1884 / 24 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Berkin, 2. Januar 1884.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgeseßten Ziehung der 4. Klasse 169. Königlich preußiscer Klassenlotterie fielen :

3 Gewinne von 15 000 auf Nr. 1323, 33 968. 53 638.

3 Gewinne von 6000 4 auf Nr. 37 318. 74 271. 92 752.

45 Gewinne von 3000 G auf Nr. 2580. 3309. 3462. 3938. 7312. 7928. 8129. 8617. 10145. 16663. 17825. 18166. 22494. 26331. 26 731. 29251. 30908. 31 087. 31829. 33221. 34641. 38982. 39 064. 44871. 45112. 45 921. 47757. 51647. 53 297. 54115. 55 034. 55 750. 64036. 64226. 64303. 66830. 67 261. 68 800. 73 531. 713678. 74092. 78424. 78 806. 81 417. 86 861.

54 Gewinne von 1500 / auf Nr. 1343. 2250. 2741. 2939. 5175. 9240. 12 210. 14957. 15 533. 16 241. -17 412. 18166. 19391. 25614. 29078. 29428. 34 2712. 34 673. 42 341. 44962. 46610. 49643. 51 073. 52136. 54 591, 54 676. 67 587. 582562. 59241. 59393, 59 931. 60 950. 62195. 63335. 68300. 69886. 71080. 72 174. 72 553. 72 5087. 78374, 78837. 79672. 79848, 81 963. 83 019. 87 065. 87121. 87132. 87889. 90856. 91 725. 92 287. 93 590.

76 Gewinne von 550 A auf Nr. 2828, 3812. 5446. 6006. 6004. 8026. 9991. 10507. 13341. 15691. 17 290. 18 028. 19084. 19889. 22038. 24367. 24 999. 24811. 25 204. 27 260. 27 884. 27 924. 28484. 29 192. 29 242. 33 619. 36146. 39 777, 40072. 42952, 43 528. 44010. 44 505. 44561. 44957, 46535. 46542. 48 997 49 349. 49004. 00405, DI 101. 61877. 53059 58 844. 55 942. 57 061. 58837. 59 709, 60 097. 60 234. 68 332. 69 604. (0099, 72499 72570. 79879 3 UOO ¡(09 600, 74408 (D440, 76368. 76 951. 78789. 80 840, 81125. 81604 84 649. 86182. 87 064. 87097. 87 229, 89 542, 90899. 92 520. 93 004.

Cöln, 27. Januar, 12 Uhr Die cnglishe Poft vom 26. d. früh, planmäßig in Ver- viers um 8 Uhr 21 Min. Abends, ist ausgeblieben. Grund: Zugverspätung auf belgisher Seite in ¿Folge Sturmes.

20 Min. Nachts. (Tel.)

Die Trauerfeier zu Ehren des verstorbenen Abgeordneten Dr. Lasker fand in der großen Synagoge der jüdis{en Gemeinde beute Vormittag um 11 Uhr statt. Vor dem Allerheiligsten stand, von Lorbeern umgeben, der mit s{warzem Tuch bekleidete und mit ver- goldeten Beschlägen gezierte, ganz mit Blumen und Kränzen bedeckte Sarg, auf den die Kerzen von fechs filbernen Kandelabern ihr Licht warfen. Der Tempel war in allen feinen Theilen von einer zahlreichen Trauerversammlung gefüllt. Der vom Svynagogenchor vorgetragene Gesang: „Der Mensch{, wie Gras sind seine Tage* leitete die Feier ein. Dann nahm der Rabbiner Dr, Franke das Wort zur Trauerrede. Ein 5Zwischengesang leitete zu der Gedächtnißrede über, die der Abg. Friedrih Kapp im Namen seiner politischen GesinnungLgenossen dem Dahingeschiedenen hielt. Der Gesang der Sänger beendete die Feier im Tempel. Jn- zwischen hatte sch vor der Synagoge der mächtige Leichenzug ge- ordnet, der sich dann durch die Oranienburger-, Friedrih- und Clfasserstraße nah dem alten jüdischen Begräbnißplaß begab, wo die Beerdigung erfolgte.

Auf Einladung des Grafen Fred. von Frankenberg (Tillowitz) fand am Sonnabend Abend im Neichstagsgebäude eine zahlreiche be- suhte Versammlung von Mitgliedern des deutschen Kolonial-Vereins statt, um auf Veranlassung des Präsidenten des deutschen Kolo- nial-Vereins, Fürsten zu Hobhenlohe-Langenburg, festzustellen, ob das Interefse für die Bestrebungen des Vereins in Berlin bercits so weit gediehen fei, daß sib die Bildung einer Sektion Berlin ermöglichen ließe. Nach längerer Diskussion wurde einstimmig beschlossen, eine Kom- mission zu wählen, die die weiteren Schritte für die Bildung der Sektion Berlin vorberathen folle. Es wurden in die Kommission gewählt: Bankdirektor Dr. Martius, Professor Dr. von Cuny, Re- gierungs-Rath a. D. Sü, Major a. D. Freiherr von der Brüggen und Professor Dr, Brugsch-Pascha.

Der kürz;lich ausgegebene 52. bis 55. Berit des unter dem Protcktorat Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kron- prinzessin f\tehenden Vereins für das Museum \chlesi\cher Alterthümer in Breslau (IV. Band, Jahrgang 1884, Nr. 8 bis 11 von „Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift *) bietet einen von Eugen Kalesse verfaßten Führer dur die Samm- lungen des genannten Museums. Wie der Borbericht meldet, ist der Grund zu den Sammlungen des Museums \{lesisher Alterthümer bereits im Anfang dieses Jahrhunderts gclegt worden. Im Jahre 1810 na erfolgter Aufhebung der Klöster und Stifte wurde der nachmalige Professor Dr. Joh. Gustav VBüsching beauftragt, die in den Klöstern Schlesiens zerstreuten Kunstgegenstände und Vücber zu sammeln und nach Breslau überzu- führen. Auf diese Weise kam cine beträchtliche Anzahl von Bildern, Kirchengeräthen, Waffen und Büchern zusammen, welche ersteren, zu einem Museum vereint, der Königlichen Universität überwiesen wur- den. Vüscbing hatte aber auch fein Augenmerk auf die Ausgrabungen heidnischer Alterthümer gerichtet, und seinen unautgesetzten Be- mühungen gelang es, auc diese Abtheilung der Sammlungen, zu deren Konservator er bestellt war, nach allen Richtungen bin zu ver- größern. Nach Büscbings im Jahre 1829 erfolgten Tode blieben die Sammlungen ohne jede spezielle Pflege, wurden kaum benußt und erfuhren auch keine Erweiterung sondern nur Verminderungen,

Erst als si im Jahre 1858 der „Verein zur Grrichtung und Erhal- lung eines Museums sch{lesisher Alterthümer“ bildete, gelang es, das vor beinahe 50 Jahren Begonnene von Neuem wieder mit Eifer fortzuführen. Durch ÜVeberweisungen, Zuwendunaen und Ankäufe von Gegenständen des gesammten Kulturlebens der Vergangenheit erwarb der Verein bald eine kleine Sammlung und fuchte durch cine Aus- stellung und durh Berichte das Interesse für das Institut zu heben. Im Jahre 1862 erhielt dasselbe dadur einen bedeutenden Zuwachs, daß die Königlihe Regierung die Ueberführung der oben genannten alten, der Universität zugewiesenen, zum Theil sehr werthvollen Bestände genehmigte. Gleichzeitig erfolgte die ÜUebersiedlung der Vereinsfammlung aus einer Privatwohnung nach dem Sandftift, und am 30. September 1862 konnten die vereinigten Sammlungea (5424 Nummern ohne die Münzen) eröffnet werden. Nunmehr wuchsen die Bestände von Tag zu Tage dur Ankäufe und Zuwendungen, namentlich durch die Munificenz des Magistrats von Breslau (Die Schäbße des Rathsarchivs, die Alterthümer der Stadtbibliothek und der Clifabethkirhe.) Bald waren die Räumlichkeiten nit mehr aufreihend. Da eröffnete der Bau des neuen Provinzial-Museums die Aussicht auf geeignetere Lokalitäten, und im Dezember 1879 fand die erschnte LTranslokation der Sammlungen in das Erdgc\ch{oß des Offtflügels des neuen Provinzial - Museumsgebäudes ftatt. Wöhrend der neuen Aufstellung, die einen Zeitraum von 16 Monaten in Ansp!uch nahm, waren die Sammlungen durch die umfangreiche Privatsammlung des 1879 zu Hirschberg verstorbenen Kaufmanns Robert Tielsch und dur die Ueberweisung der werthvollen Alter- thümer der Maria-Magdalenen-Kirhe und der der Provinz gehören- den fkunstgewerblidben Schäße von Neuem so angewachsen, daß auh das neue Lokal {hon wieder Raummangel

Mai 1881 wurde das _Muyu- seum unter ganz neuen Verhältnissen und Einrichtun- gen der Benußung des Publikums übergeben. Das Museum umfaßt 6 Hauptabtheilungen: a. die vorgesbichtliche (Grabalterthümer, An- fiedelungsreste), b. die firchliche (Bilder, Hol;skulpturen, Kirchen- utensilien), c. die ritterlid militärishe (Kriegé-, Jagd- und Scheiben- waffen, Uniformen), d. die für bürgerliche oder häusliche Alterthümer (Kunstgewerblihes, Kostüme, Musikalien, Gerichtsalterthümer 2c.), e. die aritektonisde (Bautheile und Grabsteine), L. Siegel, Münzen, Abbildungen, Urkunden 2c., von denen bis jeßt nur die Sammlung von Abbildungen zugänglich ist. Der von dem Verein veröffentlichte „Führer“ ist in erster Linie dazu bestimmt, über die verschiedenen Techniken den Kunstwerth der Stüccke und die hervorragendsten Gegen- stände zu unterrihten und an der Hand einer kurzen Erklärung dem Besucher den Genuß der interessanten Sammlungen zu erhöhen. Das Heftchen ift mit einer Reihe von Jllustrationen geziert, welche dem Führer einen über scinen \peziellen Zweck hinauêëgehenden blei- benden inftruktiven Werth verleihen. So finden wir, um einige Bei- spiele anzuführen, als bemerkenswerthe oder seltene Objekt? abgebildet : 2 bronzene S{läfenringe aus einem Grabe bei Sch{wanowißz, einen dreirädrigen, jedenfalls zu religiösem Gebrau bestimmt gewesenen Bronzewagen mit primitiven Vogeldar|tellungen, den lebensvollen Charakterkopf des heiligen Stanislaus von dem prächtigen Sta- nislaus - Altar, einem Meifterwerk \ch{le\sis{er mittelalterlicher Holzshnißkunst aus der Maria - Magdalenen - Kirbe; das \chöône gothisbe Dorotheen - Reliquiar, in Gestalt einer ge- krönten, die Heilige darstellenden Frauenbüste (in Silber getrieben, vergoldet und mit dur{sihtigem Email und Glasftcinen verziert), ein {ônes Granatapfelmuster von ciner Casula aus dem 15. Fahr- bundert; eine Umrißzeichnung nach der \chönen Figur des heiligen Adauctus von dem Barbara-Altar aus dem Jahre 1447, dem besten Werk \{lesisher Malerei aus dem Mittelalter; eine Abbildung von einem prächtigen Chorpult im Renaissancestyl (von ca. 1570, eingelegte Arbeit in verschiedenen farbigen Hölzern mit Darstellungen aus dem alten und dem neuen Testament); von dem großen doppel- flügeligen Marienaltar (einem der besten und größten Schnitzwerke aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts mit Malereien noch aus dem 15. Jahrhuntert), die carakteristishen Gestalten der drei Gemahle der heil. Anna, eine vorzügliche Marmorgruppe der drei Marien aus dem Ende des 14. Jahrhunderts; eine Abbildung des \{önen Kopfes der heiligen Hedwig vom Marien- Altar in der Elisabeth-Kirche (einem der besten Schnibwerke aus der Wende des 15 Jahrhunderts); ferner aus der Waffenabtheilung ein altes Tartarenschwert, cin prächtiger Helm mit \{öônen Gravirungen im Hoch-Renaisfance-Styl, eine gravirte Prunk- Hellebarde, und cin \{önes in Eisen geshnittenes vergoldetes Degen- gefäß; dann aus der häuélichen Abtheilung ein bemalter Bunzlauer Krug (18. Jahrhundert), ein prächtiges Lyoneser Seidenstoffmuster, eines der beiden Hedwigsgläser, welches, der Tradition nah im Besitz der heiligen Hedwig Herzogin von Swlesien (1174 bis 1243) gewesen sein foll, ein Kleinod von größter Seltenheit (ein Kelch von bräunlichem dickem gegossenen Glase mit gescbnittenen Waffen-Relicfs in roma- {hem Styl auf silbernem gothis{em Fuß mit drei knieenden Engels- figüren), einen {önen Dolch mit rei geäßter Klinge, vergoldetem gravirten Heft und goldener Scheide mit Reliefs na Beham, ferner den gravirten gothishen Zinnkrug der Breslauer Bäckerinnung von 1497, ein Prahtstü alter Zinngießerkunst, den kupfernen, rei mit Renaissance-Ornamenten verzierten Krug des Bartholomäus Rosen- berg (von 1595), endlih ein Meisterwerk der Steinbildhauerei aus dem 15, Jahrhundert: das in gotbis{ch-heraldishem Styl frei aus- gearbeitete \ch{lesis{e Wappen. Das Museum bietet also vielerlei des Tünstlerisch Werthvollen und Sehenswürdigen. Für Denjenigen, welcher das Museum eingehenderen Studiums halber besucht, liegt zu allgemeiner Benußung in jeder Abtheilung noch ein ausführlicher hands\chriftliher Spezialkatalog aus. Das Museum \{lesis{er Alterthümer in Breslau ist täglich (außer Sonnabends) von 11 bis 1 Uhr geöffnet.

beklagen läßt. A L

Schwerin, 27. Januar. Der Wokblthätigkeitssinn des mccklen- burgischen Fürstenhauses hat sih neuerdings wieder bethätigt durch die von dem hocbseligen Großherzoge Friedrih Franz 1IL leßtwillig angeordneten Legate aus dem Allerhöchsten Privatnach- lasse. Die mit Vermäwtnissen bedachten Anstalten sind: Augusten- stift in Swerin (15 000 4), Diakonissenstift Bethlehem in Lud- wigsluft (15 000 M), ennen in Stwerin (6000 M), Rettungs- haus Gehlsdorf bei Roftock (€000 Æ) Stift Emmaus - Schwerin (3000 M), Annahospital-Shwerin (3000 M), die evangelische Kirchengemeinde in Ischl (6000 M), das Elifabethstift in Darmstadt (6000 6), Armenhaus in Rudolstadt (6000 6) Die Gesammtsumme dieser Zuwendungen beträgt 66000 A Die Erlaudte Gemakhlin des in Gott ruhenden Fürsten, Jhre Königliche Hoheit die Frau Groß- herzogin Marie, wendet gleicbfalls nach wie vor, ganz im Sinne des hohen Verewigten, den wohlthätigen Anstalten und milden Stiftungen der Haupt- und Residenzstadt Allerhöstihce thätige Fürsorge und Unterstüßung zu, Einen neuen Beweis dafür hat die durlauchtigste Fürstin wiederum vor wenigen Tagen gegeben. An jährlichen Beiträgen von Neujahr d. J. gewährte Höchstdieselbe: der Krippe in Schwerin und dem oben erwähnten Anna-Hospital (Kinderasyl) hierselbst je 500 46, dem Kinderhospiz in Gr. Mürit bei Ribnit 300 Æ, der Pflegeanstalt Bethesda des Soolbades zu Sülze gleichfalls 300 A und dem Schweriner Frauen-Krankenverein 200 4 Außerdem bewilligte die Frau Großherzogin dem von ihr neu organisirten und unter ter administrativen Leitung des Kammerdirektors Baron von Nettelbladt stehenden Carolinen-Marienstift (zur Ausbildung weiblicher Dienst- boten) die bereits seit Johannis 1876 gespendete Unterstützung von 1000 Æ bis auf Weiteres aufs Neue. Die in den „Mecklenbur- gischen Anzeigen“ publizirten [lebendig und ungezwungen geschriebenen „Tagebuchskizzen aus Südafien 1883“ von Sr. Hoheit dem Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin haben am Don- nerstage mit der siebenten Nummer ihren Abschluß gefunden: IV. be- handelte Nord- Indien (Benares, Lucknow, Agra, Delhi), V. führte die Ueberschrift „Im Lande tes weißen Elephanten (Bangkok; erste Besucbe : Feuerbestattung), V1. war eine Fortseßung des vorigen Kapitels und \childerte den Königlichen Palast, Hoffestlichkeiten und den Königlihen Sommeraufenthalt in Petschebori. Auch das lezte Kapitel (Ein unterirdischer Tempel ; Maklon; Rocsbori: Abschieds- fest in Bangkok; Elephantenfang; Abschiedsaudienz in Bangparain) spielt noch in Siam. Es läßt ih wohl erwarten, daß den frischen und von regem Interesse für Naturschönheiten und Kunft zeugenden Reiseberichten später weitere Swilderungen aus China, Japan und Amerika folgen werden.

London, 26. Januar. (W. S. B) Gestern Abend fand im Kanal zwischen den beiden Segelschiffen „City of Lucknow“, von Adelaide nach London unterwegs, und „Simla“, von London nach Sydney unterwegs, ein Zusammenstoß statt. Die „Simla“ ging unter, 22 Personen ertranken.

London, 28, Januar. (W. T. B.) In der Kohlengrube Penycraig bei Rhonda in Wales fand geftern eine Explosion statt, durch welche 11 Bergarbeiter getödtet wurden, 3 andere Berg- arbeiter, welche sih zu Rettungsarbetten in die Grube begeben hatten, fandea daselbst dur Erstickung den Tod.

Am Sonnabend fand im Deutschen Theater die Auffüh- rung von Calderons dreiaktigem Schauspiel : „Der Richter von Zalamea“ statt, für die deutscze Bühne übersetzt und eingerichtet von Adolf Wilbrandt. Die überaus einfache Handlung des Stückes, reich an dramatischen Effekten und packenden Scenen, fesselt die Aufmerk- samkeit dcs Zuhörers von Anfang bis zu Ende und wirkt dur die mächtige ergreifende Ausführung mebr als oft ein intriguenreihes Stück mit \{wierigen Verwickelungen. Den SVnhalt bildet die Entführung und Entehrung der Tochter eines Bauern dur einen einquartierten Hauptmann. Dadurch , daß dieser Bauer Pedro Crespo zufällig ¿um Alcaden seines Ortes gewählt wird, ist er in die Lage gesetzt, sich

zum Richter über den Ebrenräuber zu seßen. Hier beginnt in ihm dex gewaltige Konflikt des Vaters und Richters in der eigenen Person. Da der Hauptmann si weigert, die entehrte Tochter zu heirathen, verwandelt sid Pedro Crespo aus dem gebrocenen Vater in den unerbittlihen Richter, welcher trotz aller ihm bei Abfassung des Urtheils drohenden Gefahr dur den Einsvruch eines die Macht- befugnisse des bäuerlihen Richters über einen Königlichen Offizier bestreitenden Generals, das Urtheil an dem Verbrecher vollziehen [äßt. In der Zeichnung und Durchführung dieses unbeugsamen Charakters liegt die Hauptftärke des Stückes, in dem Konflikt Pedro’s in dovpelter igensbaft als Richter und Vater ist der leitende Gedanke ers{chöpft. Die poetisde Gerechtigkeit ist vollzogen, wenn auch gewaltsam und überrashend. Unseren modernen An- {{chauungen vom Drama würde die Art derselben vielleicht nit so ganz zusagen, ebenso wie der Stoff, Vorbereitung einer Entehrung und die glei darauf folgende Strafe des Verbrechers, na heutigen Begriffen etwas delikater Natur ist. Diese, wie einige andere Mängel, welche dem Stücke nicht abzusprecen find, verschwinden vor der kÉräf- tigen Zeichnung der Charaktere, dem musterhaften Bau und der vollendeten Inscenirung, was Alles durch eine gelungene Aufführung nothwendig einen Erfolg erzielen muß. Derselbe ist denn auc in durbs{lagender Weise in der Aufführung am Sonnabend erzielt worden. Der Träger der Titelrolle, Or. Förster, verstand in jeder Weise, den troßigen, stolzen Charakter des Bauern, die Zärtlichkeit des Vaters, die unerbittliche Strenge des Richters uns klar vorzuführen und verftändlih zu machen. Sein Spiel war in jeder Hinsicht ein gelungenes zu nennen, die Darstellung der er- greifendsten Scenen der Handlungen gestaltete fih in seinen Händen zu meisterhofter Vollendung, und errang er den unbestrittenen Beifall des Publikums. Hr. Siegtvart Friedmann als General Don Lope traf den Ton des derben, eingefleishten Haudegens vorzügli, die Scenen, in welchen er mit Pedro zusammenspielte, gehörten zu den besten Leistungen des Abends. Frl. Jürgens als Fsabel, Tochter Pedros, gab die Nolle des verzweifelnden, in ihren heiligsten Empfindungen gekränkten Mäd- ens mit überzeugender Treue. Für Hrn. Olden, welcher aus dem Verführer, Hauptmann Don Alvaro, nits zu machen verstand, hätten wir lieber Hrn. Kainz gewünscht. Lebterer spielte den aufbrausenden Sohn und Bruder Juan mit Beifall. Hr. Engels (Don Mendo) und Hr. Stallmann (Nuno, Mendo's Diener) gaben ein fehr gelunge- nes Pendant zu Don Quixote und Pansa; lobend erwähnt sei noch Hr. Peppler als Rebolledo.

Das Wallner- Theater trat am Sonnabend mit einem neuen vieraktigen Schwank » Papas Flittecrwochen“ von Carl Laufs vor das Publikum. Die Novität erfreute sich in der erften Hâlfte einer ret freundlichen Aufnahme, während die beiden leßten Akte einer ziemlich kräftigen Opposition begegneten. Der Schwank behandelt die ersten häuslichen Leiden und Freuden eines Mannes, welcher, mit dret er- wacsenen Töchtern und einer älteren, unverheiratheten Schwägerin gelegnet, sich hinter dem MRüdcken aller dieser wichtigen Persönlichkeiten zum zweiten Male mit einer jungen, bübschen Dane vermählt. Die junge Frau ibrerseits hatte dieses zweifelhaften Eheglücks wegen cinen jungen Arzt verlassen, der, um die allgemeine Verwirrung zu vergrößern, natürli ebenfalls unetwartet auf dem Scauplatze erscheint. Der Papa führt seine junge Gattin vorläufig als Gouvernante ein und giebt \o zu aller- hand Verwicklungen, theilweise launiger, theilweise aber etwas zweifel- hafter Natur Veranlassung, welche erst s{winden, als der Vater sein Geheimniß offenbart. Bis zu diesem Zeitpunkte haben denn auch glücklih alle drei Töchter einen Gefährten für das Leben gefunden. Das Stück nimmt einen ganz guten Anlauf in der Produktion fomiscber Szenen und einer abwecbselungsreihen Handlung ; im dritten und vierten Akte aber geht dem Verfasser leider zu frübe der Oumor aus und die Handlung fließt matt dahin bis zum Schluß. Es ift zwar in letzter Zeit üblih, daß man bei einem „Schwank“ von einer gründlichen Motivirung der Handlung und einer scharfen Cha- rakteristik der Personen absieht, aber man verlangt wenigflens als CGrsatz dafür einen nit versiegenden Humor. Gerade in dieser Be- ziehung tritt in dem neuen Stück der Mangel drastisch zu Tage. Die Personen, welche in den letzten beiden Akten neu eingeführt werden und das gewaltsame Zerreißen aller lose in einander ges{lun- genen Fäden können zwar über die Zeit hinweghelfen, aber nit die wachsende Theilnahmlosigkeit der Zuschauer auf- halten. Ungetheilten Beifall verdienten und erzielten die wirkli trefflichen Leistungen der Darsteller. Hr. Thomas spielte den „Papa“ und jungen Chemann, welcher Aerger statt der erwarteten Greuden einheimsft, gewandt und mit seinem bckarnten drastiscen Humor. Hr. Blenck (Schippchen) gab einen etwas bornirten Mann fo harmlos gutmüthig und einfältig, wie ihn der Verfasser sib gedacht zu haben scheint. Frl. Meyer suchte den etwas vershwommenen Charakter ihrer Rolle (Papa's zweite Frau, Antonie) mögli begreiflich zu gestalten. Hr. Kurz (van Emden), Fr. Carlsen (Aurelie) und die Damen: FrIs. Odilon, Düring und Falkenbagen, welche letzteren die drei Töchter darstellten, entledigten si ihrer Aufgabe geschickt und beifallswürdig. E wurde wiederholt gerufen, \chließlich niht ohne Wider- pruch.

Im Belle-Alliance- Theater erzielte die zweite Hälfte des Wallner-Theaterpersonals mit der vorgestrigen Novität „Vetter Brausewetter“ einen dur{\ch{lagenderen Erfolg. „Vetter Brause- wetter“ ist cine Posse mit Gesang in vier Akten von Mannstädt und G. Weber, welche durch den Namen des Erstgenann- ten der beiden Verfasser schon hinreicend charakterisirt is. Das Stück is eigentlich mehr eine Reihe amüsanter Scenen, die durÞ einen losen Faden zusammengehalten werden. Alles drängt sih zu dem löblicben EGndzweck zusammen, das Publikum für cinen Theaterabend zu erheitern und bei guter Laune zu erhalten, und man weiß, daß Hr. Mannstädt im Besonderen ein trefflicher Humorist ist. Wiß und Satire in allen ihren Schattirungen sind die belebenden Elemente seines Könnens, und damit hat er die an Handlung rect ärmlih ausgestattete Novität nicht nur über Wasser gehalten, sondern zu cinem vollen Siege geführt. Allerdings leisteten den Berfassern dabei einerseits der gefällige musikalishe Theil, den Hr. G. Michaelis geschaffen hat, und andererseits die vortrefflice Darstellung willkommene Hilfe. Hr. Guthery, der die Titelrolle gab, war wieder Überaus komisch und riß das Publikum zu an- dauerndem Beifall fort. Nicht weniger föftlibe Figuren zeichneten die Hrrn. Meißner, Mietzner und Seydel" vom Wallner- Theater, während Frl. Heßling dur ihr frishes und fröhlies Spiel ebenso wie dur ihre wirkungsvollen gesanglichen Leistungen Alles erwärmte und belebte. Auch das Ensemblespiel ließ nichts zu wünschen übrig, so daß dieser Novitäten-Abend sih zu einem angenehmen für alle Theile gestaltete. Das gutgestimmte Publikum ließ es an Beifall nit fehlen und drückte au den Verfassern dur Hervorruf seinen Dank aus.

Der Königliche Musik-Direktor Otto Dienel giebt Donrerstag, Abends 7 Uhr, in der Maricn - Kirche ein Wohlthätigkeits- Concert, welches durch Mitwirkung von Frau Professor Schultzen- von Asten, Frl. M. Schmidtlein, Hrn. Jul. Sturm, Hrn. Oskar Kob, Hrn. Georg Bloch, Hrn. M. Hoffmann, Hrn. Kammermusikus Jacobowsky, Hrn. Harry Linden und des unter Leitung des Hrn. Dienel stehenden etwa 100 Stimmen zählenden Königlichen Seminar- O das Interesse eines ernste Musik liebenden Publikums verdient.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Ke \ el). DruX: W, Elsner. Vier Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

(1193)

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zum Deutschen Reichs-Anz 24

Erste Beilage j | eiger und Königlich Preußischen Sltaals-Anzeiger.

Berlin, Montag, den 28, Januar

1884,

der vierten Sißung des Volkswirthshaftsraths lautet:

öffnet die Sißung um 1 Uhr und theilt mit, daß die Herren Kiepert und Shöpple nberg si für die heutige Sißung entschuldigt haben. :

Niehtamtlices.

Bertin, 28, Januar. Das Protokoll

Preußen.

Berlin, den 25, Januar 1884. Der Vorsißende, Staats-Minister von Boetticher er-

Als Vertreter der Staatêregierung sind anwesend : der Direktor im Neichsamt des Jnnern Bosse, die Geheimen Regierungs-NRäthe Bödiker und Gamp aus dem Reichsamt des Jnnern, sowie der Geheime Ober-Regierungs-Rath Dr. Thiel und der Geheime Negierungs-Nath Freytag aus dem Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.

Zu der auf der Tagesordnung stehenden Fortseßung der Spezialberathung berichtet der Reserent Hr. Kalle über das Ergebniß der Verhandlungen der Kommission über Ziffer 6 der Grundzüge. : S E

«In der Kommission seien hierzu zahlreice Anträge gestellt worden. Er (Redner) habe beantragt, an Stelle des im Entwurf vorgesehenen Umlageverfahrens das System der Aufbringung der Kapitaldeckung für die Entschädigungs- renten anzunehmen. Denselben Zweck verfolge cin Antrag des Hrn. Leyendecker, welcher dahin gehe, im ersten Absatz hinter dem Worte „Entschädigungsbeträge“ einzuschalten:

„der zur Sicherung der Nenten erforderlichen Kapitalien“ und den Absay 2 zu slreichen. Leßteres habe auch Hr. Kochhann beantragt. Hr. Björnsen habe vorgeschlagen, die Beiträge auf eine bestimmte Grundlage zu basiren, wie dies bei den Versicherungsanstalten geschehe, und zu diesem Behufe einen He as Prozentsaß des Arbeitslohnes als Umlagebetrag festzustellen. i

Éin a Mb v0 Hrn. Baare gehe dahin, daß das Reich zur Bildung eines Reservefonds jährlih den sünften Theil der Umlagebeträge aufbringen solle, der verzinslich anzu- legen und später dem Reich zu erstatten lei, wenn die Zi 5 auf F ie s Fahres- Zinsen des aufgesammelten Fonds die Höhe eines Jah beitrags erreichen. Eventuell wolle Hr. Baare Erhebung cines Eintrittsgeldes im Betrage von 6 für jeden zur Zeit des Eintritts beschäftigten Arbeiter. E i

Hr. Meyer habe die Aufbringung eines Reservefonds in Höhe des voraussihtlichen Jahresbedarss im Beharrungs- zustand in Vorschlag gebraht mit der Maßgabe, daß die Reservefonds sämmtlicher Berufsgenossenschaften solidarish für die Verpflichtungen jeder einzelnen haften, A

Hr. Herz habe beantragt, 5 Proz. des jährlihen Umlage- betrages aufzushiagen und zur Bildung eines Reservefonds anzusammeln, bis leßterer die Höhe eines Jahresbetrages er- reicht habe. | 2

Ferner habe Hr. Leyendecker für den Fall der Ablehnung seines Prinzipalantrages vorgeschlagen, einen Neservefonds in der Weise zu bilden, daß 5

im 1. Jahre der 6fache, 9 E " t 1 9 4 De ; 5 11/3 11 Betrag der Jahresumlage erhoben werde. : f

Endlich ‘habe Hr. Jansen folgenden Antrag eingebracht :

Um jeder Besorgniß wegen der dauernden Leistungs- fähigkeit der Genossenschasten zu begegnen, sind jährlich 15 Proz. über den Umlagebetrag hinaus auf die Dauer von 10 Fahren zur Bildung eines Reservefonds zu erheben. Dieser Fonds dient mit seinen Zinsen zur dauernden Sicherstellung der Renten und wird pupillarish sicher an- gelegt. Die Reservefonds sämmtlicher Berufsgenossenschaf- ten haften solidarish für die Verpflichtungen jeder ein-

elnen. Ï Zur Begründung dieses Antrages habe Hr, Jansen gel- tend gemacht, daß er zwar im Prinzip für das Umlage- verfahren sei, daß aber zur Erhöhung der Sicherheit immer- hin ein Reservefonds geschaffen werden könne, welcher für den Fall der Jnsolvenz der Genossenschaft zu haften habe.

Hr. Wolff habe sich im Allgemeinen für den Antrag Jansen erklärt mit der Maßgabe, daß höhstens 10 Prozent Zuschlag erhoben würden. Die Aufbringung der Deckungs- kapitalien sei unmöglih und bürde der Industrie, die ohnehin in bedrängter Lage sei und um ihre Existenz kämpfe, uner- shwinglihe Lasten auf. : A P

Hr. Baare habe erklärt, daß er in erster Linie für die Regierungsvorlage, in zweiter Linie für Bildung eines Re- servefonds aus Reichszuschüssen sei; doch könne der Untrag Leyendecker vielleicht zu einer Verständigung führen, wenn der Antragsteller den Umfang der DeckEungskapitalien genauer fixire und bestimmte Zahlen angebe.

(NB, Der Eventualantrag Leyendecker lag damals der Kommission noch nit vor.) :

Hr. Kochhann habe sich für den Antrag Meyer erklärt, welcher es der Fndustrie ermöglichen würde, die Lasten der Unfallversiherung allein zu tragen, so daß auf die Garantie des Reichs verzichtet werden könne. Die Aufbringung der Decungskapitalien möge im Prinzip rihtig sein, bringe aber so große Lasten mit si, daß dadurch viele Arbeitgeber ruinirt werden würden. : E

Hr. Leuschner habe das Umlageverfahren für genügend sicher erklärt, da keine Veranlassung vorliege, an der dauern- den Leistungsfähigkeit der Industrie zu zweifeln. Die Kapital- deckung zu fordern, sei ungeheuerlih, weil man dadurch der Industrie ohne Noth große Kapitalien entziehe. E

Hr. Herz habe davor gewarnt, aus den Verhältnissen der agel- und Feuerversicherungsgesellshaften auf Gegenseitigkeit tüdshlüsse zu ziehen. Dort habe man langjährige Erfah-

rungen und reiche statistishe Grundlagen, welche für die Unfallversicherung noch gänzlich fehlen. Man dürfe der Jn=- dustrie niht mehr aufbürden als unbedingt erforderlich sei, und es sei deshalb ein Zushlag von 5 Proz. zum Umlage-

kfapitalien nicht

Umlage von 36 glaube, daß de für das Umlage

lässig bezeichnet.

habe. Diese,

sei zu erheben

T Lfd I” "t " [4 1 ,”

,

"” 4 "” t et

werden.

größeren

seßen sei.

sei, um wie

Möglichkeit,

betrag zu empfehlen.

gefaßt werde.

art Sglusse des

Lasten

-

möglich sei, ,

pCt. auf 14) rselbe auch è

verfahren aus;

das Umlageprinzip

. Jahres 1 700 000

2 800 000

3 800 000

4 700 000

5 500 000

6 600 000

; 7 400 000

D. 8 200 000 70, 9 000 000 10 12 400 000 17 10 GOOVOO

" "t I” t " "n ry 1 r d I r n "”

" 41

It It P E (dieser leßte Betrag sei der Satz, welcher etwa i jein würde, wenn von Anfang an Deckungskapital er-

hoben würde), i am Schlusse des 20. Jahres 15 000 000 4/6,

20 J L¿SO00000 30, 19 000 000 30. „20400000 40. #2 O00 000 00, * 29000 000 75 22 900 000

r" 1 I” 1 I” [4 "t 1 t

und man komme

viel mehr müsse

Hr. Heimendahl habe ausgeführt, daß zur rihtigen Be- messung der zur Deckung der Versicherung Leistungen der Jndustrie heute die nöthigen Grundlagen noch fehlen. Die Angaben über die zu erwartende Belastung durch Beschaffung der Deckungskapitalien erahte er für übertrieben. Es fei dabei wesentlich zu berü. Ächtigen, daß bereits jeßt die Jndustrie in den VersicherungsTämien die Decungskapitalien mit bezahle. Glaube man, daß? % Aufbringung der DeXungs-

erforderlichen

„müsse man nothwendig den Weg der Reservebildung besh}! #n. Jm Elsaß habe man die Erfahrung gemacht, daß eis. chuß zu der regelmäßigen ¿ die vollständigste Garantie biete. Er halte den Antrag V e [ f für zweckentsprehend und ¡ustimmung der geseßlichen ¿Faktoren finden würde. Hr. Fhyjxeèrr von Landsberg habe sih rohcn, für außerordentliche Fálle aber auch kleine Aufl f: zur Refervebildung als zu- Wenn er au an sih gegen Neich8zuschüsse sei, so könne er do eventuell dem Antrag Baare zustimmen, da in dieser Form das Reich gewissermaßen für die Gesammt- heit der Kommunen eintreten würde, welche einzeln nicht her- angezogen werden könnten. j ; f

Von dem Regierungskommissar, Geheimen Negierungs- Rath Bödiker seien im Laufe der Debatte folgende Gesichts- punkte hervorgehoben worden : : | Gegenüber den Anträgen auf Erhebung eines Reserve- fonds sci darauf aufmerksam zu machen, daß dieselben in ihrer Tendenz auseinander zu gehen scheinen Und in threr Wortfassung zum Theil kaum ausführbar sein dürften , ohne beim Erhebungsverfahren, von welchem Abschnitt V handele, zu den größten Schwierigkeiten zu führen. Wenn die Ver- sammlung glaube, ein Reszrvefonds eiwa in der Höhe eines Jahreébedarss im Beharrungszustande sei, aus welchen Grün- den immer, unentbehrlih, so werde dessen Erhebung sih mit dem Prinzip des Umlageverfahrens vertragen müssen. dieser Hinsicht sei zu berücsihtigen, daß die Umlagen erst all- mählich steigen, was aus vielen Gründen ja durchaus erwünscht sei und gerade zur Annahme des Umlageverfahrens geführt empfehlende allmähliche Steigerung stelle sich bei Annahme von 750 A FJahres- verdienst und Annahme der in den Grundzügen vorgesehenen Entschädigungsbeträge für 1615000 männlihe Arbeiter, auf welche die Unfallstatistik sich beziehe, wie folgt: Am Schlusse des ersten Jahres in welchem durch- shnittlih jede Rente nux für 6 Monate bezogen werde, da ja die Unfälle im Laufe des Jahres erst allmäßlih eintreten —, 690 000 M,

"” "” 1 "” t 1 » "”

" zu erheben

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Dieses Jahr stei dasjenige des Beharrungszustandes.

E id M E mitgetheilten Zahlen, die im Großen und Ganzen für richtig zu halten seien, müsse gerechnet Wenn nun ein im Laufe einer größeren Reihe von Jahren zu erhebender Reservefonds in der Höhe von 22 900 000 M verlangt werde, so könne in men, ob etwa im ersten Jahre 100 Proz. Jahresumlage, im zweiten Fahre 90 Proz. und so fort bis zum zehnten Fahre 10 Proz : 1 Auf diese Weise werde in den Jahren mit geringen Lasten ein größerer Prozentsatz erhoben , als in R mit

auf die

in einer praktisch durchführbaren Weise zum Ziel, d. i. zu einem "Möfervéfonds von rund 20 Millionen Mark, zu welchem noch die inzwischen aufgelaufenen Zinfen kommen. Er Redner theile diese Zahlen gegenüber den bisher gehörten Ausführungen, denen es an einem zahlenmäßigen Anhalt gefehlt habe, zu dem Zwecke mit, damit die Versamm- lung sih in den Besiß des in Betracht kommenden Materials geseßt sehe, um danach ihre Entschließungen zu fassen. Die obigen Zahlen reduzirten sich übrigens per Kopf der Ar- beitershaft niht unerheblih, wenn die weiblihen Arbeiter mit in Betracht gezogen würden, da die dur eine Arbeite- rin herbeigeführte Unfallbelastung um etwa zu ein Zehntel der dur einen Arbeiter hervorgerufenen Belastung anzu-

Betracht kom- Zuschlag zur

zu erheben sein mdchte.

Als Ergebniß der Abstimmung theilt der Referent mit, daß unter Verwersung aller üvrigen Anträge der Antrag Jansen angenommen worden sci und mithin von der Kom- mission dem Plenum zur Annahme vorgeschlagen werde.

Seinen eigenen Standpunkt zu den einschlagenden Fragen legt der Referent in folgender Weise dar:

Wenn {hon im Jahre 1881 die Reichsregierung und der Reichstag zu der Ueberzeugung gekommen seien, daß bei einer monopolisirten Neichs-Versicherungsanstalt um der Solidität und Gerechtigkeit willen das Umlageverfahren zu verwerfen man die Erhebung der DecCungskapitalien fordern, wo es sich um eine ganze Menge von Genossenschaften handelt, bei denen von vornherein die daß sie leifstungsunfähig werden können, ins Auge gefaßt werden müsse und vom Geseßgeber ins Auge

S

Weis

{lagend die Konsequenzen des Umlageverfahrens. t man das Deckungskapitalsystem, so würden jedes Jahr gleich- mäßig etwa 14 Millionen erhoben, befolge man das Umlage- verfahren, fo zahle man während der ersten 17 Jahre weniger, hließlich aber etwa 23 Millionen Mark. ci i ¿ zu erklären, wir können keine 14 Millionen aufbringen, unsere Enkel aber recht wohl 23 Millionen.

fählih angeführt,

Die Zahlen des Herrn Regierungskommissars bewiesen Acceptire

Es sei inkonsequent,

Nach dem System der Vorlage müsse im Falle der Auf-

löôsung einer Genossenschaft wegen Leistungsunfähigfkeit das Neich für die Pensionäre der aufgelösten Genossenschaft auf- kommen. i L 1 Wolle man das Gesey zu Siande bringen, so solle man die Regierung nit darin bestärken, an einem Gedanken festzu- halten, der im Parlament keine Zustimmung finden werde.

Der Neichstag werde hierauf niemals eingehen.

Bet den jeßt bestehenden Unfallversiherungs:Gesellshaften

Ic

würde schon thatsählich das Deckungsfapitalsystem befolgt. Wenn die dort figurirenden Fonds klein schienen, so liege dies darin, daß jene Jnstitute in der Regel Kapitalabfindun- gen eintreten laffen. bank 18 84 Proz. der Todesfälle und 75 Proz. der Jnvaliditätsfälle durch einmalige (Kapital-) Abfindungen erledigt.

So habe die Leipziger Unfallbank 1882

Der Korreferent Hr. Leuschner bemerkt hierzu, der Re- ferent habe für das System der Decungskapitalien haupt-

daß dasselbe thatsählich bei den Ver- angewendet werde. Dies f beruhe

aber vornehmlich darauf, daß die Privatgesellshaften zu- meist Kapitalabfindung gewähren. Auch er Men wolle die Arbeiter sichern, namentlih aber verhüten, daß sie

durch die Versicherungsgesellschasten in eine Lage gebracht

werden, welche ihnen gewisse augenblickliche Vortheile bietet, während leßtere meist niht von langer Dauer seien, so daß der Arbeiter sih häufig hon nah furzer Zeit in hülfsbedürf- tiger Lage befinde. Das Umlageverfahren sei keine neue Er- findung, sondern bei vielen Korporationen {on seit Fahr- hunderten im Gebrauch. Wenn vasjelbe so gefährlich sei, wie behauptet werde, so hätten die Knappschaftskassen nicht so lange bestehen können. Bei letzteren aber habe sich das Um- lageverfahren gerade vollfommen bewährt. Würden die Be- rufsgenofjsenschaften in der weiten Ausdehnung organisirt, wie in der Vorlage in Aussiht genommen fei, jo liege in ihrer Größe eine genügende Sicherheit für ihre Leistungsfähigkeit. Bilde man kleinere Genossenschaften, so würden si dieselben behufs Nücversicherung verbinden müssen, und in einer folchen Verbindung würde wieder eine vollkommene Sicherheit liegen. Man solle der Fnudustrie nicht noch mehr Lasten aufbürden, als die Regierungsvorlage thue. Redner ertlärt sih gegen alle Abänderungsvorschläge und für unveränderte Annahme des Entwurfs. i

ZU dem Kommissionsantrag (Fansen) stellt Hr. Web s ky den Unteranirag, statt

„10 Jahre lang 15 Prozent“

zu sagen: S „im 1. Fahre einen Zuschlag von 100 Prozent, 2. 1 90 t I 3. I 1" I "” 80 t : und fo fort abfallend bis zum zehnten Jahre einen Zuschlag von 10 Prozent der Jahresumlage zur Bil- dung eines Reservefonds einzuziehen.“ Außerdem werden folgende Anträge eingebracht, bezw. erneuert: von Q Sale! : S : im ersten Absaßze vor dem Worte „jährlih“ einzu- schalten j : „und der bei dem Reichs - Versicherungsamt auf- gestellten Deckungskapitalberehnungen“ ; vont Qt. Qagen: : A E Absate statt „auf das Reih“ zu sagen „auf die Gesammtheit der Genossenschaften“ ; von Hrn. Meyer: : dem ersten Absaß hinzuzufügen: :

„Die Berufsgenossenschaften bilden einen Reserve- fonds in der Höhe des Jahresbedarfs im Behar- rungszustande durch Zuschläge zu den Jahres- umlagen, welche in den ersten Jahren angemessen höher sein follen, als in den folgenden Jahren.

Die Reservefonds sämmtlicher Berufsgenofsen- schaften haften solidarisch für die Verpflichtungen jeder einzelnen Berufsgenossenschaft.“ i

Hr. Jansen erklärt, daß er in erster Linie Arbeiter- beiträge und einen Reichszuschuß gewünscht habe. Beides sei nicht zu erreihen, Er behalte sich jedoh die Einbringung einer bezüglichen Resolution vor. Er sci der Ueberzeugung, daß die Genossenschaften in \ich eine ausreihende Gewähr für ihre Leistungsfähigkeit tragen würden. Um indeß auch ängstlihe Gemüther zu beshwichtigen, empfehle es sih, auf dem von ihm vorgeshlagenen Wege einen Reservefonds zu sammeln. L

Hr. Wolf f bemerkt zunä@hst berihtigend zu den An- führungen des Referenten, er habe niht gesagt, 95 Proz. der Industriellen seien in bedrängter Lage, sondern diejelben hätten um ihre Existenz zu kämpfen, d. h. zu arbeiten, er glaube nit, daß eine Reserve nöthig sei, und noch weniger eine Kapitaldeckung. GleiGwoßl könne er! sich mit einem Zushlag von 10 Proz, zur Vildung eines Rerservefonds ein- verstanden erklären. Unsere Fndustrie habe mit Rücksicht auf die Abgeschlossenheit unseres Wirthschaftsgebietes dauernde Aussicht auf Arbeit und damit sei auch die Garantie für ihre dauernde Fähigkeit zur Aufbringung der Entshädigungsrenten

egeben. As Hr. Hagen erklärt sich gegen das Umlageverfahren und weist auf die Ungerechtigkeit hin, welche mit demselben insofern verbunden sei, als neubegründete Betriebe sofort in eine Last eintreten müßten, zu welcher sie keinerlei Verpflichtung haben. Die Aufbringung der Entschädigung durh die Genossenschaften sei sehr \{wierig. Während das Umlageverfahren mit großen Gefahren verknüpft fei, würde die wirklihe Aufbringung der Deckungskapitalien die Jndustrie zu sehr belasten. Auch der Vermittelungsantrag

siherungsgesellschaften

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des Hrn. Fansen entbehre der siheren Grundlage und sei