1879 / 113 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

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Jm weiteren Verlaufe der gestzinen (44) Sizung Jeßte der Reichstag die erste Berathung des Ueber- einkommens zwischen dem Deutshen Reiche und Groß- britannien , betreffend das Eintreten des Deutshen Reichs an Stelle Preußens in den Vertrag vom 20. Dezember 1841 wegen Unterdrückung des Handels mit afrifa- nischen Negern, fort. Der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats: Minister von Bülow erklärte, er müsse mit einigen Worten auf die drei vom Vorredner gegebenen Anregungen eingehen. Der Zutritt von Nordamerika und ¿Frankreich zum Vertrage würde ja sicher allseitig willkommen sein, aber es sei bekannt, welche Schwierigkeiten die Regelung der in ¿Frage kommenden Materie gerade mit den genannten eiden Staaten bisher gehabt habe, und darum He man S D S uberlassen ne An näherung herbeizuführen. Die Erfüllung des zweiten Wunsches stoße auf politishe Einwendungen anderer Staaten, wie solche namentlih in den Sechziger Fahren von eFrankreih vorgebracht worden seien. Sollte in dem Sinne des Wunsches von anderen Staaten eine Anregung ausgehen, fo werde Deutschland es nicht sein, das sich dem widerseßen würde. Was endlich die gewünschte strafrehtliche Einheit an- gehe, so würde die Regierung in ihr ein Komplement sehen zu der eben dem Hause unterbreiteten Vorlage; da aber die bestehenden Strafrechtsbestimmungen noch nie angewandt seien, erscheine die Sache nicht dringend. Ér bitte, dem Ver- trage zuzustimmen.

Der Vertrag wurde hierauf in erster und zweiter Lesung unverändert genehmigt.

Es folgten Berichte der Wahlprüfungskommission und der Abtheilungen über Wahlprüfungen.

Bei der Stichwahl im 5. hessishen Wahlkreise (Offenbach) siegte der nationalliberale Abgeo: dnete Dr. Dernburg mit 11136 Stimmen gegen 10539 Stimmen, welche auf den sozialdemokratishen Gegenkandidaten Liebknecht fielen. Die Wahlprüfungskommission beantragte troß des eingelaufenen Protestes des sozialdemokratischen Arbeiterwahlcomités Giltig- erklärung der Wahl.

Der Abg. Liebknecht bedauerte, daß die Kommission die Beweisführung des Protesies nicht für hinreichend für eine Beanstandung gehalten habe, die bei diejer Wahl vorgekom- menen Beeinflussungen ständen hinter denen in Wstpreußen und Schlesien vorgekommenen niht zurück. Er wolle zwar nicht behaupten, daß Thatsachen nachgewiesen seien, welche die Ungiltigkeitsertlärung dieser Wahl rechtfertigten, er nehme indeß Veranlassung, Einzelheiten hervorzuheben, zum Nach- weise, daß seine sozialdemokratischen Parteigenossen Seitens der AUberalen bei Gelegenheit der Wahlen, und speziell er selbst eine ganz ungebührliche Behandlung erfahren hätten.

Der Abg. Dr, Dernburg bemerkte, ex könne dem Vor- redner erklären, daß er die gegen ihn gerichteten persönlichen Angriffe in keiner Weise gebilligt und unterstüßt habe. Ob von der Seile der Parteigenossen des Vorredners mit der- jelben Zartheit, die er heute lobe, verfahren sei, wisse er nicht. Wenn der Vorredner von der Betheiligung der Bürgermeister an den Wahlkämpfen gesprochen habe, fo müsse er bemerken, daß dieselben keine Negierungsbeamten, sondern durch das allgemeine Wahlrecht berufene Vertrauensmänner der Ge- meinden seien. Uebrigens hätten \ih die Bürgerm/?ister nicht alle für den nationalliberalei:, sondern viele auh für den

ultramontanen und sozialdemokratishen Kandidaten erklärt. |

Von einer unberechtigten Wahlbeeinflussung sei also kcine Nede,

Der Abg. Liebknecht- erklärte das ganze Verfahren der Wahlprüfungskommission nach dem jezigen Modus als unzu- reihend für eine exakte Wahlprüfung.

Nach dem Schlußwort des Neferenten Abg. von Geß wurde nah dem Kommissionsantrag beschlossen | Die Wahl des Abg. von Czarlinski für den 4. Wahlkreis |

Marienwerder (Thorn: Kulm) wurde für giltig erklärt, und beschlossen, „dem Herrn Reichskanzler mitzutheilen, daß ün 4. Marienwerder Wahlkreise eine größere Zahl nicht wahl- berehtigter Personen an der Wahl Theil genomr:en haben soll und denselben zu ersuchey, zur Vermeidung derartiger Vorgänge das Weitere zu veranlassen.“

Bezüglich der nicht weiter beanstandeten Wahl des Abg. Mosle (Bremen) wurde folgender Antrag der 3 Abtheilung, für welche Abg. Freiherr von Fürth referirte, angenommen :

dem Herrn Reichskanzler die Beschwerde des Fohznn Imwolde und Johann Heinrich Trinemever, d, d. Bremen, ven 15. Scep- tember 1878, zu überweisen, mit der Aufforderung, daß er unter- suchen lasse, inwicweit die von den Petenten angeführten Gesetwidrig- keiten dadurch stattgefuiden, taß Personen, die noch nicht das 25. Jahr erreiht hatten, als Wähler zugelassen worden, und andere, ! deren Namen in den Wählerlisten gestanden, nachdem diese Listen in | Gemäßheit des §. 4 Alin. 3 des Reglements zur Ausführung des |! Wahlgeseßes abzeschlossen waren, nob aus den Listen weagestrichen worden, und daß er. soweit den betreffenden Behörden die Schuld einer Gesezwidrizkeit zur Last fällt, die nöthigen Rektifikationen veranlasse.

Ferner wurde in Bezug auf die Wahl des Abg. Jaunez | (12. Elsaß-Lothringen) troy des Widerspruchs des Abg. Dr. Simonis beschlossen, „den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in Betreff der in der Eingabe d. d. Buschbach, den 30. Juli 1878, behaupteten strafbaren Handlungen (Kauf von Wahl- stimmen) sirafgerihtlihe Untersuhung herbeizuführen.“

Die Wahl des Abg. North (9. Elsaß-Lothringen) wurde für giltig erklärt.

Es folgten Berichte der Petitions-Kommission.

Jnmitten der Stadt Stettin, am Heiligen Geistthor, einem der lebhaftesten Theile der Stadt, befindet sih die dortige Garnisonbäckerei, welche durch den ihren Schornsteinen entströmenden Nauch die ganze Nachbarschaft, insonderheit das daneben liegende Polizeigefängniß, wie die daran stoßende Realschule in hohem Grade behelligt. Schon seit dem «Zahre 1863 wurden zwischen der Königlichen Jntendantur 11. Armee- Corps und der Stadt Stettin Berhandlungen geführt, welche den Zweck haben, den lästigen und gesundheits\{hädlichen Rauchniederschlag der Garnisonbáerei zu beseitigen : zu einem Resultate haben diese Verhandlungen bishor jedoch noch nit gee, Die Stadt Stettin wandte sich nunmehr an den

cihstag mit der Bitte:

„derselbe woe das Reichskanzler-Amt ersuchen, die baldige Ve. legung der hiesigen Garnisonbäckerei nah cinem entferr.ten Stadttheile ¿u veranlassen und dabei Sorge zu tragen, daß an der neuen Stelle die Belästigung des Publikums durch den Rauch- niederschlaz fortfällt.“

Die Kommission beantragt, diese Petition dem Neichs- kanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Der Abg. Freiherr von Pfctten beantragte Uebergang zur Tagesordnung. Es handle fich hier lediglich um einen Streit der vntendantur König- lichen pécufisden [T, Armee-Corps mit der Stadt Stettin, der

| die die bôsen Wirkungen des Geseßes nah Kräften paralysirt

Reichstag sei demzufolge zu einem Einschreiten seinerseits gar nicht berehtigt. Gehe man auf das Anerbieten der Stadt Stettin ein, die Bäckerei käuflich zu erwerben, so werde in der nächsten Session die Militärverwaltung mit der ¿Forderung für cinen Neubau hervortreten, Es sei aber weder nothwen- dig, noch nüglih, die verbündeten Regierungen aus Anlaß einer Petition zum Vorschlage neuer Positionen im Militär- etat aufzufordern. Hier aber handele es \ih darum, die Be- wohner von Stettin vor Nachtheil und Belästigung durch Nauh zu schüßen. Es seien deshalb die erforderlichen Mittel von der Stadt oder vom Staate Preußen aufzubringen.

Der Abg. Schlüter (Stettin) befürwortete den Antrag der Kommission.

Der Bundeskommissar, Wirkl. Geheime Kriegsrath Flügge erwiderte: die Militärverwaltung, seit mehr als sieben Jahr- zehnten im legitimen Besißstande, könne wohl erwarten, daß die Stadt wegen der von ihr erstrebten Veränderung bezw. deren Ermöglihung mit positiven Vorschlägen hervorträte, statt diese von der Regierung zu verlangen. Die vorliegende Petition an den Reichstag erscheine darnach durchaus verfrüht. Wöére die Sache im landespolizeilichcn Wege verfolgt, so würde auch die Frage wegen der Entschädigung des Militärfiskus zum Austrage gekommen sein. Auf die ¿Forderung des leßteren wegen stadtseitiger Gewährung eines Ersatzes sei der Magistrat der Stadt einfach nicht weiter eingegangen, weil er seinerseits die ihm dadur erwachsende Ausgabe nicht beziffern könne; es würde do wohl zunächst seine Sache gewesen sein, durch Verhandlungen mit der an Ort und Stelle befindlichen Militär-Fntendanturx darüber sich Gewißheit zu verschaffen. Für den Theil der Kosten einer Verlegung der Bäckerei, der über den von Der Stadt und den Anliegern billigerweise zu erwartenden Leitrag

und über den Werth des aufzugebenden Etablissements hinaus- |

gehe, würde die Militärverwaltung in d Lage sein, die Deckung im Etat zu beantragen. Wenn der Magistrat von

Stettin sofort anscheinend direkt und ganz auf die |

Mittel des Reichs rekurrire, so wäre doch wohl die nächste JZnstanz die Reihs-Finanzverwaltung gewesen...

Hierauf wurde nah kurzer Diskussion der Antrag der Kommission mit großer Majorität angenommen. |

Jn einer mit 551 Unterschriften versehenen Petition wandten sih Kaufleute, Gewerbetreibende und Geschäftsleute der Städte Aachen und Burtscheid mit der Bitte an den Neichstag :

„das früher in Preußen bestandene Gese üker die Zulässig- keit der Schuldbaft für das Deutscve Neich wiederum einzuführen“.

Ohne Debatte trat das Haus dem Antrage der Pcetitions- kommission auf einfahe Tagesordnung bei.

Eine Petition des Julius Ohlenshläger aus Berlin wurde der Reichsregierung mit dem Ersuchen Überwiesen, daß das Versicherungswesen im Wege der Reichsgeseßgebung bald- möglichst geregelt werde.

Es folgte eine Reihe von Petitionen, die si auf die Civilehe beziehen. Die sehr zahlreichen Petenten bitten :

„Der hohe Reichstag wolle durch ein Geseß anordnen, daß es Iedem freigegeben werde, die Anmeldungen von Geburten und

Sterbefällen, sowie die Schließung der Ehe bei dem Standes- beamten oder bei dem Geistlichen zu bewirken, und für den leßteren Fall den Geistlihen zu verpflichten, etwa alle Monate dem

Standesbeamten die betreffenden Notizen zugehen zu lasen.“ Die Kommission {lug Uebergang zur Tagesordnung

vor, der Abg. von Cranach befürwortete dagegen eine Ucber- weisung der Petitionen an die Regierung zur Erwägung ob und in wie weit eine Abänderung des Civilehegeseßes ins Auge zu fassen sei, welche den Klagen ein Ende machen könne, die vielfah über die Handhabung resp. die Wirksamkeit ves

(ivilehegeseßes laut geworden sei-n. MNedner führte aus, die

Zustände, wie sie vor Allem in den großen Städten sich ze'g- ten, mit ihrer Unkirchlichkeit, der erschreckenden Abnahme ter | firhlihen Trauungen und Taufen, legten es Jedem nahe, zu erwägen, ob mit doch hier und da etwas geändert werden könne, ohne das Wesen des Céoil- standsgeseßzes zu alteriren. Jn den großen Städten wachse ein heidnisches Geschleht heran. Jn Berlin blieben 60 Pro zent Ehen ohne den kirchlihen Segen und 40 Prozent der neugeborenen Kinder ohne Taufe. Noch sei diz Maczt des Glaubens und der Sitte in dem deutschen Landvo!k fo ent- schieden christlich, daß das Gesetz unter diesem bisher eine geringe Wirkung gehabt habe, aber die stete Uebung, zur Che ohne Trauung zu kommen, der Einfluß, welchen eine derartige geseßliche Sanktion auf die Anschauung des gemeinen Man- nes habe, könne dahin führen, daß ein neuer über das Land hereinbrehender Sturm ein Anstoß sei, daß auch das Land- volf in großer Ausdehnung sich der Mitwirkung der Kirche bei jenen Handlungen entziehen würde. i

Der Abg. Dr. Löwe (Bochum) hob hervor, daß gegen das Prinzip, dem Staate gehöre die Schließung der Ehe, irgend welche Einwendungen nicht erhoben scien. Der Geistliche habe auh früher die Ehe als Diener des Staates geschlossen und dann die geschlossene Ehe als Diener der Kirche gesegnet. Nah Beseitigung des verhaßten Zwanges der firhlihen Trauung habe sich das religiöse Bedürfniß des Volkes wieder gesteigert und die Zahl der rein civilen Trauungen habe ab-

genommen. Die beklagten Uebelstände in der Verwaltung

müßte doch erst die Verwaltung selbst zur Sprache vringen. Auch gegen die Führung der Negister durch die Geistlichen hätten sih früher Klagen erhoben. Bis die erforderliche Er- fahrung gesammelt sei, bitte er das Haus, bei dem Beschlusse der Kommission stechen zu bleiben. Jn allen anderen Län- dern, wo. die Civilehe lange bestehe, habe si die Volks\itte für die gleichzeitige kfirhlihe Trauung JZerausgebildet.

Der Abg. Dr, Westermayer (München) erklärte, stets bleibe die Civilehe für die im Glauben Schwachen eine Falle, um so gefährlicher, als die Leidenschaft dabei sehr in Betracht fomme. Daß die bloßen Civiitrauungen sich vermindert hät- ten, sei niht ein Verdienst des Gesetzes, sondern der Geistlichen,

hätten. Daß in Bayern das Geseß richt die verderblichen exolgen gehabt habe, die man Anfangs befürchtete, sei nur eine ¿zolge des gesunden religiösen Sinnes der Bevölkerung. Das Geseh sei vielmehr sehr geeignet, die Beguiffe des Volkes zu verwirren. Man könne das Geseß für ein kulturkämpferisches, aber nie für ein organisches ansehen. Seit Einführung des Civilehegeseßes halte die bayerische Regierung auch nicht mehr an der Unauflösbarkeit der von dem katholischen Priester geschlossenen Ehen, die sie früher anerkannt habe, fest. Die Zahl der Konkubinate habe sih seitdem bedenklich ver- mehrt. Statt der katholischen Kirche, die man schädigen | wollte, habe man mit dem Gesetze die protestantische viel mehr | geschädigt. Nie habe der Geistliche ein staatlihes Mandat der Ehesch!ießung gehabt, dasselbe sei immer ein rein lirhliches

gewesen. Der Antrag von Cranach verdiene demnach den Vorzug vor dem Antrage der Kommission. Seine Partei werde für den ersteren stimmen.

Ein Vertagungsantrag wurde angenommen.

Der Präsident proponirte als Tagesordnung der nächsten

Sizßung: zweite Berathung des Zolltarifs und zwar der Po- sitionen: Abfälle, Bürstenbinder- und Siebmacherwaaren, A und Eisenwaaren, Erden und Erze, Flachs 2c. und Ge- reide. ___ Der Abg. Rickert beantragte die Spezialberathung der Position „Eisen“ wegen der Wichtigkeit derselben und zumal Anträge eingebracht würden, die noch nicht gedrudckt seien, noch auszujeßen und dafär mehrere minder wichtige Positionen zu erledigen ; Redner führte 12 derartige Positionen an.

Der Abg. von Kleist-Nezow glaubte, daß es besser sei, wenn erst die heute abgebrochene Debatte fortgeseßt werde, welcher Ansicht sih der Abg. Richter (Hagen) anshloß. Nach- dem der Abg. von Kardorff si gegen diesen Antrag aus- gesprochen, zog der Abg. von Kleist-Neßow denselben zurück. Der Abg. Richter Hagen) nahm ihn zwar wieder auf, das Haus lehnte ihn aber mit großer Majorität ab; ebenso wurde der Antrag Rickert abgelehnt, und die vom Präsidenten pro- poni te Tagesordnung genehmigt, worauf sich das Haus um 41/7 Uhr vertagte.

Jn der heutigen (45.)Sißung des Me MStagn»se, welcher der Präsident des Neichskanzler-Amts, Staats-Minister Hofmann und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath und Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsi- dent nit, daß folgende Kommissionen gewählt seien und ih konstituirt haben : 1) zur Vorberathung des Geseßentwurfs, betr. den Zolltarif des deutsch en Zollgebiets: die Abgg. von Seydewigß (Vors.), Freiherr zu Frankenstein (Stellv. ), Lôwe (Berlin), Nuppert (Schriftführer): 2) zur Vorberathung der Geseßentwürfe wegen Erhebung und Erhöhung der Brausteuer: die Abgg. Nichter [ Meißen] (Vors.), von Kehler (Stellv.), Bernardt, Lüders (Schriftf.); 3) zur Vorberathung der Geseßentwürfe, betreffend die Bete tg Le Nachversteuerung des Tabaks: Abgg. Graf von Fugger- Kirchberg (Vors.), von Schmid [Württemberg] (Stellv. ), Frei- herr von Manteuffel, Dr. Witte [Mecklenburg] (Schriftführer). _ Darauf tal das Laus in die zweite Beratbung des Oa O V L (A bfälle) erklärte Abg. Nicert, daß er die für die Salzsiedereien nothwendige Mutter- lauge in dieser Position als steuerfrei vermisse, serner bean- tragte er, an Stelle dexr Worte „und sonstige lediglih zur Leimfabrikation geeignete Lederabfälle“ zu seßen: „und sonstige als Fabrikationsmaterial geeignete Lederabfälle““.

Der Kommissarius des Bundesraths erklärte, daß die

Weglassung ver Mutterlauge mit RNüclsicht auf bestehende geseßliche Bestimmungen geschehen sei. Zu dem Antrage könne die Regierung augenblicklih keine Stellung nehmen.

| Der Abg. von Ludwig motivirte seinen Antrag, welcher autet:

D.r Reichstag wolle beschließen : in Nr. 1 Litt, b, des Zolltarifs (Abfälle) am Schlusse hinzvzu- fügen: „und Thierknochen jeder Art*,

indem er ausführte, daß die Fassung der Regierungsvorlage leicht die Deutung zulasse, als wenn nit sämmtliche Dünge- mittel steuerfrei seien. Der Kommissarius des Bundesraths crÉlärte, daß in den Intentionen der -Negierung liege, S Düngemittel für die Landwirthschaft zollfrei zu assen.

Der Antrag Nickert wurde angenommen, und mit dem- selben die Positio: 1a. Dieselbe lautet:

Abfälle von der Eisenfabrikatioa (Hammerschlag, Eisenfeil- spâne) 1nd von Eisenblech, verzinntem (Weißblech) und verzinkiem ; von Glashütten, auch Scerb:n von Glas- und Thonwaaren ; von der Wachsbereitung; von Seifensiedereien die Unterlauge; von (Berbereien das Leimleder, au abgenvtte alte Lederstüke und jonftige lediglich zur Leimfabrikation geeignete Lederabfälle frei.

Der Abg. Melbeck beantragte :

Der Reichstag wolle beshließen: in Nr. 1 Lit, þ, des Zoll- E (Abfälle) hinter dem Worte „Kleie“ zuzusegen: „Malz- C,

weil dies im Jnteresse der Landwirthschaft in den westlichen Provinzen durhaus nothwendig sei. Der Kommissarius des Bundesraths bemerkte dazu, daß er zwar eine verbind- lihe Erklärung im Namen der verbündeten Negierun- gen nicht abgeben könne, daß es aber niht in der Absicht der leßteren liege, Malzkeime einem Eingangszoll zu unterwerfen. Auf eine Anregung des Abg. Pr. Ham- macher erklärte derselbe Kommissar, daß für den Zolltarif der Grundsaß maßgebend sei: „Alle nicht im Zolltarif als zoll- pflichtig aufgeführten Gegenstände sind zollfrei.“ Nach einer kürzeren Debatte über die Frage, ob nach dieser Erklärung der Antrag von Ludwig noch nöthig sei, wurde Position 1 b.

Blut von geschlachtetem Vieh, flüssiges und eingetrocknetes ; Thiecflehsen; Treber; Branntweinspülig ; Spieuz Kleie; Stein- kohlenashe; Dünger, thierischer, und andere Düngungsmittel, als: ausgelaugte Asche, Kalkäscher, Knochenschaunc oder Zuckererde —— Le)

mit den Antcägen von Ludwig und Melbeck angenommen : ebenso ohne Debatte Pos. 1c.

Lumpen aller Art, Papierspäne, Malkulatyc , beschriebene und bedrucktte, alte Fischecneze, altes Tauwerk und alte Stricke, gezupfte Charpie frei.

Bei Position 4 (Vürsten- und Siebmacherwaaren) fütrte Abg. Müller (Gotha) aus, daß dieser Zoll weder als ¿Finanzzoll noch als Kampfzoll gerechtfertigt sei, auch eines Schußzolls bedürfe diese Jndustrie nicht, da der Export be- deutend über den Jmport in dieser Branche prävalire. Der Abg. von Kardorff bemerkte dagegen, daß es sih hier eigent- lih um den Schuß der nationalen Arbeit, namentli des armen Mannes handele, eine Behauptung, von welchch:x De U Jude cute Da jede Motivirung derselben durch Thatsachen vermisse, indem sih der arme Mann füx diesen Schuß bedanke. Er beantragte die Ab- lehnung dieses Zollsaßes. Der stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrath, Ober-Steuerrath von Moser, wies auf die überwältigende Konkurrenz hin, welche diesem «Fndustriezweige namentlih von den nordischen Ländern gemacht werde. Andere Länder hätten aber auf diese Waaren einen noch viel höheren Eingangszoll gelegt, als der hier vorgeschlagene.

Der Abg. Dr. Karsten entgegnete, er halte namentlich die leßte Argumentation, die Vergleichung der Zollsäße mit den- jenigen anderer Länder, welche sehr häufig in den Motiven dicjer Vorlage wiederkehre, für sehr bedenklih. Dagegen crklärte der Abg. von Kardorff, gerade auf dieses Moment großes Gewicht legen zu müssen.

Da man allseitig darüber einverstanden war, daß es sih hier meistens um cinen Verkehr der Grenzdistrikte

handele, so drehte sih die Frage nur darum, ob in deren «Interesse Zollfreiheit oder Zollpflichtigkeit dieser Artikel liege. Während die Abgg. Rickert, Richter (Hagen) und Freiherr von Maltzahn-Gülß sich für die erstere Alternative erklärten, traten die Abgg. von Ludwig und von Kardorff für die leßtere ein. Der stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrath, Dber-Steuerrath von Moser hob noch hervor, daß der von den Regierungen vorgeschlagene Zollsaß schon eine Konsequenz des vorgeschlagenen Holzzolles sei, da die groben Bürsten- waaren zum großen Theil aus Holz bestehen. e Die Position 4 wurde hierauf nah den Vorschlägen des Bundesraths angenommen. Dieselbe lautet: : Vürstenbinder- und Siebmacherwaaren haben per 100 kg an Zoll zu zablen: a. grobe: 1) Bürsten und Besen aus Bast, Stroh, Schilf, Gras, Wurzeln, Binsen und dergleichen, auch in Verbin- dung mit Holz oder Cisen ohne Politur und Lack 4 M, 2) andere, auch in Verbindung mit Holz oder Eisen ohue Politur und Lak 8 M; b, feine, auch in Verbindung mit anderen Materialien, soweit sie dadurch nicht unter Nr. 20 fallen 24 M Es folgte Position 6 (Eisen). Hierzu lag der Antrag des Abg. von Wedell-Malchow vor: derselbe lautet: Der Reichstag wolle b-\{chließen: : in Nr. 6 des Zolltarifs (Eise: und Eisenwaaren) die Zoll- säße abzuändern wie folgt: a, Roheisen aller Art; Bruücheisen uad Abfälle aller Art von Eisen, soweit nicht unter Nr. 1 genannt O A u een O0 6 \hmiedbar. 8 Eisen (Schweißeisen, Schweiß stahl, Flußeisen, Flußstahl) in Stäben, mit Einschluß des façonnirten; Madkranzeisen ; Pflugschaaren- eisen; Eck- und Winkeleisen ; Gisenbahnschienen; Eisenbahnlaschen, Unterlagéplatten und Schwellen 10)? kg ftatt 2,50 46. zu setzen 1,50 M, Anmerku-a zu 6b. Luppeneisen, nod Schlaten cnthaltendz Noh- s[chienen; Iaugots 100 ks statt 1,50 4 zu seßen 1 M; c. Platten und Vleche aus \chmiedbarem Eisen: 1) rohe 100 k - statt 3 é. zu seßen 2 4, 2) polirte, gefirnißte, lacktirte, verkupferte, verzinnte (Weißblech), verzinkte oder verbleite 100 g statt 5 # zu seßen 3 #Æ; d, Draht, auch verkupfert, verzinnt, verzinkt, ver- bleit, polirt oder gefirnißt 100 kg flatt 3 A zu seßen 2 t. ; e. Eisenwaaren: 1) ganz grobe: a. ans Cijsenguß 100 kg statt 2,90 „4 zu seßen 1,50 M, þ. Eisen, welches zu groben Beitandtheilen von Maschinea und Wagen roh vorgeschmievet ist; Brücken und Brückenbéstaudth. ile; Anker , Ketten und Drahtseile ; gewalzte und gezogene Röhren aus shmiedbarem Eisen 100 kg statt 3 M zu E obe E E u n Berbindung mit Holz ; ingleichen Waaren dieser Art, welche abgeschliffen, gefir- nißt, verkupfert, verzinkt, verzinni oder verbleit, jedoch nicht polirt sind, ats: Aexte, Degenklingen, Feilen, Hämmer, Hecheln, Hobel- eisen, Kaffeetrommeln und -Mühlen, Kobges-hirre, Nägel, Pfaanen, Schaufeln, Sc{lösser, Schraubstöcke, grobe Messer zum Handwerk- gebrauhe, Sensen, Sicheln und Futtecklingen (Strohmesser), Stemmeisea, Striegeln, Thurmuhren, Tuchmacher- und Schneider- scheeren, Zangen u. dergl m. 106 kg statt 6 M. zu seßen 5 M. Zunächst referirte Abg. Dr. Stephani Namens der Petitionskommission über die zu dieser Position eingegangenen Petitionen und beantragte, dieselben durch die zu fassenden Beschlüsse für erledigt zu erklären. Beim Schlusse des Blattes ergriff der Abg. Dr. Delbrück das Wort.

Der internationale Gesundheitsrath in Konstan - tinope, hat in seiner Sißzung vom 6. d. M, beschlossen, die vierundzwanzigstündige Observationsquarantäne für die Provenienzen aus den russishen Häfen durch eine einfache ärztlihe Jnspektion nebst event. Desinfektion zu ersetzen. Das Verbot der Einfuhr von gebrauhter Leib- und Bettwäsche, getragenen Kleidungsstücken und Lumpen verbleibt U Qa

Nach der vom Reichs - Eisenbahn - Amte auf- gestellten, in der Ersten Beilage veröffentlichten Nachweisung über die im Monat März 1879 auf deutschen Eisenbahnen excl. Bayerns vorgekommenen Unfälle waren im Ganzen zu verzeichnen : 23 Entgleisungen und 11 Zusammenstöße fahrender Züge, und zwar wurden hiervon 13 Züge mit Personenbeförderung von je 10 005 Zügen dieser Gattung Einer und 21 Güterzüge resp. leer fahrende Maschinen betroffen ; ferner 47 Entgleisungen und 18 Zusammenstöße beim Rangiren und 108 sonstige Betriebs- ereignisse (Ueberfahren von Fuhrwerken auf Wegeübergängen, Defekte an Maschinen und Wagen 2c.).

Jn Folge dieser Unfälle wurden 2 Personen (fremde) ge- tödtet, 24 Personen (3 Reisende, 19 Beamte und 2 Arbeiter) verleßt, 4 Thiere getödtet, 1 Thier verleßt, 50 Fahrzeuge er- heblih und 151 Fahrzeuge unerheblich beschädigt.

Außer den vorstehend aufgeführten Verunglücckungen von Personen kamen, größtentheils durch eigene Unvorsichtigkeit A noch vor: 32 Tödtungen (14 Beamte, 8 Ar-

eiter und 10 fremde Personen), 77 Verlezungen (1 Reisender, 35 Beamte, 36 Arbeiter und 5 fremde Personen); 9 Tödtungen und 1 Verleßung bei beabsichtigtem Selbstmorde.

Faßt man sämmtliche Verunglükungen aus\chließlich Selbstmörder zusammen, so entfallen auf:

A. Siaats8bahnen und unter Staatsverwaltung stehende Privatbahnen (bei zusammen 15 643 km Betriebslänge, 21342 km Geleislänge und 349 938 436 geförderten Achskilo- metern) 73 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Oberschle: ¡ische Eisenbahn (12), die Ostbahn (12) und die Bergisch-Mär- kishe Eisenbahn (10); verhältnißmäßig, d. h. unter Be- rüdcsichtigung der geförderten Achskilometer und der im Be- triebe gewesenen Geleislängen sind die meisten Verun- glückungen auf der Westfälischen, der Oberschlesischen und der Main-Neckar-Eisenbahn vorgekommen.

B. Größere Privatbahnen mit je über 150 km Länge (bei zusammen 10 196 km Betriebslänge, 13 504 km Geleislänge und 217 803 722 geförderten Achskilometern) 61 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Berlin- Stettiner (12), die Rheinische (12) und die Magdeburg- Halber- städter Eisenbahn (9); verhältnißmäßig fanden jedoch die meisten Verunglückungen auf der Dels - Gnesener, der Berlin-Stettiner und der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisen- bahn statt. :

C. Kleinece Privatbahnen mit je unter 150 km Länge (bei zusammen 1063 km Betriebslänge, 1136 km Geleislänge und 6 720 237 geförderten Achskilometern} 1 Fall und zwar fand diese Verunglückung auf der Dortmund- Gronau-Enscheder Eisenbahn statt.

Von den im Ganzen beförderten 12 078 613 Personen wurden 4 verleßt, und zwar auf der Magdeburg-Halberstädter 1 Person und auf der Oels-Gnesener Cisenbahn 3 Personen.

Von den im Vetriebsdienste thätig gewesenen Beamten wurde von je 9156 Einer getödtet und von je 2374 Einer verleßt.

Ein Vergleich mit demselben Monate des Borjahres er- giebt, unter Berücksichtigung der in beiden Zeitabschnitten ge- förderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Ge- leislängen, daß im Durchschnitt im Monat März d. Js. bei 16 Verwaltungen mehr und bei 17 Verwaltungen

weniger und in Summa ca. 13,6 Proz. mehr Verunglückungen vorgekommen sind, als in demselben Monate des Vorjahres.

Nach einer Entscheidung des Ober-Tribu nals (Erkenntniß vom 9. April d. J.) ist die gewohnheitsmäßige Auf- nahme von unter sittenpolizeilicher Kontrole stehenden Frauens- personen in Wohnung und Kost, wenn die Frauenspersonen in der Wohnung ihr unsittlihes, aber polizeilich geduldetes Gewerbe betreibzn, als Kuppelei zu bestrafen, selbst wenn die Polizei zu der Aufnahme der Frauenspersonen ausdrücklich die Genehmigung ertheilt hat und der bezahlte Mieths- und Beköstigungspreis den normalen Preisverhältnissen entspricht.

Der Kaiserlich chinesische Geschäftsträger Li-Fong-pao ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der cinesi- hen Gesandtschaft wieder übernommen.

Ler General-Lieutenant von Conrady, Comman- deur der 2. Division, hat sich nah Abstattung persönlicher Meldungen nach Danzig zurückbegeben.

S. M S. Arviaodne“ way ven leßten Nachrichten zufolge, am 13. März in Nukualofx (Tonga-Jnseln).

S. M. Glattdecks-Korvette „Nymphe“, 9 Geschüße, Kommandant Korv.-Kapt. Sattig, ist am 25, v. Mts. von Havanna nah Norfolk in See gegangen.

Am 13. d Ms (S M. Aviso Habt! von der Werft des Kommerzien-Naths F. Schichau zu Elbing glücklich vom Stapel gelaufen.

Vayern, Augsburg, 14. Mai. (W. T. B.) Der „Allgem. Zeitung“ zufolge hat Se. Majestät der König die Geseß- gebungsaus]chüsse beider Kammern auf den 4, Juni c.

einberufen.

Wesen. Darmstadt, 14 Mai (Œ. T. D) Die „Darmstädter Zeitung“ er\ährt von unterrichteter Seite, daß die Mittheilung, Graf Audrassy habe zuerst in mehr als offiziöser Weise mit dem Prinzen von Battenberg über dessen Kandidatur für den bulgarischen Thron gesprochen, der Berichtigung bedürfe. Der Prinz habe nicht die Ehre, den Grafen Andrassy zu kennen und sei niemals in offizióse Be- ziehung zu demselben getreten.

Meckenburg - Shwerin. Schwerin, e g (Leipz. Ztg.) Heute Nachmittag um 5 Uhr sind die Eltern der Erbgroßherzogin Anastasia, Jhre Kaiserlihen Hoheiten der Großfürst Michael und die Großfürstin Olga Feodorowna von Nußland, sowie der älteste Bruder der Erbgroßherzogin, Großfürst Nikolaus Michaelowitsch, nebst Gefolge von St. Petersburg zum Besuche hier einge- troffen. stdieselben wurden auf dem Bahnhofe von der Großherzoglichen Familie empfangen und nach dem Schlosse geleitet. Morgen finden militärische Vorstellungen, über- morgen ein Feldmanöver statt. Der kommandirende General des IX, Armee-Corps, General der Jnfanterie von Tresclow, ist gestern Abend von Altona hier angekommen. Eine bedeutende An- zahl von Bürgermeistern wird durch die J ustizreorga- nisation dem Administrativdienste entzogen. Man zählt gegen zwanzig Bürgermeisterstellen, die mit dem 1. Oktober vakant werden, und erst für fünf von diesen Vakanzen wer- den Amtsnachfolger genannt. Die neuen Bürgermeisterstellen unterscheiden sih von den alien, sowohl was die Amtsattribu- tionen als was das Einkommen betrifft. Bisher hatte cin Bürgermeister außer der städtishen Verwaltung (mit wenigen Ausnahmen) auch das Amt des Stadtrichters, als welcher er ein Gehalt vom Landesherrn bezog, und in den meisten Fällen auch das Amt des Patrimonialrihters für die umliegenden ritterschaftlihen Güter. Diese beiden rihterlihen Funktionen kommen dur die neue Gerichtsverfassung in Wegfall.

Sachsen -Leimar- Eisena, Weimar, 12. Mai. (Thür. Corr.) Auch in Weimarischen Gemwerbekreisen be- schäftigt man sich lebhaft mit der Frage der Neubildung von Fnnungenr. Seitens des VDber-Bürgermeisters hiesiger Stadt ist ein Fnnungsstatut ausgearbeitet und dem Gewerbe- verein zur Berathung übergeben worden, mit dem Hinweis darauf, daß es jedenfalls zweckmäßig sei, wenn die etwa schon bestehenden und diz noch zu bildenden Fnnungen einen Gesamut- aus\{chuß zur Verhandlung und Berathung der allen Geroerb-

Meisterprüfungen, Unterstüzungskafsen 2c. bildeten, um auf diese Weise eine größere Gemeinschaft aller Gewerbtreibenden zu erzielen.

Sachsen : Coburg - Gotha. Coburg, 13. M Dey hiesige landwirthschaftlihe Verein hat, wie i Ztg.” mittheilt, bezüglich der Zoll- und Steuerfrage fol: gende Resolution gefaßt: _—

1) Eine Vermehrung der Einnahmen des Reichs ist in H-.nblick auf die mißliche Lage der Landwirthschaft nöthig, um die für den Grundbesiß so drückenden Matrikularbeiträge zu beseitigen; jedoch erscheint eine Erhöhung der Einnahmen nur statthaft aus erhöhten Erträgen der indirekten Steuern und der Eingangszölle; . : A

2) zu vlesem Zwecke empfiehlt sih a. eine wesentlihe Erhöhung der Tabakbesteuerung, b. eine Besteuerung des Biers bis auf Höhe der in Bayern gültigen Säße, c. eine Einführung eines Zolles auf Petroleum, sowie die Erhöhung der auf Genußmittel, als Wein, Kaffee, Thee, Gewürze, Süd- früchte u. dergl. gelegtèn Zölle ; :

3) die von der Reichsregierung vorgeschlagenen Zölle auf Getreide und andere landwirhschaftlihe Produkte sind in Hinblick auf die in Aussicht genommenen Jndustriezölle viel zu niedrig gegriffen. Eine Verdoppelung der proponirten Zölle auf landwirthschastlihe Produkte wird durchaus keine Preissteigerung derselben zur Folge haben, da die Zölle nicht von deutschen Konsumenten getragen werden, sondern auf den außerdeutshen Produzenten zurüfallen ; i

4) mit Besremden vermißt man im Zollprogramm der Regierung einen Eingangszoll auf Nohwolle und Flachs. Di: deutshe Schafzucht und der Flahsbau, welche frühec so sehr in Blüthe standen, sind durch freie Einfuhr von Wolle und Flachs ungemein geschädigt ; :

5) die die Landwirthschaft so sehr \chädigenden Dif- ferentialfrachtsäße, sowie jede Bevorzugung _des ausländischen Frachtgutes gegen das gleichartige inländische sind geseßlich zu verbieten.

treibenden gemein chaftlihen Fragen, wie Lehrlingswesen, |

gesprochenen Nechte nihts vergeben habe. Betrachte man die Konvention als Ganzes, so zeige sie, daß die österreichische Regierung keineswegs die Annexion Bosniens und der Herzegowina, sondern blos die Herstellung einer guten Berwaltung, geordneter Zustände und jener Verhältnisse da- selbst anstrebt, welhe Oesterreih:Ungarn eine Gewähr dafür bieten, daß sein Besiß von dorther in keiner Weise beunruhigt, bedroht oder geschädigt werde.

Großbritannien und Jrland. London, 13. Mai. (Allg. Corr.) Jn der gestrigen Unterha ussißzung machte der Marine-Minister Mr. Smith die Mittheilung, daß die Panzerfregatte „Fron Duke“, die bei Shanghai auf den Strand gelaufen, wieder flott gemacht worden sei, ohne irgend welchen Schaden erlitien zu haben. / :

Der britische Gesandte am persischen Hofe, Mr. W. Taylour Thomson, hat seinen Posten niedergelegt. Sir Garnet Wolsel ey, der Gouverneur von Cypern, verließ am 12. d. M. in Begleitung seiner Gemahlin Larnaca, um sih an Bord des britischen Avisoboots „Salamis“ nach England zu begeben, wohin er berufen worden ist, um einer militärischen Komniission zu präsidiren.

Der Spezialkorrespondent der „Daily News“ (Mr. Arch. Forbes) meldet unter dem 17. April aus Durban: :

Der Zuluk rieg wird erft jeßt unsererseits ernstlich in Angriff genommen. Das Invasionsspiel hat ein Ende. Man hat sich übec einen neuen Invasionsplan verständizt, indem zwei Hauptkolonnen von zwei vielleicht nicht allzu weit von einander abgelegenen Basen aus auf Ulundvi, das Hauptquartier Cetewayo’s, marschiren werden. Die ersie Kolonne best-ht aus General Crealocks Division z; dieselbe zählt: Erste Brigade (Pears on) Buffe, sechs Compagnien vom 88, und 99, Regiment, mit Artillerie (zwei 7-Pfünder), je einer Compagnie Genie und Pioniere. Zweite Brizade: 57. íInfanterie- Regiment, 60, Schützen - Regiment, 91. Infanterie - Regiment, 400 Mann der Marinebrizade, zwei 9-Pfünder, vier 24-Pfünder, Raketen, zwei Gatlingges{üße, Kavallerie, 120 Mann baittene Jn- fanterie, 50 Freiwillige, 200 berittene Œingeborene, eine Compagnie Kr1nkenträgec und 259 Freiwillige vom Kay. Diese ziemlich starke Division ütt sih auf das Fort Pearson an der Mündung des Tugela und konzentrirt sich in dec Nähe Ginghilovos, etwa 18 Meilen nördlich vou Tugela. Die zwangsweise erfolgte Aufgabe von Gfowe war verhängnißvoll. Diese Stellung würde eine Konze:tra- tion weiter im Innern des Zululandes möglih gemacht haben. General Crealock wird sih nah dem Norden wenden, ic in den Jtiederungen an der Küste halten, vorsichtig vorgehen und jede Posi- tion auf seinem Vormarsche befestigen. Er hat ziemlich freie Hand, allein es steht kaum zu erwarten, daß er über den ÜÚmlatoosifluß hinausgehen wird, d. h. ha!twezs zwisden der Grenze und Ulundi. Wahrscheinlich wird er si an den Ufern jenes Flusses vershanzen und die Berichte über den Lormarsch der anderen Divifion abwarten. Die zweite etwas \{chwächere Vivision unter General Newdigate wird si bei Doornberg am Vlutflusse, im Südwinkel des Utrecht- diftrifts, «twa 20 Meilen von Ulundi entferat, konzentriren. Me Sltale vom Ble nav Und (L fee oor gerade; die Division wird dieselbe benupen. Hierzu kommt noch die fliegende Kolonne des Generals Wood, welche in der Nâbe von Kambula, 30 Meilen nörtlich von der Linie Newdigate's liegt. Wood wird, dem augenklicktlihen Plane zufolge, den weißen Umvolosifluß entlang marscbiren, um \sich mit New- digate zu vereinigen, worauf die beiden Truppenkörver gcmeinsam auf Ulundi vorgehen werden. Es wird eine beträchtliche Zeit ver- gehen, che Newdigate von Doornberg abmarschiren kann. Mar- [h alls Kavallerie wird erst hzute Durban verlassen und nur 10 Meilen tägli zurücklegen, Die Entfernung ist nahezu 229 Meilen. Ich wunde.e mich nit, daß viele militärische Stimmen gegen dies sen Operationsplau sich erheben. Glücklicher Weise ist der Geueral- Lieutenant nit genöthigt, auf temfelben zu beharren, und noch im- mer in der Lage, den Verhältnissen und Umständen Rechnung zu iragen. : :

Dem „Standard“ gehen vom Kap via St. Vincent. folgende bis zum 28. April reichende Meldungen zu ¡Es haben keine neuen Kämpfe stattgefunden. Lord Chelms- ford und Prinz Louis Napoleon haben sich nach Kamb ula (Hauptquartier des Obersten Wood) begeven. Nugumande, der jüngste Bruder des Königs Cetewayo, hat sich mit seinen Weibern und 30 Anhängern den Engländern unterworfen. Der Tod Umbelini's bestätigt sich; derselbe wurde im Ge- feht von dem Kapitän Prior erschossen. Die Berichte aus Transvaal sind fortdauernd günstig. Die Boers haben ihr Lager abgebrochen und sind nah ihren Heimstätten zurück- gekehrt.“

Aus Simla meldet man dem „Reutersche1: Bureau“ unterm 12. d. M. : „Es haben mehrere Z ufammenkünfte zwischen dem Major Cavagnari und dem Emir Fakub Khan zur Erörterung der Friedensbedin gungen statt: gefunden ; über das Ergebniß dieser Eröffnungen aber ist noch

' nihts in die Deffentlichkeit gedrungen.“ )

Frankreich. Paris, 13. Mai. (Fr. Korr.) Jn dem heutigen Ministerathe ist in der That, wie man hoffen durste, eine Verständigung über die Differenzpunkte, betreffend die Polizeipräfektur und die Nückkehr nah Paris, erzielt worden. Das Kahinet wird, wie der „Temps“ erfährt, in seiner gegen- wärtigen Zusammenseßung vor den Kammern erscheinen und auf Befragen er!lären, daß die Angelegenheit der Polizei- präfettur von der Frage der Rückkehr nah Paris durchaus unabhängig ist. Sollte eine Fraktion des linken Centrums des Senats Bürgschaften fordern, so wird die Regierung er- widern, daß die persönlihe Vergangenheit ihrer Mit- glieder, ihr bisheriges Verhalten und ihr Programm ge- nügende Sicherheit bieten müsse, und daß sie daher aus diesem Anlasse ein Vertrauensvotum fordere. Was die Polizei- Präfektur betrifft, so hat das Ministerium nach wie ver die Absicht, dieselbe neu zu organisiren; doh is dies eine sehr weitsichtige geseßgeberische Arbeit, für welche es niht umhin können wird, die Mitwirkung der Majorität in den beiden Kammern in Anspruh zu nehmen. Demgemäß bleibt alles beim Alten, und das Conseil wird sogar wahrscheinlih bis Sonnabend keine Sigung halten, sondern das Ministerium nur am Donnerstag vor der Wiederaufnahme der Session zu einer Besprehung bei Hrn. Waddington zusa mmentreten.

Der Senat wählte in seiner gestrigen Sigung zu Sekretären die Herren Lafond de St. Mür und Béraldi. Da der leßtere ablehnte, wird man am Donne: stag zu einer neuen Wahl schreiten müssen. Sonst wurde noh ein Beseßesvor- chlag des Hrn. Bérenger, nach welchem bas Recht der Ver- folgung der Vaterschaft wieder hergestellt werden soll, nachdem der Justiz-Minister Leroyer für die einzelnen Bestimmungen der Vorlage seine Vorbehalte gemacht, in Betracht gezogen.

Die Abtheilungen des Senats ernannten gestern unter

Oesterreich-Ungarn. Wien, 14. Mai. (W. T. B.) Ein hiesiger Korrespondent des „Dresdner Journals“ kom- mentirt die jeßt ihrem Wortlaute nach vorliegende öster- reihisch-türkische Konvention dahin, daß Oesterreich

durch dieselbe seinem in dem Berliner Vertrage ihm zu-

| anderen Ausschüssen au denjenigen für die Petitionen,

welche gegen die Ferry'shen Vorlagen eingelaufen sind oder noch einlaufen werden.

Italien. Nom, 13, Mai. (JZtalie.) Man behauptet, der General Garibaldi habe auf das Telegramm Türrs

geantwortet. die italicuishen Republikaner würden niemals