1878 / 59 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Mar 1878 18:00:01 GMT) scan diff

ZUr Seraitdsezun eine genaue Kenntniß der Grundlagen der verschiedenen schäfte, welche über das einem Menschen Mög-

L inausgehe. Der Redner bat \{ließlich, das Geseß, wie B ret unter ‘Kleit ung der Amendements E

Abg. von Kleist-Reßow bemerkte, gegen die Bildung von Reichs-Ministerien müsse auch er \sich erklären, weil. die- pie neben dem Bundesrath gar nicht bestehen könnten, ohne Bundesrath seine wesentlichsten Machtbefugnisse zu ent- ichen. Solche Reichs-Ministerien würden aber auch dur ie Vorlage gar nicht geschaffen. Die Klagen über den über- wiegenden Einfluß Preußens seien in keiner Weise gerecht- fertigt ; überdies möge man doch nit vergessen, daß Preußen die größten Opfer für das Reich gebracht habe, daß es noch heute dasselbe trage und s{üße, und daß das Reich ohne Preußen gar nicht bestehen könne. Das erheblichste Bedenken, das er elbst gegen die Vorlage hege, beruhe in der Beschränkung, die man dem §. 2 dadur gegeben habe, daß eine Stell- vertretung nit für alle Amtszweige, sondern nur für die- jenigen zugelassen werde, welche fich in der eigenen und un- mittelbaren Verwaltung des Reiches befinden. Gleichwohl werde dieser Mangel ihn nit bestimmen, der wihtigen Vor- lage seine Zustimmung zu versagen. Der Bedingung, die man von mancher Seite an die Annahme des Geseßentwurfs Tnüpfe, daß man in Preußen dem Landtage das unbe- shränkte Steuerbewilligungsrecht einräume, müsse er be- stimmt entgegentreten. Man würde dadurh den Schwer- unkt von der Krone Preußens ganz und gar in das Dielament verlegen. Er könne dies nicht für wünschenswerth halten. Gerade das sei das große Verdienst des Fürsten Bismarck, daß er in den Jahren 1862—66 den Kampf gegen den Mißbrauch des Parlamentarismus aufgenommen und mit Energie festgehalten habe. Nur dadur fei es möglih ge- wesen, das Jahr 1866 und in weiterer Folge die Jahre 1870 und 71 mit ihren großen Erfolgen durchzuführen. Die Stel- lung Preußens im Reiche lasse es ihm selbst ani meisten wün- schenswerth erscheinen, daß die Reichsverwaltung thatsächlich und formell in die Hände der preußishen Minister ge- Legt werde.

ierauf nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck ort:

Ich habe zu meiner Genugtluung in dieser Diskussion nicht den Beruf, in der Rede des Herrn Vorredners anzuknüpfen an die- enigen Theile derselben, deren Inhalt von Verhältnissen spricht, die uns früher getrennt haben oder uns in Zukunft trennen Tönnten, sondern wenn ih auf dem Gebiet des Themas der Vorlage bleibe, kann ich mich auf das beschränkcn, was er im ersten Theil seiner Rede berührte, und von dem “ic hoffe, daß es uns einigen wird und den Ausdruck unserer Einigkeit in Gestalt einer Annahme der ursprünglihen Vorlage zu Wege bringt. Ich habe ebenso gut wie der Herr “Vorredner und wohl jeder von uns vielleiht manches in der Vorlage anders ge- wünscht, aber es fragt sich, ob das Gewünschte und Erreichbare si immer decken. Unsere besten Bestrebungen in Deutschland sind zum Theil daran gescheitert, daß das nicht der G war. Deaken wir an Größeres, um in Erinnerung daran zu {ließen auf das Kleine und Geringere, was uns vorliegt, und was die Gemüther in der Art, wie es der Fall ist, doch wohl nur beschäftigt nicht durch seinen wirklichen praktischen Inhalt, fondern durch die Gedankenflüge, die fi daran knüpfen können, wenn dieser Inhalt \sich verwirklicht.

Ver Herr Vorredner hat “einem Gedanken in einer \{ärferen Weise, als bisher geschehen ift, Ausdruck gegeben, in einer Weise, die mich nöthigt," doch meine modifizirte Stellurg zu diesem Thema zum Ausdruck zu bringen, nämlich den Gedanken, daß die ganze Reichsverwaltung dur preußische Ministerien direkt \{ließlich zu führen sei, nicht blos thatsählich, sondern daß dieser That- jahe auch in der Form Ausdruck gegeben werden sollte. Es ist dies bis zu einem gewissen Grade der Fall gewesen in den ersten Jahren des Norddeutshen Bundes, wo wir Reichsbeamten und Reichsinstitutionen überhaupt noch nit hatten. Ich betrachte es aber als einen wesentlichen Fortschritt, daß wir uns davon entfernt haben, daß wir eigene Reichsbeamten, eigene Reichsinstitutionen haben und als Aufgabe der Thätigkeit eines jedes- maligen Reichskanzlers nur die, die Friktionen dieser neuen Reichs- institutionen mit den althergebrachten Institutionen der einzelnen Staaten zu vermeiden und zu vermitteln, soweit er kann. Da ist nun der s{chwarz-weiße Anstrich der Sache gerade nicht das ri- tigste Mittel, rein äußerlich, wir hängen aber sehr von Aeußerlih- Teiten ab. Um das vor Augen zu bringen, erlaube ih mir, an eine der großen historischen Thatsachen zu erinnern, die für die Herstel- lung des Deutschen Reichs entscheidend und maßgebend waren, es war der Brief, den Se. Majestät der König von Bayern an Se. Majestät den jeßigen Deutschen Kaiser \{chrieb, als wir in Ver- sailles waren. Ohne auf den Wortlaut einzugehen, war ein Haupt- gedanke in diesem Brief: die bedeutsamen Rechte, die ih hierdurch einem anderen Fürsten in meinem Land Bayern einräume, kann ih reinem König von Preußen nicht einräumen, die kann ih nur einem Deutschen Kaiser geben. Es war damit der meines Erachtens richtige Standpunkt ausgedrückt und wenn ih mi richtig erinnere, in diesem Sinu motivirt : der Deutsche Kaiser ist mein Landsmann, der kann Rechte hier ausüben; der König von Preußen ift mein Nachbar. Dieses Gefühl, meine Herren, ist meines Erachtens ein hoch berechtigtes durch den ganzen Lauf der deutschen Partikulargeschihte, und selbst von Seiten derer, die geneigt wären, diese Berechtigung in minderem Maß anzuerkennen wie ih, möchte ich wünschen, daß sie si daran gewöhnen, damit zu rechnen. _Ich bin nachgerade einer von den âlteren und erfahreneren Geschäftsleuten geworden, und ih weiß, wie bedeutsam diese Elemente gerade auf die Gemeinsamkeit des deutschen Landes zurüctkwirken. Ich bin bei den Geschäften schon be- theiligt gew-csen, als das Dreikönigsbündniß scheiterte vor, ih glaube vor _2( oder 28 Jahren, und zwar an den intimeren Verhandlungen zwischen den Höfen in dem Maß bet heiligt, daß ih mit ziemlicher Sicherheit behaupte, es scheiterte einfach an der Frage, sollen die einzelnen Höfe eigene Gesandtschaften, eigenes Gesand: schafts- recht behalten oder niht. In dieser Frage wurde der Abschluß gewiß 9 Monate wenn ih nit irre, länger wie ein Jahr hin- gehalten, über alles übrige war man hinreihend einig darüber verfloß das temprs utile und es kamen rauhe Winterstürme, in denen diese us L at Pglinge nicht mehr gedeihen konnten. Hatte nun dieses Recht eine wirkliche materielle edeutung? Jch war damals nach meinen Lebensjahren und meiner Stellung wohl berehtigt, zu reden, wenn ih gefragt wurde, aber nicht zu reden, wenn ih nit gefragt wurde, in leßterem Fall habe ich mi dahin geäußert: Haben die einzelnen Staaten den Einfluß auf deutsche Entschließungen, daß fremde Machthaber sich um ihren guten Willen bewerben, so giebt es kein Absperrungssystem, welches die Verbindungen abschneiden könnte und sie können vom Gesandten bis zum Schreibcr und Kammerdiener und anscheinend Kaufmann beruntergehen. Man kann da keinen hinreichend wasserdihten Ver- fluß finden, der diplomatische Beziehungen absperren könnte. Bei denjenigen Stellungen, wo das nicht der Fall ist, wo das Ausland ih nit bewirbt um die Stimmen oder nicht auf sie hört, bei den

eineren oder weniger mächtigen, da ist es ziemlich gleichgültig, ob fie Gesandte im Auslande unterhalten oder nit; jedenfalle ist es erfreulich, wenn die Berechtigung dazu sie mehr als anderes versöhnt mit einer Lage, die ihnen sonst niht erwünscht ist. So ist es auch mit der Formfrage, die ich neulich {on berührt habe : soll der Ver- treter cines Bundesstaats genöthigt sein, sih hier, wenn er Verkehr mit dem Reich hat, in- ein preußisches Ministerialhaus zu begeben

das

kehren ? Zh laube, es ift das weder ges{äftlich nüßlih noch politis förderlich, sondern man ist es dem Reich und den Bundesgenofsen \{uldig, eine Reihsverwaltung, die ihre Farben trägt, an die sie sich halten können, die zu ihrer Verfügung und im Dienste des Reichs ist, herzustellen, und ih freue mi, daß im Bun- desrath darüber Einstimmigkeit vorhanden war, daß in den Motiven die Bestimmung, daß dies in Bezug auf die Finanzen mit der Mo- difikation, die wir kennen, der Fall sein sollte, Aufnahme gefunden hat, daß nämlich der preußishe Finanz - Minister wirklih der that- sähliche Leiter der gesammten Finanzen sein sollte, und daß darüber im Bundesrath Einstimmigkeit herrshte, und daß dieser Punkt gar keine Schwierizkeit und gar keine Diskussion gemacht hat. Es ist bei allen die Ausficht für die gemeinsame Finanzderwaltung; wenn sie fruhtbringend sein soll, -ist es nothwendig, mit dem Dualismus ein Ende zu machen, nach welchem jeßt die indirekten Steuern von einer federn ang, die direkten Steuern von 24, 25 anderen ver- ehen werden, ist - es nothwendig, daß man da wenigstens eine Zusammenschiebung soweit erreicht, wie sie dur die Hülfe des preußischen Finanz-Ministers zu erreichen ist, dr ja seinerseits, was der Herr Vorredner ganz richtig ausführte, alle Freuden und Leiden eines Einzelstaats von preußishem Standpunkt aus mitfühlt und insofern die Interessen des Einzelstaats dem Deutschen Reich gegen- über auch zu vertreten haben wird, die Reichsinteressen aber von dem Reichs\chabsekretär möchte ih ihn nennen gegenüber den ein- zelnen Staaten, die daneben ihre Vertrctung finden. Wenn i bei meinen früheren Aeußerungen darüber in erster Linie den preußischen Finanz-Minister zugleich als den natürlihen und regel- mäßigen Vertreter des abwesenden oder behinderten Reichs- kanzlers bezeichnet habe, so hat das den Grund, daß dem prcußischen Finanz-Minister die dortigen Gepflogenheiten an und für fich ein gewisses Einmischungsreht in die übrigen preußi- [hen Ressorts geben, er also die nächste Anwartscaft auf das Prä- sidium im preußischen Staaté-Ministerium hat, wenn der ernannte Minister-Präsident niht anwesend ist. Absolut nothwendig ist diese Einrichtung aber nit, man kann in Preußen, je nachdem die Per- sönlikeiten vazu in der einen oder anderen Stellung geeigneter sind, ja auch den Minifter des Innern zum Vize-Präsidenten ernennen, ja man kann auch einen - Minister ohne Portefeuille als Vize- Präsidenten haben in einer ähnlihen Weise, wie er in Preußen unter dem Ministerium Hohenzollern in der Perfon des Hrn. v. Auerswald bestand, einen Minister ohne Portefeuille, der aber, sowie der Minister-Präsident nicht da ist, sier den Vorsiß vermöge seines Amts im preußischen Ministerium übernimmt und der dann auch jedesmal in den kanzlerishen Vertretungen substituirt werden würde. Daß beides Hand in Hand bleibt, von der Nothwendigkeit, daß dem so sei, habe ih ja früher Zeugniß abgelegt. Aber auch in diesem Falle würde dieselbe Einheit oder ein annäherndes Maß von Einheit der einzel- staatlichen Finanzen mit den Reichsfinanzen nit ausges{lossen sein. Das Verhältniß des preußischen Finanz-Ministers zu dem Reichs- shaßsekretär, den ih neulich gewissermaßen al3 den Unter-Staats- sekretär für die indirekten Steuern bezeichnete, dieses Verhältniß denke ich mir ganz unabhängig von der Präsidialfrage Man kann sogar Gründe dafür anführen, daß beide Verhältnisse getrennt blei- ben sollten. Der Hauptgrund liegt in dem großen Umfang, welchen das preußische Finanz-Ministerium an sich hat. Man kann diesen Umfang verkleinern, Domänen, Forsten abzweigen, vielleiht noch mehr, aber an und für sih ist jeßt der Umfang fo groß, daß da- neben für einen Finanz-Minister, der nun auch noch die Reichs- finanzen leitend im Auge behalten, ja sie leiten foll, nun noch die ganze Stellvertretung des Kanzlers zu übernehmen, eine Aufgabe ift, die ihn zersplittert und der er nit überall genügen kann.

„Diesem Uebelstande, wenn er eintreten sollte, kann man auf zwei Wegen begegnen. Einmal, daß der stellvertretende Kanzler dann jederzeit die Spezialvertretungen, zu denen dies Geseß die Berechti- gung giebt, ins Leben treten läßt, die Nebenshachteln zumacht und feinem Auge entzieht und die auf eigene Verantwortung fo, wie es hier zugelassen ift, gehen läßt und sich nur um die Gesammtleitung bekümmert und um diejenigen Branchen, die hier ausgenommen find, und das war der Fehler, den der Herr Vorredner hervorhob : die Ausübung der Aufsichtsrehte des Reichs betreffend, im Gegensatz zu den eigentlichen Reichsverwaltungszweigen.

__ Nun, gerade bei der Ansicht tritt das Unbehagen ein, was ein

württembergischer, sächfisher Mini}ter empfindet, wenn er sich in

Reich8angelegenheiten oder nennen wir den Justiz-Minister

in Aufsichtsfragen niht an die Reichsinstanz, sondern an das König-

lih preußishe Justiz-Ministerium wenden müßte und das dann

nach der geseßlichen Lage reskribirend nach Dresden und Stutt-

gart ent¡cheidei. Das find diese kleinen Gefühlseindrücke, von

denen wir alle nicht herunterkommen können, und ih

glaube, die Herrcn im Reichstag, wenn sie in ihren eigenen

Bufen greifen, auch niht. Das Gefühl der Verleßung äußerer

Würde kann in parlamentarischen Versammlungen, wie ich erfahren

habe, mitunter sehr mächtig werden, ohne daß ein eigentlih prak-

tisher Grund vorhanden ist, dem Ausdruck des Gefühls Raum geben,

obschon geschäftlich nihts vadurch geändert wird. Also gestatten Sie

auch den Einzelregierungen, dieses Gef, hl ihrer staatlichen Würde

äußerlich dur die Reichsfarben aufrecht zu erhalten, daß ihnen die

preußischen Farben niht in dem Sinne vor Augen gerückt werden,

in welchem jener Brief Sr. Majestät des Königs von Bayern da-

mals sehr rihtig das Verhältniß des Königs von Preußen von dem

Verhältniß des Deutschen Kaisers unterschied.

Ich bin niht in der Lage, augenblicklich wciter eingehehende

Aeßerungen über die Sache zu machen, ohne Gefahr, daß ih bei der

sehr ausgiebigen Auslassung von der letzten Verhandlung in Wieder-

holungen verfiele; ih bitte um die Erlaubniß, bei einzelnen Punkten,

die mir auffallen, meine Meinung vielleiht zu sagen, aber im All-

gemeinen die Bitte an das Haus zu richten, solche Amendements, die

nit der Auédruck einer ganz absoluten und unbesiegbaren prinzipiel-

len Ueberzeugung sind, die ja Niemand in sich zu ersticken vermag,

fallen zu lassen und bei dieser Sacbe mehr wie bei einer andern das

gute Sprichwort zu rgen: das Beste ist des Guten Feind, selbst

tolche Amendements, die blos, ich will darüber nit streiten, eine

vielleicht präzisere Fassung geben, gerade weil sie weiter nihts geben

in einem U was sehr viel auf persönlicher Auslegung beruhen

wird, und wo das Beste eigentlich, um - dieses Geseß fruchtbar zu

machen, aus der freien Entschließung des Kaisers wird hinzugethan

werden müssen, es nicht mit dem Ausdruck so genau zu nehmen,

und nicht, wo nicht unüberwindlihe Gewissenshindernisse vor-

hazden sind, die Vorlage nochmals ‘an den Bundesrath

zurüczuwetsen. Es i niht ohne {were Mühe und Arbeit

mögli gewesen, im Bundesrath das Maß von Uebereinstimmung,

dessen Ausdru diese Vorlage ist, herzustellen, und ‘die Schwierig-

keiten, die geschaffen werden durch die räumliche Trennung

der Regierungen von einander, durch Mißverständnisse einzelner

Worte, dur absihtlich von feindlichen Parteien hervorgékehrte Miß-

verständnisse durch unweise und oberflächlihe Zeitungsartikel, die

wirken bei den vielen Instruktionseinholungen in einer Weise auf

die Dinge ein, die sich vhne mündlihe Besprehung der leitenden

Minister for nicht erledigen und klären läßt. Lettere hat bei dieser Gelegenheit stattgefunden, die B find dazu hergekommen. Ich weiß nit, ob das Maß von Mehrheit im Bundesrath, welches für einzelne solcher Bestimmungen, und gerade für die angefochtenen er- forderlich ist, ob das sicher wieder zu erreichen is, ob wir nicht lieber hier in dieser einfachen Sache, von der ih glaubte, sie würde ohne Diskussion angenommen werden, ob wir nit hier darüber uns einigen follten. olche Amendements, die nicht auf einem noth- wendigen Veberzeugungs8ausdruck beruhen, wie z. B. diejenigen der Centrumspartei oder diejenigen des Grundsaßes, daß kein Beamter gleichzeitig dem einzelnen Staate und dem Reiche dienen darf, solbe Amendements sollten wir fallen lassen, weil ich nit dafür einstehen kann, ob es möglich ist, bei einer neuen Berathung im Bundeêrath zu verhindern, daß sich 14 Stimmen und mehr

und mit dem preußishen Minister als solhem zu ver-

Gesundheitszustand nicht ohne große Sorge entgegensehen kann. Das kann ja kein Grund sein, in der Sache so oder anders zu beschließen, es ist blos für mich ein Motiv, nah dem ih meine Kräfte bemessen muß, ob ich überhaupt für jeßi meine Theilnahme an den Dig- kusfionen fortseßen könnte oder nit. Jch würde daher dankbar sein, wenn diejenigen, . die überhaupt etwas ¡u Stande bringen wollen, den einzelnen Wendungen, die ihnen nit gefallen, nicht so sehr {arf ins Gesiht sehen, sondern die Vorlage angebrachter- maßen annehmen. i

Nach dieser Rede des Reichskanzlers zog der Abg. Dr. Beseler seine Abänderungsanträge zurü.

Der Abg. Dr. Lasker bezeichnete das Gesetz als eine Voll- macht, durch welche die künftige Organisation des Reiches in die Hand des Kaisers und des Reichskanzlers gelegt werde. Die Tendenz des Bundesraths, gegen diese absolute Vollmacht einige Schranken aufzurichten, sei zwar berechtigt, aber durh die Bestimmungen des 8. 2 niht erreicht. Durch die weitere Schaffung selbständiger Reichsämter könne diese Schranke illusorish gemacht werden. Er erkenne die mangelhafte Prä- zision der Vorlage als eines Organisationsgeseßes und erkenne ebensosehr an, daß einzelne Amendements, wie namentli der Antrag Hänel, wesentliche Verbesserungen enthielten. Aber wenn er vor der Frage stehe, ob dies Ge- ses durh mögliche Verbesserungen gefährdet oder mit allen konstitutionellen Mängeln angenommen werden solle, so sei er niht einen Augenblick im Zweifel. Es kehrten nit oft im Leben der Nation Gelegenheiten wieder, bei denen ein so erheblicher Fortschritt gemaht werde gegen Verfassungsver- engungen. Was die Frage der Verantwortlichkeit anbetreffe, so wäre ihm in der Rede des Reichskanzlers bei der ersten Lesung diejenige Stelle die befriedigendste gewesen, welche den S. 3 interpretirte. Sie habe als Vorbehalt für den Reichs- kanzler nur dasjenige gefordert, was jeder Zeit zur Herstellun; einer vollen politishen Einheit nothwendig sei. Freilih leide §. 3 an dem Mangel, daß er in mäßig \{hroffen Form das ausdrücke, was auch ohne ihn selbstverständlih gewesen wäre. Von der verfassungs- und staatsrechtlihen trenne er die politishe Bedeutung der Sache. Der Gebrauch, der von diesem Geseße gemacht werden solle, sei ein äußerst besche'dener. Es solle als selbständiges Amt zunächst geschaffen werden die Verwaltung für Elsaß- Lothringen. Allein diese Vorlage sei noch kein Organisations- eseb, sondern eröffne erst die Wege zu einem solchen; man lónne in ein Geseß, welches in eminentem Sinne nur die Ab- änderung der Verfassung im- Auge habe, nit gleih einen Theil der Organisation aufnehmen. Das zweite selbständige Ministerium, das in Aussicht gestellt sei, Angelegenheiten. Eine Bedeutung für die Fortentwickelung der Organisation habe dieses Amt nicht, denn ‘es werde immer von den Anweisungen und dem Geiste des Reichskanzlers ab- hängig sein. Was dann drittens das Finanzamt anbetreffe, auf welches er und seine Partei einen so großen Werth legten, und welches der Bundesrath ausdrüdlich zugestanden habe, so habe der Reichskanzler erklärt, daß diejenige Organisation, die er im Auge habe, ganz außerhalb des jeßigen Gesetzes stehe. Der Redner resumirte {ließli seine Stellung zu der Vorlage dahin: die Form sei ihm in einzelnen Punkten nicht zufagend, in der Gesammterwägung aber sage er, das Wohl, welches sich in Zukunft aus diesem Gesetze entwickeln könne für die Reichsverwaltung, überwiege dermaßen, * daß er ohne Be- denken das Geseß annehme.

Hierauf Staats-Minister von Nostiz-Wallwiß das Wort:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat für wünschenéwerth er- klärt, daß über die Intentionen des Geseßes zwishen dem Bundes- rathe und dem Reichstage vollständige Klarheit geschaffen werde. Ih febe diesen Wunsch als einen vollständig berechtigten an, und werde mi bemühen, demselben zu entspreben. Schließe ih mich zunächst dem Eingang der Rede des Herrn Vorredners an, so hat derfelbe | der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß d18 vorliegende Gesek, selbft, wenn seine Form, wiz er meint, eine unvollkommene fei, do eine geeignete Grundlage abgeben werde, um dem Reich eine energische und gute Regierung zu verbürgen. Diese allgemeine Ueberzeugung theile ich mit ihm, ich glaube aber, wir sind dabei doch verschie- dener Ansicht. Ih glaube, er geht davon aus, daß das | Reih, um zu einer solchen Regierung, wie sie ihm als Ziel vorshwebt, zu gelangen, der Reichs-Ministerien bedarf. Diese Ansicht theile ich nicht, bin in dieser Beziehung vielmehr der Ueber- zeugung, welcher bei der ersten. Lesung die Vertreter der bayerischen und württembergischen Regierung Ausdruck gegeben haben. Ehenso- wenig theile ih die Auslegung, welche der Herr Vorredner dem leb- ten Absatz des §. 2 des Gesetzes gegeben hat. Jh glaube, daß das, was der Bundesrath hat sagen wollen, aus den Motiven mit genü gender Gewißheit hervorgeht. Es heißt in denselben :

Das Geseß {ließt jene Geschäftszweige, bei welchen es \idh in der Hauptsache niht um eine Verwaltung des Reiches handelt, sondern der Shwerpunkt in dem Recht der Aufsicht und Geseßgebung liegt, von der besonderen Stellvertretung aus und beschränkt sich darauf, eine solche Stellvertretung bezüglich der | in der eigenen und unmittelbaren Verwaltung des Reiches befind | lichen Amtszweige vorzusehen.

Ih meine, daß der Sinn und die Absicht dieses Passus der Motive verkannt werden kann, und kann mit zu dem Ende auf cine Autorität aus der Mitte des Reichstages E berufen. Hr. von Bennigsen hat bei der ersten Lesung gesagt:

Aus den Motiven geht hervor, wie der Bundesrath nach diesen allgemeinen Gesichtspunkten die einzelnen Ressorts unterscheidet, Man hat alfo die einzelnen Resso:t8 in der Verwaltung darauf angesehen: hier ist eine Verwaltung, die überwiegend eigene Reichs verwaltung in sich {ließt, vielleicht neben dieser auch noch einz gewisse Aufsichtsthäligkeit, und auf der anderen Seite ist eine Verwaltung, welche überwiegend Aufsichtsrechte wahrzunehmen hat, neben einer geringen oder gar keiner Verwaltungsthätigkeit des Reichs. Da- nach hat man unterschieden, und für diejenigen Ressorts mit über- wiegend eigener Verwaltung hat man die Stellvertretung zulassen wollen nah §. 2, bei den anderen hat man sie ablehnen wollen. Das geht aus den Motiven des Bundesraths im vorlezten Sah ganz deutlich hervor.

Jch glaube, ih kann mich darauf beschränken, hier zu konstatiren, daß die Absicht des Bundesraths dieselbe ist, welche Hr. von Bennigsen den Motiven untergelegt hat, und nicht diejenige, welche der geehrte Vorredner aus dem Wortlaut des Geseßentwutfs hHerausgelesen hat. Hätte der Bundesrath zu fürchten gehabt, vaß seiner Vorlage eine solche Interpretation zu Theil werden solle, so will ich nicht da- für stehen, ob sich nit \{ließlich troß des Wunsches, das Gute zu erreichen, was der Gesetzentwurf erstrebt, doch diejenigen 14 Stimmen hätten zusammenfinden müssen, die verhindert hätten, den Gesetzent- wurf einzubringen.

Mit dea Bemerkungen, die Hr. von Kleist-Reßzow zu dem Gt seßentwurf ae hat, kann ich mich zum Theil sehr einverstanden erklären. Namentlich bin ich mit ihm der Ansicht, daß der Geseb' entwurf nicht blos bezweckt, dem Herrn Reichskanzler eine nach dek Natur der Sache und nah dén vorliegenden Umständen unbeding! nothwendige Erleichterung zu verschaffen, sondern au in der That die Absicht hat, die Regierung des R-ichs zweckmäßiger, ausgiebiger

sind niht nöthig gegen die Beschlüsse des Reichstags finden, und dann haben wir von Neuem cine Arbeit, der ih wenigste: s in mein: m

zu gestalten. Von dieser . Absiht sind auch diejenigen Regi rungen geleitet worden, die \ich gleihwohl haben sagen müssen,

einer über- F

umfasse die äußeren |

ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath,

m Standpunkt der einzelnen Staaten aus der Entwurf dO iehr erheblide Konzessionen ansinnt; wir haben uns aber bereit erklärt, diese Konzessionen zu machen im Interesse-des großen Zwecks, der von Hrn. von Kleist-Reßzow mit großer Beredtsamkeit be- zeichnet ist. Ï S s .

n hat Hr. von Kleist-Reßow \sich auch über die Beschränkung pra bie B Bundesrath in §. 2, in Bezug auf die besonderen Stellvertreter / zu stipuliren fih gedrungen gefühlt hat, er hat den Mittelstaaten namentlich und ihren Vertretern eine gcwisse Aengst- lihkeit zum Vorwurf gemacbt, ja, ih möchte aus seinen Worten herauslesen, eine gewisse Kleinlihkeit der Auffassung. Jb glaube, daß dies do ein unbegründeter Vorwurf ist, und freue mich, daß der letzte Vorredner, Hr. Dr. Lasker, selbst die Absicht des Bundes- raths als eine in den Verhältnissen begründete anerkannt hat. Wenn wir davon ausgegangen find, daß die Auffichtsbefugnisse des Reichs nicht wahrgenommen werden sollten von den Vorständen einzelner Reichsämter, so find wir hierbei nicht nur bestimmt worden durch gewisse konventionele Rücksichten, deren der

err Reichskanzler in seiner leßten Aeußerung gedachte, ondern wir sind auch dur thatsäblihe Gcünde geleitet worden, die neben jenen mehr formalen Rüdsfichien liegen, obschon ih meinerseits auch diese leßteren gar nicht zu untershäßen gemeint bin. Wir wünschen, daß die Auffichtsbefugnisse des Reichs niht blos von dem mehr technishen Strndpunkt eines Chefs eines einzelnen Ressorts gehandhabt werden, sondern von einem allgemeinen höheren politischen Standpunkt aus, der die Erhaltung aedeihlicher Berhältnifse unter den einzelnen Bundesstaaten si zum Ziel seßt. E

Daneben sind wir allerdings zuglei von der Ansicht bestimmt worden, zu verhindern, daß die Aufsichtsbefugnisse des Reichs nicht durch Ressort-Minister der Einzelstaaten ausgeübt werden sollen. Wenn Hr. von Kleist-Retow in dieser Sachlage kein Bedenken findet, so bedauere ih, daß ih hierin ihm nicht folgen kann. Wean man zu dem Minister des Einzelstaates nah Lage der Sache werden nur preußische Minister in Frage kommen können au das größte Zutrauen hat, fo bleibt er nichtsdestoweniger do immerhin Mensch, und es ist für einen Menschen unmöglich, eine doppelte Aufgabe, die zum Theil durch ganz verschicdene Ziele bestimmt wird, in gleich gerechter, billiger und vorzüglicher Weise zu erfüllen.

Hr. von Kleist-Rebow hat das Reichs-Cisenbahn-Amt genannt, und, wenn ich ihn recht verstanden habe, angedeutet, daß für die Zuëäunft sich kein ander-r Ausweg denken läßt, als daß der preu- fische Handels-Minister zugleich Vorstand des Reichs-Cisenbahn- Amts sei. Meine Herren, abgeschen davon, daß das Geseß über die Einrichtung des Reichs-Eisenbahn-Amts die ausdrüclliche Bestimmung enthält, daß niemand Mü!glied des Reichs-Cisenbahn-Amts, also au nicht Vorstand defselben sein kann, welcber Mitglied einer anderen Eisenbahnverwaltung ist, auch abgesehen hiervon, würde es doch für den preußischen Handels-Minister ganz unmögli sein, auf der einen Seite als Vorstand des Reichs-Cisenbahn-Amts jeder Eisenbahn- verwaltung gegenüber aus\{ließlich die Rücksichten der Gerechtigkeit und Billigkeit walten zu lassen und gleichwohl als preußischer Handels-Minister das Ziel zu verfolgen, die preußishen Staats- eisenbahnen in möglihst nußbringender Weise für Preußen zu ver- walten. Ich halte diese Verbindung für eine Unmöglichkeit, sie ent- hält ein Verlangen, was man an keinen Menschen stellen kann.

Wenn der geehrte Vorredner hieraus hat folgern wollen, daß man dann auch die Vereinigung der Reichskanzlerschaft mit dem Präsidium des preußishen Ministeriums nicht zugeben könne, so glaube ih, waltet in dieser Beziehung do ein wesentlicher Unterschied ob. Der Herr Reichskanzler hat unzweifelhaft auch als Vorstand des preußischen Ministeriums Außerordentliches geleistet, aber das, was den Herrn Reichskanzler zu dem berühmten Manne gemacht hat, der er ist, das ist feine Eigenschaft als Kanzler des Deutschen Reichs und hierin liegt die Bürgschaft, daß er die allgemein deutschen Interessen jederzeit wahren wird. D i i

Der Abg. Dr. Hänel motivirte seinen Antrag damit, daß es sich hier um dauernde Jnstitutionen, um Stellvertretungs- ämter handele, welche ihren budgetmäßigen Ausdruck finden müßten. Hierbei müsse das Haus sein Budgetreht wahren und auch dem Bundesrath könne das als eine Schranke gegen die absolute Vollmacht des Reichskanzlers nur willkommen sein. Auch sei sein Amendement praktisch durchführbar. Der Abg. Reichensperger empfahl die Annahme des Antrags Fraiikeriltein und beantragte, falls dieser Anträg abgelehnt werden sollte, besondere Abstimmung über die Worte „auf Antrag des Reichskanzlers“ in F. 1. Diese Worte verleßten das monarchische Prinzip; sie seien ein Eingriff in die Prä- rogative der Krone und ohnehin überflüssig, da, wenn der Kaiser aus eigener Wahl Stellvertreter ernenne, der Reichs- kanzler diese Ernennung ohnehin kontrafigniren müsse. Der Abg. Schneegans führte aus: was er und seine Partei ver- lange und zu erstreben suche, sei die Verwaltung der Reichs- lande im Lande selbst, die Regierung des Landes durch das Land. Er begreife volllommen die Schwierigkeiten, welche entstehen müßten, wenn der Minister für Elsaß-Lothringen fern vom Kaiser residire, aber er schäße die Schwierig- keiten noch höher und unüberwindliher, die aus der Ab- wesenheit des Ministers von dem Lande resultiren würden, welches er verwalte. Er wisse niht, in welher Form die neue Einrichtung getroffen werden solle, indessen, darauf komme es ja auch nicht an. Er wolle die Selbstverwaltung im Prinzipe; dieser Standpunkt habe im Hause allgemeine Sym- pathien gefunden, wenn man ihm auch nicht verhehlt habe, daß sih die Frage bei diesem Anlasse nicht erledigen lassen würde, und daß man deshalb das Amendement niht accep- tiren könne. Werde daher dieser Antrag verworfen, so werde er annehmen, daß das Haus si niht gegen seinen Gedanken, sondern nur gegen seine formelle Zuständigkeit ausgesprochen habe, und nah wie vor sein Prinzip verfechten.

Der Reichskanzler Fürst von Bismarck entgegnete hierauf:

6 Herr Vorredner hat vollkommen Recht, wenn er annimmt, daß die Sympathien nicht nur des Hauses, fondern auch der ver- bündeten Regierungen dem von ihm befürworteten Bestreben der Elsaß-Lothringer zu einer selbständigen Regierung im eigenen Lande zu gelangen, zur Seite stehen, und wenn ich das hohe Haus bitte, das Amendement an dieser Stelle nicht anzunehmen und nicht den Versuch zu machen, diese heterogene Frage an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit zu erledigen, so geschieht es keineswegs aus Ab- neigung gegen die Tendenz, die sich in diesem Amendement ausspricht, sondern nur aus dem Grunde, weil sihch eine Frage von dieser Trag- weite so nebenher nicht erledigen läßt. Nach dem, was ich neulich über diese Sache gesagt habe, behalte ih das Streben im Auge, von dem Bande loszukommen, welches den Reichskanzler und das Mini- sterium für Elsaß-Lothringen in einer Person verschlingt. Dabei kommt das Land oder der Reichskanzler zu kurz, und der ganze Ausdruck des Regierungsgedankens wird ein unrihtiger, in- dem der faktishe Schwerpunkt nicht da liegt, wo die Verantwortlich- keit gesucht wird. Es wird ja dann also, wenn ich in diesem Bestreben fortfahre, au die Frage zur Entscheidung kommen: nicht ob, son- dern in welher Weise die ministerielle Leistung für Clfaß-Lothringen sich gestalten wird. Die Schwierigkeit ist die, daß Se. Majestät der Kaiser, der die landesherrlichen Rechte im Namen der verbündeten Regierungen in Elsaß-Lothringen ausübt, die Residenz nah dem re- gierten Lande nicht dauernd hinzulegen vermag und doch das Bedürf- niß hat, von seinem Minister für Elsaß-Lothringen oder seinen Mi- nistern, wenn man \ih dergleihen mehr denkt, Vortrag zu erhalten.

_ Der Herr Vorredner irrt insofern thatsächlich, wenn er sagt, daß ein Ministerium für Elsaß-Lothringen gegenwärtig nicht vor- handen wäre und daß es errihtet werden würde. Es ist vorhanden;

es fragt sich nur: kann man es nach Straßburg verlegen, oder ist es nothwendig an Berlin und an den Aufenthalt Sr. Majestät des Kaisers gebunden? Ich will dieser Frage durchaus niht zum Nac- theil der Bestrebungen des Herrn Vorredners präjudiziren. Es hat ja seine großen Schwierigkeiten im Verkehr, wenn der Landesherr von dem wverantwortlihen Minister so ge- trennt ist, daß die mündliten Vorträge zu den Ausnahmen gehören, unmöali ist es aber in keiner Weise. Wir haben in man- hen deutschen Ländern noch heute und nah der alten Dienstpragmatik fast überall die Einrichtung gehabt, daß die Minister den Souverän von Angesicht zu Angesicht in der Regel nur am Hofe in repräsen- tativer Gesellschaft, aber niht in Geschäften sahen, sondern daß alle Geschäfte sriftliÞ abgemadt wurden. Nun läßt ih ja die Wahl der Person so denken, daß dieselbe sich eines ganz ausnahmsweifen Vertrauens bei dem Träger der landesherrlichen Rechte, Sr. Majestät dem Kaiser, erfreut, und die Korrespondenzen deshalb seltener, oder, wenn nicht seltener, doch aus- reichend sind, um den mündlihen Verkehr vollständig und wirksam zu erseßen. Aber ich bitte nur zu glauben, daß alle die

lâne, die mir von verschiedenen Seiten gebracht worden sind, Statt-

alterschaften zu etabliren, meines Erachtens die Sache nicht lösen, der Lösung niht um ein Haar breit näher bringen als heute. Ob der Beamte, der dort lebt und dort die Geschäfte führt, den Titel Statthalter hat, ob er fürstlihen Standes ist oder ein gewöhnlicher Beamter, das kann in Bezug auf die geschäftliche Quali- tät vielleiht einen Unterschied machen, in Bezug aber auf die sachlichen Schwierigkeiten, die zu überwinden sind, wird das durchaus keinen mahen. Es bleibt immer die Frage zu lösen, so lange nicht ein eigentlicher Landesherr in Elsaß residirt, was doch auch wiederum seine Schwierigkeiten der Lösung und Herstellung hat, die Schwierig- keit, wie korrespondirt der nothwendig in Be: lin residirende Landeê- herr mit seinem dortigen Minister, oder wie stellt sich die Zufrieden- heit oder die Verwaltung des Landes, wenn der Minister in Berlin wohnt? Wäre dort ein Statthalter im landläufigen Sinne des Wo1ts, so würde Se. Majestät der Kaiser doch nicht auf jeden Einfluß auf die Regierung verzichten können; es würde do irgend eine ministerielle Verantwortlichkeit hergestellt werdes müssen, deren Siß immer entweder in Straßburg oder in Berlin sein müßte. Die Abwägung der Schwierigkeiten und Unzuträglih- keiten des einen oder anderen Systems ist für mi durchaus nicht entschieden. Wenn die geeignete Persönlichkeit sich findet, der Se. Majestät der Kaiser das Vertrauen schenkt, so würde ih nicht unbe- dingt abrathen, eine Geseße8vorlage einzubringen, welche es nicht nur möglich macht, den Kanzler davon zu dispensiren, sondern einen mei- nethalben in Straßburg wohnenden Minister als obersten Beamten für Elsaß - Lothringen herstellt, dem außer Sr. Majestät dem Kaiser Niemand etwas zu sagen hat. Es würde also dann etwa eine Kabinetssekretär-Korrespondenz zwishen dem Landesherrn und dem Minister die Verbindung bilden, di2 von Berlin nah Straß- burg reiht. Es ist das ja nicht unmögli, wir haben ähnliche Ver- hältnisse in Luxemburg in Bezug auf Holland, in Norw:gen in Be- zuz auf Schweden, in Ungarn in Bezug auf den Verband mit der österreichischen Monarchie, aber da doch überall unter solchen Um- ständen, daß die eigentlihe Schwerkraft der Regierung in den par- lamentarishen Körperschaften liegt, die diese Länder vertreten. Es find im Grund nit die Statthalter, sondern in Luxemburg, in Norwegen und bis zur dualistishen Kompetenz in Ungarn, regiert dort die Landesvertretung. Nun, ih gebe ja die Hoff- nung nicht auf, daß wir auch in Elsaß-Lothringen mit der Zeit eine Landesvertretung - haben können, die dem Deutschen Reich vollständig die Bürgschaft giebt, das Vertrauen einflößt, daß sie im Stande ist, auch politishes Schwergewicht auf die Entschlie- ßungen, die im Namen dieses Reichslandes getroffen werden, aus- zuüben berechtigt zu sein. Wir haben dafür ia immer den Baro- meter der Wahlen, die für den Reichstag stattfinden. Im Augenblick würde ih mich noch nit entschließen können, dazu zu rathen, daß ein ähn- liches Schwergewicht, wie es also inLuxemburg und Norwegen der Landes- vertretung für die politishen Entschließungen des Souveräns beigelegt wird, in Elsaß-Lothringen ausgeübt werde. Aber ih gebe, wie gesagt, die Hoffnung nicht auf, daß die dortige Bevölkerung sich von dem Drud der Vergangenheit, von dem Druck der Gegenwart, der auf ihr lastet, mehr und mehr emanzipiren wird, sih als mit freudigem Sinn dem Deutschen Reich zugehörig fühlen wird. Der Grund, warum ih überhaupt in dieser Frage, obschon ih vorhin {on von jedem Amen- dement abgerathen habe, das Wort nahm, war, weil der Herr Vor- redner den Appell an den Regierungstisch richtete, si darüber zu äußern, und weil ih für meine Person in der Lage bin, ihm eine mehr ermuthigende als ablehnénde Antwort in der Sache zu geben, wenn ih sie in der Form, wie sie vorliegt, hier auch zurück- weisen muß.

Die Diskussion wurde hierauf geschlossen. Die Anträge Frankenstein, Hänel und Schneegans wurden abgelehnt, des- gleichen der Antrag Reichensperger auf Streichung der Worte „auf Antrag des Reichskanzlers“ in §. 1 der Vorlage in namentlicher Abstimmung mit 201 gegen 79 Stimmen abge- lehnt, und die §8. 1 und 2 mit großer Majorität in der ur- sprünglihen Fassung der Regierungsvorlage unverändert an- genommen. Um Uhr vertagte das Haus die Berathung.

Jn der heutigen (17.) Sißung des Reichs- tages, welcher mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß an Vorlagen ein- gegangen seien : die Entwürfe eines Gerichtskostengeseßes, einer Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher und einer Gebühren- ordnung für Zeugen und Sachverständige. Sodann seßte das Haus die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betr. die

tellvertretung des Reichskanzlers fort.

Zur Debatte wurden zunächst gestellt der Antrag des Abg. von Bühler (Oehringen), welcher lautet :

„Der Reichstag wolle beschließen: Nah §. 2 folgenden Paragraphen einzuschalten: §. 3. Kein Reichsbeamter und kein Stellvertreter eines solchen ist befugt, neben dem Reichsamt gleih- zeitig ein Staatsamt in einem Bundesstaate zu bekleiden, fofern nicht das betreffende Reichsamt selbft als ein Nebenamt zu be- trachten ift i :

und der §. 3 des Antrages von Franckenstein-Windthorst, wclcher lautet : j

8. 3. „Der Stellvertreter des Reichskanzlers darf kein Staats- amt in einem der Bundesstaaten bekleiden. Die Beauftragung desselben mit der Führung einer Stimme im Bundesrath ift da- mit jedoch nicht ausgeschlofsen.“

Der Abg. von Bühler motivirte seinen Antrag dur den Hinweis, daß die Jnteressen des Reiches niht durhweg mit den Jnteressen jedes Einzelstaates parallel gingen, und daß es der Natur der Sache und allgemein anerkannten Rechts- grundsäßen widerstreite, daß ein Bevollmächtigter Jnter- essen, die unter Umständen untereinander kollidiren, gleichzeitig vertrete. Nehme inan den Antrag niht an, so

Abg. v. Schmid (Württemberg) erklärte, daß der Vorredner niht nur niht im Namen der deutschen Reichspartei ge- sprochen habe, der sie Beide gemeinsam angehörten, s\on- dern daß die Fraktion den vom Antragsteller vertretenen Antrag sowohl bezüglich des Antrages selbst, wie seiner Motivirung entschieden perhorrescire. Der Vorredner möge doch niht vergessen, daß ohne Dana! es überhaupt gar kein Deutsches Reih gäbe. er Einfluß Preußens auf die Verwaltung der Reichsangelegenheiten sei mithin ein durchaus legitimer; das einzige, was man von

werde der Einfluß Preußens bald zu mächtig werden. Der

keit der deutschen Bruderstämme im Süden, und daran habe es Preußen niemals fehlen lassen. Der Antrag habe eine Trag- weite, die si der Antragsteller augenscheinlich felbst nit klar ge macht habe. Wolle er etwa verlangen, daß der jebige Reichskanzler sein Amt aufgeben solle, weil er preußischer Minister-Präsident sei? Die große Mehrheit seiner Landsleute werde darin einig sein, daß die Persönlichkeit des Reichskanzlers für das Reich unendlih viel wichtiger sei, als der Antragsteller und alle seine Anhänger. Beim Schlufse des Blattes hatte der Abg. Windt- horst (Meppen) das Wort.

Wie kereits bekannt, hat Se. Majestät der Kaiser auf den von der französishen Regierung zu erkennen gegebenen Wunsch genehmigt, daß die Abtheilung für Kunst auf der diesjährigen Pariser Weltausstellung durch Werke deutscher Künstler beshickt werde, Mit der ge- sammten geschäftlichen Leitung dieser Betheiligung is mit Allerhöchster Genehmigung vom Reichskanzler der Direktor der Königlichen Akademie der bildenden Künste von Werner betraut worden.

Der Kaiserliche General-Konsul in Odessa ist von dem Kaiserlich russishen Kriegsgouverneur in Nikolajew Behufs Warnung der Führer derjenigen deut \schen Schiffe, deren Ein- treffen in Nikolajew etwa erwartet wird, benachrichtigt worden, daß bis zur Beendigung des Eisganges und der Aufstellung der Brandwachtschifse bei Otschakow alle Schiffe vor dem Einlaufen in die Rhede von Otschakow auf der west- lichen Seite des Meridians des Ssuworowschen Leuchtthurms, wohin zu ihrer Weitergeleitung Dampfschiffe werden abgesandt werden, zu halten haben, und daß bei Nachtzeit allen Schiffen, sowohl das Einlaufen in die Rhede von Otschakow vom Meere aus, als auch das Auslaufen aus dieser Rhede nah dem Meere zu unbedingt untersagt ift.

Die in der heutigen Börsen - Beilage abgedructe tabellarishe Uebersichi dex Wochenausweise der deutschen Zettelbanken {ließt mit folgenden Daten ab: Es betrug der gesammte Kassenbestand 876 678 000 4, d. i. der Vorwoche gegenüber mehr 14 150 000 4, während der Wechselbestand in Höhe von 564 932 000 4 einen Rückgang um 15 101 000 /6 nahweist; die Lombardforderungen nit 78 552 000 Æ lassen eine Ee um 5 434 000 4 erkennen, wie au der Notenumlauf mit 802 836 000 (6 eine solche von 12 950 000 M6 nahweist; die täglih fälligen Verbindlichkeiten haben sih der Vorwoche gegenüber um 7 585 000 H auf 214 934 000 M vermindert, während die an eine Kündigungs- frist gebundenen Verbindlichkeiten um 75000 # auf 58 094 000 M angewachsen sind.

Zur Theilnahme an den vom 11. bis 30. d. Mts. resp. vom 1. bis 20. April cr. hierselbst stattfindenden militärärztlihen Dperations- 2c. Kursen sind eine größere Anzahl von Ober-Stabsärzten sowie Assistenzärzten 1. Klasse, und zwar aus dem Bereiche des Garde-Corps, des I. bis inkl. XT., des XIV., XV. und XIII. (Königl. Württem- bergischen) Armee-Corps, sowie der Marine hierher komman- dirt worden.

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Sachsen-Coburg-Gotha. Coburg, 7. März. Ztg.) Unter den Vorlagen, welche dem gestern hier zusammen- getretenen Spezial-Landtage gemacht worden sind, befinden sich ein Dekret des Herzoglichen Staats-Ministeriums über die Erhebung einer Abgabe von den Feuerversiherungs-Anstalten, ferner ein solches über die Erhebung einer Kommunalabgabe von Bier und ein Dekret bezüglich des Ruhegehalts für die Volksschullehrer nebst den betreffenden Geseßentwürfen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 8. März. (W. T. B.) Erzherzog Franz Carl, Vater des Kaisers, geb. 7. De- zember 1802, ist heute Mittag, gegen 1 Uhr, gestorben.

Großbritannien und Jrland. London, 7. März. (E. C.) Der größere Theil der gestrigen Sißung des Unterhauses wurde der Frage der zweiten Lesung der von dem Mayor O'Gorman eingebrachten Bill ,* betreffend die Munizipalfreiheit in Frland, gewidmet. Mr. Kavanagh, der (konserv.) Vertreter der irishen Grafschaft Carlow, er- flärte sfih gegen die zweite Lesung, da ein Ausschuß zur Untersuchung der Frage eingeseßt worden sei und die sofortige Ausführung des neuen Vorschlages die Hauptmacht in die Hände der unteren Klassen bringen werde. Aehnlih sprach sih cin anderer konservativer Jrländer, Sir John Leslie aus. Mr. David Plunket, Vertreter der Dubliner Universität und General- anwalt für Jrland, gab zu, daß eine Veränderung wünschens- werth sei, hielt aber eine Entscheidung über die noch nicht völlig unter)uhte Frage für unzulässig. Der Regierungs- vertreter, Mr. Lowther, äußerte sih-dahin, der betref- fende Ausschuß habe im Jahre 1876 zwanzig und im Fahre 1877 wieder zwanzig Sißungen gehalten und werde voraus- sihtlih bald Bericht erstatten können. Das Parlament werde seiner Gewohnheit nah diesen abzuwarten haben. Bei der Abstimmung wurde der O'Gormansche Antrag zwar abge- lehnt, aber nur mit 165 Stimmen gegen 160, ein Er- gebniß, welches seitens der Opposition mit lautem Beifall be- grüßt wurde. Der Oberbefehlshaber des englischen Heeres, Herzog von Cambridge, fuhr gestern nah Woolwich, um die Rekruten (d. i. alle Soldaten von weniger als einem Jahre Dienstzeit) der reitenden, Feld- und Festungs-Artillerie, jowie der Fnfanterie-Brigade-Depots und der Schüßen-Brigade zu besihtigen. Das Aussehen der Leute war im Allgemeinen ein ae efriedigendes. Später wurde noch das in Woolwich befindlihe Remonte-Etablissement in Augenschein genommen, welches dcn besonderen Zweck hat, den Ersaß für die Artillerie und das Fuhrwesen zu liefern. Die Pferde werden an Ort und Stelle eingesahren und diese Gelegenheit zugleih dazu benußt, um Mannschaften verschiedener Truppentheile, na- mentlih auch der JFnfanterie, zum Fahren auszubilden.

8. März. (W. T. B.) Jm Unterhause erklärte heute der Schaßkanzler Northcote dem Deputirten Coope, die Regierung werde das Budget in der ersten Woche des April vorlegen. Das Oberhaus nahm die Bill, betreffend die Gerihtskompetenz der britischen Krone über fremde Kauffahrteischiffe in britishen Territorien bis auf eine Entfernung von 3 Meilen, bei der Spezialdebatte unverändert an. Cairns erklärte, die Bill überschreite nicht die international festgestellte Grenze der Kom- petenz.

*2Frankreih. Paris, 7. März. Wie das „Journal officiel“ meldet, sind durch zwei neue Dekrete vom 4. März

Preußen fordern dürfe, fei die Anerkennung der Ebenbürtig-

abermals 74 wegen Betheiligung am Kommune - Aufstande