1907 / 275 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Nov 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Die Sorgfalt der Steinseßurg {eint dafür zu \prechen, daß kein inzelgrab, fondern ein Mehrheitsgrab vorliegt, was auch die auf- allend starke obere KohlenschGiht bezeugt. Merkwürdig ist das gänz- (de Fehlen von Urnen und Beigefäßen bei völliger Unberührtheit des . Den Vortrag des Abends hielt Dr. Traeger über „Indianer- stämme am Alto Paraná“: In diesem von dictestem Urwald erfüllten Teil des Staats Paraguay, zwischen dem Paraná östlich H dem Paraguay westlich, liegt die interessante Tatsache vor, daß er neben- und untereinander zwei gänzlich voneinander verschiedene Indianerstämme leben, die etzander tôdlich feindselig sind, zwischen enen es jedo selten zu feindliher Berührung kommt, weil der cine è Stämme, die Guayaqui, \ich im tiefslen Urwald verborgen vor em anderen und au vor der Berührung mit den Weißen bält und noch heute scin „steinernes* Zeitalter lebt, während der andere Stamm, jerfallend in die beiden Gruppen der Baticola und Tschiripá, längst mit er Zivilisation Bekanntschaft gemacht hat und Verkehr mit den Weißen erhält. Der Vortragende hat bereits im Jahre 1991 diese merkwürdigen erbâltnisse an Ort und Stelle kennen gelernt. Sie gaben ihm nlaß, dem vorliegenden ethnographis@en Rätsel weiter nach- zuspüren; denn ein solches liegt vor, weil Guayaqui einerseits und Faticola - T\shiripá andererseits offenbar von ganz verschiedenem tsprung sind und zwischen beiden nur die losen Beziebungen bestehen, erstere aller WahrsHeinlikeit nah Reste eines autechthonen olfs, eines Urbolks, find, das in einer längst vergangenen el von der ‘großen und machtvollen Einwanderung cines mit em Gros der heutigen südamerikanisWen Indiarer über- äinstimmenden, ganz verschiedenen Volks verdrängt und im gegebenen alle in die entlegensten S(hlupfwinkel, wie solche nur der südamerika- pie Urwald zu bieten vermag, versheucht worden ist. Es könnte efremden, daß es ebensowenig den Baticola- Tschiripá, als den Weißen isher gelungen ist, die Guayapt in ihren über das ganze Land ver- teilten, bald dichter, bald dünner gesäten Schlupfwinkeln aufzusuchen und nôtigenfalls zu Gefangenen zu machen, sei es auch nur, um thren mehr oder weniger zwangsweise die Bekanntschaft mit den anderen d udesbewohnern zu vermitteln und sie selbs näher kennen zu lernen ; o erklärt die Gigenart des sübamerifanishen Urwalds diese Schwierig- D man fönnte fast sagen Unmöglichkeit, zur Genüge. Es ift bei dem urhwadsenfein des Urwalds mit Lianen und anderen Schlinggewächsen Qumlich ganz ausgeslossen, geräushlos in den Urwald einzudringen. hne beständige Anwendung der Axt kommt man nicht weiter, sodaß le feinbôrigen Guayaqui längst von der Annäherung Anderer Kunde aten, ehe man au nur in ihre Nähe gelangt, und ihnen Zeit Uu bleibt, ihre armseligen, aus Zweigen erbauten Hütten zu ver- afen und sichere Verstecke aufzusuhen. Es ist unter diefen Um- ünden wunderbar genug, daß man hin und wieder dur einen Ueber- all einen beschränkten Erfolg gehabt. Waffen und Geräte erbeutet, au einzelne Kranke und Schwache, Frauen und Kinder gefunden und entführt hat; aber eines erwachsenen, männlihen Guayaqui habhaft zu erden, ist seit lange nur in einem Falle gelungen, wo fi cin folder n einer Raubtierfalle gefangen. hatte. Alle Mittel der Annäherung ußer folher ganz gelegentlihen Razzia, der Versu freundschaft- er Berührung, der Anbahnung von Tausch, haben sich als ver-

g ei ne Liebesmühe erwiesen, und was die Weißen nit vermögen, er- hen die Baticola-Tschiripá noch weniger; denn der gegenwärtige ustand besteht allem Anschein nah {on viele Jahrhunderte, er be- and in ganz derselben Schärfe \{chon, als die Weißen ins Land tmen. Wir wären deshalb in unserer Kenntnis von den Guayaqui ans auf das beschränkt, was ihre indianischen Feinde unkontrollierbar

ihnen erzählen, j. F EeDA fie noch Kannibalen seien, oder was wir von den gelegentlih gemachten Ge- angenen, den unter Weißen auferzogenen, im zartesten

pi eeoalter übernommenen Guayaquikinder ersehen, bezw. an Körper- dung und Rafsenmerkmalen ihnen absehen (die unter Weißen auf- êzgrenden Guayaqui verlieren \chnell alle Stammeserinnerung); doch wahlt au der Urwald manches von der s{heuen Bevölkerung. Denn „Vétint diese auch entweiht, ihre Spuren vermag sie so {nell nit zu mange, und diese Spuren sind zuweilen recht wichtig und geben hoh R Aufs{luß über das Treiben der Guayaqui. So, wenn man Cn S N Palmstamme, den zu erklimmen fast unmögli scheint, bestimmte urzem erst geplünderten Bau wilder Bienen findet oder ene aus Deren Baumsorte durch Steinaxt gefällt am Boden liegen sieht, bindung Holz sie Pfeile bis zu 84 cm Länge shniyen, die in Ver- find. Jura Aen von ungewöhnlicher Größe gefährliche Waffen im Urwald len entdeckte das scharfe Auge des den Vortragenden deren Mark begleitenden JIndianers auch gefällte Palmen, tr geröstet pen bis 15-cm langen Wurm enthält, der roh i & die Lieblingsspeise der '‘Guayaqui bildet. Ja, es alm eine Art agrarisher Betätigung: der Guayaqui gibt, Urms binei ¿u fällen, ihr Mark frei zu legen und die Larven des Gelegenili ênzusegen, damit sie die gewünschte Delikatesse entwickeln. verschiedener i man wohl auch rohen Shmuck, Ketien gus Zähnen Punkte T Tiere, Beweis, daß die Guayaquifrauen \i® in diefem untersGeide, n ihren S@western außerhalb des Urwaldes nit emb 7 aber man fand nie geshnißzte Ornamente, Dr. Träge [eint diesem Volke alle Bétätigung in der Keramik. auf Grun r Hatte seine zweite Reise zum oberen Paraná wesentlich neues Gre Mitteilung eines deutschen Gastfreundes unternommen, Studien zu uayaqui-Menschenmaierial vorhanden sei, um an ihnen den Wiiß machen: eine Mutter, die ihre beiden bei einer Nazzia von mehrere ven mitgenommenen Kinder zu pflegen gekommen war, und Frau ane Burschen, unter ihnen ein besonders intelligenter. Die us{ch zu E dem Eintreffen Dr. Trägers {on wieder in den anthropo rüdgetehrt, aber es lagen photographishe Aufnahmen und Onnten Fre essungen vor; mit den jungen Guayaqui a fe o interessante Untersuhungen vorgenommen werden. haß der G wurde es mögli, den bisherigen geringen Wort- gesrieben 9a quisprahe von 21 Worten, die Lahitte 1895 nieder, genartige auf 180 Worte zu erhöhen, darunter 65 ganz neue und die ile und 115, die jene 21 einshließen und von denen mehr als bietes ; 1 7 Verwandtschaft mit den andern Indianersprahen des Ge- Farbero, baben seinen. Merkwürdig übereinstimmend ergab si die iu Unte findung, die nicht mehr als drei verschiedene Farbeindrücke u faßt, eiden weiß, deren erster dunkelblau, schwarz und hellgelb - während rot anders empfunden wird, und über benei grün und weiß als dritter besonderer E E Träger war Vos den E vorgestellten g untkersuhten Guayaquitypen ‘au n daß fielen, daß ihre ote heller “ift ala die anderer Indianer, bis 139 iwar kein Zwergvolk sind, ober es anscheinend niht weiter als Mäd 141 ecm bringen, welche leßtere Größe an einem 17 jährigen eti n gemessen wurde. Als dritte Eigenart fand Dr. Träger einen fes mongoloiden Zug. Um fi selbst die Ueberzeugung zU_ pver- Eke er in dem Purkt unbefangen urteile, legte er nach seiner phi r den Kollegen vom Museum für Völkerkunde scine Photo- die von Guayaqui vor, mit der Frage: „Woher, glauben Sie, Antwecele Bilder stammen?* und empfing die übereinstimmende Ee von allen: „Aus Ostasien!l“ Dr. Träger Mi erauf der Versammlung durch Vorführung zahlreicher Ktn der Gelegenheit zum eigenen Urteil. Die Bilder, Vià einige Darstellungen von Jesuitenniederlafsungen und Ein- G die Pracht des Urwaldes vorangingen, wirkten als Ueber- nige "9 durch den unerwarteten Ausdruck von Intelligenz in den dryne„nshönen Gesihtern der Guayaqui. Die Gestalten sind ge- tingnht die etwas schräg stehenden Augen ungewöhnlih weit aus» wurjep e tehend und Plaß gebend für die tief eingesunkene Nasen- haz aus der fi eine besonders kräftige Nase entwickelt. Dichte Wan erung des Kopfes überwallt beinahe au die ganze Stirn. Die Gen peeNe find normal und rund gestaltet, was hervorstehende läßt cuoen aus\{ließt und die Gesihter voll und rund erscheinen ailen e steht überall kräftig vor. An den Mädchen e

Backten auf. Vor berührt

res u eru Shmudck D erunstaltendem mu emalen, Tätowieren, Holzpflöcke Ss dergleichen. unmehr von großem Interesse, auch die Todfeinde der

a dur S gänzlige Abwesenheit von war n

Guayaqui, die Baticola-Tschiripá, kennen zu lernen. Daß sie Be- ziehungen zur Zivilisation pflegen, zeigten die festen Häuser, in denen fle in Dörfern tim Urwalde wohnen, Häuser, denen durch Tonbewurf und rote Bemalung ein apartes Aussehen gegeben ist. Die Baticola- Tschiripá gelten als bescheiden, friedlih und harmlos; sie stehen unter der Herrschaft von Häuptlingen, Kaziken oder Kazikinnen, tragen Kleider, find geschickte Neßflehter und Korbmacer, aber auch sie kennen die Keramik nicht. Ihre Bogen und Pfeile sind erheblich kleiner als die furchtbaren Waffen der Guayaqui. Von Shmucksachen machen fle viel auëgedehnteren Gebrau, sind au in chmüdckenden Zutaten nicht so zurückhaltend wie ihre Nachbarn. Sie bemalen si gern {warz und rot, wenn au nit übertrieben, und die Männer finden Gefallen daran, dur die Unterlipye ein bleistift-starkes und -langes, weißes Stäbchen zu treiben, das ihnen dann über die Brust herab- baumelt. Die Lichtbilder brachten von ihnen natürli erheblich mehr Typen als von den Guayaqui, darunter Männer mit runden Ge- sihtern, regelmäßigen Nasen, selbs Schnurrbärten. Die Frauen ge- fallen sich im Zähmen junger Marder, die bei ihnen die Rolle der Hautkaßze spielen. Sie behängen sich auch gern mit Ketten aller Art und langen Ringen und Armbändern.

Fn seinem Dank an den Vortragenden hob der Versammlungs- [eiter hervor, welhen großen Wert solche vergleihende Studien, wie sie hier allerdings in einem ganz selten liegenden Falle si darboten, für die Entwicklung der noch so bedeutender Vertiefung fähigen und bedürftigen Ethnographie besißen.

Den Nest des Abends füllte ein höch\ instruktiver Vortrag aus, den Dr. Richard Neuhauß unter vielen Demonstrationen über „Neuere photographische Hilfsmittel für den Forschungs- reisenden“ hielt. Dr. Neuhauß, der sich zu einer längeren Siudienreise nah den Tropen rüstet, stellte damit den Apparat in seiner Gesamtheit vor, den er si als besonders feiner Kenner und Aus- über der edelen Lichtbildkunst selbst vorbereitet hat und der allerdings an Wohlüberlegtheit und geshickter Benußung der besten vorhandenen Vorbilder Bewunderung verdient und erntete. Dr. Neuhauß hat \sihch in allen Fällen vom richtigen Funktionieren seiner Apparate genaue Rechenschaft gegeben. In mehreren Fällen Fernphotographie, automatishe Blitlihtphotographie, Kinematograph gab er der Versammlung selbst Gelegenheit, sch von der Güte der Leistung zu überzeugen. Dr. Neuhauß wird auch 200 Lumière-Platten mit sich führen. Er hat, wie mehrere vorzügliche Lichtbilder dieser Art bezeugten, in der - nit leichten Handhabung dieser neuen Kunft bereits erfreulithe Sicherheit erlangt. Da ihm die grelle Tropensonne helfen wird, dieser lihtbedürftigen Spezialtechnik die wesentlihen Bedingungen des Erfolges zu verschaffen, darf man auf \{öne, farbige Bilder der Tropenwelt hoffen. Dann erst werden wir der ganzen Pracht des südlichen Himmels inne werden, welche die Schwarz-Weißkunst mit ihrer die hbellsten Lichter in beschneite Land- Ls verfälshenden Unzulänglichkeit bisher niht zu leisten ver- mochte.

Theater und Musik.

Lessingtheater.

Die- am Sonnabend zum ersten Male aufgeführte dreiaktige Komödie „Närrishe Welt“ von Otto Hinnerk darf troy des von einem Teil des Publikums -gegen das Wèrk erhobenen Widerspruchs als beactenswerte Talentprobe gelten. Die Widersacher fühlten sich dur das Stoffliche des Stückes abgestoßen, ohne die Absichten des Verfassers zu verstehen, der zeigen wollte, daß rein objektiv, gewisser- maßen aus der E gesehen, au die traurigsten Lebensverhälts- nisse moralisher Verkommenheit eines komischen Zuges nit ent- behren. Diese Art, die Welt als Narrenhaus zu betrachten, findet sich bei allen echten Humoristen, man braucht dabei nur an Dickens und auch an Reuter, den Landsmann Hinnerks, zu er- innern, die wohl über den Vorwuif erhaben sind, das Laster, auch wenn sie es in eine komische Beleuchtung rücken, gutzuheißen. Auch Hinnerk bekundet viel Humor und bei aller Derbheit doch das Geschidck, den heiklen Geschehnissen, die er schildert, die Spiße zu nehmen, sodaß man fie belaht oder zum mindesten belähelt. Man muß dazu freilih die Menschen auch durch seine Brille sehen wollen. Der Borgang, der ihm als humoristishes Beobachtungsobjekt dient, ist bald erzählt. Die Frau eines Baumeisters knüpft nähere Beziehungen zu den jeweiligen Mietern eines von ihr abge- gebenen Zimmers an, weist aber nit: destoweniger thren gutmütigen Mann, als sie eine Verfehlung seinerseits erfahren hat, aus dem Hause. Der gegenwärtige Mieter, ein Student, bringt es aber fertig, die Ghe- leute, indem er ihnen über thre beiderseitigen Sünden hinweghilft, wieder zusammenzuführen. Die Kunst Else Lehmanns fand für Tele

rau, die troß ihrer Verfehlungen nicht verächtlih wird, sondern die

usficht auf das Erwachen einer neuen reineren Seele durchblicken läßt, den rechten Ausdruck. Vorzüglih war ferner Herr Marr als \{wacher, doch herzlih lebender, aufbrausender und verzeihender Ehemann. Au Herr Grunwald wurde der Rolle des Studenten gerecht, der die Neigung zu seiner Zimmerwirtin bezwingt, um ih der Tat rühmen zu können, eine neue befsere Che zwischen den Ent- zweiten zu stiften. In der kleinen Episode des leßten, ungefähr- lien Mieters, eines alten Mannes, bekundete Herr Meinhard wieder seine große Charakterisierungskunst. Die ganze Darstellung war lustig und ließ doch den tragischen Unterton der Handlung deutlich hervorklingen. Den Abend beschloß eine Wiederholung von Hart- lebens bekanntem Einakter „Die sittlihe Forderung“ in der bekannten und bereits gewürdigten Beseßung mit Frau Triesh und Herrn Marr.

Zentraltheater.

Das Hebbeltheater, das erst im Januar n. J. sein eigenes Heim in ta Königgräßer Straße bezießen kann, begann am Sonn- abend in dem freigewordenen Zentraltheater setn Sesamtgastspiel mit einer Aufführung von Bernard Shaws Drama in vier Akten „Frau Warrens Gewerbe“. Gemeinsames zwischen dem ernsten, herben Niederdeutshen Hebbel, der dem neuen Hause den Namen und die Weihe geben foll, und dem irishen Spötter Shaw aufspüren zu wollen, wäre vergeblihe Mühe. Ein beliebiges Stück aus dem Spiel- plan des zukünftigen Theaters wurde zur Einleitung der Tätigkeit an fremder Stätte gewählt, - und rein technische Rücksichten mögen für die Wabl just dieses Dramas maßgebend gewesen sein. Obwohl mit Geist gesrieben, ift pon Marrens Gewerbe“ nicht eben das erquick- liste von Shaws nenwerken. In England und Amerika erhob si ein Sturm der Entrüstung darüber, daß er es darin wagte, die moralischen Begriffe auf den Kopf zu stellen und eine Anklage gegen die Gesellshaft durch den unreinen Mund einer Frau, die ein mit Recht allgemein verfemtes Gewerbe treibt, zu verkünden. Diese Frau hat eine Tochter, die sie fern von der verderbten Welt, in der sie lebt, zu einem gebildeten und gesitteten Mädchen hat erziehen lassen. Vivie hat keine Ahnung, woher der Wohlstand kommt, der sie umgibt, hat keine Kenntnis davon, daß ihre Mutter von dem Ertrage verrufener Häuser in den Großstädten Europas lebt. Als sie es aber erfährt, wendet sie

% mit Abscheu von ihr, um dur eigene ehrliche Arbeit thren P enounterhalt zu verdienen. In der entscheidenden Aussprache wischen Mutter und Tochter gipfelt das Stüdck. So Jer auch E die Anklagen sind, die Frau Warren wider die Gesellschast er- hebt, dur ihr eigenes Kind, das sie zu einem ehrbaren Mitglied eben dieser Gesellshaft hat erziehen lassen, wird sie zulegt verurteilt; so will es die poetische Gerechtigkeit, der si sogar der Sozialist Shaw nicht entziehen konnte. Und er gibt selbst damit zu, pes es um diese Gesellschaft do wohl nit ganz so {limm bestellt ist, wie er im allgemeinen glauben mahen möchte. _ E

Die Darstellung warf ein sehr günstiges Licht auf die zukünftigen Leistungen des Hebbeltheaters. Sämtlihe Rollen lagen in den Händen in Berlin bereits bekannter und bewährter Darsteller. Fn der Titelrolle begrüßte man gern wieder Frau Berktens, deren eindringliher Kunst es gelang, der Fran Warte soweit diese nit nur die Aufgabe hatte, Shawsche Lebensweisheit zu predigen, menschlide Züge zu verleihen, die ihr wenigstens einige Sym- pathien retteten. Als Sir George Crofts, ein brutaler, yer-

fommener Edelmann, der seine Einkünfte als Geldgeber für Frau Warrens einträglihes Gewerbe vermehrt, führte S benea Nissen, der vor einigen Jahren vom Deutschen Theater an die Wiener Hofburg ging, als scharf charakterisierender Künstler vorteilhast wieder ein, und Fräulein Maria Mayer zeichnete die Gestalt der Vivie {licht und liebenswert. Die wichtigen Nebenrollen waren bei den Herren Otto, Licho und Leopold, gut aufgehoben. Auch Ausstattung BO e I E 2M im Sette Mater Gutes zu erwarten at. arker Beifall rief zum U e

Direktor Dr. Nobert wiederholt bervor. ß E R

Z ¿ Königliche Hochshule für Musik.

m vorigen Freitag fand im Theatersaal der Köni \chule für Musik der 1. Dpernabend der von Frau S hie E mann-Engel zur Wiederbelebung in Vergessenheit geratener komischer Opern geplanten theatralischen Darstellungen statt. Aufgeführt wurden zwei Werke des 18. Jahrhunderts: ein zweiakliges sogenanntes „Intermezzo“ von Pergolese, dem Komponisten des weit über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus bekannten „Stabat mater“ (1710—1736): „La serva padrona“ („Die Magd als Herrin“) und ein Glu cksher komisher Einakter: „Der verliebte Kadi“. Die Intermezzi waren ursprüngliß als musikalische Einzelbestandteile mit _der opera seria verflochten; sie wurden dann zu selbständigen kleineren Handlungen verarbeitet und bildeten so die Vorläufer der opera buffa. In dem Werke von Pergolese treten zwei Personen, ein Doktor Pandolfo und seine Magd, auf, die dur nit immer gerade einleuchtend ersheinenbe Verführungskünste und durch eine mit Hilfe eines yerkleideten ftummen Dieners bewirkte Täushung ihr Ziel: \fich zur Herrin des Hauses zu machen, erreicht. Das Werk wurde zuerst im Jahre 1730 in Neapel aufgeführt, mate dann seinen Weg durch Italiea, Frank- reich und errang Miite des 18. Jahrhunderts in Paris einen Beifall, der, wie Jahn in seiner Lebensgeshihte Mozarts bemerkt, „fi bis zum Fanatismus steigerte“. Auch in Deutschland hatte das Werk, wie auch Goethe an einer Stelle hervorhebt, Erfolg; in Berlin ershien die Oper zuerst im Jahre 1810 auf dem Königstädtischen Theater unter dem Titel „Zofenherrshaft“. Die Wiedergabe am Freitag ließ einen derartigen Erfolg fast unbegreiflih erscheinen, wenn au zugegeben werden 4 daß hier mit bescheidenen Mitteln der Komponist beschränkte sich auf Streichinstrumente gefällige Wirkungen erzielt wurden, die in erster Linie aus den eins \{chmeichelnden Melodien zu erklären sind. Mehr Aussicht auf cine Wiederholung hat vielleicht der Gluckshe Einakter, der im Jahre 1761 entstand, 1783 zuerst in Berlin und zuleßt vor etwa 20 Jahren hier aufgeführt wurde. Die Musik atmet dramatisches Leben und verleugnet den Schöpfer heroisher Werke nicht; im übrigen gibt au der etwas größere Personenstand als in dem Pergoleseschen Stü dem Komponisten die Möglichkeit, si irte zu entfalten. Die Auf- führung war im allgemeinen zu loben; bemerkenswerte Leistungen boten Frau Heymann-Engel, die Leiterin des dankenswerten Unternehmens, als Zerbine und als Zelmire und Herr Sistermans als Pandolfo und Omar, auch Fräulein Johanna Naumann entledigte sich als Fatime in Glucks Werk ihrer Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit. Als musikalischer Leiter bewährte sich der bekannte Kapellmeister Bertrand Sänger. Die Regie (Herr Oberregisseur Schmelzer) hatte für \til- gerechte Ausstatlung Sorge getragen,

Im Königlihen Opernhause wird morgen, Dienéta „Tristan und Isolde“ in nachstehender Beseßung BELS Tristare: T Kraus; Isolde: Frau Plaichinger; Kurwenal : Bree Hoffmann;

rangäne: Frau von Scheele-Müller; König Marke: Herr Knüpfer; Melot: Herr Kirchoff; Matrose: Herr Iörn. Die öffentliche Hauptprobe für das Konzert des KöniglihenOpernchors (Kyrie von Mozart; Hymne von R. Strauß; „Parsifal“ von R. Wagner) findet am Mittwoch (Bußtag), Mittags 12 Uhr, statt. Billette hierzu find bis morgen abend bei Bote u. Bock, etwa noch übrigbleibende am Bußtage von 114 Uhr ab an der Tageskasse des Königlichen Opernhauses zu haben. _ m Ange Schauspielÿause wird morgen Blumen- thals und Kadelburgs Lustsptel „Der leßte Funke“ wiederholt.

Im Neuen Königlichen Operntheater geht morgen, als zweites Gastspiel der Madame Jane Hading, „La rafale“ von Henry Bernstein in Szene.

Mannigfaltiges. Berlin, 18. November 1907.

Auf dem Kirchhof in Westènd fand am Sonnabendnachmiita die feierlihe Beiseßung des am 13. d. M. verstorbenen Birtliges Geheimen Rats, Senatépräsidenten -a. D. beim Königlichen Ober- verwaltungs8geriht Dr. Jebens statt. An der Feier nahmen, der „Voss. Ztg.* zufolge, außer der Familie des Verstorbenen und Mits P des Oberverwaltungsgerihts u. a. teil der Präsident des Reichs- ankdirektoriums, Wirkliche Geheime Rat Dr. Koch, der Unterstaats- sekretär Dr. von Guenther, der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat von Rheinbaben, der Regterungspräfident Dr. von Guenther-Bromberg, der Oberbürgermeister Schustehrus und der Bürgermeister Matting hal e e Daa E der S erorvneten von

arlottenburg. Der Pfarrer Krummacher von der Kaise s Gedäÿhtniskirché hielt die Trauerrede. E

g im Monat Oktober 1907 bes rihtet das Königlihe Meteorologishe Institut auf Grund dec n gestellten Beobachkungen folgendes: Mit seiner ungewöhnlih milden und vorwiegend trockdenen Witterung {stand der Oktober in einem wohltuenden Gegensaß zum Sommer dieses Jahres. Im Osten war er vtelfach wärmer als der voraufgegangene September. Ganz Nord- deutshland hatte erheblih zu hohe Mitteltemperaturen, der Osten um 4—5, Mitteldeutschland um 3—4 und der Westen noch um 2—3 Grad. In Berlin ist, seitdem überhaupt meteorologische Aufzeichnungen vorliegen, ein o warmer Oktober noch nit vorge- kommen; es bleibt vielmehr der bisher wärmste Oktober 1795 hinter dem diesjährigen noch um § Grad zurück. Froft wurde felbst auf den Gipfelstationen nur ganz vereinzelt beobachtet. Anderseits über- schritt die Temperatur an einzelnen Tagen, besonders am Anfang und um die Mitte des Monats, fast überall 20 Grad, und stellenweise kamen im Osten sogar Sommertage (mit Maximal- temperaturen über 25 Grad) vor. Mit der hohen Temperatur herrschte in den östlihen Gebietäteilen bei südlichen Lusft- [rana heiteres, sonniges und trockenes Wetter; hier übera schritt die Sonnenscheindauer den normalen Betrag um mehr als die Hälfte, und die aus den seltenen Regenfällen fich ergebende Gesamt- menge des Niedershlags erreichte vielfa kaum ein Viertel des lang- jährigen Durchshnittes. Dagegen waren im mittleren und westlichen Deutschland, wo mehr südwestlihe Winde wehten, die trüben Tage häufiger als die heiteren, und Niederschlag fiel ziemli oft; infolge- dessen blieb die Sonnenscheindauer je weiter wesilih, um so mehr hinter der normalen zurück; die Monatssumme des Nieder- {lags war jedo au hier fast überall zu gering. Schneefälle fehlten selbst im Gebirge vollständig. Als im Anfang des Oktober tiefe ozeanishe Depressionen herrshenden Einfluß in Mitteleuropa ge- wannen, machte das heitere und trockene Wetter, das gegen Ende Sey- tember dur ein den Osten Europas bedeckendes Maximum hervor- E war, ausgebreiteten Regenfällen Plaß; die Temperatur blieb dabei infolge meist südliher Luftströmung ziemli hoh. Gegen Ende der ersten Dekade rückte alsdänn hoher Druck von Osten her bis Mitteleuropa vor, und damit trat zunächst im Osten, später au im Westen, unter Andauer der hohen Temperaturen, Aufklaren ein. Im Westen wurde es unter der erneuten Herrschaft ozeanischer Depressionen {hon vor Mitte des Monats wieder trübe und regnerisch; im Osten dagegen bedingte das östliche Hochdruckgebiet fast andauernd heitere u d trockdene Witterung. Vorübergehend weit na Westen vorrückend ief es um den 20. auch dort kurze Aufheiterung hervor. Nachher bércidis

Ueber die Witterun