1879 / 149 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Jun 1879 18:00:01 GMT) scan diff

dem Entwurf eines Gesetzes über die Verfassung und die Ver- waltung Elsaß-Lothringens; d. zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichs-

haushalts-Etat für 1879/80.

Eine Vorlage, betreffend Abweihungen vom Normalprofil

des lihten Raumes auf der Eisenbahnstrecke Zabern-Avricourt, wurde den bezüglichen Ausschüssen überwiesen.

Hierauf wurde Beschluß gefaßt über den Antrag, be- treffend das Pensionsverhältniß mehrerer Beamten der Lan- desverwaltung von engen und über die Beseßung einer erledigten Rathsstelle beim Reichsgericht.

Ein Antrag vom Königreih Sachsen, Württemberg und Baden, betreffend die weitere Berathung des Entwurfs eines Geseßes über das Eisenbahn-Gütertarifwesen in dem bezüg- lichen Ausschuß, wurde angenommen.

Ausschußberihte wurden erstattet über: a. die Verzollung von Lacets und von unbedruckten Tuchen und Zeugwaaren; b. den Entwurf eines Gesetzes über die Statistik des auswär- tigen Waarenverkehrs ; c. die Beschlüsse der Reichstagskom- mission zu den Geseßzentwürfen über den Wucher 20 d. die Beschlüsse der Reichstagskommission zu dem Entwurf eines Geseßzes über die Konsulargerichtsbarkeit ; e. den Zwang zur Gestattung der Abimpfung, f. die Be- stimmungen über die Gebührnisse der Militär-Kommandos bei der Durhführung von Absperrungsmaßregeln gegen die Rinderpest; g. die Beförderung von Hefe, von Phosphor, von Schweselnatrium und von Pasta auf den Eisenbahnen; h. den Erlaß von Bestimmungen über Verladung und Beförderung von lebenden Thieren auf Eisenbahnen; i. die Ab- änderung der Bestimmungen über den Ersaß für den Verlust von Thieren bei dem Transport auf Eisenbahnen; k. die Eisenbahn-Frachtbrief-Formulare; 1. eine Petition wegen Einführung frischen Fleisches statt des lebenden Viehs, als Ab- wehr gegen Einschleppung der Rinderpest; m. Maßregeln gegen die Rinderpest. Die Gegenstände zu a. bis m. wurden nach den Ausschußanträgen erledigt; n. den Entwurf eines Geseßes für Elsaß-Lothringen wegen Ausführung der Civilprozeß-, Konkurs- und Strafprozeßordnung. Der Gesetzentwurf wurde in der vom Landesaus\huß von Elsaß-Lothringen angenommenen Fassung genehmigt; o. den Abschluß eines Vertrages mit der Schweiz wegen gegenseitiger Anerkennung der Urtheile in Chestreitsachen. wurde genehmigt.

Zwei an den Bundesrath gerichtete Eingaben, nämlich: a. die Eingabe eines Postdirektors, betreffend seine Pen- sionirung, b. eine Eingabe des geschäftsführenden Aus\{husses zur Errichtung eines Nationaldenkmals auf dem Nieder- wald, betreffend die Aufbringung der Mittel zur Vollendung des Denkmals, : wurden den bezüglihen Ausschüssen überwiesen. Eine dem Bundesrath übersandte Drucfschrift : „Elsaß- Lothringisches Baureht“ wurde zur Bibliothek genommen.

Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (67.) Sizung seßte der Reichstag die zweite Berathung des Zolltarifs zunächst mit der Diskussion über Pos. 5 (Droguerie, Apotheker- und Farbewaaren) fort. Die Diskussion über Titel e., f, und g. wurde verbunden. Nachdem der Bundeskommissar Geheime Regierungs-Nath Aua, die Zustimmung der verbündeten Regierutntgen zu den Ko1 imissions- vorschlägen erklärt hatte, nahm das Haus Titel e. nah dem Kommissionsantrage an, und stimmte folgender Resolution zu:

„den Herrn Reichskanzler zu ersucben, die einleitenden Schritte zum Verbote der Anfertigung von Streihhölzern aus weißem Phosphor anzuordnen und die gleiczeitige Einführung eines er- E Zolles im Zusammenhange mit dem Verbote in Erwägung zu ztehen.“

Eine größere Zahl von Petitionen, die sich im Sinne der vorstehenden Resolution aussprachen, wurden auf den Antrag des Referenten der Petitionskommission, Abg. von der Osten, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen.

ZU Pos. 5f. beantragte Abg. Kopfer, den Zollsaß von Soda, kalzinirte, doppelkohlensaures Natron von 2,50 6 auf 3 M zu erhöhen.

Der Referent Abg. Dr. Hammacher empfahl die unver- änderte Annahme der Kommissionsvorschläge; der Zoll für kaustishe Soda dürfte deshalb niht zu erhöhen sein, weil diese Sorte Soda hauptsächlih als Kochstoff für weitere Fa- brifationen, namentlih für die Theerfarbenfabrikation diene. Außerdem sei niht als siher anzunehmen, daß bei einem höheren Zoll die Sodafabrikation im Stande wäre, den ganzen Bedarf an kaustisher Soda zu decken.

Der Abg. Kopfer empfahl die von ihm vorgeschlagene Erhöhung im Interesse der Sodafabrikation, die ohne ge- nügenden Schuß nicht bestehen könne; wie \chlecht die Lage der Soda-ZJndustrie sei, gehe daraus hervor, daß mehrere Fabriken ganz eingegangen seien, mehrere ihre Arbeit be- deutend eingeschränkt hätten. Was man den Sodafabrikanten sonst vorwerfe, daß sie mit ihren Maschinen 2. nicht allen Fortschritten der Technik gefolgt seien, so bestreite er dies ganz entschieden. Die Vertheuerung der Soda durch den Zoll jei nur eine minimale von 1/,—?/, Prozent.

Der Abg. Dr Brüning entgegnete, daß die vom Abg. Kopfer vorgeschlagene Erhöhung eine Vertheuerung des Aeß- natrons von 14 Proz. oder des Alizarins um 2 Proz. des Werthes bedeute. Wenn aber auch die Vertheuerung nur 1/2 Proz. betragen solle, so müsse man do bedenken, daß in den chemischen Fabriken der Materialverbrauh ein enormer jei. Wenn Alles dur Zölle vertheuert werde, so komme es auf die Summe aller Zölle, niht auf einen einzelnen an. Wenn man einer Exportindustrie die Fabrikation vertheuere, so zwinge man sie, auf den internatio- nalen Markt zu verzihten, und eine Schädigung der expor- tirenden Jndustrien sei gleihbedeutend mit einer Schädigung der einheimishen Jndustrie. Die Sodaproduktion Deutsch- lands habe ungefähr einen Werth von 10 000 000 M, der Werth der Theerfarbenproduktion betrage dagegen 40 bis 50 000 000 M, wovon 8—10 000 000 exportirt würden ; der gesammte Export der deutshen chemischen Jndustrie be- laufe sich vielleiht auf 100 000 000 / Wenn man die Ex- portindustrien zum Ersaß für den Verlust des auswärtigen Marktes auf den gesicherten einheimishen Markt Ie so sei das ein sledter Trost. ine auf dem Weltmarkte konkurrirende Jndustrie beherrshe selbstverständlih den innern Markt. Er bedauere das Aufgeben der alten Zollpolitik. Wenn man sage, man habe es mit dem Freihandel versucht und wolle es nun einmal mit dem Schutßzoll versuchen, fo müsse er entgegnen: Wenn man im Freihandel etwas zu weit gegangen sei, b könne man leiht neue oder *höhere Zölle ein-

Die Einleitung bezügliher Verhandlungen

nommen.

zugleich eröffnet. Kommission :

man nicht zurück, denn man könne nicht nach Belieben die einmal verlorenen Absaßgebiete wieder erobern. Was die chemische Jndustrie angehe, so habe sie sich in Deutschland infolge der besseren wissenschaftlichen Bildung zu ihrer gegen- wärtigen Höhe entwickelt. Jhre Erfindungen würden in an- deren Ländern bald nahgeahmt werden, und wenn man der deutshen Jndustrie die Fabrikation vertheuere, so werde ihr die Konkurrenz ers{wert. Er wolle einen Antrag auf Ver- minderung des Zolles nicht stellen, bitte aber auch, jede Er- höhung über die Tarifsäße hinaus abzulehnen. / _ Hierauf trat das Haus den Anträgen der Kommission zu Titel e., f. und g. unter Verwerfung des Antrages Kopfer bei. Die jeßt folgende Pos. 10: Glas und Glaswaaren wurde nach kurzer Debatte, an der sih die Abgg. von Knapp und von Vötticher und der Referent Dr. Hammacher betheiligten, in folgender von der Kommission beschlossenen Fassung an- genommen : a. Grünes und anderes naturfarbiges, gemeines Hohlglas (Glasgeschirr) weder gepreßt, noch gesch{lifen, noch abgerieben, au mit ordinärer Beflechtung von Weiden, Binjen, Stroh oder Rohr; Glasmasse; rohes optishes Glas (Flint-, Kronglas); rohe gerippte Gußplatten (Dachglas); Email- und Glasurmassez Glasröhren und Glasstängelhen, ohne Unterschied der Farbe, * wie sie zur Perlenbereitung und Kunstglasbläserei gebraußt twerden 3 M b, weiß Hohlglas, ungemustertes, unges{lifenes, unabgeriebenes, ungepreßtes, oder nur mit abgeschliffenen oder ein- geriebenen S1öpseln, Böden oder Rändern 8 Æ c. Fenster- und Tafelglas in seiner natürlichen Farbe (grün, halb- und ganz weiß) ungeschliffen, ungemustert; wenn die einfache Höhe und die einfache Breite zusammen betragen : 1) bis 120 em 6 M, 2) über 120 bis 200 ecm 8 Æ, 3) über 200 cm 10 A d. 1) Spiegelglas, rohes, un- geshliffenes 10 A 2) Tafel- (Fenster-, und Spiegelglas, geshliffenes, polirtes, gemustertes, mattes, au farbiges ; belegtes aller Art 20 4. e) Behänge zu Kronleuchtern von Glas. Glas- Tnôpfe auch gefärbte, massives weißes Glas, nicht besonders benanntes, gepreßtes, ge!chliffenes, polirte . abgeriebenes, geschnittenes, ge- aßtes, gemustertes Glas, insoweit es nicht unter d. oder f. fällt 24 (6 Anmerkung zu e.: Glasyrlättchen, Glaëperlen, Glas\chmelz, Glastropfen, auch gefärbt 4 M, f.“ farbiges, mit Ausnahme des unter a, d. und e. begriffenen, bemaltes oder vergoldetes (ver- filbertes) Glas; Glasflüsse (unechte rohe Steine) ohne Faffung ; Glaswaaren und Emailwaaren in Verbindung mit anderen Mate- rialien, soweit sie dadurch nicht unter Nr. 20 fallen . .. 30 M Anmerkung zu f. Milchglas und Alabasterglas, ungemustertes, unges{liffenes, unabgeriebenes, unbemaltes, ungevreßtes oder nur mit abgescliffenen oder eingeriebenen Stöpseln, Böden oder Rän- dern 10 M. j ; __ Es folgte Position 27: Papier und Pappwaaren dieselbe lautet nah dem Kommissionsbeschluß: a, ungebleihtes oder gebleiwtcs Halbzeug aus Lumpen frei; b, ungebleihter oder gebleihter Halbstoff zur Papierfabrikation aus Holz, Stroh, Esparto oder anderen Fasern; graues Lösch- und gelbes, rauhes Strohpapier ; Pappe, mit Ausnahme der Glanz- und Leder- pappe; Schieferpapier und Tafeln daraus, ohne Verbindung mit anderen Materialien ; Schleif- und Polirpapier; Fliegen und Giht- papier 1 M; ec. Packpapier, nicht unter þ. oder d. begriffen, un- geglättet 3 (; d. Packpapier, geglättetes; Glanz- und Lederpappe ; Preßspäne 6 4; «. Druck-, Schreib-, Lösch- und Seidenpapier aller Art, auch litbographirtes, bedrucktes liniirtes, zu Rech- nungen, Etiketten, Frachtbriefen, Devisen u. \#. w. vorgerichtetes Papier; Gold- und Silberpapier; Papier mit Gold- oder Silber- muster; durchs{chlagenes Papier ; ingleichen Streifen von diesen Papiergattungen ; Malerpagppe 10 A f. 1) Formerarbeit aus Steèinpappe, Asphalt oder- älnlihen Stoffen, au in Verbindung mit Holz oder Eisen, jedo weder angeftrichen noch ladckirt 4 M 2) Waaren aus Papier, Pappe oder Pappmassez Formerarbeit aus Steinpappe, Asphalt oder ähnlichen Stoffen, nicht unter f. 1 oder unter f. 3 begriffen #2 4 3) Waaren aus den vorgenannten Stoffen in Verbindung mit anderen Materialien, soweit ste da- durch nit unter. Nr. 20 fallen ; Papiertapeten 20 M Der Abg. von Knapp beantragte, in Pos. 27c. 4 46 an- zuseßen, die Abgg. von Geß und Freiherr von Heereman beantragten einen Ausfuhrzoll für Lumpen (Hadern) und an- dere Abfälle zur Papierfabrikation für 100 kg 8 M, alte Taue, alte Strie, alte Neße für 100 kg 2 M Der Abg. von Geß motivirte diesen Antrag mit der Nothwendigkeit, der zurückgegangenen Papierfabrikation Deutschlanos, namentlich in den feineren Qualitäten, zu Hülfe zu kommen, indem man ihr nah Analogie der meisten euro- päischen Staaten den nöthigen Rohstoff erhalte, während der- jelbe jeßt der ausländischen Fabrikation zuströme. Der Abg. Dr. Delbrück bekämpfte diesen Antrag, da der entstehende Vortheil niht die dadurh verursachten Belästi- gungen des gesammten Ausfuhrverkehrs aufwiege; denn mit der Einrichtung irgend eines Ausfuhrzolls werde eine Kon- trole aller ausgehenden Eisenbahn- und Seetransporte nöthig. Durch den Zoll würde der Transithandel in Lumpen und damit der freie Verkehr derselben im Jnland Deutschland ent- zogen. Die Ausfuhr feiner Lumpen würde dadurch nicht ver- hindert, vielmehr die Qualität der ausgeführten Lumpen ver- bessert werden. Der Bevollmächtigte zum Bundesrath Ober-Steuer-Rath von Moser sprach sih ebenfalls gegen den Antrag von Ge und Frhr. von Heeremann aus, welcher dana mit 116 gegen 114 Stimmen abgelehnt wurde. Nachdem Abg. von Knapp seinen Antrag, den Zoll für Packpapier wieder auf 4 4 anzuseten, vertreten hatte, sprach sich auch der Bevollmächtigte zum Bundesrath in zustimmen- dem Sinne aus, und ebenso trat der Abg. von Bötticher für denselben ein. Das Haus entschied sich darauf für den An- trag. Der Rest von Pos. 27 wurde gleichfalls ange-

Hierauf wurde die Diskussion über Pos. 3, 42 und 43 Dieselben lauten nah dem Antrage der

Po 3. Blei, auch mit. Spießgalanz, Zink oder Zinn legirt, und Waaren daraus: a. rohes Blei, Bruch- blei; Llei-, Silbec- und Goldglätte frei; b. gewalztes Blei, Buch- druckerschriften frei (Regierungsvorlage 3 M4); c. grobe Bleiwaaren, auch in Verbindung mit Holz, Eisen, Zink oder Zinn ohne Polituvr und Lack; Draht 6 ; àâ. feine Bleiwaaren, auch ladirte; ingleichen Bleiwaaren in Verbindung mit anderen Materialien , soweit sie dadur nicht unter Nr. 20 fallen, 24 M Pos. 42: Zink, auch mit Blei oder Zinn legirt, und Waaren daraus: a, rohes Zink; Bruchzink frei; þ. gewalztes Zink frei; ec, grobe Zinkwaaren, auch in Verbindung mit Holz, Eisen, Blei oder Zinn ohne Politur und La; Draht 6 M; d. feine Zi: kwaaren; auch lackirte; ingleichen Zinkwaaren in WVer- bindung mit anderen Materialien, soweit sie dadur nicht unter Nr. 20 fallen, 24 M , Pos. 43: Zinn, auch mit Blei, Spießglanz oder Zink legirt, und Waaren daraus: a, rohes Zinn, Bruch- zinn frei; Þ. gewalztes Zinn frei; c. grobe Paaren, auch in Verbindung mit Holz, Eisen, Blei oder Zink ohne Politur und Lack; Draht 6 4; d. feine Zinnwaaren, au latirte, ingleichen Zinnwaaren in Verbindung mit anderen Materialien, soweit sie dadur nicht unter Nr. 20 fallen, 24 M

führen ; gehe man aber im Schußzoll zu weit und zwinge die

Exportindustrie altgewohnte Absatgebiete aufzugeben, so könne

die Regierungsvorlage wiederherzustellen, und auch zu Pos. 42 und Pos. 43 Ss Zinn und Zink, 3 A Zoll nach der Regierungsvorlage zu bewilligen.

Der Abg. Graf von Frankenberg besürwortete als Referent

den Vorschlag der Kommission. Jn der Tarifkommission sei man bei der Berathung dieser drei Positionen dahin gekom- men, die Zölle bei ihnen ganz glcichartig zu gestalten; wenn man die einzelnen Positionen ansehe, werde man finden, daß die Unterabtheilungen ganz dieselben seien, und daß für sie auch dieselben Säße festgehalten seien. Die Kommission habe Zollbefreiung ausgesprochen für gewalztes Blei und Buch- druderschriften, ebenso für gewalztes Zinn und Zink. Bei Blei und Zink sei das auss{laggebende Mos- tiv, daß diese Metalle im Julande überwiegend produzirt werden, daß die Einfuhr eine geringe sei und daß man, wenn man die roh vorgearbeiteten Metalle mit einem Zoll belege, Retorsionen des Auslandes zu fürchten haben würde, das gelte namentlich für das österreihishe Zink. Bei Zinn läge die Sache anders, dies werde im Jnlande in äußerst geringer Menge produzirt, und es bedürfe also die Industrie eines Eingangszolles niht. Demnach sei beschlossen, auch hier den Zoll fallen zu lassen. Petitionen in Bezug auf Blei und Zinn lägen gar nicht vor; beim Zink hätten einzelne Jnter- essentcn allerdings gebeten, d:n Eingangszoll nit fallen zu lassen, andere hätten sih aber dagegen aufgelehnt; die Kom- mission habe sih in lezterem Sinne entschieden. __ Der Abg. Schröder (Lippstadt) führte zu Gunsten seines Antrages aus, daß in Polen Walzwerke hart an der deutschen Grenze lägen, die mit ihren Produkten den deutschen Markt übershwemmten und geradezu sih zu Schmaroßer- insekten der deutschen Jndustrie entwickelt hätten. Wenn irgendwo, \o bedürfe leßtere hier des Schußes, damit nicht nach der bekannten Kraft des Beharrungsvermögens der alte unleidlihe Zustand in Permanenz erklärt werde.

Der Abg. Dr. Bamberger erklärte sich gegen den An- trag Schröder. Die Tarifkommission habe die Streichung der 3 e zweimal genehmigt, weil ein Bedürfniß für diesen Zoll absolut nicht bestehe und weil die Jnteressenten für diesen Zoll gar keine Anstrengungen gemacht hätten. Für die Ar- tikel Blei und Zink sei Deutschland eine weltbeherrshende Produktionsmacht mit bedeutendem Export. Im Jahre 1864 habe Deutschland 1 184 000 Ctr., 1865 1 529 000 Ctr., 1876 1 664 000 Ctr., 1877 1899 900 Ctr. Zink produzirt. Von einem Rückgang sei also tue niht die Rede. Aehnlich ver- haite es sich mit der Ausfuhr: 1866 seien 1000 Ctr. gewalztes Zink ein-, aber 114 000 Ctr. ausgeführt; die Ausfuhr sei 1874 auf 189000 Ctr., 1877 auf 198 000 Ctr. gestiegen. Der Unterschied zwishen rohem und gewalztem Zink sei nit

so bedeutend wie zwischen Rohstoff und Fabrikat ; gewalztes Zink sei nur eine Präparirung des RNohstofses, um demselben eine für den Verkehr praktischere Form zu geben. Die Jnteressenten fürchteten, daß die Einführung des Zolles ihnen im Auslande schaden könne; wenn man troßdem sih für den Zoll entscheide, so liege das nur daran, daß jeßt eben der Vers gelte: „Wo alles liebt, kann Karl allein nit hassen !“

Der Abg. Schröder E entgegnete, die Verarbei- tung des Zinks zu gewalztem Zinkbleh sei keineswegs so ein- fa, wie der Abg. Bamberger annehme. Das Zink müsse zu diesem Zweck umgeshmolzen werden, es werde dann aber nicht in glühendem, sondern in warmem Zustande gewalzt, und gerade das Walzen des Zinks in möglichst kaltem Zustande sei die Stärke der deutshen Fabrikation ; es sei hierzu eine 6fach größere Maschinenkraft erforderlih, als wenn das Zink in heißem Zustande gewalzt würde. Der von ihm befürwortete Zoll sei überdies ein völlig gerechtfertigter Retorsionszoll gegen Oesterreich und Rußland.

Der Bundeskommissar, Geh. Regierungs-Rath Burchard gab anheim, dem Antrage Schröder zuzustimmen, mit der Be- merkung, daß die verbündeten Regierungen allerdings davon Abstand genommen hätten, einen Zoll für das Rohmaterial vorzuschlagen, daß sie aber gegen einen Zoll für das Halb- fabrikat, und das sei doh gewalztes Zinkbleh, nichts einzu- wenden hätten.

Hierauf wurde Pos. 3a. genehmigt, zu 3b. der Antrag Schröder mit 130 gegen 93 Stimmen angenommen. Dex Rest der Pos. 3, sowie die Pos. 42 und 43 wurden ohne Debatte nach dem Kommissionsvorshlage genehmigt, worauf sih das Haus um 41/4 Uhr auf Montag 12 Uhr vertagte.

Heute Vormittag um 11 Uhr fand eine Sißung des Gerichtshofes für Kompetenzkonflikte statt.

Die verschiedenen Einnahmen im Reiche haben für das Etatsjahr 1878/79 (im Vergleih mit dem Etatsjahr 1877/78) betragen: Wedchselstempelsteuer 6125 452 M (— 648 633 M), Post- und Telegraphenverwaltung 126 233 156 44 (+ 2 613 584 6), Reichseisenbahn-Verwaltung 36 504 612 M (+ 1 240 803 M).

Die Einnahmen der Post- und Telegraphen-, sowie der Reichseisenbahn-Verwaltung betrugen für die Zeit vom Beginn des Elatsjahres bis zum Schlusse des Monats Mai 1879: Post- und Telegraphenverwaltung 20 706 177 M (+ 616 776 M), Reihhseisenbahn-Verwaltung 5 989 900 6 (+ 38 662 6).

În den deutschen Münzstätten sind bis zum 21. Juni 1879 geprägt worden, an Goldmünzen: 1 266 884 260 6 Doppelkronen, 405 307 370 6 Kronen, 27 969 925 6 Halbe Kronen , hiervon auf Privatrehnung 380 413150 /6 Vorher waren geprägt: 1265 832 560 M Doppelkronen, 405 307 370 /( Kronen, 27 969 925 4 Halbe Kronen, hiervon auf Privatrehnung 379 361 450 Summa 1 699 865 995 M

Die in der heutigen Börscn - Beilage abg:druckte tabellarishe Uebersiht der Wochenausweise deutscher Zettelbanken vom 23. d. M. {ließt mit fol- ges summarischen Daten ab: Es betrug der gesammte Kassen- estand 715 389000 M oder 7 687 000 /6 mehr, der Wehsel- bestand 573 659 000 M oder 7 053 000 /\ mehr und die Lom- bardforderungen 75 289 000 F oder 1 870000 4 mehr als in der Vorwoche; ebenso zeigte der Notenumlauf mit 867 226 000 e eine Zunahme von 21 599 000 6, während die täglich fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von 226 176 000 6 eine Abnahme von 5 896 000 M gegen die Vorwoche ergaben, und endlich betrugen dic an eine Kün- digungsfrist gebundenen Verbindlichkeiten 41 951 000 44 oder 1 367 000 A weniger als in der Vorwoche.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich sächsishe Geheime Finanz-Rath Dr. Heerwart, ist von hier

Der Abg. Schröder-Lippstadt beantragte zu Pos. 3 ad þ.

wieder abgereist.

F? Der bisherige Spezialkommissarius in Fulda, Re- gierungs-Assessor Reicha u, is in das Kollegium der General- Kommission zu Münster berufen worden.

Baden. Karlsruhe, 27. Juni. Die „Karlsr. Ztg.“ meldet: Wie an andere deutsche Regierungen ist auch an die Vertreter der Großherzoglichen Regierung beim Bundesrath der Antrag der Zolltarif-Kommission des Reichstags über- mittelt worden, der genannten Kommission eine Darstellung der diesseitigen finanziellen Bedürfnisse zugehen zu lassen. Diesem Antrage haben die Großherzoglichen Bun- desrath3-Bevollmächtigten durch eine Darlegung entsprochen, welche wir hier im Wortlaut folgen lassen :

„Das Geseß vom 9, Februar 1878, die Feststellung des Staatshaushalt: für die Jahre 1878 und 1879 betreffend, be- ziffert die Summe der in dieser Periode für den Haushalts- Etat der allgemeinen Staatsverwaltung erforderlichen ordentlichen und außerordentlihen Ausgaben auf 75078 034 Æ, die Summe der ordentlichen und außerordentlichen Einnahmen auf 68 762 491 M, und es ergiebt \sih demnach für die erwähnte Periode eine Unzuläng- lihkeit vo1 6315 543 M, deren Deckung theils durch die aus dem umlaufenden Betriebsfond zu entnehmenden Ueberschüsse früherer Jahre, theils dur einen außerordentlihen Zuschuß aus der Amor- tisationsfasse, also durch Schuldenaufnahme, in Aussicht genommen ist. Der Voranschlag für die Budgetperiode 1880/81 ist noch nit fertig gestellt. Indessen wird bei der Annahme, daß die wirthschaft- lihen Verhältnisse sih nicht noch ungünstiger gestalten, für die kom- mende Periode di: gleihe Unzulänglichkeit, wie solhe für die laufende, d. h. für das Jahr 1880 ein Ausfall von rund 3 200 000 A zu erwarten sein. Zur Deckung dieses Ansfalles stehen aber VUebershüsse aus früheren Jahren niht mehr zur Verfügung, und müßte daher solche entweder dur Schuldenaufnahme oder durch Erhöhung der Steuern bewirkt wer- den. Für den von dem allgemeinen Staatshaushalt ausgeschiedenen Haushalt der Eisenbahnverwaltung berechnet sich die Unzulänglichkeit gegenüber den Betriebsaus8gaben und dem Aufwand für Verwaltung, Passivzinsen und planmäßige Amortisation im Jahre 1878 auf 4 808 189 6 Für das Jahr 1880 wird nach einer vorläufigen Be- rechnung durch das Anwachsen obigen Aufwandes, namentlich au in Lege des Hinzutretens der Verzinsung neuer Anlehen, bei sehr günstiger Veranschlagung der Einnahmen die Unzulänglichkeit sich auf den Betrag von 5 700 000 M erhöhen. Demnach berechnet {ich die Unzulänglichkeit des gesammten Staatshaushalts für das Jahr 1880 auf 8 900 000 M“

Oesterreich-Ungarn. Wien, 26. Juni. Der Kron- prinz Erzherzog Rudolph is gestern Abends in bestem Wohlsein in Zs{chl eingetroffen, wo er, wie dem „Prag. Abendblatt“ von hier gemeldet wird, einige Tage zu verweilen gedenkt, um sich dann wieder nah Böhmen zu- begeben.

27. Juni. Die „Polit. Corresp.“ meldet : Aus Kon- stantinopel: Der Erwirkung des die Absezung des Khedive betreffenden Jrade des Sultans gingen sehr stür- mische Scenen ¡im Ministerrathe voran und der Sturz Khereddin Paschas wurde von vielen Seiten als unver- meidlich angesehen. Die mit dem Abseßungs-Jrade gleich- zeitig dekretirte Aufhebung des Fermans von 1873, welcher dem Khedive gewisse Prärogative, namentlich in Finanz- Angelegenheiten, einräumt, wird allgemein als ein aus der Jnitiative des Sultans hervorgegangener Schritt interpretirt, dessen Tendenz gegen die Politik Englands und Frankreichs gerichtet sei. Aus Belgrad: Der Ministerrath beschloß, u Verhandlungen über eine Eisenbahnkonvention mit S E 5 Delegirte nah Wien zu entsenden.

Schweiz. Bern, 27. Juni. (Bund.) Das neue Zollerhöhungsgeseß ist im „Bundesblatt“ unter dem Datum des 25. Juni veröffentliht worden. Die Frist zur Einreihung von Referendumsbegehren läuft daher mit dem 23. September ab. Das sofortige Jnkrafttreten des erhöhten Tabakzolles trägt seine Früchte. Nach dem „Jura“ hatte das Zollbureau in Pruntrut am leßten Montag eine Ein- nahme von nahezu 50000 Fr. Noch größer wird das Er- gebniß auf dem Zollbureau Basel gewesen sein.

Belgien, Brussel, 27, Jun. (W. T. B) Jn dev heutigen Sißung der Repräsentantenkammer legte der Finanz - Minister mehrere finanzielle Geseßentwürfe vor, welche die Einführung von Steuern auf den Tabaks- bau und die Erhöhung des Tabaks3-Eingangszolls, sowie die Vermehrung der Hypotheken- und Erbschaftssteuern und der Verbrauchssteuern betreffen.

Großbritannien und Jrland. London, 2. Juni. (Allg. Corr.) Der britishe Botschafter am Berliner Hofe, Lord Odo Russell und Gemahlin trafen gestern im Schlosse zu Windsor ein und wurden zur Königlichen Tafel gezogen.

Aus Simla wird dem Reutershen Bureau unt rm 25. d. M. telegraphirt : Eine starke Expedition afghanischer Truppen hat Kabul verlassen, um die Pacifizirung von Badakschan zu bewirken. i i

27. Juni. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung des Oberhauses lenkte Earl Carnarvon die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Zustände in Armenien und bestritt, daß die Pforte ihren Vertragsverpflihtungen daselbst nach- gekommen sei. Der Marquis von Salisbury erklärte er theile das Mitgefühl Earl Carnarvons mit der armenischen: Bevölkerung und gebe zu, daß in Kleinasien eine Mißverwal- tung vorhanden sei. England sei aber niht mehr verant- wortlich, als die übrigen Vertragsmächte für den Fortbestand der Uebelstände, welche die Erbschast von Fahrhunderten seien und nit durch häufigere diplomatische Unterhandlungen be- seitigt werden könnten. Das System des Zehnten sei ein ‘Mißbrauch, der aber nicht durch einen Federstrich abzuschaffen sei, Die Klagen über Bestechlichkeit gehörten mehr der Vergangenheit als der Gegenwart an. Ein großer Uebelstand sei die völlige Des- organisation der Gesellshaft in Kleinasien und die Unfähig- feit, den Gewohnheiten der Gebirgsstämme Einhalt zu thun. Reformen erforderten Geld und dieses sei erst zu erlangen, wenn die Wunden des Krieges geheilt wären, wenn der Friedens- zustand wieder völlig hergestellt wäre und der Boden wieder bearbeitet werde. Dann würde sich der Staats\chaß wieder füllen, die Armee könne dann reorganisirt und eine Vermin- derung der Ausgaben herbeigeführt werden; dann würde auch die Pforte die Mittel erhalten, die erforderlichen Reformen auszuführen. England habe es 1nzwishen niht an Be- mühungen fehlen lassen, eine Abhülfe dieser Uebelstände zu erlangen, dabei indessen stets die Souveränetät des Sul- tans gewahrt. England werde sie auch fernerhin wahren, als den Mittelpunkt und das Symbol der einzigen Autorität, welche bestehe und bestehen könne. Die englische Regierung habe bei dem Sultan stets den ernstesten Wunsch gefunden, die Uebelstände zu beseitigen, und sie habe die Ueberzeugung, daß der Wunsch des Sultans auf-

rihtig und wahr sei. Weil aber England jede Verantwort- lichkeit für die Handlungen der türkischen Regierung zurück- weise, so habe es nicht die Pflicht, Alles zu thun, was die Diplomatie thun könne, um die Ucbelstände zu vermindern und heilsame Veränd-rungen herbeizuführen, durch welche allein die Dauerhastigkeit der türkishen Regierung gesichert werden könne. : A

2. Juni. (W. T. B.) Der ehemalige Vizekönig von Jndien, Lord Lawrence, ist gestorben.

Frankreich, Paris, 27. Juni. (Rép. fr.) Durch Dekret des Präsidenten is in Französi - Fndien eine Direktion des Jnnern errichtet worden. :

Versailles, 27. Juni. (W. T. B.) Bei der heute in der Deputirtenkammer fortgeseßten Berathung der Ferry'shen Gesezvorlage suchte der Unterrichts-Minister Ferry nachzuweisen, daß seine Vorlage ihre Spiße nicht gegen den Katholizismus, sondern gegen den Klerikalis- mus richte. O

© DT D I OET T S R Italien. Rom, 26. Juni. (Ftalie.) Der „„Pungolo“ von Mailand schreibt: Die Aufmerksamkeit der Regierung ist lebhaft durch die immer wachsende Zahl von fremden JInternationalisten beschäftigt, welhe seit einiger Zeit nah Ftalien kommen. Unx diesem Uebelstande abzuhelfen, hat man beschlossen, alle Diejenigen sofort auszuweisen, welche keinen annehmbaren Beweggrund für ihre Ankunft in Ftalien angeben oder sich über ihre Existenzmittel auszuweisen ver- mögen. Diese Maßregel hat bereits in der Ausweisung einer gewissen Anzahl von Jndividuen Anwendung gefunden. (Folgt eine Liste der Ausgewies- nen.)

Nußland und Polen. St. Petersburg, 24. Juni. (St. Pet. Herold.) Anläßlich der Taufe des neugeborenen Großfürsten A ndrej Wladimirowitsch, welche heute Vor- mittag im großen Palais in Zarskoje-Sselo vollzogen wurde, waren die Häuser und öffentlihen Gebäude der Residenz fest- lih mit Fahnen geschmückt; am Abend war die Stadt illuminirt,

Amerika. Washington, 25. Juni. (Allg. Corr.) Jm Senat wurde heute eine Resolution eingebracht, welche_ nh zu Gunsten einer vollständigen Nemonetisirung des Sil- bers erklärt. Mr. Burnside brate ferner die schon tele- graphisch erwähnte Resolution bezüglih des Panama- Kanals ein. Die demokratishen Berathungs- ausschüsse des Senats und Repräsentantenhaufes sind übereingekommen, die Eintheilung der Bestimmungen der mit dem Veto des Präsidenten belegten Justiz-Budgetbill in zwei Vor'agen zu befürworten. Eine derselben soll sämmt- lihe Bestimmungen dieser Maßregel einschließlich der Ab- schaffung des Geschworenen-Testeides, aber nicht diejenigen, welche auf die Gelderbewilligung für die Marschälle und Bize- Marschälle Bezug haben, enthalten, während die andere Vor- lage diese Gelderbewilligung verfügen, aber, wie in der mit dem Veto belegten Bill, die Verausgabung irgend eines Theiles dieser Gelder für die Besoldung von Vize-Marschällen bei Wahlen untersagen wird. Die Vorlage wird ferner das Ein- gehen einer Verbindlichkeit Seitens des Staates für die Be- joldung dieser Funktionäre verbieten und die Verleßung dieser Stipulation mit Strafen belegen. :

27. Juni. (W. T. B.) Das Repräsentantenhaus hat das Justizbudget und die sogenannte Fudicial- Appropriation-Bill mit Ausnahme der vom Präsidenten Hayes beanstandeten Artikel genehmigt.

Südamerika. Brasilien. (Allg. Corr.) Aus Rio de Janeiro wird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 8. d. M. (via Lissabon) gemeldet: Der Minister des Reiches is ent- lassen und Senhor Francisco Soares de Pereira, Abgeord- neter für Bahia, zu seinem Nachfolger ernannt worden. Senhor Antonio Moreira Barros, Abgeordneter für die Pro- vinz Sao Paulo, übernimmt das erledigte Ministerium für die Auswärtigen Angelegenheiten. /

«n der Kammersißung vom 5. d. M. gab das Kabinet Erklärungen über die Demission des Ministers des Reiches, aus denen hervorgeht, daß die anderen Minister die Ungeseß- lichkeit der Entlassung des Direktors der Polytehnischen Schule anerkannten und ferner auch die unparlamentarische Sprache rügten, welcher sich ihr ehemaliger Kollege in der Debatte betreffs der Entlassung des Direktors der Schule bedient hatte. Eine stürmische Scene ereignete sih in der Kammer- sißung vom 6. d. M. anläßlih einer von dem entlassenen Minister eingebrachten Fnterpellation. Der Präsident wurde gezwungen, die Sißung für zwei Stunden zu suspendiren, und in der Zwischenzeit stellte er eine Wache von 400 Sol- daten außerhalb des Gebäudes auf. Dieser Schritt verursachte große Entrüstung unter dem Publikum, und der Premier jowie der Finanz-Minister wurden in den Straßen und am Eingange der Kammer aufs Gröblichste insultirt, Die Ruhe- störungen erneuerten sich am folgenden Tage, indem der Pöbel die Minister insultirte, während sie sich zu einem Kabinetsrathe begaben. Die Truppen zerstreuten s\chließlich die Unruhestister, indeß erst nachdem mehrere Personen ver- wundet worden waren. Die Stadt wird jeßt von Patrouillen bewacht.

Aus dem Wolffshen Telegraphen-Bureau.

Brüssel, Sonnabend, 28. Juni, Vormittags. Bei Be- gründung des von der Regierung vorgelegten Geseßentwurfs, betreffend die Abänderungen der Zölle und Steuern, wird darauf hingewiesen, daß in Folge dieser Abänderungen eine Einnahme von etwa 7 350 000 Fres, erzielt werde, daß diese Summe aber zur Deckung des sih auf 12 Millionen Francs beziffernden Defizits nicht hinreihen würde. Die Regierung behalte sich deshalb vor, eine Konvertirung der 4!/z proz. Rente zu beantragen.

Ne, 26. des „Central - Blatts für das Deutsche Reih“, herausgegeben im Reichskanzler-Amt, hat folgenden In- halt: Allgemeine Verwaltungssachen: Verbot ausländischer Druck- schriften; Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Münze und Bankwesen: Uebersiht Über die Ausprägung von Reichs-Goldmünzen; Goldankäufe der Reichsbank. Finanz- wesen: Nachweisung verschiedener Einnahmen für das Etatsjahr 1878/9; Nachweisung der Einnahmen der Post- und Telegraphen-, sowie der Reichs - Eisenbahnverwaltung vom 1. April bis Ende Mai 1879, Zoll- und Steuerwesen: Errichtung von Uebergangs-

te en; Befugniß einer Steuerstelle. Postwesen: Briefverkehr al ‘Sllaolánts nb itaitt britisher Kolonien zum Weltpostverein ;

Postpäckereiverkehr mit Belgien. Marine und Schiffahrt : Er- theilung eines Flaggenatteftes. Konsulatwesen: Ernennungen ; Exequatur-Ertheilung. :

Die Nr. 44 des „Amtsblatts der Deutschen Reichs- Post- und Telegraphenverwaltung“ hat folgenden Jahalt: Verfügungen: vom 18. Juni 1879: Briefverkehr mit Helgoland ; vom 19. Juni 1879: Beitritt von britishen Antillen zum Weltpost- verein, Ermittelung des Gewichts und der Stückzahl der eisenbahn- zahlungsyflichtigen Postsendungen auf mehreren Eisenbahnen; vom 21, Juni 1879: Eréffnung der Eisenbahnstrecken Salzungen-Stadt- lengsfeld bez. Vacha; vom 18. Juni 1879: Errichtung einer Pojt- anstalt auf dem. Festplaße zu Basel.

Statistische Nachrichten.

eber Uber Die Sal Der Studirenden au der KonaliMen Universität zu Breslau im Sommer - Semester 1879. Im Winter - Semester 1878/79 waren immatrikulirt 1329, davon sind abgegangen 395, es sind demnach geblieben 1024, în diesem Semester sind hinzugekom- men 259; die Gesammtzahl der im natrikulirten Studirenden beträgt daher 1283. Die katholisch-theologishe Fakultät zählt: Preußen 64, Nichtpreußen 1, zusammen 65, Die evangelisch-theologische Fakultät zählt: Preußen 64, Nichtpreußen —, zusammen 64. Die juristische Fafultät zählt: Preußen 371, Nichtpreußen 2, zusammen 373. Die medizinische Fakultät zählt: Preußen 178, Nichtpreußen 3, zusammen 181, Die philosophische Fakultät zählt: a. Preußen mit dem Zeug- niß der Reife 500, b. Preußen mit dem Zeugniß der Nichtreife nach §. 35 des Prüfung2-Neglements vom 4. Juni 1834 1, e. Preußen ohne Zeugniß der Reife nah §. 36 des Reglements 79, somit Preußen 980, d, Nichtpreußen 20, zusammen 600, Im Ganzen 1283. Außer diesen immatrikulirten Studirenden der hiesigen Universität haben die Erlaubniß zum Besuch der Vorlesungen crhalten : nit immatri- kulirte Zuhörer (Beamte, Aerzte, Lehrer 2c.) 8. Es nehmen folglich an den VorlesungenTheil 1291.

Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf der Königlichen Universität Marburg im Sommer- Semester 1879. Im Winter-Semester 1878/79 sind (eins{l. der 2 später noch Hinzugekommenen) immatrikulirt gewesen 473, _davon find abgegangen 126, es sind demnach geblieben 347. Dazu sind in diesem Semester gekommen 190. Die Gesammtzahl der imma- trikulirten Studirenden beträgt 537. Die evangelisch-theologische Safultät zählt Preußen 58, Nichtpreußen 5, zusammen 63. Die juristische Fakultät zählt Preußen 86, Nichtpreußen 12, zusammen 0 Die medizinische Fakultät zählt Preußen 95, Nichtpreußen 31, zusammen 126. Die philosophische Fakultät zählt: a. Preußen mit dem Zeugniß der Reife 150, b. Preußen mit dem Zeugniß der Nichtreife nach §. 35 des Prüfungsreglements vom 4. Juni 1834 —, c. Preußen ohne Zeugniß der Reife nah §. 36 des Reglements 71, zusammen Preußen 221, d, Nichtpreußen 29, zusammen 250. Außer diesen immatrikulirten Studirenden besuchen noch Vorlesungen mit Ge- nehmigung des Rektors 7. Es nehmen mithin an den Vorlesungen überhaupt Theil 544. 0

Die Armenpflege in Berlin hat, nah dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin, im Jahre 1877 Seitens der Stadt einen Zuschuß von 4881 616 H. erfordert, gegen 4443785 A in 1876, 4 046 840 M in 1875, 3 680115 M. in 1874, 3 013807 J in 1873. Pro Kopf der Bevölkerung betrug der Zuschuß im Jahre 1877 etwa 4,8 M.

Am Schlusse des Jahres 1877 bestanden 163 Armenkommissionen mit 152 Vorstehern und 1365 Mitgliedern. Dieselben gewährten in der offenen Armenpflege im Jahre 1877 10189 Hülfsbe- dürftigen (1,07 %/ der Bevölkerung) 1393 118 4 laufende baare Almosen (11,39 A pro Kopf), ferner für 4647 Pflegekinder 322 958 #4 (durchschnittlich monatlih 5,719 A) Pflegegelder; außerdem als Erxtra-Unterstüßung 27 512 Portionen und 223781 Æ baar. Während die Bevölkerung vom Jahre 1867—1877 um 49,8 °/0 ges stiegen ist, hat sich die Zahl der regelmäßigen Almosenempfänger nur um 39,8 9/9 vermehrt, der an diese gezahlte Betrag aber um 84,7 °%/. Die Zahl der Pflegekinder ist in diesem Zeitraume um 19 °/0, der für sie gezahlte Betrag aber um 63,1%, gestiegen, Die Zahl der Ertra-Unterstüßten hat um 23,7%, der ihnen gewährte Betrag um 54,9 ‘/9 zugenommen. Die Zahl der Almoseaempfänger war in den Jahren 1876 und 1877 im Verhältniß zur Bevölkerung geringer als im Jahre 1866, der gezahlte Jahresbetrag aber um 32 M höher. i

Zur Beschaffung von Ackerland zum Kartoffelbau wurden in den Jahren 1875 bis 18:7 für 1588 bezw. 1786 und 1792 Familien 14187 bezw. 14939 und 14608 Æ aus der Stadthauptkasse zu- geschossen ; die frish gedüngte Parzelle von 4 a wurde mit 9 A be- zahlt und brate 8 bis 23 Neuscheffel Kartoffeln. : s

Aus der Armenspeisungéanstalt wurden im Winter 1876/77 443 400 Portionen verabreicht, wozu die Kommune 19000 A zu- \choß. Brennmaterial wurde in demselben Winter für 713725 M vertheilt, Kleidung an Konfirmanden (876 Knaben, 678 Mädchen) 1877 für 27814 Æ, für arme Schulkinder 8531 M

Das Vermögen der Hauptstiftungskasse betrug Ende 1877 6 721 656 Aus diesen Fonds wurden im Jahre 1877 154549 M Unterstüßungen gezahlt. :

Die 50 besoldeten und 21 unbesoldeten Armenärzte behandelten im Jahre 1877 41 609 Kranke mit 2,590 4 Arznei pro Kopf. Die Gesammtkosten pro Kranken stellen sih auf 3,79 M.

Für die geschlossene Kommunal-Armenpflege kommen zunäcbst 10 öôffentlihe Krankenhäuser in Betracht, in denen 22 737 Kranke an 800043 Verpflegungstagen (dur{chschnittlich 2192 Kranke mit 38,37 Tagen) mit einem Kostengufwande von 1 483368 (täglih 1,85 # pro Kranken) für städtishe Rehnung behandelt wurden. Im Jahre 1876 betrug die Zahl solcher Kranken durch- schnittlich 1862 mit 39,41 Tagen und 1 355 491 M. Kosten (2,01 M. pro Kranken täglih). Während der Kranke in der Königlichen Charité durchschnittlich nur 1,40 kostete, beliefen sich die Kosten im städtischen allgemeinen Krankenhause auf 2,59 4 (1876 2,99 M6) und in dem städtishen Barackenlazareth auf 3,21 M (1876 3,30 4).

An Irren wurden in der Charité im Jahre 1877 auf Kosten

der Kommune 232 (gegen 173 in 1876) neu ausgenommen ; 41 blieben beim Jahres\clusse im Bestande. In der städtischen und den Privat- Irren-Anstalten fanden 871 Jrre Aufnahme, gegen 685 im Vor- ahre, N Die Männer-Siewenanstalt ist erst im Oktober 1877 eröffnet worden; von da bis Ende 1877 wurden 36 Personen in dieselbe auf» genommen. In die Siechenanstalt für weibliche Personen traten im Jahre 1877 105 Personen dem Bestände von 139 Personen hinzu, und verblieben am Jahres\{lu}sse 146 in derselben. Jn _6 Vereins- und Parochial-Siechenanstalten wurden im Jahre 1877 151 Personen für Rehuung der Stadt untergebracht, im Siechenhause der jüdischen Gemeinde 6. : : N

Im Friedrih-Wilhelms-Hospital wurden dur{s{nittlich 589, im Filial- Hospital des Arbeitshauses 245, im Gesinde-Hospital Ende 1877 92 Personen verpflegt; in 8 anderen selbständigen Hospitälern oder Stiftungen städtischen Patronats befanden sih Ende 1877 490 Pfleglinge in der von Schewe'schen Stiftung 10 Damen.

An Kindern waren für Rechnung der Armendirektion in 5 An- stalten für verwahrloste u. dgl. im Fabre 1877 104, gezen 77 in 1876 untergebracht. .

Das mit dem Arbeitshause verbundene Asyl füc Obdathlose ge- währte 100 827 Personen Aufnahme, gegen 112 682 in 1876, 38 464 in 1873, Außerdem warden dem Ärbeitshause noch 105 obdachlose Familien (324 Personen) und 158 Einzelne überwiesen; ebenso 166 Erwerbsunfähige und Kranke. ;

In der städtishen Waisenpflege befanden sich Ende 1877 3334 Kinder, gegen 3228 Ende 1876. , :

Die Friedrih-Wilhelms-Anstalt für Arbeitsame gab im Jahre

1877 390 Perfonen zinspflichtige Darlehne im Betrage von 30 755