1879 / 111 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 13 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

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dem Prozeßgericht erster Instanz nah Maßgabe der bisherigen Vor- schriften zu erlasseuden Crefutionsbefehls urtec entsprechender An- wendung des S8. 17.

8. 22. Im Bezirke des Appellations8gerihtshofes zu Cöln sind |

die Urtheile, welche in einem nach den bisherigen Vorschriften ver- handelten Rechtsftreit erlassen sind, in der durch die bisherigen Vor- \chrijten bestimmten Form auszufertigen. Dasselbe gilt für die vor dem Inkrasttreten der Deutsch:zn Civilprozeßordnung notariell auf- genommenen Urkunden und gerihtlich aufgenommenen Vergleiche. Die nach den bisherigen Vorschriften ertheilten Nuéfertigungen folcher Urtheile und Urkunden vertreten, soweit sie vollstreckbar sind, die Stelle der voll\1reckbaren Ausfertigung. An Stelle der 88. 664 bis 667, 669, 671 der Deutschen Civilprozeßordnung kommen die ent- sprechenden bisherigen Vorschriften zur Anwendung.

8. 23. Ein im Bezirke des Appellations1erichts zu Celle nach den bisherigen Vorschriften für vollstreckbar erklärter Zahlungsbefehl und eine in diesem Bez rke vor dem Inkrafttreten der Deutschen Civilprozeßordnung ertheilte vollstreckbare Ausfertigung einer Ent- scheidung oder ciner Urkunde g'lt als vollstreckbc.re Ausfertigung nab den Vorschriften der Deutschen Cioilprozeßordnung.

8. 24. In den im §. 17 bezeichneten Rechtsgebieten findet das Verfahren über die Rechtfertigung eines Arrestes nach den bisherigen Vorschriften statt, sofern der Antrag auf Erlaß des Arrestbefehls U: vor dem Inkrafttreten der Deutschen Civilprozeßordnung ge- tellt war.

Im Bezirke des Appellationszerihtshofes zu Cöln finden auf |!

cin Prozeßverfahren behufs Gültigkeitserklärung eines Arrestes oder

einer Bescblagnahme (Artikel 557, 558, 819, 820, 822, 826 der |

Rheinischen Civilprozeßzordnung) die Vorschriften der Veutschen Civil- prozeßordnung Anwendung, sofern nicht bereits vor dem Inkraft- treten derselben die Klage erhoben ift.

Im Bezirke des Appellationêgerichts zu Celle finden zum Zwecke der Aufhebung des Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung, welche ohne vorheriges Gehör des Gegners erlassen sind, die §8. 804, 805 der Deutsclen Civilprozeßordnung Anwendung, sofern nicht be- reits vor dem Inkrafttreten derselben eine Gegenvorstellung er- hoben ift.

8. 29. Die fernere Pfändung von Gegenständen des bewegliche Vermögens, welche vor dem Inkrafttreten der Deutschen (Tivilprozeß- ordnung in Beschlag genommen, gepfändet oder überwiesen sind, er-

olgt nach den Vorschriften der Deutschen Civilprozeßordnung, Die |

bschrift des Protokolls über die fernere Pfändung bewealiÞer kör- perlicher Sachen ist, wenn die Zwangsvollstrekung durch das Gericht geleitet wird, dem leßteren einzureichen.

Im Falle der ferneren Pfändung von Forderungen oder anderen Vermögensrechten finden die §8. 750 bis 753 der Deutschen Civil- prozeßcrdnung und der §. 17 des Ausführungsgesetes zu derselben Anwendung.

8. 26. Die 88. 750 bis 753 der Deutschen Civilprozeßordnung und der §. 17 des Ausführungsgeseßes zu derselben finden auch dann Anwendung, wenn die Theilnahme mehrerer Gläubiger an der Zwangsvollstreckung in eine Forderung dur eine vor dem Inkraft- treten der Deutschen Civilprozeßordnung erfolgte Beschlagnahme oder Ermächtigung zur Einklagung der Forderung oder dur den Beitritt eines Gläubigers zu diesen Maßregeln hergestellt ist. Die Beschlagnahme und der Beitritt zu derselben stehen der Pfändung, die Ermächtigung zur Einklagung und der Beitritt zu derselben stehen der Ueberweisung im Sinne der crwähnten Borschriften der Civil- prozeßordnung gleich.

Die Bestimmungen des §. 753 Abs. 1, 3 bis 5 finden jedo Teine Anwendung, wcnn die Klage gegen den Dritts{uldner vor den: Inkrafttreten der Deutschen Civily-rozeßordnung anhängig geworden ift.

Die nach §. 750 der Deutschen Civilprozeß;ordnung erforderliche Anzeige ist dem nach §. 29 für das Vertheilv.ngsverfahren zuständigen Gerichte zu erstatten.

8. 27. Wird durch die Theilnahme mehrerer Gläubiger an einer Vollstreckungsmaßregel ein Vertheilungsverfahreu nothwendig, so finden die §8. 758 bis 768 der Deutschen Civilprozeßordnung An- wendung, fofern das Vertheilungs- (Diftributions-, Prioritäts-) Ver-

fahren nicht bereits vor dem Inkrafttreten der Deutshen Civil- |

prozeßordnung eröffnet worden ift.

Im Bezirke des Appellationsgerihtshofes zu Cöln tritt die An- wendung der bezeichneten Vorschriften der Deutschen Civilprozeß- ordnung ein , fofern vor dem Inkrafttreten derjelben die Ernennung eines Richterklommissars nah Maßgabe dez Artikels 658 der RNhei- nishen Civilprozeßordnung noch nit stattzefunden hat.

§. 28. Ein vor dem Inkrafttreten der Deutschen Civilprozeß- ordnung eröffnetes Vertheilungsverfahren über Besoldungen oder andere an die Person des Schuldners gebundene fortlaufende Ein- künfte ist nur rücksihtlich der Einkünfte des laufenden Kalenderjahres nach den bisherigen Vorschristen fortzuseßen. Ein Beitritt zu der

erfolgten Beschlagnahme findet nah dem Jukrafttreten der Deutschen |

Civilprozeßordnung nicht mehr statt. Eine nachher erfolgende Pfäis dung der Einkünfte hat neben den Wirkungen der Pfändung auch die Wirkung des Beitritts zu dem eröffneten Verfahren, insoweit der- selbe nach den bisherigen Vorschriften zulässig ist.

8. 29, Für ein na den bisherigen Vorschriften fortzusetzen des Vertheilungs- (Distributions-, Prioritäts-) Verfahren ist das Amts- gericht, im Bezirke des Appellationsgerihtshofes zu Cöln das Land-

Vorschriften zuständigen Gerichts gehört.

In einem folchen Verfahren kann die in den bi: herigen Vor- \chriften begründete Befugniß, sih nach der Eröffnung des Verfah- rens an demselben zu betheiligen, auch nach dem Inkrafttrelen der Deutschen Civilprozeßordnungo ausgeübt werden.

S. 30. Sind in einem nach den bisherigen Vorschriften zu be- handelnden Vertheilunçsve!: fahren Streitpunkte im Wege des Pro- zesses ohne Erhebung einer besonderen Klage zu erledigen, fo bestimmt Ach die sachliche Zuständigkeit der Gerichte nach den bisherigen Vor- schriften unter Anwendung der 88, 8 bis 11 dieses Gesetzes, Ote Vorschriften der Deutschen Civilprozcßordnung über die Einstellung, Beschränkung und Aufhebung der Zwangsoollstreckung, sowie über die Geltentma hung von Einwendungen, welche die Zwangsvollstreckung betreffen, finden auch dann Anwendung, wenn die Zwangsvollstreckung im Uebrigen nah den bisherigen Vorschriften zu erledigen ist. :

_ Die Vorschriften der Rheinischen Civilprozeßordnung über die Eivystellung der Zwangsvollstrekung auf Grund der Einlegung eines Rechtsmittels kommen neben den Vorschriften der Deutschen Civil- Prozeßordnung zur Anwendung.

S. 32. Rechte, welche ein Gläubiger vvc dem Inkrasttreten der Deutschen Civilprozezordnung durch Beschlagnahme , Pfändung oder Veberweisung erlangt hat, bleiben in Kraft auch gegenüber einer Pfändung, welche binnen zweier Jahre nach diesem Zeitpunkte be- wirkt wird. Der Gläubiger, für welchen die spätere Pfändung er- folgt ist, hat gegenüber j¡znem Gläubiger diejenigen Nechte, welche er erlangt haben würde, wenn die Pfändung nach den bisherigen Vorschriften als Pfändung oder als Beitritt oder Anschluß zu der früheren Maßregel erfolgt tväre.

In den Landestheilen, in welhen vor dem Inkrafttreten der Deutschen CGivilprozeßordnung nah dem bisherigen Rechte durch die Pfändung ein Pfandrecht begründet ist, gewährt dieses Pfandrecht dem Gläubiger die im S. 709 der Deutschen Civilprozeßordnung bezeicbneten Rechte.

S 00, Die Vebergangsbestimmungen für die Zwangsvollstreckung B gas unbeweglihe Vermögen werden dur besonderes Geseß ge- roffen.

8. 34. Entmündigungsfachen und gerihtlihe Aufgebote sind na den bisherigen Vorschriften zu. Me M bi dem L kraft.xeten dieses (Gesetzes das Verfahren beantragt war.

Aufgebote zum Zwecke der Kraftloserklärung von Urkunden, so- fern sie nah den bisherigen Vorschriften außergerichtlich stattfinden, sind nach diesen Vorschriften nur dann zu erledigen, wenn eine öffent-

Inkrafttreten der Deutschen Strafprozeßordnung zur Poft gegeben

Zweiter Titel. Strafsachen. S. 39. Vie voc dem Inkrafttreten des Deutschen Gerichts- | verfa}sung?geseßes bei den aufgehobenen Gerichten anhängig gewor- denen Strafsachen gehen, sofern für das weitere Verfahren | die Vorschristen der Deutschen Strafprozeßordnung vnd des Forstdiebstahlsgeseßes vom 15. April 1878 Anwendung finden, auf die ordentlichen Gerichte nah Maßgabe der denselben beigelegten Zuständigkeit über. Die Ueberweisung von Strafsachen an die Scöffengerihte in Gemäßheit des §8. 75 des Deutschen Gerichts- verfassung8geseßes kann au dann erfolgen, wenn das Hauptverfahren vor dem Inkrafttreten des Deutsch:n Gerichtsverfassungsgesetzes er- öffnet worden ift.

Insoweit für das weitere Verfahren die biäherigen Borschriften maßgebend sind, kommen die 88. 8, 9, 8, 11 Abs. 1 dieses Gesetzes | zur entsprehenden Anwendung. Die Gerichte zweiter In:anz ent- scheiden in der Beseßung mit der durch die bishergeltenden Bestim- mungen vorgeschriebenen Anzahl von Mitgliedern.

8. 36. Auf das Verfahren bei nicht öffentliche: Zustellungen in Strafsachen, welche nah den bisheri en Geseßen verhandelt wer- den, finden die 8, 37, 38, 41 der Deutschen Strafprozeßordnung Anwendung.

Zustellungen dur die Post sind, sofern das Schriftstück vor dem

ist, auch gültig, wenn sie nach Maßgabe der bisherigen Vorschriften bewirkt werden.

F. 37. In Strafsachen, wclche nah den bisherigen Vorschriften verhandelt werden, finden die Vorschriften der Deutschen Straf- prozeßordnung über die Berechtigung zur Verweigerung eines Zeug- nisses (S8. 51 bis 55), über die Verpflichtung zur Erstattung eines Gutachtens (88. 75, 76), über die Vernehmung und Beeidigung von

Zeugen und Sacverständigen (88. 49, 56 bis 64, 66 bis 71, 79, 30), über die zur Erzwingung eines Zeugnisses oder Gutachtens zulässigen Maßregeln (§8. 50, 69, 77), über die Beschlagnahme und Durch- suchung, sowie Über die Verhastung und vorläufige Festnahme (§8. 93 bis 132) entsprehende Anwendung.

___§. 38. Wird in Strafsachen, welche nach den bisherigen Vor- [riften verhandelt sind, die Wiederaufnahme des durch rechts8- kräftiges Urtheil ges{lossenen Verfahrens beantragt, fo ist für die Entscheidung über den Antrag, sowie für die Berhandlung und Ent- scheidung in dem wieder aufgenommenen Verfahren dasjenige Ge- rit zuständig, welches zuständig sein würde, wenn das frühere Ver- fahren auf Grund der Vorschriften der Deutschen Strafprozeß- ordnung, des Deutschen Gerichtsverfassungsgesezes und der zur Aus- führung derselben erlassenen Landetgeseze stattgefunden häite. Wird das Urtheil des Berufungsgerichts in einer Sade angefochten, in welcher nach den Vorschriften der Deutschen Strafprozeßordnung die e niht stattfindet, so ist das Gericht erster Instanz zu-

ändig.

§. 39. Die bisherigen Vorschriften über die Frist für die Ein- legung des Einspruchs gegen einen richterlihen Strafbefehl finden auf die vor dem Inkrafttieten der Deutschen Strafprozeßordnung erlassenen Strafbefehle Anwendung, mag die Zustellung des Befehls vor oder nah jenem Zeitpunkte erfolgt sein.

__§. 40. Für das gerichtliche Verfahren bei der Strafvollstreckung (S8. 483, 494 der Deutschen Strafprozeßocdnung) aus Urtheilen, welche von den aufgehobenen Gerichten erlassen sind, ist in den bis- her zur Zuständigkeit der Einzelrichter gehörigen Sachen das Amts- gericht, in allen anderen Sachen das Landgericht zuständig. Die Borschrift im ersten Satze des §8. 11 dieses Gesetzes findet ent- sprehende Anwendung.

_§. 41. Tritt ein in Gemäßheit der Vorschriften der Artikel 34 bis 45, 50 des Gesetzes vom 3, Mai 1852, des S. 9 des Gesetzes vom 25, April 1853, betreffend die Kompetenz des Kammergerichts zur Untersuchung und Entscheidung wegen der Staatsverbrechen, der Artikel 465 bis 478 dex Rheinischen Strafprozeßordnung oder der S8. 453 bis 460 der Strafprozeßorcknung vom 25. Juni 1867 er- lassenes vorläufiges Strafurtheil in Folge der Selbstgestellung odec

| verleßzungen nah den bisherigen Vorschriften im Wege des Civil-

i 1 Bez l i derjenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Stra fsachen, welche gericht zuständig, zu dessen Bezirk der Siß des nach ten bisherigen |

Haftnahme des Verurtheilten außer Kraft, so hat das nah Vor- schrift des §. 40 für das gerihtliche Verfahren bei der Strafvoll- streckung zuständige Gericht die Einftelung der leßteren anzuordnen und die Vechandlungen an das nah §. 35 Abs. 1 für das weitere Verfahren zuständige Gericht abzugeben.

S. 42. Insoweit die Verfolgung von Beleidigungen und Körper-

prozesses stattfand, richtet sich die Crledigung eines anhängigen Verfahrens nach den Bestimmungen der 8. 1, 2, 3, 8. 35 O 2 dieses Gesetzes.

S. 43. Insuweit nah den Bestimmungen der Deutschen Straf- prcozeßordnung die Vollstreckung der Entscheidungen nah den Vor- sc:isten über die Vollitreckung der Entscheidungen der Civilgerihte zu erfolgen hat, finden auf eine vcr dem Inkrafttreten dieses Ge- seßes anhängig gewordene Vollstreckung die im ersten Titel dieses Gesetzes enthaltenen Vorschriften entsprechende Anwendung.

D C tel Allgemeine Bestimmungen, S. 44. Die Gerichtsbarkeit für die Verhandlung und Entscheidung

nach den bisherigen Prozeßgeseßen von dem Ober-Tribunal zu erle- digen gewesen wären, wird durch ein besonderes Gesetz geregelt, \o- fern diese G: richtébarkeit niht in Gemäßheit des §. 15 des Ein- führungßgeseßes zum Deutschen (Berichtsverfassungszeseze dem Reichs- gericht übertragen wird.

_§. 45. In bürgerlichen Relhtsstreitigkeiten und Strafsachen, welche nah den bisherigen Vorschriftez zu erledigen sind, finden jin- fichtlih ver Gewährung der Rechtshülfe, der Oeffentlichkeit und SißungsÞp»kizei, der Berathung und Abstimmung and der Gerichts- ferien die Vorschriften der 88, 87 bis 91 des Yusführungsgeseues zum Deutschen (Serihtsverfassungsgeseße vom 24. April 1878 ent- sprechende Anwendun.

8. 46. Die vor dem Jukrafttreten des Deutschen Gerichts- verfassunggeseßes erlassenen Schreiben, durch welche ein Gericht um Recht¿hülfe oder in bürgerlichen Recht: streitiakeiten um Zwangs- vollitreckung ersucht wird, sind zur weiteren Beranlassung an das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Amtshandlung vorgenommen werden soll, abzugeben. S Ale Die in S I N 3 Des Ausführungsgesetzes zum Deutschen Gerichtsv.rfassung8geseße vom 24. April 1878 bezeichneten Rechtsstreitigkeiten finden rur die Vorschriften der S9. 2, 3, 44, auf die im §. 19 Nr. 2 jenes Gesezes bezeichneten Recbtsstreitigkeiten nur die Vorschriften der 8. 2, 3, 8, 9, 11, 44 des gegenwärtigen E Anwendung.

5. 43. Die Bestimmungen der 88. 1 bis 47 treten gleichzeitig mit dein D-:utschen Gerichtsverfassungsgesete in Kraft. In anhängigen Sachen können {hen vor diesem Zeitpunkte Ladungen vor diejenigen Landesgerichte erfolgeu, welche an die Stelle der aufgehobenen Gerichte treten. In Strajsachen bestimmt sich die in solche Ladungen aufzunehmende Verwarnung, sofern nach dem In- | krasttreten des Deutschen Gerichtsverfassungsge|eßes die neuen Prozeß- geseße zur Anwendung kommen, nach den Vorschriften der leßteren. __UVckundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedcucktem Königlichen Jnsiegel. egel en Berlin, den 31. März 1879.

(E, S) Wilhelm.

Or, zU Stolberg Leonhardt, Falk, von Kameke. Friedenthal. von Bülow. Hofmann. Gr. zu Eulenburg. Maybach. Hobrecht.

Angekommen: Se. Excellenz der General-Jntendant der Königlichen Schauspiele, von Hülsen, von Hamburg.

BetanntmaGung auf Grund des Reich3geseßes vom 21. Oktober 1878.

Auf Grund des §. 12 des Reichsgeseyes gegen die gemein- gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Okto- ber 1878 wird hierdurch zur öffen!lihen Kenntniß gebracht, daß die vom 3. Mai 1879 datirte Nr. 18 des 3. «Jahrganges "er in Genf erscheinenden und von J. Ph. Beer redigirten periodishen Druckschrift: „Le Précurseur. Organe dé- mocratique social des associations des travailleurs“ nao S des gedachten Gesezes durch die unterzeichnete Landespolizei- behörde verboten ist. v

Bernt det 12 Mi 1879!

Königliches Polizei-Präsidium. von Madai.

Nichtamkliczes. Deutsches Neich.

Pren Verl, 138 Ma Se Mae der Kaiser und König empfingen heute früh 9 Uhr zunächst den Polizei-Präsidenten von Madai und begaben Sich dann gegen 10 Uhr nach dem Exrerzierplaß am Kreuzberge, wo eine Vorstellung des 3. Garde-Regiments z. F. stattfand.

Von dort in das Palais zurückgekehrt, nahmen Se. Majestät in Gegenwart des Kommandanten, General-Majors Grafen von Wartensleben, militärische Meldungen entgegen und empfingen den von Urlaub zurückgekehrten General-Feld- marschall Freiherrn von Manteuffel, sowie Se. Hoheit den Erbprinzen von Sachsen-Meiningen.

Später hörten Se. Majestät die Vorträge der Hofmarschälle, des Chefs der Admiralität, Generals von Stosch, und des Chefs des Militärkabinets, General-Adjutanten von Albedyll.

O Majestät die !Kaiserin - Königin ist gestern Abend in Coblenz eingetroffen und wird heute Avend nach Ostende weiter reisen.

____— Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Rechnungswesen und sür Elsaß-Lothringen, der Aus\huß für Rechnungswesen, sowie der Ausshuß für das Eisenbaÿn-

Bütertariswesen hielten heute Sißungen.

_—_— Om waoteren Verlaufe der gesielan C8) Sißung eßte der Reichstag die erste Berathung der Geseß- entwürfe, betreffend die Besteuerung resp. Nachver- steuerung des Taba*?s, fort. Der Abg. Lender (Baden) [prach si) mit Entschiedenheit vom land- und volkswirthschaft- lichen Standpunkt gegen den Geseßentwurf aus. Die Vorlage habe in den Kreisen der Tabakbauer die größte Erregung hervorgerufen, und er könne konstatiren, daß das nicht in eçolge künstlicher Agitation geschehen sei, sondern Daß die Land- wirthe diese Vorlage fast als ein Verbot der Fortseßung des inländischen Tabakbaues ansähen. Man klage über das Darniederliegen der Jndustrie, aber die Landwirthschaft 11nd ganz besonders der Tabakbau bedürfe noch viel mehr des Schußes. Gerade kleinere Leute bauten in seiner Heimath den Tabak, und diese würden durch die Annahme resp. Ausführung der Vorlage ruinirt sein. Zunächst würde der Handel und die Fabrikation, wenn die hohen Säße der Voriage bewilligt würden, durch die bedeutende Verminde- runc des Konsums, welche nothwendigerweise erfolgen müsse, geschädigt. Dadurh werde die Nachfrage nah inländischem Tabak geringer, dieser Tabak noch schlechter bezahlt werden, und dabei solle derselbe die hohe Steuer tragen. Ebenso fei die in der Vorlage für den Tabakbauer vorgeschlagene Haft- pflicht in Bezug auf die Steuer für ihn unannehmbar. Auch das Verhältniß der Besteuerung des inländishen und aus- ländischen Tabaks würde nah diesem Geseße derart sein, daß man die Vorlage verwerfen müsse. Dieses Mißverhält- n:ß würde bewirken, daß die Steuer für eine inländische ¿weipfennig-Cigarre und eine theure Havanna dieselbe wäre. Der Preis der ersteren würde sch verdoppeln, während der Naucher von importirton Cigarren den Zoll gar niht empfin- den würde. Die Jnteressen der Tabakbauer, der Händler und abrikanten seien aber durchaus solidarisch, und der Abg. von Schmid thue ihm Unrecht, wenn derselbe ihm und seinen badischen Landsleuten Lokalpatriotismus vorwerse. Auch er sei der Ansicht, daß eine endgiltige, entscheidende Beschluß- nahme nothwendig sei. Aber keinesfalls würde er darum der Lizenzsteuer zustimmen können, und ebenso meine er, daß Landwirthschaft und Handel Hand in Hand gehen müßten, um die Gefahr der Nachbesteuerung abzuwenden. Vom Standpunkt der ausgleichenden Gerechtigkeit aus, hoffe er, werde die Kommission bemüht sein, den richtigen Weg zu finden, um endlih die Beunruhigung von den Juteressenten zu nehmen und zu verhindern, daß Tabakbau, Fabrikation und Handel in Deutschland untergehe. :

Der Abg. Frißsche erklärte ih gegen di: Vorlage. Die Annahme derselben würde auch gar nicht zur dauernden Be- ruhigung dieser Jndustrie führen. Die Bedürfnisse des Reichs seien fortdauernd im Steigen begriffen, man möge dieser Er- scheinung durch Sparsamkeit, namentlich im Militäretat, be- gegnen. Für eine Erhöhung der Steuern seien seine sozial- demokratischen ¿Freunde nux in bestimmten Ausnahmefällen, wo die bestimmte nothleidende Fndustrie des Schußes bedürf- tig sei. Die indirekte Besteuerung führe nothwendig zu einer ganz ungerechten Vertheilung der Steuerbelastung. Jm Staate müßten aber die Nechte Aller gleich, die Pflichten aber ver- schieden sein, je nach der Kraft des Einzelnen. Was die Vorlage speziell betreffe, so sei zu bedenken, daß eine Preiserhöhung von 10 46 für das Tausend Cigarren eintrete. Diese Vertheuerung würde eine Verringerung des Konsums und dann auch der Produktion herbeiführen ; die Tabakarbeiter-

| Krankenkasse habe jeßt {hon 25 Proz. Kranke an manchen

Orten, so daß dieselbe Tausende von Mark jährlich zusebe ; wenn die Vorlage angenommen würde, werde diese Kasse, die mit 30 000 M fundirt sei, sicher bankerott. Mit der Annahme der Nachsteuer würden die kleinen Fabrikanten vollständig ver- nihtet. Die Durchführung der Lizenzsteuer würde mehr Kosten erfordern, als dieselbe einbringe. Zu alledem komme, daß die Negierung bisher durch Nichtbeseitigung dexr Konkurrenz der Zuchthausarbeit die Tabakindustrie arg geschädigt habe. Redner erinnerte daran, daß die preußische Negierung im Jahre 1865 im preußischen Abgeordnetenhause die Erklärung abgegeben, die Erhebung der Steuern beruhe auf der: Erfahrung. Diese habe gezeigt, daß die Verminderung einer Steuer auf nothwendige

lche Bekanntmachung des Aufgebots bereits erfolgt ift.

Berbrauchsgegenstände den Verbrauch vermehre, die Erhöhung

dagegen vermindere. Jn England habe der Verbrau an Tabak nach Einsührung der erhöhten Steuer fast um die Hälste abgenommen. Die deutsche Tabakindustrie brauche. den allerdings hohen Schußtzoll, den ihr diefe Vorlage biete, nicht, wenn man ihr nur die hohe Steuer erlasse. Schaffe man lieber Schuß gegen die Einführung fremder Arbeitskräfte. Wie die betrügerishe Verlokung zum Auswandern strafbar eo sollte das auch mit der betrügerischen Verlockung zur Ein- wanderung der Fall sein, damit diese Seelenverkäuferei der fremden Arbeiter von Provinz zu Provinz ein Ende nehme.

Der Abg. Dr. Buhl erklärte, was zunächst die Nach- besteuerung anlange, so müsse auf sie entweder ganz verzichtet, oder mindestens müsse der inländische und ausländische Tabak verschieden behandelt werden. Er sei zudem der Ansicht, daß die Tabakindustrie nicht in der Lage sei, so s{hnell ihr Be- tricbskfapital in dem Grade zu erhöhen, als es nöthig sei, wenn sie die beantragte hohe Steuer tragen solle. Darum glaube er, wäre es das Zweckmäßigste, einen Uebergangs- zustand zu schaffen, und _JOlage ex ein allmähli{ steigendes System der Besteuerung (Staffelzölle) vor. Zweckmäßig würde es sein, in diesem Jahre für inländischen Tabak die Morgen- steuer beizubehalten, für ausländischen den Saß aber auf 30 4. zu normiren, im folgenden Jahre dann den inländischen Tabak mit 8 bis 10 M, den ausländischen mit 35 H zu be- steuern, und später die Erhöhung nach und nach bis etwa 50 M. eintreten zu lassen. Die Maximalgrenze müsse schon jeßt geseßlich fixirt werden. Den inländischen Tabakbau müsse man jür den Vortheil des bereits steuerfrei importirten fremden Tabaks dadurch entschädigen, daß man ihm für das näßste Jahr noch die jeßige Morgensteuer lasse. Die Rücksicht eines allmählihen Ueberganges müßte gegen einen fo {wer ge- störten Fndustriezweig walten An Stelle der Haftpflicht des inländischen Tabakbauers müßte nur eine Anzeigepflicht treten, wodurch die Kontrole wesentli erleichtert würde. Die Ausführungsbestimmungen über das Verwiegen des Tabaks müßten der Landesgeseßgebung vorbehalten werden, weil fonst dieser Prozeß in der Praxis zu viel Schwierigkeiten verursachen würde. Jedenfalls hege auch er den Wunsch, daß jeßt die Angelegenheit definitiv in einer Weise erledigt werde, welche nicht zu störend für den Tabakbau und die Tabakindustrie sei. Die Lizenzsteuer könne er auch nicht befürworten. Jedenfalls sei es eine dringende Nothwendigkeit, im Jnteresse des ganzen Tabakbaues und der ganzen Tabakindustrie, daß endlich die Tabaksteuerfrage definitiv geregelt würde.

(Während dieser Rede war der Reichskanzler Für Bismarck in das Haus getreten, verließ dasselbe aber in kurzer Zeit wieder). :

Dex Abg. Kopfer (Mannheim) kritisirte die Vorlage unter Beibringung zahlreicher statistisher Notizen in ablehnender Weise; die gesunde Entwicklung der Tabakindustrie werde durch diese Vorlage in empfindlicher Weise geschädigt ; die vor- geschlagenen Steuersäße seien en'weder zu hoh oder über- flüssig, er prophezeie nah Annahme dieses Gesezentwurfes den baldigen Untergang der ganzen Tabakindustrie. Redner wandte sih gegen die von dem Vorredner vorgeschlagene stufenweise Erhöhung der Steuer, weil eine solhe Unsicherheit des Zustandes einer gesunden Entwicklung der JFndustrie zu- wider sei. Er bekämpfe ferner die Kontingentirung des Tabakbaues, die ebenso unzulässig sei, wie etwa eine Be- shränkurg der Einfuhr. Der inländische Tabakdau habe nicht verhältnißmäßig mehr zugenommen als der Jmport. Ungarische und amerikanische Tabaksorten würden: zu so billigen Preisen eingesührt, daß der inländischeTabak nicht damit konkurtiren könne. Tie Differenz zwischen Zoll un» Steuer müsse, wenn derinländische Dabak der Konkurrenz gewachsen bleiben solle, mit Erhöhung der Zollsäße zunehmen. Ein Ausgleih mit der Zuckersteuer sei micht geboten, denn die Zuckersteuer treffe den großen Fakrikantcn, die Tabaksteuer aber Taufende von kleinen Ge- werödetreibenden. Diese Fndustrie dürse man nicht ruiniren, während man der Noth auf anderen Gebieten abzuhelfen suche. Redner wendete sich sodann gegen alle aus finanziellen Nück- sichten für die Tabaksteuervorlagen angesührten Gründe, indem er meinte, daß der Finanznoth durch Ersparnisse, uamentlih bei dem Militäretat , abgeholfen werden müsse. Die Regierung verfolge in Wahrheit noch immer das Ziel des Monopols, und es wäre besser, wenn sie dies wenig- stens offen erklärte. Bei der großen Ausbildung, die die deutsche Tabakindustrie erreicht habe, sei aber die Einführung des Monopols ganz unzuträglich. Die nöthigen Entschädigungs- summen würden weit mehr als 687 Millionen, die die Kom- mission angenommen habe, betragen. Jn Frankreich und Oesterreich habe bei der Einführung des Monopols keine solche «Fndustrie bestanden. Redner fkritisirte sodann die einzelnen Bestimmungen der Vorlage, namentlich die Kontroivorschristen für die Steuer auf inländischen Tabak, die cr unerträglich und bei niedrigeren Zollsäßen überflüssig finde. Die Haus- industrie, die sich neben dem Tabakbau mit Herstellung von Fabrikaten befasse, könne unter dieser Kontrole nicht bestehen. Durch die Hastung für die Steuer Seitens des Bauern werde für diesen der Tabak unverkäuflich, so daß der Tabakbau in ganz Süddeutschland sehr zurückgehen werde.

Der Abg. von Puttkamer (Löwenberg) hielt mit dem Abg. Meier ebenfalls dafür, daß eine baldige Negelung der Tabak- steuer dringend geboten sei. Wenn der Reichstag heute vor der shweren Ausgabe stehe, legitime Fnteressen in Einklang zu bringen mit dem finanziellen Bedürfnisse des Reiches, so büßte man damit etwas, was man ein halbes Jahrhundert E versäumt habe; man hätte diz Frage der Tabak- teuer eher regeln müssen. Von der neuen Vorlage gestehe er, daß ihre Form für ihn nicht sehr viel Versührerisches habe, und nur die Zwangslage, in dieser Session etwas zu Stande zu bringen, mache diese Kost einigermaßen shmadchaft. Ein System, das hochwerthige Erzeugnisse mit 3 bis 4, aber minderwerthige mit 100 bis 200 Prozent besteuere und nur dem Gewicht nah die Steuer festseße, habe keinen An- spruch auf den Namen einer rationellen Steuer, aber er und seine Partei wüßten, daß etwas anderes dafür nicht in dieser Session werde zu erreichen scin. Der Bundesrath schlage dem Hause, wie der Minister Hobrecht ausgeführt habe, einstimmig die Gewichtssteuer vor, und der Neichstag werde sich in diese Nothlage fügen müssen. Die Hauptsehler seien, daß die vershiedenwerthigen Tabake mit einem gleichen Saße besteuert werden, und daß man sih an den hülf: und wehr- losesten Steuerzahler, an den Pflanzer, halte; das sei kaum rationell. Eine wesentlihe Ermäßigung der Steuersäßze, wie sie der Abg. von Marschall wollte, entziehe der Vorlage den finanziellen Boden. Wenn sih auch jeßt der Zoll zur Steuer wie 3: 2 verhalte, während er früher wie 6 : 1 gestanden habe, so sei doch dem deutschen Tabakbau ein genügender Squy gesichert, da die Steuer um 20 6 niedriger sei, als

der Zoll, während diese Differenz früher nur 10 6 betragen hätte. Fn dem Moment, wo der Pflanzer seine Ernte ver- faufe, sollte die Steuer bezahlt werden ; sonst werde ein Kampf eintreten zwischen Pflanzer und Händler, wobei der erster große Gefahr laufe, so große Gefahr, daß ihm der ganze Tabakbau verleidet werde. Die Besorgniß davor habe jeßt {hon eine Einschränkung des Tabakbaues zur Folge gehabt. Seines Erachtens nah hieße es der Vorlage ihren Werth rauben, wenn man den Eingangszoll für ausländischen Tabak wesentlich herabseßen wollte, und er werde dafür cintreten, daß die vorgeschlagenen 120 #6 für je 100 kg aufrecht er- halten blieben. Man werde Bedacht nehmen müssen, ob man nicht eine Schußnaßregel für den inländischen Tabakbauer dem Händler gegenüber finden könne. Doch das gehöre nicht der General- sondern der Spezialdebatte an. Auf eine Tabak- nachsteuer ganz zu verzichten, sehe er sih außer Stande, denn man dürfe der illegitimen Spekulation niht noch den Stempel der Legalität aufdrücken, man dürfe niht zwei Jal,xe auf den Ertrag warten, den das Haus dem Reiche mit diesem Gesehe sichern wolle. Redner nahm Gelegenheit, wegen der Steuer- reform die neulich vovy dem Abg. Lasker vorgetragenen An- sichten über die Grundsteuerverhältnisse zu beleuchten. Es handle sih niht um ein Geschenk von einer Milliarde an den Grundbesiß, sondern die Grundsteuer solle nur der Kommune übertragen werden; an einen Erlaß sei gar nicht gedacht. Außerdem sei 1871 bei der Grundsteuerregulirung den in der Grundsteuer Erhöhten entweder gar keine oder eine ge- ringere Entschädigung gegeben, als der Abg. Lasker mitge- theilt habe: nämlich der neunfache Betrag, nicht der dreizehnfache. Es sei sehr gefährlich, andere Leute der Unkenntniß der preußischen Geseße zu zeihen, wenn man selbst darin nicht sehr sicher sei und die Sache nur aus der Vogelperspektive betrachte. An- gesichts der Nothlage, in der sih Grundbesißer und Kom- munen in gleichem Maße befänden, sei es Aufgabe der Ge- seßgebung, zu helfen, und sie kónne es. Alles das dränge auf den Auebau des indirekten Steuersystems bis zu dem Grade, daß ganz lästige und drückende Steuern in den Einzelnstacten beseitigt werden könnten. Strebe man diesem Ziele zu, so habe man mitgewirkt bei einer wahrhaft heilsamen Reform.

Die Generaldiskussion wurde hierauf geschlossen.

Abg. Richter (Hagen) konstatirte hierauf, daß die Fort- schrittspartei in der zweitägigen Debatte niht zum Worte gekommen sei. ) i

Abg. Dr. Lasker bemerkte persönlih, daß er vom Abg. von Puttkamer hinsichtlich der Aufhebung der Grundsteuer und der Schenkung von 1 Milliarde an den Grundbesiß miß- verstanden sei, und werde er das Weitere bei der Debatte über die Kornzölle darüber ausführen.

Abg. v. Puttkamer (Löwenberg) verlas hierauf der Text der bezüglichen Stelle der Laskerschen Nede aus dem amtlichen Stenozraram, welcher die Richtigkeit der Citate beweise.

Die Vorlage wurde darauf an eine Kommission von 28 Mitgliedern verwiesen, worauf sich das Haus um 4!/, Uhr auf Mittwoch 12 Uhr vertagte.

Die zur Zeit bestehenden Vorschriften über die Ausbildung für den Försterdienst, wie sie im Regu- lativ vom 8. czFanuar 1873 enthalten sind, können in mancher Beziehung niht mehr als ausreichend erachtet werden, um eine den Anforderungen des Dienstes entsprechende Ausbildung und Besähigung der Anwäcter zu sichern. Fnsbesondere hat sich die Nothwendigkeit geltend emacht, bestimmte Anordnun- gen zu treffen, um zu verhindern, daß nicht junge Leute mit ungenügender Schulbildung zur Försterlaufbahn zugelassen wer- den, und um dafür zu sorgen,daß die Ausbildung während der Lehr- zeit zweckmäßig betrieben wird. Außerdem stehen die Vorschriften

des Regulativs von 1873 niht mehr durhweg in Ueber- |

einstimmung mit der neueren Militär-Geseßgebung, namentlich dem Reichs - Militärgeseze vom ©. Mai 1874, der E-:saß- ordnung vom 28. September 1875 und dem Militär-Pensions- geseße. Deshalb hat der Finanz-Minister ein neues Regulativ vom 15. Februar d. J. erlassen, welches an die Stelle des Regulativs vom 8. Januar 1873 getreten ist.

Das neue Regulatio weiht von dem früheren hauptsäch- O M N S2 B20 30 38 89 40, 42 und 44 wesentlich ab. Die wichtipsten Aenderungen bestehen in der Verschärfung der Bedingungen für den Ein- tritt in die Forstlehre bezüglich des Alters, der nachzuweisen- den Schulkenutnisse, körperlihen Befähigung (8. 2), in der Beschränkung freier Wahl des Lehrherrn (8. 3), in der Vor- christ, daß die Anmeldung der Lehrlinge bei der Jnspektion der zzäger und Schüßen künftig niht mehr durch die Land- räthe, sondern durh die Forstmeister zu bewirken ist (8. 7), in der Bestziimmung, daß fortan die Abgrenzung zwischen den Klassen A 1. und A.I1. lediglich nah den Prüfungsprädikaten : genügend oder besser einerseits, und ziemli genügend anderer- jeits erfolgt (88. 14 und 38), und in der Aufhebung des Zwanges der Forstversorgungsberechtigten zur Annahme anderer als der Staatsförsterstellen (§. 30).

Der General-Lieutenant von Gottberg, Comman- deur der 26. (1. Königlich Württembergischen) Division, ist mit Urlaub von Stuttgart hier eingetroffen.

Württemberg. Stuttgart, 12, Mai. (W. T. B.) Die Vermählung des Herzogs Georg von Leuchten- berg nuit der Prinzessin Therese, Tochter des Prinzen Peter von Oldenburg, hat gestern in Gegenwart des Königs und der Königin, sowie des Hofes stattgefunden,

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, 10. Mai. (Magd. Ztg.) Nachdem der Landtag in seinen jüngsten zwei Sißungen das Ausführungsgeseß zur Straf- prozeßordnung angenommen, sowie 1500 zur Erweite- rung derx hiesigen Gefsängnißbauten bewilligt hat, gelangte auch die Proposition für ein neues Landtagsgebäude zur Genehmigung; es sind dazu 130000 # bewilligt. Der vorgelegte Etat auf die Periode 1880—1882 ib gegen rob eina Und eam ge ordnet, auch is ein außerordentlicher Etat ver- mieden; die Positionen des leßteren, wie z. B. die Zins- garantie für die Gera-Eichicht:Bahn mit 134 000 46, sind auf den Ordinar-Etat übernommen. Jn diesem, der in Landes- kasse und Domänen-Etat getheilt ist, hat man die Matrikular- beiträge außer Ansaß gelassen; als eine außeretatsmäßige Einnahme stellt die Regierung 29 000 #6 aus der französischen Kriegskostenentshädigung in Aussicht. Der Landes-Etat weist ohne Steuererhöhung eine Gesammteinnahme von 2 620 000 4 und sonach ein Mehr von 80191 # gegen das Vorjahr nach; der Domänen-Etat schließt mit 2075 500 6 und dadurch um 15 995 M6 niedriger als im Vorjahre.

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Oesterreich-Ungarn. Wien, 12. Mai. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Ragusa: Die Ueber- nahme von Spizza Seitens Oesterreichs is gestern feier- lich erfolgt; die Truppen rückten ohne jeden Zwischenfall ein. In Suttomoce wurden die österreichischen Behörden von dem montenegrinischen Abgesandten im Auftrage des Fürsten Nikita begrüßt. Der Vertreter Montenegros hielt an die versam- melte Bevölkerung eine Ansprache, in welcher er dieselbe zur Treue für den neuen Herrscher aufforderte. Sodann erfolgte die formelle Uebergabe unter Ziviorufen. Eine aus Sujsan eingetroffene Deputation bat, dem Kaiser von Oesterrei die Gefühle der Freude und unwandelbaren Treue der Bevölke- rung auszudrüden. Die Ankunft anderer Deputationen zu demselben Zwecke ist angekündigt.

Die laufende Woche bezeichnet voraussichtlich den A b- [Oß der. Chattalteit des Neihsrathes. Beide Häuser desselben haben noch eine Reihe von unaufschiebbaren legislatorish:n Arbeiten der Erledigung zuzuführen. Das Herrenhaus wird nebst dem Staatsvoranschlage für 1879 noch eine Anzahl Vorlagen auf der Tagesordnung finden, die im Abgeordnetenhause zum Theil bereits durhberathen \ind, theils in dieser Woche noch zur Verhandlung gelangen.

S Vert, [0 Ma (B) Ur die den Bahnverwaltungen obliegende zollamtliche Behandlung der Güter ist vom Bundesrathe unter dem 27. August 1878 ein Maximaltarif aufgestellt worden. Während die übri- gen Verwaltungen die von ihnen in Folge dessen erlasse Tarife mit dem 1. November 1878 in Vollzug geseßt haben, haben die Direktionen der westscweizerishen Bahnen, der

| Jura-Bern-Luzern-Bahn und der Paris Lyon-Mittelmeerbahn

um Revision jenes Maximalta- ifs nachgesucht. Der Bundes- rath ist, laut Mittheilungen aus der gestrigen Sißung, auf dieses Begehren nicht eingegangen, sondern hat den drei Gesellschaften zur Einführung neuer entsprechender Ta- rife einen leßten Termin auf Ende dieses Jahres angeseßt. Behufs der Revision der gekündigten Handelsverträge mit Deutschland und Belgien werden die Kantone ein- geladen, j2zne Verträge näher zu prüfen und die von ihnen vorzuschlagenden Abänderungen an denselben zur Berüctsich- tigung bei den bezüglihen Verhandlungen mitzutheilen. Das am 14. Februar erlassene Rindvieh-Einfuhr- verbot wurde gegenüber den französishen Departements Doubs, Fura und Oberrhein (Belfort) aufgehoben, dageaen dem Elsaß gegenüber aufrechterhalten.

Großbritannien un Jrland. London, 10. Mai. (Allg. Corr.) Die Meldung der „Daily News“, daß die Re: gierung Anstalten treffe, um weitere 5000 Mann Truppen e) A P O G Ge Ole senden, hat bis jeßt noch keine amtliche Bestätigung gefunden. Jn Chatham lief indeß gestern der kriegsministerielle B fehl ein, sämmtliche daselbst stationirten Offiziere und Mannschaften des Armeedienst-Corps (Train) für die unverzügliche Absen- D, e S G) 0 D o Ob De 0 Portsmouth stationirte Compagnie des Armecedienst-Corps erhielt ebenfalls Marschbefehl nach Natal. Vom Kriegsanite wurde auch eine wesentliche Verstärkung der am Kap statio- nirten Genietruppen angeordnet.

(E. C.) Der „Jron Duke“, welcher bekanntlich 1875 mit dem Panzerschiff „Vanguard“ kollidirte, das noch immer nicht gehoben ist, ist laut gestern eingegangenen Nachrichten bei Shanghai gestrandet und sißt fest. Das genannte Panzer- chiff ist 6034 Tons groß und hat 4268 Pferdekraft, 14 Ge- [hüße und 457 Mann Besaßung. Es ist das Flaggenschiff des Vize-Admirals Corte, Commandeurs der chinesischen Station, und steht unter der Leitung des Kapitäns H. J. Cleve- land. Das Schiff verließ Davonport im Sommer des vorigen Jahres. 12. Maïi. (W. T. B.) Jun der heutigen Sitzung des Unterhauses erwiderte der Unter-Staatssekretär B o u rke auf eine Anfrage Baxters: ihm sei nihts von einem Ueberein- kommen der Türkei mit Rußland bekannt, nah welchem erstere auf das Recht, Garnisonen im Baikan zu haben, und bestimmte Pläße von Ostrumelien zu besetzen, ver- zichtet habe. Der Staatssekretär der Kolonien, Hicks- Beach, erklärte: die Boers hätten ihr Lager am 18. April aufgelöst und seien friedlih heimgekehrt; die Konferenz Dartle eres 60 guisia abholen Der Sat: kanzler Northcote theilte mit, daß die Pfingstferien vom 27. Mai bis zum 9. Funi dauern würden.

Frantreih, Paris, 11. Mai. (Lx. Korr) Das „Journal des Débats“ sagt: Die Frage der Rückkehr der Kammern nach Par1s wird ohne Zweifel bald zur Ent- scheidung gelangen. Gerade, weil Paris der Ausdruck und die Zusammensassung der Mannigfaltigkeit und Einheit Frank- reichs zugleich ist, muß es der Sih seiner Vertreter sein, aber wegen dieses ungeheuren Gewichts von Paris in der Wage der Gesammtiräfte des Landes bedeutet auch die Pariser Polizei die Landespolizei. Es is von der „République françaîise“ unvorsichtig und ungeschickt, diese beiden Fragen zu vermischen. Ob die Kammern in Versailles bleiben oder nicht, immer würde man, was schon längst hätte geschehen sollen, die Befugnisse der Regierang einer- und des Gemeinderaths andererseits be? der Ueberwachung und Leitung der Präfektur zu regeln haben. Daß die Pariser Polizeipräfektur eine wesentlih städtishe Einrichtung sei, kann nmcht zugegeben werden. Der wahre Polizeipräfekt ist der Minister des Fnnern: ihm liegt der Schuß der Ordnung im Lande ob. Ohne auf administrative Einzelheiten hier einzugehen, wollen wir nur den Saß aufstellen, daß die Angelegenheiten der allgemeinen Sicherheit die Negierung und nicht den Gemeinderath angehen. Man muß also_ die beiden Fragen der Rückkehr der Kammern und der Reorgani'irung der Polizei wohl auscinandex halten. Die leßtere hätte schon entschieden sein sollen, ehe man die erstere aufwarf, und man darf in ihr keinen Aft des Mißtrauens oder der Feindselig- keit gegen die Pariser Bevölkerung erblicken. Die Rückkehr der Kammern halten wir s{lechterdings für eine politische Pflicht. Wie? Man sagt immer, Paris könne ganz Frank- reih in Brand stecken, und man läßk es in den Händen eines Gemeinderaths? Seht Fhr denn nicht, Fhr Gesetzgeber, daß ihr selber die Kommune macht? Nur die Kammecn und die Regierung können diefer gefährlichen Gewalt ein Gegengewicht bieten. Darum unterstüßen wir ganz entschieden die Rückehr der Kammern, ohne in dieser Frage, wie die „République française“ unvorsichtiger Weise thut, die des Verhältnisses der Polizeipräfektur zum Gemeinderathe und zur Regierung zu mischen, Ob die Kammern zurückkommen oder nicht, man wird immer verhüten müssen, daß sich ein Staat im Staate

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