1883 / 144 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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E L E E E E E E E E E T A A Rd R E A E E E E R E A E f É p S B r E E E P

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Leistung oder Einzahlung von Beiträgen oder über Unter- stüßungsansprüche entstehen, werden von der Aufsichtsbehörde entschieden. Gegen deren Entscheidung findet binnen zwei Wochen nach Zustellung derselben die Berufung auf den Rechtsweg mittels Erhebung der Klage statt. Die Entschei- dung ist vorläufig vollstrefbar, soweit sich um Streitig- keiten handelt, welhe Unterstüßungsansprüche betreffen.

Streitigkeiten über die im §8. 57 Absayß 2 bis 4 bezeich- neten Ansprüche werden im Verwaltungsstreitverfahren ent- schi. den. Wo ein folhes nicht bestebt, - findet die Vorschrift des Absates 1 mit der Maßgabe Anwendung, daß die vor- läufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung dec Aussichtsbehörde ausgeschlossen ist.

E. Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen. 8. 59.

Krankenkassen, welche für einen der im 8. 1 bezeichneten Betriebe oder für mehrere dieser Betriebe gemeinsam in der Weise errichtet werden, daß auf dem Wege des Arbeitsver- trages (durch Fabrikordnung, Reglement u. f. w.) die in dem Betriebe beschäftigten Personen zum Beitritt verpflichtet wer- den, unterliegen den naWfolgenden Vorschriften.

8. 60.

Ein Unternehmer, welcher in einem Betriebe oder in mehreren Betrieben fünfzig oder mehr dem Krankenversiche- rungezwange unterliegende Perfonen beschäftigt, ift berechtigt, eine Betriebs- (Fabrik-) Krankenkasse zu errichten.

Er kann dazu durch Anordnung der höheren Verwal- tungsbehörde verpflichtet werden, wenn bies von der Gemeinde, in welcher die Beschäftigung stattfindet, oder von der Kranken- kasse, welcher die beschäftigten Personen angehören, beantragt wird. Vor der Anordnung ist dem Unternehmer sowie den von ihm beschästigten Personen oder von diesen gewählten Vertretern und, falls der Antrag von einer Orts-Kranken- kasse ausgegangen ist, auch der Gemeinde zu einer Aeußerung darüber Gelegenheit zu geben.

8. 61,

Unternehmer eines Betriebes, welhec für die darin be- sckästigten Personen mit besondercc Krankheitsgefahr ver- bunden ist, können auch dann, wenn sie weniger als fünfzig Personen beschäftigen, zur Errichtung einer Betriebs- (Fabrik-) Krankenkasse angehalten werden.

Unternehmern eines Betriebes, in welhem weniger als fünfzig Personen beschäftigt werden, kann die Errichtung einer Betriebs- (Fabrik:) Krankenkasse gestattet werden, wenn die nachhaltige Leistungsfähigkeit der Kasse in einer von der höheren Verwaltungsbehörde für ausreihend erahteten Weise sichergestellt ist. O

Unternehmer, welche der Verpflichtung, eine Betriebs- (Fabrifk-) Krankenkasse zu errichten, innerhalb der von der höheren Verwaltungsbehörde zu bestimmenden Frist nicht nach: kommen, sind verpflichtet, für jede in ihrem Betriebe be- \chäftigte, dem Versicherung2zwange unterliegende Person Bei- träge bis zu fünf Prozent des verdienten Lohnes aus eigenen Mittein zur Gemeinde-Krankenversiherung oder zur Orts- Krankenkasse zu leisten.

Die Höhe der zu leistenden Beiträge wird nach Anhörung der Gemeindebehörde von der höheren Verwaltungsbehörde erdgültig festgeseßt.

8. 63,

Versicherungspflichtige Personen, welche in dem Beliriebe, für welchen eine Beiriebs- (Fabrik-) Krankenkasse errichtet ist, beschöstigt werden, gehören mit dem Tage des Eintritts in die Beschäftigung der Kasse als Mitglieder an, sofern sie miht nahweislich Mitglieder einer der in den 88. 73, 74, 75 be- zeihneten Kassen sind. :

Nichtversicherungspflichtige in dem Betriebe beschäftigte Personen haben das Recht, der Kasse beizutreten. Der Bei- txitt erfolgt dur schriftlihe oder mündlihe Anmeldung bei dein Kafssenvorstande, gewährt aber keinen Anspruch auf Unterstüßung im Falle einer bereits zur Zeit dieser Anmel- dung eingetretenen Erkrankung.

Versicherungspflichtigen Personen is der Austritt mit dem Schluß des Rechnungsjahres zu gestatten, wenn sie den- felben mindestens drei Monate vorher bei dem Vorstande be- antragen und vor dem Austritt nachweisen, daß sie einer der in §. 75 bezeichneten Kassen angehören.

Nichtversicherungspflichtige Personen, welche die Beiträge atr zwei aufeinander folgenden Zahlungsterminen nicht ge- leistet haben, {heiden damit aus der Kasse aus.

8. 64.

Die §8. 20 bis 42 finden auf die Betriebs- (Fabrik:) Krankenkassen mit folgenden Abänderungen Anwendung:

1) Durch Bestimmung des Statuts können die Beiträge und Unterstüzungen statt nah durhschnittlihen Tagelöhnen (§. 20) in Prozenten des wirklichen Arbeitsverdienjies der ein- zelnen Versicherten festgeseßt werden, soweit dieser vier Mark für den Tag nicht übersteigt.

2) Das Kassenstatut (8. 23) ist durch den Beiriebsgunter- nehmer in Person oder durch einen Beauftragten nah An- hörung der beschäftigten Personen oder der von denselben ge- wählten Vertreter zu errichten.

3) Durch das Kassenstatut kann dem Betriebsunternehmer oder einem Vertreter desselben der Vorsiß im Vorstande und inr der Generalversammlung übertragen werden.

4) Die Rechnungs- und Kassensührung ist unter Verant- wor!lichkeit und auf Kosten des Beiriohsunternehmers durch einen von demselben zu bestellenden Rehnungs- und Kassen- führer wahrzunehmen. Verwendungen von Kassengeldern in den Nutzen der Betriebs8unternehmex fallen unter die Vorschrift des 8. 42 Absayh 2. z

5) Reichen die Bestände einer auf Grund der Vorschrift des §8. 61 errihteten Betriebs- (Fabrik-) Krankenkasse nicht atn:3, un die laufenden Ausgaben derselben zu decken, so sind DiR dem Betriebsunternehmer die erforderlichen Vorschüsse zu

eisten.

6) Die aus dem Betriebe ausgeschiedenen Personen, welche auf Grund der Vorschrift des §8. 27 Mitglieder der Kasse bleiben, können Stimmrechte niht ausüben und Kassen- ämter nicht bekleiden.

S. 65,

Die Betriebsunternehmer sind verpflichtet, die statuten- wäßigen Beiträge für die von ihnen beschäftigten versiherungs- pflichtigen Kassenmitglieder zu den dur das Kassenstatut fest- geseßten Zahlungsterminen in die Kasse einzuzahlen und zu einem Drittel aus eigenen Mitteln zu leisten.

Sie sind berechtigt, diese Beiträge zu zwei Dritteln den Kaffenmitgliedern, für welche sie dieselven eirzahlen, bei jeder

regelmäßigen Lohnzahlung in Abzug zu brinaen, soweit fie auf die Lohnzahlungèperiode antheilsweise entfallen.

Werden die geseßlihen Mindestleistungen der Kasse (8. 20) durch die Beiträge, nachdem diese sür die Versicherten drei Prozent der durchshnittlichen Tagelöhne vder des Arbeits- verdienstes erreicht haben, nicht gedeckt, so hat over Betriebs- unternehmer die zur Deckung derjelben erforderlicen Zuschüsse aus eigenen Mitteln zu leisten.

Auf Streitigkeiten zwischen dem Betriebsunternehmer und den von ihm beschäftigten Personen über die Berehnung und Anrechnung der Beiträge der legzteren findet §. 120a. der Gewerbeordnung Anwendung.

Die §8. 55 bis 58 finden auch auf Betriebs- (Fabrik:) Krankenkassen Anwendung. -

8. 66.

Auf die Beaufsichtigung der Bet1iebs- (Fabrik:) Kranken- kassen finden die §8 44, 45 Absatz 1 bis 4 Anwendung.

Die Aussichtsbehörde is befugt, Ansprüche, welche der Kasse gegen den Betriebsunternehmer aus der Rechnungs- und Kassenführung erwachsen (veral. 8. 64 Nr. 4), in Vertretung der Kasse entweder selöst oder durch einen von ihr ¿u bestel- lenden Vertreter geltend zu machen.

8. 67.

Wird der Betricb oder werden die Betriebe, füc welche die Kasse errichtet ist, zeitweilig eingestellt oder so weit ein- geschränkt, daß die Zahl der darin beschäftigten versiherungs- pflichtigen Personen unter die doppelte Zahl der statuten- mäßigen Vorstandsmitglieder sinkt, so kann die Verwaltung von der Aufsichtsbehörde übernommen werden, welche diese!be durch einen von ihr zu besicllenden Vertreter wahrzunceh: men hat.

Das vorhandene Kassenvermögen, die Rehnungen, Bücher und sonstigen Aktenstücke der Kasse sind in diesem Falle dcr Aufsichtsbehörde auszuliefern.

Vorstehende Bestimmungen finden keine Anwendung, wenn die zeitweilige Einstellung oder Einschränkung eine durch die Art des Betriebes bedingte periodish wiederkehrende ist.

S. 68.

Die Kasse ist zu {ließen : :

1) wenn der Betrieb oder die Betriebe, für welche sie er- riGtet ist, aufgelöst werden ;

2) soweit nicht auf den Betrieb, für welchen die Kasse errichtet ist, die Vorschrift des §. 61 Absaz 1 Anwendung findet, wenn die Zahl der in dem Betriebe beschäftigten oer- siherungspflihtigen Personen dauernd unter die geseßliche Mindestzahl (§8. 60) sinkt und die dauernde Leistungsfähigkeit der Kasse niht genügend sichergestellt wird (§. 61 Absatz 2);

3) wenn der B.triebsunternehmer es unterläßt, für ord- nungsmäßige Kassen- und Rechnungsführung Sorge zu tragen. Jn dem Falle zu 3 kann gleichzeitig mit der Schließung der Kasse dem Betriebsunternehmer die in §. 62 vorgesehene Verpflichtung auferleat und die Errihlung einer neuen Be- triebs- (Fabrik:) Krankenkasse versagt werden.

Die Kasse kann nah Anhörung der betheiligten Gemein- den aufgelöst werden, wenn der Betrievsunternehmer unter Zustimmung der Generalversammlung die Auflösung bean- tragt. s Die Schließung oder Auflösung erfolgt durch die höhere Verwaltungsbehörde. Gegen den dieselbe aussprehenden oder ablehnenden Bescheid, in welchem die Gründe anzugeben sind, kann binnen zwei Wochen nah der Zustellung Beschwerde an die vorgeseßte Behörde erhoben werden.

Auf das Vermögen der geschlossenen oder aufgelöfen Kasse finden die Vorschriften des §8, 47 Absatz 5 mit der Maßgabe Anwendung, daß der Rest des Vermögens, sofern Kassenmitglieder, welche einer Orts-Krankenkasse überwiesen werden, nicht vorhanden sind, der Gemeinde-Krankenversiche- rung zufällk. Sind die zur DeCung bereits entstandener Unterstüßungsansprüche erforderlicen Mittel nicht vorhanden, so sind die leßteren vor Schließung oder Auflösung der Kasse aufzubringen. Die Haftung für dieselben liegt vem Betrieb2- unternehmer ob.

F, Bau-Krankenkassen. 8. 69.

Für die bei Eisenbahn-, Kana!l-, Wege-, Strom-, Deich- und Festungsbauten sowie in anderen vorübergehenden Bau- betrieben beschäftigten Personen haben die Bauherren auf Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde Bau-Kranken- kassen zu errichten, wenn sie zeitweilig eine größere Zahl von Arbeitern beschäftigen.

8, 70.

Die den Bauherecen obliegende Verpflihtung kann mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde auf einen oder mehrere Unternehmer, welche die Ausführung des Baues oder eines Theiles desselben für eigene Rehnur.g übernommen haben, übertragen werden, wenn dieselben für die Erfüllung der Verpflichtung eine nach dem Urtheil der höheren Ver- waltun gsbehörde ausreichende Sicherheit bestellen.

S L Bauherren, welche der ihnen nach §. 69 auferlegten Ver-

tigten Personen für den Fail einer Krankheit und im Falle

des Todes derselben ihren Hinterbliebenen die im §. 20 vor-

geshrieben:n Unterstüßungen aus eigener. Mitteln zu leisten, S2

Die in Gemäßhei: des §8. 69 errichteten Krankenkassen sind zu schließen : : i

1) wenn der Betrieb, für welhen sie errihtet sind, aufgelöst wird;

2) wenn der Bauherr odex Unternehmer es unterläßt, für ordnungsmäßige Kassen- und Rehnungsführung Sorge zu tragen.

In dem Falle zu 2 trifft den Bauherrn oder Unter- uehmer die im §. 71 ausgesprochene Verpflichtung.

Jm Uebrigen finden auf die ir Gemäßheit des §. 69 er- rihteten Krankenkassen die Vorschriften der §8. 63 bis 68 mit der Maßgabe Anwendung, dcß über die Anwendbarkeit der Vorschrift des §8. 32 die höhere Verwaltungshehörde bei Genehmigung des Kassenstatuts, über die Verwendung des bei Schließung oder Auflösung einer Kasse verbleibenden Restes des Kassenvermögens das Kassenstatut Bestimmung treffen muß. Eine Verwendung zu Gunsten des Bauherrn oder Unternehmers ist ausgeschlossen.

Auf Streitigkeiten über Unterstüßungsansprüche, welche auf Grund des §. 71 gegen den Bauherra erhoben werdén, findet die Vocschrift des §. 58 Absay 1 Anwendung; auf Streitigkeiten über Ersaßansprüche, welc)e auf Grund des

8. 71 und des §8. 57 Absaß 2 gegen den Bauherrn erhoben werden, findet die Vorschrift des §8. 58 Absaß 2 Anwendung.

G, Fnnungs-Krankenkassen. 8. 73.

Auf Krankenkassen, welhe auf Grund der Vorschriften des Titels VI. der Gewerteordnung von Fnnungen für die Gesellen und Lehrlinge ihrer Mitglieder errihtet werden, finden die Vorschristen der §8. 19 Absabß 4, 20 bis 22, 27 bis 33, 39 bis 42, 51 bis 53, 55 bis 58, 65 Absaß 3 Anwendung.

Im Uebungen bleiben für diese Kassen die Vorschriften des Titgls VI. der Gewerbeordnung in Kraft.

H, Verhältniß der Knappschaftskassen und der eingeschriebenen und anderen Hülfskassen zur Krankenversicherung.

8. 74.

Für die Mitglieder der auf Grund berggeseßliher Vor- schriften errichteten Krankenkassen (Knappschaftskassen) tritt weder die Gemeinde-Krankenversicherung noch die Verpflich- tung, einer nah Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes errihteten Krankenkasse anzugehören, ein.

Die statutenmäßigen Leistungen dieser Kassen in Krank- heitsfällen müssen, sofern sie den Betrag der für die Betriebs- (Fabrif-) Krankenkassen vorgeschriebenen Mindesileistungen nicht erreihen, spätestens bis zum Ablauf des Jahres 1886 für sämmtliche Mitglieder auf diefen Betrag erhöht werden.

Die dazu erforderliche Abänderung der Statuten der Knappschaftskassen ist, soweit sie niht innerhalb der gedachten Frist auf dem dur die Landesgeseße oder die Statuten vor- geschriebenen Wege erfolgt, durch die Aufsichtsbehörden mit r¿chtsverbindliher Wirkung vorzunehmen.

Die Vorschriften des §. 26 Absaß 1 finden auch auf Knappschaftskassen Anwendung. |

Im Uebrigen bleiben die landesgeseßlihen Vorschriften über die Knappschaftskafssen unberührt.

8. 75.

Für Mitglieder der auf Grund des Geseßes vom 7. April 1876 (Neichs-Gesetblatt Seite 125) errichteten einge- schriebenen Hülfskassen, sowie der auf Grund landesrechtlicher Vorschriften errichteten Hülfskassen, für welche ein Zwang zum Beitritt nicht besteht, tritt weder die Gemeinde:-Kranken- versicherung, noch die Verpflihtung, einer nah Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes errichteten Krankenkasse beizutreten, ein, wenn die Hülfskasse, welher sie angehören, ihren Mit- gliedern mindestens diejenigen Leistungen gewährt, welche in der Gemeinde, in dcrer Bezirk die Kasse ihren Siß hat, nah Maßgabe des §. 6 von der Gemeinde-Krankenversicherung zu gewähren sind. Kassen, welche freie ärztlihe Behandlung und Arznei niht gewähren, genügen dieser Bedingung dur Ge- währung eines Krankengeldes von drei Vierteln des orts- üblichen Tagel.ohnes (§8. 8).

J, Schluß-, Straf- und Uebergangsbestimmungen. 8. 76.

Jst für einen Bezirk eine gemeinsame Meldestelle nah Maßgabe des 8. 49 Absay 3 errichtet, so kann die Aussichis- behörde anordnen, daß die Krankenkassen des Bezirks, deren Mitgliedschaft von der Verpflihtung, der Gemeinde-Kranken- ver ¿cherung oder einer Orts-Krankenkasse anzugehören, befreit, jeden Austritt eines Mitgliedes binnen einer Woche bei der Meldestelle zur Anzeiae bringen.

Die Anordnung ist in der sür Bekanntmachungen der Gemeindebehörden vorgeschriebenen oder üblichen Form zu veröffentlichen. i

Zur Erstattung der Anzeige ist für jede Kasse, sofern deren Vorstand nicht eine andere Person benennt, der Kassen- und Rechnungsführer derselben verpflichtet.

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Die auf Grund dieses Gefeßes gewährten Leistungen sovie die Unterstüßungen, welhe nah Maßgabe des §. 57 PVbsat 2 und 3 erseßt sind, gelten nicht als öffentliße Armen- unterstüzungen.

8. 78.

Die ouf Grund dieses Gesetzes zu versichernden Personen sind in Streitigkeiten über Unterstüßungsansprüchhe vom Kostenvorshuß befreit. 1

Amtliche Bescheinigungen, welche zur Legitimation von Kassen und Verbandsvorständen oder zur Führung der den Versicherungspfli&tigen nach Vorschristen dieses Geseßzes ob- liegenden Nachweise erforderlich werden, sind gebühren- und stempel. frei.

8, 79.

Die Fristen und Formulare für die in den 88. 9, 41 vorgeschriebenen Uebersichten und Rechnungsabschlüsse werden vorx Bundesrathe festgestellt. Mindestens von fünf zu fünf Jahren findet eine einheitlihe Zusammenstellung und Ver- arbeitung für das Reich statt.

§. 80. Den Arbeitgebern ist untersaat, die Anwendung der Be-

vflihiung niht nachkommen, haben den von ihnen beschäf- | stimmungen dieses Geseßes zum Nachtheil der Versicherten

durch Verträge (mittelst Reglements oder besonderer ileber- einkunft) auszuschließen oder zu beschränken. Vertragsbestim- mungen, welche diesem Verbote zuwiderlaufen, haben keine rechtlihe Wirkung.

8. 81.

Wer der ihm nach §. 49 oder nah den auf Grund des 8. 2 Absayß 2 erlassenen Bestimmungen obliegenden Verpflich- tung zur An- oder Abmeldung oder der ihm nah §. 76 ob- liegenden Anzeigepflicht niht nahkommt, wird mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark bestraft.

d, 82,

Arbeitgeber, welhe den von ihnen beschäftigten, dem Krankenversicherungszwange unterliegenden Personen bei der A vorsäßlih höhere als die nah §8. 53, 65 zu- lässigen Beträge in Anrehnung bringen, oder dem Verbote des §. 80 entgegenhandeln, werden, sofern nicht nah anderen geseßlichen Bestimmungen eine härtere Strafe eintritt, mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft.

8. 83.

Die in diesem Gesehe für Gemeinden getroffenen Be- stimmungen gelten auch für die einem Gemeindeverbande nit einverleibten selbsiändigen Gutsbezirke und Gemar- fungen mit Ausnahme des §8. 5 Absay 2 und des §.-13. Soweit aus denselben der Gemeinde Rechte und Pflichten er- wachsen, tritt an ihre Stelle der Gutsherr oder der Gemar- kungsberechtigte.

8. 84.

Die Bestimmung darüber, welche Behörden in jedem Bundesstaate unter Gemeindebehörde, höhere Verwaltungs- behörde, und welhe Verbände als weitere Kommunalverbände im Sinne dieses Gesezes zu verstehen sind, bleibt den Landes- regierungen mit der Maßgabe überlassen, daß mit den von den höheren Verwaltungsbehörden wahrzunehmenden Geschästen diejenigen höheren Verwaltungébehörden zu betrauen sind, welche nah Landesrecht die Aufsicht oder Oberaufsicht in Ge- meindeangelegenheiten wahrzunehmen haben.

Die auf Grund dieser Vorschrift erlassenen Bestimmungen sind bekannt zu machen.

Bei Betriebs- (Fabrik:) und Bau-Krankenkassen, welche aussc{ließlih für Betriebe des Reichs oder des Staats errichtet werden, können die Befugnisse und Obliegenheiten der Auf- fihtsbehörde und der höheren Verwaltungsbehörde den den Verwaltungen dieser Betriebe vorgeseßten Dienstbehörden über- tragen werben.

8. 85.

__ Bestehende Krankenkassen, in Ansehung deren nach den bisher geltenden Vorschriften für Personen, welche unter die Vorschrift des §. 1 fallen, eine Beitrittspfliht begründet war, unterliegen den Vorschristen dieses Gesetzes.

Die Statuten dieser Kzssen sind, soweit sie hinsichtlich der Bestimmungen über die Kassenleistungen und Kassenbeiträge, über die Bertretung und Verwaltung der Kasse den Vor- schriften dieses Geseßes nicht genügen, bis zum 1. Januar 1885 der dazu erforderlichen Abänderung zu unterziehen.

_ Wird die erforderlihe Abänderung nicht bis zu diesem Zeitpunkte auf dem durch die bisher geltenden Vorschriften vorgesehenen Wege vorgenommen, so wird dieselbe von der höheren Verwaltungsbehörde mit rechtsverbindliher Wirkung vollzogen.

_Bisherige Leistungen dieser Kassen, welhe nah den Vor- \hriften dieses Gescßes von den Krankenkassen niht über- nommen werden dürfen, können, soweit sie niht in Jr- validen-, Wittwen-, und Waisenpensionen bestehen, beibehalten werden, sofern die bisherigen statutenmäßigen Kassenbeiträgz mit Hülfe der Einkünfte des etwa vorhandenen Vermögens nah dem Urtheil der höheren Verwaltungsbehörde zur dauern: den Deckung der Kassenleisiungen ausreichend sind, oder auj dem für die Abänderung des Statuts vorgeschriebenen Wege und unter Berücksichtigung der Vorschrift des §8. 31 Absay 2 erhöht werden.

Jm übrigen finden auf die Abänderung des Statuts die Vorschristen der §8. 24, 30 Anwendung.

8. 86,

Für Kassen der in §. 85 bezeihneten Art, welche neben den nah den Vorschriften dieses Gesetzes zulässigen Leistungen «znvaliden-, Wittwen- oder Waisenpensionen gewähren, treten folgende Bestimmungen in Krast:

1) Die bisherige Kasse bleibt als Krankenkasse bestehen. Auf dieselbe finden die Vorschriften des §8. 85 Anwendung.

__2) Der statutenmäßigen Vertretung der bisherigen Kasse, bei Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen (8. 59) jedo nuc unter Zustimmung des Betriebsunternehmers, ist gestattet, eine be- londere Pensionskasse mit Beitrittszwang für diejenigen Klassen von Personen, welche der bisherigen Kasse beizutreten ver- pflichtet waren, zu errichten.

3) Für die neue Penfionskasse ist dur Beschluß der Ver- tretung der bisherigen Kasse, bei Betriebs- (Fabrifk-) Kranken- kassen dur den Betriebsunternehmer, nach Anhörung der Ver- treter der bisherigen Kasse ein Kassenstatut zu errichten.

4) Findet die Errichtung einer besonderen Pensionskasse statl, so ersolgt die Verwendung des Vermögens der bis- herigen Kasse nach Anordnung der höheren Verwaltungs-

behörde in der Weise, daß zunächst derj:nige Betrag, welcher }

gur Deckung der bereits entstandenen Pensionsansprüche er- torberlih ist, ausgeschieden und der Pensionskasse mit der Verpflichtung, diese Ansprüche zu befriedigen, überwiesen wird. Der Rest des Vermögens wird zwischen der Krankenkasse und der Pensionskasse mit der Maßgabe vertheilt, daß der Kranken- kasse höchstens der zweijährige Betrag der nah Vorschrift des neuen Kassenstatuts für die derzeitigen Kassenmitglieder zu er- hebenden Beiträge überwiesen wird.

___5) Wird eine besondere Pensionskasse nicht errichtet, so ist nach Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde aus dem Vermögen der bisherigen Kasse derjenige Betrag auszu- scheiden, welcher erforderlich ist, um die bereits entstandenen Pensionsansprüche zu deen.

___ Für den ausgeschiedenen Vermögenstheil ist von der Höheren Verwaltungsbehörde eine befondere Verwaltung zu. bestellen, auf welche die Verpflichtung zur Befriedigung der Pensionsansprüche übergeht.

___ Meicht das Vermögen der bisherigen Kasse nit aus, um die bercits entstandenen Pensionsansprüche zu decken, so wer- den die leßteren um den nicht gedeckten Betrag pro rata ermäßigt.

__ Der nach der Ausscheidung verbleibende Rest des Ver- mögens der bisherigen Kasse, und der nach Befriedigung sämmtlicher auf den ausgeschiedenen Vermögenstheil ange- wiesenen Ansprüche von diesem verbleibende Rest fallen der Krankenkasse zu.

8. 87.

Das Gesetz, betreffend die Abänderung des Titel VIII. der Gewerbecrdnung vom 8. April 1876 (Reihs-Geseßblatt S. 134), wird aufgehoben. Die auf Grund des Artikels 1 S9. 141 a, 141c., 141 e. desselben getroffenen statutarischen Bestimmungen treten, soweit sie den Vorschriften dieses Ge- seßes zuwiderlaufen, außer Kraft.

Das Geseß über eingeschriebene Hülfskassen vom 7. April 1876 (Reichs-Geseßblatt S. 125) findet in Zukunft auf die Unter die Vorschriften der Abschnitte C. bis G. dieses Gesebes fallenden Kassen keine Anwendung mehr. Auf bestehende Kassen dieser Art, welche als eingesckriebene Hülfskassen zuge- lassen sind, finden die Lorschriften des §. 85 Absaß 1, 2, 3, 5 Anwendung.

. 8. 88.

Die Bestimmungen dieses Gesehes treten, soweit sie die Beschlußfassung über die fiatutarishe Einführung des Ver- iherungszwanges, sowie die Herstellung der zur Durchführung des Versiherungszwanges dienenden Einrichtungen betreffen, mit dem 1, Dezember 1883, die übrigen mit dem 1. Dezember u Kraft.

rkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift Und beigedrucktem Kaiserlichen beo / / N Gegeben Berlin, den 15. Juni 1883, U) Wilhelm. von Bismarck.

Nicchkamfklicßes.

Preußen. Ber lin, 22. Juni. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (81.) Sißung des Hauses der Abgeordneten trat das Haus in die Berathung des Be- rihts über die Ergebnisse des Betriebes der für Rechnung des Staates verwalteten Eisenbahnen für das Jahr 1881/82 ein.

Der Reserent der Budgetkommission Abg. Büchtemann empfahl als Antrag der Kommission, den Bericht dur Kennt- nizrahme für erledigt zu erklären. Redner wies darauf hin, daß die Aenderung der Direktionsbezirke einen Vergleich mit den Ergebnissen früherer Jahre völlig ausscließe.

_ Der Abg. Dr. Hammacher erklärte, die Bezirks-Eisenbahn- räthe und der Landes-Eisenbahnrath scien bekanntlich seit dem vorigen Zahre in Preußen, geseßlihe Jnstitutionen. Während nun die Bezirks-Eisenbahnrêthe notorisch bereits vor mehreren Wochen die Mitglieder zum Landeé-Eisenbahnrath ernannt häiten, verlaute noch immer nihts über die Konstituirung des Landes-Eisenbahnraths. Gedenke die Regierung, diese leßtere Behörde demnächst praktisch ins Leben treten zu lassen ?

Der NRegierungskommissar Ministerial - Direktor Brefeld entgegnete, die Vorbereitungen für die Einberufung des Lan- des:Eiscnbabnraths seien im Wesentlihen ihrem Abschluß nahe, fo daß die Einberusung in kurzer Zeit erfolgen werde. Genauer lasse sich der Zeitounkt indessen noch nicht bestimmen.

Der Antrag der Budgetkommission wurde darauf an- genommen. azn Bezug auf den Nachweis über die Verwendung des in dem Etat der Eiscnbahnverwaltung pro 1. April 1881/82 unter Titel 18 der einmaligen und außerordentlichen Aus- gaben vorgesehenen Dispositionsfonds von 900000 M wurde der Staatsregierunç; Decharge ertheilt.

Es folgte der mündlihe Bericht über die bisherige Aus- führung von Bestimmungen verschiedener Geseße über den Erwerb von Privateisenbahnen für den Staat.

Die Kommission beantragte, zu erklären, daß durch den vorgelegten Rechenschaftsberiht den geseßlichen Bestimmungen Genüge geschehen sei.

__ Der Abg. Dr, Köhler (Göttingen) richtete an die Re- gierung die Frage, ob die Liquidation der Eisenbahn-Aktien- gesellshasten, deren Eisenbahnbesig in den Betrieb und die Verwaltung des Staates übergegangen sei, demnäthst erfolgen werde, oder ob die Form der Aktiengesellschaft noch weiter aufrecht erhalten werden solle.

Der Regierungskommissar Ministerial-Direktor Brefeld erklärte, daß er die Frage in dieser Allgemeinheit nicht be- antworten könne.

Der Aba. Dr. Köhler fragte, ob etwa bezüglih der Bergisch- Märkischen Eisenbahn demnächst die Liquidation erfolgen werde.

Der Negierungskommissar erwiderte, daß schon bei der Berathung der Verstaatlihung dieser Bahnen hervorgehoben worden, daß der baldigen Liquidation der Aktiengesellschast mehrfache Bedenken entgegenständen. Die Bedenken seien immer noch vorhanden. Es stehe deshalb für die nächste Zeit eine solche Maßregel nicht in Aussicht.

Der Referent Abg. Dr. Hammacher bemerkte, daß über diese und ähnlihe Fragen in der Budgetkommission ver- hantelt worden sei, daß man aber ihm a!s Referenten aus- drücklich den Auftrag ertheilt habe, diesec Debatten im Plenum keine Erwähnung zu thun, weil eine folhe Materie zur öffent- lihen Verhandlung nicht aeceignet sei.

Der Bericht wurde hi:rauf dem Antrage der Kommission gemäß erledigt.

Dhne Debatte erledigt: das Haus darauf in dritter Be- rathung den Geseßzentwürf, betr. die Kirhenverfassung der evangelish-reformirten Kirche oder Provinz Hannover.

Es folgte die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betressend die Behandlung der Shulversöäumnisse.

Die Debatte wurde vom Minister der geistlihen 2c. An- gelegenheiten von Goßler mit folgenden Worten eingeleitet :

__ Meine Herren! Ich gla!be den Charakter der Spezialdiskussion nit zu überschreiten, wena ih auf die prinzipiellen Betrachtungen, welche der Herr Referent Ihrer Kommission seinen Ausführungen vorangeschikt hat, bei §. 1 Vezug nehme; und id muß cs umjo- mehr jet thun, weil ih sonst meine generellen Erklärungen erst bei 8. 5 anbringen könnte und es mir wichtig ist, vor Erwiderung der zu §. 2 gestellten Amendements, wenigstens im allgemeinen die Auf- fassung der Staalêregierung zu \kizziren.

__ Der Herr Referent hat, wie Sie gehört haben, hervorgehoben, daß die Kommission an die Stelle des Systems des Entwurfs, welches im Herrenhause Beifall gefunden hat, ein anderes System geseßt hat, und zwar an die Stelle des Systems der Crekuiivstrafer in den Hôönden der O-tssculbehörden, das polizeilihe S:rafmandatsverfahren in den Händen der Ortspolizei- behörden. Bie bereits in der Kommission Seitens der Negierungs- vertreter erklärt ift, so kann ih au heute wiederum nur erklären, daß die Staatêregierung überwiegend anch aus praktisdcen Gründen das System des Entwurfs für das richtige hält, Sie glaubt aber den Arbeiten der Kommission gegenüber die Erklärung schuldig zu sein, daß, da die Kommission in allen wichtigen mateciellen Vorschriften sich auf den Standpunkt des Entwurfs gestellt hat, es der Staats- regierung nit ausgeschlossen erscheint, auch dem System der Kom- mission zu folgen, allerdings in der Voraussetzung, daß gegen die Be- s{lüsse Ihrer Kommission irgendwie erhebliche materielle Abänderungen nicht mehr beschlossen werden.

Der Abg. Dr. Mosler erklärte, er gehöre zu dem Thcil der Kommission, der sich gegen die hier vorgeschlagene Fassung erklärt habe. Die Vorlage wolle die Mittel s{ha}en, den jeßt existirenven Schulzwang konsequent durchzuführen. Ursprüng- lih habe man unter dem Schulzwang die Fürsorge des Staates verstanden, daß kein Kind ohne die zum Leben nöthigen Kennt- nisse heranwüchse; dadurch seien Grenze, Ziel und Zweck des Schulzwanges klar bezeichnet ; es handele si hier überall um das Beste des Kindes, welches gegen etwaige Pflichtvergessen- heiten der Eltern geshüßt werden solle. Auch der -Nechtsgrund des Schulzwanges sei danach klar, denn der Staat trete nur

ergänzend, gleihsam als Vormund ein. Diesen „Schulzwang“ kônne man kurz und treffend als „Lernzwang“ bezeichnen. | Diesen bekämpfe er niht; au in Gebieten, in denen der | kirhliche Einfluß groß gewesen sei, so in Münster und Pader- | born, habe dieser Lernzwang existirt, und zwar mit bestein Er- folge. Auch das Landre&zt und die Kabinetsordre von 1825 haben nur diesen Lernzwang gemeint, wenn sie von Schul- zwang gesprochen hätten. Nunmehr aber sei in Preußen an Stelle des Lernzwanges das staatlihe Schulmonopol getreten. | Dabei behandele der Staat alle Schulangelegenheiten, die An- stellungsfragen der Lehrer, die Auswahl der Lehrgegenstände U. f. w. als seine Domäne, Privatschulen dürsten nur mit seiner Genehmigung, und unter seiner Aufficht gegründet werden. Bei diesem Staatsmonopol sei auch das Ziel ein ganz an- |

deres geworden, es trete nämlich regelmäßig die Wohlfahrt des Staates, das nationale JFnteresse hervor. Jn Folge dieses Staatsmonopols sei die Aufhebung der Ordensschulen und der geistlihen Schulaufsiht gekommen, über die ja auch noch bei der leßten Etatsberathung der nunmehr leider verstorbene Abg. Steinbush Klage geführt habe. Dazu kämen noch die häufig von Seiten der Gemeinden eingeführten Simultan- {hulen; hier sei allerdings jeßt eine Besserung ein- getreten; aber bei jedem Ministerwechsel könne es damit wieder anders werden, und gegen diese Mög- lihkeit der Veränderung der Grundsäße müsse man sich s{hüßen. Außer dem Verhältniß der Schule Zur Kirche habe sih auch das Verhältniß der Schule zum Eltern- hause geändert. Das erste und heiligste Recht der Eltern, sowie ihre heiligste Pflicht sei es, dafür zu sorgen, daß ihre Kinder in ihrem Glauben erzogen würden. Daß in ties Recht dur Simultanschulen eingegriffen werde, wolle er nah den neulihen Erörterungen hierüber jeßt niht nochmals aus8- einander)eßen; man müsse nun aber auch auf die Verhältnisse in Polen hinweisen, die auch erst vor Kurzem bier besprochen scien, wobei der konservative Redner, Abg. von Hammerstein, zugegeben habe, daß ein über die rechten Grenzen hinaus ausgedehnter Schulzwang zum Gew*\enszwang werde. De i E Wi Crvahnen die über- mäßige Ausdehnung der Schulzeit es komme vor, daß die Schule die Kinder bis weit über das 14. Lebensjahr hinaus der häuslihen Thätigkeit entziehe, es müsse au hin- gewiesen werden auf die Einschränkung der Halbtagsschulen in Gegenden, wo die lokalen Verhältnisse dieselben zuließen. Zu einem folhen Schulzwang also, wie derselbe jezt sei, wolle jeine Partei die Exekutivmittel niht bewilligen. Der Minister habe fürzlih gesagt, er hoffe, daß bald ein Frieden mit der Kirche eintreten werde; dazu aber würde das Haus nicht mit- wirken, wenn es die hier zur Exekutive des Schulzwangs geforderten BViittel bewilligen wollte. _ Der Abg. von Wedell (Piesdorf) führte aus, es handele sich bei der Vorlage nicht um den materiellen Umfang des Schulzwanges, fondern nur um ein Verfahren zur Durhsührung des Shulzwanges, ein Verfahren, welches bisher in den ver- schiedenen Landestheilen verschieden geordnet sei, und jeßt ein- heitlih geregelt werden solle. Er glaube also, Jeder, der an- erkenne, daß der Schulzwang thatsählih zu Recht bestehe, sei auch in der Lage, beim Zustandekommen dieser Vorlage mit- zuwirken. Er hätte daher gewünscht, daß Fragen, wie sie der Abg. Mosler angeregt habe, heute nicht diskutirt worden witen. Da dies nun einmal gehn A habe er nur zu erklären: Die konservative Partei sei mit dem Centrum darin einig, daß Art. 24 der Verfassung bewahrheitei bleibe, daß also der Religionsunterriht in den Volksschulen von den verschiedenen Religionsgeselishaften ge- leitet werde. Nicht minder aber wolle die fonservative Partei au festhalien an dem Artikel 21 der Verfassung, wonach Eltern und deren Stellvertreter ihre Kinder und Vilege- befohlenen nicht ohne den vorgeschriebenen Volks\hulunterricht lassen dürsten. Er wiederhole also, daß man es mit allen den vom Vorredner angeregten Fragen jeßt nicht zu thur habe ; konstatire aber, daß die konservative Partei allen Ve- strebungen, welche dahin gingen, eine der Grundlagen des Staatêwesens, den Schulzwang, zu beseitigen, stets entgegen- treten werde

Der Abg. Hansen erklärte, das vom Abg. Mosler er- wähnte SGhulmonopol tes Staates sei weiter nihts, als cin dein Staate zustehendes Necht, für Unterricht, Sitte und Re- ligion „zu jorgen, die Parteien von links und rechts seien über die Kommission8vorlage einig geworden, es sei also auch kein politischer Grund vorhanden, dieselbe abzulehnen.

Der Adg. Dr. Köhler (Göttingen) bemerkte, auch er hätte gewünscht, daß heute nur folhe Fragen diskutirt worden wären, welche unmittelbar mit der Vorlage zusamnienhingen. Er habe sih aber gefreut, zu sehen, daß die konservative Partei festhalfe an dem jetzigen Prinzip des Schulzwanges. Da zer braucze er auch auf die Ausführungen des Abg. Mosler gar nicht näher einzugehen, denn so lange die fonservative Pattei sich so stelle, wie man es vom Abg, von Wedell ge- hört habe, sei auch nit entfernte Aussiht vorhanden, daß der Shulzwang bescitigt, oder daß den Wöün- schen des Centrums in dieser Hinsicht entgegen: gekomnen werde, Jm Uebrigen reue es ihn, daß der Kultus- Minister die Vorlage auf dem Boden der Komuissions- beshlüsse, denen auch seine Freunde und er im Wesentlichen zustimmen, acceptire. Man werde so ein Gesct schaffen, welches in einer wichtigen Materie füc die ganze Monarchie einheit- liches Recht schaffe, ohne dod die NüEsichten auf besonoere Verhältnisse einzelner Landestheile außer Acht zu lassen.

Damit {loß die Genecraldisfussion.

8. 1 lautet nah den Beschlüssen der Kommission :

Eltern und deren geseßliche Vertreter, sowie alle diejenigen Perfonen, deren Okthut sculpflihtige Kinder unterstellt sind, ins- besondere Dienst-, Lehr- und Arbeitsherren, haben dafür Sorge zu tragen, daß die zuin Besu) der öffentlichen Volksschule verpflicy- teten Kinder die Schulstunden regelmäßig besuchen.

Der Abg. Sa beantragte zwischen „die und zum Besuch“

‘die Worte einzufügen: „die Hausgenossenshasten angehörigen

zum Besuch“.

Nach kurzer Debatte wurde der Antrag Sack angenom- men und mit diejer Aenderung 8. 1.

8. 2 lautet nah den Beschlüssen der Kommission:

Der Scbulvorstand ist befugt, Vorsorge zu treffen, d2ß Kin- der, welde ohne genügenden Grund die Schule versäumen, dur einen geeigneten Boten der Schule zugefühct werden.

Hierzu lagen folgende Anträge vor: von den Abgg. Dr. Bergenroth, Dr, Langerhans und Gen. ;

Das Haus der Abgeordneten wolle befPließen :

Zu S. 2 folgenden Zusatz zu machen:

Widerspricht eine der in §. 1 aufgefübrten Personen der Zuführung, so muß diesclbe unterbleiben. vom Abg. Satck:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

Den §. 2 zu ftreichen, dagegen als §. 10 einzu1caltzn:

An der Befugniß der Behörden, Kinder, welche ohne genü- genden Grund beharrlich die Scule versäumen, dur geeignete Boten der Schule zuzuführen, wird dur gegeawmärtiges Geseiz nichts geändert. i

endlich vom Abg. Sechusen : Das Haus der Akgeordneten: wolle beshlieken :

den §, 2 wie folgt zu fassen:

Die Orts-Polizeibehöcde i auf Antrag des Orts-Scul- inspektors befugt, Kinder, welche ohne genügenden Grund die Schule veríäumen, der Schule zuführen zu lassen.

__ Der Abg. Roeren erklärte sich gegen den §. 2 und geg: sämmtliche dazu gestellte Amendements.

Der Negierungskommissar Regierungs-Rath Dr. Kügler bat, den Antrag Bergenroth abzulehnen, der das ganze Gesetz