1848 / 24 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

S iere mer E Arme

Mett E E E Er E n

Gegen die Ansicht, daß die Vorschrift, wie die Strafe zu voll- strecken sei, niht in das materielle Strafgeseß, sondern in die Prozeß- Ordnung gehöre, wurde angeführt, daß durch die Oeffentlichkeit der Vollstreckung die Strafe selbst einen wesentlich verschiedenen Charafter erhalte, und die Abtheilung hat sich mit 8 gegen 6 Stimmen dafür erflärt, in das Geseß die ausdrüdcklihe Bestimmung aufzunehmen, daß die Todesstrafe öffentlih zu vollstrecken sei.

Daß die Todesstrafe durch Enthauptung zu vollstrecken sei, hat feinen Widerspru gefunden; dagegen is ferner in Erwägung gezo- gen worden, ob nicht speziell das Jnstrument der Enthauptung K net werden müsse, Die im Jahre 1843 versammelt gewesenen Land- tage haben sih in der Mehrzahl für die Anwendung des Fallbeiles ausgesprochen, und die Abtheilung hat sich einstimmig für die Anwen- dung dieses Justruments erklärt.

_ Endlich hat die Abtheilung die si bei §. 8 anschließende, in der Zusammenstellung mit Nr. 1 bezeichnete Frage erörtert :

ob statt der im Entwurfe von 1843 angeordneten Schärfung der

Todesstrafe die im gegenwärtigen Entwurfe angeordnete Schärfung

stattfinden solle? __ Nah den Motiven zum vorliegenden Geseß-Entwurfe is von der Schärfung der Todesstrafe durh Schleifung des Verbrechers zur Richtstätte, wie sie der Entwurf von 1843 anordnete, Abstand genom- men worden, da sih mehrere Landtage gegen jede auch nur symboli= {he Schärfung der Todesstrafe als eine in sich ungerechtfertigte und nicht erforderlihe Modification der absolut höchsten Strafe erklärt haben. Dieser gegen jede Schärfung der Todesstrafe \sprehende Grund muß als richtig anerkannt werden; er spricht aber nicht blos gegen die im Entwurfe von 1843, sondern auch noch vielmehr gegen die im gegenwärtigen Entwurfe angeordnete Schärfung, da diese leßtere sich als Verstümmelung eines entseelten Körpers darstellt, wo= gegen sich das menshlihe Gefühl empört. Der Verlust der Ehren- rehte fann als Schärfung der Todesstrafe nicht eintreten, weil ohne- dies mit dem Leben auch die Möglichkeit , ferner Ehrenrehte aus=- zuüben, von selbst aufhört.

Die Abtheilung hat sich einstimmig gegen jede anzuordnende Schärfung der Todesstrafe erklärt.

Nach alle dem wird vorgeschlagen,

zn beantragen :

l) die Bestimmung im ersten Alinea dahin zu vervollständigen, daß die Todesstrafe öffentlich‘ durch Enthauptung ver= mittelst des Fallbeils““ zu vollstrecken sei ;

2) die Bestimmung im zweiten Alinea ganz fortzulassen.

Marschall: Derbloße Bericht der Abtheilung machtdie Stellung von fünf Fragen erforderli. Daraus folgt, daß es au zweckmäßig, ja sogar nothwendig ist, daß die Diskussion des Gegenstandes sich theile, und es wird deshalb zuerst der erste Abschnitt des Abtheilungs-Gutachtens zur Diskussion gestellt, welher auf Seite 8 bis zu den Worten sich erstreckt: „die Abtheilung hat ferner in Erwägung genommen““, und die Frage enthält, ob die Abschaffung der Todesstrafe zu beantragen sei oder nicht? Ueber diese Frage also eröffne ih die Berathung und rufe zuerst auf den Abgeordn. Plange.

__ Abgeordn, Plange: Jch halte die Todesstrafe nicht gerecht, niht nothwendig und gefährlih, und diese Ansicht veranlaßt mich mcht nux, soudern macht es mir auch zux Pflicht, auf Abschaffung derselben anzutragen. Jch will von dem Standpunkte aus, ‘an den

ih mich hinstelle, nicht auf die Nüßlichkeitsgründe, wodurch man diese Strafe zu rechtfertigen sucht. eingehen, denn ih halte sie nicht für

entscheidend; ich halte sie aber auch nit für wahr und bewährt, und zudem kann cin Zweck verwerflihe Mittel nie heiligen.

Jch habe die Todesstrafe noh nirgend begründet gefunden, und für sie spriht wohl nur die menschlihe Saßung ihres Daseins und der leider lange Gebrauch; daß hierin aber eine Begründung dieser Strafe nicht liegen kann, bedarf wohl feiner näheren Ausführung.

In neuerer Zeit hat man sh bemüht, diese Strafe durch das Recht der Wiedervergeltung zu rechtfertigen, allein ih kann dem State nicht dies Recht, nur eine Vergeltung, niht aber eine Wiedervergeltung einräumen. Wiedervergeltung 1ist kein Recht , Wiedervergeltung is eine Rache und feine Strafe, die ohnedies auf den Tod nur den Tod folgen lassen würde, und die in einer konsequenten Durchführung ihre eigene Verwerflichkeit bekun- den würde.

Der Todesstrafe steht die Wahrheit entgegen, daß der Staat, gebildet durch die Vereinigung eines Jnbegriffss von Menscheu zum Staatszweck unter einem Oberhaupt, sich von dem Einzelnen nicht +1 Rechte übertragen lassen kann, als dieser selbst über sich vesibt.

Da nun na) unseren Rechts- und Religions =- Verhältnissen und Begriffen Niemand das Recht der Selbstentleibung zusteht , so kann er auh das über Leben und Tod an den Staat nicht übertragen, dieser somit die Befugniß nicht erworben haben, einen Menschen au- ßer dem Stande wahrer Nothwehr zu tödten.

Die Todesstrafe ist keine nothwendige , denn sie kann völlig er- seßt werden. Jhr Zweck, als absolute Sicherheitsstrafe, is das Un- \chädlihmachen, die Gefahr von der bürgerlichen Gesellschaft zu ent- fernen, noch einmal dur denselben Verbrecher in ihren Rechten ver- legt zu werden. Dieser Zweck kann durch Einsperrung erreicht wer- den, wie er gegen tobende Wahnsinnige erreiht wird, ohne es für nothwendig zu halten, dem Menschen den Weg zu seiner moralischen Besserung abzuschneiden oder zum Tode hinüberzugreifen. Der Tod ist Vernichtung, aber nicht eine in ihren durch die Nothwendigkeit des Zweckes gebotenen Gränzen gehaltene Sicherheitsstrafe. Die Todesstrafe ist gefährlich, denn, ist sie vollbracht, dann giebt es zum Leben keine Rückkehr mehr.

Jch will nicht die Opfer aufzählen , die in Zeiten der Tortur und in späteren Jahren dieser Jnstitution gefallen sind, ich will nur zwei Fälle der jüngsten Zeit erwähnen.

Ju verflossenen Monat berichteten uns die öfentlihen Blätter aus Hannover, daß in diesem Staate vor 11 Jahren ein Mann, zum Tode verurtheilt, zu lebenswieriger Freiheitsstrafe begnadigt Worden und daß jest sich ein anderer Thäter jenes Verbrechens herausgestellt und er als Unschuldiger entlassen s.

Jn diesem Monat bringen uns die öffentlihen Blätter aus Ra=- venna die Kunde, daß dort vor 2 Jahren wegen eines todtgefunde= nen Oesterreichers zwei Jünglinge als Thäter hingerichtet worden, und daß ih jeßt ihre Unschuld ans Licht gestellt , ein Anderer als Thäter dasteht. j

Indessen, ihre Unschuld wird sie aus den GBefilden des Todes zu uns nicht wieder zurückführen. :

Können nicht unter mannigfach gebrehlihen Verhältnissen ähn- liche Feigen eintreten? Und wäre es nur Eine, sie wäre {on zu viel.

Es fordert also die Gerechtigkeit, es fordert das menschliche Ge- fühl, daß der Tod als Strafe niht mehr eintrete.

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Jch kann den von dem ge- ehrten Redner, der eben gesprochen hat, entwidelten Ansichten nicht beipflihten. Es is für und wider die Todesstrafe bereits so viel ge- sagt und geschrieben worden, daß es allerdings {wer werden dürfte, etwas noch nicht Gekanntes über diesen Gegenstand auszusprechen. Auch bin ih nicht Rechtsgelehrter und vermag nicht, in einer gelehr-

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ten Deduction die Theorieen näher zu beleuhten, die in dieser Be- ziehung geltend gemacht worden sind. Jh bitte um die Erlaubniß, in kurzen, einfahen Zügen meine Ansicht auf Grund meiner morali= schen Ueberzeugung und meines inneren Gefühls aussprechen zu dür- fen. Nach meiner Ansicht is} der erste Zweck der Strafe der Schuß der Gesellschaft gegen Verbrechen und der zweite: Hinwirkung auf die Besserung des Verbrehers. Wo beide Zwecke vereinbar sind, hat das Geseß die Verpflichtung, den leßteren zu berüdcksihtigen ; wo der zweite dem ersten hemmend R s muß er dem wichtigeren weihen, man würde sonst den Verbrecher, niht die Gesellschaft, hüben. Wenn der Schuß wirkli erreiht werden soll, so muß das Maß der Strafe dem Grade des Verbrechens entsprehen. Der Schuß muß so wirksam sein, daß er vou Begehung dieser Verbrechen wirklich und nahhaltig abhält. Man hat die Einführung der To-= desstrafe aus zwei Theorieen hergeleitet, aus der Theorie der Wie- dervergeltung und der Theorie der Abschreckung, man hat sogar die Theorie der Wiedervergeltung aus der christlichen Lehre herleiten wol= len. Jch kann dieser Theorie mich nicht anschließen, der Grundsatz : Auge um Auge, Zahn um Zahn, kann in unserem Zeitalter nicht mehr Plaß greifen. Das Motiv der Blutrache konnte nur in frühe- ren Jahrhunderten Geltung finden, wo der Staat nicht hinreichende Macht besaß, seinen Geseßen überall Nachdruck zu verschaffen; mit der Bildung des civilisirten Staates hörte die Blutrache, hörte das jus talionis auf. Der Einzelne begab sich des Anspruches auf Selbst- hülfe und Wiedervergeltung und suchte Shuß unter den Gesebßen des Staates, welcher ihm denselben in vollem Maße zu gewähren ver- pflichtet is, Dagegen halte ih aus den Gründen der Theorie der Abschreckung die Todesstrafe für nothwendig und unentbehrlich. Der Geseß-Entwurf hat ihre Anwendung auf Hochverrath, {were Ma- jestäts-Beleidigung und Mord beschränkt, also auf die größten Ver- brechen, die der Mensch begehen kann, indem er sich von der Besell= haft losreißt und ihre heiligsten Bande zerreißt. Die Strafe für diese Verbrechen muß eine viel bedeutendere als für alle anderen sein, wenn sie dem Rechts-Bewußtsein des Volkes genügen , vollklommenen Schuß gewähren soll. Die Frage, ob eine andere denselben Schuß bieten fann, glaube ich mit Nein beantworten zu dürfen. Die s{hwerste Strafe, die an der Stelle der Hinrichtung stattfinden könnte, wäre die lebenswierige Cinfkerkerung, ih glaube aber, aus Gründen, die ih entwickeln werde, daß sie nicht genügend erscheinen fann. Der Gruud- saß, „das Leben is der Güter höchstes nicht“, ist nur eine Wahrheit für den gebildeten, auf einer höheren Stufe der Sittlichkeit stehenden Menschen, der rohe, ungebildete, namentlich der bereits sittlich ver- worfene Mensch klammert sich an das elendeste Dasein mit allen sei= nen Organen, für ihn is nur das Aufhören seines physischen Daseins, der Tod selbst, ein Bild des Schreckens. Dieses Schreckbild gewährt ihm die lebenswierige Einkerkerung nicht, denn sie fristet sein Dasein, auch bleibt ihm das Reich der Hoffnung unverschlossen. So lange der Mensch lebt, hofft er, und wer vermöchte das Gebiet der Möüg=- lichkeit zu ermessen, wodurch jene Hoffnung zur Wahrheit werden fann? Flucht, Krieg, G \chütterung der geseßlihen Ordnung können sein Gefängniß öffnen. Jh frage, welcher Gefahr is aber die Ge= sellschaft ausgeseßt, wenn die gesprengten Kerker diejeuigen, welche die Gesellschaft aus ihrer Mitte verstoßen hat, von neuem auf sie loslassen?2 Jch - erinnere an den Brand von Mos= fau, Ich will die hohe Versammlung nicht mit der Aufzählung von Beispielen ermüden , die mi- bekannt sind, und durch welche ich bestätigt gefunden habe, wie gering der sittlich entwürbdigte Mensch selbst lebenslängliche Kerkerhaft im Verhältniß zur Todesstrafe an= schlägt, wie die Furcht vor der Todesstrafe allein vermag, ihn von den größten Verbrechen abzuhalten. Man hat die Wirksamkeit der öffentlichen Hinrichtungen in Zweifel gestellt, man hat Fälle ange- führt, daß ein Mensch, welcher einer öffentlihen Hinrichtung bei- wohnte, wenige Tage darauf einen Mord beging. Es mag zugege= ben werden, daß es Fälle giebt, wo die Leidenschaft einen solchen Grad erreicht, daß sie die Vernunft betäubt, daß sle den Menschen in einen Grad des Wahnsinns verseßt und zum Verbrechen hintreibt, wo selbst die Furht vor dem Tode niht mehr wirksam ist. Aber die Fälle sind uns unbekannt geblieben, wo das Beispiel einer öffentlichen Hinrichtung, wo die Furcht vor der Todesstrafe die {on zum Morde erhobene Hand entwaffnete, und ich glaube, daß diese Fälle die zahlreicheren sind. Es is als Argument gegen die Todesstrafe hervorgehoben wor= den, daß es keiner menshlihen Gewalt zustehe, ein irdisches Dasein zu vernichten, daß man dem Verbrecher Zeit geben müsse, seine That zu bereuen, sich zu bessern und sich hier für das jenseitige Leben vor=- zubereiten. Diese Zwecke sind edel, mild und schön, aber sie werden in den wenigsten Fällen zur Wahrheit. Wenn die Einkerkerung wirk- sam sein soll, so muß sie lebenswierig und einsam sein. Was 1 daun aber ihr Einfluß auf den menschlichen Geist, entweder sie führt zur Verzweiflung, zum Wahnsinn und Selbstmord, oder sie führt zur thierishen Verdumpfung, was in den meisten Fällen stattfinden wird ; beide Zustände sind aber nicht geeignet, den Menschen auf ein besse- res Jenseits vorzubereiten. Fällt aber das Haupt des Verbrechers unter dem Beil, so hat er seine Schuld theilweise hon auf Erden gebüßt, und die ewige Barmherzigkeit wird seine Schuld und seine Strafe bemessen. Jh erlaube mir noch einen wichtigen Grund für die Beibehaltung der Todesstrafe anzuführen, es ist der, daß in dem sittlichen, ja, ich möchte sagen, in dem religiösen Gefühle des Volkes die Todesstrafe als gerechtfertigt, als nothwendig erscheint, Wenn wir sie abschaffen, eine mildere Strafe an ihrer Stelle einführen, \o würden wir den Abscheu vor diesen todeswürdigen Verbrechen ver- wischen und das sittliche Gefühl des Volkes erschütttern und ver- legen. Aus allen diesen Gründen kaun ih mi nur für Beibehal- tung der Todesstrafe aussprechen, und ih würde mein Gewissen {wer belastet fühlen, wenn durch meine Theilnahme an dem Beschluß für ihre Abschaffung nur ein Menschenleben unter der Hand des Mör- ders fiele. ; ; 2 Abgeordn. Schier: Jch schließe mih dem Antrage auf Ab- schaffung der Todesstrafe völlig an. Jh will nicht reden von den

philanthropishen oder vielmehr menschliheren Grundsäßen, welche -

durh die Schriften eines Beccaria, eines Voltaire, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts die verabscheuungswürdigen Gräuel der französishen Kriminal - Justiz schonungslos aufdeckten, welche durch die erleuhteten Jdeen und Regierungsmaßregeln Friedrichs des Großen, hauptsächlich aber durch die von der ökonomischen Gesellschaft zu Bern im Jahre 1777 gestellte und von 46 Konkurrenten aus fast allen Theilen Europa?s beantwortete Preisschrift über eine bessere Kriminal - Geseßgebung in Deutschland Eingang und Geltung erlang- ten, ih will niht davon reden, da leicht diesen Auseinanderseßungen der Einwand entgegengestellt werden könnte, daß dadur nur das menschliche, leiht erregbare Gefühl in Anspruh genommen werden fönne und diesem gerade bei der vorliegenden Frage durchaus feine Stünme zuzugestehen sei. / i

Nein, im Gegentheil, ih beantrage die Abschaffung der Todes- strafe nur aus dem Grunde, weil sie ih nach feinem Strafrechts=- Systeme rechtfertigen läßt.

Jch will in der Kürze versuchen, den Beweis zu führen.

Unter allen Systemen, nach welchen das Recht zu strafen ge- rechtfertigt werden soll, ist das Erziehungs-System das älteste. Schon im römischen und fkanonischen Rechte kommen Spuren davon vor,

Es bedarf feiner Auseinanderseßung, daß in diesem Systeme von der Todesstrafe nicht die Rede sein kann , da der Verstorbene nit erzo= gen, nit gebessert werden fann. - Eben so ist es bei der physischen Abschreckung. Der Verbrecher, der Mensch, der ein Delikt begangen hat, ‘wird bei dieser Theorie nur als Mittel zum Zwecke gebraucht. Dieses widerspriht niht nur der Menschenwürde im Allgemeinen, sondern is auch widerrehtlich, wenn man die Strafe bis zur Ent= ziehung des Lebens, eines unveräußerlichen Gutes, ausdehnt. Des= halb fam man bald zu einem entgegengeseßten, zum sogenannten Prä- ventions-Systeme. Dieses will nicht strafen zur Abschrekung Ande- rer ; jondern will durch die Strafe entgegentreten der verkehrten Willensstimmung, welche der Verbrecher durch das begangene Delift kundgegeben, und wodurhch erx der Befürchtung Raum gegeben hat, daß er auch künftig das Rechtsgebiet Anderer verleßen werde. Dag nach diesem Systeme die Strafe nihts Anderes is, als eine Pränu-= meration für fünftige Delikte, so widerstreitet wiederum die Todes- strafe dem diesem Systeme zu Grunde liegenden Prinzip. Der Todte fann feine ferneren Verbrechen begehen. Das vierte System, welches der Philosoph Kant aufstellte, ist das System der Wiedervergeltung oder der absoluten Strafgerechtigkeit. Dieses System geht von dem Grundsatze aus, daß ein kategorisher Jmye- rativ, d. h. daß die Natur und das Wesen der Gerechtigkeit ver lange, daß jedem Menschen geschehe nah feinem Verdienste, daß die Golgen einer Handlung mit der Handlung selbst in das gehörige Gleichgewicht gesezt werden. Obgleich dieses System auf den ersten Blick haltbarer erscheint, so stellt es sich doch bei näherer Betrach- tung als völlig unpraktisch dar, da kein siherer Rückshluß von den Folgen einer Handlung auf die Motive derselben gezogen werden fann, indem bei den besten Absichten oft die {chlechtesten Folgen her=- vorgehen, und so umgekehrt. Die Todesstrafe insbesondere aber läßt sich durch dieses System durchaus nicht rechtfertigen, weil nah dem=- selben fulpose und dolose Verbrechen gleih gestraft werden müssen, Deshalb erfand der fönigsberger Philosoph Fichte (Mehrere Stimmen rufen: Kant)

das System eines sogenannten Abbüßungs - Vertrages. Mag man nun aber hierbei von einem generellen Vertrage, den jeder Unterthan bei seinem Eintritt in den Staat stillshweigend abschließt, oder mag man von einem pactum speciale, welhes vermöge einer Fiction mit dem Verbrecher nah begangenem Delikt abgeschlossen wird, ausgehen, so viel is gewiß, daß über das Leben, als ein unveräußerliches Gu ein Vertrag mit Bestand Rechtens nicht abgeschlossen werden kan. Hierzu kommt, daß von einer Fiction deshalb nicht die Rede sein kann, weil die Fiction immer ein positives Gese voraussebt, ein solches Geseh aber, wenn es gilt, einen Saß vor der Vernunft zu vertheidigen, uicht in Frage fommen fann. Mit mehr Scharfsinn stellte Feuerbach das System der psychologishen Abschrekung auf. Er glaubte dadurch, daß ex niht die Strafe als erstes Prinzip an die Spiße stellte, sondern vielmehr die Strafandrohung, der Sache Genüge zu leisten. Allein wenn aus der Strafandrohung, wodurch allerdings noch keines Men- chen Rechtsgebiet verleßt wird, die Execution der Strafe, die Voll ziehung, folgen soll, wenn ferner, wie Feuerbach annimmt, der Staat seinen pflichtmäßigen Staats\huß nicht anders exerziren kann, als wenn er Strafe androht, so läuft Alles wieder auf einen Abbüßungs= Vertrag hinausz, welcher die Todesstrafe, wie gedacht, nicht rechtfertigt. Zuleßt suht man noch die Todesstrafe zu rechtfertigen durch die Nothwehr=Theorie. Man hat gesagt: wie der Staat befugt sei, bei einem Angriff von außen Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, so müsse dasselbe ihm auch zustehen bei einem Angriff von innen, da de: Staat durch jedes Verbrechen in seiner ferneren Existenz bedroht werde, Allein, wenn man berüsichtigt, einmal, daß, sobald das Verbrechen kfonsumirt, der eigentlihe Nothstand vorüber is, und zweitens, daß nah der Nothwehr-Theorie stets das mildeste Mittel zur Abwendung des Nothstandes angewendet werden muß, so liegt es auf der Hand, daß danach die Todesstrafe nicht gerechtfertigt erscheint. Wenn nach allen diesen Theorieen die Todesstrafe uicht verthetdigt werden fann und dies noch weniger durch sogenannte zusammengeseßte Systeme ge\shehen möchte, so kommt noch ein doppelter Gesichtspunkt hinzu, der von der Praxis hergenommen is und für die Aufhebung dc1 Todesstrafe spricht. Der erste ist nämlich der, daß chou nach einem alten Sprüchworte, unter dem Galgen am meisten gestohlen, also deu Zwedck, den man mit der Todesstrafe erreichen will, erfahrungsmäßig nicht erreiht wird. Dann hat aber auch die Erfahrung gezeigt, dai in allen Ländern, wo die Todesstrafe zeitweise abgeschafft war, nach den genauesten statistishen Tabellen die wenigsten todeswürdigei Verbrechen begangen worden sind. Aus allen diesen Gründen trage ih auf Abschaffung der Todesstrafe an. Ï

Abgeordn. von Münchhausen: Ich habe in der Abtheilung, deren Mitglied ih zu meiner Ehre bin, für Beibehaltung der Todes- strafe gestimmt. Jch bin bei Abgabe diescs Votums nicht von einer bestimmten Strafrechts-Theorie ausgegangen, weil ich es überhaupt und vorzüglih in Beziehung auf die Strafart und namentlich auf die Todesstrafe für bedenklich erachte, den leitenden Gesichtspunkt aus einzelnen Strafrehts-Theorieen zu entlehnen, sondern ih mit dem ge= ehrten Redner aus Schlesien, welcher dies gestern sehr beredt aus geführt hat, der Ansicht bin, daß bei Präfung eines Strafgeseß-Ent= wurfes die verschiedenen Strafrechts-Theorieen nicht für si, sondern vereint und mit einander verschmolzen und unter Beachtung des prak= tischen Bedürfnisses maßgebend scin müssen und in Anwendung zu bringen sind. Eben so wenig habe ih mein Votum auf philosophische oder religiöse Gründe und am allerwenigsten auf den Grundsaß der Talion gestüßt. Jch habe vielmehr für die Beibehaltung der Todes-= strafe aus dem Grunde gestimmt, weil ih sie aus dem Begriffe des Staates an sich für gerechtfertigt und in besonderer Beziehung auf unseren Staat wenigstens zur Zeit für unentbehrlich erachte. .

Das Strafrecht und besonders die Strafarten müssen si auf das engste an die Kulturstufe, auf welcher die große Masse des Vol= kes steht, anschließen, und ih erachte es für ein günstiges Zeichen der Kulturstufe des Volkes, wenn die Staatsgewalt die größte aller Strafen, die Todesstrafe, auf eine möglichst geringe Zahl von Fällen beschränken kann; ih halte es ogar für einen nicht geringen Beweis der sittlihen Krast des Staates, wenn er in dieser Lage ist, Jn unserem Staate herrscht, Gott sei Dank, eine solche Kultur, unser Staat ist so sittlich stark, daß er die Todesstrafe auf wenige Fälle zu beschränken im Stande ist, und hat daher der Geseßgeber in dem vorliegenden Entwurfe dieselbe mit vol- lem Rechte nur noch für einzelne Handlungen und namentlih nur noch für besonders schwere Fälle des Hochverraths, des Landesver= raths, der thätlichen Majestätsbeleidigung und des Mordes angedroht, Diese Handlungen, _wodurch die Gesundheit und das Leben des Kü- nigs und die Verfassung, ja die ganze Existenz des Staates gefähr= det oder dem einzelnen Staatsbürger die Bedingung seines Daseins entzogen wird, diese Handlungen sind \o strafbar und in einem so hohen Grade gemeingefährlih, daß ih auch für sie die \{chwerste der Strafen für vollkommen gerechtfertigt halte, Jh erachte in diesen Fällen die Todesstrafe nicht allein für gerechtfertigt, sondern die Rechtssicherheit im Staate sogar geradezu für gefährdet, wenn die zu solchen Handlungen geneigten Personen die Gewißheit haben, daß von ihnen der Tod nicht mehr zu fürchten is, Der Mensch ist ein-

Erste Beilage

Erste Beilage zur Allgeme

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Montag den 24. Jan.

mal mehr oder weniger sinuliher Natur; wo diese in groben, ge- waltsamen Exzessen die Bedingung der Coexistenz der Menschen im Staate feindlich angreift oder gar vernichtet, da ist auch der Staat zu exorbitanten Maßregeln verpflihtet und befugt, da kann auch der Staat zur Vernichtung des ihm feindlichen Wesens schreiten. Hierzu fommt, daß, weil im Menschen die sinnliche Natur prävalirt, die Ver= nihtung des eigenen Daseins als das größte irdische Uebel betrach- tet zu werden pflegt und eben deshalb die Androhung dieser Ver- nihtung durch den Gesetzgeber die wirksamste, in manchen Fällen bie allein wirksame Territion bildet. E i

Gerade wegen des gewaltigen Eindruckes dieser Territion, dieser physischen Abschreckung, welche in der geseßlihen Androhung der To- desstrafe liegt, halte ih die Todesstrafe für unentbehrlich. Jh er- achte die Abschaffung der Todesstrafe ferner aber auch aus dem Grunde für sehr bedenflih, weil die Abschaffung, wie auch im Berichte der Abtheilung ausgeführt worden is, im Hinblicke auf das jeßt beste- hende Recht einen gewaltigen Sprung bilden, und weil die Abschaf- fung der Todesstrafe jedenfalls das Rechtsbewußtsein der großen Masse des Volkes empsfindlih verleßen und einen Eindruck hervorru- sen würde, dessen Folgen gar nicht zu übersehen sind. Aus den von mir angedeuteten Gründen habe ih in der Abtheilung für die Bei- behaltung der Todesstrafe nah dem Entwurfe gestimmt und stimme auch jeßt dafür. Dabei verkenne ih indeß keineêweges, daß von der Hinrichtung selbst nicht ein sehr wesentliher Eindruck auf das Volk zu erwarten ist; ih erwarte aber auch nach dem Angeführten nicht von dem Akte der Vollziehung des einzelnen Todes-Urtheils, sondern von der geseßlichen Androhung des Todes die von mir als zur Zeit noch nothwendig bezeichnete Wirkung.

Abgeordn. Veumann: Jch will die hohe Versammlung nicht mit einer nochmaligen Auseinanderseßung aller der Gründe ermüden, welche für die Abschaffung der Todesstrafe sprehen, sondern mich auf die Zusammenstellung der Punkte beschränken, welhe die Aufhebung der Zodesstrafe nach meiner Ansicht dringend erfordern. Jch halte dasur, daß die Todesstrafe cinen Eingriff in die höhere Ordnung der Vinge enthält, in welche die Hand des Menschen ih einen solchen nicht erlauben darf, wäre es auch im Namen des Gesetzes, weil die= ses ebenfalls eine Menschensaßung is. J bin ferner der Meinung, daß die Todesstrafe eben so mit der Moral, wie mit der Religion, im Widerspruch steht und deshalb den obersten Zweck, den der Staat zu erreichen sich vorgeseßt hat, nit erreichen läßt, Für die Abschaf- sung der Todesstrafe spricht hiernächst ganz dasselbe, was die Abthei- lung in Beziehung auf Abschaffung der körperlihen Züchtigung \o vollstandig ausgeführt hat. Alles, was dort ausgeführt is und dazu dienen joll, zu beweisen, daß die förperlihe Züchtigung nur auf das Physische des Menschen oder auf das Thierische einwirke, findet un-= mittelbar und în noch weit größerem Maßstabe au bei der Todes=- strafe tatt, und es kommt also darauf an, wie weit die Todesstrafe rechtlich als gerechtfertigt zu betrachten is. Es fehlen ihr in dieser Beziehung aber alle Erfordernisse, welche in civilisirten Staaten an eine Kriminalstrafe gemacht werden müssen. Jch bin nämlich der Meinung, daß die Todesstrafe weder als human, noch als gerecht, noch als nothwendig erachtet werden kann. Was die Frage der Hu=- manität anbetrifft, so wird die hohe Versammlung damit einverstan- den sein, daß von Humanität bei Vernichtung des Daseins eines Menschen nicht die Rede sein kann. Die Gerechtigkeit stüßt sich in neuerer Zeit nur auf das Wiederverge!tungs- oder Abschreckungs- Prinzip, und . dies hat der Redner vor mir hinreichend wider legi, Der Grund der Nothwendigkeit wird dagegen vielfach mit der Rechtmäßigkeit für gleihbedeutend angesehen; ih kann aber nicht zugeben, daß etwas, was für nothwendig erachtet wird, deshalb zugleich auch als rechtmäßig betrachtet werden müsse. Dar- auf kann es hier jedoh nicht ankommen, weil eine absolute Noth- wendigkeit sh überhaupt nicht behaupten ließe.

Die Nothwendigkeit der Beibehaltung der Todesstrafe würde für den Staat vielmehr nux darin zu suchen sein, daß sie Schub gegen den Verbrecher und gegen andere gleih {were Verbrechen zu ge- währen hätte. Jch bin aber der Ansicht, daß dem Staate hinrei= chende Mittel zum Schuße gegen Verbrechen nicht fehlen dürften, und daß es überhaupt der Todesstrafe nicht bedürfe, um si gegen Verbrechen zu sichern. Unter allen Momenten is das der Talion und der Abschreckung das wichtigste, was in der Todesstrafe liegt; es kommt aber bei dieser Strafe zunächst darauf an, ob sie moralisch zu rechtfertigen sei, Es is bereits von der Abtheilung anerkannt worden, daß die Abschaffung der Todesstrafe zu den wünschenswerthen Ereignissen gehöre, sie glaubt aber, daß sich unjere Zeit noch nicht auf dem Standpunkt befinde, wo an die Abschaffung dieser Strafe zu denken sei. Es wird also darauf ankommen, ob die hohe Ver- sammlung unserer Zeit das Zeugniß der Reife dafür auszustellen ver= mag oder niht. Meines Erachtens 11k eine Zeit aber reif für eine Einrichtung, so wie für deren Aufhebung, wenn sie im Staude ist, ihre Natur und ihr Wesen, ihren Zweck und ihre Folgen zu über=- ehen, und in dieser Beziehung möchte ih das deutsche Volk, und iamentlih unser preußisches Volk, für vollkommen reif halten. Jch bin also der Meinung, daß die Todesstrafe süglih aus unserem Ge- \sebbuche verschwinden könne.

Abgeordn. Wodiczka: Die Frage, ob in einem Strafgeseße die Theorie der Abschreckung oder der Wiedervergeltung oder eine andere Theorie zu Grunde zu legen sei, ist auf dem Gebiete der

[chaft so vielseitig erörtert worden, daß ih glaube, daß wir vier nit weiter darauf einzugehen haben, Wir, Vertreter des Vol- fes, haben mit dieser Frage uns nicht zu befassen, sondern nur zu erklären, ob diese Strafe dem Geiste und der Gesinnung des Volkes entsprehe. Jch werde mich daher mit philosophischen ermüdenden Deductionen nicht befassen. Jch glaube, daß es dem Rechtsgefühle des größten Theils des Volkes entspricht, daß auf ein todeswürdiges Verbrechen auch die Todesstrafe folge, und ih glaube, daß die Âb- schaffung der Todesstrafe einen nachtheiligen Einfluß auf das öffent lihe Rechtsbewußtsein ausüben würde. Aus diesem Grunde erkläre ih mich für die Todesstrafe.

Abgeordn. Rrause: Da ich bereits bei dem ersten Entwurf von 1843 mich gegen die Todesstrafe erklärt habe und meine Meinung in feiner Beziehung sich geändert hat, so erkläre ich mich auch heute dagegen. Wenn gesagt worden ist, es solle die Abschreckungs=Theorie gegen Verübung gleicher Verbrechen helfen, so möchte ih dagegen anführen, daß die Hinrichtung von Verbrechern nur bei größeren Ge- rihtshöfen vorkommt, mithin die Masse des Volks nicht berührt. Jch habe schon eine längere Zeit gelebt und habe noch nie eine Hinrich= tung gesehen.

(Heiterkeit.) Es is mir auch nichts daran gelegen; aber diejenigen, welche einer soichen Hinrichtung beigewohnt haben, haben mir gesagt, sie sei blos ein grausames Schauspiel. Was die. Wiedervergeltungs-Theorie be- trifft, so will ich niht untersuchen, ob Wiedervergeltung dem Christen zustehe. Von meinem Standpunkte aus verwerfe ih sie, Wenn ein Mensch ein Verbrecher wird, so hat es meistens an seiner Erziehung

gelegen, und ob die mehr Gebildeten des Staates das Recht haben, | einen ganz ungebildeten Menschen, der vielleiht niht gewußt hat, ob er Unrecht thue, mit dem Tode zu bestrafen, bezweifle ih; vielmebr glaube ih, daß die mehr Gebildeten die Schuldigkeit haben, ihm zu verzeihen und das Rechte zu zeigen. : / Marschall: Meine Herren, ih erinnere an die Anordnung, die getroffen worden is, daß die stenographischen Berichte von den Be- theiligten in den Frühstunden bis zu Eröffnung der Sizungen einge- seben werden können. / : Die nächste Sihung wird morgen um 10 Uhr stattfinden. (Schluß der Sizung gegen 3 Uhr Nachmittags.)

Vierte Sizung des Vereinigten ständishen Aus\chusses.

(20sten Januar.)

Die Sibung beginnt um #5 11 Uhr unter Vorsiß des Fürsten

zu Solms mit Vorlesung des über die‘ vorige Sizung aufgenomme= nen Protokolls. i

Abgeordn. von Brünneck: Jch habe nur eine ganz kurze Bemer- kung zu machen, da ih einmal im Protokoll erwähnt worden bin, Mein Grund, warum ih auf das Streichen des §. 5 angetragen habe, war der, weil ih glaube, daß dieser Paragraph in das Ein- sührungs-Geseß gehört.

Marschall: Es soll aufgenommen werden, und wenn keine wei= tere Bemerkung gemacht wird, so is das Protokoll für genehmigt zu erflären, und wir fahren in der gestern abgebrochenen Berathung weiter fort, Jh habe zuerst den Abgeordneten Steinbeck aufzu- rufen,

Abgeordn, Steinbeck: Es scheint eine wirklich sehr {were und be denkliche Aufgabe, jeßt noch über einen Gegenstand zu sprechen, über wel- chen von beiden Seiten her so vortrefflihes Material in Menge uns vor

gelegt worden is, Wir können annehmen, daß jedes Mitglied dieser hohen Versammlung, ehe es in si selbst eine Meinung über die Frage festge- stellt, um welche es sih handelt, in sich einen ernsten Kampf gekämpft hat. Auf der einen Seite für die Milde, auf der anderen für die Strenge der Gerechtigkeit. Aber dessenungeachtet is es wohl sehr wünschenswerth, daß auh die unbedeutendste Masse Material hier nicht unberührt bleibt. Jch werde die hohe Versammlung nicht er- müden, den juristischen Standpunkt zu verfolgenz er is gestern be- reits auf eine höchst gründliche und vorzügliche Art erörtert worden. Eben so wenig werde ich mich auf dem kirchlichen bewegen, so über- zeugt ih individuell au sein mag, daß mit der Lehre, deren Brenn- punkt in den Worten ausgesprochen ist: „Gott is die Liebe““, die Todesstrafe sih nicht verträgt; denn es i} doch diese Versamm=- lung weder ein Koncilium, noch eine Synode, noch eine theologische Fakultät. Es liegen uns durch die Schrift eines verehrten Mitglie- des dieser Versammlung so viele gelehrte Erörterungen und Beleuch- tungen der vielseitigsten Gesichtspunkte für die große Frage vor, daß ih überzeugt bin, ih würde etwas Ueberflüssiges thun, das dort Ge-= sagte hier zu rekapituliren. Nur auf dem praktischen Standpunkte will ih mich bewegen, weil dieser vorzugsweise der ist, welcher diejer Versammlung ihren Charakter giebt, Auf dem praktischen Stand- punkte um so mehr, weil wir annehmen können, daß die Todesstrafe bei allen den Völkern, bei denen sie stattgefunden, mehr aus einem gewissen inneren Gefühl, als aus philosophischen Deductionen ihren Ursprung genommen hat, Die Frage, um die es sich handelt, ist zum erstenmale, so weit meine Erinnerung reiht, im römischen Se- nate bei Gelegenheit der Verhandlung über die Catilinarische Ver= s{wörung zur Sprache gekommen. Dort wurde ein Saß ausgeführt, welchen ich, obwohl er zum Beschlusse erhoben worden 1st und ih die Ansicht, auf welcher er beruht, niht zu vertheidigen gemeint bin, denno völlig beitrete; nämlich der, die Todesstrafe sei die härteste Strafe niht. Jh und die Freunde, welche meine Ansicht theilen, sind daher durchaus überzeugt, daß man uns nicht den Vorwurf einer zu weit gehenden Sentimentalität machen wird, wenn wir uns gegen die Todesstrafe aussprehen. Denn uns leitet dabei die feste Ueberzeugung, daß es Verbrechen giebt, die eine härtere Strafe verdienen. Aber sollte die Todesstrafe etwa die härteste nah dem christlihen Standpunkte sein? Schwer= lich; denn was thut der Richter, der die Todesstrafe aus= spricht, anders als daß er den Sterblichen vor cin höheres Tri- bunal, vor das Tribunal der göttlichen Gerechtigkeit, verweist, die aber auch die göttlihe Barmherzigkeit ist. Hat nicht {hon in den Srif- ten des alten Bundes ein begeisterter Prophet ausgesprochen: „Gott hat nicht Freude an dem Untergange des Verbrechers, sondern er will, daß er lebe und sich bessere.“ Von diesem praktishen Stand- punkte aus muß ih zuerst einen Blick auf die Geschichte werfen, weil man wohl meinen könnte, daß in der Geschichte selbst sih etwas be- gründet fände, um auch noch in unserem Volke die Todesstrafe für eine passende anzusehen. Jch übergehe Alles, was in der vorher an- geführten Schrift über diesen Gegenstand enthalten is. Jch über- gehe, daß die Völker, bei denen die Todesstrafe in ihrer härtesten, rauhesten und vielseitigsten Form angewendet wurde, keinesweges die sittlichsten, vielmehr hei ihnen die Verbrechen gehäuft waren. Lesen wir auch die römischen Geseße, die Cornelischen, Julischen u. #. w., so wird Menschenblut darin vershwendet, aber es war da kein Wun- der bei dem Volke, dem Gladiatorenspiel eine Lust war, dem das Meynschenrecht vor dem Begriffe des Bürgerrechtes verschwand. Be- trachten wir unsere eigenen Vorfahren: Aus dem Schoße der Bar= barei hat sie die cristlihe Kirche losgerissen, und die Kirche sagt: „Die Kirche durstet nicht nah Blut.“ Unsere Vorfahren waren ein Volk von Eisenmännern, und ein solhes Volk bedurfte eiserner Zwangs- mittel und Strafen, wie Scheiterhaufen, Säcken, Schwert, vielleicht sogar die Masse von Torturen. Diese Strafen müssen zu der da- maligen Zeit von dem praktischen Standpunkte aus als natürlich er- scheinen, und wir würden ungerecht sein, wenn wir den Verfassern jener alten Kriminal - Rechtsbücher: der tyrolishen, bambergischen, brandenburgischen und Kaiser Karls V. und des heiligen römischen Reiches peinliche Gerichts-Ordnung, wenn wir den edelsten Geistern ihrer Zeit, einen Freiherrn von Schwarzenberg und seinen Genossen einen Vorwurf machen wollten, daß sie sich in der Richtung ihrer Zeit bewegt haben. Aber freilich sind die Zeiten, in denen wie bei den Römern Tugend und Tapferkeit nur durch ein und dasselbe Wort bezeichnet wurden, vorbei; vorbei die Zeiten, in denen die Barbarei in sozialen Verhältnissen auch überall in der Gesittung der Völker bei der überwiegenden Masse in jeder Beziehung sich offenbarte. Wir sind vorwärts geschritten; wir haben Geseßbücher vor uns, die dies beweisen. Wir dürfen die Geschichte fragen, und sie wird es bestä- tigen. Durch die Feuertaufe trauriger Zeiten is das deutshe Volk durchgegangen; durch die Feuertaufe des Bauernkrieges, durch die Feuertaufe des 30jährigen Krieges, und es is geläutert worden. Man scheut sich jeßt, von vielen Strafarten einer früheren Ge- seßgebung selbst in manchen Staaten Gebrauch zu machen, wo diese Strafarten noch durch kein ausdrüdckliches Geseß aufgehoben sind.

Wohlan! wir gehören also einer besseren Zeit an, und darum ge= ziemt es uns, anzunehmen, was dieser Zeit entspriht. Gehen wir doch durch, was die Todesstrafe im Praktischen, in der Wirklichkeit leiste, Jch will niht das Gefühl, sondern die Ueberzeugung der hohen Versammlung anspreben; darum will ich niht vorführen das Bild des reumüthigea, zerknirschten Sünders, wie er in das Auge der Umstehenden Thränen lock und fühlen läßt, „Jrrthum und Schwäche sei der Sterblichen Wahlspruch.“ Jh will nicht vor=- führen den Verbrecher, welcher, höhnend die Justiz und den geistli= chen Zuspruch, in den Tod gcht, und wie in der Menge der Umste- henden das Gemurmel sihch vernehmen läßt: „Es sei doch gottlos, einen Menschen in diesem Zustande in den Tod zu senden.“ Fch will nicht vorführen den begeisterten Verbrecher, der für ihn begeisternde Ucberzeugungen in den Tod geht, und wie der geistig Gebildete über ihn urtheilt: „Es sei s{chade, daß dieser Mann der Menschheit entto= gen werde, der er in seiner Kraft und Begeisterung vielleicht großen Nuten gebracht, wenn er nicht den Tod erlitten hätte.“ Müssen wir niht anerkennen, daß das Urtheil des Publifums in allen die- sen drei Fällen niht unbegründet erscheint; daß der Zweck der Gerechtigkeitöspflege in allen diesen Fällen verfehlt wird, weil der Eindruck, den die Strafe in dem Volke erweckt, durchaus cin anderer, ja gerade das Gegentheil von dem is, was hervorge- rufen werden foll, Js es niht das Märtyrerthum, was die Kirche groß gemacht? Jst es niht das Märtgrerthum, was in den Staâten so oft Umwälzungen hervorgerufen hat? Nein, keine Märtyrer! Sie ziemen uns nicht ; sie ziemen einer früheren Zeit. Werfen wir unsere Augen auf andere Nationen. Sollen wir diesscits der Alven das leßte Volk sein, welches die Todesstrafe abschaft? Haben nicht jenseits Völfer von heißerem Blut, als in unseren Adern strömt, sie gefahrlos abgeschafft? Hat man nicht in Rußland ih weiß nicht, ob Preußen hinter Rußland zurückstehen will die Todesstrafe seit mehr als einem Jahrhunderte auf das Verbrechen des Hochverraths beschränkt? Wir stehen heute das fühlen wix Alle an der Gränze zwischen einer gewaltigen Vergangenheit und einer inhaltê= reichen Zukunft.

Die Abtheilung hat dies bei der vorliegenden Frage wohl er= fannt und gemeint, man müsse die Todesstrafe noch bestehen lassen, aber man müsse sie möglichst einshränken, um darauf hinzuarbeiten, sie gänzlich abzuschaffen. Die Frage is also eigentlich die: sollen wir langsamschleichenden Schrittes den Moment zur Abschaffung ergreifen oder muthig diesen Schritt wagen? Dies hängt ab von der Ansicht, die wir über die Bildung des Volkes haben. Ein Volk von beinahe 16 Millionen, verbreitet von Memel bis an den Rhein, kann nicht auf derselben Stufe der Bildung und Civilisation stehen. Ein solches Volk hat sehr verschiedene Abstufungen der Civilisation, und es is freilih \{chwer, den Moment zu finden, wo diese Abstufungen sich aus=- gleichen. Aber dennoch muß er gefunden werden. Wir dürfen das Volk nicht als besser auffassen, als es is, aber auch nicht als \ch{chlech= ter. Wir sollen es nicht zurückbringen, sondern vorwärts führen. Es handelt sih also darum: ob wir den großen Schritt muthig und entschlossen wagen wollen. Wagen wir ihn, \o erkennen wir an: dieses Volk is ein edles Volk, begriffen im Fortschritt zur vernünf tigen Entwickelung in treuem Gehorsam vor dem Geseh, Wir ste- hen an einem Rubikon, und ih möchte die hohe Versammlung mit jenem Helden des Alterthums vergleichen, der auch au einem Rubikon stand. Jeuer Rubikou war nur ein unbedeutender Gebirgsfluß. Der Held that den Schritt über diesen Fluß, und die Welt ward sein. Der Rubifon, an dem wir stehen, ist das Blut, das vom Schaffot herunterströmt. Wagen wir den Schritt über ihn, und wir werden etwas Höheres erlangen, als Cäsar eroberte: Den Dank der künf- tigen Geshlechter und das Anerkenntniß, daß wir den Geist unseres edlen Volkes und den Geist unserer Zeit erkannt haben.

(Vielseitiges Bravorufen.)

Abgeordn. Dänsmann: Die Todesstrafe halte ich zur Siche=- rung für den Staat sowohl als für die menshliche Gesellschaft für unentbehrlich. Die Todesstrafe hat eine so abshreckende und war= nende Stimme, daß wohl mancher Vorsaß zur Ausführung verbreche= risher Handlungen dur sie erstickt und abgeleitet worden is. Ja, ih bin der Meinung, daß unter 100 Verbrechern, welchen die To- desstrafe zuerkannt is, wenn ihnen die Wahl gela}en wird, ob sie die Todesstrafe oder lebenswierige Zuchthausstrafe erleiden wollen, faum ein einziger sih für die erstere erflären wird. Abgesehen da= von, so will ih nit in Abrede stellen, daß die Abschaffung der Toch dcsstrafe in der Zukunft stattfinden könne, zur Zeit aber sind noch nicht reif genug. Die Ausbildung der Moralität und des Ehr- gefühls is noch nicht genug vorbereitet, und ih besorge, ja fürchte sogar, daß, wenn die Todesstrafe abgeschafft wird, die man- nigfachen Verbrechen, die jeßt begangen werden, sich in größere, als: in Mordthaten, Raubmord und andere verwandeln und häufiger vor fommen werden, und daß Niemand mehr mit Sicherheit durch unser geliebtes Vaterland reisen kann und darf. Es is erwähnt worden, daß bei dem Akte der Hinrichtung manches Anstößige vorfalle, das gebe ih zu. Mögen dort freisinnige Reden geäußert, mögen thörichte und unsinnige Handlungen begangen werden. So bin ih doch der festen Meinung, daß die größere Menge der Zuschauer, nicht, ohne ein Gebet an Gott zu richten, nicht, ohne die Bitte zu Gott aus= zusprehen und Jhm anzurufen :

„Er möge und wolle sie für eine ähulihe Todesart gnädiglich bee hüten und bewahren““, den Richtplaß verlassen wird.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch kann auf das Wort ver- zihten. Es war nur meine Absicht, mein Votum gegen Abschaffung der Todesstrafe zu motiviren. Jch halte sie für noch niht entbehr- lih und bin auch durch die langen und glänzenden Vorträge nicht zu einer anderen Meinung gebracht worden, will aber die Verjammlung niht aufhalten mit Entwickelung der Gründe, die ih für meine An- sicht anführen könnte, E i

Referent Kaumann: Jh gehöre zu denjenigen, welche in der Abtheilung sich gegen die Todesstrafe erklärt haben. Vas Strafrecht is zunächst eine Strafpflicht, Diese Pflicht des Staates, zu strafen, is ins Auge zu fassen; sie ist die Gränze seines Rechts, Seine Pflicht is es, sich selbst zu erhalten und den geseßlichen Schub denen zu gewähren, welche im Staatsverbande leben. Seine Pflicht ist es auch, die Mittel zur Anwendnng zu bringen, die diesem Zwecke entsprehen. So weit diese Mittel nöthig sind, _so weit geht sein Recht; so weit diese Mittel nicht nöthig sind, sind sie nicht sein Recht. Nach diesem Gesichtspunkte hin betrachtet, haben sich die Rechts= Theorieen gebildet, von denen gestern und heute die Rede gewesen ist. Jch will die Versammlung nicht ermüden dur eine wiederholte Auseinandersezungz ich bin derselben Meinung, daß die Todesstrafe weder warne noch abhalte von Verbrechen, für welche sie bis jeßt verhängt wird. Allerdings bleibt noch Eines übrig, und das is es, worüber ih mich weiter äußern will.

Es is gesagt worden, die Strafe sühne. Es is also die Ge=- rehtigkeit, welhe die Strafe verlange, Aus diesem Gesichtspunkte