1881 / 107 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 May 1881 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Schlußbericht über die gestrige Sizung des Reichstages befindet sih in der Ersten Beilage.

Jn der- heutigen (40.) Sißung des Reichstages, welcher mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommis- farien desselben beiwohnten, erledigce das Haus in dritter Verathung die allgemeine Rechnung über den Haushalt des Deutschen Reichs für das Jahr 1875, sowie den Bericht der Rechnungskommission, betreffend die Uebersihten dec Ausgaben und Einnahmen des Deutshen Reihs für das Etatsjahr 1879/80, auf Grund der respektiven, in zweiter Berathung unverändert angenommenen Kom- missionsbeschlüsse. Dieselben wurden ohne Abänderung genehmigt. Demnächst wurden mehrere Petitionen als zur Erörterung im Plenum nicht geeignet erachtet und eine Reihe anderer, die zum Küstenfrachtfahrtsgeseße eingegangen waren, und bezüglich deren die Beschlußfassung aus Versehen unter- blieben war, durch die zu dem betreffenden Geseßze gefaßten Beschlüsse für erledigt erklärt.

Bei Schluß des Blattes trat das Haus in die dritte Be- rathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend Abän- derung des Geseßes vom 13. Februar 1875 über die Natu- ralleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden.

Nach der im Neichs - Eisenbahn - Amt aufge: stellten, in der Ersten Beilage veröffentlihten Nachweisung über die im Monat März 1881 auf deutschen Bahnen (aus\{ließlih der bayerischen) befördertenZügeundderen Verspätungen wurden auf 47 größeren Bahnen beziehungs- weise O mit einer Gesammtbetriebslängé von 28 998,35 km befördert an fahrplanmäßigen Zügen: 12 121 Courier- und Schnellzüge, 81 940 Personenzüge, 51 956 gemischte Züge und 79 332 Güterzüge; an außerfahrplanmäßigen Zügen : 1795 Courier-, Schnell-, Personen- ‘und gemischte Züge und 27 239 Güter-, Materialien- und Arbeitszüge. Jm Ganzen wurden 609 152 691 Achskilometer bewegt, von denén 179 834830 auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbesbr- derung entfallen. Es verspäteten von den 146 017 fahrpian- mäßigen Courier-, Schnell-, Personen- und gemischten Zügen im Ganzen 1021 oder 0,70 pCt., (gegen 0,92 pCt. in demselben Monat des Vorjahres, und 0,75 pCt. im Vormonat). Von diesen Ver- E wurden jedoch 435 durch das Abwarten verjpäteter

nschlußzüge hervorgerufen, so daß den aufgeführten Bahnen nur 586 Verspätungen (=0,40 pCt.) zur Last fallen (gegen 0,46 pCt. im Vormonat). Jn demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf den eigenen Strecken der in Vergleih zu ziehenden Bahnen von - 136 498 - beförderten fahrplanmäßi- gen Zügen mit Personenbeförderung 669 oder 0,49 pCt., mithin 0,09 pCt. mehr. Jn Folge der Verspätungen wurden 244 Anschlüsse versäumt (gegen 239 in demselben Monai des Vorjahres und 195 im Vormonat).

Der \. g. Winkeladvokatur, welche sih mit der Abfassung schriftliher Eingaben, der Vertretung bei den münd- lihen Verhandlungen vor Gericht und der Vornahme sonstiger Rechtsgeschäfte für Andere in denjenigen nach den Neichspro- zeßordnungen zu beurtheilenden Sachen, welche von den Par- teien selbst besorgt werden können, bei denen also ein Anwalts- zwang nicht besteht, gewerbsmäßig befaßt, . steht nah einem Urtheile des Reichs gerichts, III. Strafs., vom 5. März d. J., reihsgeseßlich nichts weiter im Wege, als daß das Gericht gee ige Winkelkonsulenten von der Vertretung einer

artei bei der mündlihen Verhandlung zurückweisen kann (§. 143 Civ. Proz. Ordn.). Dagegen is die bezeichnete Thätig- keit der Winkelkonsulenten nicht als die Anmaßung eines öffentlihen Amtes aus §. 132 des Deutschen Strafgesez-Buchs zu bestrafen. Un benommen ist jedoch den einzelnen Bundes- staaten, durch landesgeseßlihe Bestimmungen die gewerbsmäßige Winkeladvokatur zu vertieten und unter Strafe zu stellen.

Bayern. München, 6. Mai. (W. T. B.) Der Prinz von Wales ist heute Abend 7 Uhr hier angekommen und nach einstündigem Aufenthalte nah Wien weitergereist.

Hessen. Mainz, 6. Mai. (W. T. B.) Der G roß- herzog hat heute mit den Prinzessinnen Victoria und Elijabeth Sr. Majestät dem Kaiser in Wiesbaden einen Besuch abgesiattet und ist nah dem Diner Abends 61/, Uhr hicrher zurückgekehrt.

Neuß j. L. Gera, 5. Mai. Der Fürst und die Fürstin nebst der Prinzessin Elisabeth sind, nah der „Ger. Ztg.“, im besten Wohlsein aus Ftalien zurückgekehrt.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 6. Mai. (W.T.B.) Der König und die Königin der Belgier trafen mit der Prinzessin-Braut des Kronprinzen Rudolf kurz nah 4 Uhr im hiesigen Westbahnhofe ein und wurden daselbst vom Kaiser, vom Kronprinzen, dem Bürgermeister der Stadt, dem Statt- halter und dem Polizei-Präsidenten empfangen. Die Königin verließ zuerst den Wagen, ibr folgten die Prinzessinnen Stephanie und Clementine, sodann der König. Der Kaiser küßte der Kö- nigin die Hand, der Kronprinz umarmte und küßte wiederholt seine Braut und stellte dieselbe daraufiseinem Kaiserlichen Vater vor, welcher sie herzlih willkommen hieß. Nachdem hierauf auch die beiden Monarchen sih herzlih begrüßt, begaben si die Her. schaften, von der Kopf an Kopf gedrängten Bevölkerung unauegeseßt mit jutelnden Zurufen begrüßt, nah dem Lust- schlosse Schönbrunn, wo die Kaiserin und sämmtliche Mit- glieder der Kaiserlichen Familie das belgishe Königspaar und die Prinzessin-Braut auf das Herzlihste empfingen. Die Prinzessin-Braut wurde während der Fahrt nah Schönbrunn von den auf den Straßen, den Tribünen und an den Fen- stern befindlichen Menschenmassen enthusiastisch begrüßt und ameri nach allen Seiten hin für die ihr dargebrachten Hul-

igungen.

Wie die „Polit. Korresp.“ mittheilt, empfing Kron- prinz Rudolf eine aus 18 Mitgliedern bestehende Depu- tation seiner ehemaligen Lehrer und erwiderte auf die Glückwünsche derselben, daß unter den zahlreihen Glü- wünschen, die er empfangen habe, keine ihm näher ständen, als diejenigen seiner ehemaligen Lehrer , deren Bemühungen um seine Bildung er so viel verdanke. „Nehmen Sie sagte der Kronprinz diese Versicherung entaegen von ihrem ewig dankbaren Schüler.“ Die mit großer Wärme gesproche- nen Worte des Kronprinzen hätten nicht eines tiefen E:n- druckds auf die Mitglieder der Deputation verfchlt, mit deren jedem einzelnen der Kronprinz fih längere Zeit auf das Freundlihie unterhalten habe. 6

__— Jm Abgeordnetenhause erklärte heute der Unter rihts-Minister, daß mit Ermächtigung des Kaisers unter dem

gemeinsamen Namen Carola Ferdinandea in Prag eine Un i- versität in deutscher und eine Universität in böhmi- scher Unterrichts\pra che eingerichtet und daß leßtere unter besonderen Verfügungen bezüglih der Staatsprüfungen am 1. Oktober 1881 eröffnet werden solle. Hierzu sei der Vers fassungsweg nothwendig. Der Minister kündigte gleichzeitig an, daß er in den nächsten Tagen zwei Geseßentwürfe und zwar wegen der Rechtsverhältnisse der Universität in Prag und über die Deckung der erforderlihen Kosten dem Hause vorlegen werde. Die Rechte hatte die Erklärung des Mini- sters mit Beifall aufgenommen. Anaesichts der Erklärung des

Ministers verzihhteten die in die Nednerliste eingetragenen De- -

putirten auf das Wort.

Auf Grund „kompetentester Jnformationen“ kann die „Politishe Korrespondenz“ versichern, daß die jüngst in den UArbeiterkreisen von Wien und Umgegend vorgekomme- nen polizeilihen Haussuchungenund Verhaftungen nicht im Mindesten mit dem Mostshen Prozesse zusammen- hängen, sondern vielmehr auf Requisition des Landesgerichts Salzburg erfolgt sind, wo die gegen einige Führer der Ar- beiter s{hwebende Untersuhung Jnzichten zu Tage förderte, welche auch mehrere in Wien domizilirende Personen betrafen.

7. Mai. (W. T. B.) Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und ‘die Frau Prinzessin Wilhelm von Preußen sind heute früh auf dem Nordwestbahnhofe eingetroffen und daselbst von dem Kaiser, dem Kronprinzen und dem deutschen Botschaster empfangen worden. Die Prinzessin wurde von dem Kaiser und dem Kronprinzen mit einem- Handkuß be- grüßt; Prinz Wilhelm und Kronprinz Rudolph umarmten und küßten sih herzlich. Der Prinz von Wales ist ebenfalls heute früh hier eingetroffen. Jm Schlosse zu Schön- L D gestern Abend Familiendiner und Marschalls- tafel statt.

Nach einer authentishen Mittheilung von serbischer Seite ist der Beschluß des serbishen Ministerrathes auf An- nahme des zwischen Desterreih-Ungarn und Serbien abzuschließenden Handelsvertrages am 3. mit Stim- meneinhelligkeit gefaßt worden. Diese Beschlußfassung erfolgte, der „W. Z.“ zufolge, auf Grund eines einstimmig approbirten Berichtes, welhen der gegenwärtig in Wien mweilende Hr. Mijatovic in seiner Eigenschaft als Finanz-Minister durch Hrn. Kosta Stefanovic, den Uebertringer des Handelsver- trages und seiner fünf Annexe, nah Belgrad gesendet hatte. Das die Annahme Seitens des serbischen Kabinets meldende Telegramm ist hier an kompetenter Stelle am 4. eingetroffen, und am 5. wurde Hr. Kosta Stefanovic mit der Vollmacht zur Unterzeichnung des Vertrages erwartet. Das Kaiserliche und Königliche Ministerium des Aeußern hat der serbishen Kom- mission in Aussicht gestellt, die Signirung noch vor Beginn der Feierlichkeiten zur Vermählung des Durchlauchtigsten Kron- prinzen ermöglichen zu wollen. Sollte sih dies als unthun- lih erweisen, wird, wie die genannte Zeitung weiter meldet, die Unterfertigung sofort nah Abschluß der Festlichkeiten erfolgen und zwar von österreichish- ungarischer Seite rücktsichtlih des Handelsvertrages durch den Hrn. Minister des Aeußern, Baron Häymerle, rücksichtlich dér V. |xe dur dem Hrn. Sektionschef von Kallay. Von féerbischer Seite werdé die Unterzeihnung im Beisein des Ministers Hrn. Mijatovic durch die Mit- glieder der mit der Führung der Verhandlungen betraut ge- wescnen Kommission erfolgen, da Ersterer die Ehre der Signirung den serbishen Kommissaren nicht entziehen wolle.

Großbritannien und Jrland. London, 5. Mai. (Allg. Corr.) Der Prinz von Wales trat gestern Abend mit zablreihem Gefolge die Neise nah Wien an, wohin er sih begiebt, um als Vertreter des englishen Hofes an den Feierlichkeiten zur Vermählung des Kronprinzen Rudolf mit der Prinzessin Stephanie von Belgien theilzunehmen.

Ueber den Untergang der Schraubenschaluppe „Doterel“ verlas der Sekretär der Admiralität in der gestrigen Unterhaussißung folgende Depesche: „Der „Doterel“ wurde am 22, April um 10 Uhr Morgens bei Sandy Point durch eine Explosion der Pulverkammer im Vordertheile des Schiffes gänzlich zerstört und sank. Die Ursache des Unglücks ist unbekannt. Es wird vermuthet, daß eine Kesselexplosioun das Pulver entzündete. Die 12 Personen, welche am Leben geblieben sind, kehren an Bord der „Britannia“ nah Liver- pool zurück. Lieutenant Stokes bleibt in Sandy Point, um weitere Befehle zu erwarten.“ Der Sekretär fügte hinzu: Die Besazuig des Schiffes bestand aus 8 Offizieren und 135 Mann. Die Admiralität hat nach Montevideo telegraphirt und den Befehlshaber des Geschwaders an der südlichen Pacificküste angewiesen, sich nach Sandy Point zu begeben, und die Ursache der Katastrophe zu ermitteln. Sandy Point ist eine chilenishe Niederlassung in der Magellanstraße, die seit Kurzem von Schiffen sehr frequentirt wird, um daselbst Kohlen und Proviant einzunehmen. Feet wie Schiff waren niht ganz ein Jahr alt. Das Schiff befriedigte in jeder Hin- siht. Zwischen den Kesseln und der vorderen Pulverkammer befanden sih eine Schiht Kohlen und die Wasserbehälter.

6, Mai. (W. T. B.) Jn der heutigen Oberhaus- sißung erwiderte Lord Granville auf eine Anfrage Lord De-La-Warrs : es erscheine nicht unbillin, daß die Franzosen Gemwaltthätigkeiten innerhalb der Grenzen von Algier ein Ziel seßten und Maßregeln ergriffen, um die Wiederholung jolher Gewaltthätigkeiten zu verhindern. Die französische Re- gierung habe fortwährend versichert, daß betreffs einer Ein- verleibung von Tunis keinerlei Absicht bestehe. Der französische Minister des Auswärtigen, Barthélemy St. Hilaire, habe noch gestern den Pariser Botschafter Lord Lyons aufgefordert, die englishe Regierung zu versichern, daß fein Gedanke an eine Eroberung oder Annexion von Tunis vorhanden sei. Die englishe Regierung sei nicht eisersüchtig auf den legitimen Einfluß, den ein großes Land wie Frankreih über einen {wachen und weit weniger civilisirten Nachbar ausüben müsse, so lange als dieser Einfluß nicht mit den Vertrags- rechten und mit den Jnteressen der englishen Unterthanen im Widerspruch stehe. Selbstverständlich sei es die Pflicht der Regierung, über die aus den jebigen Operationen entstehenden Arrangements zu wachen und darauf zu sehen, daß diese Arrangements nicht mit jenen Rechten kollidirten.

Jm Unterhause erklärte in Beantwortung einer An- frage Lord Hartington: Ueber die Sendung einer rufssi- schen Mission nah Kabul sei die Regierung ohne Nach- richt. Abdurrhaman habe den Rath des Vizekönigs von Jndien wegen des über die Rückehr seines Sohnes nah Kabul mit den russishen Behörden gepflogenen Schriftwehsels nach- gesucht ; soweit dem Vizekönig bekannt, habe aber kein Russe den Sohn Abdurrhamans über die afghanishe Grenze be- gleitet. Der Unter-Staatssekretär Dilfke fügte hinzu, die russishe Mission erstrecke sich wahrscheinlih nur bis zur afgha-

nischen Grenze, indeß sei in St. Petersburg um Auskunft über den Gegenstand gebeten worden. Der Premier Gla d- st one wohnte der heutigen Sißung wegen eines leihten Un- wohlseins nit bei.

6. Mai, Nachts. (W. T. B.) Unterhaus. Jm Fortgange der Sißung beantragte Ashmead Bartlett ein Tadels- votum gegen die Regierung wegen der in der griehis{chen Frage von ihr befolgten Politik. Der Unter-Staatssekretär Dilke wies die Angriffe als unbegründet zurück und erklärte, die jeßige Lösung der griechishen Frage sei das Resultat der zwischen dem Botschafter Göschen und dem Fürsten Bismarck getroffenen Abmachungen, über welhe Deutschland und England ganz einverstanden gewesen seien. Frankreich hätte die Front gewechselt, aber England sei nicht geneigt gewesen, deshalb das europäishe Konzert zu brechen, da die Aufrehterhaltung desselben wünschenswerth sci, nicht nur weil es shwierige und bedenkliche Fragen der Vergangenheit gelöst habe, sondern weil es sie auch in Zukunft lösen könne. Der Werth des europäischen Concerts sei niht auf die Orient- fragen beschränkt, sondern diene au zur Lösung von Schwie- rigkeiten in anderen Welttheilen. Die armenische Verfassungs- frage, die türkishe Finanzfrage seien durch das europäische Concert zu lösen. Leßteres habe Europa in der Vergangen- heit vor einem Kriege bewahrt und könne dies auch in der Zukunft thun. Die Regierung habe kein unwürdiges Kom- promiß adoptirt, um das europäische Concert zu erhalten ; sie habe nicht geglaubt, daß es im Jnteresse Griechenlands liege, das Konzert zu brehen und Europa in einen Krieg zu stürzen. Der Antrag Bartletts wurde \{chließlich ohne Ab- stimmung abgelehnt. Von Seiten der Regierung wurde hierauf beantragt, die Berathung der Bill über den Par- lamentseid auf nähsten Dienstag, Nahmittags 2 Uhr, an- zuberaumen. Balfour beantragte, die Worte 2 Uhr fortzu- lassen. Dieser Antrog wurde mit 128 gegen 122 Stimmen verworfen, worauf Ritchie den Antrag einbrachte, die Debatte über die Bill noh zu vertagen. Nach einer sehr lebhasten Diskussion wnrde die Vertagung der Debatte mit 127 gegen 115 Stimmen ebenfalls abgelehnt. Schließlich willigte indessen die Regierung in eine Vertagung.

__Der amtlichen „Gazette“ zufolge ist der Minister- resident Go uld in Belgrad zum Ministerresidenten in Stuttgart und Locock zum Ministerresidenten in Bel- grad ernannt worden.

Kapstadt, 3. Mai. (Allg. Corr.) Der General- anwalt der Kap-Kolonie hat seinen Posten niedergelegt, weil er außer Stande sei, die Politik dec Regierung des Premier-Ministers Sprigg in Bezug auf die Eingeborenen zu unterstüßen.

Frankreih. Paris, 5. Mai. (Fr. Corr.) Aus den Nachrichten vom Kriegs\schauplaße ersieht man, daß der erste Angriffsplan der Franzosen \o wesentlihe Aen- derungen erlitten hat, daß man sagen kann, die erste Jdee, den Feind von allen Seiten einzuschließen, ist ausgegeben. Die Division Delebecque nämlich, welche in drei Brigaden von der algierishen Grenze auf drei Routen in das Krumirgebiet ein- gedrungen ist, um das Gebirge Sidi Abdallah ben Djenmel von Kef Cheraga und Babusch anzugreifen, hat diesen Versuch aufge- geben. Auch die Brigade Vincendon is zurückgegangen nah El Aiun, von wo sie aufgebrochen war, sie hat sih dann wieder mit den anderen Brigaden vereinigt und steht,bei Djebabra.. Die Division Delebecque hat somit ihre Operationsbasis vollständig geändert, „weil die natürlichen Hindernisse von dieser Seite geringer sind“. Die G:gend war so wenig bekannt, daß man sich erst durch Rekognoszirungen davon überzeugen mußte, daß man in der anfänglich eingeshlagenen Richtung nicht durchdringen werde. Auf dem Gebirge Sidi Abdallah ben Djemel hofft man die Krumirs konzentrirt anzutreffen und sie zu vernichten. Die Division Logerot wird von Süden nordwärts, die Division Delebecque von Westen ostwärts in dieses Gebirge einzudrin- gen suchen. Vom Kriegsschauplaße wird weiter berichtet :

Kef Scheraga, 4. Mai. Die Räumung des Lagers hat um 3 Uhr Morgens stattgefunden. In dem Augenblicke, da die Truppen sih in Bewegung seßten, ershicnen 300 Krumirs und erklärten, daß sie sib ergäben. Die drei Kolonnen sind an ibrem Konzentrations- puntte Djebabra ohne weiteren Zwischenfall angelangt und zeigten auch keine Spur von Ermüdung. Die Brigade Vincendon, obglei aus jungen Soldaten bestehend, traf unter den Klängen ihrer Musik ein, welche die Marseillaise spielte. Die Krumirs sind wirkli, wie man vermuthete, in großer Zahl in Sidi Abdallah ben Djemel vereinigt, Man gewärtigt in nächster Zeit eine wichtige und vielleicht entscheidende Aktion.

Aus Rum-e-el-Suk, 4. Mai, 10 Uhr Abends, meldet General Forgeinol an den Kriegs-Minister: In Folge des s{lechten Wetters der leßten Nacht konnte ih die Truppen erst um 9# Uhr Morgens in Bewegung pen Die Brigaden Gerder und Galland steben heute Abend mit ihrem Train in Zaula-Sidi-Jussef ; sie haben in der Rich- tung von El-Djebel-Sidi-Abdallah-ben-Djemel Rekognoszirungen unternommen, welche feststellten, daß das Terrain große Schwierig- feiten bietet, und daß uns ziemlich starke feindlide Kontingente gegenüber stehen. Morgen werden die drei Brigaden in Fed-al- Mansed zusammengezogen und vereint gegen die Krumirs operiren. Nach den in der Richtung von Fernana gemachten Rekognoszirungen wäre dieser Punkt nur 18 Kilometet von Suk- el-Arba entfernt. Der General Logerot wird also morgen Abend in Fernana stehen können. In der Lage des Generals Brem hat sih nichts geändert. Die Kolonne Si Selims steht 7 km von Beja, die Ali Beys in Dued-Ferga, gegen das dem General Logerot ge- gebene Versprechen, na welchem diese beiden Kolonnen den Weg von Testur und Medjer-el-Bab einschlagen sollten. Dieser Wortlaut ist Hrn. Rouftan angezeigt worden. Es ist notorischb, daß die Agenten des Beys noch immer die Bevölkerungen gegen uns aufßeten. Aus Kef ist nibts zu melden. Jn Tabarca sind die Trinkwasserbedürf- nisse der Garnison dur cin eben cingetroffenes Cisternenschiff ge- gesichert. Die Selluls, welde um Aman baten und ihn erhielten, haben angefangen, ihre Wasen abzuliefern.

Suk-el-Arba, 5, Mai, Morgens. Die Zusammenziebung des ganzen Erpeditionêcorps na sciner neuen Operationélinie wird beute Abend beendet sein. Die Brigaden Delebecque und Logerot werden dann direkte Fühlung haben und mit der Eisenbahn als gemeinsamer Operationsbasis vereint vorgeben können.

Dem „Temps* wird aus Tunis, vom 4. Mai, telegravhirt: Heute Nacht wüthete ein heftiger Sturm, begleitet von wolkenbruch* artigem Regen, der, wie es scheint, weit ringsum gefallen ist und da- her wahrscheinli die Operationen zum mindesten für cinen oder zwei Tage becinträcbtigen wird.

_ 6. Mai. (Cöln. Zta.) Das „Journal officiel“ ver- öffentliht ein Dekret des Präsidenten, welches den Kricgs- Minister General Farre, der 65 Jahre alt geworden und deshalb in die zweite Sektion des Großen Generalstabs der ae verseht werden mlißte, in der ersten, also in Aktivität erhält.

_Jn dem heute bei dem Conseils-Präsidenten gehaltenen Ministerrath zeigte der Kriegs-Minister Farre an, daß morgen die Vereinigung zwischen den drei Brigaden Delebecque und der Brigade Logerot erfolgen werde.

Gestern wurden in Bisert a zwei Bataillone Fnfanterie und ein Regiment Husaren ausgeschisst. Laut Nachrichten aus der Provinz Oran haben mehrere aufständishe Stämme si unterworfen. Die Besaßung in el Kef wurde durch zwei Bataillone verstärkt. Die Offiziere des englischen Panzerschiffes „Monarch“ erschienen heute im Bardo in Parade-Unisorm. Sidi Ali Bey sollte heute mit 600 Mann tunesischer Truppen wieder in Tunis einrücken.

Der Gouverneur des Senegal hat an die Regie- rung folgende Depesche gerichtet :

„Gallieni mit seinen Gefährten und dem Vertreter von Segu sind am 10. April in Medina angekommen. Der König Amadhu von Sudan, dem ich von der Beseßung von Kita und der Einnahme von Gubanko Kenntniß gegeben, unterzeihnete den Vertrag, welcher ge- stattet, in seinem ganzen Reiche Niederlassungen zu gründen, und den Weg nach dem Niger unter französisches Protektorat stellt, dessen Vertreter in Segu residiren wird. Das ganze Personal befindet sich wohl. Ich bin mit der Stimmung der Bevölkerung zufrieden, und es wird leicht sein, den Boden für die Eisenbahn zu erhalten. Des- bordes schreibt unter dem 16. April, daß er Kita am 5. Mai ver- läßt, um nah St. Louis zurückzukommen. St. Louis, 26. April. Die Mission von Segu, die Niemanden verloren, befindet fich auf dem Wege von Medina nach Bakel.“

6. Mai. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ mel- det: Die von den deutschen Delegirten in der gesirigen Plenarsißung der Münzkonferenz abgegebene Erklärung besagt, Deutschland erhalte sein gegenwärtiges Währungs- system aufrecht und sei nur gewillt, den Verkauf der alten Silberthaler während einiger Jahre zu suspendiren, dann aber denselben in einem gewissen für jedes A festzustellen: den Verhältniß wieder aufzunehmen. Deutschland würde auch geneigt sein, die Quantität der in Cirkulation befindlichen Mark- stücke zu vermehren, N auch die Quantität des in dem Markstück enthaltenen Feinsilbers zu vermehren und die Fünf- marksticke in Gold aus dem Umlauf zurückzuziehen. Die Delegirten Englands erklärten, sie nähmen an der Konferenz lediglih aus Achtung gegen die Staaten Theil, die dazu ein- geladen hätten ; sie seien bereit, diejenigen Aufklärungen zu geben, welche gewünscht würden, würden sich aber an einer Abstimmung nicht betheiligen. Die Delegirten von Fndien und Kanada gaben ähnliche Erklärungen ab. Die Delegirten von Rußland, Schwe- den, Norwegen, der Schweiz und Gricchenland mahten Bor- behalte in Vezug auf die Annahme des Bimetallismus. Der ‘Delegirte ODesterreihs wies auf seine delikate Stellung hin, indem er einen Staat vertrete, der Zwang2cours habe. Die Delegirten der übrigen Staaten enthielten sich jeder Erklä- rung. Der spanische Delegirte Moret beantragte, daß sich die Konferenz nach der am nächsten Sonnabend stattfindendenSißung vertagen solle, damit die Delegirten Fnstruktionen von ihren Negierungen einholten. Die Konferenz wird morgen über diesen Antrag berathen. : i

6. Mai. (W. T. B.) Nachrichten aus Tunis zu- folge hat der Bey eine neue Protestnote erlassen, in welcher er um den Schuß der Mächte bittet und sein Schicksal in die Hände der Großmächte und der Türkei legt. :

Nachrichten aus Tabarca zufolge versorgen die Krumirs, welche sih unterworfen haben, die französischen Truppen mit Lebensmitteln. Die in Biserta befindlichen Truppen bereiten sich zum Marsche nah Matens behufs Ver- einigung mit dem General Logerot vor.

Amerika. Washington, 4. Mai. (Allg. Corr.) Der republikanishe Senatscaucus hat das Programm des Ausschusses für die theilweise Wiederaufnahme der Ge- {äfte angenommen. Auf den Antrag des Republikaners D ging der Senat heute Nachmittag zu Exekutivgeschäften über.

New-York, 4. Mai. Die Gewässer in den west- lihen Staaten verlaufen überall, und es ist keine Gefahr mehr zu befürchten.

Nr. 18 des Centralblatts für das Deutsche Reich, herausgegeben im Reichsamt des Innern, hat folgenden Inhalt : Zoll- und Steuerwesen: Befugnisse von Zoll- und Steuerstellen. Justiz- Wesen: Uebersicht der Geschäftsthätigkeit des Reichsgerichts im Jahre 1880. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. : R

Nr. 18 des Deutschen Handels-Archivs, Wocbenschrift für Handel und Gewerbe, herausgegeben im Reichsamt des Innern, hat solgenden Inhalt: Gesetzgebung: Deutsches Reich: Verfahren bei Abweichungen im Befund der Feinheitsnummern von Baumwoll- und Leinengarn von der Deklaration. ODesterreih-Ungarn : Unga- rische Verordnung, betreffend die Waarenverkehréstatistik. Rumä- nien: Tarif der Schiffahrtsabgaben an der Sulinamündung. Italien und Rumänien: ‘Handels- und Sciffahrtskonvention zwischen

beiden Staaten. Belgien und Rumänien: Konfularkonvention zwischen beiden Staaten. Rußland: Verbot der Einfuhr von Wein-

reben 2c. nach Transkaukasien und dem nördlicben Kaukasusgebiet. Spanien: Verzollung von Maizena (Maisstärke). Berichte: Deutsches Reih: Zur Hebung des Deutschen Ausfubrhandels. Preußen: Die Leinenindustrie der Provinz Hannover im Jahre 1880. Rußland: Verkehrsbewegung in Odessa im Jahre 1880 a. St. Berdjansk (Handelsberiht). Großbritannien: Cardiff (Handels- beriht), Bradford (Handelsberiht). Meriko : Zacatecas (Han- delsbericht). Brasilien: Santos (Schiffsverkehr)). De

Annalen der Hydrographie und Maritimen Metcorologie. Organ des hydrographischen Amts und der Deut- cen Scewarte. Herausgegeben von dem hydrographishen Amt der Kaiserlichen Marine. Neunter Jahrgang. 1881. Heft 1V. Inhalt: Resultate meteorologisher Beobochtungen von deutschen und hollän- dischen Schiffen in den Quadraten 146 und 147 des Nordatlantischen Oireans zwischen 409 bis 50° N. Br. und 10° bis 30° W. Lg. Ueber die kürzeste Berechnungsart der Monddistancen im nautiscen Gebrauch. Von Prof. Dr. G. D. E. Weyer. Aus den Reiseberichten S. M. Kbt. „Nautilus“, Korv.-Kapt. Chüden. 1) Hafen von Wel- lington. Neuseeland. 2) Reise von Wellington nah Apia im No- vember und Dezember 1880, Eingänge von metecrologishen Four- nalen bei der Deutschen Seewarte im Monat Dezember 1880. Beschreibung der Insel Minikoi. Indischer Ozean. Port Sala- verry in Peru. (Mittheilung von der Deutschen Scewarte.) Port Ghalmers, Lyttelton und Oamaru. (Mittheilung von der Deutschen Scewarte). Ergebnisse der meteorologishen Beobactungen auf der Kaiserlichen Minister-Residentur zu Tanger im Jahre 1880. (Mit- theilung von der Deutschen Scewarte.) Vergleichende Uebersicht der Witterung des Monats Januar 1881 und für das Jahr 1880 in Nordamerika und Centraleuropa. (Mittheilung von der Deutschen Seewarte.) Kleine hydrographisde Notizen. Tabellen.

Nr. 18 des Justiz-Ministerialblattes hat folgenden JInbalt: Allgemeine Verfügung vom 27. April 1881, betreffend die Beschaffung der zu einer gerihtlichen Leichenöffnung nöthigen Instru- mente. Allgemeine Verfügung vom 30. April 1881, betreffend die in Folge des Gesehes vom 26. Juli 1880 künftig an die Verwal- tungébebörden anzuwendenden Adre}sen.

Statistische Nachrichten.

Das Kaiserlihe Statistische Amt behandelt auf Grund der gewerbestatistisben Aufnahme von 1875 die Lage der wicbtigsten Gewerbeim Deutschen Reich monographish. Die in dem foeben erschienenen Märzheft der Reichsstatistik enthaltene Darstellung der Nahrungsgewerbe ergiebt, daß im Deutschen Reich 77 427 Fle if che- reien, 59908 Mühlenbetriebe und 79252 Bäckereien gezählt wurden und daß in der Fleischerei 110 687, in der Müllerci 126 563 und in der Bäckerei 139 034 Personen gewerbsmäßig thätig waren. Die drei Gewerbe beschäftigten also zusammen 376 284 Personen, d. h. 8,8 pro mille der gesammten Bevölkerung oder etwa 14,0 pro mille aller ihrem Alter nach zu produktiver Arbeit Fähtgen. Dabei haben diese Gewerbe so sehr den handwerfksmäßigen Charakter bewahrt, daß von den Fleischereien nur 0,55%, von den Müllereien 1,82%/g und von den Bâäckereien 1,19% mehr als 5 Gehülfen verwendeten, 61,69 */g der Fleischereien, 41,89% der Müllereien und 47,87 “/g der Bäereien aber ohne alle Gehülfen betrieben wurden. Geschäfte von mehr als 50 Personen waren im Deutschen Reich im Fleischer- und Bäcker- gewerbe je 6, im Mühlenbetriebe 30 vorhanden. Gegenüber dem Auslande erweist sih die Zahl der Müller im Deut- schen Reiche sehr groß. Soweit ermittelt werden konnte ist die- jelbe in keinem fremden Staate auf gleiche Einwohnerzahl höher. S der Fleischer steht das Reich nur hinter England mit

Vales, binsihtlih der Bäcker hinter England, Schottland und den Niederlanden zurück. Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika erreichen kaum §4 des verbältnißmäßigen Bestandes der Nahrung3gewerbe im Deutschen Reich.

Von dem Statistischen Jahrbu der Stadt Berlin, herausgegeben von Richard Böckb, Direktor des Statistischen Bureaus der Stadt Berlin (Verlag vcn Leonhard Simion, Berlin 1881) ift

soeben der 7. Jahrgang, Statistik des Jahres 1879, erschienen.

Die Statistik betrifft zunächst die Bevölkerung Berlins nach den Resultaten der Fortschreibung, die mit denen der Zählung ziem- lich genau übereinstimmt. Denn nach jener find für den 1. Dezember 1880 für Berlin 1 112 787 Einwohner berechnet worden, während die Zählung 1122 385 ergeben hat. Für Ende 1879 berechneten nh nach der Fortschreibung 1090632 Einwohner, davon 480 875 in Berlin, 960 757 auswärts Geboreie, 529 610 männliche (229 627 in Berlin geborene) und 561022 weibliche (251 248 in Berlin geborene). Ende 1878 betrug die Bevölkerung 10 6 601 Einwohner (459 950 in Berlin geborene), 515 668 männliche (219 800 in Berlin geborene), 540 933 weibliche (240 150 in Berlin geborene). Der Antheil der in Berlin Geborenen hat sib von 1879 zu 1880 von 435,3 pro Mille auf 441 pro Mille vermehrt. 1 Die Zahl der ges{lo}senen Ehen betrug 10 431 oder 19,5 pro Mille der mittleren Bevölkerung, gegen 20, 21,8, 24,7, 30,6, 28,6, 28,1, 27,2, 90,6, 22,1 pro Mille in den Vorjahren bis 1870. Von den Chen der Wittwer waren 30 dritte Ehen, 2 vierte, 1 fünfte; von den Ghen der geschiedenen Männer 5 dritte; von den Ehen der Wittwen 8 dritte, von denen geschiedener Frauen 9 dritte. Von den 10 431 hei- rathenden Männern standen 2150 (206,1 pro Mille) im Alter von 20 bis 25 Jahren, 4770 (457,3 pro Mille) im Alter von 25 bis 30 Jahren), 1893 (181,5 pro Mille) im Alter von 30 bis 35 Jahren; von den 10431 heirathenden Frauen hatten 3995 (382,9 pro Mille) ein Alter von 20 bis 25 Jahren, 3311 (317,4 pro Mille) von 25 bis 30 Jahren, 1342 (128,7 pro Mille) von 30 bis 35 Jahren. Von den 10 431 Ehen waren 1414 Mischehen. EChelösungen dur den Tod fanden 5613 ftatt und zwar 3388 (604 pro Mille) durch den Tod des Mannes, 538 pro Mille der neuges{lossenen Chen. Die durhschnittliche Dauer der Chen stellte sich in Berlin auf fast 24 ahre. S E wurden im Jahre 1879 23 713 Knaben und 22 352 Mädchen, zusammen 46 065 Kinder odcr 43,81 pro Mille der Bevöl- ferung, gegen 44,12, 45,38, 47,16, 46,11, 43,85, 40,94, 42,06, 36,36, 41,31 in den Vorjahren bis 1870 zurück. Unter den Neugeborenen waren 6187 unchelich oder 5,78 pro Mille der Bébölkerung,ck gegen 580 pro Mille im Durwschnitt 1870—1879. Die Geburis- ziffer ist für die einzelnen Stadttheile schr verscieden , ste betrug für die jens. Luisenstadt 57,2 pro Mille, den Wedding 57,1, Rosenthaler Vorstadt 56,7, Stralauer Viertel 52,5, Vranten- burger Vorstadt 48,7, Tempelhofer Vorstadt 43,9, Königsviertel 43,6, Moabit 37,7, Schöneberger Vorstadt 35,4, dies. Luisenstadt 53,6, Spandauer Viertel 32,4, Altstadt 27,6, Friedrichstadt 26,3 pro Mille. Unter den Geburten befanden \ich 585 Zwillings- und 5 ODrillings- geburtenz; 16242 (40,6 pro Mille der Geborenen) wurden todt geboren; von den unehelichen Kindern kamen 390 oder 63 pro Mille nicht lebend zur Welt. E Rücksichtlih der Sterbefälle ist die Stadt Berlin im Jahre 1879 wieder in ein günstigeres Verhältniß getreten. Es starben in diesem Jahre inkl. der Todtgeborenen 31393 Ein- wohner (29,24 pro Mille), und zwar 16976 männliche und 14417 weiblihe. In den Vorjahren bis 1870 war die Sterbe- iffer. 31,11, 31,41, 31,50, 34,87, 31,89, 31,67, 33,28, 40,50, 393,14 pro Mille. Ohne die Todtgeborenen starben im Jahre 1879 nur 29 545 Einwohner (15 919 männliche, 13 626 weibliche) oder 27,59 pro Mille. Die größte Sterblichkeit fällt in den Monat Juli; im Durchschnitt der Jahre 1875—1879 Dare in diesem Monat, die Gesammtzahl der Todesfälle im Jahre auf 1200 reduzirt, 141,9, demnächst im Juni 133,3 und im August 116,7, dagegen im November nur 82,7. In den einzelnen Stadttheilen stellte sich in den Jahren 1878 und 1879 folgende Sterblichkeitsziffer heraus: Friedrichstadt 18,4 pro Mille, Schöneberger Vorstadt 20,9, Altstadt 22,1, diesset- tige Luisenstadt 232, Spandauer Viertel 25,8, Tempelhofer Vorstadt 26, Moabit 30,3, Oranienburger Vorstadt 33,8, König- stadt 35,5, Stralauer Viertel 36,3, jen, Luisenstadt 37,8, Yosen- thaler Vorstadt 38,2, Wedding 39,1 pro Mille. Unter den im Jahre 1879 31 393 Verstorbenen waren 14 502 Kinder unter 1 Jahr, d. 1. 461 pro Mille der Sterbefälle, 320 pro Mille der Geborenen. Vie Skala der Kindersterblichkeit in den einzelnen Stadttheilen it die- selbe wie die der Gesammtsterblichkeit. Von den gestorbenen Kindern waren 1848 oder 4012 pro Mille der Geborenen todtgeboren, 3122 = 67,78 pro Mille starben im 1., 30,58 pro Mille im 2., 27,50 pro Mille im 3., 2644 pro Mille im 4,, 21,94 pro Mille im 5. Monat u. s. w. Bon „den außer- ebclid Geborenen starben 488,57 pro Mille im 1. Jahre, 140,90 pro Mille im 1. Monat, 63,04 pro Mille waren todtgeboren ; für die chelich Geborenen waren die entsprebenden Zahlen 285,63 56,46, 36,56. Die häufigsten Todesursachen waren Diphtherie 1146, Lebenss{wäche 1591, Erschöpfung 1213, (sonstige) Krämpfe 1927, Lungenentzündung 1473, Lungenschwindsubt 3486, Durhfall 1650, Brechdur(fall 3124, Von 9956 verstorbenen ehelichen Kindern waren 2223 mit Muttermil, 79 mit Ammenmilch, 4249 mit künstlicher und 2057 mit gemishter Nahrung ernährt worden; bei 1348 war die Ernährung8weise nicht angegeben. Von 2698 gestorbenen unche- liden Kindern waren 282 mit Mutter-, 6 mit Ammenmilch, 1265 mit künstlicher Nahrung, 409 mit gemischter Nahrung ernährt worden i 736 fehlte die Angabe. e E Bad die Wobnungslage betrifft, so kommen _nach Scbäßung 97 pro Mille der Todesfälle auf Kellerwohnungen, 170 auf Wohnungen des Erdgeschosses, e au das 1., 201 auf das 2., 192 auf das 3., 32 auf das 4. Stockwerk. - E i Die Zahl der Zugezogenen betrug im Jahre 1879 113 666 (66 664 männlihe und 47 002 weibliche) oder 106,1 pro Mille der Bevölkerung, gegen 102,8, 106,1, 124,3, 140,7, 139,3, 1554, 155,9, 166,2, 125,9 pro Mille in den Vorjahren bis 1870. Als fortgezogen wurden 84 027 Personen (49 808 männliche, 34 219 weibliche) gemeldet = 78,5 pro Mille der Bevölkerung, gegen 79,8, 83,3, 95,7, 103,2, 107,5, 107,8, 102,5, 97,1, 110,8 pro Mille in den Vorjahren bis 1870. Der stärkste Zu- und Abzug fand unter den von 1850 bis 1864 Ge- borenen statt. Der Antheil der in Berlin Geborenen an dem Umzuge hat sich auf 160,6 pro Mille bei dem männlichen und auf 140,8 pro Mille bei dem weiten Ges{lecht gestellt, bei dem Anzuge auf 8 bezw. 86,2 pro Mille. E Es Wobnungöswe@sel sind im Jahre 1879 546 603 an- und

S D ita

480 094 abgemeldet worden, 66509 tebr als int Jahre 1879, ins- besondere 36 879 mehr Umzüge innerhalb der Stadt. Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Kirchhoff & Wigand in Leipzig haben für Mai 1881 2 Kataloge, Nr. 612 und 613 ibres antiquarisbhen Bücher- lagers auêgegeben. Nr. 612 „Jurisprudenz (einshließlich des Kirchenrechts)“ enthält ein Verzeichniß von 4335 Scriften und zer- fällt in folgende Abtheilungen: I. Literaturgeschichte des Nets nebft Biograpßtien (80 Nrn.); 11. Geschichte des Rehts im Allgemeinen (118 Nrn.); Il. Lerifa, Opuscula, Vermischtes, allgemeine Zeit- schriften (285 Nrn.); IV. Rechtsvhbilosophie, Methodologie, Codi- fication (137 Nren.); V. Quellen des römischen Rechts und Kom- mentare (237 Nrn.); VI. Quellen, Alterthümer und Dogmengeschichte des deutschen Rechts (486 Nrn.); VIT. Quellen des neuen aus- ländishen Rechts (dänischen, schwedischen, englischen, italieni- frhen, - französischen; ungarischen, - jüdischen (142 Nren.); VIIE. Decisíiones, Consilia, Responsa, Präjudizien (134 Nen.); IX. Lehrbücher des Privatrechts, Rechtsfälle als Uebungsaufgaben (258 Nrn.); X. Familien-, Ehe- und Erbrecht, nebst Fideicommifse (297 Nrn.); XLI, Grundeigenthum, Hypotheken-, Lehn-, Bauern-, Iagd- und Wasserrecht (230 Nrn.); XI1. Bergrecht (52 Nrn.) z X1TII. Handelsrecht [1) im Allgemeinen, Wechsel-, See- und Eisenbahn- recht, 291 Nrn. ; 2) Buchhandel und Preßrecht, 72 Nrn. ; 3) Gewerbe- recht, 24 Nrcn.]; XIV. Sonstige civilistishe Monogravhien (282 Nrn.); XV. Gerichtsverfassung und Prozeß, nebst freiwilliger Gerichtsbarkeit (492 Nrn.); XVI. Kriminalrechwt [1) Geschichte desselben nebst Zeitschriften; 2) Lehrbücher und Monogravhien 482 Nrn.]; XVII. Kirchenrecht und Kirchenverfafsung (197 Nrn.)z XVIIT. Nachträge (39 Nrn.) Vorstehender Katalog bietet ein fehr reichhaltiges Verzeichniß Zjuristisher Werke der verschiedensten Art, die theils das. Recht im Allgemeinen, theils * die verschiedenen Rechtsmaterien betreffen und ebensowohl si auf das alte römische Recht, als auf das Recht der verschiedenen Länder

Europas beziehen, und unter denen sich viele wichtige und werthvolle Werke befinden. Nr. 613 des antiguarischen Bücberlagers „Staats- und Cameralwissenschaften“ umfaßt ein Verzeichniß von 1069 Schriften, die die genannten Materien behandeln und in folgenden 4 Grupven zusammengestellt sind: I. Staatswißenschasten im Allgemeinen (133 Nrn.); 11. Staats- und Völkerre(zt, Politik (329 Nrn.) ; 111. Nationalökonomie, Finanz- und Staatswissenschaft (400 Nren.), nebst Statistik (90 Nrn.); TIV. Verwaltungskunde (117 Nrn). Auch dieser Katalog enthält viele wichtige Werke, die sich theils auf die angeführten Materien im Allgemeinen, tbeils auf einzelne Länder Europas beziehen und in verschiedenen Svrachen (deutscher, lateinischer, französischer, englischer, italieniscber, spanischer)

abgefaßt sind. Gewerbe und Sandel.

Das „Dresdn. Journ.* veröffentlicht folgenden zweiten, vorn 6. Mai datirten Leipziger Meßbericht: Von der Tuchmes]e läßt sich diesmal wenig Erfreuliches berichten, da selbst von der mäßigen Zufuhr von Tuchen und Buckskins ein guter Theil wieder mit na Hause ge- nommen werden mußte, weil nur wenige Haupteinkäufer sich im Markte zeigten. Die erzielten Preise der verkauften Waare ließen sebr viel zu wünschen übrig, da dieselben den. Fabrikanten fast feinen Nutzen brachten und nur ganz gute solide Waare fic) einiger- maßen im Preise hielt. Schwarze glatte Waare war fast ganz vernachlässigt. Die vorbergegangene Messe in Frankfurt a. M. war ziemlich zufriedenstellend und da dieselbe früher fällt, als die Leipziger Messe, so hatten es viele Käufer vorgezogen, schon dort ihren Bedarf zu decken, um rectzeitig ihre Lager zu afsortiren, zumal Ostern diesmal viel zu spät fiel und man bis dahin nicht erst auf Sommerwaare warten kounte. Die Fabrikanten konstatirten im All- gemeinen, daß diese Messe eine recht s{lechte für sie war. Ebenfo {till ging es in {weren wollenen Strumpfwaaren, die Fabrikanten kamen zum Theil nit ein Mal auf ibre Meßunkosten. Selbst die beliebten Phantasieartikel, die sonst fleißige Nehmer fin- den, zeigten sich diesmal sehr vernachlässigt. Ganz niedergedrüdct war das Geschäft in voigtländischen Weißwaaren, cs waren mehrere Firmen zu dieser Messe gar niht nah Leipzig gekommen ; überhaupt waren diesmal manche Läden leer zu sehen, die sonst zu Meßwaaren kenußt wurden. Spielwaaren, die vorige Michaelis- messe sehr gut gingen, so daß den Fabrikanten noch vicle Aufträge mit nah Hause gegeben wurden, gingen diese Messe schr flau, da die meisten Kaufer dafür fehlten; nur einige Franzosen und Amerikaner zeigten sich als Hauptkäufer im Markt. Es hielten sich die Fabrikanten während dieser Messe länger auf, als gewöhnli, immer noch hoffend, daß ihnen noch Aufträge ertheilt würden; es hat fich diese Hoffnung jedo leider nicht realisirt. Ganz dasselbe läßt stch auch von Musikinstrumenten sagen. l /

Na dem Berichte, welher der Generalversammlung der Gothaer Privatbank von der Direktion erstattet wurde, it das Geschäftsjahr 1880 in Folge des niedrigen Diskontsatzes ein wenig günstiges gewesen. Nach Abschreibung von 12000 # auf das Bank- gebäude, 5578 F auf Inventar und Zurückstellung von 45 000 M für zweifelhafte Forderungen wird eine Dividende von 62 "/a vorge- \{lagen. Der Reservefonds hat scine Maximalböhe mit 450000 M erreicht und bedurfte keines Zuschusses mehr. Die bei der Bank verzinslich angelegten Gelder betrugen ult. 1880 2818000 s, die Guthaben auf provisionspflichtige Konten 2785000 A4 Zum Bestande in Mark- wecbseln vom 1. Januar 1880 von 3934712 Æ traten im Laufe des Jabres diskontirte 24675294 M hinzu und von diefen 98 610006 M gingen wieder aus 24655 556 M, so daß am 31, Ve- ¿ember 1880 3954 449 M im Bestande verblieben. Der Bestand an Staatspavieren und sonstigen Effekten am 1. Januar 1880 von 71 088 M wurde durch Zugänge in Höbe von 3938 159 K auf einen Bucbwerth von 4009 248 M gebracht, dagegen dur Abgänge von 3615212 M auf 394035 A zurückgeführt. Aus dem Weselverkehre hatte die Bank folgende Einnahmen: a. aus Mark- webseln 196 406 K, b. aus Wechseln in fremder Währung (52 M. Die Lombardzinsen ergaben 15055 Das Effektengeschäft erbracte 34 137 #4. Der Zinsenübershuß auf laufenden Recnungen betrug 953 451 M, und. Provisionen aller Art, abzüglih der verguteten, wurden eingenommen 132 332 Auf eingezahlte Gelder waren an Zinsen zu gewähren 115908 „(& Die Staatéaufsicht veranlaßte cine Ausgabe von 5110 (A Die Kosten für den Verwaltungsrath und die Revision beliefen sich auf 5420 K, und alle übrigen Betriebskosten betrugen 88 243 M 5

Dem Geschäftsbericht der Gladbacher Feuerversiche- rungs-Gesellschaft entnehmen wir Folgendes: Die Gesellschast wurde im vergangenen Jahre von so erhebliben Schäden betroffen, daß zur Deckung des Verlustes aus dem Kapital-Reservefonds die Summe von 111478 M entnommen werden mußte, Vte Zahl der Schäden betrug 1193, während sich dieselbe im Jahre 1879 auf 985 stellte. Die Gesammtsumme der im Jahre1880 bezahlten und am Sclujfie desselben reservirten Entschädigungen beträgt brutto 2 127 023 M, von welcher auf landwirths{aftlice Versicherungen brutto 784945 A für 345 Schäden, und auf 95 Blivschäden brutto 341 529 K ent- fallen. Zahlreiche, kurz vor Jahreês{luß eingetretene Schäden, welche zwischenzeitlich geordnet sind, erforderten eine Schadenre]erve von 646 972 M Die während des Jahres in Kraft gewesene Versiche» rungssumme beträgt 2218 169 525 M, ist also gegen das Vorjahr um 80428057 F gestiegen. Von ersterer Summe wurden 803 358 843 # in Rückdeckung gegeben, und wverblieben Ende des Jahres 1 193 020 529 M oder 19 777 123 M mehr in Kraft als beim Jahrcs\{lusse 1879, , Z E In der Generalversammlung der Cöknischen Rückver- sicherungs- Gesellschaft vom 5. d. M. wurde der Rechnungs- abs{luß pro 1880 und die Bilanz vorgelegt. Die Dividende ift auf 10% für das baare Einlagckapital oder auf 30 M pro Aktie fest]

sel sofort zahlbar. 0e ry Woek, 6. Mai. (W. T. B) Baumwollen- Wowenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 45 000 B., Aus- fubr na Großbritannien 24000 B.,, Ausfuhr na dem Kontinent 23 009 B., Vorrath 597 000 B.