauensmänner dahin modifizirt, daß, wo- fern die Mehrheit der ausübenden Mitglieder sich nicht zum 16. einfinden sollte, der Maire befugt sei, eine Versammlung auf den 18. und falls auch dann die Zahl der anwesenden Mit- glieder unzureihend wäre, eine \olhe auf den 20. auszuf\chrei- ben. Nath der starken Kälte am 16. trat jedoch am 17. Thau- wetter ein, so daß der Verkehr auf fast allen Eisenbahnen wieder ermögliht wurde und die Delegirtenwahlen keine weitere Verzö- gerung erlitten.

In der Permanenzkommission, deren erste Sizung am 3, ohne bemerkenswerthen Zwischenfall verlaufen war, ' bez

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{werte fich am 20. die Linke über den von den Präfekten be-

züglih der Wahlen ausgeübten Einfluß. Der Minister des Innern gab darauf die bestimmte Erklärung ab, daß er fich auf eine Besprehung von Wahlvorgängen nicht einlassen werde, che es fich nicht um die Wahlprüfungen s\elb| handle. Dagegen fiehe der Kommission das Recht zu, die Nationalversammlung einzuberufen, wenn es nöthig erscheine. Auf eine Anfrage Picards wegen des Verbots des Straßenverkaufs von Jour- nalen antwortete der Minifter, daß er seine Au?legung des neuen Preßgesezes in dieser Beziehung kraft des Kokportagegeseßes vom 6. April 1849 vollständig aufrecht erhalte. Die Entscheidung fielle er der Gerichten anheim. Die Linke legte zwar dag-:gen Verwahrung ein, indessen hatte der Zwischenfall weiter keine Folge, und die Kommission vertagte fih demnächst auf 14 Tage.

Gegen Sch{hluß des Monats nahm die Wahlbewegung

zu. Der Finanz-Minister und der Minifter für Ackerbau und

andel erließen Rundschreiben an ihre Beamten in Betreff der Wahlen der Senatoren und Deputirten. Der Minister der Aus- wärtigen Angelegenheiten, Herzog von Decazes, welcher im 8. Ar- rondifsement von Paris als Kandidat aufgeftelt wurde, ver- öffentlichte ein Schreiben an seine Wähler, in welchem er die Kandidatur annehmen zu wollen erklärte und betonte, daß er nach dem Vorbilde des Marschall-Präfidenten ein treuer Diener der Geseße sein werde, auf welchen die Regierung der Republik begründet sei.

Die Gerüchte von einer bevorstehenden Mobilmachung der Territorialarmee, welche vor den Wahlen umliefen, wurden vom „Français“ auf das Bestimmteste dementirt und auf eine Einbe- rufung zu den Kontrolversammlungen reduzirt. Dieses Dementi erhielt darauf durch das amtlihe Blatt vom 25. Bekräftigung.

Die Zahl der Wähler der 225 Senatoren betrug 43,562; dieselben sehten fih zusammen aus den Deputirten, den Gene- ralräthen, Arrondissementsräthen und den Delegirten der Ge- meinderäthe. 36,000 dieser Wähler wurden von den Gemeinde- räthen gewählt, 7000 gehörten den übrigen Kategoricn an. Algier und die 4 Kolonien wählten nur je einen Senator.

Die Wahlen vom 30. Januar haben die 75 Senatoren auf Lebenszeit hinzugerechnet für die Zusammenseßung des Senats etwa folgendes Resultat ergeben: 148 Republikaner, 94 Konstitutionelle, 26 Orleanisten, 24 regierungsfreundliche Legitimisten, 21 intranfigente Legitimisten, 45 Bonapartiften, 11 rein Klerikale, zusammen 299. Den Ständen nah befinden fich in demselben: 1 Marschall von Frankrei, 6 Admiräle, 20 Generäle, 6 aftive Minister, 1 Botschafter, 9 ehemalige Minister des Kaiserreihs, 1 ehemaliger Senator und 4 ehemalige Prä- fekten des Kaiserreihs; die höhere Geistlichkeit ist durch den Bischof Dupanloup vertreten. :

Durch ein am Tage vor den Senatorenwahlen, am 29., veröffentlihtes Dekret wurden die Wähler in ganz Frankrei auf den 20. Februar zusammenberufen, um die Wahl der Abgeordneten zur Deputirtenkammer vorzunehmen.

Das „Iournal officiel“ vom 24. veröffentlihte den mit Peru abgeshlossenen Auslieferung3vertrag. Der am 15. Ja- nuar erloschene italienisch-französishe Handelsvertrag ist bis zum 1. Juli d. I. verlängert worden.

Der von der Nationalversammlung zum Senator ernannte Hr. Ernst de Larochette, Legitimist und Hauptführer der Intransigenten von der äußersten Rechten, ist am 19. in Nantes gestorben. Am 22. starb der. Abgeordnete für Paris, Marc- Dusfraisse.

Der Bischof von Orleans, Dupanloup, ging am 3. Januar nach Rom, um die Seligsprehung der Jungfrau von Orleans persönlih zu betreiben; ein vom 25. Oktober 1875 datirtes Breve, in welhem der Papst den Unterrichts-Minister Wallon als Verfasser einer Geschihte der Ieanne d'Arc be- lobt, ist am Sylvestertage (1875) vom „Dsservatore Romano“ veröffentliht worden. Die katholische Universität von Paris wurde am 10., dem Todestage Napoleons 11, durch den Erz- bishof Kardinal Guibert, in Anwesenheit von ungefähr 60 Stu- direnden, feierlich Vin i

Nach den amtlihen Ausweisen über den Handelsverkehr Frankreichs mit dem Auslande während des ersten Monats des neuen Jahres belief sich vom 1. bis zum 31. Januar 1876 der Werth der Einfuhren auf 279,167,000, der Werth der Aus- fuhren auf 197,649,090 Franken.

Die Einnahmen der Pariser Octroisteuer scheinen die Vorausfihten des Budgets zu übersteigen. Die Gesammt-Ein- nahme für das Iahr 1876 ist auf 113 Millionen ges{chäßt wor- den, wovon der zwölfte Theil 9,416,000 Fres. beträgt. Die Einnahmen während des Januar haben aber 10 Millionen be- tragen, was einen Uebershuß von mehr denn einer halben Million ergiebt.

Die amtlichen Mittheilungen über den Eingang der Steuern gewähren einen Einblick in die Steuerkraft des Landes. Es gingen ein: 1) an direkten Steuern 1874 668,309,000 Fr., 1875 682,814,900 Fr. ; 2) an direkten Steuern und anderen Staats- einnahmen 1874 1,865,490,000 Fr., 1875 2,050,990,000 Fr. ; 3) dur Besteuerung des Einkommens vom Mobiliarvermögen mit 3 Proz. 1874 34,174,000 Fr., 1875 34,676,000 Fr. Die Erhebungskosten der direkten Steuern betrugen im Jahre 1874 1,248,703 oder von je 1000 Fr. 1 Fr. 86 C. und im Jahre 1875 1,221,685 oder von je 1000 Fr. 1 Fr. 79 C., gingen mithin im legten Jahre gegen das Vorjahr um 7 C. pro 100 Fr. zurück. Die im Jahre 1875 mit 2,050,990,000 Fr. vereinnahmten indirekten Steuern überstiegen mit 97,912,000 Fr. die im Budget veranshlagten Summen, während das Iahr 1874 noch mit einer Unterbilanz von 59,706,000 Fr. abshloß. Der Grund dieser bedeutenden Mehr- einnahmen im Jahre 1875 liegt theils in der Steigerung des Ertrages einzelner Steuern, theils in der Einführung neuer. Durch leßtere allein wurden vereinnahmt 33,347,000 Fr. Hinter dem Etatssoll blieben im Iahre 1875 nur zurück: die Stempel- steuer um 2,611,000 ßFr., die Kolonialzuckersteuer um 1,791,000 Fr., die Steuer für ausländischen Zucker um 8,652,000 Fr., die Salzsteuer um 2,660,000 Fr., die Seifensteuer um 1,256,000 Fr., die Stearin- und Lichtkerzensteuer um 2,503,000 Fr. Ferner ergaben einige Posten der Zollverwaltung \so wie die Esfigsteuer noch unbedeutende Mindereinnahmen von 706,000 bezw. 148,000 Fr. Der Gesammtsumme der Mindereinnahmen von 20,759,000 Fr. fteht jedo andererseits die erhebliche Mehr- einnahme von 118,671,000 Fr. gegenüber. So ergaben beispiels- weise die Einregistrirung, die Koften des Besitzwechsels und die Gerichtskosten ein Plus von 15,638,000 Fr., die Zollverwaltung von 13,073,000 Fr., die Getränkesteuer von 21,643,000 Fr., die Rübenzuckersteuer von 11,474,000 Fr., die Besteuerung des Eisenbahnverkehrs von 18,694,000 Fr., der Tabaksverkauf von 16,452,000 Fr. Im Jahre 1873 ergaben die indirekten Steuern nur eine Einnahme von 1,807,706,000 Fr. Die außerordentlich günstigen Ernten der lezten beiden Jahre haben allerdings zur Erhöhung der Steuerkraft erheblich beigetragen.

Italien. Rom, 1. März. (W. T. B.) Die „Gazzetta vffiziale* veröffentliht eine amtliche Mittheilung, wonach die Monarchen Italiens und Oesterreih-Ungarns, um fih einen gegenseitigen Beweis des Werthes zu geben, den sie auf die zwischen ihren Regierungen bestehenden freundschaftlihen Beziehungen legen, beschlossen haben, ihre respektiven Gesandt- \chaften zum Range von Botschaften zu erheben. Die „Oginione“ veröffentliht die Ernennung von 24 neuen Senatoren. Das Präsidium des Senates besteht gegenwärtig aus dem Präsidenten Grafen Pasolini und den Vize-Präsidenten Eula, De Filippo, Tabarrini und Pallavicini. S

Türkei. Konstantinopel, 1. März. (W. T. B.) Die Journale veröffentlichen ein Schreiben des Großvezirs an die Gouverneure der Provinzen , betreffend die einzuführenden Reformen. Dasselbe ist von einer neuen Verordnung be- gleitet, durch welche die Befugnisse der Gouverneure und anderer Beamten in den Provinzen festgeseßt werden. Der Justiz- Minister begiebt sfich morgen nah Adrianopel. Der Kaiser- lihe Kommissar für Bosnien, Hajdar Effendi, is gestern von hier abgereist. Nah einer Depesche Achm.d Muktar Paschas zeigen sih die Insurgenten in der Herzegowina entmuthigt und erfolgen bereits zahlreihe Unterwerfungen. Die Ausgewanderten beginnen zurückzukehren.

Numáänien. Bukarest, 1. März. (W. T. B.) Die Kammer hat heute an Stelle des Fürsten Ghika den bisheri- gen Vize-Päsidenten Brailoi zum Präsidenten gewählt.

S&§weden und Norwegen. Stockholm, 28. F-- bruar. Die heutige „Post oh Inrikes Tidningar“ \{chreibt: Die deutshe Presse hat in der leßten Zeit den \{chwedis{chen Ver- hältnissen eine verhältnißmäßig große Aufmerksamkeit gewidmet.

Daß angesehene oder voluminöse Zeitungen wie die „Köln. Ztg.“ und die in Wien erscheinende „Neue Freie Presse“ längere Schilderungen in Form . von Briefen

oder Feuilletons über unser ; Land enthalten oder enthielten, ist wohl mehr als zufällig anzusehen. Daß aber olche Blätter, wie z. B. die in Berlin erscheinende „Nordd. AlUg. Ztg.“ beinahe jede Woche ihren Lesern Korrespondenzartikel aus Schweden bieten, in welhen unsere politishen, sozialen und anderen Fragen eine gewöhnlich auf unsere bessere ein- heimische Presse gestühßte Darftellung erhalten, is ein Faktum von nicht geringer Bedeutung. Wir sind dazu gekommen, dieser Sache Erwähnung zu thun, weil uns jeßt einige Nummern des „Reichs- Anzeigers“, des offiziellen Organs des Deutschen Reiches und des preußischen Staates, vor Augen liegen, in welchen verschiedene Mittheilungen offiziellen Ursprunges, betreffend die {hwedishen Finanz-, Handels- und Armeeverhältnisse in Uebersezung ent- halten find. So findet man da eine kurze Uebersiht aus dem Bericht der Reichstagsrevisoren über den Zustand und die Verwaltung des Reichs\hulden-Comtoirs mit besonderem Hinweis auf die Unrichtigkeiten in dem, was der „Almanach de Gotha“, betreffend die Finanzlage des \chwedishen Staates in den vorhergehenden Jahren mitzu- theilen pflegte; ferner findet man Mittheilungen des Marine- Ingenieur-Comtoirs an dieselben Reichstagsrevisoren, betreffend die Größe und die Zusammensezung der Flotte mit Spezisikation der Bauart und der Bestükung der Schiffe, sowie die Mit- theilungen der General - Zolldirektion über Schwedens Ein- und Ausfuhr an gewissen hauptsählihen Waaren während“ der Jahre 1874 und 1875. Daß dergleichen Aktenstüke und amtlihe Berihte die in vielen Fällen dunklen Begriffe aufklären werden, welhe sich im Auslande über unsere Lage und Verhältnisse geltend machen, braucht nit betont zu werden; was aber besonders hervorzuheben, das ist, daß man sich wirklih mit unserem Lande beschäftigt und daß man dabei die zuverlässigsten Quellen benußt.

Dänemark. Kopenhagen, 292. Februar. In der gestrigen Sizgung des Folkethings beantwortete der Justiz- Minister die von Bajer an denselben gerichtete Interpellation : „Gedenkt der Justizminister einen Gesehentwurf vorzulegen oder vorzubereiten, wodurh das Verfügunsreht der ver- heiratheten Frau über das Vermögen erweitert wird?“ Der Minister erklärte, er halte es für kaum möglih, der im Lande herrshenden Meinung wegen, in diesem Verhältnisse eine prinzipielle Veränderung durhzuführen; einen Gesegentwurf könne er. in dieser Session der so schwierigen und verwickelten Materie wegen nicht vorlegen. Es werde von großem Inter- esse sein, die Früchte von dem in Norwegen vorgelegten Geseß- entwurfe abzuwarten, da sowohl die Geseygebung wie die sozialen Verhältnisse Norwegens in so naher Uebereinstimmung mit Dä- nemwark ständen. Er könne auch nicht versprehen, {hon in nächster Session eine Vorlage zu machen.

Amerika. New-York, 1. März. (W.T.B.) Die Staats- chuld der Vereinigten Staaten hat sich im Monat Februar d. I. um 3,273,000 Doll. vermindert. Im Staaats\shaße be- fanden sich Ende Februar 70,036,000 Doll. in Gold und 9,529,000 Doll. in Papier.

Buenos-Aires, 18. Januar. Das von dem Kon- gresse der argentinishen Republik für das Finanzjahr 1876 nah dem Gesege vom 9. November v. I, festgestellte Budget ist durch den Druck veröffentliht worden. Sämmt- lihe Ausgaben stellen fih auf 20,259,605,15 Pesos fuertes (1 P. f. etwa glei 4,99 1/6), die Einnahmen auf 18,113,910 P. f. Das Defizit von 2,145,695,12 soll nach dem angeführten Ge- setze durch Benußung des Plagkredits gedeckt werden.

Ecuador. Derneuerwählte Präsident von Ecuador, Dr.D.A n- tonio Borrero, hat am 9. Dezember 1875 sein Amt ange- treten. Die bei dieser Gelegenheit von ihm gehaltene Rede ent- wickelt sein Programm, welches sich im offenen Widerspruch mit den Regierungsgrundsägzen seines ultramontanen Vorgängers, Garcia Moreno, befindet; es verkündet Aenderung der Staats- verfassung, allgemeines Stimmrecht und Preßfreiheit.

Am 10. Dezember 1875 is auch das neu ernannte M i- nisterium in Thätigkeit getreten; dasselbe besteht aus dem Mi- nister des Innern und Aeußern: D. M. Gomez de la Torre, als Republikaner bekannt, dem Finanz-Minister D. Francisco de §. I. Icaza, früherem Gouverneur von Guayaquil, ebenfalls liberal; und dem Kriegs- und Marine-Minister D. JIulio Saenz, General, demselben, welcher als Kandidat neben dem Präsidenten auftrat und den Kriegs-Minister unter Garcia Moreno, Salazar, im Oktober stürzte. Die größte Ruhe herrscht überall im Lande.

Afrika. Aegypten. Kairo, 29. Februar. (W. T. B.) Gestern traf hierselbst die offizielle Erklärung der franzöfischen Regierung ein, wonach dieselbe bereit ist, bei der neuen Banque nationale einen Kommissar zu ernennen. Ebenso hat die italienishe Regierung fich zur Ernennung eines Kommissars bereit erklärt. Der englishe, französishe und der italienische Kommissar werden bei der Banque nationale zu derselben Zeit

in Funktion treten, sobald Wilson, der von der englischen Re- gierung zur Neorgaitisation der ägyptishen Finauzen defignirt ist, sein Amt angetreten haben wird. In dem Berichte des Generalzahlmeisters Cave, dessen Original in den Händen Wilsons ift, wird ausgeführt, daß die finanziellen Mittel Aegyptens der Regierung ermöglihen, alle ihre Ausgaben zu bestreiten, oßne den Bondsinhabern, zu welcher Anleihekategorie auch ihre Titres gehören, ein Opfer aufzuerlegen. Von Seiten der ägyptischen Regierung wird die Rithtigkeit der gestern von der „Times“ gebrahten Ausführungen über die Organisation der neuen Banque nationale und über die Grundlage der Finanzoperation behufs Konsolidirung der \{hwebenden Schuld in Abrede gestellt.

Vercinswesen.

Die Luisenstiftung (1776—1876) hielt am Mittwoch in der Privatwohnung des Direktor Marienfeld, ihre konstituirende Generalversammlung ab, zu der sich ungefähr 20 Herren und einige Damen eingefunden hatten, Die Luisenstiftung ift aus der Initiative einer Anzahl hicsiger Bürger hervorgegangen, die vor einiger Zeit durch ganz Deutschland einen Aufruf erließen, demzufolge bis jeßt 1732 Personen, darunter ca. 209 aus Berlin, sich bereit erklärt haben, der Luisenstiftung als Mitglieder beizutreten. Dieselbe beabfichtigt, begabten Kindern beiderlei Geschlechts, ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses, aus den Volk3- und Elemen- tarshulen der Städte und des platten Landes in Deutschland nah Kräften bis zu ihrer Selbständigkeit Beistand zu gewähren. Der Sit dcr Stistung ist Berlin. Die Mitgliedschaft erwirbt Der- jenige, der einen jährlichen Beitrag von mindestens 1 zahlt; Geber von 300 M und mehr werden als Stifter angesehen. Die Leitung der Geschäfte besorgt cin aus 7 Personen bestehendes Kuratorium, das au 10. März, dem Geburt3tage der Königin Luise, zu einer Sißung zusammentritt, in der auch Delegirte der zu bildenden Lokal- vereine Siß und Stimme haven. Die Anträge der Leßteren find möglichst zu berücksichtigen, soweit die aus den betreffenden Lokal- vereinen geflossenen Beiträge dies gestatten. Von diesen werden 10% angesammelt zu einem KapitalsstoÆ, der die Höhe von 100,000 Æ erreichen soll. Jst diese Höhe erreiht, so fließen die Zinsen der Stiftungsfkasse zu. Von den 1732 Mitgliedern sind bis jeßt bereits 2290 4 Beiträge gezeichnet. Die Versammlung, die demnächst die Rechte ciner juristischen Person zu erwerben gedenkt, ernannte sodann zu Kuratoren die Herren Direktor Marienfeld, Ober- Bürgermeister Hache (Essen), Konsul Pätow, Hofrath Herrlich, Regierungs-Rath Triest, Geheimer Kanzlei Rath a. D. Kurs und Haupt- lehrer Maas. Das Kuratorium hat das Recht, sich weitere Mit- glieder zu fooptiren. Die Versammlung einigte sich zum Schluß über die Statuten, deren Grundprinzipien wir oben mitgetheilt haben.

: Statistische Nachrichten.

Derlin, Der Handels-Minister hat dem Abgeordnetenhause die Uebersicht über denStand und den Fortgang der Staatseisen- bahnbauten und der für den Eisenbahnbau verw :ndeten Kredite im Jahre 1875 vorgelegt. Diese Uebersicht weist auf, daß von deux Baukapital von 3,300,000 F. für die Eisenbahn Danzig-Neufahr- wasser bis Ende 1875 ctwa 2,926,000 J verausgabt worden sind. Für die Herstellung eines zweiten Geleises auf der Strecke Cüstrin über Bromberg und Dirschau bis Eydtkuhnen, welche Arbeiten größ- tentheils beendet sind, ist von dem veranschlagten Gesammt- baufapital von 30 Millionen Mark noch ein Betrag von rund 2,275,000 M. verfügbar. Die Strecke Göttingen-Ahrensbausen ist im Allgemeinen vollendet; von den 777,000 4 Baufkapital sind bis Ende 1875 522,827 M. verauêgabt und von dem Rest bestimmt 184,173 M als erspart anzuschen. Die Bahnstrecke Northeim-Landesgrenze (Nordhausen) ist bald vollendet. Von den 8,253,009 f des Bau- fapitals find 7,505,922 4. bis jeßt ausgegeben, von dem Rest werden 545,373 M. erspart werden. Bei der Strecke Schneidemühl-Koniß- Dirschau sind von den 23,400,000 4A der Voranschlags})umme 20,805,000 A verausgabt worden; bei Thorn - Insterburg wur- den von 47,250,000 A veranschlagten Gesammtkapitals 46,000,000 Mark verausgabt und bei Tilsit-Memel, welche [on zum Theil in Betrieb geseßt ist, von 21,750,000 é. der Voranschlagssumme bis Ende 1875 18,500,000 #6 Die zu der Bahnstrecke Bebra: Friedland bewilligten Mittel von 22,800,000 (6 sind verautgabt; es fehlen no zum Ausbau rund 3 Mill. A Für die Bahnstrecke Gassen-Arnsdorf find von dem 20,970,000 M -bewilligten Gesammifonds circa 18,000,000 é verauêgabt und für die Herstellung des zweiten Ge- lei'es auf der Bahn Schneidemühl-Koniß-Dirschau von der Gesammt- summe von 8,475,000 M ca. 8,000,000 (A Auf der Strecke Berlin-Nord- hausen haben die Terrainverhältnisse bei Potsdam, bei den Elbübergäu- gen und bei der Ueberschreitung des Harzes große Schwierigkeiten bereitet, ebenso find die projektirten Verbindungen dieser Bahn mit der Ber- liner Stadtbahn, sowie die dadur gebotene Regelung der Bahnhofs- verhältnisse hindernd für die Förderung der Arbeiten gewesen. Von der Gesammtsumme des Baukapitals sind bis Ende 1875 ver-

ausgabt worden: 2,700,000 M, während für die Strecke Nordhaufen-Webßlar nux 1,700,000 verausgabt wurden. Im Jahre 1876 werden auf der leßtgenannten Strecke

Ta. 15 Mill, Mark zur Verwendung gelangen. Die Mosel-Eisen- bahn (Neichsgrenze bei Sierk über Trier nah Coblenz) hat bis Ende 1875 eine Ausgabe von 5,900,000 Æ erfordert; die Bahn Overlahn- stein-Coblenz-Güls 450,000 M; Friedberg-Hanau 160,000 46; ODtt- bergen- Nordheim 4,100,003 ; Welver - Dortmund 7,500,000 46; Hannover-Harburg 3,100,000 (. ; die Fishbachthalbahn (Saarbrücken- Ne: kirchen mit Abzweigung in das Trenkelbachthal) 2,400,000 Das Schlußstück der Verbindungsbahn, Schöneberg-Charlottenburg, für welches 13,200,000 6 ausgeworfen sind, hat bis jeßt 5,500,000 M

gekostet. Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Wissenschaftlihen Verein in der Singakademie wird am Sonnabend um 5 Uhr der Direktor der National-Gallerie Dr. Fordan einen Vortrag über „Leonardo da Vinci“ halten.

Die neue Schrift Gladstone's, betitelt „Die Zeit und der Ort Homers“, ist am 28. Februar, Abends, bei Mac Millans in London erschienen.

Die Geschichts\hreibung des Lebens und der Regierung des Kaisers Nikolaus I. ist nach dem Tode des Grafen Modeft Korff, der mit ihr ketraut war, wie die „Moztk. Ztg.“ mittheilt, dem Staatssekretär Fürsten Urussow aufgetragen worden.

Dem Verein für eine deutsche Nordpolarfahrt in Bremen, welcher im Begriff steht, den Dr. Finsh (Bremen), dez Dr. Brehm (Berlin) und den Grafen Waldkurg-Zeil (Stuttgart) zt einer Forschungsreise nah Westsibirien auszusenden, ist nah Meldung des „W. T. B.“ gestern ein Beitrag zu den bezüglichen Kosten, im Betrag von 20,500 , durch Alexander Mihailo+ witsch Sibiriakoff in Moskau überwiesen worden.

Ein bemerkenswerther Fund, schrebt man der „Academy“ aus Lufkfsor vom 2. Februar, wurde vor: weaigen Tagen an einer Stelle nördlih von dem Obelisken am G',ngang des großen Tempels zu Karnak gemacht. Einige Araber, wch'.he damit beschäftigt waren, Asche unter den Ruinen herauszuschaffev, um damit in dieser Jahres= zeit ihr Land zu düngen, stießen dabei auf eine Kiste von Sandstein. Fn derselben befand ih die stattlich-: Figur eines weiblichen „Dips popotamus“, aus grünem Basal*7 gehauen, in herkömmlicher Weise aufreht ftchend und zu "eiden Seiten ein Symbol tra- gend. Das Monument, einschließ\.ih der Plaite, woraus es steht, ist etwa 3 Fuß hoch und mit bewv nderungswürdigein Ebenmaß ausge- hauen und ringêura geglättet. Eine lange hieroglyphische Inschrift läuft den Rückea herunter, uno eine andere ist an der Basis der Figur angebracht. Die Inschrift 0.af dem Rücken ist am besten ausgeführt. Die Bild\zule selbst ist ea Werk im vollendeten Kunkstyl und über- trifft po die vicigengmne grüne „Basaltkuh" qus der gleichen Epoche