1848 / 24 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

ist auch die Todesstrafe vertheidigt worden. J stelle ein allgemei- nes Gerechtigkeitsgefühl, ein Bewußtsein der Gerechtigkeit, nicht in Abrede, allein der Zweck, allein die Forderung dieses Gerechtigkeitêge- fühls geht do nur dahin, einen gestörten Rehtszustand wieder herzustellen. Das Strafrecht kann diesen Zweck nicht erreichen. Jch kann nicht zugeben, daß, weil Jemand Böses gethan hat, ihm wieder Böses zugefügt werden müsse, um den verleßten Rechtszustand wieder herzustellen. Das Wort „Sühne“ ist in der That ein Ausdruck im Strafrechte, der mir ziemli undeutlih erscheint, wenn man ihn nicht als einen Erfolg der Rache ansieht. Der Begriff „Sühne ““ hängt wesentlich zusammen mit dem Gefühl der Rache. Jch bestreite aber, daß das Gefühl der Rache das Motiv der Strafe sein dürfe; ih bestreite, daß im Volke das Gefühl der Rache das vorherrschende sei; ih be- streite, daß das Volk Rache verlange; ich bestreite, daß im Volke Blut um Blut verlangt werde. Dem i} niht so. Wäre ihm aber so, wären so viele Stimmen, daß man sagen könne, das Volk ver- lange es, so bin ich doch der Meinung, daß der Staat nicht ver- pflichtet sei, dieser Gorderung nachzugeben, weil sie eine unsittliche ist, Gestatten Sie mir, einige Betrachtungen hier anzuknüpfen. Jch will auf eine Erfahrung aufmerksam machen, die bei der Strafrechtspflege sehr häusig gemacht wird. Es sind die leßten Worte des Mörders, wenn er um das „Warum“ seiner That gefragt wird. Diese Worte sind: „Jch konnte nicht anders, eine unwiderstehlihe Macht trieb mich zur That“. Der Richter wird daraus Veranlassung nehmen, zu un- tersuchen, ob der Verbrecher zurechnungsfähig gewesen sei, ob er mit Bewußtsein gehandelt habe, ob sein freier Wille nicht beschränkt gene- sen sei. Der Mörder wird ihm allerdings nicht sagen, woher es gekommen sei, daß er antworten müsse: ich konnte nicht anders; er wird si nur erinnern, daß es eine unwiderstehlihe Macht gewesen sei, die ihn zur {hwarzen That getrieben habe. Der Richter wird keine äußeren Umstände finden, anzunehmen, der Mensch sei niht zurehnungsfähig gewesenz er wird ihn verurtheilen, sein Kopf wird auf dem Schaffot fallen. Und doch bleibt jenes „ih konnte nicht auders“/ unverwisch- lich stehen. Sollten diese Worte immer eine Lüge enthalten? Jch glaube es niht. Jn der menshlichen Brust liegt der Keim zum Gu- ten und zum Bösen. Wie sich diese Keime entwickeln, hängt in vie=- len, vielleiht in den meisten Fällen niht vom Jndividuum ab. Es entwidelt sich aus dem Keime die Neigung zum Guten, es enut- widelt sich aus dem Keime dic Neigung zum Bösen. Wo die Worte der Bitte: „und führe uns nicht in Versuchung““ schon erfüllt sind, bevor sie ausgesprochen worden, da ist die Tugend leiht; wo aber die Worte der Bitte nie, nie erfüllt worden sind, da i} es s{hwer, die Tugend sih anzueignen. Und wenn nun die Neigung zum Bösen sich zu einem Grade steigert, daß der Widerstand {chwer, sehr {wer wird und wer mag es leugnen, daß es so sein kann wenn die Stimme des Gewissens niht mehr gehört wird, können wir, meine Herren, dann niht dem Worte des Mörders glauben : ich fonnte niht anders. Können wir ihn nicht glauben, daß die dâmo=- nische Macht eine unwiderstehliche geworden ist ?! (Mehrere Stimmen: Nein! Nein!)

Es ist gerade auf dieses Verhältniß schon gestern von einem Abge= ordneten der Landgemeinden Schlesiens aufmerksam gemacht worden. Es wird dagegen und mit Recht erinnert, daß dieses Verhältniß, daß diese Betrachtung sih nur beziehen könne auf Verbrecher aus den niedrigsten und unglüklichsten Ständen, daß aber nicht blos aus die=- ser niedrigsten Schichte des Volkes Verbrecher der ernstesten Art her- vorgehen, daß vielmehr noch in der neuesten Zeit aus den höheren Klassen der Gesellschast Verbrecher hervorgegangen sind, die Schauder

und Entseßen erregt haben,

Aber diese Thatsache beweist nichts gegen die Betrachtung, die ih eben erwähnte; sie führt in meinen Augen nur zu anderen Zwei- feln. Es giebt viele Aerzte, welche behaupten, jedes Verbrechen lasse sich erflären durch einen franfhaften Seelenzustand, es giebt Psycho- logen, welche von angeborenen Neigungen der Menschen sprechen ; die

hrenologie will äußere Merkmale angeben, wonach diese Neigungen

elbst äußerlih erkennbar seien. Wahres liegt in Allem. Als wahr muß man auch annehmen, daß diese krankhaften Zustände der Seele dahin führen können, daß die Zurehnung im Augenblicke der That niht vorhanden gewesen sei. Eine andere Frage isst es, wie weit man diese Rücksichten gelten lassen könne bei Anwendung der Straf- geseße. Forschungen und Erfahrungen werden zu neuen Beschlüssen sühren, und ih glaube, es wird die Zeit kommen, wo auch auf diese frankfhaften Seelenzustände mehr Rücksicht genommen werden wird, als bis jeßt genommen werden kann. Die Ueberzeugung aber drängt sich mir auf, daß, so lange jene krankhaften Seelenzustände nicht mehr Berücksichtigung finden, als in diesem Augenblick möglich ist, ih sage, daß, \o lange dieses nicht geschieht, wir nicht gerehte Rich- ter sein können. Können wir aber nit gerechte Richter sein, dann wollen wir doch der möglichen Ungerechtigkeit eine Gränze ziehen, und diese Gränze zieht sich da, wo kein Wiedergutmachen des zuge- fügten Uebels möglich is, Die Gränze zieht \sich dahin, daß man das Leben selbst nicht als Opfer fordere.

Es ist vom ersten Redner, welcher gestern in dieser Angelegen- heit gesprochen hat, mit Reht darauf aufmerksam gemacht worden, wie oft Unschuldige unter dem Henkerbeile geblutet haben. Es i} entsetlich, daß solhe Thaten vorgekommen sind; aber in meinen Augen is es eben so entseßlih, daß wir einen Verbrecher, dem wir vielleiht nicht die That zurechnen können, daß wir nur Unglückliche, sage ich, büßen lassen und büßen lassen vielleicht in hundert und abermals hundert Fällen, Es is gesagt worden von einem verehrten Mitgliede der Ritterschaft der Provinz Slesien, daß er sein Votum nicht gegen die Todesstrafe abgeben wolle, weil er besorge, dur sein Votum viel- leiht ein Menschenleben unter die Hand des Mörders zu bringen. Jch achte diese Ansicht gewiß, aber stelle ihr die Ansicht zur Seite daß es eben so gefährlih ist und eben so besorglich, der Gefahr fortdauernd preisgegeben zu sein, ein Menschenleben zu opfern für Thaten, die dem Thäter niht zugemessen werden können. Ih er- flâre mih gegen die Todesstrafe.

Korreferent Frhr. von Mylius: Jh bedaure, daß ih in die- ser allerdings sehr wichtigen, in das Gebiet der Kriminal=Politif tief eingreifenden Frage die Ansicht vieler meiner sehr verehrten Freunde niht theilen kann und mih für die Beibehaltung der Todesstrafe aussprehen muß. Zunächst habe ih, um mein Votum zu motiviren, es auszusprechen, daß ih niht auf dem Boden irgend einer soge- nannten relativen Strafrehts-Theorie stehe, daß ih nicht der Mei- nung bin, daß irgend eine Strafe mit Rücksicht auf einen von dem Staate zu erreichenden oder zu erstrebenden, außer dem Staate lie- genden speziellen Zweck gerechtfertigt sei, daß ih vielmehr der Mei- nung bin, daß es der höchste Zweck des Staates ist, die Herrschaft des Rechtes innerhalb seiner Gränzen anschaulich zu machen, und daß diese Aufgabe für ihn nicht geboten wird durch einen äußeren Zweck, sondern er wird dur das Lehens - P Ap des Staates, den Rechtszustand darzustellen und zu verwirklichen. Das Ringen nah der Herrschäft des Sittengeseyes ist es, was die Existenz des Staa- tcs zu einer unabweisbaren Bedingung menschliher Entwickelung macht, und wie es nicht möglich is, daß außerhalb des Staates das Menschengeschlecht seine Aufgabe erfüllen kann, so muß auch der Staat L daß innerhalb desselben die rechtlihe Ordnung überall, wo er jeine Macht zur Anwendung bringt, aufrecht erhalten werde. Es wird aber Fälle geben, wo es gerade hierburch gerechtfertigt wird,

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daß der Staat denjenigen yernitet, welcher mit dêr Existenz des Staates in offenen und bewußten Kampf tritt. Derjenige, welcher, ih möchte sagen gegen die staatlihe Existenz seine eigene in die Wagschale legt, welcher bewußt und vorbedaht sagt, die staatliche Ordnung, diese uothwendige Bedingung zur Erreichung der leßten Zwecke des M;n= \{engeshlehts, will ih vernihten, dessen Existenz aufzuheben is der Staat verpflichtet, niht um eines Zweckes willen, ih wiederhole es, niht wegen der Abschreckung oder der Prävention, sondern der Ge- retigfeit willen wegen, und weil der niht mehr leben darf,f welcher an die Vernichtung des im Staate repräsentirten Sittengeseßes seine Existenz geseßt hat.

Dies is der Grund, welcher mich bestimmt, für die Beibehaltung der Todesstrafe zu stimmen. Jch halte die Todesstrafe gerechtfertigt durch das Wesen des Staats selbst. Jh gehe nun dazu über, einige Bemerkungen gegen die Gründe vorzubringen, welche von mehreren der Redner vorgetragen worden sind, die si für Abschaffung der Todes= strafe auszusprechen veranlaßt gefühlt haben. Es is hier zunächst gesagt worden, sie entsprehe niht dem Bewußtsein des Volkes. Jch frage Sie, meine Herren, wer von Jhnen jemals Zeuge davon war, daß die Hand der Gerechtigkeit sich des Verbrechers bemächtigte , auf dessen Haupt eine schwere Anklage lastete, ob Sie sich nicht überzeugt, daß die öffentlihe Gewalt rasch und entschieden einschreiten mußte, um das Volf von der Ausübung der Justiz abzuhalten, um selbst sich zu wahren, daß die Entrüstung der Bürger so stark würde, daß sie selbst an dem Leben des Frevlers eigene Rache nähme und ihn in Stücke zerrisse. Jch frage, wenn solche Thatsachen vorkommen, und sie fommen vor, wie fann behauptet werden, daß die Todesstrafe dem Bewußtsein des Volkes nicht entspreche? Man wird dagegen erin=- nern, daß diejenigen, welhe bei dergleihen Scenen han- delnd guftreten, zu den niederen Klassen des Volkes gehö-= ren, und daß diese niht das Bewußtsein des Volkes und des Landes trügenz ih frage aber, wenn hier in dem ganzen Lande gerichtet würde unter den Augen des Volkes, würden sich niht Sce= nen ereignen fönnen, würden niht Scenen denkbar sein, wo gerade die Entrüstung Aller den Tod und nur den Tod als Sühne ver- langte? Denken wir uns den Fall, daß der bewußte Mörder dem Richter und dem Lande entgegenträte mit dem Geständniß der Schuld, daß er sich bekennte zu der That, die er verübt hat, mit dem Trobe des Verbrechers, daß er sagte, ih habe es gewollt, Geseß, vollstredcke, was Du vermagst! Und wenn nun am Ende das Geseß uicht voll= strecken fönnte, was die einzige Buße seiner Schuld is, nämlich die Todesstrafe, und nehmen wir den Fall , daß die rehtlihe Ordnung in der Person des Trägers des Staates selbst, in der Person des Königs, angegriffen worden, daß es sih um ein vollendetes Verbre- hen handelte, und daß derjenige, welcher die höchste Frevelthat voll- zogen, sagte: ja, ih habe es gethan und habe es gewollt; würde nicht denjenigen, der hier Zuschauer und Zuhörer wäre, das Gefühl der Ohnmacht des Gesetßes beschleihen, würde man sich erwehren fönnen des Gedanfens, wir sollen ihn rihten, wir müssen ihn rich- ten, aber wir können ihn niht rihten?2 Meine Herren, solche Sce=- nen sind denkbar, und deshalb darf der Staat das Schwert der Ge- rechtigkeit nie aus der Hand legen. Es i ferner gesagt worden, die Todesstrafe sei nicht die härteste Strafe, und es gäbe härtere Stra- fen. Das is} möglich, sie is aber die gerehteste Strafe in manchen Jällen, weil sie das leßte Recht des Verbrechers nimmt. Das Leben ist das leßte Recht des Verbrechers und muß dem entzogen werden, der dem Staate sein leßtes Recht entweder abgenommen oder offen= bar gemacht hat, es ihm nehmen zu wollen durch bewußte Handlungen, welche mit sreiem Vorbedacht die leßten Prinzipien des Staates umstürzen müssen. Es is eine andere Reihe von Angriffen gegen die Todesstrafe von einem Gesichtspunkte ausgegangen, welchen ich unter eine andere Kategorie verweisen würdez es ist die Reihe von Angriffen, die deshalb gegen die Todesstrafe gerichtet worden sind, weil durch ein öffentliches Schauspiel gegeben werde, was nie zum Guten, häufig aber zum Schlimmen führe. Jh habe im Entwurfe anerkannt und für zweckmäßig gehalten, daß er die Frage über öffentliche oder nit- öffentliche Hinrichtungen nicht mit entschieden hat. Wenn es si hier darum handelt, sich für die eine oder die andere Art auszusprechen, so würde ich fein Bedenken haben, gegen die öffentliche Hinrichtung mich auszusprehen, weil ih die Ueberzeugung theile, daß sie zu nichts Gutem führe. Es is von einer heimlichen Hinrichtung, die das öf= fentlihe Schauspiel dem Volke nicht bietet, von der sogenannten in- tramuralen Hinrichtung, niht der Nachtheil zu besorgen, der vielfäl- tig von der öffentlichen nicht getrennt werden kann, es is namentlich von ihr Alles das nicht zu befürchten, was von einem verehrten Mit- gliede der \lesischen Ritterschaft früher angedentet worden ist ; es ist aber ferner gerade dur diese Art der Hinrichtung vorgesehen, daß auch dem Verbrecher die Möglichkeit entzogen sei, ein Schauspiel der versammelten Volksmenge zu geben und somit für sich eine Art von Strafmilderung herbeizuführen, daß dagegen dem Verbrecher, der die Größe seiner Schuld anerkennt, das öffentlihe Schauspiel uicht zur Erschwerung der Strafe gereihe. Es entsprechen daher die Jntra- mural-Hinrichtungen mehr dem Prinzipe der Strafgerechtigkeit , weil das Prinzip der Strafgerechtigkeit erfordert, daß derjenige, welcher die Größe seiner Schuld erkennt, milder leide, als der, welcher noch auf dem Schaffotte den Troß des Verbrechers äußert.

Das sind Gesichtspunkte, die weiter auszuführen keine Veran- lassung vorhanden ist, indem hier die Frage zwischen extramuralischer und intramuralischer Hinrichtung niht gestellt wird. Es is ferner gesagt worden, es sei die Todesstrafe verwerflih, weil sie auch bei- behalten werden müsse, wo es sih um politische Verbrechen handelt. Jch kann die Ansicht nicht theilen, daß sie auf diesem Felde auszu=- \hließen sei, denn gerade bei politischen Verbrechen wird das, was ih für das innere Motiv der Todesstrafe halte, Umsturz der ganzen rechtlihen Ordnung, häufiger hervortreten, als bei manchem anderen Verbrechen, beim Morde. Wir haben auch gesehen, daß, wo der- gleichen Versuche gemaht worden sind, die Todesstrafe abzuschaffen für politische Verbrechen, Resultate sich herausgestellt haben, die für uns feine erfreulichen sind, und die uns keine Frlihte wünscheus- werther Art bringen können. Was Rußland betrifft, so will ih hier

Husig faftisch eintritt, ih will darauf nicht eingehen, daß in Frankreih Aehnliches geschehen, wo, als man dem Volke das Schauspiel der Hinrichtung nicht mehr geben wollte, man es für zwecdmäßiger fand, die Verbreher zu verbannen, Man verbannte sie an unwirthbare Küsten, wo das Klima ihrem Leben bald ein Ziel jebte. Es ist dies überall erkannt als ein Akt, der nicht von Stärke, sondern von Schwäche des Staates zeugt. Zuleßt muß ih mir erlauben, noch guf einige der Gründe zu antworten, welche vom Herrn Referenten angeführt worde sind, da sie wirklich mit dem, was ih von der Strafjustiz erstrebe und für ihren Zweck halte, im direktesten Widerspruche stehen, Wenn es dahin bei uns gekommen sein sollte, die Willensbestimmung und ihre Freiheit bei jedem Men- schen in Zweifel zu ziehen, welhe Strafe wäre dann überhaupt ge- rechtfertigt ? Müssen wir nicht vielmehr bei jeder Strafe uns fragen : können wir den Verbrecher als einen willensfreien Menschen behan- deln? Es ist Bezug genommen worden auf die Worte, welche man- her der Verurtheilten in dem Augenblicke gesprochen hat, wo das

Todesurtheil an ihm vollstreckt werden sollte. Ja, die Stimme des

die Strafe nicht nennen, welche dort an der Stelle der Todesslrafe |

Gewissens spricht im Augenblicke des Todes anders, als vor voll= brachter That, und es ist ein wahres Wort des Dichters : ta andres Antlig zeiget die gewollte , ein andres die vollbrachte Ja, ich glaube es, daß dann, wenn der Verurtheilte vor seinem leßten Richter zu erscheinen im Begriff steht, das Bild der That ihm ln etner ganz anderen Färbung erscheint. Dieser Seelenzustand kann aber uns nicht bestimmen, die Thaten der Menschen zu Produkten einer dunkeln Naturgewalt zu machen, den Menschen Naturkräften unterzuordnen , die, ohne daß er ihren Ursprung kennt und ihre Er= folge weiß, seiner unbewußt wirken und ihm die Freiheit des Wil=- lens, das Edelste, was er besißt, entziehen. Es giebt nur einen ein- zigen Grund, welcher mich bedenklich gegen die Todesstrafe machen könnte, und das is die Rücksicht auf den Prozeß, die Rücksicht, daß alle denfbar sind, wo ein Nichtschuldiger mit der härtesten Strafe belegt werden fönute. Dieser Frage gegenüber kann aber der Staat nichts thun, als die höchsten Garantieen der Vertheidigung bieten das ist seine Aufgabe, und die wird er hoffentlich erfüllen. j (Vielstimmiger Bravoruf !) Ah p n - . « C x, , , Abgeordn. von Sauen - Tarputschen : Nachdem die vorlie= gende Frage so ershöpfend, so allseitig und mitunter ganz wie aus meiner Seele besprochen worden is, möchte ih über diesen Gegen= stand schweigen, wenn ih ihn nicht für so wichtig hielte, daß auc ih mein Scherflein zur Erledigung desselben beizutragen mich ver= pflichtet hielte. Jh werde nicht die hohe Versammlung nach \o vie= len und \s{chöneren Reden, als ih sie zu halten vermag, ausführlich auf das theologische, philosophische, juristishe und moralische Gebiet führen, sondern ih lasse mih hauptsächlih bestimmen, einige Worte zuzufligen, weil ih glaube, daß Mehrere in der Versammlung geneigt sein könnten, sich gegen die Todesstrafe zu erklären, weil sie von einigen Vorausseßungen ausgehen, die ih nicht theile. Der vorlie- gende Geseß= Entwurf stellt die Todesstrafe nur hin für Landes= und Hochverrath, für thätlihe Beleidigung des Königs und den Mord. Die Verbrechen der ersten Kategorie sind so \{chwerer- Art, daß sie die härtesten Strafen verdienen. Sie sind bereits so bezeich= net und ausgeführt worden, daß ich mich darüber des Wortes enthalten kann. Aber, meine Herren, in ihrer tiefsten Natur weichen sie unendlih ab von dem gemeinen Morde. Der Landesverräther, der Hochverräther is erfaßt von einer ihn ganz beherrshenden Jdee wie verkehrt und fals sie auch sein mag, sie hat aber die Herrschaft über ihn, er steht in ihr den Weg, den er zum Wohl und zur Ret= tung seines Vaterlandes zu betreten habe. Nicht wie die gemeinen Verbrechen, aus Leidenschaft, Habsucht und anderen niederen Moti= ven, geht diese Handlungsweise hervor, sondern sie hat ihren Grund in einer Art Fanatismus , der den Menschen aus sich selber verseßt. Wenn wir das zugestehen müssen, so müssen wix uns fragen, ob die härteste Strafe, mit der er bestraft werden soll, die Todesstrafe, ob diese ihn auch persönlih wirkli als die härteste berührt. Jch sage entschieden nein. Denn wer für die als höchste Aufgabe seines Le- bens erkannte Jdee sein Leben augenblicklih einzuseßen bereit ist, der findet in dem Märtyrertode einen Ruhm, er findet in jetaem hin- strömenden Blute noch die erwachende Hoffnung, daß ihm Rächer und weitere Ausführer der unterdrücten Handlung daraus erwach)en werden. Jhm is das Fortleben des Gedankens, der ihm mehr werth ist, als die äußere Existenz, mehr als diese, dagegen ein Vershwin=- den, ein Aufhören in der menschlihen Gesellschaft, ein einsames Le= ben im Kerker, das is} für ihn eine viel härtere Strafe, als für ei= nen begeisterten Menschen der Tod sein kann. Wir finden oft bei Königsmördern und anderen derartigen Verbrechern als Beweggrund den \hlechtesten Ehrgeiz, den es geben fann: ihren Namen von der Nachwelt genaunt zu wissen, und wenn sie dies niht durch gute Thaten erreichen können, selbst zu den shlechtesten greifen, Aus diesem Beweggrunde sind in der alten Zeit Verbrecher, wie Hero strat, in der neuen Geschichte, wie Fieschi, aufgestanden, nach dessen Hinrichtung die Königsmörder wie Pilze aus der Erde emporschossen. Als aber ein Königsmörder niht zum Tode, sondern zur Galeere verurtheilt wurde, i} keiner weiter aufgestanden. Wir haben ferner in England das Beispiel, daß, als ein Mordversuch gegen die Kö= nigin stattfand und der Mörder als verrückt ins Jrrenhaus gesperrt wurde, noch beute kein zweiter aufgetreten ist. Jn diesem Falle, meine Herren, wird dur die Hinrichtung gewiß nicht der beabsich- tigte Zweck erreicht. Jch will nun guf den gemeinen Mord über= gehen. Gott sei Dank! es sind in unserem Vaterlande der Todes urtheile nur wenige, und an wenigen Orten werden sie vollzogen. Es strömen nur wenige Menschen hin, um das der Natur wider=- strebende Schauspiel zu schen. Die Menschen, in denen die Neigung zum Morde ruht, sind selten unter den Zuschauern, sie stehen so sehr außer dem Verkehr mit unseren Vorgängen, daß sie, entfernt von ihnen, auch keine Kunde davon erhalten. Eine Hinrichtung in der Ferne geht an ihnen spurlos vorüber. Aber wenn auch der Mensch, der in seiner Rohheit, der, seiner Sinnlichkeit ganz ergeben, jeinen Gelüsten allein fröhnt, selbst auf die Gefahr des Todes hin ihnen folgt, wird einem solhen Menschen im Augenblicke des Mor-= des immer vorschweben, was das Geseß als Strafe darüber verhangt? Und wird er nicht hoffen, daß seine That unentdeckt bleiben werde, und wird ihn die so weit hinausgeshobene Strafe von dem Verbre- hen abhalten? J sage nein, und als Abschreckung kann man da- her die Todesstrafe um so weniger betrahten, wenn man noch das ins Auge faßt, was der geehrte Abgeordnete aus Sachsen uns gestern vorhielt, nämlich daß ein Judividuum nicht gestraft werden kann, zum Beispiel für Andere. Ein Verbrecher kann nur für seine begangenen Handlungen Strafe erleiden, aber nicht zur Besserung Anderer. Viel- leiht is es mir geglückt, Manche, die nur die Todesstrafe als Ab shreckung für nöthig halten, niht mehr unter ihren Vertheidigern e sehen. Ein anderer Einwurf is gemacht worden, es wäre nan?

noch nicht an der Zeit, die heutige Volksbildung könnte die au bung der Todesstrafe noch nicht ertragen. Dies wird noch Slel ie len als ein Hauptgrund für ihre Beibehaltung angesehen, 0 Mus a selbst es aussprechen, daß p Aufhebung der Todesstrafe |P t fts olgen möge und sicher auch werde. S E M Ein ebrtev Redner aus der Provinz Schlesien D Ah lihen Rede uns in andere Länder hinübergeführt, M Ln Bis ffen R dies noch besser zu thunz aber er hat noch anzu! Mio 4 doit dem er uns über die Alpen führte, daß dies D L f, l ( die Blutrache herrschte. Und dennoch A L Nini A 08 wesen , die Todesstrafe aufzuheben. H t N e Sh stände doch so weit hinter den Pr bat Ee (4 Be Ll freudig Geistesfunken auftauchen und Licht dringen in das 2 L und, bessere Zustände anstrebend, auch den Gedanken erweden, die Todes= e U den Motiven angeführt, Kaiser Joseph hätte sie abgeschafft Oesterreich aber sie wieder aufzunehmen si veranlaßt hen "Meine Herren, bedenken Sie den damaligen Zustand und be Stellung der Völker, bedenken Sie die damalige Gefängniß=-Ein= rihtung und die Mittel, die man hatte, Verbrecher unschädlich zu machen, im Vergleich zu den E und dennoh stehe ih nicht an, die Behauptung aufzustellen, daß, wenn dieser große Kaiser, von wahrhaften Humanitäts-Grundsäßen geleitet, länger gelebt und Zeit gewonnen hätte, seine Pläne und Gesebe auszuführen, Oesterreich heute nicht brauchte die Todesstrafe beizubehalten und auf festeren

Säulen gegen alle Stürme der Zeit ruhen dürfte, als jeßt. Ih wage nicht, es auszusprechen, daß ih das preußishe Volk noch nicht würdig und befähigt hielte, diesen großen Schritt zu thun. Jm Augenblicke scheint es ein gewagter, wir haben uns aber in ähnlichen und ernsteren Lagen befunden und nicht angestanden, entscheidende Schritte zu thun, warum wollen wir hier davor zurückbeben? Gefahr sehe ih im Allgemeinen nicht dabei, und wenn wir die nit erfen- nen, warum wollen wir in unser Geseß nicht etwas aufgeben, was nah der Ansicht - Aller gegen das ristlihe Prinzip 1, was so so sehr und ganz besonders in Preußen vorange|tellt wird. Die Ge- seße sind die Grundlagen des Volkslebens, und in dieses Gese sol- len wir ein jüdishes Geseg aufnehmen, was der neue Bund nicht kennt! Christus spriht: Richtet nicht, sondern überlaßt die Rache dem, der allein ret rihtet! Wer erkennt nicht diesen großen Aus- spruch: „der allein recht richtet!“ Es is also dur diesen Ausspruch nah meiner Ansicht dem Menschen auch das Recht der Wiederver= geltung genommen, und ih muß gestehen, daß nah meinem Gefühl und nah dem natürlichen Rechte der Mensh nichts nehmen soll, was er niht wiedergeben Tann,“ also auch nicht das Leben, da er nicht ein- mal die Macht hat, es auch nur um eine Stunde zu verlängern. Es hat also feiner das Recht, das Leben des Anderen zu kürzen und der Vorsehung in den Arm zu fallen, die dur ein längeres Dasein dem Verbrecher Gelegenheit geben mag, seine Sünde zu büßen und zu wahrer Reue und Geistesbesserung zu gelangen.

Es fönnen selbst die, welhe von uns am weitesten sehen, nicht genau die Verbindung des irdischen Lebens mit dem jenseitigen Zu- stande erfennen und beurtheilen, wir wissen niht, wie wir durch die eigenmächtige Kürzung des Lebens der folgerechten Eutwicelung des Geistes entgegentreten. Deshalb kann ich mich nur entschieden g e- gen die Todesstrafe aussprechen und würde mich freuen, wenn die ge- genwärtige hohe Versammlung hier einen Beschluß faßte, durch den Preußen “unter den fünf Großmächten zuerst einen Schritt wahrer Humanität in eht christlicher Weise thäte und im leuhtenden Bei- spiel voranginge.

__ Abgeordn. Graf Renard: Zur Ersparung der Zeit will ih ohne Einleitung beginnen. Sehr viele geistreihe Redner, namentlih der gechrte Referent und der Redner, der so eben gesprochen hat, haben sh gegen die Todesstrafe geäußert, gegen ihre Nothwendigkeit, gegen ihre Zweckmäßigkeit, gegen ihre rechtliche Begründung. Mir scheinen alle diese Gründe nicht sowohl gegen die Todesstrafe, son- dern gegen das Strafrecht überhaupt gerichtet zu sein. Auch ich, es mag paradox klingen, es mag, den vielfach erleuchteten Rechtsgelehr= ten gegenüber, anmaßend erscheinen, ih mag selbst lächerlih werden, ih vermag durchaus kein Strafrecht anzuerkennen. Allein dessenun- geachtet werde ih für die Todesstrafe sprehen, weil ih eben den Tod nicht als eine Strafe in der Art ansehe, wie der Begriff fest- gestellt worden ist. Jh kann kein Strafrecht anerkennen aus dem religiösen Gesichtspunkte. Wenn auch das alte Testament die Rache als eine Tugend hinstellt, das neue Testament vernichtet diese Ansicht, Cs spricht die menschlich s{böne göttlihe Lehre aus, die Lehre der Liebe, der Versöhnung. Die Strafe an si selbst, als Begriff ab- straft genommen, als Genugthuung vor dem Geseß, als Zweck an sich selbst, nicht als Mittel zur Besserung und Abschreckung is die Rache des Gesetzes. Kein Einzelner hat das Recht, einen Anderen zu strafen, anu ihm sihch zu rächen, ein Verbrehen dadurch zu sühnen, daß er ein zweites, vielleicht härteres begeht. Wenn der Ein- zelne dies Recht nicht hat, so kann es die Versammlung Einzelner, der Staat, dieser große, soziale Verband, auch nicht haben. Dem Rechte, zu strafen, müßte die Pflicht gegenüber stehen, sih strafen zu lassen, wie überhaupt einem jeden Rechte eine Pflicht gegenüber- steht, Es is dies eine Pflicht, die ih nicht anerkennen kann. Aber es giebt ein anderes, natürliches, angeborenes, unveräußerlihes Recht eines jeden Einzelnen, das Recht, sih zu vertheidigen, Jeden anzu- greifen, der mein Recht angreift, Das preußishe Geseß mag wohl dieses Recht mehr als wie nöthig dem einzelnen Staatsbürger gezo= gen haben, aber eben dadurch hat das Geseß die heilige Pflicht über- nommen, geeignete und wirksame Maßregeln zu ergreifen, den Staats=- bürger gegen Verbrechen zu {hüßen, Daß der Staat nicht im Stande ist, in jedem einzelnen Falle den Staatsbürger gegen Ver- brechen zu {hüben oder, mit einem Worte, jedes einzelne Verbrechen zu verhindern, springt ins Auge, aber er kann durch geeignete Maß=- regeln die Verbrechen mindern, und so tri die Bertheidigungs- Theorie, welhe ich für den Staat und den Einzelnen in Anspruch nehme, mit der Abschreckungs-Theorie in eins zusammen und giebt die Norm an, wie wir in jedem einzelnen Falle Art und Maß der Strafe zu bestimmen haben. Es erscheint jede Strafe als nublose Grausamkeit, welhe den Vertheidigungs- und Abschreckungs-Zweck übergreift, aber als höchste Grausamkeit, wenn sie diesen Zweck ver- fehlt, Da mein geehrter Freund und Nachbar {hon gestern scharf und klar deduzirt hat, wie ih es niht vermag, daß der Tod für rohe Personen das wirksamste und durchgreifendste Abschreckungsmittel ist, fo will ih dies niht weiter erwähnen; ich muß es aber auh an- erfennen. Mir aber scheint der Tod keinesweges eine harte Strafe, nicht einmal eine Strofe, er is ein Uebergang, die Natur verschont auch das edelste Leben nicht. Schon Regulus sagt: „Der Tod ist fein Schmerz, er is Lauf der Natur.“ Der Grund, in welchem alle Redner übereinstimmen, der mir als der durchgreifendste gegen die Todesstrafe erscheint, ist der, daß es eine Strafe sei, die niht wieder gut zu machen is. Allein auch diesen Grund kann die Todesstrafe ih folge hier dem Sprachgebrauh =— nicht allein für sich in An- spruch nehmen, er is gleihbedeutend gegen alle Strafen, er spricht gegen sie alle, denn auh die Freiheitsstrafe kann nicht wieder gut gemacht werden. Welche Ehrenstellen können mir die tausend Thrä- nen, die tausend Gebete der Angst und die tausend Flüche der Ver= zweiflung im Gefängnisse wieder gut mahen? Welche Schäbße der Erde können mir erseßen die verlorene Jugendzeit und die verlorene Gesundheit? Welche Genüsse der Erde können wieder gut machen die Jahre langen Folterqualen cines Eingekerkerten? Dieser Grund trifft alle Strafen gleich, die Todesstrafe kann dieses Motiy nicht für sich in Anspruch nehmen. Wir Alle, die wir hier sind, stellen gewiß die Ehre über das Leben; wollen wir konsequent sein, so müssen wir alle Chrenstrafen für härter erklären, als die Todesstrafen, und doch \chrecken wir nicht zurück, wir nehmen keinen Anstand, Ehrenstrafen auszusprechen. Ein geehrter Redner aus Westfalen hat von Justiz= Morden gesprochen und sich dabei auf öffentliche Blätter bezogen. Jch gestehe, für meinen Theil haben Zeitungsblätter keine Autorität, allein ich will auf die Sache selbst eingehen, ih erkläre, daß ih un- bedingt jedes Todesurtheil, von preußischen Richtern gesprochen, auf mein Gewissen nehmen und frei und muthig vor den ewigen Richter damit treten werde; Aber, meine Herren, ih mag nicht auf mein Ge- wissen nehmen den Mord, ih mag nicht auf mein Gewissen nehmen die Fluth von Thränen und die Ströme von Blut, die in der Frage vom Hochverrath geflossen sind; ih wälze dieses Unglück auf Jhr Gewissen. Wie ih nun für Leibes- und Gefängnißstrafen in Kon- sequenz des Gesagten stimmen werde, so stimme ih ebenfalls für Beibehaltung der Todesstrafe. -

Abgeordn, Lucanus: Jch wüßte dem nichts weiter hinzuzu- seben, möchte aber dem Herrn Marschall bitten, die hohe Versamm- lung zu fragen, ob es niht an der Zeit sei, über diesen Ge- genstand abzustimmen, und zwar eine persönliche Abstimmung eintre=

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ten zu lassen. Jn Bezug auf meine Person halte ih es für Pflicht, auszusprechen, daß in unserer Gegend im Allgemeinen die Stimmung dafür ist, die Todesstrafe nicht beizubehalten.

Marschall: Wir sind bei einem Gegenstande, bei dem ih es weniger als bei irgend einem anderen für geeignet halte, dem Laufe der Debatte in irgend ciner Art vorzugreifen. Wenn also bem Wunsche, welcher geäußert worden ist, nachzugeben wäre, \o könnte dies nicht auders geschehen, als dadur, daß die Mitglieder, die sich noch gemeldet haben, selbst erklärten, daß sie dem geäußerten Wun- sche beistimmten and vorzögen, zur Abstimmung zu kommen. Ein anderes sehe ih nicht. Meinerseits werde ih fortfahren, in der Ordnung außzurufen, in welher man sich gemeldet hat.

Abgeordn. Dittrihh: Unter den vielen geehrten Rednern, die für Abschaffung der Todesstrafe gesprochen haben, sind nah meiner Ueberzeugung zwei wesentliche Widersprüche, daß nämlih man die Ab- \hafung der Todesstrafe im Humanitäts - Prinzipe begründet findet, und daß man die Todesstrafe nicht für die härteste Strafe hält. Wenn beide Gründe nichtig sind, so is es niht möglich, für Ab- schaffung der Todesstrafe zu stimmen. Jh halte dasür, daß die To= desstrafe nicht die härteste is, daß die Strafe, welhe in lebenswie= rigem Gefängniß und in lebenswieriger Marter besteht, eine weit hârtere is. Andererseits halte ih die Todesstrafe dem Humanitäts- Prinzipe nicht entgegen, deshalb, weil ih glaube, daß es humaner ift, die Gesammtheit zu \{chüßen, als einen Einzelnen, und daß der Schuß, den die Gesammtheit bedarf, dem des Einzelnen voranstehen muß. Außerdem sind noch als Hauptgründe die Unzurechnungsfähigkeit und der christliche Standpunkt aufgeführt worden. Beide sind aber be- reits widerlegt, Jch stimme für Beibehaltung der Todesstrafe.

Abgeordn. von Witte: Jch bitte um Erlaubniß, nur noch zwei Worte zu sagen. Auch mir erscheint die Abschaffung der Todesstrafe als ein Jdeal, dem sih die Geseßgebung zu nähern hat. Frage ich aber, welher Weg wohl einzuschlagen, so kann ich, so beredt auch die Worte eines Redners aus Schlesien uns aufforderten, den Rubikon zu überschreiten, so kann ih ich möchte die Zunge eines Demosthe= nes besißen, um ihn würdig zu widerlegen so kaun ih, sage ich, mich ihm nicht anschließen, sondern muß mich ihm direkt entgegen-= stellen. Es giebt für das Leben der Staaten, für ihre Geseßgebung ein Prinzip, welches sür den gesammten Lebens - Prozeß der organi hen Natur ein ewiges Geseß enthält und für die Staaten nicht mindere Geltung hat; es heißt: daß eine allmälige Entwickelung die gedeihlichste ist, und hier noch glaube ih, daß es an der Zeit ist, die Anwendbarkeit der Todesstrafe auf den möglichst engsten Kreis, auf die intensiv \{wersten Fälle zu beschränken und einer ferneren \{chönen Zukunft vorzubehalten, die Todesstrafe abzuschaffen, welche jeßt noch in den civilisirtesten Staaten der Welt für nothwendig, ja für unentbehrlich gehalten wird.

Abgeordn. Ruschke: Wir haben ausführlihe Vorträge für und wider die Todesstrafe gehört; die ausführlihsten Erörterungen über die verschiedensten Strafrechts - Theorieen vernommen. Jch meines= theils {ließe mich der Ansicht derer an, welche sich gegen die To- dcsstrafe erklärt haben, und billige die dafür geltend gemachten Gründe. Besonders fühle ih mich in meinem Gewissen verpflichtet, jener Ansicht zu sein, weil, wenn die Todesstrafe beibehalten wird, es möglich is, daß ein Unschuldiger hingerichtet, daß von Rechts we- gen ein Unrecht begangen werde, dessen Vergütung außer dem Be=- reiche der Möglichkeit liegt. Schon gestern hat der Abgeordnete aus Westfalen dies angeregt und Beispiele dafür angeführt. :

Ein Mitglied der shlesischen Ritterschaft hat ihn zu widerlegen gesucht, aber diesen Gegenstand nicht berührt, vielleicht, weil er nicht zu widerlegen war. Dagegen hat das geehrte Mitglied den Aus- druck des Dichters angeführt: „Däs Leben ist der Güter höchstes niht‘‘. Diesen Ausspruch hat er jedoch nur auf den gebildeten Theil des Volkes augewandt, nicht aber auf den ungebildeten Mann, der nach seiner Meinung das Leben als das höchste Gut betrachtet, und der, um dieses Gut nicht zu verlieren, eben deshalb Verbrechen ver=- meidet, welhe das Gescß mit der Todesstrafe belegt. Es kann dies dahingestellt bleiben, wenngleich ih mich nit mit der &Solgerung ein= verstanden erklären fann. Vielleicht wäre das geehrte Mitglied auf ein anderes Resultat gekommen, wenn es auch den folgenden Vers des Dichters in Betrachtung genommen hätte: „Der Uebel größtes aber ist die Schuld“. Wenn die Strafe für den, der sie duldet, ein Uebel sein soll, so muß auf das s{chwerste Verbrechen die härteste Strafe, das größte Uebel treffen. Man sperre daher den Uebelthäter , der ein todeswürdiges Verbrechen begangen hat, für seine Lebenszeit ein- sam ein und lasse ihn leben unter dem {weren Bewußtsein seiner gräßlichen Schuld. Dann trifft ihn die gerechte Strafe, das Uebel, das ihm gebührt. Jch stimme gegen die Todesstrafe.

Abgeordn.!: Freiherr von Gaffron: Darf ich bitten, eine persön- liche Bemerkung zu machen?

Marschall: Der Abgeordnete von Gaffron zu einer persönlichen Bemerkung.

Abgeordn. Frhr. von Gaffron: Ein Mitglied hat erwähnt, daß ih den Grund wegen des Justizmordes weggelassen hätte, weil er unwiderlegbar sei. Es ist mir der Gegenstand nicht entgangen z ich habe ihn in Ueberlegung gezogen, untershreibe aber das, was ein Mitglied der Ritterschaft aus Schlesien gesagt hat, daß ich jedes von einem preußishen Richter ausgesprochene Todes - Urtheil auf mein Gewissen nehme.

Abgeordn. Frhr. von Patow: Jch ve:kenne keinesweges das Gewicht der Gründe, die in der gestrigen und heutigen Sißung ge- gen die Todesstrafe angeführt worden sind, und würde mit Freudig= feit der Ansicht derer mich anschließen, welche die Todesstrafe ab= hafen wollen, wenn ih die Ueberzeugung hätte gewinnen können, daß es an der Zeit seiz ih bin aber der Ueberzeugung, daß die Todesstrafe zur Erhaltung des Staates, zur Sicherheit der Unter- thanen in ihren Rechten und zur Gewährung des Schubes, den der Staat den Unterthanen angedeihen lassen muß, unbedingt nothwendig ist, und stimme für die Todesstrafe.

Abgeordn. Staegemann: Jch will nur mit wenigen Worten mich dahin aussprechen, daß ih mich für Beibehaltung der Todes=- strafe erkläre. Ohne auf philosophische oder religiöse Betrachtungen ein= zugehen, halte ih mich an den praktishen Zustand und bin der Mei- nung, daß der Staat sih nicht in der Lage befindet, um so harte Strafen, wie sie an der Stelle der Todesstrafe bei den größten Ver- brechen geseht werden müssen, auf andere geeignete Weise vollstrecken zu lassen, da wir keine Verbrecher-Kolonieen besiben, wohin dergleichen Missethäter geschickt werden können, um sie unschädlih zu machen, und ihr Dasein aus der Erinnerung zu verwishen. Jch halte auch aus anderen Gründen die Anwendung der Todesstrafe für gereht- fertigt. Ver Staat hat meiner Ansicht nah nicht allein die Ver- flihtung, zum Schutze der Gesellschaft den Verbrecher zu bestrafen, ondern is auch verpflichtet, dem Einzelnen, der in seinen höchsten Menschenrechten gekränkt worden is, Genugthuung zu verschaffen, und dies kann nur geschehen, wenn der Mörder auf dieselbe Weise ge- straft wird, wie er gesündigt hat, nämlih mit Einbüßung des Lebens. Ich stimme daher für die Todesstrafe.

Fürst Wilhelm Radziwill: Wenn ih nach der vielseitigen Be- leuhtung der vorliegenden Frage doch noch das Wort nehme, so geschieht es deshalb, um zwei Beziehungen schärfer herauszuheben, die mih außer den gewichtigen für dieselbe angeführten politischen

und juristishen Gründen bestimmen, für Beibehaltung der Todes=- strafe zu stimmen. Es isst dieses der Begriff der Sühne in der ge= nauesten Verbindung mit der Fortdauer des edleren Theiles des Menschen nah dem irdischen Leben. Wenn ih mich auch bei diesem Begriffe strenge an die Lehre der Kirche halte, der ih angehöre, so ist er doch niht wesentlih verschieden von dem Begriffe der übrigen Kirchen, die sich zum positiven Christenthum bekennen; ja, er geht über das Gebiet des hristlihen Bekenntnisses hinaus. Der Glaube an eine Fortdauer, der Glaube an ein Jenseits ist ein Glaube, der tief in der Natur des Menschen begründet ist, der in allen Zeitaltern, bei allen Völkern, bei alle.1 Religionen angetroffen wid. Das ein= fachste Bekenntniß, der einfachste Glaube an die Wahrheit der crist= lichen Lehre genügt, um den Begriff der Sühne in diesem Leben in Beziehung zum künstigen Leben, zu verstehen. Es ist keine intellek= tuelle, wissenschaftlihe Bildung dazu nöthig; es ist eben nur der göttlihe Stempel des Christenthums, daß es einen jeden Menschen, welcher Bildungsstufe er angehören mag, bei diesem einfahen Glau=- ben, bei diesen einfahen Wahrheiten besähigt, den göttlichen Funken, der in ihm liegt, auf die edelste Weise zu entwideln. Daß diese Wahrheiten, daß dieser Glaube im Volke noch weit verbreitet sind, ist, Gott sei Dauk, eine Wahrheit, der Niemand widersprechen kann.

Dieser einfache Glaube, diese einfache Kenntniß ist hinreichend dazu, den Verbrecher dazu vorzubereiten, vor den höchsten Richter nah dem Ende dieses Lebens hinzutreten, Jch glaube, daß, wo noch ein Funken dieses Bewußtseins vorhanden ist, die Gewißheit des nahe bevorstehenden Todes am wirksamsten dazu beitragen wird, ihn zu wecken. Jch glaube, daß durch die Todesstrafe das Seelen= heil einer viel größeren Anzahl von Verbrechern befördert wird, als durch lebenelänglihes Gefängniß. Jn diesen Beziehungen stimme ih für die Todesstrafe; subsitiarisch halte ih mich an die Ab- shreckungs- Theorie. Bei den Naturen, in welchen alles bessere Ge- fühl gänzlih erstoiben is, die nur aus den rohesten Trieben des Thierischen im Menschen Verbrechen begehen, in solchen giebt es fein anderes Schutmittel, als Abschreckung, bei solchen wird auch der Tod den Begriff der Vernichtung in sih s{ließen, also das Schreck= liste sein, was ihnen bevorstehen kann, die einzige Drohung sein, die geeignet ist, sie von Begehung solcher Verbrechen abzuhalten, auf welche der Gescßes-Entwurf die Todesstrafe verhängt.

Abgeordn. Prüfer: Auch ih muß mich für Beibehaltung der Todesstrafe erflären, und nehme die Motive weder aus philanthro- pischen, noch philosophischen, noch religiösen Bezichungen, sondern meine nur die Nothwendigkeit als alleinige Ursache, daß die Todeê=- strafe beibehalten werde. Jch erkenne sie als ein nothwendiges Uebel, welches heute noch nit abgeschafft werden kann. Wenn ich einer, in mehreren Reden gedachten, Aeußerung erwähnen darf, welche Aeußerung in das religiöse Gebiet hinübergeführt werden könnte, und zwar der, daß man einem Verbrecher Zeit lassen mühse, sich zu bessern, so daß man ihn noch zu einem guten Menschen machen könne, \o möchte ih dies in Zweifel stellen. Ein Verbrecher, der einen Hoch= verrath begeht, dem ein Mord nicht zu geringe is, wird auch bei der längsten Verhaftung nicht ein guter Mensch werden; er is für die menschliche Gesellschaft für immer verloren ; ich wenigstens möchte von jeiner Herzensgüte keinen Gebrauch machen, Wenn von einem Redner aus der Provinz Preußen besonders eine Danksagung des=

halb gegeben wurde, daß so wenig solche Leute im preußischen Vater= lande sich vorfinden möchten, die dem Morde nahe ständen, so möchte ih dies niht so vollkommen bejahcn. Man möchte im Gegentheil glauben, daß von den Leuten, die geneigt sind, zu morden, immer noch eine ziemlihe Anzahl vorhanden is. Jch berufe mich hierüber auf die friminalistishen Zeitungen. Nimmt man nun an, daß durch Abschaffung der Todesstrafe die Frechheit dieser Leute in einem be- denkflihen Grade gesteigert wird und sie damit gleich erfahren, daß ihnen höchstens nichts geschieht, als Einsperren, was für sie unter Umständen sogar eine Wohlthat werden kann, und nimmt man an, daß, wer schon einmal Hochverrath begangen, wer schon einmal ge= mordet hat, auh zum zweiten, zum dritten, zum zwanzigsten Male dasselbe Verbrechen begehen und stets mit dem Entschuldigungsgrunde fommen fann und wird: „es thut mix leid, ih konnte niht anders“: so wird die Gefahr für den Staat und das Volk ungemein groß, und in dieser Beziehung halte ih es für Pflicht, diese Verbrecher unshädlih zu machen, zumal ih niht weiß, wie sie auf eine andere Weise, als durch Todesstrafe, unschädlih gemacht werden sollen.

Wird mir eingewendet , daß der Staat die Verpflichtung habe, diese Leute ohne diese Strafe unschädlih zu machen und fo alle Ge-= fahr für den Staat und die Unterthanen zu beseitigen, so gebe ih nur zu bedenken, daß unzählige Exempel vorliegen, daß die festesten Schlösser, die dicksten Mauern allein nicht fest, allein nicht stark genug sind, um solchen Leuten es unmöglich zu machen, sich ihrer Fesseln, ihres Gefängnisses zu entledigen.

Es wird ferner gesagt, es wäre der Ehre des Staates nicht an- gemessen, ja, es wäre sogar eine Schwäche, welche er zeige, wenn er sich am Leben des Verbrechers vergreife, Jch kemerke, daß mir in dieser Beziehung das Leben das Nächste ist und dann erst die Ehre des Staates kommt. Wenn ih ermordet bin, will ih von der Ehre, die mir möglicherweise nachher zugewiesen werden kann, nichts wissen, Ich bitte, daß ih hier in Bezug auf die Ehre nicht mißverstanden werde. Jn diesem Falle wünsche ih nämlich, daß der Staat zunächst sein Dasein und das Leben der Unterthanen {üßt und den Ver- breher unshädlich maht. Jh erkenne das für seine erste Ver- pflichtung.

Endlich kann ih auch das Uebel, daß Jemand unschuldig zum Tode verurtheilt werden sollte, niht befürchten, und kann die Aeuße- rung, die von meinen geehrten Vordermännern ziemlich klar ausge- \sprochen worden is, und nah welcher sie die Würde und die Gerech- tigkeitsliebe der preußischen Richter hochstellten, mit unterschreiben. Wenn angenommen wird, daß der Prozeß durch drei Justanzen durch- geführt und dann noch die Gnade Sr. Majestät des Königs ange= gangen wird, so ist die Befürchtung, daß ein Unschuldiger zum Tode geführt werden könne, gen#ß niht vorhanden. Unter diesen Umstän- den erfläre ih mich für Beibehaltung der Todesstrafe. i

Referent: Jch habe nur ein Paar Worte zu äußern, damit aus dem, was ich gesagt habe, niht eine falsche Schlußfolgerung gezogen werde, wie schon der Fall zu sein scheint. Jch gehe von der Ansicht aus, es soll nicht gerihtet werden, sondern es soll gegen das Verbrechen gesichert werden. Es is für das Strafrecht gleich, ob wir (ich will es im Extremen nehmen) uns vor einem Wahn= sinnigen sichern oder vor einem Frevler! die Strafgewalt wird dadur nicht alterirt, und sie wird auch nicht unnöthig, denn der Staat muß si sichern gegen den einen wie gegen den anderen. Jn meinem „ih will nit richten“ liegt, daß ih nicht bis zum Aeußersten gehen will, weil ih glaube, ih kaun nit ein gerechter Richter E

Graf von Fürstenberg: Jh will mih hier in keine philo- sophischen, philanthropishen und juristishen Diskussionen einlassen, indem ih zu demjenigen, was ih in dieser Beziehung von so vielen in so beredter Weise Gesprochenes gehört habe, nichts hinzuzufügen Tie oder besser gesagt, nihts hinzufügen könntez allein ih halte mi verpflichtet, zur Motivirung meiner Meinung hier die Erklärung abzugeben, daß ih mih einfach auf den Standpunkt eines Christen stelle und von diesem aus für die Todesstrafe mich aussprehen muß.

Von diesem Standpunkte aus erkenne ih, daß es keine Obrigkeit