1903 / 53 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Mar 1903 18:00:01 GMT) scan diff

hat, dann werden ihm diese Stunden ein und einhalbfah gerechnet, er hat infolgedessen an den nähsten Tagen umsomehr dienstfreie Zeit.

Hinsichtlih des Schußes der Briefträger gegen die Unbilden der Witterung kann ih dem Herrn Vorredner erwidern, daß ih bereits | vor 2—3 Jahren die Anregung gegeben habe, die Briefträger besser

zu schüßen. Ich habe, ebenso wie er, gesehen, daß bei Regenwetter

und an falten Tagen den Briefträgern ihre Mäntel unter Umständen | Lein Pt viel zu lästig sind und daß die Mäntel denen, die sie tragen, niht den | 7 nötigen Schutz gewähren für die Briefe, die sie vielfah in der Hand haben. Nun sind auch Versuche mit Gummimänteln gemacht worden.

Hier liegt aber die Sache für wie für den Straßenkehrer oder den auf der Straße steht und sich nicht soviel hat. Es ist bekannt, daß für jeden Menschen, der sich viel bewegen

den Briefträger niht so

muß, solhe Gummimäntel das Entseßlichste sind, was es überhaupt

gibt. (Sehr richtig!) Man wird heiß, knöpft den Rock auf und erkfältet si häufig. Es ist also nur menschlich, wenn die Verwaltung nicht darauf besteht, daß die Briefträger in solhen Gummimänteln umher- gehen; sie sind ganz unpraktish. Dagegen haben wir Versuche anstellen lassen mit leiten Lodenrädern hier und auswärts; sie haben allgemein

Anklang gefunden, und wir sind gerade“ dabei, diese Räder allgemein | einzuführen, so daß die Briefträger ein Bedeckungskleidungs\tück haben,

welches leicht ist und vor Regen {hüßt. Ich glaube, daß nach dieser Richtung den Wünschen des Herrn Vorredners Nehnung getragen worden ist. Was die Darstellung anbetrifft, die der Herr Abg. Grocber bezüglich des Meter Sonntagdienstes gegeben hat, so war es am gestrigen Tage meine Absicht, dem Herrn Abg. Groeber selbst {hon mitzuteilen, daß darüber Nachforschungen angestellt sind und diese ergeben haben, daß leider unseren Wünschen in Meß nicht Rechnung getragen ist. Ich habe sofort Veranlassung genommen, anzuordnen, daß dies nun- mchr geschehe. (Bravo in der Mitte.)

Die Ausgaben jür die Vorsteher von Postämtern erster Klasse werden nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Lenz- mann und Fishbeck (fr. Volksp.) bewilligt.

Bei den Ausgaben für die Unterbeamten bei den Post- ämtern E ih der

Abg. Eickhoff gegen die ihm und seiner Partei in der leßten Sitzung von dem Abg. Singer gemachte Unterstellung, als ob diese Partei nur für die oberen und nicht für die unteren Beamten das

leihe Interesse habe. Redner nimmt auch die neuen Titel Ober- briefträger und Oberschaffner gegen den Abg. Singer in Schuß und hält seinerseits dafür, daß die Verleihung der Schnüre militärischen Verhältnissen entsprungen fei. Man sollte aber dabei fo liberal wie mögli verfahren; eine Reihe von Beamten sei übergangen worden, weil sie irgendwelhe Ordnungsstrafen erlitten hätten. Strengste Disziplin müsse ja herrschen, aber es gehe zu weit, wenn die kleinste Ordnungsstrafe dem Beamten noch nah Jahren als Makel anhafte. Dieses ganze Strafsystem sollte revidiert werden. Ne bis in idem! Die Klagen über die gehobenen Stellen würden niemals verstummen. Den Bahnpostshaffnern auf Nebenstrecken würden die Stellenzulagen vorenthalten; so auf der Stree Nemscheid—Elberfeld—Düsseldorf ; dieser Unterschied sollte in Fortfall kommen. Die Wohnungsfrage für

die Postbeamten sollte mehr als bisher durch die Mitwirkung der ge- meinnüßigen Bauvereine gelöst werden.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Der Herr Vorredner kann überzeugt sein, daß feitens meiner Verwaltung jede Gelegenheit wahrgenommen wird, um den Unter- beamten bessere Wohnungsverhältnisse zu verschaffen, und es geht auch aus den Etatsansäßen hervor, daß wir dahin streben, so viel Geld als möglich für diesen Zweck flüssig zu machen.

Was dann seine Wünsche bezügli der gehobenen Unterbeamten be- trifft, so kann ich nur wiederholen, was ich {hon früher gesagt habe und worin, wie ih glaube, alle übereinstimmen, daß, solange „es Stellen giebt, die etwas besser besoldet werden als andere, diejenigen, die zu diesen Stellen niht auserkoren werden, immer unangenehm berührt sind. Es ist das ein so mensc{hliher Zug, daß man \ich darüber niht viel wundern sollte. Wir halten aber diese gehobenen Stellen gut für den Dienst und freuen uns, \o vielen Unterbeamten eine böbere Vergütung zuwenden zu können. Nun scheint mir aber in den Ausführungen des Herrn Vorredners ein Mißverständnis insofern obzuwalten, als er zum Ausdruck gebracht hat, beim Eisenbahnpostverkehr erhielten nur die Unterbeamten eine Zulage, die s\ch auf Hauptstreckden im eisenbahntechnischen Sinne, also auf „Hauptbahnen“ bewegten. Das is [keines- wegs der Fall, und wenn in einem Bezirke eine solche Auffassung bestände, so würde sie zu berichtigen sein. Wie im Etat ausgedrückt, haben wir allerdings gehobene Stellen für Schaffner auf Hauptstrecken. Jch habe aber hier die Verfügung, die seinerzeit bier- über an die Oberpostdirektionen erlassen worden ist, in der es aus- drüdcklich beißt :

„Ob eine Eisenbahnlinie als Hauptstrecke anzusehen ist, richtet sih ausschließlih nah der Verantwortlichkeit und Schwierigkeit der von den Bahnpostshaffnern wahrzunchmenden Postdienstgeschäfte. In Betracht zu ziehen für die Einreibung in die Zahl der ge- bobenen Unterbeamten find nur solhe Bahnpostschaffner, an deren Diensttätigkeit über das gewöhnlihe Maß des Unterbeamtendienstes in den Bahnposten hinausgchende Anforderungen gestellt werden.“

Also es ift sehr wobl angängig, Schaffnern, welche Nebenrouten befahren, die aber im postalishen Sinne als Hauptstrecken anzusehen sind, solhe Zulagen zu bewilligen, und auf vielen derartigen Strecken haben sie sie auch.

Was dann die Ausführvng des Herrn Vorredners bezüglich der Strafen anlangt, so fann ih ihm unumwunden sagen, daß ih kein großer Freund von Geldstrafen bin, und es auch nicht für gut finde, wenn bei jeder Kleinigkeit mit den Beamten, die gesündigt haben bei der Schnelligkeit, mit der gearbeitet werden muß, kommen ja Versehen vor —, lange Protokolle aufgenommen werden. Ich bin der Meinung, daß, wenn Beamten, die sich sonst gut führen, einmal ein Versehen unterläuft, es besser ist, die Sache mündlich zu erledigen, als eine große Verhandlung aufzunehmen, wobei die meisten Beamten doch nur sagen können : „es ist leider ein Versehen, daß dieser Brief unrichtig dahin geshickt worden ist.* Absicht ist es gewöhnlich nicht gewesen. Nun bitte ih aber den Herrn Vorredner, aus dem, was ein Staatsanwalt über die Strafen der Beamten gesagt hat, keine Schlüsse zu ziehen, denn die Beamten, die vor den Staatsanwalt kommen, sind gewöhn- lih solche, die schon ret viel gesündigt haben; und darum glaube ih wohl, daß ein Staatsanwalt sagen fann, es wäre ihm noch kein Ünterbeamter vorgekommen, der niht eine Strafe erlitten hätte; das sind eben Unterbeamte, die sh \{chlimmer Vergehen s{huldig gemacht haben, und die werden natürlih, ehe sie vor den Staatsanwalt lommen, son vielfa bestraft sein.

Sußmann, der f : zu bewegen

if beck geht auf die R der Wohnungs- nd die unzureihende Höhe des ohnnngöger ui es ostunterbeamten unter Exemplifikation auf seinen Wahlkreis nann näher ein.

ubeil (Soz.) bemängelt, daß die Sonntagsruhe der in Berlin unter dem neuen Staatssekretär sehr viel un- j tet sei als vordem. Einen ganz freien Sonntag hätte mehr. Der Postillon habe 2,50 A den Tag, einen fümmerlihea Anfangslohn. Von Reservemänteln, ede gewesen, sei den Postillonen

1 f O er im Reichstage die

aatssekretär des Reichspostamts Kraetke: Dex Herr Abg. Lenzmann hat vorher einen Fall angeführt, in dem Postanweisungsgelder niht rechtzeitig ausgefolgt worden seien,

und : daran die Schlußfolgerung geknüpft, daß den Postämtern

nit genügend Geld zugewiesen würde, und daß fie sh dann auf die Bestimmüng der Postordnung berufen, wona sie erst zu zahlen hätten, wenn das Geld vorhanden wäre. Ich möchte dem Herrn Abg. Lenzmann versichern, daß es nicht in der Absicht der Reichspostverwaltung liegt, ih irgendwie unbegründeterweise auf diesen Paragraphen zurük- zuziehen und etwa niht Vorsorge für die Interessen des Publikums zu treffen. Der erwähnte Paragraph is nur dahin zu verstehen, daß, ‘wenn einmal ausnahmsweise das Geld nit vorhanden sein sollte, ‘cin Anspruhß an uns nicht geltend gemacht werden kann. Unser Bestreben aber ist es, stets rechtszeitig auszu- zahlen, da uns sehr wohl bewußt i, welhe Nachteile es für einen- Empfänger haben kann, wenn Geld, welches zur Auszahlung von Arbeitern usw. zur Stelle sein soll, niht rehtzeitig zur Verfügung steht. Ob nah der Richtung hin in Weßlar etwas versäumt worden is, werde ih feststellen lassen und u. U. für Abhilfe sorgen. Ich würde dem Herrn Abgeordneten dankbar sein, wenn er au die übrigen Orte, wo so etwas vorgekommen ist, einem meiner Herren Kommissare mitteilen wollte. Wir wollen dann darüber Nachforshungen anstellen, ob sich die Oberpostdirektion nicht unterrihtet hält, daß der Betrag, der bei den Postämtern vorhanden sein soll, rihtig bemessen ist.

Was dann die Bemerkung des Herrn Vorredners betrifft, fo mölte ich ihm in erster Linie sagen, daß, seitdem ih die Ehre habe, an der Spiße des Reichspostamts zu stehen, keine Verfügung er- gangen is, nach welcher die Postillone s{chlechter gestellt werden oder einen anderen Dienst bekommen sollten, als sie unter meinem Herrn Vorgänger gehabt haben. Mir is auch nicht bekannt, daß die Postillone jeßt einen \{lechteren Dienst haben. Wir haben mehrfach über ihre Verhältnisse Bericht eingefordert, und nach den Berichten, die wir bekommen haben, liegt die Sache do ganz anders, als der Herr Vorredner eben ausgeführt hat.

In Bezug auf den Dienst der Postillone am Sonntag vormittag bestehen- allerdings gewisse Schwierigkeiten insofern, als die Bestell- fahrten ebenso wie in der Woche zu verrichten sind, und als es shwierig ist, für die Postillone geeignete Ersazmannschaften zu bekommen. Wir sind aber, wie der Herr Abgeordnete vorgestern {hon gehört hat aus der Antwort, die ih dem Herrn Abg. Stoecker erteilt habe, bestrebt, diesen Paketbestelldienst am Sonntag abzukürzen und bald nach 10 Uhr zu beenden, damit er \sich nicht bis in den Nachmittag hineinzielt. Damit werden sich die Verhältnisse auch für die Postillone besser gestalten.

Wenn dann der Herr Vorredner weiter angeführt hat, daß die Postillone, die die Bitte ausgesprochen haben, die Kirche besuhen zu dürfen, nachher \{chlecht behandelt werden, so kann ich so etwas nicht glauben. Die Ordres in dieser Beziehung sind so streng, daß, glaube ih, niemand \sih unter- fangen wird, Beamte, die viel am Sonntag vormittag in Anspruch genommen sind, s{lecht zu behandeln, wenn ihnen auf ihren Wunsch Gelegenheit zum Kirchenbesuch gegeben worden ist. Jh werde aber auch nach der Richtung hin mir Bericht erstatten lassen, wie die Sache liegt.

Beinahe wie ein Märchen, glaube ih, hat es uns allen aber geklungen, wenn der Herr Vorredner sagte, daß bei der Posthalterei bier ein Dienst bestehe, wonach ein Postillon eine ganze Woche lang niht aus den Kleidern herauskäme oder niht Zeit hätte, ih umzukleiden, bei seiner Familie zu sein und auch zu \{lafen. Ich kann nicht glauben, daß ein solcher Dienst existiert, und muß an- nebmen, daß dem Herrn Abgeordneten nah dieser Richtung ganz falsch berihtet worden is. Solche Lämmer von Postillonen haben wir nicht, die das rubig ertragen würden (Heiterkeit), und ih würde es auch unverantwortlih finden, wenn sie das ertrügen; denn dann würden sie niht den Schneid haben, auf der Spitze des Wagens bier durch die belebten Straßen zu fahren, wo sie alle Augenblicke eine gewisse Energie entwickeln müssen.

Was den Tagelohn der Postillone anbetrifft, so habe ih bereits in früherer Zeit zum Ausdruck gebraht, daß er worden ist, daß die Postillone in ihren Bezügen den Unterbeamten in Berlin gleichgestellt sind.

Auch in Bezug auf die Mäntel der Postillone muß der Herr Vorredner nicht richtig berichtet sein. Das Versprechen, das ih gegeben habe, daß die Reichspostverwaltung die Postillon gegen die Unbilden der Witterung \{chüyen wolle, ift ausgeführt. Sämtliße Postillone \ind mit imprägnierten Mänteln ausgestattet, so daß nach dieser Richtung hin keine Klage mehr vorhanden sein kann. Wir brauchen dazu allerdings nicht zehn Jahre, darin hat der Herr Vorredner ganz recht; wir haben aber zur Sicherheit zwei Jahre probiert und sind, nahdem wir uns überzeugt hatten, daß diese imprägnierten Mäntel nit die Nachteile baben, die sonst den imprägnierten Sachen häufig anhaften, dazu übergegangen, für \sämtlihe Postillone imprägnierte Mäntel zu liefern. Daß die Postillone sich die Mäntel kaufen sollten, davon kann niht die Rede sein; die Mäntel werden den Postillonen, wie ihre gesamte Uniform, umsonst geliefert. Was die finanzielle Stellung der Poflillone anbetrifft, so darf nicht außer acht bleiben, daß der größte Teil von ihnen als Unverheiratete den Unterbeamten gegenüber noch dadurch besser gestellt ¿st, daß sie in der Posthalterei selbst kostenlos Wohnung- und Schlafgelegenheit haben.

In das Gebiet des kaum Wahrscheinlihen möchte ih auh das verweisen, was der Herr Vorredner vom Töchterhort gesagt hat. Der Herr Direktor im Reichspostamt Wittko wird später die Güte haben, die Einzelheiten auteinanderzuseßen. Daß der Töchterhort nur für hôhere Beamte sorgt, davon kann überhaupt nicht die Rete sein, sondern es ift eine gute Institution, die sowohl für Beamte, wie für Unterbeamte sorgt, und der Herr Vorredner könnte nur dankbar sein, daß auch die weniger gutgestellten Angehörigen der

dahin verbessert

Reichspostverwaltung aus diesem Fonds f\o reihlich bedacht werden. Wenn der Herr Vorsteher des Postamts 14 den Unterbeamten so eindringlih diesen Töchterhort empfohlen haben sollte, wie von ihnen geschildert is, worüber ih aber erst noch Er- mittelungen anstellen muß, so würde ih ein derartiges Verfahren als nicht gehörig bezeichnen müssen.

Abg. Zubeil erklärt, er bleibe bei seinen Behauptungen. Es müsse eine Organisation geschaffen werden, um den Postillonen wirk- lihe Sonntagsruhe zu shaffen. Wenn der Staatssekretär Ver- fügungen erlassen habe, so würden Le von den Posthaltereivorständen nit durhgeführt. Ein Vorsteher habe in unzulässiger Weise auf die Unterbeamten eingewirkt, daß sie einem bestimmten Verein beiträten. Mit den Zivilsachen der Postillone würde von den Schaffnern oft sehr wenig rüdcksihtsvoll umgegangen.

Direktor im Veicbspottamnt Wittko: Die Stiftung, die den Zweck hat, den verwaisten Töchtern von Postunterbeamten in ihrem weiteren Fortkommen behilflich zu sein, entwickelt sich in ganz hervorragend günstiger Weise. Es i} ein Kapital von 800 000 angesammelt, und daneben sind 750000 4 an Unterstüßungen ge- währt worden. Aufgebracht werde die Summe durch Beiträge von Beamten und Unterbeamten, und es wird darauf gehalten, daß diese Beiträge minimal bleiben. Wenn der Vorredner sich über un- gleihmäßige Verteilung beschwert, so steht fest, daß weit mehr Unter- stüßungen an Unterbeamte als an Beamte gegeben worden sind. Die Beiträge der ersteren haben lange nicht die Summe der Unterstüßungen für diese erreiht. Die gegenteiligen Behauptungen beruhen auf Un- wahrheit. v

Bei den Ausgaben für die Landbriefträger verlangt der Abg. Singer wiederum die Erhöhung des Mindestgehalts: von 700 auf 800 4, und zwar bereits vom nächsten Etat ab.

Für Stellenzulagen sind 658350 6 ausgeworfen, 173 850 #4 mehr als im Vorjahr.

Abg. Eickhoff bringt auh hier verschiedene Wünsche vor und regt eine Erhöhung des Maximums für gewisse Stellen an.

Bei den Ausgaben für Hilfsleistungen im Beamten- und On bei den Oberpostdirektionen (1 820 000 4), vittet der

Abg. Lenzmann, der Kommission anzugeben, wieviel für Beamte und für Unterbeamte aus diesem Fonds verwendet worden sei. Bei den Ausgaben für die Postagenten bemerkt der

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Am Sonnabend fsowohl, wie auch während der vorigen NReichs- tagstagung ist vielfach der Wunsch geltend gemacht worden, die Posft- agenten besser zu stellen. Ih möchte nux den Herren kurz darauf erwidern, daß wir infolge diefer Anregung Ermittelungen eingeleitet und dabei festgestellt haben, wie sich diese Beamtengruppe zusammen- seßt. Jh möchte den Herren einige Zahlen geben, die das näher begründen, was ich \chon seinerzeit angeführt habe, daß nämlich unter diesen Posftagenten fehr viele Personen sind, die eine Unterstüßung, fobald ihnen die Agentur abge- nommen wird, gar niht nöôtig haben. Wir haben darunter 365 Eisenbahnbeamte und 824 andere Beamte, 1084 Lehrer, 368 Pensionäre, 1235 Kaufleute, 1409 Gastwirte, 1392 Landwirte, 1454 Handwerker, 165 Rentiers, 554 weiblihe Personen. Diese Agenten werden ohne Rücksiht auf ihr Alter angenommen, 45 Prozent der- selben sind über 50 Jahre alt. Darin liegt nun die Schwierigkeit, diesen Beamten Pensionen zuzuweisen, daß sie nicht jung in den Dienst eintreten und später auch niht deshalb ausscheiden, weil sie niht mehr dienstfähig sind, sondern weil ihr Amt in ein höheres, cin Postamt 1I1l, umgewandelt wird. Die Herren wissen, daß die Reichspostverwaltung stets bestrebt gewesen ist, diese Beamtenkategorie beser zu stellen; erst vor zwei Jahren ift ihr Meistgehalt auf 1000 A erhöht worden. Wir haben auch Postagenten, die, nahdem ihnen das Amt abgenommen ist, in Not geraten, Unterstüßungen bis jährli 240 gewährt und haben die Absicht, ties auch in Zukunft zu tun. Sollten die Fonds hierzu niht ausreichen, so würden wir an das hohe Haus mit der Bitte herantreten, diesen Fonds zu erhöhen.

Die Anregung, die gegeben worden ist von dem Herrn Grafen Oriola, jeßt auch wieder von dem Herrn Abg. Hug bezüglih einer Pensionskasse, hat auch Veranlassung gegeben, Ermittelungen darüber anzustellen, ob sonstwo \solhe Einrichtungen bestehen. Eine derartige Kasse für alle nicht ärarishen Beamten ist z. B. in Oesterreih vor handen. Dort besteht aber für einen Teil der Beamten Beitritts- zwang. Die Mitglieder müssen ziemlich hohe Beiträge zablen, und die ganze Einrichtung ist infolge dessen sehr unpopulär. Wenn nun bei den Postagenten vielfah gar niht die Absicht vorliegt, h überhaupt für später eine Pension zu sichern, und sie gar nicht darauf angewiesen find, auf eine solhe Pension später zu rechnen, so würde die zwangsweise Heranziehung aller Postagenten gar nicht geboten sein und jedenfalls auf Widerstand stoßen. Wie ih den Herren anführte, beshäftigen wir uns vorerst noch mit der Frage, sie ist noch niht spruchreif.

Zu den Ausgaben für Erweiterungsbauten in Bunzlau, Kreuz, Riesa, Spremberg, Viersen und Westerland liegt eine Petition des Hausbesißervereins in Riesa vor, anstatt des geplanten Erweiterungsbaues einen Neubau im Zentrum

der Stadt zu errihten. Der Titel wird bewilligt und die Petition für erlediât ecklärt.

Der Rest des Ordinariums wird ohne Debatte bewilligt.

Im Extraordinarium hat die Kommission zwei Aende rungen vorgeschlagen. Als zweite Rate eines Gcundstücks für neue Postbetriebsanlagen am Schlesishen Bahnhofe in Berlin sollen statt 330 500 nur 310 500 Æ bewilligt werden. Der Abg. Eickhoff hat die Bewilligung der vollen Forderung beantragt.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! In der Budgetkommission war man allgemein davon überzeugt, daß die Forderung der Reichspostverwaltung nah einer Erweiterung des Grundbesiges am Schlesishen Bahnhof ge- rechtfertigt, und daß es auch im dienstlichen Interesse wünschenswert sei, das im Etat vorgeschlagene Terrain anzukaufen; es wurde jedoh von den Herren Abgeordneten ausgeführt, daß der Preis zu hoh sei, und daß die Verkäufer offenbar die Situation der Reichöpostverwal- tung auêsnuyten. Jnfolge allseitiger Anerkennung dieser Verhältnisse in der Kommission wurde der Ansa von 20000 M gestrichen. Daraufhin bin ih mit den Verkäufern in Verbindung getreten und habe gefordert, daß sie den Preis ermäßigen müßten. Jh kann dem hohen Hause nun mitteilen, daß es gelungen ist, eine Ermäßigung dieses Preises um 235 000 M zu erzielen. (Lebhafte Rufe: hört! hört!) Nachdem so den Wünschen der Budgetkommission auf cine Herabminderung des Preises Rechnung getragen ist, und da bezüglih der Zweckmäßigkeit und des Werts des Grunderwerbs für die Reichspostverwaltung keine Verschiedenheit der Auffassung vor

liegt, möchte ih das hohe Haus bitten, nunmehr diesen Ansaß zu bewilligen.

Abg. Ei ckhoff bittet nah diesem Erfolg der Verwaltung, die ganze Summe zu bewilligen. i E

Abg. Singer: Es hat erst der energischen, einstimmigen Inter- vention der Kommission bedurft, die Verwaltung zu nochmaligen Ver- handlungen zu veranlassen. Es werden hier für Hinterland ganz erorbitante Preise gefordert. Das Reich kauft zu teuer, weil es zu bereit- willig ist, hohe Preise zuzugesteben, die dem Grunbbesiger nach dem leidigen

ustand der heutigen Wirtschaft mühelos in den Schoß fallen. Das

Reich sollte doch gerade vermeiden, diese ungesfunden Zustände noh auf Kosten der Allgemeinheit zu vershlimmern. Von dem gefährlichen Ankaufssystem, dur bestimmte Personen Terrains ankaufen zu lassen und diese dann unter niht unerheblicher Erhöhung des Kaufpreises für das Reich anzunehmen, wird die Verwaltung hoffentlih feinen Gebrauh machen.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Der Herr Vorredner hat ja darin ganz recht, daß es u. a. zweck- mäßig ist, sich solhe Grundstücke an die Hand geben zu lassen, um sie dann zu kaufen. Das ist aber niht immer ausführbar. Der Herr Vorredner kann überzeugt sein, daß die Neichspostverwaltung stets den Weg gegegangen ist, der der gangbarste und für die Verwaltung der günstigste ist. Eine große Schwierigkeit liegt aber darin, daß das Publikum ganz genau weiß, wo wir Terrain nötig haben. Das Publikum weiß, wir besien am Schlesishen Bahnhof ein Terrain. Ueber die Unzulänglichkeit dieses Terrains besteht auch gar kein Zweifel, denn wir bauen dort häufig Schuppen, um unsere Stücke unterbringen zu fönnen, wir mieten auch Lokale an. Wenn nun jemand beauftragt wird, ein Nachbargrundstück für uns zu kaufen, so wird ihm natürlich der Besißer ins Gesicht lachen, wenn er den Käufer nicht nennen will, denn dieser weiß ganz genau, für wen er das Terrain fauft. Tatsächlich liegt die Sache doch so, daß der Besißer des Terrains sich häufig neun Monate binden muß; alle Chancen, die sih ihm in dieser Zeit bieten, gehen ihm verloren.

Die Reichspostverwaltung konnte ja gar niht anders handeln, als sie in dem vorliegenden Falle gehandelt hat. Uns war ganz genau der Wert des Terrains bekannt, aber wir befanden uns in einer Zwangslage. Wir mußten uns sagen: Wenn es nicht möglich ist, an unser {hon vorhandenes Terrain und an dasjenige, welches uns die Eisenbahnverwaltung abtreten will, mehr Terrain zu- zukaufen, so wirtschaften wir alljährlih vielleiht um 100 000 M teurer und viel unbequemer, die Sendungen gehen später ab, weil wir auf entfernt liegendes Terrain haben zurückgreifen müssen. Deshalb sind wir auf dieses Terrain ausgegangen. Wir haben mehrfach ver- sucht, den Preis zu drücken, es ist uns au bis zu einem gewissen Grade gelungen. Nun kamen die Verhandlungen in der Budget- fommission, und da wird der Herr Vorredner niht verkennen, welchen Eindruck es macht, wenn ich einem Mann, der ein Terrain verkaufen will von 14 Millionen, sage: Jch verzichte auf dies Terrain, weil es dein Reichstage zu teuer ist. Das allein hätte vielleiht auch noch niht genügt. Nun aber trat ein neues günstiges Moment hinzu da- dur, daß der Besißer des Terrains \sih bereits ein anderes Terrain, ih glaube in Rixdorf, gesichert hatte, so daß ihm besonders daran liegen mußte, den Abschluß mit der Post zustande zu bringen. Darauf ist es hauptsächlich zurückzuführen, daß es gelungen ift, den Preis so weit herabzusetzen.

Abg Singer: Wäre es nah dem Staatssekretär gegangen, so bätte doch das Reich 235 000 A mehr zahlen müssen. Es gibt doch auch noch das Enteignungsverfahren, das nah meiner Meinung an- gewendet werden könnte, da ein öffentlihes Interesse unzweifelhaft vorliegt. Die Post soll sich die Terrains an die Hand geben lassen und definitiv erst beshließen, wenn sie weiß, daß sie nicht überteuert wird. So bandelt ein vorsihtiger Geschäftsmann. Die Gefahr, daß dieses Terrain der Postverwaltung entzogen werden könnte, war übrigens außerordentlich minimal.

Die volle Summe wird bewilligt.

Ferner jollen nah dem Antrage der Kommission für die Erwerbung eines Grundstücks in Gebweiler nur 74 500 statt der geforderten 124500 M bewilligt werden.

Auch hier hat die Kommission den Preis für die anzu- kaufenden Privatgrundstücke für zu hoh befunden.

Ohne Debatte tritt das Haus dem Kommissionsantrage bei.

Für die Herstellung einer Telegraphenlinie im Jnnern von Deutschostafrika von Mpwapwa nach Tabora sind als zweite Rate 302 000 A gefordert. Die Forderung wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten bewilligt, ebenso die übrigen einmaligen Ausgaben.

Bei den Einnahmen an Porto- und Telegraphengebühren (425 Millionen; 15 Millionen mehr als im Vorjahre), bringt der

Abg. Blell (fr. Volksp.) dem Staatssekretär einige Wünsche, u. a. binsihtlich des Postanweisungsverkehrs zur Kenntnis, unterstüyt die Anregung auf Herbeiführung des Zehnpfennigbriefportos mit der Schweiz und Holland und befürwortet die Ermäßigung der Fernsprech- tarxe nah Holland.

Staatssekrelär des Reichspostamts Kraet ke:

Der Herr Vorredner hat vershiedene Wünsche geltend gemacht, die ih in ihrer Reihenfolge beantworten möchte. Das württembergische System der Postanweisungen ift uns bekanai, aber ih glaube, wenn es nit schon bestanden hätte, würde Württemberg es niht mehr ein- geführt haben, denn es hat viele Schattenseiten, während unsere Form der Postanweisung \sih durchaus bewährt und es gestattet, den Verkehr mit dem Ausland ebenso zu behandeln als den inländischen. Das Verfahren, das Württemberg in seinem kleinen Lande hat, würde für den ausländischen Verkehr nicht praktisch sein, da nachdem Auslande die Postanweisung vielfah nicht mitgeht, sondern nur Listen übermittelt werden, in welche das eingetragen wird, was auf der Karte steht, so daß also der Brief würde zurückbleiben müssen. Dann hat sih als sehr häßlih für die Wahrnehmung des Dienstes erwiesen, daß dieser Ums(hlag, der nah der Auszahlung cinen Rechnungsbelag bildet, wie der Herr Vorredner sich überzeugt haben wird, aus sehr dünnem und leichtem Papier besteht. Dieses wird von dem Empfänger aufgerissen und soll naher als Beleg bei der Kontrole im Dienstbetriebe dienen. Dazu eignet es sih aber niht. Jh kann ihm daher nicht in Aussicht stellen, daß ih vorshlagen werde, dies Verfahren auch bei uns einzuführen.

Der Wunsch bezüglich der Handelskammern ist wicderholt geltend gemacht worden und unterliegt auch jeyt bei uns der Er- örterung. Die Handelskammern haben niht den Behördencharakter das weiß der Herr Vorredner ja auh. Nah dem Kommentar über das Handelskammergeset, den ih hier habe, ist regierungsseitig den Handelskammern die Behördenqualität bisher nicht zuerkannt worden, wie durch verschiedene Entscheidungen erläutert wird, die angeführt

werden. Nun ist die Reichspostverwaltung bei Zugeständnis des billigen und allgemeinen Portos davon ausgegangen, daß alle Briefe frankiert sind, weil billiges Porto nur durchzuführen iff, wenn bei Bestellung der Sendungen keine große Mühe durch die Portoverrehnung ent- steht, sondern der Brief einfach abgegeben wird. Sobald aber ein Porto auf dem Brief lastet, so muß dies dem Briefträger zugeschrieben werden, muß dies auf den Aemtern kontrolliert werden, au muß sich der Briefträger länger bei dem Adressaten aufhalten. Infolge defsen hat die Zahl derjenigen Stellen, welche sich des Ausdrucks „porto- pflihtige Dienstsahe“ bedienen dürfen, sehr eng gehalten werden müssen. Ein Nachteil für die Handelskammer liegt ja auch nit vor. Sie klebt einfah die Marke auf den Brief und kann das Porto dem Empfänger zur - Last stellen, während sie sonst es der Reichspostverwaltung überlassen würde, die Porti einzuziehen, d. h. sie will die Mühe sparen und uns belasten. Wie gesagt, unterliegt die Sache aber noch der Erwägung; wir haben Ermittelungen angestellt, wie es mit dem Charakter der Handels- fammern in den anderen Ländern ist, und wir werden, wenn die Ant- worten vorliegen, Entscheidung treffen.

Was den Postpaketverkehr betrifft, so ist es auch mein Wunsch, einen internationalen Paketverkehr für Pakete über 5 Kilo einzuführen. Das hat aber seine großen Schwierigkeiten, und zwar liegen diese darin, daß wir kein Einheitëporto für Pakete über 5 Kilo im inländi- {hen Verkehr haben. Wenn wir z. B. nah der Schweiz oder Frank- reih ein Einheitsporto für Pakete über 5 Kilo zulassen würden, das entsprehend dem Porto, wie es für 5 Kilo-Pakete besteht, auf höchstens 1 M. 60 „4 bemessen werden könnte, so würde es dahin kommen, daß wir von einem Paket, ih will einmal sagen, von einem französischen Grenzort nach Königsberg für das Gewicht von 10 Kilo nur 1 M 60 4 bekämen, während unsere Deutschen im Elsaß für dasfelbe Paket, welches vielleicht die gleihen Waren, Früchte u. dgl. enthält, das doppelte Porto zahlen müßten. Also wir können kein Einheits- porto für solhe Pakete nah dem Auslande schaffen, solange wir nicht im Inlande für unsere Pakete von mehr als 5 Kilo Gewicht ein Ein- heitsporto haben.

Ich glaube, es besteht Einstimmigkeit darüber, daß es sehr dienlih und nüßlich ist, ein Ginheitsporto für Pakete bis zu 5 Kilo zu haben, und es würde mit Schwierigkeiten verbunden sein, diésen Zustand zu ändern, da \ih sehr viele Leute daran gewöhnt haben, ihre Waren von außerhalb zu beziehen, und da die Landwirtschaft und Industrie fih daran gewöhnt haben, die Ware nach einem genau bekannten Einheitsporto zu frankieren. Für \{chwerere Pakete ein Einheitsporto zu hafen, geht aber niht gut, weil die Schwierig- feiten und Ausgaben für die Reichspostverwaltung bei solchen Paketen sich mit den Entfernungen in höherem Maße als bei leichteren Paketen steigern und ih eine Mindereinnahme aus dem Paketverkehr niht für angängig und wirtschaftlih rihtig halte. Ich bin daher gegenwärtig nicht in der Lage, die Einführung eines einheitlichen Portos für s{chwerere Pakete im Inland vorzushlagen, und kann daher dem Herrn Vorredner auch niht in Aussicht stellen, daß wir für Pakete im Gewicht von mehr als 5 Kilo im internationalen Verkehr hierzu übergehen werden. Wir würden fonst die Inländer schädigen, und das wird auch niht sein Wunsch sein.

Der letzte Wunsch war der, bezüglich Hollands einige Erleichte- rungen einzuführen. Unser Verhältnis zu Holland it {hon o viel besprochen worden, daß ih darauf nit zurückzukommen brauhe. Jch möchte nur anführen: Der Wunsch, den Fernsprechdienst mit Holland zu verbilligen, ist au bei uns vorhanden. Wir find in diesem Sinne mit der hbolländishen Post- und Telegraphenbehörde in Verbindung getreten. Sobald die Verhandlungen beendet sein werden, werde ih in der Lage sein, Ihnen weitere Auékunft zu erteilen.

Die Einnahmen werden genehmigt. Damit ist der Etat des Reichspostamts erledigt. Ohne Debatte wird der Etat der Neichsdruckerei unverändert angenommen.

Schluß 3// Uhr. Nächste Sißung Dienstag (Petitionen, Etat des Neichsinvalidenfonds, bahnamts und der Reichseisenbahnen.)

1 Uhr. des Neichseisen

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 34. Sißung vom 2. März 1908, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht folgende Jnterpellation der Abag. Bachmann und Genossen (nl.):

„Hat die Königlihe Staatsregierung Kenntnis davon ge- nommen, daß die katholische Geistlichkeit in Trier im Anshluß an einen Erlaß des dortigen Bischofs von der Kanzel eine Erklärung verlesen bat, welche katholishe Eltern, deren Kinder die staatliche böbere Töchterschule in Trier besuchen, mit kirhlihen Zucht mitteln bedroht ?

Fn welcher Weise beabsichtigt sie die staatlihe Autorität auf dem Gebiete des Schulwesens diesen geistlichen Uebergriffen gegen- über zu wahren ?*

Auf Anfrage des Präsidenten von Kröcher erklärt sich der Präsident des Staatoministeriums, Reichskanzler Gra} von Bülow zur sofortigen Beantwortung der Juaterpellation bereit.

Abg. D. Hacktenberg (nl.): Der Kampf um die Schule, der große Kampf um die Zukunft, bisher in kleineren Gefechten geführt, {eint jeyt von einer andern Basis ausgehen zu sollen. In einem Leitartikel der „Frankfurter Ztg.“ vom 25. Januar wurde auf „Unerbauliches in der Diözese Trier* und die Vorgänge an der Trierer Töchterschule bingewiesen. Der Trierer Bischof antwortete auf diesen Artikel in einer Broschüre, in der er an der Hand des Altenmaterials sein Ver- halten rechtfertigte. Die „Frankfurter Zeitung“ erwies sich als gut unterrihtet. Am 15. Februar d. J. hat die Trierer Geistlichkeit einen Kanzelerlaß verkündet, der es den katholischen Eltern verbot, ihre Kinder in nicht katholishe Schulen zu \{icken. (Der Redner verliest den bekannten Erlaß.) Diese Kanzelverkündigung ist von der ganzen öffentlichen Meinung als eine der s{ärfsten und stärksten Herausforderungen des Staats auf dem Gebiete der Schule angesehen worden. Diese ist der Ausgangöpuntt unserer Interpellation. Klar und bestimmt, aber ruhig und sachlich, mit dem der Sachlage entsprechenden Ernst werde ih die Angelegen- heit behandeln und damit zeigen, daß wir keinen neuen Kulturkampf beraufbes{wören, sondern die Vanerung veranlassen wollen, ihrer- seits einen neuen Kulturkampf unseligen . Auf den ry der „Trierer andedtig. der das Vorgehen des Bischofs ecinleitete, gehe ih nicht ein, ih bes Versuch des Bischofs, die parate e mich cinzig und allein an die geistli ijt die der rômise Kirche von der modernen Schule, der ob diese len nun religionslos, Simul en, Schulen sind, die man Unrecht als fon Der Makel, der desen len anhaftet, ift der,

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Autorität der Kirche entzogen sind. Wer die Ansicht von der Autorität der Kirche über den Staat teilt, kann solhe Schulen nicht wünschen zu bros e niht auffordern. Die Ki die Gründung folher Schulen nicht hindern, durch Versagung der Erlaubnis des Unterrichts Religion diese Schulen zu konfessionslosen zu machen, um den Glauben in weiten Kreisen zu erwecken, daß in diesen Sulen wider die : guten Sitten gelehrt werde. Die Kirche verbietet den. Besuch feier Schulen, wenn fkonfessionelle Shulen an demselben Orte oder in der Nachbarschaft vorhanden find. Die Erlaubnis wird nur ‘erteilt, wenn eine causa gravis vorliegt. Was eine causa gravis it, entscheidet die fkirchlihde ODberbehörde. Was für Sicherheiten werden aber verlangt für den Besuch der paritätishen Schulen? Ih muß hier auf das Moment des Spionierens hinweisen, das in die rzen der jungen Schüler und Schülerinnen hineingetragen wird. Es wird aufgefordert, auf alles zu achten und den Umgang mit Protestanten zu ver- meiden. Den Eltern, die ihre Kinder aus solchen Schulen niht herausnehmen, wird die Versagung der kirchlichen Ab- solution angedroht. Das ist die aechens, die aus dem Jahre 1883 herrührt. Es sind freilich nicht alle Erlasse des Papstes ex cathedra gesprochen, aber jeder Erlaß des- selben wird von den Katholiken als ihr Gewissen bindend betrachtet. (Der Redner zitiert verschiedene kirchlihe Erlasse, die sich mit dem Vorgehen des Bischofs Korum decken.) Der Erlaß des Bischofs hat uns wieder einmal die leßten Ziele der Kirche auf dem Gebiete der Schule gezeigt. “Aber, es ist etwas anderes, einen allgemein S

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aber sie in der

Say zu betrahten und einen CEinzelfall herauszugrei Es ift bemerkenswert, daß die alten Grundsäße der ganzen neueren Gesetzgebung gegenüber aufrecht erhalten und zu rechter Zeit dem Episkopat in Erinnerung gebracht werden, aber es wird nicht auf ihre Ausführung gedrungen. Die Kirche kann sehr „tolerant“ sein, wenn sie will; der DUON darf, wie es im Kurialîtil heißt, „temperare“, d. h. über etwas hinwegsehen. So ist dem Temperament des einzelnen Rechnung getragen. Andere Bischöfe tun, was der Bishof Korum nicht gestattet, jahraus, jahrein, ja Bischof Korum selbst tut an dem einen Orte, was er am anderen Orte verbietet. Ein Bischof kann tun, was der andere von: der Kanzel verbietet. Was ist das Auf- fallende an dem Korumschen Erlaß? Daß er sagt: Die Zeit des Schweigens is vorüber, die Zeit zu sprehen ist gekommen. Daß der Bischof einen Erlaß, der vor 20 Jahren in der Zeit der Aufregungen und Gärungen erlassen war, erneuerte, mußte auffallen; daß der Bischof diesen Erlaß wieder herausholt in einer Zeit, wo von ihm nahestehender Seite die Toleranz gefordert wird, das mußte auffallen in einer Zeit, in der die Kirche sih nicht über mangelnden Schuß des Staats zu beklagen hat. Diese Auf- regung hat die Kirhe beider Konfessionen erfaßt, die es mit dem feyen in fkirchlihen Dingen wahr und ernst meinen, die Kreise, die die gemeinsame Erziehung der Kinder verschiedener Konfessionen im Interesse des Friedens gern sehen. Was der Bischof mit seinem Erlasse den Eltern tut, gehört nicht hierher, aber was er dem Staate tut, das gehört hiecher. Man hat in den 14 Tagen, die der Regierung zur Ueberlegung oder Beruhigung gegeben wurden, nah allerlei Erklärungen gesucht. Man hat den Erlaß als innere Angelegenheit der Kirche hingestellt. Dann wäre eine Mobilmachung T eine innere Angelegenheit eines Staats. Man hat geglaubt, die Regierung werde sih durch die Medizinalverwaltung leiten lassen und \sich mit dem Auflegen eines Pflästerhens begnügen, im übrigen aber mit Vornehmbheit an der Sache vorübergehen. Aber von der Töchtershule zur Knabenschule ist nur ein fleiner Schritt. Ich erinnere an den Canisiuserlafß, der erklärt, die Knaben dürften auch nicht in gemishten Schulen erzogen werden. Darin heißt es, Glück werde in das Volk wieder- kehren, wenn in den Akademien und Schulen die Religion ihren einstigen Plaß wieder einnehmen werde. Wir haben der Regierung Gelegenheit geben wollen, vor dem Lande möglichst bald Aufklärung über ihre Stellung zu geben. Wir verlangen feine fkleinlihen Repressalien; mit Polizeimaßnahmen if nichts getan, es handelt \sch darum, daß der Staat in seiner Schul- politik jede Störung zurückweist, daß der Staat \sih bewußt wird, an seine Auffassung von der Schule der der Kirhe diametr gegenübersteht, daß er die Grenze genau wahrt und in feinem Punkte nachgibt, daß der Staat vorsichtiger ist in der Ge- nebmigung fkonfessioneller Schulen, daß die Jugend von Jugend auf Ehrfurcht vor Andersgläubigen gelehrt bekommt. Der Trierer Vorfall ist ein Wetterzeihen. Die Regierung scheint mir eiwas mit {Guld zu sein. Durch die Bde, Milde, Perinde lihkeit, die sie bewahrt, hat sie den Bischof aus der eriode des Schweigens in die des Sprechens gedrängt. Bei uns ift die Anerkennung der Konfessionen so groß wie nur möglich. Bei uns, das ist unser Ruhm, kann jeder nach seiner Façon selig werden. Die Regierung hat geglaubt, auf dem Standpunkt der Freundlichkeit und des Nachgebens, des mutigen Zurückweichens einen modus vivendi mit der fatbolishen Kirche zu finden; wenn fie aber sieht, daß das eine falshe Politik ift, so muß sie einen anderen Stand- punkt einnehmen.

Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Graf

| von Bülow:

Meine Herren! Bevor der Herr Kultusminister auf das Tat- sächliche des vorliegenden Falles und auf die von dem Herrn Antrag- steller vorgebrahten Einzelheiten näher eingeht, möchte ih das Fol- gende sagen.

Ih muß zunächst meinem Bedauern, meinem tiefen Bedauern Ausdruck geben über die Art und Weise, wie der Herr Bischof von Trier durch sein Vorgehen den konfessionellen Frieden gefährdet hat (Bravo! Hört, bört! links und rechts), den aufrecht zu erhalten das ehrlihe und bis jeyt erfolgreihe Streben der Königlichen Staats8- regierung gewesen war. Mein Bedauern ist um so lebhafter, als bis zu diesem plötzlichen Vorstoß der Herr Bischof von Trier weder mir noch dem Herrn Kultusminister gegenüber wegen der Trierer Schul- verhältnisse irgend welhe Schritte getan halte. (Hört, hört! links.) Auch daran möchte ih erinnern, daß meines Wissens weder im Plenum

| noch in der Kommission dieses hohen Hauses über das Lehrerseminar

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| erboben worden waren.

und über die staatliche höhere Mädchenshule in Trier Ausstellungen Die betreffenden Etatstitel waren, wie ih glaube, regelmäßig anftandslos bewilligt worden.

Das Vorgehen des Herrn Bischofs von Trier war um so auf- fälliger, als ihm befannt sein mußte, daß ih es als meine Pflicht betrachte, Gerechtigkeit zu üben gegenüber den Angehörigen beider Konfessionen ohne Kleinlichkeit und ohne Engherzigkeit in der cinen oder ânderen Richtung. Der Herr Bischof von Trier konnte nah meiner politischen Vergangenheit nicht im Zweifel darüber sein, wie aufrichtig ich bemüht bin das sage ih auch heute gegenüber einzelnen Schärfen in der Rede des Herrn Vorredners —, wie auf- richtig ih bemüht bin, berechtigte Klagen unserer katholishen Mit- burger abzustellen.

Meine Herren, der konfessionelle Zwiespalt, welher durch das deutsche Volk geht, nötigt uns, uns ineinander zu s{icken, uns einander einzurichten. Das aber ist nur möglich auf dem eines praktischen modus vivondi, auf dem Boden der Denn Prinzipien sind unversöhnlih, und wenn sih Prinzipien einander auftüurmen, so ist feine Verständigung Prinzipielle Gegensäge mögen und sollen ausgefochien auf geistigem Gebiet, mit geistigen Wassen ;

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