1904 / 105 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 May 1904 18:00:01 GMT) scan diff

handeln: sollen wir denn den Wafsertransport nicht beseitigen ® Sollen wir vor allen Dingen den Wassertransport noch vermehren ? Denn er kommt nicht allen Landesteilen zu gute oder er {ädigt die Eisen- bahnen.

Was den ersten Punkt anbetrifft, so meine ih, die Wasserstraßen sind dot in den natürlihen Flußläufen von der Natur gegeben. Die Naturkräfte niht ausnügzen, sie sih niht dienftbar machen, wäre ein ganz unverantwortlicher Fehler. (Sehr richtig! links.) Niemand wird die natürlihen Flußläufe missen wollen; jedermann wird aber auch ihre Verbesserung nah Möglichkeit als berechtigt anerkennen. Hiermit kommen wir {hon zum regulierten und zum kfanali- sierten Flußlauf, also auÿh zu einer Erweiterung der vollen Be- rechtigung der Binnenschiffahrt als besonderem Erwerbszweig in unserem wirtshaftlihen Leben, auch heute noch, wo wir mit den Eisenbahnen fahren. Was liegt nun näher, als daß die interessierten Erwerbskreise, uno zwar nicht nur die Binnenschiffahrt, sondern auch viele andere Interessenten, insbesondere auch aus landwirtschaftlihen Kreisen, die Forderung aufstellen: die natürlißen Flußläufe mit- einander zu verbinden durch Kanalisierung der Nebenflüsse oder Kanäle! Wir führen doch auch aus den Tälern die Landstraßen mit Gebirgsstraßen über den Gebirgsrücken, oder die Eisenbahnen mit an sich unrentabeln Tunnels durch das Gebirge oder mit unrentabeln Brücken über Ströme. Das geschieht alles nur, um die einzelnen Verkeh:swege mit einander in Beziehung zu bringen und dadur@) den Gefamtverkehr erst lebensfähig zu machen. (Sehr richtig !) Dadurch, daß wir nun solhe Verbindungen der Stromsysteme unter- einander herstellen, dadurch wird der Nußen der Wasserwege nicht auf | die an den Flußläufen gelegenen, von der Natur {hon bevorzugten Landesteile und Bevölkerungskreise beshränkt, sondern er wird wesent- li erweitert. Die also nicht ganz mit Unrecht bemängelte Ungleih- beit wird dur eine Erweiterung des Wasserstraßenneyes vermindert, nit vermehrt, ebenso wie die Ungleichheit vermindert wird, wenn wir unser Nebenbahnnet weiter ausbauen und Gebietsteile, die jeßt noch nit durch die Eisenbahnen ershlossen sind, an das Bahnnet anschließen. In der Kommission wird Ihnen aber überzeugend nah- gewiesen werden, meine Herren, daß das Wirkungsgebiet des Wasser- verkehrs ih nicht auf die Anlieger beschränkt, daß sein Einfluß weit hinausgeht in die Flußtäler seitwärts und rückwärts bis ins Gebirge, daß die Wirkungssphäre viel weiter reiht als gemeinhin von demjenigen angenommen werden kann, der sih mit Verkehrsangelegenheiten nicht ein- gehend beschäftigt. Untersuchungen, die darüber angestellt find, werden SFhnen dartun, daß die Verfrachter die Wasserstraßen benußen mit großen Umwegen, um vorher oder nachher soweit erforderli die Eisenbahn zu benuten. Das sind sehr interessante Untersuchungen, auf die ich ganz besonders aufmerksam machen möchte.

Meine Herren, gibt es aber überhaupt einen Verkehrêweg, ein Verkehrsmittel, irgend ein Kulturwerk, das allen gleihmäßig zugute kommt, gleihviel, wo der Einzelne wohnt? Nein! Weder die Eifenbahn noch die Landstraße, Telegraph, Telephon, Schule, Kirche, Gerichtsbarkeit kommt mit gleihen Vorteilen, mit gleicher Bequem- lihkeit jedem Einzelnen zugute, und wer in der glücklichen Lage ist, im {önen Gebirge zu wohnen, in der berrliwen Natur, der kann nit verlangen, daß er dabei auch noch neben scinem zu beneidenden Stilleben die Vorzüge der Kulturstadt genießt, wenngleih die staat- lihen Anlagen dort auch mit seiner Steuerquote geschaffen worden sind. Niemand wird dies bestreiten. Aber man kann berechtigters weise sagen, es kommt hier niht auf absirakte Theorien an, sondern auf die Begehung eines brauchbaren Mittelweges, und dieser würde allerdings verlassen werden, wenn die Binnen- \{ifffahrt unsern Eisenbahnverkehr und biermit die Staatsfinanzen in

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unverantwortlicher Weise schädigen würde. Es fragt sih also weiterhin: \chädigt der Binnenwasserstraßenverkehr die Eisenbahnen?

Ih möchte meine Beweisführung, daß er dies nicht tut, damit beginnen, daß ih sage: wenn der Binnenwasserstraßenverkehr die Eisenbahnen \ckchädigt, dann muß \ih dies bei der besten Wasserstraße der Welt zeigen, die in unserm deutshen Vaterlande liegt, dann muß ih dies beim Rheine zeigen. (Sehr richtig ! links.) In ganz Europa ist keine Wasserstraße, die den Verkehr des NRheinstroms hat, {und troßdem laufen am Rhein rechts und links leistungsfähige Vollbahnen. Es entwickelt #iYŸ rechts und links, wo nur Play ist, ein Neben- bahnnet; die Landstraßen sind auf beiden Ufern des Rheins weit verzweigt und sie führen mit den Kleinbahnen und Nebenbahnen

tief bis in die Flußtäler hinein. Jh behaupte, daß die rbeinisden Eisenbahnen in keiner Weise dur den Wasserstraßenverkehr geshädigt werden. Dies bestätigt \ich auch dadurch, daß bei den rheinisden Eisenbahnen es gar nicht nötig war, infolge des Wett- bewerbes der Schiffahrt die Eisenbahntarife zu ermäßigen, sondern im Gegenteil, ih habe neulich noch in diesem hohen Hause die Klage ge- hôrt, daß die Eisenbahntarife so billig wären, daß se der Wasser- straße Konkurrenz machten. Die Tarife auf den Eisenbahnen sind ebenso hoch am Rhein wie in der ganzen übrigen preußischen Monarchie. Ich behaupte: der Rheinstrom nimmt niht den Rhein- eisenbahnen Verkehr, sondern er hat den Bahnen den Verkehr erst recht gebraht. (Sehr richtig! links.) Angenommen, die Rheinebene wäre nicht mit dem stolzen Strome beglückt, zwischen den beiden Gebirgéketten läge eine trocktene Ebene oder cine Wasserrinne, die keine Frahtschiffe tragen könnte, wären dann wohl in der Nheinebene die heute vorhandenen Schienenwege und Wasserstraßen mit ihrea Abzweigungen in die Seitentäler entstanden? Nimmermehr, denn die Ansiedelungen wären nicht da. An den Wasserstraßen siedeln sich die Menschen mit Vorliebe an, weil sie viele Vorteile wirtschaftlißer Art bieten, auf die ih später noch zurückfomme. Die Wasserstraßen bringen manche Annehmlichkeiten mit sih. Aus den Ansiedelungen entsteht dann der Verkehr auf den Wasserstraßen, den Landwegen, den Schienenwegen. Die geographishe Gestaltung der Gegend, der der Fluß sein charakteristishes Gepräge gibt, ist der ursprünglihe Grund für die Ansiedelungen, und diese bedingen dann wieder neue Verkehrs- wege. Auf solhe Weise ist denn auch der gewaltige Verkehr auf den Rheineisenbahnen entstanden. Ers war die Wasserstraße, dur sie famen die Ansiedelungen, und diese brachten das Berkehrsbedürfnis und den Verkehr. Die „alma mater“ im Rheinlande is der Rhein- strom nach wie vor, er hat troy der Eisenbahnen seine {chöpferische Kraft behalten; daneben sind die Schienenwege im Wetteifer mit ihm, um jedes Verkehrsmittel in seiner Eigenart das Verkehrs- bedürfnis zu befriedigen.

Die billigen Wasserstraßentarife gestatten, die Eisenbahntarife in einer für die Allgemeinheit und das Staatsinteresse entsprechenden

Rentabilität in \sch selbst, in der wirtschaftlichen Entwicklung de

| hygiene und der Ansiedelung und Dezentralisation von

| Ausbau- und Anlagckosten im Einzelfalle nicht voll verzinst und

solcher

Höbe zu halten. Den Eisenbahnen bleibt genug Fracht, wenn auch der Rhein einen Teil der billiger tarifierten Massengüter den Eisen- bahnen abnimmt. Ich empfinde im übrigen als Eisenbahnminister, daß diese Abnahme der Massengüter für die Eisenbahnen von durhaus wobltätiger Wirkung ist. Wie ihnen bekannt, ist die Entwickelung des Eisenbahnneßes am Rhein niht im gleichen Schritt vorwärts gegangen wie der gewaltige Verkehr. Wir planen jeßt wieder große Umbauten in und bei Cöln, weil wir dem Verkehrsbedürfnis mit den Eisenbahnen {hon für die nächsten Jahre nicht mebr genügen können. (Hört, hört! links.) Wenngleich einige Massengüter den Eisenbahnen fortgenommen werden, dann fallen ihnen nach Verarbeitung der Massengüter, das heißt der Rohstoffe, wieder andere höher tarifierte Güter zu. Es findet also eine glüdcklihe Wechselwirkung statt, und keine noh so sorgfältige Rechnung ist im stande, festzustellen, wo die nüßliße Wirkung der Eisenbahnen und Wasserstraßen aufhört und wo sie anfängt. Tatsache ist aber, daß das gesamte wirtscchaft- lihe Leben dort am meisten blüht, wo Eisenbahnen und Wasserstraßen im Wettbewerb zusammenarbeiten. (Sehr richtig! links.)

Fh bin also als Verkehrsminister der Ansicht, daß die Wasserstraße den Verkehr der Eisenbahn nicht schädigt, daß sie vielmehr ein willkommener Bundes- genosse ist. (Sehr richtig! links.)

Aehnliche Verhältnisse wie am Rhein finden Sie auch, den weniger günstigen Umständen entsprehend, also in abgeschwähtem Maße, an anderen Wasserstraßen, so insbesondere an der Elbe und an der Oder. Wenn aber die Schiffahrtsstraße des Rheins {on feine Gefahr für die Eisenbahnen bedeutet, wieviel weniger sind €8 dann die kleineren und verkehrss{wächeren Ströme oder gar regulierte Wasserwege und Kanäle.

Nun sagen Gegner der Wasserstraßen, man solle fie behandeln wie tie Eisenbahnen, die einen ungleichen Wettbewerb mit den Wasserwegen zu bestehen hätten. Von ibnen verlangte der Staat nit nur die Herauswirtschaftung der Transportkosten, sowie eine an- gemessene Verzinsung und Abschreibung des Anlagekavitals, sondern auch einen erheblichen Unternehmergewinn. Die Wasserstraßen da- gegen brähten vielfach nit die laufenden Unterhaltungskosten, ges \hweige denn die Verzinsung und Abschreibung des Anlagekapitals auf; eine solhe ungleihe Wirtschastspolitik fei unzulässig.

Meine Herren, dieser Einwand erscheint mir nicht berechtigt und ¿war aus folgenden Gründen. Au nicht alle Eisenbahnen rentieren. Viele verzinsen sich keineswegs, und gerade die Staatseisenbahnver- waltung hat es in voller Uebereinstimmung mit diesem hohen Hause in dem Vierteljahrhundert ihres Bestehens für eine ihrer vornehmsten Pflichten gehalten, auch unrentable Nebenbabnen zu bauen und erheb- lihe Zuschüsse zur Förderung des Kleinbahnwesens oder zum Bau von Landstraßen zu geben.

Ferner aber können die Wasserstraßen und die Eisenbahnen ihrer Natur nah nit wirtshaftlich aleih behandelt werden ; sie sind eben in sich zu verschieden. Die Wasserläufe sind uns zunähst von der Natur gegeben, und ihr eignes Element, das Wasser, ergänzt sich fortlaufend durch die Natur. Sie sind als wertvolles Gut übernommen und als solches eingefügt worden in den Nationalbesiß jedes Landes und Volkes, ohne daß das Staatéschuldbuh auf der Debetseite dadurch belastet wäre. Eine solhe Belastung geschieht erst mit der Negulierung des natürlichen Masserlaufes, mit seiner Kanalifierung, mit der Herstellung künstlicher Wasserwege, der Kanäle, und mit der Einrichtung der Wasserläufe für den Schifféverkehr. Und da ift es denn eine ganz berechtigte Forderung, daß grundsäßlih die für diesen Zweck aufgewandken Kosten durch die Interesscnten getragen, daß die Anlage- und Unterbaltungskosten auf die Dauer verzinst und amortisiert werden. Dies liegt im cigensten Interesse der Binnenschiffahrt selbst, weil anders ihre gesunde Ent- wicklung und Förderung gefährdet wäre. Bei den Ihnen nun jetzt zum Bau vorgeshlagenen Kanälen und Flußkanalisierungen ift eine angemessene Rentabilität errechnet und soll durch Schiffahrtsgebühren sowie durch Garantielecistungen der Interessenten sichergestellt werden. Der vorhin von mir erwähnte Grundsatz wird also bei den beantragten Wasserwegen voll erfüllt werden.

Dies erscheint aber den grundsäßlichen Gegnern der Wasser- straßen niht genügend, denn die Eisenbahnen werfen ja eine böhere Rente ab. Dieser Grund fällt jedo von selbft fort, wenn die Wasserstraßen durch dieselbe Brille angesehen werden können wie die Nebenbahnen, die Landstraßen, die Kleinbahnen, deren Hauptzweck anerkanntermaßen die Landesmelioration ift, die die

betreffenden Landesteile findet. Und wahrlih, der kanalisierte Fluß- lauf oder der Kanal dient meinem Dafürhalten nach noch in weit höherem Maße als Landesmelioration als die Nebenbahnen oder die Kleinkahnen. Die richtig angelegte und unterhaltene Wasserstraße dient neben den Tranéportzwecken noch der angrenzenden Landwirt- haft, der Ershließung bisher fast wertloser NRoh- materialien wie in Steinbrüche, Waldungen, die niht ihre Hölzer abseven können, Kiesgruben u. dergl. ; sie dient ferner der Volks-

industriellen Unternehmungen. Diese wirtshaftlißhen Vor- teile und allgemeinen Wohblfahrtszwecke der Wasserstraßen müssen bei der Beurteilung der Rentabilität in Rehnung gestellt werden. (Sehr rihtig! rechts.) Sie sind so groß und wertvoll, daß eine Wasser- straße selbs bauwürdig sein kann, wenngleich ausnahmêweise ihre

amortisiert werden können. Jedenfalls ist es nicht begründet, noch Uebershüsse von ihnen zu fordern, wie sie die Eisenbahnen abwerfen und abwerfen müssen. Diese Wirtschaftspolitik wurde bisher bei uns wie im Auslande für richtig gehalten, und ih hoffe, daß dies au in Zukunft der Fall sein wird; denn die Entwickelung unseres Landes und Volkes hat dabei nur Vorteil gehabt. Ein Abweichen von Wirtschaftépolitik, indem man die Wasserstraßen und Eisenbahnen, die ihrer Natur und ihren Aufgaben nach grundvershieden find, gleich behandeln wollte, würde dem LUnde nur zum Schaden gereichen. Hergebrachte und ererbte wirtschaftliße Grundsäße und Gepflogenheiten lassen sich nicht will- fürlih und gewaltsam umstoßen. Die Eisenbahnen, die um die Mitte des vorigen Jahrbunderts in unser Wirtschaftsleben eingefügt wurden, stellen im Gegensaß zu den Wasserstraßen ein industrielles Unter- nehmen dar, das als solhes verwaltet werden muß; sie bringen nihts Natürliches mit, das der Allgemeinheit als Gabe der Natur gehörte wie die Wasserstraßen. Der Unternehmer verlangte mit Einführung

daß das industrielle Unternehmen si landesüblih verzinst, abge- schrieben wird und noŸ einen angemessenen Gewinn abwirft. Dem Eisenbahnunternehmer gehören der Grund und Boden, der Schienen- weg, die Betriebéeinrichtungen, die Betriebsmittel, mit einem Worte : das ganze Unternehmen. Er trägt für alles das Risiko, er leistet die Arbeit der Transportbewegung. Für dieses Risiko und für seine Arbeit verlangt der Unternehmer nicht nur den landesüblihen Zinsfuß, sondern einen angemessenen Unternehmergewinn. Bei den Wasserstraßen liegen die Verhältnisse ganz anders; die Wasserkraft gehört der Nation, die Ausgestaltung des Wasserwegs hat der Staat besorgt, also gehört der Wasserweg au dem Staat, die örtlichen Einrichtungen teils ihm, teils nichtstaatlihen Verbänden und Privaten, die Betriebsmittel in der Negel Privaten, von denen auch die Arbeit geleistet und das Risiko getragen wird. Deshalb ist es rihtig, wenn der Staat an den Gewinn aus den Wasserstraßen nicht die gleichen Ansprüche stellt, wie an die Rentabilität der Eisenbahnen, bei denen der Staat allein alles leistet. Es liegt aber zu einer weiter gehenden Forderung auch kein Grunde kein Bedürfnis vor; denn die Wasserstraßen sind seit dem Bestehen des preußishen Staats nihts als industrielle Unternehmungen, die eine hohe Rente abwerfen sollen, in den Staatshaushalt eingefügt worden. Ebenso wenig wie die Landstraßen und andere Kulturwerke foll man jeßt die Wasserstraßen plöglich anders ansehn als früher, wo wir ärmer waren, wo wir noch keine Eisenbahnen hatten. Hat der Staat damit, daß er das Eisenbahnmonopol erworben hat, das Recht erhalten, mit dem Ausbau der nüßlichen Wasserwege aufzuhören oder an die Binnenwasserstraßen, troßdem sie ihrer Natur nah von den Eisenbahnen verschieden sind, troßdem sie für das Volkswohl so große Bedeutung haben, nicht die gleichen finanziellen Anforderungen zu stellen wie an diese? Nimmermehr! Nach meiner Ansicht hat der Staat eher im Gegenteil mit dem Eisenbahnmonopol die Pflicht übernommen, die großen Kulturaufgaben des Ausbaues unserer Wasserwege erst recht zu fördern (sehr richtig !), zumal die glänzenden wirtschaftlihen Erfolge seiner Staatseisenbahnpolitik ihm die Mittel gegeben haben, die Kosten für folde Ausgaben zu tragen. Wollte man anders denken, so würde das Staatseisenbahnmonopol ja kultur - feindlih sein; dann müßte man folgerihtig Privat bahnen wünschen, damit der Staat im Kampfe gegen diese seine Pflicht er- füllte, hinsichtlich des Ausbaues der Wasserwege. Ih möchte aber glauben, daß niemand in diesem hohen Hause jeßt noch Privatbahnen möte. Aber unsere Staatsbahnen werden auf die Dauer durch den Wasserverkehr nicht geschädigt. Kann man denn überhaupt vorauésezen, daß ein Eisenbahnminister und noch dazu ein preußisher Eisenbahnminister, dem doch grundsäß- li zu große Fisfalität vorgeworfen wird, für Wasserstraßen ein- treten würde, wenn irgendwie die Befürchtung vorliegen könnte, daf das Eisenbahnwesen dadurch geschädigt würde? Der Minister von Mavbac, dessen Verdienste um die preußishen Staatsbahnen, um die preußishen Staatsfinanzen wir mit vollem Recht bei seinem Hin- scheiden vor wenigen Wochen hier rühmend gedacht baben, fah in den Wasserwegen keinen nacteiligen Konkurrenten. Ich möchte mir er- lauben, zwei Zitate von ihm anzuführen. Das Urteil der Lebenden hat ja vielfach wenig Ueberzeugungéfraft ; aber nun ruht Maybach unter der Erde, seine Erfolge sind zweifellose gewesen, und da hat jeßt vielleiht eine Aeußerung von ihm Bedeutung, die er in diesen: Hohen Hause am 22. Mai 1886 getan hat: Will ih zunä eingehen sagte Minister von Maybach auf die Einwirkung, die ein Kanal auf die Eisenbahn hat, fo habe ih vorauszuschicken: hätten wir es als einen Fehler zu betrahten, daß wir die Wasserstraßen verbessern, regulieren neben den Eisen- bahnen nun, dann haben wir diesen Fehler hon seit Dezennien begangen. Wir haben Jahr für Jahr kolossale Summen gesteckt in die Regelung der Oder, der Weichsel, der Elbe, der Weser, des Rheins und ihrer Nebenflüsse neben den Ausgaben für Eisenbahnen, seitdem wir Staatébahnen haben. Wir haben uns aber bei dieser Opezxation nie von dem Gedanken leiten lassen, daß die Eisenbahnen die vielleicht bier und da in ihren Erträgen etwas geschädigt werden würden ein Hemmnis sein dürften für die Entwickelung anderer notwendiger Kommunikationswege. Nein, meine Herren, die Eisen- bahnpolitik muß auf etwas Höherem Standpunkt stehen, fie muß: begreifen, daß die Eisenbahnen ebenso wie Wasserstraßen und Chausseen nur Mittel sein sollen zur Hebung der Landeswohlfahrt, nit aber Selbstzwed.

Und im Herrenhause sagte Minister von Maybach unterm 10. Juni 1886:

Wenn der Eisenbahnminister, wie er ja im Lande genannt wird, den man vielfach als einen Gegner der Kanäle gesholten hat, wenn der, wie ih es hiermit tue, die Ueberzeugung ausspricht, daß damit unserem großen, wichtigen Staatsbahnsystem ein Schade nicht zu- gefügt, sondern nah seiner und der Auffassung der fahmännischen Verwaltung durch eine derartige Anlage das Staatseisenbahnsystem gestärkt wird, dann wird man sich au über diesen Punkt beruhigen können.

Und daß mein hochverehrter Herr Amtsvorgänger, der Minister von Thielen, in den Kanälen gleichfalls einen Bundes8genossen der Eisenbahnen und keinen \{hädlichen Konkurrenten sah, das, meine Herren, ist Ihnen allen noch in so frischer Erinnerung, daß ih mich der Beweisführung durch Aussprüche von ihm enthalten kann.

Aus vollster innerer Ueberzeugung stimme ih meinen beiden Herren Amtsvorgängern zu. Ich stehe sogar nicht an, es aus- zusprechen, daß ih die sorgfältigen Shäßungen, die bei den früheren und jetzigen Vorlagen über die angeblichen Eisenbahnausfälle angestellt worden sind, für allzu vorsichtig erahte. Sie sind ein erfreuliches Zeichen altpreußisher Gewissenhaftigkeit der für die Finanzen des Staats verantwortliden Beamten. Man will lieber Ihnen zu {warz malen als umgekehrt; denn man ist sih der hohen Ver- antwortung Jhnen gegenüber bewußt; man “verlangt das Vertrauen des Landtages und kann auf dieses Vertrauen nur dur vorsichtige Berechnungen rechnen.

Daß diese aber besonders vorsichtig sind, das wird Ihnen in der Kommission eingehend des näheren begründet werden. Ganz besonders gilt dies für den geplanten Kanal NRhein—Hannover, bei dem der Nettoausfall der Eisenbahnen auf jährlich 15 Millionen ges{häßt wird, obne indessen den dur den Kanal zweifellos au für die Eisenbahnen neugewonnenen Verkehr auch nur mit einem einzigen Pfennig in An-

rechnung zu bringen. Die geplanten Wafserwege belasten den Staat mit rund

der Eisenbahnen und verlangt es gerechtfertigter Weise noch heute,

6,6 Millionen Mark jährlih, die aber bis auf einen Betrag von

N in der preußischen Tarifpolitik zu befürchten.

| nissen des Erwerbslebens in seiner Allgemeinheit, aber

eine unter allen Umständen

988 000 A nah Ablauf einer Uebergangszeit fast vollständig durch

Abgaben wieder eingebracht werden dürften. Daß aber weder diese | vorübergehende Belastung, noch der vorsihtig und reihlih geschägte,

¡um Teil durch Mehrverkehr sich ausgleihende Ausfall der Eisen- | bahnen unsere Staatsfinanzen niht s{ädigen kann, das wird der Herr

Finanzminister Ihnen überzeugend nahweisen. Ich kann mich daher

darauf beshränken, auf den wichtigsten Faktor unseres Staatshaushalts, | auf die Eisenbahnfinanzen, mit einigen Worten einzugehen.

Veber die vorliegenden Abschlußzahlen des mit dem 31. März d. J.

| beendeten Betriebsjahres 1903 habe ich Ihnen neue Mitteilungen zu machen, die Ihnen noch nit bekannt sind, weil ih diese Zusammen- stellung erst heute morgen bekommen habe. (Hört, hört! links.)

Die Bruttoeinnahme beträgt nicht 1511 Millionen, f\ondern nach vorläufiger Schäßung, die aber auch noch der Nachprüfung be- darf, 1514,4 Millionen. Der Betriebsübershuß beträgt nicht, wie ih früher in Aussit gestellt habe, 600 Millionen, sondern nach neuerer

| Rechnung 607,9 Millionen. Der Betriebskoeffizient ist zurückgegangen

| auf 59,86 9/0. (Hört, hört! links.) Die Verzinsung des fortgeschrie- benen Anlagekapitals, das aber, wte ih Ihnen {on öfters erwähnt habe, durhaus nicht in vollem Umfange ein Schuldkapital darstellt, beträgt etwa 7,3 9/0. Aber dieser glänzende Jahres\{luß könnte außergewöhn- lich und vorübergehend sein.

Um ein rihtiges Bild zu geben von den Eisenbahnfinanzen, muß man auf eine längere Periode zurücks{chauen. Nehmen wir die leßten 90 Jahre. Der Betriebsübershuß betrug im Jahre 1883

} 222 Millionen, 1893 382 Millionen und 1903 nach vorläufiger Be- | rechnung 607,9 Millionen. (Hört, hört! links.) Die Betriebsrente } betrug 1883 4,86 9/0, 1893 5,86 09/6 und, wie ich vorhin erwähnte, } 1903 etwa 7,3 °/o. Dabei ift eine stetige Steigerung des Betriebs- Ï übershusses zu bemerken bis auf einen furzen Nückschlag in jedem h Jahrzehnt, nämlih 1890 und 1891 sowie 1901, auf die aber {nelle Ÿ Erholung folgte. Die Nükschläge hatten ihre Begründung nicht in Ï Urfahen innerhalb der Verwaltung, sondern sie ergaben sich aus einer N vorübergehenden Depression der allgemeinen wirtschaftlichen Lage des Arbeitêmarktes. Die Betriebsrente betrug aber in den drei Jahren des Nückganges innerhalb der zwanzigjährigen Periode immer noch 5,26 9/0, 4,91 9/6 und 6,41 9/6. Meine Herren, solle Ergebnisse kann wohl keine andere große Eisenbahnverwaltung in zwei Dezennien aufweisen, und ih N glaube, au wenige andere industrielle Unternehmungen des In- N und Auslandes. Dabei wurden in dieser Zeitperiode über E 9000 km Nebenbahnen gebaut, die zweifellos in dem ersten Betriebs- A jahre keine oder nur eine geringe Rente gebracht haben. Die Ver N kfehrssteigerung betrug in den leßten zehn Jahren durchschnittlich im Personenverkehr 4,27 9/0, im Güterverkehr 4,08 9/69; 1903 fogar im Personenverkehr 5,85 9/9 und im Güterverkehr 8,02 09/9. Der Brutto- einnahmeausfall der Eisenbahnverwaltung aus Anlaß der Eröffnung des Kanals Rhein—Hannover im Jahre 1912 ift auf 18 Millionen Mark geshäßt. Rechnet man davon 609%/9 Betriebsausgaben ab, c würde ein Ausfall am Neinübershuß von nur 7,2 Millionen Mark übrig bleiben. Wenn dieser Ausfall in der Denkschrift noch auf 15 Millionen angegeben ist, also auf mehr als das Doppelte, kann man daraus wieder erschen, wie vorsihtig die Staatsregierung mit ihren Schäßungen in dem Gesetzentwurf vorgegangen ist, um eben Ihr volles Vertrauen zu unseren Ausgaben zu gewinnen. Nirgends ist zu optimistisch ge{äßt worden, sondern überall vorsichtig. Angesichts der geradezu glänzenden Entwickelung der preußischen : Staatseisenbahnverwaltung in den leßten zwei Jahrzehnten wird man / mih nicht für einen optimistishen Shwärmer halten, wenn ih, wie H meine beiden Amtsvorgänger, erkläre, daß der Eisenbahnetat durch den | rechnerisch ge{chäßten Ausfall infolge der Anlage von Kanälen irgendwie / geschädigt werden könnte. E Auch ist nit zu befürchten, daß die Weiterentwickelung unseres j Cisenbahnneyzes in seinen Betriebseinrihtungen sowie beim Neubau F von Bahnlinien Schaden erleiden könnte. Im Gegenteil wird das ? Extraordinarium der Eisenbahnverwaltung durch den Kanalbau eine J nit unbeträhtlichße Entlastung erfahren. Gerade das hier in Frage j stehende Eisenbahnnet des Industriebezirks an der Ruhr ist an vielen h Stellen nahezu an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt und h wird mit Aufwendung vieler Millionen Mark erweitert werden müssen Y sofern ihm nit durch den Kanal Erleichterung gewährt wird. Die | durch den Kanalbau eintretenden Ersparnisse sind in der Denkschrift | auf nicht weniger als 45 Millionen Mark berechnet worden, also fast Y 10 viel, wie die finanzielle Beteiligung des Staats am Dortmund- ) Rhein-Kanal beträgt ; die Summe wird also für andere Eisenbahn- Ï ¡wecke frei werden. Ebensowenig ift eine grundsäßlihe und nahteilige Veränderung j Diese wird es sih nah j wie vor zur Aufgabe machen, das wirtschaftliche Interesse des Landes j zu fördern, und zwar im wesentlihen nah zwei Gesichtspunkten hin. Die Tarife müssen sich nach Möglichkeit den Bedürf-

y unter Ausscheidung unberehtigter Sonderinteressen und ) Bevorzugungen anpassen. Ferner müssen die Tarife im i allgemeinen wirtschaftlihen Interesse des Volkes, das | heißt aller Staatsbürger, eine angemessene Nente und ! : : sihere Fortführung und j Ausgestaltung des Staatseisenbahnunternehmens ge- j währleisten. Diesen beiden Gesichtspunkten hat die preußische | Eisenbahntarifpolitik voll entsprohen, wie bei den lezten Etats- i beratungen eingehend dargelegt und nahgewiesen wurde. Denn das | Virtschaftsleben in Deutschland hat \sich in dem leßten Vierteljahr- hundert troß des s{chwierigen Wettbewerbs mit dem Auslande besser entwickeln können als in irgend einem unserer Nachbarstaaten ; gleich- ¡eitig werden aber unsere Eisenbahn- und Staatsfinanzen von keinem Staate übertroffen. Finanzielle Bedenken, wie sie früher bei | ‘inem rechnungsmäßig geshäßten Ausfall von 72 Millionen geltend gemacht wurden, brauhen uns also von dem weiteren Ausbau unseres Wasserstraßennetes in keiner Weise abzuhalten. Dagegen follten uns die bereits kurz von mir angedeuteten wirt- [haftlihen und sozialen Vorteile, die die Wasserwege mit sich bringen, veranlassen, sie nach Möglichkeit zu fördern. Jch darf es den zu- ständigen Herren Ministern überlassen, darzulegen, welhe Vorteile die afferwege für die Landesmelioration, für die Landwirtschaft, nament- ih auch durch Nußbarmachung bisher wertloser Rohmaterialien mit sh bringen. Ich gestatte mir indessen, diesbezüglich auf die Denk- rift, betreffend den Einfluß der Wasserstraßen auf die Ansiedelungen

Gründe, welche die Industrie zur Ansiedelung an Wasserwegen veranlafsen, sind sehr verschiedene. Sie bestehen nihcht nur in den von den Wasserstraßen gegebenen Frachtersparnissen, sondern daneben aus manchen anderen mit den Wasserwegen verbundenen Vorteilen. Je nah den Umständen kommen hierbei in Betracht die Vorteile, die sih ergeben aus dem billigeren Bezug der Rohstoffe, der billigeren Versendung der Erzeugnisse, dem billigeren Grunderwerb für Gebäude, Materiallagerpläße und die Möglichkeit späterer Erweiterung ohne übermäßige Kapitalfestlegung. Ferner kommen in Frage billigere Arbeitskräfte aus der Umgegend, für deren Unterbringung nit gesorgt zu werden brauht, oder für die billige und gesunde Woh- nungen mit meist etwas Gartenland leicht hergestellt werden können. Solche Arbeiter, die an den Wasserläufen wohnen, sind meist seßhaft, zumal fie vielfah auf dem Lande noch Beschäftigung finden können; sie haben daher weniger die Neigung, auszuwandern, wenn die Industrie gelegentlich etwas {währ geht. Ferner kommen unter Umständen in Betracht die Vorteile aus der Ausnußzung der Wasserkraft, aus billiger Be- schaffung ausreihender Betriebswässer und bequemer Entfernung der gebrauhten Abwäfser, unter Umständen auch aus der leiten Be- schaffung von Eis für den Betrieb und dergleihen mehr. Das sind alles Borteile, die dazu führen, daß die Wasserstraßen eine besondere Anziehungskraft für die Ansiedelung haben, wie Ihnen eingehend durch die Statistik und Karten nachgewiesen worden ist. Jh lege ganz befonderen Wert auf die soziale Bedeutung der Wasserstraßen nah der Richtung, daß die Arbeiter, die dort wohnen, nicht dem Großstadtleben mit feinen s{ädlichen Einflüssen ausgeseßt sind, wie es bei den Arbeitern der Fall ist, die ch an den großen Eisénbabn- knotenpunkten und Zentren der Industrie ansiedeln. |

Daß in der Vorlage auch die hohe militärische Bedeutung der geplanten Wasserwege angedeutet ist, will ih, um mit meiner Nede niht noch länzer zu werden, nur kurz erwähnen.

Nach allen diesen Ausführungen kann ih die Frage, ob sich die Wasserstraßen im Zeitalter der Eisenbahnen überlebt Kaba nur aus vollster Ueberzeugung terneinen. Ich halte die Wasser- straßen, einshließlich der künstlihen, neben den Eisen- bahnen auch heute noch für voll berechtigt, und derselben Ansicht ist das gesamte preußishe Staatsministerium. (Bravo! links.) Wenn man fragt: Eisenbahnen oder Wasserstraßen ? so ist die Antwort: Eisenbahn und Wasserstraßen! (Bravo! links.)

5 _Nach Bejahung der Nügßlihkeit und Notwendigkeit der Wasser- straßen fragt es fich weiter: Welche Straßen follen wir bauen?

Da das Wesen der Wasserstraßen in der Bewegung großer Massen beruht, so ergibt sh von selbst, daß Wasserstraßen dort an- gezeigt sind, wo die Massengüter zwishen großen Produktions- und Konsumtionsgebieten bewegt werden müssen, vorausgeseßt, daß die Baumöglichkeir und die Bauwürdigkeit der Wasserwege tenish und wirtschaftlih begründet werden kann. Auf Grund dieser und anderer Gesichtspunkte, die Ihnen in der Kommission seitens der Königlichen Staatsregierung noch näher erläutert werden sollen, fordert nun die Staatsregierung Ihre Zustimmung zum Ausbau folgender Wafsser- lâufe bezw. Kanäle:

1) zu dem Kanal Rhein-Hannover,

2) zu dem Großschiffahrtsweg Berlin—Stettin,

3) zu der Oder-Weichselverbindung,

4) zu der Regulierung der Warte und

5) zu der Kanalisierung der Oder von der Mündung der Glater Neisse bis Breêlau sowie zu Versuchsbauten an der Oderstrecke ¡wischen Breslau und Fürstenberg.

Welchen Zwecken diese Wasserwege dienen sollen, und wie sie insbesondere den vorher aufgestellten allgemeinen Forde- rungen und den erwähnten übrigen günstigen Eigenschaften der Wasserstraßen entsprehen, ergeben die in Ihren Händen befindlichen Denkschriften und wird Ihnen au im einzelnen später nagewiefen werden. Jch will hier nur kurz darauf hinweisen, welche große Be- deutung der Großschiffahrtsweg besonders für Stettin baben wird, dessen Handels\stellung gegenüber den in den leßten Jahrzehnten bevorzugten Seestädten und namentlih gegenüber Hamburg und Lübeck angemessen gestärkt werden muß. Ich erwähne ferner, daß mit der Kanalisierung der Oderstrecke von der Neissemündung bis Breslau den größten Uebelständen in der Befahrung der oberen Oder abgeholfen werden wird, und daß die geplanten Versuchsbauten, nämlich eine Talsperre und eine Nach- regulierungsstrecke, uns Fingerzeige geben werden, wie au die Oder unterhalb Breslau zu einem immer vollklommeneren Schiffahrts- weg ausgestaltet werden kann. Die Verbesserungen der Oder-Weichsel-Verbindung und

anliegenden Landesteile, niht zum mindesten au denjenigen der land- wirtshaftlihen Interessenten. Der Kanal Rhein-Hannover will dort belfend und erleihternd in die Verkehrsverhältnisse eingreifen wo es hinsichtlih des Verkehrsumfanges am notwendigsten ist. E Alles, meine Herren, was ih über die Bedeutung der Wasserstraßen im Zeitalter der Eisenbahnen aus- geführt habe, möchte ih ganz speziell und an erster Stelle auf den Kanal Rhein - Hannover angewendet wissen. Neben dem erhofften wirtschaftlichen Gewinn tritt hier aber noch ein hohbedeutsamer Grund für die Baunotwendigkeit des Kanals hinzu, das ist die Eutlastung der Eisenbahn. Ich werde Ihnen in der Kommission durch reihes statistishes Material und durch Karten nachweisen, daß eine baldige Entlastung des Eisen- bahnnetzes im niederrheinishen Industrierevier durhaus geboten ift; aber au gleichzeitig, daß die staatlih aufzuwendenden Baukosten mit 47 Millionen für den Dortmund - Rhein - Kanal eins{ließlich Hamm - Datteln fast vollständig aufgewogen werden durch die Ersparnisse, die wir unter Umständen durch den Ausbau unseres hwierigen Bahnneßes im Ruhrgebiet mahen werden. Die ver- antwortlihen Leiter des Bahnbetriebes im Ruhrgebiet sehen mit Sorge der weiteren Verkehrssteigerung wissen nicht, wie sie nach Verlauf weniger Jahre, troßdem viele Millionen noch in das Bahnneß hineingesteËt werden, den Verkehr bewältigen sollen. Wirksame Abhilfe kann nur kommen, wenn ein niht in den Bahnbetrieb eingeglie- dertes, also in sich selbständiges Verkehrsmittel helfend eingreift, wenn die Wasserstraße uns als Bundes- genosse zu Hilfe kommt. Das soll und wird Ihnen über- zeugend nahgewiesen werden, und ih bitte Sie, alsdann den hoch-

der Industrie und deren Dezentralisation, besonders hinzuweisen. Die

der Ausbau der Warthe entsprehen dringenden Wünschen der

entgegen; sie |

bedeutsamen Kanal Rhein-Hannover zu bewilligen, wodurch Sie au

tem Rhein eine deutsche Mündung geben, die unter Umständen von Bedeutung werden kann.

Im einzelnen, glaube ih, bei dem großen Umfange, den meine Ausführungen {hon haben, die einzelnen geplanten Wasserstraßen jeßt niht näher befürworten zu sollen, ich werde dazu ja noh genugsam Gelegenheit finden.

: Ich komme nun zum Schluß dieser allgemeinen Befürwortung, die mit Nücksiht auf die Fülle des Materials, das wir Ihnen vor- gelegt haben, ja nur eine sfizzenhafte sein konnte. Meine Herren nehmen Sie die Vorlage an, so wird si daraus über ein Sabriebnt ‘hinaus eine fruhtbringende Errwverbstätigkeit im Lande ergeben, und zwar für viele Erwerbszweige. Das bewilligte Geld {lägt im Lande um, es kommt vorzugsweise niht der Großindustrie, sondern andcren kleineren Industrien zugute, die namentlich zu der Landwirtschaft in Beziehung stehen. IH erinnere nur an die Holz- und Steinindustrie, während Eisen und Stahl, die Produkte der Großindustrie, beim Kanalbau weniger in Betraht kommen. Also die ÉErwerbstätigkeit wird gefördert, und dies wird namentlich den in Verbindung mit der Landwirtschaft stehenden Industrien zu gute kommen: Meine Herren die Werke, die geshaffen werden sollen, sind auch nibt von uotüber- gehendem Werte, es find au keine Luxusbauten, sondern rein wirt- schaftliche Anlagen, dur die Versäumnisse aus früheren Zeiten nah- geholt werden sollen. Sie geben uns für die Zukunft eine wertvolle Sicherheit beim friedlichen wirtshaftlihen Wettbewerb mit unseren Na(barstaaten, die, wie ich Ihnen nachgewiesen habe, s ein [eistungéfähiges Wasfserstraßenney geschaffen haben und noch \{affen. Wir wollen gleichzeitig ein wünshentwertes Hilfsmittel für den Krieg gewinnen.

Ich möchte mih der Hoffnung hingeben, meine Herren, daß die noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten, die #ch leider im Laufe de Zeit hier und da zu s{arfen Gegensäßen zugespitt haben, durch das rei Beweismaterial, das wir Jhnen bringen, bei allseitigem guten Willen un gegenseitigem Vertrauen ausgeglichen werden. Was die Königliche Sta regierung dazu tun kann, wird sie gern tun, weil fie, wie ih noch wiederhole, tief durchdrungen ist von der dringenden 9 wendigkeit des Ausbaues der Ihnen vorgeshlagenen Wasserwege. Ih hoffe mit Sicherheit, daß aub diese Vorlage wie die bereits einer Kommission überwiesenen Hochwassershutgesete, recht bald zur Annahme gelangt. dann Ves

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e ald j Geschieht dies

Ihr Entshluß nach vielen Richtungen hin dem Lande M (Cx : c

und Volke zum Segen gereihen. (Lbhaftes Bravo!)

__ Abg. Dr. am Zehnhoff (Zentr.): Die Großartigkeit dieser für die ganze Monarchie wichtigen Frage ergibt si aus der Summ: der Baukosten von 280 Millionen Mark. Diese Summe ist größer als die für die Wasserstraßen in Frankreich und Oesterreich bewilligten Summen. In Frankrei sind zum Ausbau von Häfen und ‘um Bau von Kanälen, welche die großen Eisenlager untereinander und mit den Seehäfen verbinden sollen, 235 Millionen Mark ausgeworfen: nah dem österreihis{#n Wasserstraßengeses vom H: Funi 1901 find im ganzen 213 Millionen bis 1912 bewilligt worden, und hiervon entfallen 75 Millionen auf die Regulierung von Flüssen in Böhmen und Mähren. Die technishe Ausführung ist, wenn man von der Emsther- tallinie absieht, bei unseren Wasserstraßen bedeutend gesihherter als in einem der Nachbarländer. In Desterreich sind Aufstiege von 495 m und Abstiege von 573 m zu bewältigen, und die Seitel- \trecke liegt 760 m über dem Meeresspiegel. Bei ‘uns ist für die 208 km lange Strecke der Verbindung zwishen dem Rhein und Hannover, nur eine einzige Scheitelhaltung nötig; das ist ein Musterkanal in tehnisdhem Sinne. Der größte Abitieg, derjenige bei der Schiffahrtsstraße Berlin—Stettin, beträgt nur 36 m. Die au8gesprohene Grundabsicht der Vorlage ift die Verbilligung der Frachten, die im wesentlihen der Großindustrie zugute fommen wird. Die Transportkostenfrage ist in der Tat sehr wichtig für die Großindustrie. Diese foll durch die Kanäle wesentli gestärkt und gekräftigt werden. Die Industrien, die nicht eine fo günstige Lage haben, wie die an den Kanälen, werden später fommen "und eine Verbilligung der Eisenbahntarife verlangen. Die Regierung wird sehr stark sein müssen, um diesem Verlangen Wider- stand zu leisten. Durch die künstlichen Wasserstraßen "wird zweifellos die Einfuhr des ausländishen Getreides gefördert. Die Landwirtschaft kann also verlangen 3 fe dagegen ‘aeschügt E, entweder durch günstige Handelsverträge oder dur Kündigung der alten. Die jeßige Vorlage enthält nicht d Stück, das die alte Vorlage für uns absolut unannehmbar mate. Wir hatten die Erkenntnis, daß dieser Teil unsere Staatsfinanzen verwirren und der westlichen Landwirtschaft shaden müßte. Der Gedanke eines Austausches zwishen den Produkten der Industrie des Westens und den Produkten der Landwirtschaft im Osten war ein ungesunder weil der Westen auch eine Landwirtschaft und der Osten eine Industrie hat. Erst mit den Kompensationen für Schlesien wurde jene Vorlage disfutabel ; denn es würde durch sie erst möglih gemacht, daß Schlesien niht vom Berliner Markt verdrängt würde. Die jetzige Vor- lage ist gewiß besser als die frühere Kanalvorlage, womit “noch lange nit gesagt ist, daß sie auf den Beifall meiner volitischen Freunde rechnen fann. Die Vorlage von 1901 war ge enüber der von 1899 eine Verschlehterung. Lie Verbindung des Kanalbaues mit den Maßnahmen gegen Hohwasser war durchaus verfehlt “Jh bezeihnete die Vorlage damals als eine lex Satura: die lezes saturae aber werden dur ein anderes Gesetz als unmoralisch verboten s L : n r z E L “t 14 L Ali L LIUile In der jeßigen Vorlage ist der Plan für den Osten nit vollständig durchgeführt. Auf dem Großschiffahrt8weg zwischen B: l : und Stettin soll das 600 To.-Schiff verkehren, auf der Ostodec das 490 To.-Schiff. Nun stört aber das Stü der Oder von Fürstenberg bis 2 ce]

wird das 400 To.-Schiff nicht gehen können. E

Febler. Es soll ein Stauwetiher gebaut werden.

bon 1901 wurde ein Betrag dafür gefo: dert; {on 1899

darüber geredet. Die Oppelner Handelskammer sagte 1901,

mit den Stauweihern eine eigene Sache sei, und auch ih f größten Befürhtungen in dieser Beziehung. Glaubt die Regierung wirklich an die Ausführung des Projekts, so wäre es doch wunderbar, daß sie nicht {on längst einen folden Probeftauweiher “aué- geführt hat. Auch die Frage der Kompensationen wäre einfacher zu lôsen, wenn darüber s{chon Klarheit herrshte. Es könnte dann die Frage entschieden werden, ob die i

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( _die ( Kombvenfation in einer Flußregulierung oder in einer Eisenbahntarifermäßigung besteber soll. Bei dem Oder-Weicsel- Projekt handelt es sich nur um die Weiterführung eines fridericianishen Werkes. Eine Hilfe ift hier im Interesse der Sc{iffahrt und der Adjazenten durchaus geboten. Die Interessen der Landwirtschaft würden durch vom Staat unterstüßte Genossenshaften wahrgenommen werden können. Die Gefahr einer russishen Getreideeinfuhr wird auch von der Landwirtschaft niht für so groß erahtet, daß sie die Vor- teile überwiege. Von großem Vorteile würde der Ausbau der Oder-Weichsel-Straße für Sthlesien sein, insofern sie der englishen Kohle im Ost)eegebiet entgegentreten könnte. Bromberg wird von der Wasserstraße einen besonderen Nußen haben, ebenso Posen durch die Regulierung der Warthe. Meine Freunde stehen diesem Teil der Vorlage sympathisch gegenüber. Beim Schiffährts- weg von Berlin nah Hobensaathen ist erfreuliherweise auf die Inter- effsen der Landwirtschaft Rücksichi genommen worden. Der Kanalbau ift in erster Linie im Junterefse von Stettin wünshenswert, um es vor der übermäthtigen Konkurrenz von Hamburg und Lübeck zu shüßen. Hamburg hat einen Freihafen, Stettin nur eiaen Freibafenbezirk in beschränktem Umfange. Hamburg hat einen