1913 / 60 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Mar 1913 18:00:01 GMT) scan diff

I N P S S

A Ie O E A O R

. 12 G60.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abgesehen von den auf dem Shayregal beruhenden Vorschriften des jütschen Low und der kurhessischen Verordnung vom 22. Dezember 1780 Fommen nur die Bestimmungen der - Gemeinde- und Kirchenver- waltungsgeseße über die Veräußerung und Veränderung von Gegen- ständen wissenschaftlichen, geschichtlichen und fünstlerishen Wertes in Betracht. Demgegenüber ist die Notwendigkeit einer geseßlihen Regelung wohl unbestreitbar. (Sehr richtig!) Darauf ist auch wiederholt in ‘belden Häusern des Landtags hingewiesen worden, o Im Hause der Abgeordneten in der Sißung vom 27. März vorigen Jahres und neuerdings durch den Antrag Dr. Kaufmann und Genossen vom 17. Januar dieses Jahres. Unter diesen Umständen kann ih wohl mit Recht auf eine wohlwollende Aufnahme dieses Geseß- entwurfs in dem hohen Hause renen, und es wird nicht erforderlich sein, daß ih diese wohlwollende Aufnahme noch mit längeren Aus- führungen erbitte. Ih darf mi deshalb wohl kurz fassen.

Der Entwurf beschränkt sich auf den Schuß der bei Aus- grabungen oder sonst zutage tretenden Bodenaltertümer. Diesen Schuß strebt er in drei Richtungen an. Er will, wie die Begründung sagt, Vorsorge treffen, daß Ausgrabungen nur in einer zur Wahrung des öffentlichen Interesses an der Förderung der Wissenschaft und Denkmal- pflege geeigneten Weise vorgenommen werden, er will bei Gelegenheits-

funden auf eine sahgemäße Behandlung hinwirken, und er will endlich

die Möglichkeit hafen, Funde, die wesentli gefährdet sind, der All- gemeinheit dauernd zu erhalten. Der Schuß des Gesehes soll si beziehen auf Gegenstände von fulturgeshihtliher oder naturgeschicht- licher, namentli paläontologischer Bedeutung, die in einem Grund- stück einschließlich seiner Bestandteile verborgen sind oder vor der Entdeckung verborgen gewesen sind. Die Gegenstände können beweglihe Sahen oder Grundstücksbestandteile sein. Eine Grabung nach Gegenständen dieser Art darf nur in der Weise erfolgen, daß niht das öffentlihe Interesse an der Förderung der Wissenschaft und Denkmalpflege beeinträchtigt wird. Zum Beginn der Grabung ist deshalb die Genehmigung des Negierungspräsidenten gefordert; diese darf aber nit versagt werden, wenn die Erfüllung jener Vorausseßung als gesichert anzusehen ist. Bei Gelegenheitsfunden ist eine Anzeigepflicht und eine den Umständen des Falles angepaßte Obhutpflicht vorgesehen. Ein entdeckter Gegen- ftand unterliegt auf Verlangen des Staates sowie der Provinz, des Kreises und der Gemeinde, in deren Gebiet er entdeckt ist, der Ab- lieferung. Das Erwérbsreht kann jedo nur gegen MWertersatz, nur bei Gefahr im Verzuge, was ih unterstreiche, und 1egelmäßig nur binnen einer bestimmten Frist geltend gemaht werden. Können die Beteiligten si ‘nit über die Ablieferung eintgen, so seßt ein besonders gerègeltes Verwaltungsverfahtên “ein. Der Négterungsvräsibènt ent- \ceidet, ob die Vorausseßungen der Ablieferung vorliegen. Verlangen mehrere die Ablieferung, so entscheidet der Provinzialrat. Die Ent- schädigung wird dur eine Schätungskommission festgestellt, gegen deren Beshluß hinsichtlich der Höhe der Entschädigung der Rechtsweg zugelassen ist.

Auf die Einzelheiten glaube ih hier heute nit weiter eingehen zu brauchen. Dazu - wird die Kommission, an die die Vorlage wohl verwiesen werden wird, der richtige Ort sein, und dort wird alle ge- wünschte Auskunft bereitwillg gegeben werden.

Menn inan nah der allgemeinen Tendenz des Geseßes neben seiner Zweckbestimmung fragt und dana die vorgeschlagenen Bestim- mungen prüft, fo wird man fagen dürfen, daß man \sih überall be- müht hat, die Rechte des Privaten zu s{onen und Eingriffe in das Privateigentum nur da vorzusehen, wo sie unbedingt notwendig sind, Um den Zweck des Gesetzes zu erreihen. In dieser Beziehung geht der vorliegende Entwurf in der Behütung des Privateigentums sehr viel weiter als irgendein ähnliches Geseß eines andern Staates, sodaß man viè]leiht fragen kann, ob bei einer so shonenden Behandlung A der Zweck des Geseßzes mit Sicherheit erreicht wird. Ich möchte N tings annehmen, andererseits aber glauben, daß man in der nit A Swhonung auc niht noch weiter gehen darf, wenn man

S des Gesetzes gefährden will. ; ; volle’ private E ih besonders noch hervorheben, daß die verständnis- Deren Tite e ligteit dur diese Vorlage, wenn sie Geseß Sammeltätigkei eineswegs unterbunden wird. Eine folhe private

gkeit hat i bisher vielfa in sehr nüßlicher Weise ent-

- widelt, sodaß wir ben verständnisvollen Sammlern vielen Dank

\chuldig sind. Deshalb “t Pot i irgend ein Hindernis in s E aae S enncSieten, Le I 018 ine Gigenart des Geseentwrt esonders Í { nicht dem Staat allein das Erwerbsrecht vor- behalten wird, sondern d : f ebenso wie der Staat au die Provinz, der Kreis 7 und die Gemeinde dieses Recht er-

halten sollen, entsprehend d R :

; er Entwicklung, die diese Dinge bei uns genommen haben. Gerad s

L S e in diesen Kreisen hat sih das Verständnis für Denkmalpflege und Altertumskunde von Jahr zu Fahr vermehrt und hat gute Frücht A L

E getragen. Das wollen wir erhalten, und im Hinblick hierauf sind auc die bezüglichen Be- stimmungen in dem Cüutwurf gefaßt worden:

Eine baldige geseblihe Regelung ist besonders dringlt (fiEbafte Zusifiimicid), ba V-A E E ee altertümer bei einer Fortdauer der bestehenden Zustände sich in ab- sehbarer Zeit erschöpfen könnten. “In besonderem Maße treten in veuerer Zeit die Mißstände in den westlichen Teilen der Monarchie hervor (schr wahr !), wo namentli Gräber aus merovingischer und karolingischer- Zeit geplündert werden. Nachdem die Absicht, gesey- liche Schußmaßregeln zu ergreifen, in der Oeffentlichkeit nunmehr bekannt wird, steht zu erwarten, daß mit dem Eintreten der für Grabungen günstigen Jahreszeit das auf gewinnsüchtiger Absicht be- rubente Zerstörungswerk mit erhöhtem Nachdruck wieder einsepen wird. Es wäre daher- besonders zu begrüßen, wenn es gelänge, tas Geseß noch vor der Shließung des Landtags zur Verabschiedung - zu

_ bringen. (Sehr richtig! und Bravo !)

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 10. März

Abg. Dr. Kaufmann (Zentr.): Daß die Vorlage endli vor- gelegt OeDeR ist, entspricht unjeren langgehegten Wünschen. Ich bitte die Herren, die noch Bedenken haben, sie zurüzustellen. In anderen Staaten haben si diese Geseße wohl bewährt. Ich bitte dringend, daß wir das Gese A A und beantrage, es der verstärkten

i mission zu übergeben.

a O Gotts halt- Solingen (nl.): Meine Freunde billigen das Geseh und die Ausführungen des Ministers. Das Geseß legt sih Beschränkungen bei den Eingriffen in das Privateigentum auf; was es bringt, ist wirklich nur notwendig. Meine Freunde beantragen gleichfalls die Ueberweisung an die verstärkte Justizkommission. Ich bitte, dort die Arbeit so zu fördern, daß das Geseß noh zur Ver- va G E (kons.): Ein Teil meiner Freunde hätte es gern gesehen, wenn der Gegenstand heute von der Tagesordnung ab- gesetzt worden wäre, das ist aber niht so aufzufassen, als hätten wtr fein Interesse, die Altertümer vor Ausbeutung und Vernichtung zu schüßen. Darin sind wir vielmehr alle mit der Tendenz des Gesetzes durcaus einverstanden; unsere Bedenken liegen darin, ob der Entwurf nicht einzelne Bestimmungen enthält, die doch zu tief in wohlerworbene Eigentumsrechte eingreifen: Jn der Kommission wtrd hoffentlich ein gangbarer Weg gefunden werden, Wir halten es au für erwünscht, daß der Entwurf noch in dieser Session verabschiedet wud.

Abg. Viereck (frkons.): Ich schließe mi dem Antrag auf Veberweisung an die Kommission an. Ich hätte wohl gewünscht, daß wir ein umfassendes Denkmalpflegegeseß erhalten hätten. Die Be- schränkung des Privateigentums ln dieser Vorlage bleibt hinter dem zurück, was in anderen Staaten dur Geseß auferlegt ist. Ich ver- kenne jedo nit, daß das gewisse hwierigkeiten baben kann, aber im großen und ganzen können wir uns nur freuen, daß die Vorlage endli gekommen ist. ; s

Äb C Df (fortschr. _ Volksp.) : Au wir begrüßen dieses Gefes mit Freude. Schon vor zehn Jahren bin ih dafür eingetteten, aber ih hoffe do, daß das Be noch nicht zu spät kommt, und daß wir noch einen großen Teil unserer Altertümer vor dem Untergang retten können. s besteht au die begründete Hoffnung, daß wir aus dem deutschen Boden noch manchen Zeugen aus der Zeit vor Jahrhunderten und Jahrtausenden, der für die geschichtliche Forschung wichtig ist, gewinnen werden. Die Eingriffe in das Privateigentum müssen erfolgen, wenn der Zweck des Gesetzes überhaupt erfüllt werden soll. Der Aucdruck „Aus- grabungsgeseß“ ist nit geschidckt gewählt und. nicht umfassend genu denn manché Schâße aus unvordenklichen Zeiten brauen gar nicht ausgegraben zu werden, denken Sie nur an die Riesenblöcke auf den friesishen Inseln, die unsere Vorfahren vor vier oder fünf Jahr- taujenden benußten, um si gegen die Unbilden der Witterung und gegen wilde Tiere zu hüten. Man hat leider diese Blöckte vielfach zu Buhnenbauten verwandt, und nun stellt ih heraus, daß diese Buhnen die Küste gegen den Ansturm des Meeres doch nit 1chüßen können. Es fommen au Gelegenheitsfunde in Betracht, die nicht ausgegraben zu werden brauchen. Diese oder jene Bestimmung des Gesetzes ist wohl zu streng und in der Praxis nicht nötig, z. B. daß die Fundanzeige bei der Polizei {on am nähsten Tage erfolgt. Besonders wichtig ist, daß die Bevölkerung durh Wort und Schrift über die hohe Bedeutung der Altertümer sür die Menschheitsgeschichte aufgeklärt wird; dann wird sie selbst arôßtes Interesse an den Funden finden. Jh wünsche auch, daß das Geseß noch in dieser Session ver- abschiedet wird. - :

* Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Das Gesetz ist zu begrüßen, wenn es auch nicht umfassend genug ist. Es fann im ganzen so bleiben wie es ijt, nur einige Bestimmungen werden zu ändern sein. Die Zuständigkeit scheint mir nicht richtig erfaßt zu sein, ih sehe niht ein, daß allein der Negierungspräsident entscheidend sein soll. Vielleicht fönnte man eine staatliche Kunstkommission mit heranziehen. Zum Teil ist das Privatinteresse zu {tark gewahrt, wenn im § 5 von den Eigentümern nur solche Maßnahmen verlangt werden können, die feine Kosten verursachen. Ferner sollte man die Ablieferung des gefundenen Gegenstandes ntcht nur dann verlangen, wenn er der Wissenschaft andernfalls verloren zu gehen droht, sondern auch son dann, wenn er durch die Ablieferung der Wissenschaft nußbar gemacht werden kann.

Die Vorlage wird der um 7 Mitglieder zu verstärkenden Justizkommission überwiesen.

Es folgt die zweite Beratung der von dem Abg. Schiffer- Magdeburg (nl.) eingebrachten Geseßentwürfe über Polizei- verordnungen und Ortsstatute, sowie über die Anfechtung amtlicher Verfügungen in Ver- bindung mit der Beratung des Antrags desselben Abgeordneten, betr. die Sammlung und Sichtung des vor- handenen Rechtsstoffes auf Grund des Berichts der 24. Kommission. : L

Nach dem ersteren Gese entwurf kann die Rechtsgültigkeit einer Polizeiverordnung dur Klage beim Oberverwaltungs- geriht angefochten werden. Die tommission hat die Klage-

erechtigung nur den Personen gegeben, die ein berechtigtes Interesse daran haben. _ S :

tach den Kommissionsbeschlüssen kann die Klage nur darauf estüzt werden, daß die Polizeiverordnung mit Reichs- oder Candesgeseßen unvereinbar ist, oder daß die verordnende Behörde nicht zuständig ist, oder daß die formellen Erfordernisse nicht erfüllt find. Die Re tswirlsamkeit einer Polizeiverordnung soll mit dem Ablauf von dreißig Jahren seit dem Tage, an dem sie vollzogen ist, jedoch niht vor dem 31. Dezember 1920 erlöschen. Die Bestimmungen des Geseßes (mit Ausnahme der leßteren über das Erlöschen der Rechtswirksamkeit) sollen auch für Orts- statute und Steuerordnungen gelten. i

Der zweite Gesezentwurf über die Anfechtung amtlicher Verfügungen bestimmt in der Kommissionsfassung, daß alle schriftlichen Entscheidungen und sonstigen Verfügungen von Behörden, deren Anfechtung an eine Frist gebunden ist, angeben müssen, welche Rechtsmittel dagegen zulässig und in welcher Frist und Form und bei welcher Stelle sie anzubringen sind.

Die Kommission beantragt dazu die, Resolution:

„die Regierung zu ersuchen, bet der Reform des Verwaltungs- verfahrens die zulässigen Rechtsmittel nah Zahl, Frist und Er- fordernissen tunlichst zu vereinfachen“. : :

Den zuleyt genannten Antrag Sh iffer beantragt die Kommission in folgender Fassung anzunehmen:

„vie Regierung zu ersuchen, baldigst geeignete R zur Sammlung und Sichtung der noch geltenden preußischen Gesetze und Verordnungen zu A S

Abg. Dr. Schrock (freikons.): Dem Antrag auf Sammlun und Sichtung des vorhandenen NRechts\toffes stimmen wir zu. Wir verhehlen uns aber nicht die Schwierigkeiten der Ausführung dieses Antrages Der Antrag, betreffend den Entwurf eines Gesetzes übér Polizeiverordnungen und Orktsstatuten, ist für uns unannehmbar, ebenso der Antrag’ auf Annahme cines Geseßentwurfs, betreffend die Anfechtung amtlicher Verfügungen. Wir verkennen nicht, daß das Ziel, die Rechtssicherheit zu fördern, in bezug auf die Nechtsgültigkeit

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlith Preußischen- Staatsanzeiger.

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von Polizeiverordnungen erstrebenswert ist, deshalb haben wir die Mittel, mit denen der Antrag Schiffer diesem Ziele gerecht werden wollte, sorgfältig geprüft. Die Kommission hat dann auch eine Reihe von Verbesserungen des Antrages vorgenommen, und auch cinige unserer Abänderungêvorschläge find in der Kommission angenommen worden. Wir begrüßen es insbesondere, daß die Kommission den Kreis der zur Änfehtung berehtigten Personen auf diejenigen beschränkt hat, die an der Anfechtung ein berechtiates Interesse haben. Auch die Beseitigung der Sondergerichtshöfe halten wir für wünschenswert. Wir sind der Ansicht, daß durch ein solches Sonder- verfahren éine Untergrabung der Mechtsordnung droht. Wir können in dem Antrage nit einen Fortschritt der Nechtssicherheit erbliden. Wir halten es für unbedingt verwerflih, daß die Anfechtung auch auf Ortsstatute und Steuervorlagen ausgedehnt wird. Die größten Bedenken haben wir gegen den Antrag, betreffend die Anfechtung amtlicher Verfügungen. Die Annahme dieses Antrags würde u. a. für die beteiligten Beamten von vermögensrechtlihen Folgen begleitet sein, indem fie wahrscheinlih einer großen Zahl von Regreßansprächen ausgeseßt sein würden. Wir müssen deshalb zu unserem Betauern gegen die Anträge stimmen. i : Abg. Boehmer (kons.): Au wir müssen anerkennen, daß die drei Anträge: Schiffer tn der Kommission wesentli verbessert worden find. Wir müssen au anerkennen, daß dur diese Arbeit für eine künftige Gee A manches wertvolle Material geschaffen ist. Aber die große Mehrzahl meiner Bre beharrt au jeyt noch bezügli aller drei Anträge auf ihrem ablehnenden Standpunkt. Was die Polizeiverordnungen- anlangt, .so ist es richtig, daß die Popularklagen, die durch den Antrag sehr bedenklich ausgedehnt werden sollten, durch die Kommission wesentli eingeschränkt sind. Der - Sondergerichtshof, gegen den wir besondere Bedenken hatten, is erfreuliherweise beseitigt und durch das Ober- verwaltungêgeriht erseßt worden. Wir machen \{chon viel zu viel Geseze und müssen deshalb ganz genau prüfen, ob für ein neues Gesez eine Notwendigkeit besteht. Die Kommissions- beratungen haben eine solche Notwendigkeit niht ergeben. Wir haben bereits eine genügende Kontrolle über die Polizeiverordnungen. Es kommt hinzu, daß der Minister des Innern bereits die ihm unter- stellten Behörden angewiesen hat, die vorhandenen Poltzeiverordnungen nachzuprüfen und neue, zu erlassende Polizeiverordnungen zur Prüfung vorzulegen. Das wird genügen, um den Wust von Polizeiverordnungen allmäblih zu beseitigen. Die Ortsstatute und Steuerverordnungen kommen oft nach Deren Kämpfen mit den Gemeinden zustande. Dazu aber solche Konflikte nah 30 Jahren immer wieder von neuem hervorzurufen, haben wir keine Veranlassung. Wenn der Antrag Gesetz werden würde, würde die Rechtssicherheit nicht gefördert, sondern eher gefährdet werden. Der Antrag, betreffend die Anfechtung amtlicher Ver- fügungen, ist ja in der Kommission ebenfalls bedeutend abgeschwächt worden. Wir sehen aber au heute noch die Gefahr nahe, daß in der vorgeschlagenen Rechtsbelehrung von weniger gebildeten Leuten geradezu eine Aufforderung zur Einlegung von Rechtsmitteln liegt. Dadurch würden nur viel unnüye Klagen und Beschwerden geschaffen. Der Gesetzentwurf ist sozusagen eine Zusatzbest:mmung zu allen möglichen Entscheidungen. Die erstrebte Rechtssicherheit wird auch hier nicht erreiht werden, sondern durch den Geießentwurf würde die Ver- wirrung noch größer werden. Wir sind dagegen der Meinung, daß diese Materie bei einer künftigen Verwaltungsreform geregelt werden könnte. Für die von der Kommission vorgeschlagene Resolution werden wir stimmen. Der Antrag auf die Sammlung und Sichtung des Rechtsstoffes ist für uns dagegen unannehmbar. Ich glaube nicht, daß die erforderlichen Kosten fih lohnen würden. Wir haben ja bereits amtliche Geseßess|ammlungen und private Samm- lungen von Verordnungen. Der Antrag ist au viel zu unbestimmt gehalten. Wir müssen der Regierung bei dem Vorschlag eines Geseßz- entwurfs auch gewisse Richtlinien aufgeben. Der Ausdruck „Sichtung" gibt zu mancherlei Zweifeln Anlaß, die auh dur die Kommtissions- beratungen - nit geklärt worden sind. Es ist vor allem nit klar N welche Verordnungen der Sammlung unterliegen follen, Die Mehrzahl meiner Freunde wtrd daher au diesen Antrag ablehnen. Abg. Schi ffer-Magdeburg (nl.) befürwortet die Annahme seiner Anträge. Der Ausgangspunkt der Anträge ist der gegenwärtige unzuläng- liche Nechtszustand. Dicser wird au von der Regierung anerkfaunt. Man sagt, es würde dur die Ausführung der Anträge Unruhe auf dem Gebiete des Rechts und der Verwaltung hervorgerufen werden. Eine gewisse Unruhe trägt aber zu einer gesunden Fortentwicklung bei. * Wenn gor kein Anstoß zur weiteren Entwiflung erfolgt, dann tritt \ließlih die Ruhe des Kirhhofs ein. Es wäre sehr wünschenswert, das ganze Nechtssystem so zu gestalten, daß sih jeder darin zuret- findet; aber ob das überhaupt möglich ist, lasse id dahingestellt. Wir wollen durch unsere Anträge das Necht nicht schwächen, sondern stärken. Die Gegner der Anträge wollen lieber das Volk als die Autorität der Behörden leiden lassen. Ich bitte, meinen Anträgen zuzustimmen, da sie eminent praktishen Bedürfnissen des Volkes Rechnung tragen. Abg. Dr. Bell (Zentr.): Den Grundgedanken der Anträge Schiffer stimmen wir zu, aber in mehreren Beziehungen wünschen wir doch grundlegende Aenderungen. Die Kommission hat ih ja in ihrer Mehrheit auf einen ähnlichen Standpunkt gestellt. Wos die Rechtsmittelbelehrung betrifft, fo glaube ih, daß die Gegner der Vorlage von einer unrichtigen Auffassung ausgehen. Es scheint ja die Ansicht durhzugreifen, als ob es sih hierbei um eine umstürzende Aenderung gegenüber der Rechtsordnung handelt. Das ist aber niht der Fall. Der Antrag Schiffer will nur das aufgreifen, was bereits in Bayern Vestebeubes Recht ist und -auch in der Reichsgeseßgebung. Jch erinnere nur an das Landeeverwaltungsge)eg und die ReiGSersiherungss ordnung, wo wir derartige Bestimmungen beute schon haben, Zudem ist es heute {hon sehr wohl möglih, eine Polizei- verordnung durch Berusung an die Gerichte zu Fall zu a Wenn dem höchsten preußischen Gerichtshof die Entscheidung über die Gültigkeit der Polizeiverordnungen zustehen soll, dann müssen au alle n Verhältnisse von ihm auf das ein hendst . e iber J U gehendste geprüft werden. Man übersieht, daß die Polizeiverordnung nicht endgültig nah 30 Jahren. verschwinden fol, sondern daß es nur Auf- gabe der zuständigen Behörde ist, die Zweckmäßigkeit ter Verordnun naczuprüfen. Begründete Bedenken gegen eine Sammlun und Sichtung des Rechtsstoffes sind hier niht vorgetragen Oder Ih hoffe, daß die Regierung an den gesunden Gedanken der Anträge nicht L werde. 2 Be g. VL. lers (fortschr. Volksy.): 79 von denen i Gutachten eingetordert babe, baben fh 71. Jür die in s t 1 gemachten Vorschläge erklärt. Es wird mit Freude von Handel und Industrie die Bestimmung begrüßt werden, wona ein S Ablauf der Polizeiverordnungen nach 30 Jahren ein- für die die Ih wünsche, daß auch die Regierung für die Vorschläge, U 6 e Interessenten so ins Feuer geraten sind, sich erwärmen möge« s „Abg. Dr. Liebknecht (Soz): Ih zweisle daran, ob die ; E den revolutionâren Anträgen des Abg. Schiffer Rechnung a *l er Optimiämus ist in diesem Falle sehr wenig aussichtsreich, 4 wohl, was angestrebt wird, nur zu begrüßen ist. Die NReglemen- tierungs\suht des preußischen Staates geht bis in die innersten Gajsern seines Wesens. Der Berliner Polizeipräsident von Jagow bält jeden Tag, für verloren, an dem er feine Polizeiverordnung erläßt. Der Jagowsche Geist ist das Gegenteil von dem Geist, der aus den Sifferschen Anträgen spricht. Die Polizeiverordnungen