1901 / 38 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Feb 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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die Passagiere bringen müßte. Wenige Monate darauf hat mir das gräßliche Eisenbahnunglück bei Offenbach L gegeben. _ Hier ist erlebt worden, daß Personen, welche shon halb mit dem He r aus dem Wagen bingen, nicht gerettet werden konnten und entseglih verbrannt find. Wir wissen ja, die Verwaltung trifft keine Schuld; die Ursache lag daran, daß die Signale durch den Nebel nicht erfennbar waren. Was foll nun mit den D-Wagen geschehen ? Der Minister wünscht gewiß lebhaft, Verbesserungen aues: aber die Techniker, welhe die D-Wagen konstruiert haben, sehen alles in rosigem Lichte und aben für die Nachtheile derselben kein Ohr. Der außerordentliche, in der Presse aller Parteien gerügte Mißstand, daß Platkarten für die D-Züge verkauft werden, ohne daß Plat vor- handen ist, dann die Gerüche, die die Wagen durchziehen, alles das ist immer noch nicht er Sind die Wagen wirklich fo vorzüg- lich fonstruiert, so behalte man sie bei, aber mit Coupéthüren. Die Messingstangen vor den Fenstern sind immer no nicht entfernt, obwohl der Minister das schon früher versprochen hat. Man soll auch die Verbesserungen nicht auf die lange Bank schieben; auch möchten doch die Erwägungen, die von einer besonderen Kommission angestellt werden, ret bald sich in Thaten umseßen! Die D-Qige sind im Publikum entschieden diskreditiert worden. Auch im preußischen Landtage hat man ih in E Weise geäußert. Wer schnell reisen will, muß mit den D-Zügen fahren, das beweist aber nicht, daß auf denselben alles vortrefflih ist. Ließe man die Dinge auf si beruhen, so würde die öffentlihe Meinung immer ags in Parlament und Presse die Frage auf die Tagesordnung ringen. :

Minister der öffentlihen Arbeiten von Thielen:

Ich kann in meiner Antwort die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Prinzen von Carolath und des Herrn Grafen von Oriola mit einander vereinigen. Sie behandeln ja im Großen und Ganzen dasselbe Thema: Offenbah und den D-Wagen. Meine Herren, die Kombinierung des Offenbacher Unglücks mit dem D-Wagen hat keine materielle Berechtigung. Das Offenbacher Unglück is weder durch den D-Wagen hervorgerufen, noch ist das Offenbacher Unglück durch den D-Wagen verschlimmert worden. Im Gegentheil, es ist ganz klärlih zu beweisen für jeden Techniker, daß das Offenbacher Unglück sehr viel größer geworden wäre, viel mehr Opfer erfordert haben würde, wenn niht D-Wagen in dem Zuge gewesen wären. Es is vor dem Offenbacher Unglück ein ähnliches Unglück in Heidelberg passiert. Dort sind gerade so wie auf der Blostation zwischen Offenbah und Mülheim zwei Züge auf- einander ‘gefahren, einer von hinten auf den anderen: in Heidelberg sind neun Personen getödet und 176 verwundet da waren feine 1)-Wagen, aber allerdings die Wagen weit dichter beseßt —, in Offen- ba 13 verbrannt, einer erhebliher verwundet ein Knöchelbruh —, die übrigen Passagiere sind heil oder wenigstens nur mit kleinen Beulen und Wunden denselben Abend nach ihrer Heimath gefahren.

Wie ist das zu erklären? Einfach daher: die Konstruktion des 1)-Wagens ist sehr viel widerstandsfähiger als die aller anderen. Die 1D)-Wagen haben erstens ein außerordentlih kräftiges Untergestell welches man allerdings nicht bei Abtheil-Wagen anwenden kann —, aber zweitens sind ihre Seitenwände nicht durch Thüren zerschnitten. Sowie die Seitenwände mit Thüren zerschnitten sind, hören sie über- haupt auf, als Sicherheitsfaktor zu wirken. Nur wenn der Verband völlig intakt ist, der Wagenkasten mit Untergestell ein Ganzes bildet, ist der Widerstand so groß, wie sich in Offenbach zeigte. Dort ist der {were Personenzug mit voller Kraft auf den leßten D-Wagen aufgefahren, die Maschine in den leßten DH-Wagen bis an den Führerstand hineingedrungen, hat alles zermalmt, was im Wege stand; am Schluß des vierten Abtheils des leßten D-Wagens ist die kolossale lebendige Kraft des Zuges konsumiert gewesen, die Passagiere der beiden leßten Abtheile dieses D-Wagens und die des Restes des Zuges haben ihre Abtheile verlassen können. Das wäre nit mögli gewesen, wenn der D-Wagen nicht eben vermöge seiner Konstruktion diese Widerstandskraft gehabt hätte. Grausig ist das Unglück hauptsächlich . dadurch geworden, daß zu dem Zusammen- stoß, der Zermalmung der Passagiere in den vier leßten Abtheilen noch der unglückselige Umstand kam, daß einer von den Gasrezipienten an der Stirnwand dur ein spitzes Eisen durchstoßen und dem Gas die Möglichkeit des Ausströmens gegeben wurde. Das Gas ist nicht erplodiert, das ist ein Irrthum. Das Gas ist überhaupt nicht erplosibel. Die Mischuug von § Leuchtgas und {4 Acetylengas, die wir überall anwenden, ist ein völlig unerplosibles Gemisch, wie festgestellt ist durch wissenschaftlihe und praktishe Untersuhungen, auch von der technishen Gewerbedeputation, die cine ganz unabhängige Be börde ist. Aber item: as Gas hat entstrômen fönnen. In den Wagen ist die Maschine hineingefahren, der Schornstein der Maschine vom Wagendach abgeshoren und die 700° heißen Feuergase aus der Feuerbuse find in den Wagen eingeströmt, haben natürlich

alles, was brennbar war, entzündet und es hat ein Gemisch zwischen Gas und Luft stattgefunden. Da ist eine Explosion entstanden, wie sie immer entsteht, wenn man Gase zu gewissen Theilen mit atmospbärischer Luft mengt. Diese Gaserplofion hat aber niemandem mehr geschadet, sie ist zum Dach hinausgegangen. Es ist als positiv sicher anzunehmen, daß die unglücklihen Opfer, die in den vier leßten Couvés waren, auch nit zu retten gewesen wären, wenn die Ent- zündung des Gases niht stattgefunden hätte. Sie sind dur den Brand nur rascher befreit worden; denn sie waren wohl sämmtlich an | ibren Erxrtremitäten zerquets{t und zermalmt von der Lokomotive, die mitten in den Wagen hineingefahren war.

Meine Herren, bei dieser Gelegenheit ist der Beweis erbracht worden, daß einmal die Thüren in dem lezten Wagen nicht gangbar waren: es bestehen ja im D-Wagen auch vier Thüren. Dagegen war gangbar cinmal der Zwischengang zwischen dem Wagen, der mit der bekannten Lederharmonika geschlossen ist, und gangbar waren die Fenster der beiden leyten Abtheilungen des leyten Wagens, dur die verschiedene Leute hinausgeklettert find, ohne irgend welden Schaden zu nehmen. Dadurch widerlegt \sich die Auf- fassung des Herrn Abg. Prinzen Carolath, daß man durch die Fenster si überhaupt nicht retten könne. Dieser leyte Wagen war ein gewöhnlicher 1»-Wagen der preußischen Staatseisenbahn, der darauf folgende Wagen war ein D-Wagen der Pfälzer Eisenbahn, von un- gefähr gleicher Konstruktion. Also der D-Wagen hat zu dem Unglück nichts beigetragen und hat das Unglück auch nicht verschärft, sondern das Gegentheil ift richtig.

J will auf die technishe Frage nicht weiter eingehen, die ja sehr \{wierig in diesem Hause zu erläutern ist; fie kann nur in einem kleinen Kreise an der Hand von Zeichnungen und technischen Aus- führungen stattfinden, was naturgemäß auch einige technische Kenntniß vorautssett. (Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, den D - Wagen ist ja außerordentlich viel

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Séhlechtes schon von ihrer Geburt an nachgesagt worden. (Heiterkeit. )

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Das will ih durchaus nicht leugnen, ich will auch durchaus nicht leugnen, daß noch mandhes an ihnen verbesserungsbedürftig und -fähig ist. Ich kommeanoch auf die kleinen Dinge, die namentlich Herr Graf von Oriola vorgetragen hat, später zurück. Aus Anlaß des Offenbacher Unglücks habe ih die Vertreter der bekanntesten und be- währtesten Wagenbauanstalten, also die ersten Spezialsachverständigen, die wir in Deutschland für diese Sache haben, zusammenberufen, und wir haben die Frage des D-Wagens mit allen den ihm bei- gelegten Tugenden und Untugenden auf das gründlichste besprochen. Ih habe eine Reihe von Vorschlägen durch Modelle in Lebensgröße bei der Gelegenheit vorgeführt, habe au einen Wagen fo einrihten lassen, wie vorgeschlagen war. Das Resultat dieser Erörterung war, daß die sämmtlichen Herren einstimmig erklärten: es kann fein größerer Nükschritt gemacht werden, als das Prinzip der Wagen ohne Seitenthüren für Schnellzüge aufzu- geben. (Hört! hört!) Und in aller Welt ist man derselbeu Auf- fassung; denn dieses Wagen-Modell ist überall, in allen Kulturländern angenommen worden. Auf der Ausstellung in Paris haben Sie überhaupt keinen Wagen gesehen, der nicht nah dem- selben System gebaut war. Es ist richtig, es existieren einzelne Züge, bei denen die D-Wagen auch mit Seitenthüren ver- sehen sind. Aber sicherer sind sie nicht, sondern unsicherer. Und was die Bequemlichkeit der Reisenden anbetrifft, so war das mitbestimmend, weshalb wir zu diesem System in dem Perjonen- wagenbau uns bekehrt haben, da wir die Reisenden auf langen Strecken davor bewahren wollten, daß auf jeder Station irgendeiner das Coupé aufreißt und die Reisenden belästigt. Jeßt ist do wenigstens Nuhe für die Reisenden eingetreten, die auf weiten Strecken verkehren wollen. Meine Herren, in dem Jahre vor der leßten Pariser Aus- stellung hat mein französischer Kollege den großen Cisenbahnkompagnien in Frankreich ausdrücklich aufgegeben, für alle Linien D-Züge zu kon- struieren. Das) ist, auh geschehen, und die Leute, die nach Paris ge- gangen sind, sind alle in solchen Wagen gefahren. Vollkommen ist der D-Wagen sicher niht, wir sind auch erst im Anfange. Er kann vielleicht nah mancher Nichtung hin verbessert werden, z. B. durch Vergrößerung der Fenster, Erleichterung der Möglichkeit, aus den Fenstern im gewöhnlichen Betriebe sein Gepäck hinauszugeben und bei Unglüsfällen dur die Fenster hinauszukommen. (Zuruf rets.) Ach, das können alle Leute, das is unzweifelhaft, Männlein und Fräulein, das ist bewiesen worden bei dem Offenbacher Unglück.

Ich komme bei der Gelegenheit auch auf die Stangen. Der Abg. Prinz Carolath hat mit mir in diefer Beziehung hon ein Ge- feht gehabt im vorigen Jahre im Herrenhaus. Sie haben das auch heute erwähnt, aber mich vollständig mißverstanden oder ih Sie (Heiterkeit). Die Stange vor dem Fenster, d. h. vor der Fensteröffnung ist beseitigt (sehr rihtig!), aber die Stange steht jeßt dort, wo die Fensterbrüstung unten ab- \hneidet, (sehr richtig!) und muß dort stehen bleiben, damit derjenige, der \sih in den Gängen bewegt, sih anhalten kann, um davor bewahrt zu werden, dur einen Schubs des Wagens ins Fenster zu fliegen. Man kann nicht sagen, daß die Stange vor dem Fenster sitzt, darunter kann. uur verstanden werden, daß das freie Profil der Feisteröffnung irgendwie dadurch beeinträchtigt wird, und das ist nicht der Fall. (Zuruf links.) Die Fensterumrahmung geht aller- dings nicht ganz herunter. Das ift eine der Fragen, die jeßt erörtert werden, ob das zu ermöglichen ift. Einen großen materiellen Werth hat es nicht, aber ich möchte glauben, daß es do, wenn auch vielleiht nur moralisch, als cin Gewinn anzusehen ist, wenn die Oeffnung etwas größer dadurch wird, daß die Fenster ganz heruntergelassen werden können. Aber auch durch die jeßige Oeffnung kann jeder hindurch. Uebermorgen beginnen die Erörterungen im Reichs-Eisenbahnamt, unter dem Vorsitz desselben zwischen den sämmtlichen Bundesstaaten, die ibrerseits Eisenbabnen betreiben, und bei der Gelegenheit werden alle diese Fragen erörtert werden, auch die Frage, ob in die D-Wagen Thüren einzuschneiden sind für gewöhnlihen Gebrauch oder Noth- thüren, oder sonstige Einrichtungen, oder ob wir au, wie in den amerikanischen Wagen, zwei gekreuzte Aerte in die Coupés hängen sollen, und andere derartige Fragen.

Ich komme nun auf die Beleuchtung. Die Sache steht so, daß ungefähr 150 000 Wagen von allen eisenbahnbetreibenden Staaten auf dem Kontinent und in Amerika mit Gas meistentheils, zum theil auch noch mit Kerzen, Rüböl, Petroleum und so weiter beleuchtet sind und 8000 elektrisch. Die Elektrizität wird sich nach meiner per- sönlichen Auffassung unzweifelhaft auf die Dauer die Herrschaft erringen, au“ in Bezug auf die Beleuchtung der Wagen, aber meine

| Herren, beutzutage kann sie diese Herrschaft noch niht beanspruchen,

denn sie hat uns noch kein System der elektrishen Beleuchtung prä- sentiert, die im großen Maßstab anwendbar und zweckmäßigwäre. Was in dieser Beziehung besteht, kann einstweilen nur als Versuch angesehen werden. Meine Herren, für die kleineren Verwaltungen, auf denen nur geschlossene Züge hin und her fahren, ist die Ein- führung des elektrishen Systems, wenn man nicht auf die Helligkeit

| der Beleubtung gar zu schr \sih einlassen will, gewiß zweckmäßig.

Die Verwaltung wird dann auf der Anfangs- und Endstation den elektrishen Strom erzeugen oder kaufen, die das elektrische Licht liefert für die Fabrten bin und ber: so günstig sind aber nicht die Reichseisenbahnen und noch weñiger die preußischen Staatseisenbahnen situiert. Wir können nur arbeiten entweder mit dem System der Accumulatoren, was jeßt wobl allgemein für diesen Zweck verworfen wird und zwar, einmal deswegen, weil es den Wagen ganz außerordentlich beshwert, und zweitens deswegen, weil cs im Betrieb unbequem ist. Jh muß nach 3 oder 4 Stunden Fahrt entweder die Accumulatoren wechseln oder den Wagen außer Betrieb und einen anderen dafür einsetßen, und drittens wegen der Feuersgefahr. Diese ist beim Accu- mulatorenbetrieb größer als beim Gasbetrieb ih brauche mich nur darauf zu berufen, daß fast kaum eine Woche ver- geht, wo nicht hier in Berlin durch Kurzs{luß oder aus

cinem anderen Grund in cinem Accumulatorenwagen ein Wagen

in Brand geräth, in einzelnen Fällen sind sogar Wagen ganz nieder- gebrannt. Es bleibt also nur zweitens das System, daß man einen be- sonderen elektrischen Beleuchtungswagen benutit, der seinen eigenen Dynamo hat, und wo mit einem besonderen Dampfkessel die Dynamomaschine in Thätigkeit gesezt und das Licht erzeugt wird. Das ist insofern vorzuziehen, als die Feuersgefahr dann entschieden weit geringer ift, und als zweitens au die Lichtstärke leichter dem Bedürfniß entsprechend reguliert werden kann. Aber das System hebt die Individualität des Wagens auf: sie bringt zu den Leitungeu, die wir jeyt in dreifacher Form haben, noch die vierte Leitung für die elektrishe Beleuhtung

Dirizit: und ist namentli in Preußen wegen der vielen aus- und Ä

zuseßenden Durchgangswagen {wer durhführbar.

Nun kommt drittens ein System, das au von uns jegt ver.

\suchsweise in Anwendung gebracht wird, wo. auf die Achse eie scheibe aufgeseßzt wird, die einen kleinen Dynamo speist, und dieser Dynamo spendet dem betreffenden Waggoh das Licht, und da bisweilen der Wagen auch steht und längere Zeit steht, muß nebenbei eine fleine Accumulatorenbatterie gespeist werden. Mit der Einführung dieser Accumulatorenkbatterie, wenn sie auch viel kleiner ist, als wenn sie zur gänzlichen Beleuchtung ausreichen müßte, zieht in den Wagen wieder eine neue Feuersgefahr ein. 4

Also die Elektrizität ist zur Zeit noch nicht in der Lage, wenigstens

nach unserer Auffassung, ein für die elektrishe Beleuchtung unter den

Verhältnissen, unter denen wir arbeiten müssen, brauchbares und zur allgemeinen Einführung geeignetes System uns zu gewähren. Daz wird au von den Elektrotehnikern, wenigstens von denjenigen, die niht unmittelbar selber eine Erfindung in dieser Beziehung gema baben, anerkannt. Nichtsdestoweniger erkenne ih die Verpflichtung der Verwaltung an, mit Versuchen in dieser Richtung fortzufahrg,

Das Gaslicht ist bis jeßt die bei weitem verbreitetste Beleuß. tungsart. Nicht nur auf dem Kontinent, sondern in England, in Amerika, überall is man bezüglich der Elektrizität noch in einem ge: wissen Versuchsstadium.

Es wird nun auf die Post hingewiesen. Die Post hat elektrische Beleuchtung; aber die elektrische Beleuchtung der Post dient anderen Zwecken, als. sie bei uns dienen soll; die Post bedarf eines transportablen Lichts, um in die einzelnen Schalter hineinleuhten zu „können, um auf dem Tish zu leuchten, wo die Leute arbeiten, ihre Briefe fortieren u. \. w. Diese Leute können bei einem Licht oben von der Decke aus nicht genügend sehen. Dazu ist naturgemäß das elektrische Licht besonders geeignet, ift auh für diesen Zweck weniger gefährlih als eine Lampe, die umfallen und Feuer verbreiten kann.

Nun, meine Herren, komme ich auf die Propheten. Als solcher hat sih der Herr Abgeordnete Prinz Carolath gezeigt, indem er zurückgegriffen hat auf cine Aeußerung, die er im vorigen Jahre im Herrenhause gemacht hat, wo er allerdings prophezeit hat, es wird einmal wieder ein Eisenbahnunglück kommen! (Heiter- feit.) Diese Prophezeiung kann jeder von uns machen; aber ein solches Unglück zu prophezeien, war wohl niemand in der Lage. Ich bin wohl unter den Eisenbahnbeamten der älteste; ich diene seit demJahre 1864 dem geflügelten Nade: aber einen ähnlihen Unglücksfall habe ih nie erlebt, der unter so ganz abnormen Bedingungen sich entwickelt hat. Wenn der Abg. Prinz Carolath diesen Unglücksfall vergleicht mit dem Bischweiler, so möchte ih ihm bemerken, daß diese beiden gar nichts mit einander zu thun haben. Ich weiß nicht, ob den Herren Ab- geordneten der Bischweiler Unglücksfall näher bekannt ist; er bestand darin, daß ein Zug beim Einfahren in die Station Bischweiler nicht genügend gebremst werden konnte, er fuhr über seinen Haltepunkt hinaus auf einen Güterzug, dessen leßter Wagen ein Spirituskesselwagen war. Diesen zertrümmerte er. Der Spiritus fing an dem Feuer der Maschine seinerseits Feuer und infolge dessen verbrannte der hinter der Maschine stehende Postwagen und ein Theil seiner In- sassen. Das hat mit dem Offenbacher Unglück nur das Gemeinsame, daß hier wie dort Leute verbrannt sind ; das ist aber auch die einzige Aehnlichkeit, in den Ursachen liegt eine absolute Verschiedenheit.

JIch komme nun auf einzelne kleine Sachen, und da fann ih mich wohl fkürzer fassen. Es ift namentlich von dem Herrn Abgeordneten Grafen Oriola mit Recht moniert worden, daß die Wasch- und sonstigen Lokale nicht auf der Höhe der berechtigten Anforderungen der Reisenden ständen. Das unterschreibe ich vollständig, und ich habe im vorigen Jahre bereits Auftrag ge- geben, nicht nur bei Neubestellung von Wagen andere Einrichtungen zu treffen, sondern auch allmählich die alten mit diesen verbesserten Einrichtungen umzubauen. Jch will mich hier auf dieses etwas be- denklide Thema, was ih allenfalls in der Kommission hätte weiter ausführen können, angesichts der Tribüne nicht weiter einlassen: aber es wird unzweifelhaft besser werden, und ih bin au gern bereit, dem Herrn Grafen Oriola den Plan zu diesen Verbesserungen vor- zulegen. (Heiterkeit.) Wenn das geschieht, so hat die Reinlichkeits* dame, die wir in die D-Züge geseßt haben, dann auch cin viel dank- bareres Feld für ihre Aufgaben und wird dem wohl auch besser gerecht werden. (Heiterkeit.) i

Ferner ist in Erwägung genommen, aber noch nicht zum Abschluß gekommen, weil übermorgen die Konferenz bevorsteht, die Frage der tbunlichsten Erweiterung des Ganges in den D-Wagen, überbaupt Ein- rihtungen, die nah Möglichkeit das Zusammendrängen der Reisenden mit ibrem Gepäck in den Gängen verhindert, auch eine shärfere Auf- sit darüber, daß in den Wagen, wo nit geraucht werden darf, die Reisenden in den Gängen nicht rauchen und daß der Küchenwagen mit scinen Gerüchen besser abges{hlossen wird. Auf die vereinzelten Klagen,

z. B. cin Reisender keinen Play hätte bekommen können, troß seiner Platkarte, will ih hier niht eingehen. Das sind kleine Ér- eignisse, die niht zur allgemeinen Aufregung beigetragen haben, die sich auch durh* cine Verfügung an die betreffenden ausführenden Be- bôrden einfa erledigen lassen.

Jh möchte nun - schließen, so wie der Herr Abg. Prinz Garolatb ges{lossen hat, daß finanzielle Erwägungen bei Dingen, die die Sicherbeit der Reisenden betreffen oder die Sicherheit der Beamilen, aub nach meiner Meinung niemals den Ausschlag geben sollen, mel aber, daß den Ausfhlag geben muß, daß man wirklih überzeugt i! und nach dem Urtheil der Sachverständigen überzeugt sein muß, da wir an die Stelle des Bestehenden au etwas Besseres seyen. 7

Abg. Müller- Fulda (Zentr.): Der Minister hat selbt anerkannt, daß die D-Wagen verbesserungsfähig und verbesjerun" bedürftig sind; es steht nur zu wünschen, daß bald entsprehende A hilfe erfolgt. Auch die jetzige Beleuchtung ift niht nur sle, jon- dern auch gefährlih; das dat die Erfahrung bewiesen. In E Budgetkommission ist man \{li{lich einhellig der Ansicht gewe], daß die Reichêländer mit der vierter Klasse verschont bleiben möchten- Der allgemeine Wunsch geht dabin, die dritte Klasse möglichst zu ber» billigen. Redner unterstützt {ließlich den Wunsch des Abg. Vonderscheer-

Abg. Werner (b. ê F.) erklärt scin Einverständniß mit d" Ausführungen des Vorredners aus dem Hause. Der Bauern dürfe man das Reisen niht erschweren. Ueber Bahnman die Reichsländer doch nicht klagen; Ostpreußen sei unendlick mütterlicher bedaht. Daß die Bahnverwaltung nah olitischen r 4 sichten mit threm Segen die Woblkreise in Elsaß-Lot ringen beglü würde wohl niemand glauben. Wenn man schon tine Klasse Wf Fre lassen wolle, so möge es die erste sein. ‘Redner empfic®,

ließlich die Gewährung weitgehender Vergünstigungen für reisenden Militärurlauber,

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ist,

r : Die - Resolutionen der udgetkommission werden an-

| genommen, deêgleichen der Antra Schlumberger-Paasche.

Die Ausgaben für die Zentralverwaltun werden bewilligt. Bei den persönlichen Ausgaben für die Betriebsverwaltung herihtet der Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.) über die ngegangenen Petitionen. S ; / eber die Petition des Betriebs-Sekretärs Bollacher in Siraßburg und Genossen um Gleichstellung im Gehalt mit den asenbahn-Sefretären oder den Sekretären der übrigen Provinzial- “hehórden sowie über die Petition des Betriebs-Sekretärs Jäger nSiraßburg und Genossen um Aufbesserung der Besoldung der „bs-Sekretäre wird nah dem Antrage der Budgetkommission c Tagesordnung übergegangen. Die persönlichen Ausgaben gden nah dem Etatsentwurf bewilligt. An den sächlihen Ausgaben für Unterhaltung und Er-

gánzung der Ausstattungsgegenstände sowie für Beschaffung

jer Betriebsmaterialien sollen 500 000 f nah dem An- trage der Budgetkommission abgeseßt und nur 8676 000 a bewilligt werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten v on Thielen: Meine Herren! Ich möchte Sie bitten, diefem Antrag der

Budgetkommission nicht zuzustimmen, da er nah meiner Auffassung pon irrigen Vorausseßungen ausgeht. Es würde ja der Reichs-

Eisenbahnverwaltung sehr erwünscht sein, wenn sie ihre Betriebs-

fohlen um 500000 M. billiger beschaffen könnte; allein sie fann nicht annehmen, daß das auf dem von ‘der Kommission ] empfohlenen Wege der Fall sein kann. Die Kommission glaubt, daß

wir Ruhrkohle billiger beziehen könnten, und zwar hauptsächlich dann,

wenn wir sie über Wasser bezögen, über den Hafen Lauterburg z. B.

Die Frachtberehnungen ergeben aber, daß nicht eine Verbilligung, sondern eine Vertheuerung der Kohlen durch diese Art des Bezuges eintreten würde. Es ist ja rihtig, daß der Preis von 15 #, der für Saarkohle eingeseßt ist, ein verhältnißmäßig sehr hoher ist. Die Abschlüsse, die ich mit dem Syndikat an der Ruhr für das nächste Betriebsjahr gemacht habe, lauten auf 11 A 10 4: allein wenn ich dieselben Kohlen nah Elsaß-Loth- ringen beziehen will, und selbst wenn ih dann nur die Preise an- nebme, die man gewöhnlich sich selbst anrechnet, dic Selbstkosten, mit 17 9/0, so kommen wir doh immer auf einen höheren Saß und bringen eine \{lechtere Kohle. Denn die Sciffskohle ist nie eine frische, son- dern meistentheils eine Mischkohle: (Hört, hört! rechts.) Wer in der Lage ist, sich seine Kohle direkt mit dem Waggon zu beziehen, fris{ aus der Grube gefördert, bekommt jedenfalls ein besseres Produkt, als wenn man es mit dem Schiff bezieht. (Hört, hört! rechts.) Dahingegen, um dem Herrn Abgeordneten Gamp gleich zu antworten (Heiterkeit), hat der Bezug per Schiff oder auf dem Kanal, oder den natürlichen Wasserstraßen den großen Vorzug, daß meist die Trans- vortkosten erheblich billiger sind, und daß man eben eine Kohlensorte auf den Schiffen herstellen kann, wie sie der Konsuments gebraucht. Der große Konsfument, der nicht darauf angewiesen ist, wie die Eisen- bahn-Verwaltung, Kohlen aus bestimmten Gruben zu beziehen, thut viel besser, er kauft nicht die Kohlen aus einer Grube, fondern er mischt sie aus mehreren Gruben. Darin besteht neben den in der Regel geringeren Transport-Kosten der Vortheil des Schiffs- bezugs. (Zuruf rechts.)

Im allgemeinen also können wir viel besser die frischen Kohlen gebrauchen als die Schiffskohlen, die noch ein paar Mal umgeladen worden sind und dann erst in die Lokomotive kommen. Durch das Umladen leiden sie natürlih auch. Wir fkönnen aber für die Loko- motiven nur Kohlen gebrauchen, die einkn gewissen Prozentsay Stücke haben. Wenv das nicht der Fall ist, bheibt die Feuerung nicht lüftig genug und kann nicht den nöthigen Dampf erzielen. Darum werfen wir au sehr viele Briquets dazwischen, um diefen frischen Luftzug zu erhalten.

Ich glaube also nicht, daß die Voraussetzungen zutreffen werden, von denen die Budgetkommission ausgegangen ist, als sie uns die 500 000 M absette. Und, meine Herren, mit dem Absetzen ist allein nichts gethan. Jch sche voraus, daß wir die 500 000 M gezwungener- maßen, troßdem wir gewiß Geborsam einem Beschluß des Reichstages bezeugen werden, doch ausgeben werden. (Sehr richtig! rechts.) Jch bitte also, den Beschluß der Budgetkommission niht zuzustimmen, sondern den ursprünglichen Ansahz stehen zu lassen. Sie können über- ¡eugt sein wir sind ja {on berüchtigt wegen unserer Sparsamkeit! (Heiterkeit) —, daß wir auch in dieser Beziehung thunlichst sparsam vorgehen werden und den „Koblenbaronen®“, oder was da sonst in Frage kommt, niht mehr bezablen werden, als wir unbedingt müssen. Unser größter „Kohlenbaron“ für Elsaß-Lothringen, meine Herren, it der Fiskus (Heiterkeit), und dem gegenüber sind wir auf die Preise angewiesen, die er von den Anderen auch erreicht.

Abga. Dr. Paasche: Es ist mir sehr interessant, zu hôren, daß der Fiskus als Kohlenlieferant von den Reichseisenbahnen 15 A ver- langt, während das fo angefeindete Syndikat sich mit 11,10 M be- gnügt. Ich möchte gerade aus diesem Grunde troy des Widerspruchs des Miniîters für den Kommissionsantrag eintreten. Der preußische Fiskus als größter Kohlenbaron wird im nächsten Jahre bei dem An- wasen der Vorräthe ebensó wie die Privaten zum Herabgehen mit den Preisen gezwungen sein, so daß man etwa von dem 1. Juli ab billigere Preise haben wird.

Abg. Gamp (Rp.): Die Spannung in der Koblenfrage hat ja etwas nachgelassen, aber die Preise sinken deshalb nicht. Das Syndikat und auch Oberschlesien haben dieselben * reise wie jeyt für daé nächste Jahr festgesetzt; ja, in Oberschlesien soll der Fiskus sogar eine Erhöhung beabsichtigen. Daß der Fiskus so viel für seine Kohlen nimmt, wie er bekommen fann, ist ihm nicht zu verdenken. Es wird sich ja schließli herausstellen, ob der Minister oder die Kommission Recht behalten hat.

Abg. Graf von Tan (d. kons.): Ih freue mi, daß der Minister von den auf dem Wasserwege heranzuschaffenden Ruhrkoblen nichts wissen will; es wird das bei der Berathung der wasserwirth- schaftlichen Vorlage in Preußen von Nuyen sein. Ich trete im übrigen für den Antrag der Kommission ein. Wir befinden uns mil der Koblenkonjunktur auf dem absteigenden Ast. Das behaupte ich, troy der entgegenstehenden Meinung des PYerrn Gamp. Gewiß nimmt Jeder, was er bekommen kann, das Kohlensyndikat hat aber au beschlossen, die Förderung einzuschränken. Das zeigt ebenfalls, u die übertrieben hohen Kohlenpreise sih auch auf die Dauer nicht balten lassen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Ih bedauere sehr, noch ein paar Worte über dieses Thema sagen zu müssen. Dem Herrn Grafen von Kaniß will ih auf diese implicite angebrachte Kanaldebatte nicht folgen. Wir

werden ja uns darüber in dem preußischen Landtage noch ausfprechen. Aber ih möchte Ihnen doch noch sagen, daß, wenn Sie uns die 500 000 Æ streichen, wir nit in der Lage find, jeßt mit dem Bergfiskus über die Saarkohlen oder mit irgend jemand anders einen Abs{hluß zu machen, und wir nachher dann sehen können, wo wir unsere Kohlen herbekommen. Jeder große Konsument {ließt größere Verträge ab, und wenn wir uns jeßt nit decken, so ist es ungewiß, wo und wie wir in Zukunft Deckung finden werden. Es hat wirklich nur einen moralischen Werth, wenn Sie die Summe streichen, und ih glaube noch nicht einmal, daß der Effekt auf die Preisstellung der Kohlen groß sein wird, wenn Sie die 500 000 A. streichen. Sie setzen aber die Reichs-Eisenbahnverwaltung offenbar in Verlegenheit, sie kann dann nicht abschließen, und sie muß warten, ob im Laufe des Jahres vielleiht eine Preisermäßigung eintritt und ob dann noch Kohlen zu haben sind.

Abg. Dr. Müller-Sagan: Ich bedauere sehr, daß der Minister si über die Kanalvorlage nicht äußern will, zumal da der Graf Kanißz die shwache Position der Regierung ausgenußt hat. Warum folgt der Minister nicht auch in dieser Frage der Autorität des Abg.

Schlumberger? Wir brauchen Aufklärung über das Verhältniß der Ruhrkohle zur Saarkohle.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Jch möchte diese Erklärung gern geben. Ich will sie nah einer Richtung geben, nämlih nach der des Vergleichs der Ruhrkohle mit der Saarkohle bezüglich des Heizwerths. Nach den alten Erfahrungen fann man sagen, daß im Durchschnitt es giebt ja an der Ruhr verschiedene Sorten, es giebt an der Saar verschiedene Sorten die Ruhrkohle im Durchschnitt etwa 75 0/9 mehr Heizkraft hat als die Saarkohle.

Ich möchte ferner darauf aufmerksam machen, daß die Be-

schaffung der Kohlen durch das Kohlensyndikat vor zroei Jahren zu

verhältnißmäßig billigen Preisen erfolgt ist. Damals häben wir zu 11,10 M. abgeschlossen. Dieser Preis ist im vorigen Jahr und auch {hon im Laufe des vorvorigen Jahres ganz erheblich im freien Handel überschritten worden. Wir haben nach vielen Verhandlungen das Kohlensyndikat dazu bestimmt, diesen Preis von 11,10 M. auch für das nächste Jahr bestehen zu lassen. Ebenso sind wir in Verhandlungen mit dem Bergfiskus wegen der Saarkoble und in Verhandlungen mit Lothringen wegen der Rosselkohle getreten. Diese letztere Kohle ist für die Lokomotivheizung sehr geeignet und entspricht in ihrem Werthe für die Lokomotivfeuerung ungefähr der Nuhr- fohle. Die Ruhr und die Saar . sind aber in ihrer Produktionsfähigkeit sehr beschränkt, dagegen haben fie ein großes Absatzgebiet im Jnlande zunächst und auch im Auslande, fodaß der Fall doch vorkommen kann und ih sehe dem mit Beforgniß ent- gegen —, daß wir von der Saar und. von der Nossel späterhin ein größeres Quantum nicht mehr bekommen werden. (Hört! hört! rets.) Ob das bei der Ruhr auch der Fall sein will, das muß sich ja zeigen. |

Jtem, die Kohle ist für uns theurer, wenn wir he über den Hafen in Lauterburg nach unseren Verbrauchsorten beziehen, als wenn wir sie direkt mit dem Waggon von der Zeche beziehen.

Abg. Dr. Graf zuStolberg-Wernigerode: Die Vertreter der Regierung bewegen sih in einem gewi}jen Widerspruch hinsichtlich der Koblennoth und der Kohlenpreise. Im preußischen Abgeordnetenhause hieß es: die Koblennoth existiert nicht, wir haben hohe Preise, aber der Höhepunkt ist überschritten. Gerade diese optimistishe Auffassung ist für die Kommission maßgebend gewesen, die Abstriche zu machen. Jeßt soll es auf einmal anders sein. Ich glaube, daß dle Kohlenprei]se thatsächlih beruntergehen werden, und daß wir unbedenklich diefen Abstrih machen können.

Abg. Franken (ul.) vertheidigt den Beschluß des Kohlen- \vndikats, die Förderung der Kohle zu reduzieren, weil 1m Januar 1/, des Betrages weniger verkauft sei als im vorangegangenen Ve- zember. i j i

Abg. Graf von Kaniß: _Wenn das Angebot cin größeres wird, so ergiebt sih daraus von selbst ein Sinken des Preises. Das deckt ih vollständig mit der eben vom Vorredner gegebenen Erklärung. Nur durch die Einschränkung der Förderung fann das Syndikat ein Sinken der Preise zunächst verhindern. Es wäre sehr zu wünschen, bei den boben Kohlenpreisen niht auch noch mil Förderungsreduktionen vorzugehen. s. E L

Bei der Abstimmung wird die im Etat geforderte höhere Summe einstimmig abgelehnt und die Absegung der 500 000 M beschlossen. 2 ] :

Am Extraordinarium des ordentlichen Etats hat die Kom- mission keine Aenderung beantragt; dasselbe wird unverändert ängenonmena. Ï |

Vor dem Eintritt in die Berathung des außerordentlichen Etats des Extraordinariums, zu welchem die Kommisson mehrere Streichungen bezw. Kürzungen vorgeshlagen hat, wird die Berathung abgebrochen. A L

Schluß gegen 61/4 Uhr. Nächste Sißung Mittw och 1 Uhr. (Extraordinarium des Etats der Reichseisenbahnen, zweite Lesung der China-Vorlage.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

94. Sihung vom 12. Februar, 11 Uhr.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts Etats für 1901 wird im Etat der Justizverwaltung fort- geseht :

" Bei dem Titel „Gehälter der Kanzleibeamten“ wünscht

Aba. Dr. Göschen (nl.) eine Vermehrung der etatsmäßigen Zahl der Kanzlisten. Die Staatskasse würde dadurch keinen Mehr- aufwand haben. Die sämmtlichen Kategorien der Schreibkräfte hätten ein Interesse an der Prüfung der Frage, ob das Tagespenjum nicht zu groß fei. i : i

Gebeimer Ober-Finanzrath Belian erwidert, daß in den leyten Jahren für die Kanzleibeamten auf Wunsch des Hauses sehr viel ge- heben sei; das Pensum sei herabgeseyt, der Bogensay sei von 11 auf 12 A erhöht worden. Sie verdienten jeyt 1700 K, was für cinen Lobnschreiber wohl genug sci. Das Pensum könne auf weniger als 36 Seiten nicht herabgesetzt werden. - vie Kanileibeamten ständen so gut, daß niht mehr für fie geschehen könne. 3

Aba. Goldschmidt (fr. Volksp.): Der Kommissar hat so gethan, als wenn wunderwas für die Kanzlisten geschehen wäre; aber den Beschlüssen des Hauses hat die Verwaltung noch lange nicht entsprochen. r zwölfte Pfennig kommt nur den Zivilanwärtern zu gute, und erst im 21. Dienstjahre. Er müßte etwas früher eingeführt werden und auch den Militäranwärtern zugewendet werden. Die Schwierigkeit liegt überbaupt an dem steten Anwachsen derZahl der Militär- anwärter. Die Rex ierung mist sich gern in die Verhältnisse der Kom- munen, sie sollte aber doch zuvor erst in ihren eigenen Ressorts Ord-

nung s{affen. Berlin will jeyt von seinen 112 Kanglisten 50 fest anstellen. Im Staatsdienst kommt erf! auf 10 Kanzlisten cin fest

angestellter. Die meisten Kommunen entlobnen ihre Kanzlisten er- heblich beser als der Staat. Vor allem aber müßten die etats- mäßigen Stellen vermehrt werden. Jetzt sind die Kanzlisten auf Veberarbeit angewtesen, wenn sie ihre geringen Einkünfte verbessern wollen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ich bin bereit, eine Statistik bezüglich der Frage, wieviel Militäranwärter als Kanzlisten das Höchstgehalt von 2200 F. erreichen und wie lange sie in dieser höchsten Gehaltsstufe verbleiben, aufstellen zu lassen und in der nächsten Session dem bohen Hause vorzulegen. Im übrigen glaube ih sagen zu dürfen, daß die König- lihe Staatsregierung es an Wohlwollen für die Kanzlisten und Kanzleigehilfen nicht hat fehlen lassen. Niemand in diesem Hause hat sich um die Verbesserung der Lage der Kanzleigehilfen größere Verdienste erworben als der Abg. Willebrand aus der Zentrums- partei, der während einer Reihe von Jahren mit größter Wärme und mit größtem Eifer dafür eingetreten ist. Ihm sind zum nicht geringen Theile die Erfolge zuzuschreiben, die in dieser Beziehung erreicht worden sind. Ih glaube, daß der Abg. Willebrand das An- erfenntniß wiederholen würde, welches er mir gegenüber, wie ih glaube, mib erinnern zu können, im vorigen Jahre abgegeben hat, daß recht viel geschehen sei für die Kanzleigehilfen und Kanzleibeamten. Was alles geschehen ift, will ih bier nit wieder- holen. Es ist das bei der vorjährigen Etatsberathung durch meinen Kommissar dargelegt worden, und die Herren, die sich dessen nicht mehr erinnern möchten, fönnen es aus dem stenographischen Bericht ersehen. ;

Die Zahl der Kanzlistenstellen ist ja allerdings eine nicht fo hohe. 512 Kanzlistenstellen für die ganze Monarchie bei den Landgerichten und Amtsgerihten von den Oberlandesgerichten hat ja auch der Abg. Goldschmidt nicht sprechen wollen ist nicht erheblich. Es hängt das aber mit dem feststehendem Prinzip zusammen, daß bei den Amtsgerichten Kanzlisten nur insoweit angestellt werden sollen, als es sich um die großen Amtsgèrichte, früher mit 9, jeßt mit 8 Amtsrichtern handelt, und daß bei diesen Amtsgerichten nur für die sogenannten vertheilenden Kanzlisten wirkliche etatsmäßige Stellen eingérihtet werden. Richtig bleibt troß der Gegenbemerkungen des Abg: Goldschmidt die Thatsache, daß hier in Berlin der Andrang der Militäranwärter zur Beschäftigung im Justizkanzleidienst ein un- gewöhnlich großer ist, und daß deshalb hier in Berlin die Wartezeit für diese Herren, bis sie als Diätare bzw. als etatsmäßige Kanzlisten angestellt werden, cine sehr lange ift. In allen übrigen Bezirken find die Verhältnisse wesentlih günstiger; sie sind verschieden, sind nicht überall glei, aber sie sind wesentlih günstiger. Diesen Andrang zu beseitigen, ist die Justizverwaltung nicht in der Lage.

Auf eine Vermehrung der Kanzlistenstellen hinzuwirken, den Ge- danken werde ih gern noch einmal in Erwägung nehmen. Wenn der Abg. Dr. Göschen angeregt hat, es möchte sih empfehlen, auch bei den mit 7 Amtsrichtern beseßten Amtsgerichten etatsmäßige Kanzlisten anzustellen, so ist der Gedanke. an sich uicht ohne weiteres zurückzu- weisen. Ich gebe zu, daß nicht bei allen Gerichten gleihmäßig ver- fahren wird in Bezug auf die Anstellung der Kanzlisten. Schon hier in Berlin i} ein bedeutender Unterschied zwischen dem Amtsgericht 1 und dem Amtsgericht 11; bei dem Amtsgericht 1 ist eine recht an sebnliche Zahl von Kanzlisten, während das Amtsgericht T1 verhält- nißmäßig knapp damit ausgestattet ist. Wie weit hier die bessernde Hand anzulegen ist, will ih gern in Erwägung ziehen.

Für unbegründet halte ih die Klage des Herrn Abg. Goldschmidt, daß den Militäranwärtern der 11. und 12. Pfennig nit zugänglich gemacht werde. Ja, meine Herren, das liegt einfach an der Thatsache, daß diese Herren eher zur Anstellung gelangen als Diätare und als Kanzlisten, ehe sie diese hohen Schreiblöhne erhalten. Und wenn gesagt wird, auch die Militäranwärter müßten mit den niedrigen Schreib löbnen von 6 oder 7 Pfennig anfangen, so möchte ih glauben, daß, wenn dies auch der Fall ist, sie nicht lange auf diesen niedrigen Sätzen steben bleiben: wenn sie sih irgendwie qualifiziert erweisen, wird bei ibnen ganz gewiß Rücksicht darauf genommen, daß sie in einem böberen Lebensalter steben, daß sie meist Familienväter sind, daß ihre Bedürfnisse höhere sind als die der eintretenden jungen Kanzleigehilfen.

Auf einen Wettkampf mit den großen Städten in dieser Frage wird fich allerdings die Königliche Staatsregierung nicht einlassen können; was Städte wie Berlin, Frankfurt a. M., Hannover ibren Kanzlisten zuwenden können, das wird die Staatsverwaltung nidi in der Lage sein, den sämmtlichen Kanzlisten und Kanzlei-

rebilfen bei allen unseren zahllosen Gerichten in der Provinz zu bieten. Ein solcher Verglei ist überhaupt nicht zutreffend: die Gemeinden, die theilweise in einer sehr glänzenden Lage sich befinden was glüd- licberweise ja auch für den preußischen Fisfus gilt haben do vielleicht andere Gesichtspunkte für die Gebaltäbemessung. Troß der böberen Gehälter in den Gemeinden glaube ih sagen zu dürfen, daß der Andrang zum Staatsdienst immer noch größer ist als der zu den Gemeinden: es müssen doch. also un Staatädienst noch gewiste Vor- züge erblickt werden, die der Mehrzahl der Bewerber es wünschens- wertber machen, au bei etwas ungünstigeren Verhältnissen im Staats dienste Anstellung zu finden, als im Gemeindedienst.

Auf die Frage der Ueberarbeit bei dem ermäßigten Penjum ist von dem Herrn Kommissar des Verrn Finanz-Ministers schon das Nöthige erwidert worden, sodaß ich glaube, auf diese Frage nicht mehr eingehen zu sollen

Abg. Trimborn (Zentr.): Wir erkennen dankdar an daß viel auf diesem Gebiete geschehen ist: aber es könnte doch noch ein wenig mebr geschehen, und zwar durch Vermebrung der etatämäßigen Stellen. In den verschiedenen Landgerichtsbezirken gestaltet fich das Aufrücken der Zivilanwärter in die höheren Gebaltästufen verschieden, weil die Landgerichts-Präsidenten in Bezug bierauf souveran sind sollte nah bestimmten Grundsätzen verfahren werden.

Abg. Dr. G sen verwendet ih nohmals für größere Berück sichtigung der älteren Kanzlisten, die man nicht in dem bisherigen Maße auf Ueberverdienst verweisen dürfe,

Gebeimer Ober-Finanzrath Belian: Nach der Beroilligung des elften Pfennigs kamen die Kanzlisten natürlih unter Einrechnung des

Üeberverdienstes, nah einer Statistik des Justiz Ministers auf 1500, durchschnittlich, nah ‘der des zwölften Pfennigs auf 1700 M Ueber die Frage der Vermehrung der etatômáßigen Stellen muß selbst» verständlich erst cine Verständignng wischen den beiden betheiligten Ressorts ftattfinden : S S

Aba. Schmitz - Düsseldorf (Zentr.) bittet den Zutltz Minister, cine allgemeine Verfügung dahin zu erlassen, daß die dei der Neuord- nung des Gerichtsvollzie sens überflüssig gewordenen Kanzlei- aebilfen thunlichst in den Gerichtsdienst übernommen werden.

Nab ciner kurzen Bemerkung des Abg. G eldsckchmidt ers

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