1847 / 128 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

daß in der Ankündigung des Reimarus der Zusaß: „unter Aufsicht des hohen Sefkretariats“ wegbleibe, bis die hohe Versammlung si dafür ausgesprochen haben wird. :

Abgeordn, Shuman: Herr Landtags - Marschall! Meine Muttersprache is} die polnische, in ihr habe ih deuken gelernt und daher die Fertigkeit nicht, mich in längerer Rede aus dem Gedächt- ‘nisse deuts so auszudrücken, wie ih wohl wünschte. Erlauben Sie daher, daß ih hierbei dies mein Blatt zur Hülfe nehme.

(Liest vor).

Meine Herren! Es is von meinen Kollegen aus dem Groß- herzogthum Posen eine Petition um Aufrechthaltung der den dorti- gen Polen zugesiherten Nationalität und Sprache an den Vereinig- ten Landtag gerichtet, vom Herrn Landtags Marschall aber zurüdck- gewiesen worden, weil sie ein bloßes Provinzial - Jnteresse zum Ge- genstande habe. Jn der Lage, in welcher sich die Sache in Be- tref dieser Petition befindet, will ih hier auf eine nähere Beleuch- tung des Jnhalts nicht eingehen, mir aber doch die kurze Bemer=- kung erlauben, Bf 5 :

daß ein Gegenstand, welcher die Lebensfrage eines ganzen Volks-

stammes, eines ganzen Landestheils wie dies die Na=-

tionalität und Sprache gewiß i betrifft, daß ein solcher Ge-

genstand gauz unbedenklich für die ganze Monarchie nicht nur nicht

gleichgültig sein kann, sondern sie ganz wesentlich interessirt und x also gewiß eine innere Angelegenheit des ganzen Staates ist. # Meine Herren! §. 13 der Verordnung vom 3. Februar c. be- / stimmt :

(liest vor)

j „Dem Vereinigten Landtage steht das Recht zu, Uns Bitten und

Beschwerden vorzutragen, welhe innere Angelegenheiten des ganzen Staats oder mehrerer Provinzen betreffen, wogegen Bitten und Be- schwerden, welche allein das Juteresse der einzelnen Provinzen be- © treffen, den Provinzial-Landtagen verbleiben,“

h will es nun wenn es gleich der Fall niht is für einen Augenblick als zweifelhaft aunchmen , ob die fragliche Petition ihrem Jnhalte nah vor den Vereinigten Laudtag oder den Provinzial- Landtag gehöre. Die nächste Frage ist die :

wer diesen Zweifel zu lösen, wer darliber zu entscheiden hat, Nach meiner Ueberzeugung hat hierüber allein das Reglement zu entscheiden. Dieses verordnet in den §§. 8 und 26:

(Liest vor)

daß die eingehenden Petitionen in der Plenar -Versammlüng nicht zu lesen, sondern sogleich in die Abtheilungen zu verweisen sind.

Das weitere Verfahren richtet sich nah den im §. 9 und fol- genden des Reglements enthaltenen Vorschriften, wonach wenn die Sache zum Vortrage in der Plengr-Versammlung vorbereitet worden nach deutlicher Vorschrift §. 26 zu b.

E (liest vor) zunächst die Frage:

ob der Petitions-Antrag in Berathung genommen werden solle? der Versammlung vorgelegt werden muß, indeß wenn in dieser Kurie nicht wenigstens 24 Mitglieder fich dasür erklären, der Antrag nicht zur Berathung gebracht werden darf. Hierdurch i| der in Rede stehende Fall klar entschieden. Die Abtheilung hat zu prüfen: ob die Petition vor den Vereinigten Landtag gehöre oder nicht? __die Plenar=Versammlung darüber zu entscheiden. : Eine andere Art der Zurückweisung irgend eines an den Vereinig- ten Landtag gerichteten Antrages kennt das Reglement nicht. Dies ist klar, und es fann also vou eíÛnem Zweifel, der etwa nach g. 29 des Reglements zu entscheiden wäre, feine Rede sein.

Ich meíue aber, daß, wenn selbst die Sache zweifelhaft wäre, doch im Jnteresse des Rechts und der Billigkeit es der Versammlung überlassen bleiben muß, über die Zulassung einer Petition zu bestim- men, als sie dur eine einzige Stimme des Herrn Landtags-Mar- \challs zurü{zuweisen. j

Aus diesen Gründen trage ih daher darauf an: daß es dem Herrn Landtags-Marschall gefallen möge,

das im §. 26 des Reglements zu a, und b. vorgeschriebene Ver= fahren stattfinden zu lassen, x d. h. die fragliche Petition zunächst an die Abtheilung zur Begut- achtung zu verweisen,

Marschall: Es is allerdings ein Petitions - Antrag des an- gegebenen Jnhalts bei mir eingegangen; derselbe betrifft, wie der Herr Redner gesagt hat, die Aufrechthaltung der Nationalität und polni- schen Sprache im Großherzogthum Posen. Der . Antrag geht also recht eigentlich die besonderen Jnteressen des Großherzogthums Posen an und fällt in die Kategorie derjenigeu Petitionen, welche von der Berathung des Vereinigten Landtages ausgeschlossen, dagegen den Provinzial -Landtagen zugewiesen sind. Hierüber is kein Zweifel, denn das Reglement spricht sih darüber klar aus. Es ist also hier keine Art von Entscheidung nöthig. Wo die geseßlihe Bestimmung so flar spricht, da kann eine weitere Berufung nicht stattfinden. Daß übrigens ein solcher Antrag ein sehr großes Junteresse in An- spruch nehmen fann, is nicht zu leugnen, aber es is dies nicht das nteresse, von welchem das Geseß spricht, sondern ein allgemeines menshliches Jnteresse, Wenn wir dieses hier annehmen wollten so würde der bezogene ° arggraph keinen Sinn haben ; ohne Rechtsgelcehrter zu sein, is mir aber doh der Rechtssaß bekannt, daß nie angenommen werden fann, der Geseßgeber habe in eine Stipulation gar keinen Siun legen wollen, Nath der Ansicht des Antragstéllers müßte dann jede Petition zur Cognition und Berathung des Vereinigten Landtages

kommen können. Dies sind die Gründe, aus denen ih mit großem Bedauern den Antrag zurücgewiesen habe. ch groß

; Abgeordn. von Brodowskiz Eine bedeutende Anzahl Abge- ordneter des Großherzogthums Posen hat si verd Ldiden, eine an die Versammlung gerichtete Petition zu rihten. Der Herr Landtags - Marschall hat sich aber bewogen géundon, sie auf Grund des §. 13 der Geschäfts=Ordnung zurückzuweisen. Die Peten= ten glauben aber, daß sie allerdings vor das Forum dieser Versammlung gehöre, indem dieser Gegenstand von hohem politishen Jnteresse für ‘die ganze Monarchie einerseits ist, und weil sie andererseits au auf Allerhöchste Verordnungen gestügt ‘ift, welche kein Geseß aufgehoben haben, welche aber in neuerer Zeit bedeutend alte- rixrt sind, Die Antwort des Herrn Landtags-Marschalls, welche diese Petition dessenungeachtet zurückgewiesen hat, lautet wie folgt (liest vor). Jh will gern von den Ansichten der Petenten abstrahiren, ich bitte aber die Versanunlung, zu berücfsihtigen, daß nah §. 13 der Landtags-Marschall niht entscheiden kann, ob eine Sache vor dies Forum gehört oder nicht, sondern den Abtheilungen, welchen jede Petition zugewiesen wird, steht diese Entscheidung zu. Jm §.-26 des Reglements steht nicht geschrieben, daß dem Landtags-Marschall das Recht zustehe, die Petitionen zurück{zuweisen, sondern es steht darin mit großen Buchstaben, daß sie der Abtheilung zugewiesen wer- den müssen, damit diese den Gegenstand erörtere, begutahte :und der Versammlung alsdann vorlege, welche dann auch entscheiden kann, vb -die Sache e rüdckzuweisen is, Zwar steht dem Landtags-Mar= chall das Recht zu, wenn Zweifel obwalten, daß er sie beilegt; aber ier sind feine Zweifel. Jm ganzen Reglement stéht fein Wort, Petitionen zurückgewiesen werden dürfen, und darauf bitte ich

662 die Versammlung, Nücksicht zu nehmen, weil sonst niht die Materie der Petition zu ihrer Kenntniß kommt. Sollte die Abtheilung der Meinung sein, daß die Petition zurügewiesen werden muß, und die Versammlung dieser Ansicht beistimmen, so werden sih die Petenten gern bescheiden.

Marschall: Jh wollte hierauf nur erwiedern, daß der Mar- schall allerdings kein Recht hat, jede Petition zurückzuweisen, wie denn überhaupt von Recht hier nicht die Rede ist, sondern von einer Verpflichtung. Der «Marschall hat die Verpflichtung, Petitions- Anträge, welche das Geseß zurüc{weist, nicht anzunehmen,

Abgeordn. von Krassewski: Jch erlaube mir die Bemerkung, daß davon nicht die Rede sein kann, als hätte der Marschall die Be- fugniß, zu entscheiden, ob die Petition nicht anzunehmen sei, deun dies muß vorher erörtert werden. Der Marschall kann unmöglich wissen, was der Gegenstand der Petition ist, so lange sie nicht in der Ber- sammlung erörtert is}, und insofern hat er auch feine Befugniß, von vornherein eine Petition abzuweisen. Wir Antragsteller wünschen, daß die eingereichte Petition von der Abtheilung eröztert werde, und sofern diese si dafür oder dagegen ausspricht, dann is es Zeit, die Entscheidung der Versammlung herbeizuführen. Wir haben dann eine Instanz, und diese is der Vereinigte Landtag. Jch muß also gegen die Befugniß prötestiren, die sich der Marschall angeeiguet hat, um so mehr, als sich gestern das schmerzliche Gefühl auf den Gesichtern hat sehen lassen, als der Marschall gegen ein ausdrüdlihes Geseb

handelte, (Oho!) ° ; Jch bitte die Herren, mich uicht zu unterbrehen; von der Tri- büne werde ich mir jede Widerlegung gefallen lassen und mich dar-= über freuen, widerlegt zu sein. Gestern ist, ich wiederhole es, von dem Landtags.- Marschall gegen ein klares Geseß gehandelt worden ; er hat zwar gesagt, es sei seine Ueberzeugung, und wir ehren jede Ueberzeugungz aber hier handelt es sich um Gesebe, die nicht zweifel- haft sind, und deshalb spreche ih heute die Bitte aus, daß der Herr Marschall die Güte haben möge, die eingereichte Petition dem Aus-= {huß zu überweisen. Jch habe noch eine Bemerkung zu machen. Die erwähnte Petition enthält einen materiellen Grund, weshalb sie eine allgemeine genannt zu werden verdient, sie spricht von Verhei- ßungen, die von des hochseligen Königs Majestät gemacht worden sind. Wir fußen auf diese Verheißungen, wie Sie, meine Herren, Jhrerseits das Recht haben, darauf zu fußen, wenn Sie auf eine Constitution dringen, Wir vertheidigen unsere höchsten “Güter. Meine Herren, es giebt keine Constitution ohne Volksthümlichkeit, sie ist die Basis, und jenes ist der Geist, also sprechen Sie auch uns das nicht ab, was Jhnen selbst so Noth thut. Also, meine Herren, ent- heiden Sie sih hier dafür, darum bitte ih ein- für allemal, damit der Gebrauch hier nicht auffomme, daß der Landtags-Marschall die Besugniß habe, zu entscheiden, was vor Jhr Forum gehört. Abgedtkn: Freiherr von Vincke: Jch bin auch der Ansicht, daß der zur Erörterung gekommene Fall sehr viel Aehnlichkeit mit dem gestern zur Sprache gekommenen hat. Jh kann den Rednern, die vor mir gesprochen haben, nur vollständig darin beitreten, daß dem Landtags-Marschall nicht das Recht zusteht, die §§. 4—26 der Ge- \häftsordnung in dem von ihm erwähnten Sinne auszulegen, ‘denn gerade in §. 26 i} diserlis verbis gesagt: (liest vor.) Darin ist ihm also die Verpflichtung auferlegt, jeden Antrag ohne weitere Kri- tif seines Juhalts der betreffenden Abtheilung zu überweisen, und die Abtheilung hat die Frage, ob er nah Form oder Materie in einer der beiden Kurien oder auch beider Kurien vereinigt zu berathen ift, zu beurtheilen. Es ist aber in feinem Paragraphen der Geschäfts- ordnung die Befugniß ihm beigelegt, welche er für sich in Anspruch nimmt, Wenn der §. 13 tér Verordnung vom 3. Februar die Be= stimmung enthält, auf welche der Landtags-Marschall sich bezogen hat, so bemerke ih, daß ihm nirgend das Recht beigelegt worden ist, eine gesebßlihe Bestimmung zu interpretiren. Dieses Recht steht nur Sr, Majestät dem Könige zu, und der Versammlung steht es zu, sich dar- über auszusprechen, ob sie sich in ihrem Rechte zu befinden glaubt, aber nicht dem Vorsißenden, Jm Uebrigen bin ih, wenn es sich um die Auslegung des §. 13 des Gesetzes handeln sollte, der Ueberzeu- gung, daß hier kein Fall vorliegt, wodurch der §. 13 alterirt ist, In dem Schreiben des Herru Landtags - Marschalls, welches vor=- gelesen worden, i ausdrücklih anerkaunt, daß bei dem in Rede stehenden Antrage allerdings die ganze Monarchie interessirt sei, und in dem angezogenen Paragrapen steht gerade, daß nur Bitten, welche allein ein- zelne Provinzen betreffen, niht vom Vereinigten Landtage, sondern von den Provinzialständen zu berathen sind. Wenn also anerkannt ist, daß das Interesse anderer Provinzen auch in Frage kommt, so folgt daraus von selbst, daß dem Geseß Folge gegeben und die Pe- tition hier berathen werden muß. Dies folgt ferner aus der Natur der Sache. Es ist ‘bekannt, daß die polnische Nationalität und Sprache nicht blos auf das Großherzogthum Posen beschränkt ist, sondern es giebt in Preußen und Schlesien, namentlih in Ober- s{lesien, Einwohner, welche die polnische Sprache reden. Also ist bei der Petition auch das Jnteresse anderer Provinzen wesentlich bethei- ligt. Ein bedeutender Theil von Oberschlesien gehört der polnischen Nationalität an, dies geht aus allen statistischen Handbüchern her- vorz ih bin aber der Meinung, daß, wenn es sih hier auch nur um das Großherzogthum Posen allein handelte, es für uns doch uicht gleichgültig ist, wie starke Motive sie haben, sich mit uns zu vereini- gen. Wenn wir auf die Geschichte zurückgehen, so werden wir uns erklären können, daß die polnische Nation noch manche Erinnerungen an ihre frühere Nationalität bewahrt. Wenn sie uns also nicht schon mit vollem Herzen angehört, \o müssen wir um so mehr wünschen, ihr den Weg zu bahnen, daß sie sich ganz preußisch und deutsch füh- len fönne. Wenn sie sich jeßt verleßt glaubt, so haben wir die Pflicht, ihre Juteressen zu schonen und ihre Rechte, die sie aus frü- heren Verträgen ableitet, weun sie begründet sind, zu wahren und zu pflegen, und ih kann nicht zugeben, d eine Provinz dem Staate deshalb weniger innig angehört, weil sie sih in ihren heiligsten IFn- teressen verleßt glaubt. Jch halte vielinehr dafür, daß der gesammte Staat weseutlih dabei interessirt ist, daß die Provinz Posen in ihren begründeten Ansprüchen gewahrt werde. ; Marschall: Wenn mein Schreiben, welches vorgelesen ist, so verstanden wird, als hätte ih gesagt, daß ih anerkenne, mehrere Provinzen seien bei dem in ‘Rede stehenden Petitions-Antrage inter- ssirt, so i dies nicht richtig, im Gegentheil , ih habe gesagt, es walte hierbei allerdings ein allgemeines menshlihes Jnteresse vor, von diesem kann jedoch hier nit die Rede sein, sondern nur vou dem, von welchem das Geseh spricht. e, ; Abgeordn. von der Heydt: Meine Herren, es isst niht meine Absicht, mich über den Gegenstand der Petition für jeßt auszuspre- hen, sondern ih will nur darauf aufmerksam machen, wie gefährlt es sein würde, wenn die Versammlung den usus sanctionirte, da) blos das Präsidium über solche Fragen entscheiden dürfe. Es is die Rechtôregel, daß das Kollegium, dem die Beschlusnahme zusteht, und dem rüsichts seiner Schranken und Kompetenzen Gränzen gesebt sind,

nstanz über seine Kompetenz entscheide, aber nirgend

auch in erster 9 und ohne das Kolle-

ist es ‘Rechtens, daß ‘der Vorsißende einseitig, E gium zu befragen Sie Kompetenz estimmungen trifft. Ein a hes Recht ist also auch ‘hier nicht vorhanden, . wo liberdies ein spe- zielles--Gesep gegeben ‘ist, inach welchem ‘dieseBefugniß dem Marschall

nicht zustehen kann. Jch habe zwar die feste Ueberzeugung, daß der Marschall hier die Entscheidung nah seinem besten Wissen getroffen hat, es kommt auch nicht darauf an, ob das Geseh diese Entschei: dung, wie sie getroffen is, sanctiouirt oder niht, sondern darauf fommt es an, wer die Entscheidung tri. Es kommt ferner nicht darauf an, ob heute dieser Marschall und morgen ein anderer den BVorsibß führt, sondern es kommt blos auf den Grundsaß an, der hier augewendet wird, und die Versammlung is es sich selb schuldig, ausdrücklich auszusprechen , daß sie sich das Recht dieser Entscheidung selbst vorbehält und keinem Anderen zukommen läßt. 7

Abgeordn. von Niegolewski: Als die pacificirenden Mächte auf dem Wiener Kongresse die christliche Moral für die Grundlage ihrer Politik erklärten und den Willen aussprachen, Staaten und Völker in den vorigen, dur die Folgen der großen Staats-Umwäl- zungen gestörten Stand wieder einzuseben, erkannten sie, wie gerecht die Ansprüche der poluischen Nation auf Vergütigung des ih zugefügten Unrechts waren, Weil aber übermächtige Rücksichten und Verhältnisse die Gewährung der vollen Gerechtigkeit ourch Wieder- vereinigung der getrennten Glieder unter einem Haupte zu neuem, selbstständigem Leben hinderten , \o sollten wir wenigstens vor der Schmach der Vernichtung als Volk bewahrt werden, so wurde uns überall der öffentlihe Gebrauch unserer Sprache, unsere volksthüm- liche innere Entwickelung , also ein Zustaud , welher uns als Polen wenn nicht zufriedenstellen, doch mit unserem harten Schicksale ver- \öhnen konnte. Auf Grund dieser Zusicherungen hat Se. Majestät der jeßt in Gott ruhende König Friedrich Wilhelm 11, bei der Besib= nahme des Großherzogthums Posen einen Zuruf an die Einwohner des Großherzogthums Posen vom 15, Mai 1815 erlassen, in wel- chem es heißt: i /

„Auch Jhr habt ein Vaterland und mit ihm einen Beweis Mei- ner Achtung für Eure Anhänglichkeit an dasselbe erhalten. Jhr wer= det Meiner Monarchie einverleibt, ohne Eure Nationalität verleugnen zu dürfen. Jhr werdet an der Constitution Theil nehmen, die Jch Meinen getreuen Unterthanen zu gewähren beabsichtige, und Jhr werdet, wie die übrigen Provinzen Meines Reichs, eine provinzielle Verfassung erhalten. N i

Eure Religion soll aufreht erhalten und zu einer standesmäßi= gen Dotirung ihrer Diener gewirkt werden. Eure persönlichen Rechte und Euer Eigenthum kehren wieder unter den Schuß der Gesetze zurü, zu deren Berathung Jhr künftig gezogen werden sollt.

Eure Sprache soll neben der deutschen in allen öffentlichen Ver- handlungen gebraucht werden, und Jedem unter Euch soll nah Mäß- gabe seiner Fähigkeiten der Zutritt zu den öffentlichen Aemtern des Großherzogthums, so wie zu allen Aemtern, Ehren und Würden Mei- nes Reichs, offen stehen. S

Mein unter Euch - geborener Statthalter wird bei Euch residiren. Er wird Mich mit Euren Wünschen und Bedürfnissen und Euch mit den Absichten Meiner Regierung bekannt machen.“ j

Diese bedeutungsvollen Königlichen Worte betrachten wir als das Fundament unseres politischen Daseins, Sie haben die Herzen der Einwohner der Provinz mit gebührender Dankbarkeit gegen den Mo- narhen erfüllt, welche, um unsere Liebe auf eine Sr. Majestät und unser würdigen Weise zu gewinnen, und um die Wunden, die uns die Trennung von unseren Brüdern so tief geschlagen, zu heilen, uns die gegründete Hoffnung zu hegen berechtigen, das höchste von den V tern ererbte Gut, unseren Namen, unsere Sprache, unseren Nachkom men treu überliefern zu fönnen,

Kurz waren aber die Tage dieses Trostes; kaum waren einige Jahre verflossen, so wurden unsere Beamten theilweise entfernt und andere aus anderen Provinzen, welche, der Sprache unkundig, diesen unseren Herzen so theuren Verheißungen nit entsprehen konnten, traten ein. Nach dem unzweideutigen Patent und Königlichen Ver- heißungen, welche den Polen ihre Nationalität, ein Vaterland als Beweis der Achtung des Monarchen für ihre Anhänglichkeit an das= selbe und den Gebrauch der poluishen Sprache neben der deutschen in allen öffentlichen Geschäften und Verhandlungen zusichern, glauben wir dieses Recht beanspruchen zu dürfen, Aber das Bestreben der Behörden in dem Großherzogthume Posen hat sih ganz offenbart, die den polnischen Einwohnern zugesicherte Nationalität zu beseitigen und die polnishe Sprache von allen öffentlichen Geschäften und Ver= handlungen zu entfernen. E A

Aber doch sollten die, welche die Königlichen Bürgschaften und Verheißungen ins Leben einzuführen und zu einer Wahrheit zu ma= chen die Verpflichtung haben, keinen Augenblick vergessen, daß die er= habene Würde des Monarchen mit der Heiligkeit seines Wortes iden=- tisch ist, und daß jene uur dann aiahrhaft geehrt wird, wenn dieses unange- tastet bleibt, Rein und klar, wie das Licht der Sonne, darf es niemals durch Deuteleien, und wären sie noch so scharfsinnig gemodelt, ver= kümmert und illusorisch gemacht werden, uud wäre es selbst einer ver= schiedenen Deutung fähig, jo darf doch eben um jener Würde und Heiligkeit willen nur diejenige Geltung erhalten, welche denen die günstigere is, die es als eine Bürgschaft unantastbarer Güter empfingen.

Dieses sind, weine Herren, die tiefsten Wunden, aus welchen unsere Herzen bluten. Um diese vernarben zu machen, um diese zu heilen, wenden wir uns an diese hohe Versammlung mit der frohen Hoffnung, daß Sie, meine Herren, unsere Bitte bei Sr, Majestät bevorworten werden, um die Behörden bei uns in dem Großherzogthum Posen hinzuweisen auf den Wahlspruch des Konrad 11. von Hohenstaufen :

„Was der König sagt, muß steif und streng gehalten werden,“

Landtags-Kommissar: Jch bin in keinerlei Weise gewil- ligt, mich in die Debatte zu mengen, welche über die Frage entstan= den ist, ob der Antrag des Mitgliedes aus Posen auf Anerkenuung der polnischen Nationalität für das Großherzogthum Posen zur Co- gnition oder Kompetenz dieser Versammlung gehöre oder nicht; wenn aber cin Mitglied von Polen so eben die heftigsten Vorwürfe gegen die Regierung in Beziehung auf angeblich verleßte Versprehungen und Rechte ausgesprochen hat, jo muß ih erklären, daß diese Art des Angriffs gegen die Regierung niht reglementömäßig is, Wenn ein solher Angriff beabsichtigt wurde, so mußte er in einer Petition niedergelegt, mir vorher mitgetheilt und dann zur Tages-Ordnung gebraht werden. Da dies nicht geschehen ist, so befinde ih mich jeßt in demselben Falle, in welchem ih {on einmal in dieser Ver= sammlung war, nämlich, erklären zu müssen, daß von Seiten des Gouvernements der Angriff in dieser Jnstauz \o betrachtet werden muß, als hätten wir ihn nicht gehört. j :

Marschall: Jh erkenne es meinerseits gern an, daß die Art dieses Angris mit dem Reglement nicht ganz übereinstimmen und es nicht für richtig gehalten werden kann, wenn der Redner dabei in das Materielle eingeht. Da aber derselbe gerade gegen mih gerichtet war, so glaubte ih das Reglement in diesem Falle auf das weiteste auslegen zu müssen und dem Redner niht ins Wort fallen zu dürfen, damit es nicht scheinen sollte, als wolle ih den gegen mich gerichteten Angri irgendwie unterdrücken. j

Abgeordn, Graf von Schwerin (vom Plaß): Herr von der Heydt hat bereits vollständig meine Ansicht ausgesprochen, es handelt sich um eine wichtige Prinzipien-Frage, Jch habe gestern dem Herrn Landtags-Marschall nicht das Recht zugestehen können, daß er dar- über zu entscheiden habe, ob ein Antrag abzuweisen sei oder nicht, Der §. 26 spriht ausdrücklih aus, daß alle Anträge dur die Ab- theilungen gehen müssen, und ih glaube daher, daß wir in diesem

Fall um so mehr daran festhalten müssen, als sehr wesentliche Jnter- essen einer ganzen Provinz in Frage sind. Jch füge noch hinzu, daß ih anerkennen muß (do es wird meiner Anerkeunung nicht bedürfen), worauf der Herr Landtags-Kommissar uns aufmerksam gemacht hat, daß das Materielle der Petition hier noch niht hergehöre. Jch theile diese Ansicht, aber wir werden auf solche Diskussion immer wieder zurückkommen, wenn wir au dem Prinzip uicht festhalten, daß jeder Antrag an die Abtheilung kommen muß. Es ist demna auch prak- tisch das Verfahren des Herrn Marschalls niht angemessen, i bin aber, wie gesagt, prinzipaliter der Meinung, daß der Herr Landtags=- Marschall nicht im Rechte is, wenn er so verfährt.

Abgeordn, von Werdeck: Jch gehe davon aus, daß der Herr Marschall seine Schuldigkeit in dieser Angelegenheit gethan hat, Meine Ansicht von der Sache is die: das Geseß schreibt vor, was vor die Landtags = Versammlung gehört innerhalb der Gränzen, die dazu gezogen sind, Auf der anderen Seite {reibt das Reglement vor, was geschehen soll, FJunnerhalb dieser Gränzen haben wir uns zu bewegen, wenn es sich um Petitionen handelt, die überhaupt vor den Landtag gehören. Das Geseß sagt ausdrücklih, daß Petitionen, welhe blos provinzielle Angelegenheiten betreffen, nicht vor den Vereinigten Landtag gehören. Jun der Petition, die uns eben vorgetragen ist, mit Recht oder Unrecht, aber es is geschehen, die Tendenz des Autrages als eine ausschließlich provinzielle bezeichnet, Jch glaube daher in keiner Weise, daß sie zur Erörterung kommen kann ; wäre dies uit der Fall, so würde der Herr Landtags-Marschall im vorbezeichneten Wege sie in die Ab- theilung verweisen müssen, Jch sage, das ist meine Meinung von der Sache, Wir haben das Entgegengeseßte von einer anderen Seite vernommen. Jch bin weit entfernt, meine Ansicht als eine aus\cchließ- lich richtige anzunehmen, Sie werden aber zugeben, daß sie, da ih sie habe, möglich i, Es ist also in diesem Fall Zweifel vorhanden, wie sie zu behandeln wäre, und daher {ließe ich weiter und glaube, daß der Herr Landtags-Marschall im Rechte gewesen is, eben weil pe zweifelhaft war.

2 _Abgeordu. Wodiczka: Es is von einem Abgeordneten aus Westfalen behauptet worden, daß in Oberschlesien die poluische Na- tionalität vorherrsche. Als Bewohner von Oberschlesien behaupte ich, daß wir keine Nationalität besißen. Die benachbarten Polen sehen uns nicht als ihre poluishen Brüder an. Wir Oberschlesier wollen nux als deutsche Brüder, als Preußen angesehen und behandelt werden.

Graf von Renard: Der vorige Redner hat bereits den Grundsaß ausgesprochen, den ih mir zu erwähnen erlaube. Jh muß die Affinität der Jdee zwischen der slavischen Sprache und der pol- nischen Nationalität in Abrede stellen, Wenn auch ein Theil der Bewohner Oberschlesiens die \lavische Mundart spricht, so sind ihre Jnteressen und ihre Vaterlandsliebe doch deutsche , obwohl ich auch das polnische Nationalgefühl ehre, Uebrigens kann ih nicht aner- kennen, daß der Fall von gestern, wo ein mit Unterschriften versehe- ner Protest nicht angenommen wurde, mit dem gegenwärtigen zu- sammenhäunge. Es ist dieser leßtere ein ganz anderer Fall, folglich auch die Nechte, die Pflichten und Befugnisse des Landtags - Mar= \challs ganz verschiedene. Der Landtags =-= Marschall hätte, so ivie gewünscht wird, diese Petition einem Ausschuß überweisen müssen. Dieser hätte niht das Recht gehabt, zu sagen, der Antrag gehöre niht hierher, die Abtheilung hätte es für ihre Pflicht gehalten, näher auf die Gründe einzugehen und demzufolge zu berichten; und so wäre ein nicht- hierher gehöriger Antrag Gegenstand einer weit- läuftigen Debatte gewordeu.

Abgeord. Hansemann: Das tiefe Schweigen, welches erst in der Versammlung bei der Rede eines verehrten Deputirten herrschte, beweist hinreichend, wel? eine große Theilnahme der zur Sprache ge- brachte Gegenstand erregt, Jch gehe aber auf diesen Gegenstand nicht weiter ein, weil es sich im vorliegenden Fall blos von der Aus-= führung der Geschäfts-Ordnung handelt. Nach meiner Ansicht beruht diejenige Ueberzeugung, nach welcher der Herr Landtazs-Marschall die Sache behandelt, auf einer irrthümlihen Ansicht. Jch {ließe mich ganz der Meinung an, die hier ‘bereits geäußert worden is, daß der Herr Landtags-Marschall nichts Anderes zu thun habe, als die An-= träge an eine Abtheilung zu überweisen, die als solche zu berichten hätte, ob nah ihrer Ansicht darauf einzugehen sei oder niht. Es ist ein gefährlicher Weg, auf den der Herr Landtags-Marschall sich be- geben hat, indem er auf seine eigene Verantwortlichkeit von vorn=- herein entscheiden will, ob ein Gegenstand von allgemeinem Staats- Interesse sei oder niht. Was hat der Königliche Kommissarius ers gesagt? im gebe zu mit Recht. Er- hat bemerkt, daß der Redner aus der Provinz Posen außerhalb des Reglements gewesen sei, als er hier in die Sache selbst eingegangen wäre, daß es Sache des Redners gewesen sei, eine Petition anzubringen und sie auf dem re- glementsmäßigen Wege hier zur Berathung zu bringen, und daß erst dann auf die Sache hätte eingegangen werden müssen. Das i} es gerade, was bei dieser Petition in Frage steht. Man is mit dieser Petition gerade den von dem Herrn Landtags=Konmissar vorgeschriebenen Weg ge- gangen, und sie is ohne Weiteres zurückgewiesen worden, Die Ansicht des Herrn Landtags-Marschalls is übrigens um so s{chwerer durchzu- führen, als Widersprüche mit derselben unagusbleiblih sind. Ein Antrag is eingereicht worden auf Erbauung stehender Brücken über den Rhein, Das ist doch eine Sache, von der man sagen sollte, sie beträfe nur die Rhein - Provinz und gehört uicht hierher, insofern man nicht annimmt, daß der ganze Staat ein Juteresse dabei habe, daß der Rhein auch auf stehenden Brücken überschritten werden könne. Diese Ansicht muß der Herr Landtags-Marschall gehabt haben, indem er diese Petition angenommen hat, während auf der anderen Seite bei der Petition aus Posen eine andere vorgeherrscht hat. Dort hat die Ansicht vorgeherrsht, eine Rechtsverlebung, worüber man sih dort beschwert, ginge dem ganzen Staate nichts an, Meine Ueberzeugung is nun, daß diese Angelegenheit eine noch viel allge- meinere is, als die ein&MSstehenden Brücke über den Rhein. §. 13 der Verordnung vom 3. Februar 1847 sagt übrigens, daß Bitten und Beschwerden, welche allein das Junteresse der einzelnen Provin= zen betreffen, vor den Provinzial-Landtag kommen sollen. Dieses Allein, was hier sehr absichtlich geseßt i}, allein bestimmen, sei= tens des Marschalls bestimmen zu lassen, halte ih für sehr gefähr- lich und wünsche sehr, daß der Herr Landtags-Marschall einen ande- ren Weg einschlüge und die Abtheilung berathen ließe. Mein Schluß- Antrag geht darauf, daß er die vorliegende Petition einer Abthei- lung zuweisen wolle. :

Marschall: Es ist mir von dem Herrn Redner als Jukonse- quenz vorgeworfen, daß ich geglaubt habe, den Petitions-=Antrag der Herren Abgeordneten aus der Provinz Posen einer Abtheilung nicht überweisen zu dürfen, da dies doch geschehen sei mit der Petition, betreffend den Bau einer stehenden Brücke über den Rhein. Jch gebe zu, daß es zweifelhaft erscheinen könnte, ob Leßteres eine all-

E candes-Angelegenheit betreffe. Hier muß ih aber wiederho-

E. ad Vg habe, die Vorschriften des Reglements ral, wo ih Uber die Anwendung derselben zweifelhaft bin, zum

Vortheil der Betheiligten auf das weiteste auszulegen E

Es haben sich noch mehrere Red Ci “die über di

Sache zu \préchèn wi neprere Redner gemeldet , die über diese

ace zu prechen wünschen; vielleicht dient es aber zur Verkürzung der Pn, wenn ih ausspreche, wie ih zu verfahren gedenke. Es ist von mehreren Seiten behauptet worden , daß ih gegen die

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Bestimmung des Buchstaben a §. 26 gehandelt hätte, wonach ih den betreffenden Petitions-Antrag einer Abtheilung hätte überweisen müs- sen. Meine Meinung is dagegen, daß ih dazu nicht berechtigt gewesen. sei. Sollte die Mehrheit dieser Meiuung beitreten, daß ih in dieser An- gelegenheit nicht in meinem Rechte gewesen wäre, so würde der Fall des §. 29 eintreten, der da sagt: „Sollten über die Auslegung der vorstehenden Vorschriften Zweifel entstehen , so is einstweilen, bis Wir darüber entschieden haben, nah der Bestimmung des vorsiben- den Marschalls zu verfahren.“ Meine Absicht ist álso, die hohe Versammlung zu fragen, ob sie der Meinung is, daß ih gegen die Bestimmung des Buchstaben a §. 26 verstoßen habe, und sollte diese Entscheidung gegen mich ausfallen, so werde ih die Allerhöchste Ent- scheidung einholen. Jh werde sodann meine desfallsige Jmmediat- Eingabe morgen der hohen Versammlung vortragen und dem Herrn Landtags-Kommissar zur Beförderung übergeben. j

Wenn Jemand noch das Wort verlangt, so bitte ih ihn, sich zu melden. i __ Eine Stimme (vom Plaß): Jn Bezug auf die Abstimmung ist die Meinung getheilt darüber, ob die Petition eine provinzielle oder eine allgemeine sei.

(Unterbrehung durch den Ruf nah Abstimmung.)

Jh bitte nur um vier Worte. Es is Zweifel darüber vorhan- den, ob die Petition eine solche sei, die die allgemeinen Juteressen des Landes, oder eine solche, die nur das Jutersse der Provinz Posen be= trifft; wenn ih nicht weiß, über was ich abstimmen soll, so kaun ih nicht wissen, wie ih stimmen soll. :

Abgeordn. von Auerswald: Jch würde, da die Versamm- lung die Abstimmung verlangt, sehr gern auf das Wort verzichten, wenn die Redner nach mir dies gleichfalls thun, i

_Marschall: Wenn die Redner nicht alle verzichten wollen, \o müssen wir sie alle hören. Jh muß hinzuseßen, daß ih mir die Petition erbitten muß, damit ih sie meinem Jmmediatgesuch an Se. Majestät den König beilegen könne. O

_ (Stimmen verlangen dur einander theils das Wort, tl'eils die Abstimmung.) :

_ Abgeordn. von der Heydt: Jch bin der Meinung, daß es wesentlich sei, zu erfahren, aus welchen Gründen man den Marschall für niht kompetent erahte. Jh bin der Meinung, daß durch das Reglement überhaupt der Versammlung nicht die Befugniß genommen werden kann, die durch das Geseß vom 3. Februar d. F. gegeben worden ist, und daß nur dur geseßliche Bestimmung dies Recht ge- nommen werden kann, : ; :

Abgeordn. Hansemann: Zuvörderst muß ih wünschen, daß der Marschall die Güte hätte, die Frage so zu stellen: Ob die Ver= jammlung der Meinung sei, daß die vorliegende Petition einer Ab- theilung zuzuweisen sei. 4

(Wiederholtes Rufen nah Abstimmung.)

Marschall: Der Herr Redner hat noch nicht ausgesprochen.

__ Abgeordn. Hansemann: Diese Form der Fragestellung scheint mir im vorliegenden Falle die zu sein, welche die Änsicht der Den sammlung über das Prinzip ausspricht, ohne \o {rof} zu sein, wie andere Fragen, Sodann erlaube ih mir, auf den Gang einzugehen, den der Herr Landtags - Marschall einschlagen will, nachdem die ge- stellte Frage bejahend von uns entschieden wäre. . Der Herr Land- tags - Marschall hat erklärt, daß er alsdann bei Sr. Majestät dem Könige eine nähere Interpretation einholen würde. Jch habe die Ueberzeugung, daß Abänderungen der Geschäftsordnung, denn Juter- pretationen sind nah Umständen Abänderungen ( Gelächter) nur mit Veirath der Versammlung geschehen können. Es \cheint mir, wenn der Marschall einseitig bei Sr. Majestät Interpretationen einholen will, so muß die Kurie vorher darüber zur Berathung gelassen werden. j :

Graf von Schwerin: Jch bin nicht der Meinung, daß die Frage gestellt werden kaun, wie der Abgeordnete Hansemann bean- tragt hat: „ob die Petition einer Abtheilung zugewiesen werden soll.“ Es handelt sich um die generelle Frage, ob der Marschall kompetent sei, einen Antrag aus eigener Machtvollkommenheit zurückzuweisen, oder ob die Versanimlung darüber zu ektscheiden habe. i

__ Abgeordn. von Vincke (vom Plate) : Jch bitte, mir nur einige Worte über die Fragestelluug zu gestatten, Jch schließe mi der Ansicht des geehrten Abgeordneten aus der - Provinz Pommern an, aber mit der Modification, auf Grund des §. 7 der Geschäftsord= nung.

(Verliest die betreffende Stelle im §. 7 der Geschäftsordnung.)

¡„Jeder Plenar-Berathung muß eine Vorbereitung dur eine Ab-

theilung vorausgehen u. \. w.“ j

__ Abgeordn. wes: Nach meinem Dafürhalten kaun unmöglich

die Versammlung dem geehrten Abgeordneten aus der Provinz Pom- mern beistimmen, Es fommt jeßt nicht darauf an, ob der Herr Mar-= schall überhaupt das Recht haben soll, eine Petition zurückzuhalten, So allgemein kaun die Frage uicht gestellt werden. Vielmehr han- delt es sih hier nur darum, ob der Marschall auf Grund des Ge- seßes und des Reglements, welche die einzigen Nornt!en für die Ge- \chäftsorduung der Versammlung sind, ob der Marschall also die in Rede stehende Petition einer Kommission überweisen mußte oder sie zurückweisen durfte. __ Abgeordn. Sch auß: Mir will scheinen, als ob dies die Frage ist, die hier entschieden werden soll, und ich muß mich dem Antrage des Grafen von Schwerin anschließen, und ih glaube, daß der Herr Marschall auch wünschen muß, daß die Versammlung wisse, wie künf- tige Fälle zu regeln seien, Jch bin der Meinung, daß die Entschei- dung nur der Versammlung zustehen kann. Es is gewiß gefährlich, wenn Einer seine Stimme darüber abgeben will, was abzuweisen ist oder nicht.

Abgeordn. Mevissen (vom Plaße): Eine Abänderung des Re= glement kann nur auf verfassungsmäßige Weise und nicht dur einen JImmediat=Antrag des Herrn Marschalls bewirkt werden , . .

(Schluß war nicht hörbar.)

Abgeordn. von Bardeleben (vom Plate): Einer unserer größ- ten Staatsmänner, Wilhelm von Humboldt, stellte den Sa auf, daß es \{chwerlich einem Staatêmanne gelingen könnte, eine scharfe Gränze zu ziehen zwischen Dingen, die provinziell, und solchen, die allgemein sind. Wenn dieser Sab richtig ist, und er dürfte wohl nicht leicht bestritten werden, und wenn es richtig ist, daß alle Gegenstände von der Versammlung berathen werden müssen, so ist es klar, daß, wenn dem Marschall die Befugniß zusteht, zu entscheiden, ob ein Sab provinziell oder allgemein is, es häufig vorkommen kann, daß Gegenstände, die allgemein , ..

(durch den wiederholten A nah Abstimmung unterbrochen.)

Jch mache den Antrag, daß die Frage allgemein gestellt werde: Ob dem Herrn Marschall die Befugniß zusteht oder nicht.

Eine Stimme: Cs soll die Frage entschieden werden, ob der Versammlung oder dem Marschall die Kompetenz zusteht, über Gegenstände, die hier verhandelt werden, - eine Erklärung abzugeben. Es is die A des Marschalls, seinerseits auf Grund der Erfklä- rung der Versammlung sein Gesuch an Se. Majestät den König zu bringen, ih halte das nah §. 22 der Ge cchäftsordnun nicht für zulässig. Es kann dies nicht einseitig durch den Marschall allein, sondern muß von der Versammlung auf dem hier IEENGIERN Wege an Se. Majestät gebraht werden, Der Paragraph lautet:

„Auf Grund sämmtlicher Verhandlungen wird von d eferent oder demjenigen, welchen der Marschall dazu bestimmt I Erfl&. rung der Stände abgefaßt, welhe in einer anderweiten Plenar= Versammlung zu verlesen und nach erfolgter Genehmi ung -in einer in gleicher Weise wie das Protokoll (g. 24) zu vo ziehen- den Reinschrift durch den Marschall Unserem Kommissarius zu übergeben ist.““

Wenn einmal hier ein Beschluß gefaßt is, der zur Grundlage eines Gesuhs an Se. Majestät benußt werden soll, so muß auch diese Form gebraucht werden.

Landtags- Kommissar: Jch glaube zur Aufklärung der Verhandlung und zugleih zur Wahrung der Rechte der Krone hier die CRE niederlegen zu müssen, daß es sich nicht um die Ent- scheidung der Versammlnng handeln kann, ob- der Landtags-Marschall das Recht habe, Petitionen zurückzuweisen oder niht. Jh habe auch den Herrn Marschall nit so verstanden, als sei dies seine Absicht, vielmehr dürfte solche nur dahin gehen, daß er die Versammlung darüber befragen wolle, ob sie glaube, daß ex ín seinem Rechte sei. Wenn die Majorität dies glaubte, so würde er die Sache auf sich beruhen lassen; wenn die hohe Versammlung dagegen glaubte, er sei nicht in seinem Rechte, so würde er die Entscheidung Sr. Majestät erbitten. Sollte die hohe Versammlung. der Meinung sein, daß sie entscheiden dürfe, ob der Marschall das Recht habe, ungeeignete An- träge zurückzuweisen oder niht, \o würde ich gegen eine solche Ab- stimmung protestiren müssen. Jch bemerke weiter, daß, wenn die Meinung aufgestellt ist , das Reglement könne niht anders als nach Anhörung der Stände geändert werden, ich dies nicht zugestehen fann. Es findet sich §. 31 des Reglements die Bestimmung :

Wir behalten Uns vor, eine Revision des gegenwärtigen Regle=-

1

ments eintreten zu lassen, wenn sich solche nah den darüber ge-

sammelten Erfahrungen künftig als nothwendig oder wünschens- werth ergeben sollte.“

Also haben Se. Majestät sich die jedesmalige Feststellung des Regle-

ris vorbehalten, und dies i zur Zeit der einzige geseßliche An-

alt,

Abgeordn. von Auerswald: Was ich in dieser Angelegen= heit sagen wollte, is großentheils durch den Königlichen Herrn Land= tags - Kommissar erledigt, und ih erlaube mir daher nur noh die dringende Bitte hinzuzufügen, daß die Frage nicht auf den speziellen Fall gerichtet werden möge, wie auch der Jmmediatbericht gestellt werde, sondern nah dem Wunsche der Versammlung dahin, ob über gewisse Petitionen, die zur Berathung vor dem Vereinigten Landtage nicht geeignet gehalten werden, vom Landtags - Marschall oder einer Abtheilung des Vereinigten Landtags in erster Justanz allgemein ent=- schieden werden soll, und ih glaube, wir würden durch die Berüh- rung der Spezialitäten nicht weiter kommen, während, wenn Se, Majestät der König darüber entscheiden sollte, ob solche Fälle vom Landtags-Marschall zu erledigen sind oder nicht, wir für alle jebigen und künftigen Fälle in Ordnung wären und es uns unbenommen bliebe, rücksichtlich aller derartigen Materien zu verhandeln.

Marschall: Jch bin nicht der Meinung, daß eine Prinzipien= Frage daraus gemacht werden dürfe, denn diese müßte, wenn sie. zur Entscheidung gebracht werden sollte, zuvor durch eine Abtheilung vor= bereitet werden. Meine Ansicht ist, die Frage so zu stellen, wie ich sie bekannt gemacht habe, nämlich so, daß die sich nur auf den vor- liegenden Fall bezieht. Jch bemerke, daß die Stellung der Frage

in dieser Art um so mehr unbedenklich erscheint, da sih dieser Fall \{werlich wieder ereignen wird, nachdem der Präklusiv-Termin für die Einbringung der Petitionen geschlossen is. Doch, eben fällt mir ein, baf allerdings noh einige Anträge eingegangen sind, welche eben so behandelt werden müssen. Jch halte es aber für besser, daß dann die einzelnen entstehendeu Fragen auf dieselbe Weise entschieden wer- den, Die zu stellende Fräge lautet: (liest vor). Js die Versamm-

lung der Meinung, daß der Landtags -= Marschall den §. 26 a. des Geschäfts-Reglements unrichtig ausgelegt habe, indem derselbe si nicht für befugt hält, den fraglichen Petitions-Antrag anzunehmen?

Abgeordn. Aldenhoven (vom Plaß): Jh erlaube mir die hohe Versammlung darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn sie über die vom Herrn Marschall vorgsschlagene Frage ‘abstimmen wollte, sie das Prinzip anerkannt habe: als stehe dem Marschall das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob ein Gegenstand vor den Vereinigten Land- tag oder vor die Provinzial-Stände gehöre. Sie würden erklären, daß sie nur darüber in Zweifel seien, ob der Landtags-Marschall in dem vorliegenden Falle den geeigneten Gebrauch von seinem Rechte gemacht habe. Aus diesem Grunde erkläre ich mich gegen die Fragestellung über die speziellen Fälle und} beantrage, daß die Frage im Aligemeinen über das Prinzip gestellt werde.

Marschall: Jch bin der L daß sich die Versammlung nicht die Entscheidung über die Fragestellung aneignen werde, weil diese mir zusteht, ih glaube bereits öfters gezeigt zu haben, daß ich Jedermann darin Gehör gebe und jeden Rath annehme, wie ih denn auch jeßt bereit bin, noch einen Rath anzunehmen,

Abgeordn. von Beckerath: Meine Herren, es {eint mir noch ein weiterer Grund für die allgemeine Stellung der Frage darin

zu liegen, daß bereits mehrere Petitionen, welche andere Gegenstände betreffen, von dem Herrn Landtags - Marschall zurückgewiesen worden sind, weil sie, nah seiner Meinung, niht zur Kompetenz des Ver=- einigten Landtages gehören, Namentlich habe auch ich eine Petition wegen Aufrechthaltung der nationalen Selbstständigkeit der Herzog= thümer Schleswig-Holstein eingebracht, und ih glaube darin bewiesen zu haben, daß diese Frage für Deutschland, für Preußen eine tief innerlihe Angelegenheit if. Diese meine Ueberzeugung is durch das, was der Herr Landtags-Marschall dagegen angeführt hat, nicht er- schüttert worden, und ih glaube, daß auch die hohe S sie als richtig anerkennen wird. Wenn aber der Herr Landtags- Marschall ein Recht hätte, das Geschäfts-Reglement dahin zu deuten, daß er Petitionen aus eigener Machtvollkommenheit zurückweisen kann, so wäre unter Umständen der Versammlung jede Gelegenheit abge- schnitten, sich über wichtige Lebensfragen der Nation auszusprechen z deshalb erkläre ih mich mit denjenigen einverstanden, welhe den An- trag als einen allgemeinen, auf das Prinzip gerichteten gestellt wissen

wollen. ; ; e Marschall: Es is ganz richtig, daß ich auch diesen Petitions- Antrag nicht für geeignet erachtet habe, ihn anzunehmen und einer Abtheilung zu überweisen, und habe ih nichts dagegen, wenn die Frage it gestellt werde. ; u Vuirea Alma Dann würde die Frage gestellt wer den, ob die Versammlung dem Marschall das Recht zuerkenne, eine Petition zurückzuweisen, und es dem Marschall zustehe, darüber zu entscheiden, ob die Petition nur von provinziellem oder von allgemei- nem Interesse seiz ich kann indessen dem Herrn Marschall das Recht nicht einräumen, darüber r aura ia: und glaube, daß die ganze ü ehört werde . ; Berl nba s Mi j b M Nah den Aeußerungen, welche von dem Königlichen Kommissar gehalten sind, scheint es mir, ohne auch jeßt auf die Frage einzugehen, von der größten Wichtigkeit zu sein, daß wir eine ganz authentishe Jnterpretation bei Sr. Majestät dem Kö- nige nahsuchen. Der vorliegende Konflikt, ob der Landtags-Mar- schall allein das Urtheil abgeben soll, ob eine Petition provinziell

oder generell sei, {eint mir, ist ein Gegenstand, der von der größe