1901 / 55 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

iSitigen und Strafmilderungen eine Statistik gegeben werde. edner geht dann auf die Oeffentlichkeit des militärgeritlichen Verfahrens ein und weist dem Kriegs-Minister gegenüber darauf bin, daß im § 138 der bayerischen Militär-Strafprozeßordnung die Oeffentlichkeit nur ausgeschlossen werden könnte, wenn diese Makß- regel im Interesse der öffentlihen Ordnung u. \. w. und im militär- dienstlihen Interesse nothwendig erscheine, während nah der jeßt gültigen deutshen Militär-Strafprozeßordnung der Aus\{luß möglich sei, wenn eine Gefährdung der öffentlihen Ordnung u. f. w. zu be- forgen sei. Wenn einem Offizier gegenüber die Oeffentlichkeit aus- e[chlofjen werde, so fänken die Militärgerihte zu Klassengerichten

ral rab.

Direktor im Kriegs-Ministerium, Generalleutnant von Viebahn:

er Herr Kriegsminifter hat dem hohen Hause in einer der vorigen Sitzungen bei dem Kapitel über die preußishe Militär-Justizverwaltung bercits die Stellung der verbündeten Regierungen und der Militär-

bs)

verwaltung bei der Berathung der Militär-Strafgerihtsordnung zu der

Frage des mit dem Bestätigungsreht verbundenen Milderungsrechts der Truppenbefehlshaber dargelegt. Es würde also feine Veranlassung für die Militärverwaltung vorliegen, nah den Ausführungen des Herrn Mor- redners jeßt noch einmal auf die Sache zurückzukommen, wenn der Herr Vorredner fich nicht zur Begründung seiner Ansicht auf dieselbe Begründung zu der Militär-Strafgerihtsordnung und dieselben Vor- gange In der Kommission bei der Berathung derselben bezogen hätte, welche der Herr Kriegs-Minister in der neulichen Sitzung angeführt hat. Die Angaben des Herrn Vorredners sind nach dieser Nichtung hin den That- sachen nicht entsprechend, vielmehr habe ich darauf aufmerksam zu machen, daß gerade in der entscheidenden Sitzung der betreffenden Kommission nach -dem gedruckt vorliegenden Kommissionsbericht feitens der Militär- verwaltung ausdrücklih darauf bingewiesen ist, daß dieselben Gründe, welche für das Aufrechterhalten des Strafmilderungsrechts bei der Bestätigung für die hohen Kontingentsherren vorwalten, auch für die rihtésberren zuträfen, welche Angabe in der Kommission einen Widerspruch nit gefunden hat. Abg. Gröber erklärt sih da! den, daß in seinem Antrag die Worte „bedingte und u erden. Er legt nochmals dar, wie wichtig eine Statistik die Begnadigungen

e ‘ilitärstrafsachen sei. Resolution Gröber wird mit der vom Antragsteller nen Aenderung angenommen. Der Etat selbst wird

Es folgt die Berathung des Etats der

C Zölle und Ver- brauhchsfsteuer

er Kommission berichtet der

Zöllen und Verbrauchs-

d ie Vorausfage, die Zoll-

: 1900 zurüdgehen, eingetroffen fet. Der Schat-

_in den Etat von 1901 ein Mehr von 6 Millionen elbst Zweifel geäußert ieser Ansaß erreicht î öbung für Bier ie Branntweinzölle seien von

e Die Mebreinnabme aus

Die Befürchtnng, daß das

sei unbegründet gewesen. Die

Ton D anon tOo duchen Konsumenten

dem Bundesrath zugeben. redner die Antwort, die er erwartet hat.

-_ Abg. Wurm (Soz.): Di stände find wahrhaft sfandalös. Der deutshe Zuer Zucker theurer bezahlen, als er werth ift. Art vor, wie sie der Graf Kani

kartell und ähnlichen steht er nicht so unfreundlich gegenüber.

den ein „Zuchthausgeseß“ zu entwerfen noch Staatssekretär eingefallen ist.

gewaltigung streifen.

vertheuert wird.

bedeutet einen ungeheuren Schaden.

ars

stande sind, auf dem Weltmarkte konkurrenzfähig zu bleiben. Man thut immer fo, als ob die Prämienwirthschaft die Zucerproduktion übermäßig ausgedehnt habe. Das hat sich seit 1894 ganz erheblich geändert, jedenfalls hat feine Vermehrung stattgefunden. Frankreich ist dagegen unier seinen Éolossalen Zucerprämien mächtig mit der Produktion in die Höhe gegangen, desgleichen Rußland, Oesterreich und fogar das kleine Holland. Das Kartell ist doch nit geschaffen worden, um den Zuckerpreis Tkünstlih in die Höhe zu treiben, sondern um diese gesteigerte Konkurrenz einigermaßen wett zu machen. Troß des Kartells sehen die Produzenten forgenvoll in die Zukunft, weil es niht möglich war, die anderen Länder zu be- stimmen, die Zuckerprämien aufzuheben. Wir würden es gerne seben, wenn wir den Zucker ‘zu dems@êlben billigen Preise kaufen könnten wie die Engländer, aber so lange die Verhältnisse so liegen, wie geschildert, kann davon keine Rede sein. Die einseitige Aufhebung würde lediglich den Konsumenten den Nachtheil bringen, die für den Zucker uner- shwingliche Preise zahlen müßten. i:

Abg. von Staudy (d. kons.): Zwischen dem Zucker- und Spirituskartell einerseits und den anderen Ringen besteht ein großer Unterschied; die beiden erften wollen einen umfangreihen Kartoffel- und Zuckerrübenbau ermöglichen und streben nur eine gewisse Regulie- rung der Verhältkisse an. Gin Theil meiner Freunde hat mit mir

uckersteuergesez, welches heute gilt, lebhafte Opposition ge-

P É

D F

zum theil Mir i

verbündeten Regierungen an, w

euergeseß stehe. Es sei fehr bedauerlich, j, wie man höre, Vorbereitungen noch in weitem Felde seien. Die Verbreitung des Saccharins nehme immer mehr zu, dadurch leide der Ertrag der Zuckersteuer; die Saccharinfabriken blübten immer mebr auf, und das Einschreiten werde immer \{werer. Die Rollen schienen vertauscht zu sein; der Reichstag biete die Steuer an und die Regierung wolle fie niht nehmen. Die verbündeten Regierungen müßten doc bestrebt sein, diejenigen Steuerquellen auszunutzen, welche ibnen der Reichstag entgegentrage, anstatt sich weiter über technishe Modalitäten zu ftreiten.

Staatssekretär des

: Neihs-Schaßamts Freiherr Thielmann:

von

C t, E a ooo f e ieine Dertren !: (Fs

s ist wenige Wochen ber, daß hier über die Saccharinsteuer gesprohen wurde. Jh konnte Ihnen damals sagen,

macht. Wir haben also an den Erceßen, über die geklagt wird, keinen Antheil.

_Abg. Nichter: Die Materie der Besteuerung der künstlichen üßstofse ist eine so schwierige, daß Ueberstürzungen durchgus vom bel wären. In Bezug auf den Zucker stimme ih durchaus mit dem

Wurm überein. Es wird zu überlegen sein, ob wir nicht einen An- inbringen sollen, die Regierungen zu einer Untersuchung über den und seine Einwirkung auf Produktion, Absatz und Preise

Ergebnisse würden den Abg. Paasche sicher ‘in |

1s Unrecht verseßen. Wo bleiben wir mit dem - jeßt ins nd verkauft wird, wenn die Prämien weg- gefragt. Aber dieses Prämiensystem bringt uns doch fort Schwierigkeiten nah: allen Seiten, nit bloß mit sondern j auch {hon mit Rußland. Die Absicht f dahin, den Preis des Zentners

dem Zucker bei einem Ver- 42 Millionen Mark mehr heraus- Konsumenten aufzuerlegen. Mit Svpiritusringes hat Herr von aller dieser Maß- Produktion im Allgemeinen r Bezirke im Besitze der oft-

A S e Zenden nur darauf hinaus, die

ZU Gunsten relativ kleine

bleibt dem Abc Staudy gegenüber bei feinen

je der staatlichen Subvention babe die deutsche

ibhausartige Entwickelung genommen. Man

überladen und mebr produziert, als man abseßen

- Erscheinung, daß man den deutschen Zucker im

usbi nur um ihn loszuwerden. Das fei ein

inder Zustand. Die Behauptung, daß die Zuckerfabriken

der Arbeiter erhalten bleiben follten, fönne nur die Arbeiter berausfordern.

gegen die Ausführungen des Abg.

verwahrt sich gegen einige Mißverständnisse. Dem Abg

dner darzuthun, daß in der Zuckerindustrie

werden. Die Arbeiter seien heute die

Ausführungen des Abg. Wurm bezüglich der

1genbeim -Pyritz (d. ®ons.) wendet sich der Zuckerinduftrie,

deren Bedeutung er darlegt. Die Einnahmen aus der Zuckerindustrie werden hierauf bewilligt. Bei den leuchtet der bg. Holt (Np.) die Handhabung der neuen Brennsteuer seitens 1Sführenden Behörden und fragt, wann die angekündigte Novelle rennsteuergeseß dem Reichstage zugehen werde. Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Thielmann: «

ch fann

Einnahmen aus der Branntweinsteuer be-

Freiherr . von hen Hause unter Bezugnahme auf die Anfrage ittheilen, daß ein Geseßzentwurf, welcher

C ennsteuer, die sonst in diesem Herbste ab verlängert und andererseits das Höchstkontingent auf g : Ziffer herabsett, dem Bundesrathe vorliegt.

; er dem Reichstage noch vor den Osterferien zugehen wird.

Die Einnahmen aus der Brantweinsteuer werden bewilligt.

Bei den Einnahmen aus der Brausteuer wendet sih der

Abg. NRoesicke- Dessau (b. k. F.) gegen die Ausführung des Abg. Gerstenberger, daß die Erhöhung des Gerstezolls eine Erhöhung des Bier- preises niht zur Folge haben würde. In Preußen würden nur 2 9%/ Surrogate zur Bierbereitung verwendet. Würde aber der Gerstezoll erhöht und damit der Gerstepreis gesteigert, so würden viel mehr Surrogate verwendet werden. Der Abg. Gerstenberger würde also für seine bayerische Heimath gerade dên entgegengeseßten Zweck er- reihen. Die kleinen Brauer würden am meisten gcs{ädigt werden. Gegen ein Verbot der Surrogate müßten sich die Herren der Rechten erflären, die Kartoffeln bauten und den Brauereien den Stärkezucker lieferten. Ein Prozeß in einer berühmten bayerishen Bierstadt habe ergeben, daß die gesammten Brauer dieser Stadt sich gegen das Sur- rogatverbot und das Nahrungsmittelgeseß seit 40 Jahren vergangen

daß noch zwei auseinandergehende Meinungen in den maßgebenden Kreisen sih die Waage hielten. Die Einen wollten den Werth mehr | solche auf die Höbe der Steuer legen; die Anderen wollten den größeren : Aa 2 Er D, s, Werth auf die Ershwerung des Verkehrs mit Saccharin lici: R grie des Abg. Soestle in Schuh“ G5; seli eigenthümlich, “daß ein Schwierigkeiten find jeßt überwunden, und der Geseßentwurf ist im Neichs-Schaßamt fertiggestellt und wird in den allernähsten Tagen Ich glaube, dies if für den Herrn Vor-

Die vom Zuckerkartell geschaffenen Zu- de 1 wird den deutschen Konsumenten um 1309/9 vertheuert; so viel muß er den Hier liegt ein Kartell der nicht leiden fann; dem Spiritus- Vas Zuckerkartell hat im vorigen Jahre den Preis unvers{hämt in die Höhe getrieben, und zwar mit Hilfe des rücksihtslosesten Terrorismus, gegen nie einem deutschen 1 Das Kartell hat den betheiligten Ab- nehmern Reverse zur Unterschrift vorgelegt, welhe nahezu an Ver- Die große Mehrheit des Volkes hat ein weit- gehendes Interesse daran, daß ihr nicht durch solhe Machinationen von Trusts ein unentbehrlihes Nahrungëmittel in so shamloser Weise

# Abg. Dr. Graf Udo zu Stolberg-Wernigerode: Jh kann die Negierung nur dringend bitten, den ausgearbeiteten Entwurf möglichst bald dem Hause zugehen zu lassen; jeder Tag Verzögerung

Abg. Dr. Paasche (nl.): Herr Wurm spriht von einem uner- hörten Skandal, den die Preistreibereien des Zuckerkartells gezeitigt hätten. Die Zuckerproduzenten wären sehr zufrieden, wenn die Zuker- steuer sofort aufgehoben würde; Niemandem wäre das lieber, als der Zuckerindustrie selber. Die Prämie findet sich ebenso in Frankreich, wo sie 28 F pro Pfund beträgt. Die Ausfuhrprämie ist niht beschlossen, um den Zuckerfabrikanten Gewinn zu geben, sondern damit wir im

Dinge allgemein vorkämen. Abg. S peck

ins Zeug lege. Es würden si Schädigung der kleinen Brauer gutzumachen. verbot werde in Bayern ftrikt festgehalten.

ebenso der Rest des Etats.

U: 1-0,)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 40. Sißung vom 4. März, 11 Uhr. _Die Berathung des Etats des Ministeriums der eistlihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegen- Keiten wird bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ fortgeseßt.

Abg. von Eynern (nl.): In der Rede des Ministers vom Sonnabend erblicken wir eine programmatishe Erklärung zu den kirhenpolitishen Fragen. Der Wortlaut der Rede steht aber noch nicht feft; der Vorsteher des Stenographishen Bureaus hat mir ge- sagt, daß der Wortlaut erst an den „Staats-Anzeiger“ zur Ver- öffentlihung gehen müsse und daß wir ihn erst beute nach 12 Uhr er- halten würden. Ich muß mir deshalb ein Eingehen auf die Rede vorbehalten, bis der Wortlaut in unseren Händen ist.

Abg. von Czarlinski (Pole) weist gegenüber dem Grafen zu Limburg auf verschiedene Wahblvorgänge hin, bei denen sich die Polen loyal verhalten hätten: während die Polen im Reichstag für Militär- vorlagen gestimmt hätten, babe man ihnen bei den Wahlen geradezu landesverrätherishe Absichten untergeshoben. Wenn man den Polen immer Polonifierungsabsihten unters{iebe, so weise er andererseits auf die Dziembowski's, Posadowsky's und Podbielski's bin. Könne Graf zu Limburg wirklih nicht einsehen, was es für ein Unterschied sci, ob ein Kind in seiner Muttersprache oder in einer fremden Sprache bete? Wenn die polnischen Kinder deutschen Beicht- und Kommunions- unterriht erhalten sollten, müsse doch erst durch ein Examen fest- gestellt werden, daß sie Deutsch: können. Graf zu Limburg habe bei der ersten Etatsberathung gesagt, er würde sich mit den Polen nie verständigen. Ein Staatsmann sollte niemals „nie“ sagen. Die Polen feien nicht die Angreifer in diesem Kampfe. Minister kämen, und Minister gingen, aber die Polen blieben. Der frühere Kultus- Minister Bosse habe \sih gegen den Gewissenszwang ausgesprochen und deshalb den NReligionsunterriht in der Muttersprache zuge- lassen. Er selbst, der Redner, habe bis zu seinem zehnten Jahre deutschen Religionsunterricht erhalten und könne aus eigener Erfahrung sagen, daß den Kindern das Verständniß für die Religion erst auf- gehe, wenn der Unterricht in der Muttersvrache ertheilt werde. Mit dem Ausfpruch Bismarck's: „Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nihts in der Welt“ stimme es nicht zusammen, wenn in der Presse immer die Furcht vor einer Wiederherstellung des polnishen Reiches zum Ausdruck gelange. Die Polen seien cs nit, die in diesem Kampfe im Unrecht seien; hoffentlich werde aber \chließlich das „suum cuique“ zu feinem Rechte kommen. :

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Ich bedauere, daß wir bisher noch feinen Redner der Nationalliberalen gehört haben. Wenn Herr von Eynern lediglih gegen den Kultus-Minister polemisieren und das Stenogramm erst abwarten will, die anderen Herren seiner Partei si aber hinter mir in die Rednerliste haben einschreiben lassen, so muß

Ich hoffe, |

hätten.

ih annehmen, daß die Beschwerden der Herren entweder garnicht mehr vorhanden sind oder keine allgemeinere Bedeutung beanspruchen können. Herr Sieg hat nur éine polnishe Frage besprochen, Herr Sattler und Herr Friedberg, denen ih- mit besonderem Vergnügen geantwortet hätte, nahmen das Wort nicht. Was dec Kultus-Minister meinem Freunde Dauzenberg bezüglich Anzeigepflicht erklärte, nöthigt mich zu einer Entgegnung. er Minister denkt an die kTirchenpolitishe Novelle von 1886 und 87; es ist richtig, daß dieselbe auf einem gewissen Einverständniß der Kurie -mit der Staatsregierung ‘beruhte. Daß der Kurie aber das Recht genommen worden wäre, weitergehende Wünsche zu äußern, wird der Minister doch nicht behaupten wollen. Es handelte sich damals um die Gewinnung eines modus vivendi : auch Fürst Bismarck hat damals erkennen lassen, daß er die erlangte vorläufige Regelung nicht für eine durchaus definitive ansehe; er war der Meinung, man hâtte auch mehr gewähren Éönnen, wenn es nach dem damaligen Stande der Dinge möglih gewesen wäre. Der „aditus“ ad pacem war erreiht ; aber felbstverständlih blieb vorbehalten, auf die Abstellung der bestehen bleibenden Beschwerden zurückzukommen. Bei der betreffenden päpstlihen Kundgebung ist ausdrücklih die Hoffnung aus- gesprochen, daß in der Zukunft noch bessere Resultate erzielt werden würden. - Inzwischen ist ja einiges in mehr nebensächlihen Punkten erreiht, aber in den großen Fragen ist noch vieles, was die Kirche wünscht und wünschen muß, unerfüllt. Dazu gehört auch die Materie, welche unser vom Hause angenommener Antrag wegen der Kranken- vflege-Orden berührt. Was die Einzelheiten angeht, so steht doch fest, daß man den Religionsunterricht nicht ebenso behandeln kann, wie etwa den Unterriht im Schreiben oder Rechnen. Wenn das polnische Kind den Religionsunterricht in deutsher Sprache verstehen soll, so muß es viel mehr Deuts können, als erforderlich ist, um dem Unterricht im Schreiben oder Rechnen folgen zu können. Das Gemüth des Kindes soll die Lehren der Religion erfafsen, dazu bedarf es der völligen Be- herrschung der Sprache. Jch bitte den Minister, diese so wichtige Frage nochmals zu prüfen und die ergangene Verordnung eventuell zurüc{zuziehen. Die Mittheilungen über die Entwickelung des katho- [lishen Ordenêwesens waren uns sehr erfreulich; aber der Minister kann für diese Entwickelung niht besondere Dankbarkeit von uns verlangen; denn diese Entwickelung ist im Verhältniß zu der- jenigen in der evangelishen Kirche sehr zurückgeblieben. Die Diakonisfinnen sind vollständig frei und ungehindert in ihrer Be- wegung; wir müssen für die kleinste Niederlassung ein umständ- liches Genehmigungsverfahren innehalten, ohne doch auf die Genehmigung bestimmt rechnen zu können. Das Verdienst des Ministers an - der jeßigen, verhältnißmäßig befriedigenden Lage der katholishen Kirche in Preußen will ih niht bestreiten; es ist auch Thatsache, daß die Lage der katholishen Kirhé in manchen anderen Ländern noch weniger befriedigend ist. Wenn man in Preußen die katholische Kirche freier läßt, so . hat aber niht bloß die Kirche, sondern der Staat den Erfolg davon. Man hält. uns immer die Lage des Katholizismus in katholishen Ländern vor; warum verweist man nicht auf England, auf Nord-Amerika, Staaten, wo der Protestantismus in überwiegender Mehrheit is, und wo man die katholishe Kirche vollständig frei läßt? Und warum wird der Vergleich nit gestellt mit der Lage des Protestantismus in katholischen Ländern, in Oesterreih, Bayern 2c. ? Kein Land hat ein so rof ausgebildetes Staatskirhensystem gehabt wie Spanien. Die protestantishen Minoritäten in Oesterreich und Bayern haben nicht über einen einzigen der Punkte sh zu beschweren, welhe uns ständig nöthigen, die jenen gewährte Freiheit auch für uns zu reflamieren. Volle Freiheit des evangelishen Bekenntnisses, volle Freiheit der Religionsübung is in Desterreich L “dem

Der D

leistet; das landesfürstlihe Oberaufsichtsreht wird nach dem Geseß durch eine eigene evangelische Abtheilung in oberster Instanz ausgeübt. Wenn Sie uns, das doch in Preußen gewähren wollten !

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Abg. Beckh- Coburg verwahrt Bayern gegen den Vorwurf, daß nimmt den Abg. Gerstenberger gegen -die An- ertreter einer Großbrauerei gh so fehr für die fleiaen Brauereien

shon Mittel finden, um éine etwaige An dem Surrogat- Die Einnahmen aus der Brausteuer werden bewilligt,

N D

Schluß 63/4 Uhr. Nächste Sißung: Dienstag, 1 Uhr- (Etats des Auswärtigen Amts, des Schußgebietes Kiautschou

.- giebt leider auch unter den Polen einen Hakatismus;

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

De (S@(luß aus der Ersten Beilage.)

Alle evangelishen Kultus- .und Unterrichtsangelegenheiten dur evan- „sische Beamte geregelt fo_ etwas gesteht also das katholische L erreich zu. Gewähren Sie dasselbe für die preußis{en Fatholifen, dann haben wir alles, was wir wollen, dann vird, ein Strich durch die ganze kirchenpolitishe Geseßgebung Obi. Die Aufgabe unserer Zeit ist die Wiedererweckung des Migiösen Glaubens zur Abwehr der fubversiven Tendenzen ; der @sung dieser Alfgabe darf niht dadurch engen te werden, daß man der katholischen Kirche irgend eine Frei eit vor- enthält wegen der Befürchtung, daß der evangelischen Kirhe damit irgend ein Abbruch_ geschehe. Man lasse freie, loyale Konkurrenz wirfen! Dem Grafen Limburg, der die Zeit zu theoretischen Aus- einanderseßzungen über die Grenzen zwishen Staat und Kirche nicht für geeignet bält, möchte ih doch entgegnen, daß er das Wesen des Katholizismus nicht erkannt hat. Thatsächlich sind uns in leiter Zeit ja auth die Herren Konservativen erheblih entgegen- zefommen, insbesondere auf dem großen Gebiet der konfessionellen Rolksschule. In diesem Punkte sind die Anschauungen von vor 90 Jahren ganz anderen gewichen. Die Bestrebungen des Evangelischen Bundes finden auch in den Kreisen der Konservativen keinen Boden. Mir haben uns in der Polemik gegen denselben größte Beschränkung auterlegt, aber wir verfolgen diese Bewegung mit größter Aufmerksqm- feit. És finden zahlreihe Versammlungen des Bundes statt in kein evangelischen Landestheilen, wo wir niht in der Lage sind, Ver- leumdungen der fatholischen Kirche entgegenzutreten ; gegen eine solche Agitation sino wir machtlos. Die Herren Konservativen hier aber fennen uns zweifellos besser; sie wollen von dieser Agitation nidts wissen. Wir sind ihnen dafür sehr dankbar. Nun ift auch die Polenfrage wieder herangezogen worden. Wir kommen bei dem Vortrage der polnischen Beschwerden um das Gefühl nicht herum, daß vieles in den polnischeu.Landestheilen von den Verwaltungs- organen geschieht, was eine strenge Prüfung nicht verträgt. Herr Sieg hat erwähnt, daß die polnischen Arbeiter ewarnt wurden, nach Medlen- burg zu gehen. Diese Warnung ift ganz berechtigt ; nirgends in - Deutsch- land wird engherziger gegen die katholische Kirche verfahren. Dort muß ¡jede Messe polizeilich genehmigt sein; die Katholiken dürfen sich keine Gotteshäuser bauen, sie dürfen keinen Dom haben. Was ist aljo \elbst- verständlicher, als daß die polnischen Arbeiter davor gewarnt werden, nad Mecklenburg zu gehen? Den Vorwurf sollte man also richtiger an die mecklenburgische Staatsregierung rihten. Die Wanderung der volnischen Bevölkerung bringt nah _ dem Westen frisches Blut hinein; der Rückgang der romanischen Staaten erklärt sich hauptsächlich daraus, daß deren Bevölkerungen seit Jahrhunderten stagniert haben, nit durch neues Blut aufgefrisht worden sind. Aus der Mischung des volnishen und deutshen Blutes in den iprovinzen 11k der beute dort vorhandene kräftige Menschenshlag entitanden. Die Regierung hätte allen Anlaß, in den polnischen Landestheilen mit aller Kühle und Nüchternheit ihre Stellung zu den schwebenden Fragen zu nehmen, sie sollte von den Agitationen des H.-K.-T.-Vereins fich absolut loslösen. Um aber der Beruhigung wirksam vorzuarbeiten, dürfen es auch die Herren Polen nicht an sich fehlen lassen. s Ç es giebt dort Nichtung, deren Manifestationen, stärker in den Vordergrund erxtrem-radikalen - Be- bisher entgegen-

eine exrtrem - nationalistische deren öffentlide Organe immer rie treten. Die Herren sollten also diejen thätigungen weit mehr und entschiedener als e treten, foll es nicht noch s{limmer werden. _ (Abg. Stychel: Das ist die Reaktion gegen den Hakatismus!) Vamit kommen wir nit weiter. Sie müssen diese radikalen Auswüchse unbedingt zurüd- weisen. In Ermland und Oberschlesien bestand vordem ein S Nerbältniß zwischen den deutschen und polnischen Katholiken; heute t man dort bedauerliher Weise in das Fahrwasser des nationalistishen Svstems gerathen: mehr und mehr kommt dort die Richtung: Los vom Zentrum! hoch, die eine eigentliche volnishe Volkspartei haben will. Wir wollen einer folchen Reränderung des Besißstandes nicht Vorshub leisten. Dle Agitation in Ermland wie in Oberschlesien ist nicht autochthon, sondern von außen hineingetragen ; die polnische Bevölkerung in West preußen und Posen hat jedenfalls den großeren Antheil an derjelben. Man bemüht sich, das Zentrum aus Ermland wie aus Oberschlesien zu verdrängen. Ich rihte meine Warnung also nah beiden Seiten. Mit Hafatismus hüben und drüben kann es in den polnischen Landes- tbeilen niht weiter gehen. Die preußischen Polen haben es ja un ¡zweifelhaft besser als die Polen in Galizien und Rußland; das steht fest, und das fönnten auch die Polen anerkennen Sie sollten es anerkennen, troß der kleinlihen Quängeleien und Yuälereten, denen hie ausgeseut sind. Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt: Ich erkenne gern an, daß die in versöhnlichem Ton gehaltenen Ausführungen des Herrn Vorredners auf gewissen von ihm erörterten Gebieten durchaus sympathisch berühren und vielleicht den geeigneten Ausgangspunkt für eine Verständigung in manchen Streitfragen bieten mögen. Ich bin aber genöthigt, gegen eine Auffassung Einspruch zu erheben, die der Vorredner zu Anfang seiner Ausführungen dahin gemacht hat, daß meine Anschauung über die Tragweite der Ansichten des Herrn Abg. Dauzenberg cine irrthümliche und schiefe gewesen sei. Meine Herren, das Gebiet, welches der Herr Abgeordnete in dem ersten Theil seiner Ausführungen berührt hat, ist ein außerordentlich streitiges und s{wieriges. Jch glaube nicht, daß es jemals gelingen wird, zu einer vollen Verständigung zwischen Staat und Kirche in allen prinzipiell wihtigen Fragen zu gelangen. Die fatholishe Kirche kann ihrem ganzen System nah gewisse Zugeständnisse nicht machen, und der Staat auf der anderen Seite ebensowenig in feinen Konze])tonen o weit gehen, daß er die nah seiner Ueberzeugung wichtigsten staatlichen Interessen aufgiebt. Wenn das richtig ist, meine Herren, ]o werden Sie mir zugestehen, daß auf seiten der Regierung auch in Bezug auf die Kompromisse, die bei dem legislativen Yorgeben der Jahre 1886 und 1887 geshlossen worden sind, andere Auffassungen sich d j T T E O T geltend machen müssen wie auf seiten der die firGlichen Interessen vertretenden Parteien. Es ist dieses umstrittene Gebiet \o vielfach in der Presse {hon erörtert worden, daß ich cs mir versage, heute darauf einzugehen. Jh glaube auch nit, daß es mir gelingen würde, Sie zu einer anderen Ueberzeugung zu bringen. Ich muß aber be- tonen, daß ich mit vollem Recht mih gegen gewi}e Ausführungen des Herrn Abg. Dauzenberg gewendet habe, namentlih soweit sie darauf binauskamen, daß unter anderem eine freiere Bischofswahl beansprucht würde. Diese beruht bekanntlih auf einer seiner Zeit ohne jeden Bor- behalt zu stande gekommenen Abmachung zwischen der päpstlichen Kurie und dem preußischen Staate, die als Bestandtheil der Bulle Ds salutes animarum in dem Breve Quod de fidelium enthalten ift. Meine vorgestrigen Ausführungen haben \ich in der Hauptsache gegen diese

Berlin, Dienstag, den 5. März

Auffassung des Herrn Abg. Dauzenberg gerihtet. Jm übrigen

fann ih nur nochmals wiederholen, vaß ih es mir versagen muß,

auf dieses Gebiet heute weiter einzugehen; ich möchte aber dagegen

nochmals Verwahrung einlegen, daß meine Auffassung eine irrthüm-

liche und ciefe gewesen ist, wie fie der Herr Vorredner zu bezeihnen

sich bestimmt gefunden hat.

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Bachem ift dann auf den

Sigmaringer Fall zurückgekommen. Jh hätte, offen gestanden, nicht ge-

glaubt, daß dies von seinerSeite gesehen würde, denn ih habeangenommen,

daß die diesseitige Entscheidung in diesem Falle von billig denkenden

Katholiken als gerechtfertigt anerkannt werden würde. (Lebhafte

Zurufe im Zentrum: Nein!) Die Herren sagen heute: Nein. Ich

werde Ihnen, nachdem ich es vorgestern {on versucht habe, heute

noch erneut den Beweis zu führen versuchen, daß die diesseitige Ent-

scheidung eine durchaus gerechte ist.

Meine Herren, es wurde zunächst bemängelt, daß es sich bier um

Ordensniederlassungen handele, die den Vorschriften der Novelle vom

Fabre 1886 unterliegen. Der Wortlaut dieser Novelle spricht aber, ganz abgesehen von dem Umstande, daß der zuständige Herr Bischof seine ausdrückliche Zustimmung zu dieser Ordensniederlassung ertheilt hat, für die diesseitige Auffassung. Jm Art. 13 ist da von Ver-

vflegungsanstalten die Rede. Um eine solche handelt es sich auch in dem vorliegenden Falle; denn die betreffenden Ordens\hwestern find zur Wahrnehmung einer Verpflegungsanstalt berufen worden. Wie der Herr Abg. Bumiller vorgestern ausgeführt hat, follten die Schwestern sich nit bloß mit Kochen beschäftigen, sondern auch ordnend und" autoritativ wirken. Meine Herten, wenn das rihtig ist und ih zweifle nit, daß das die beabsichtigte und an sih auch berechtigte Aufgabe der Schwestern sein sollte —, dann werden Sie mir auf der andern Seite auch zugestehen müssen, daß es sich um eine Ordens- niederlassung handelte und daß es nicht angebraht war, eine derartige Ordensniederlassung zu genehmigen einer Arbeiterschaft gegenüber, die zu zwei Dritteln aus Protestanten besteht. (Widerspruch im Zentrum.) Wo die Leute herkommen, ist nach meiner Ansicht ganz gleichgültig, ob aus Württemberg oder aus Preußen (sehr richtig! rechts) : sie ge- hören der evangelishen KirWe an, und ih glaube, Sie würden fi wundern, wenn im umgekehrten Falle —, wir haben zwar keine der- artigen Ordenseinrichtungen wenn cs sich um zwei Drittel Katholiken und ein Drittel Evangelische handelte, eine derartige Ein- richtnng von evangelischer Seite getroffen würde.

Meine Herren, was habe ih aus diesen Fällen alles hören müssen in der öffentlihen Presse! Mit fettgedruckter Spih- marke „Der Kultus - Minister als Kulturkämpfer“ bin ih in einer Weise angegriffen worden, die wirklih weit über dic Objektivität hbinausgeht. Meine Herren, ich bleibe dabei stehen, daß die diesseitige Entscheidung eine durchaus gerechtfertigte war. (Lachen im Zentrum.) Ich appelliere an Ihre eigene Praxis und an das Prinzip, was Sie immer aufstellen: friedlich, s{hiedlih. Von der Wiege bis zum Grabe und über das Grab hinaus perhorrescieren Sie Gemeinschaften lediglich aus dem Grunde, weil das kfonfessionelle Prinzip in den Vordergrund gestellt werden soll. (Zuruf im Zentrum: Diakonissen!) Meine Herren, es werden mir die Diakonissen entgegengehalten. Ich frage Sie: Ist denn eine rihtige Parallele zwischen Diakonisfsen und Ordens- \{western zu ziehen? Doch nur zu einem sehr geringen Theile. Die Hauptsache bleibt im vorliegenden Fall, daß es ih um eine Ordens- niederlassung, um eine organishe Einrichtung der fatbolischen Kirche bandelt. (Zuruf im Zentrum.) Fawohl, um eine organische Ein richtung der fatholishen Kirche, die ganz bestimmte Voraussetzungen hat, bestimmte Ordensregeln, bestimmte Gelübde, lauter Dinge, von denen auf evangelisher Seite absolut nicht zu reden ist. Die Diakonifsen unter- liegen außerdem auh niht der diesfeitigen Zuständigkeit oder Gee nebmigung binsichtlih ihrer einzelnen MWirksamkeitsstätten.

Der Grundsaß, daß ih eine derartige Ordensthätigkeit nur auf fatbolisde Kreise beschränken sollte, ist durhaus nicht von mir als etwas Neues hingestellt worden. Er ist bereits alt, bildet {on lange die Praxis der Behörde, und, wie ih glaube, die wohlbegründete Praris in den Fällen, wo es sih nicht um Krankenpflege handelt in leßteren ist eine Beschränkung auf die Angehörigkeit zur fatbolischen Konfession diesfeitig nie ausge|prozen worden , Jon dern nur wenn es ich um eine gewisse erziehlihe oder autoritative Thätigkeit handelt. Meine Herren, Sie werden mir zugesteben, daß diese Grundsätze sich durchaus mit dem von Ihnen fo streng festgehaltenen Prinzipe der Konfessionalität vertragen. (Sehr richtig! im Zentrum.)

Meine Herren, ih möchte über die allgemeinen Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Bachem in Bezug auf das Ordenswesen u. \. w. hin- weggehen, das würde Ihre Zeit übermäßig in Anspruch nehmen. Ih wollte nur auf die wirklich namenlosen Schwierigkeiten hinweisen, denen die Thätigkeit der Behörden auf diesem Gebiete ausgesetzt ist. Es ift wahrlich eine dornenvolle Aufgabe, immer das Richtige zu treffen: daraus und aus der großen Sorgfalt, mit der die Sachen be- bandelt werden müssen, mögen Sie es ih auch erklären, wenn hin und wieder die Ordensniederlassungen nit so rasch genchmigt werden, wie das vielleiht in Jhren Wünschen liegt. Ih bedaure das selbst am meisten, weil ich auf cinen möglichst pünfktliben Geschäftsgang halte. Aber gerade mit einer sorgfältigen Prüfung ift es nicht immer vereinbar, daß die Entscheidung auch ras gefällt werden fann; Sie baben sid, wie ich aus den Ihnen vorgeführten Zahlen bewiesen babe, die au Ihrerseits wiederholt anerkannt worden sind, wahrhaftig nicht über die Handhabung des Ordensweseñs zu beklagen. ® Meine Herren, id will mit wenigen Worten noch auf die von dem Herrn Abg. Dr. Bachem vertretene Polenpolitik eingehen. Per- sönlich möchte i zunächst erklären, daß ih selbst mit dem sogenannten H. K. T.-Verein keine Verbindung habe, und mich in keiner Beziehung von seiner Wirksamkeit in meinen Entschließungen beeinflussen : laîe. Auf der anderen Seite ist aber dieser H. K. T.-Verein gerade in der Zentrumspresse so einseitig dargestellt worden, daß es ganz gewi} an

der Zeit wäre, cinmal vom nationalen Standpunkte aus die

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zu beleuhten. - Aber das Wort „national“ wird in einigen von den Preßorganen des Zentrums ganz entschieden perborresziert; aus Gründen, die ich niht theilen kann. Ein großes, im Westen der Monarchie erscheinendes Zentrumsorgan, das dem Herrn Abg. Dr. Bachem nicht unbekannt sein wird, giebt niht allein den Polen ganz genaue Raths{läge, wie sie sih der Germanifierung widerseßen und derselben wirksam widerstreben können (bört! bört! bei den Nationalliberalen), sondern rechtfertigt auch seine Anschauungen mit der * Behauptung, fie die betreffende Zeitung sei grundsäßlih gegen jede gewaltsame Entnationalisierung. Jch bitte, mir den Polen zu nennen, der durch die preußishen Maßnahmen gewaltsam ent- nationalifiert worden ift. Ich habe einen solchen Menschen in meinem langen Leben noch nicht gesehen. Wenn auf der einen Seite eine derartige, meiner Ueberzeugung nah völlig unbegründete Behauptung aufgestellt wird, dann muß es vom nationalen Standpunkte aus umsomehr betrüben, wenn andererseits solhe Zeitungsorgane nicht ein Wort des Bedauerns darüber haben, daß unsere deutschen katholischen Stammesbrüder in der Provinz Posen systematisch entnationalisiert werden. (Oh! oh! bei den Polen, Zuruf des Abg. Dr. Mizerski: Nicht nachgewiesen!) Ih werde Ihnen die Beweise noch beibringen, Herr Abg. von Mizerski! E Meine Herren, so anerkennenswerth der Appell an die Villigkeit und Versöbhnlichkeit der betheiligten Behörden und Einwohnerkreise ift, ïo fann id doch mit der Bemerkung nicht zurückhalten, daß die Aus- führungen des verehrten Herrn Abgeordneten gerade auf dem Gebiete der Polenpolitik nicht der grünen Praris entsprechen, sondern eine graue Theorie bedeuten. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Die Auffrisbung dur polnisches Blut mag in früherer Zeit ge- Weben sein. Wie aber die Polen sih jeßt der Vermischung mit deutschem Blute widerseßen, das können Sie alle Tage lesen. Das größte Verbrechen, das ein Pole begehen kann i könnte Ihnen ganze Stöße von folhen Preßäußerungen vorlegen ist eine Verbindung mit einer Deutschen, das Eingehen einer Ehe mit einer solchen oder gar nun die Germanisierung. Wenn der Herr Abgeordnete weiter hören will, in welcher Meife seitens der volnisden Geistlichteit gerade über diese Frage gedacht wird, so will i eine Aeußerung vorlesen, die in einer Polenversammlung in Dortmund von einem fatbolishen Geistlichen gemacht E: Der Geistliche Wisniewsfki warnt vor Mischehen, au nationalen, als der guten ‘Erziehung hinderlich, und sagte dann: deshalb soll ein Pole feine Deutsche und Deutschen beirathen. Es straft sich bitter, wenn die ihre Eltern nicht verstehen. Die Religion und verleugnen und zu verlassen, ist nit schön, aber es ist noch eine größere Pflichtverleßzung, seine Kinder verkommen, sie einer anderen Nationalität zu überlassen. Die Kinder müssen polnisch erzogen werden. Das ift

eine Polin feinen eigenen Kinder den Glauben zu

vollem Beifall der Polenversammlung

unter ausgesprochen worden. Ja, meine Herren, diese Auffassungen machen sich heute noch geltend, und ich werde vielleiht nachher noch Gelegenbeit haben FJhnen einen besonders charakteristischen Beweis dafür zu liefern. Ich bebalte mir dies vor, weil ich es für meine Pflicht halte, gegebenen Falles die einseitigen Darstellungen, die seitens der polnischen Fraktion toto die auch bier in diesem Hanse vorgetragen sind, auf ihren

wahren Werth zurückzuführen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Sattler (nl.): So gern wir Herrn Bachem's Wünsche erfüllen, so fann er doch nit verlangen, daß wir un}ere Stellung in der Rednerliste lediglich nach seinen Wünschen einrichten. Ich wollte meinerseits au nicht eher an der Debatte mich betheiligen, als bis ich die Rede des Herrn Dauzenberg genau studiert Satte. Auf das Liebeswerben des Herrn Bachem bei den Kon servativen will ich nicht eingehen, auch nit auf die tiefe Kluft, die er zu reißen suchte zwischen diesen und dem Evangelischen Bunde. Ich bin nicht dessen Anwalt, aber er wäre nicht entstanden oder würde sofort aufhören, wenn das Zentrum \ch ent- {ließen wollte, sih aufzulösen. Jch freue mich indessen, daß Herx Bachem endlich in der Polenfrage etwas Berstandnti in der Richtung zu gewinnen anfängt, die wir bisher bewiesen haben. Die Hinweise auf Ermland und Oberschlesien sind aus der Praxis hergenommen,

Senn dort handelt es sih für das Zentrum darum, Mandate zu gewinnen oder sih zu erhalten. Mit Herrn Stychel will ich nicht allzu {arf ins Gericht gehen, weil er der deutshen Sprache doch nicht so ganz mächtig ist, daß er genau sagt, was er sagen wollte; denn zu der Zeit, als Herr Stychel die Schule besuchte, war die fegensreihe BRerfügung, die er bekämpft, noch nicht in Geltung. Die Logik des Herrn Stychel hat mir zur wahren Erbeiterung gedient. (s 1st ibm nit gelungen, nachzuweisen, daß die Deutschen auf Protestantisterung der Polen hbinarbeiten und daß die polnisch katholishe Geistlichkeit nicht polonisiert hat. Herr Dauzenberg hat eine Angriffsrede gegen die Regierung und gegen den Minister gehalten, und der Miniîter bat sich auf eine Entshuldigung beschränkt. Herr Dauzenberg hat ganz außerordentlih s{werwiegende Abänderungen der preußischen Staatsgeseze verlangt, und der Minister erflarte darauf ledig lid, daß man ihm nit vorwerfen könne, katholi]he Interessen ver- nacläsfigt zu haben. Er ließ sogar durhblicken, daß er dem Zentrum vielleibt noch mehr entgegenzukommen geneigt let, denn er wies auf seine Abhängigkeit vom Staats-Ministerium hin. Er brate dann die Zahlen über die Vermehrung der Vrdensniederla)jungen bel und {lok mit einer lebhaften Anerkennung der Vrganisation der fatholishen Kirde auf allen Gebieten. Er gab auch seine Bereitwilligkeit zu einer weiteren Revision der Kirchengeseßgedung zu erkennen. Das Stenogramm liegt uns noch nicht vor. Beabsichtigt danach der Kultus-Minister cine umfassende Revision der kirchen- politischen Gesetzgebu g, welche den Wünschen der Herren vom Zentrum möglichst entgegenkominen soll? Es würde darin die Ankündigung einer neuen Aktion der Regierung von der allergrößten Bedeutung liegen, welche uns die heftigsten Kämpfe im Volke wiederbringen würde. Er scheint nah seiner heutigen Bemerkung felbst nicht zu wünschen, daß es dazu komme; aber wir müssen bestimmte Auskunst auf meine Frage haben, damit man im Volke wenigstens wetß, ob wir einer Periode neuer beftiger Kämpfe entgegengehen. Im Lande muß nach jenem Meinungsaustaush der Gedanke Play greifen, daß das Wort „Katholish ist Trumpf“ bereits Wahrheit geworden Ut. Man fann au sagen: Zentrum ist Trumpf, denn für Sie (zum Zentrum) ist niemand katholisch, der niht dem Zentrum angehört.

ank bat der Minister von den Herren für fein Entgegenkommen Herrn Bumiller's Dank war nichts Anderes als ein

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nit erfahren;

Dank vom Hause Oesterreih. Jn Hechingen hat es sich in der That

Sache | um eine Ordenêniederlassung gehandelt, die nicht bloß dazu bestimmt

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