1927 / 111 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 May 1927 18:00:01 GMT) scan diff

Verbindung zwischen Schule und Wirtschaft müsse überhaupt eine engere werden Die Schullasten müßte die Allgemeinheit tragen.

Abg. Mantke- Gleiwiy (Zentr.) wünscht ein rascheres Tempo bei Einrichtung und Ausbau des Berufsschulwesens. "Dle Kostenfrage sei dahin zu lösen, daß 650 Prozent der Staat, 25 Prozent die Kommune und 25 Prozent die Fnteressenten ¿u tragen Lien Zu erhöhen seien auch die Zuschüsse für die Fach- ¡hulen, die jeßt mehx und mehr den Kommunen zur Last fielen. Der Redner seßt sich noch für den Ausbau der dretjahrigen Handels\chule ein, die den Uebergang zur Hochschule erleichtern müsse. Unter aller Umständen müsse auch in den Handelsschulen und Fachshulen der obligatorische Religionsunterricht eingeführt werden, und zwar sowohl aus verfassungsrechtlihen wie auch aus pädagogischen Gründen. (Zustimmung im Zentrum.) Die Aus- bildung dez Berufs- und Fachshullehrer müsse weiter ausgedehnt werden. Dabei seien diese Lehrer ausreichender zu besolden und nicht, wie bisher vielfach, zu überlasten. Auch für die Betreuung der erwerbslosen Fugend müßten die erforderlichen Mittel bereit- gestellt werden, damit nicht nur Qualitätsarbeiter, sondern s Qualitätsmenschen herangezogen würden. (Beifall im Zentrum.

Abg. Lange - Dittersbach (Zentr.) meint, es bilde sich ein Schulsystem heraus, das den Wünschen von Handel und Gewerbe nicht entspreche. Vor allem müsse in den Berufsschulen neben der Fach- auch die Charakterbildung erfolgen. Dazu sei die obli- gatorische Einführung des Religionsunterrichts erforderlich, damit Treu und Glauben wieder, wie früher, erstes Gebot des Kauf- manns werde, im -Fnteresse der Wiederherstellung des Vertrauens ¡wischen Kaufmann und Konsument zum Nußen des Verbrauchers. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Weiteste, auch der Deutschen Volkspartei nahestehende Kreise des Handels, Handwerks und Ge- verbes forderten den auh in der Reichsverfassung vorgesehenen \bligatorishen Religionsunterriht für die Berufs- und Fach- ¡chulen. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Die Durch- ührung dieser Forderung mache auch eine paritätische Zusammen- jezung des Lehrkörpers erforderlih. Wenn es tatsächlich so sei, wie Zeitungsmeldungen besagten, daß nämlich in der staatlichen Baugewerkschule in Münstez, die vorwiegend von Katholiken be- sucht werde, kein einziger katholisher Lehrer vorhanden sei, wäre das unrecht

Ministerialdirektor Dr. Seefeldt teilt mit, daß er nicht über die konfessionellen Verhältnisse der Baugewerkschule unter- rihtet sei, daß vielmehr bei der Beseßung dieser Fachlehrerstellen ledigli nah dec Tüchtigkeit gefragt werde. Man habe keine Veranlassung, nah der Religion dieser Lehrer zu forshen. (Un- ruhe und Zurufe im Zentrum.)

Damit schließt die Besprechung.

Fn der Einzelberatung verlangt

Abg. Gertrud Hanna (Soz.) Besserung der Besoldung der weiblichen Gewerbeaufsihtsbeamten.

Abg. Hartleib (Soz.) fordert, daß die Gewerbeaufsichts- beamten gemeinsam mit den Gewerkschaften fs unbedingte Ein- haltung des Achtstundentages besonders in der Zementindustrie eintreten.

Abg. Meyinger (Zentr.) lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf eine Eingabe aller deutshen Gewerkschaften über den Ausbau der Gewerbe- und Handelsaufsiht, dex nah der Rationalisierung besonders notwendig geworden sei. Schon rein ¿ahlenmäßig müßten die Gewerbeaufsichtsbeamten bedeutend er- höht werden. Beklagenswert sei, daß es heute auch in gefährlichen Fndustriezweigen noch eine Reihe von Betrieben gebe, die über- haupt nicht von Gewerbeaufsichtébeamten beaufsichtigt und geprüft würden. Die Besoldung der Gewerbeaufsichtsbeamten sei erheblich aufzubessern.

Abg. Frit) ch (Soz.) tritt für Vermehrung der Zahl der weiblichen Gewerbeaufsihtsbeamten, der sog. Gewerbepflegerinnen, ein, die besondcrs in der Textilindustrie gebrauht würden, wo 600 000 Frauen, davon 400 000 verheiratete, beschäftigt seien.

Abg. Sobottka (Komm.) wünscht, daß die Gewerbe- aufsichtsbeamten auch über den Stand der Berufskrankheiten sich informieren und darüber Auskunft geben. Auch müßten sich die Aufsichtsbeamten über die Wünsche und Beschwerden der Arbeiter in ersier Linie beim Betriebsrat erkundigen.

Abg. Gertrud Ha n n a (Soz.) seßt sich für bessere Besoldung der Hilfskräfte der Gewerbeaufsicht ein und fragt, wann endlich die vorgesehene Prüfung der Aufsichtsbeamten erfolge. (Minister Dr. Schreiber: Im Sommer!) Die Rednerin verlangt noch Er- höhung der Summe für Reijsemöglichkeiten der Gewerbeaufsicht. Bisher sei es in einigen Fällen soweit gekommen, daß, wie Zeitungsnachrichten besagten, manche Vnternehmer monat!elang die tollsten Ünvorsichtigkeiten in ihren Betrieben hätten begehen föónnen, weil es den Gewerbeaufsihtsbeariten am Reisegeld gefehlt habe, diese Betriebe zu besuchen.

Ein Regierungsvertreter gibt die Richtigkeit des von der Vorrednerin erwähnten Falles zu, der eine Folge der vom Landtag im vorigen Etat vorgesehenen Kürzung von 10 vH bei den Neisekosien der Gewerbeaufsichtsbeamten sei, (Lebhaftes Hört, hört! links.)

Abg. Mebinger (Zentr.) verlangt bessere Ausgestaltung der Position der Vorsißenden der Schlichtungsausschüsse durch Ueberführung dieser Kräfte in das Beamtenverhältnis.

Abg. Rüffer (D. Nat.) trägt die Wünsche der Fischer von Lenkenhagen auf Fehmarn vor, die versandete Bucht zu reparieren. Auch follten die \{chleswig-holsteinishen Eisenbahn- Verkehrs8wünsche tunlichst erfüllt werden. Weiter wünscht der Redner, daß die Kieler Werften bei der Vergebung von Schiffs- bauarbeiten mehr als bisher berüdcksichtigt werden.

Ministerialdirektor Dr. von Seefeldt teilt auf eine sogialdemokratische Anfrage mit, daß tatsächlich die bis jeßt noch vorhandenen Hausweber von der Regierung unterstüßt würden, um sie technisch auf der Höhe zu erhalten, Es würde aber darauf Des daß kein neuer Zuzug in das Hauswebergewerbe statt- finde.

Abg. Haas (Soz.) hebt die Unwirtschaftlichkeit des gegen- wärtigen Flugverkehrs hervor, die sich darin charakterisiere, daß im Großflugzeug eine Kilometerbeförderung 5,60 Mark koste und daß bei der s{chlechten Beseßung für die Beförderung einer Person 50 bis 70 PS. anzusebßen seien, Wenn die rund 60 Millionen, die man an öffentlichen Geldern gegenwärtig in das Flugwesen \stecke, fich rentieren follten, müßte durch Ausbau des Flugnebes viel mehr für Wirtschaftlichkeit des Betriebs gesorgt werden. Die kleinen Flugstrecken müßten verschwinden und zuverlässige Flug- statistiken seien erforderlich.

Abg. Jlse Noack (D. Nat.) tritt für die bessere Berück- sichtigung Stettins im Flugverkehr ein.

Damit is auch die Einzelberatung beendet. Die Ab- stimmungen werden voraussichtlich Freitag, den 13. Mai, stattfinden.

Das Haus geht dann über zux exsten Beratung des Polizeibeamtengeseßes.

Minister des Fnnern Grzesinski: Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ih für das Polizeibeamtengeseß Fhnen neben der bereits vorliegenden shriftliÞhen Begründung noch eine, ih kann nicht sagen ganz kurze, mündliche Begründung gebe, darf ih mir gestatten, noch einige Ausführungen zu machen, die zwar auch mit der Tätigkeit der Polizei, aber niht mit dem Geseß un- mittelbar in Zusammenhang stehen, und die sich auf große De- monstrationen beziehen, die in den leßten Tagen hauptsächlich in Berlin, aber auch anderwärts, stattgefunden haben. Auf die grund- säßliche Seite der Frage des Stahlhelmtages, ob nämlich die De- monstration am 7., 8. und 9. Mai in- Berlin und Potsdam ver-

boten werden sollte, wie noch in den leßten Tagen davor von mir verlangt worden ist, brauche ih nit einzugehen, weil ih mich darüber wiederholt geäußert habe, und zwar in dem Sinne, daß ein Verbot nit in Frage kommt, Nahdem aber die Stahlhelm- Demonstration beendet ist, kann ih heute mit einer gewissen Ge- nugtuung konstatieren, daß der Gang der Ereignisse mir Recht ge- geben hat,

Westwegen ih aber heute auf die Angelegenheit zurückomme, hat seinen Grund darin, daß ih, nachdem die Polizei während vier Tagen einen ganz besonders shweren Dienst verrihtet hat, mich über die rein polizeilihe Seite und die Ausübung des ver- fassungsmäßigen Rechts der Demonstration und der Versamm- lungen äußern will. Auf Grund vielfah gemachter Erfahrung hat es sih leider in Berlin, und nicht nur in Berlin, als notwendig erwiesen, daß Demonstrationen unter freiem Himmel polizeilih ge- \chübßt werden müssen, weil sonst Andersdenkende die Demonstra- tionen stören und Leben und Gesundheit der Demonstranten ge- fährden. Von dieser Gefährdung sind Demonstrationen fast aller politishen Verbände und Parteien bedroht. Diese hier si manifestierende Fntoleranz gegenüber Andersdenkenden ist nicht nur auf das höchste zu beklagen, sondern auch für die Beteiligten eigentlich äußerst blamabel. Die Beteiligten zeigen, daß ihnen der Sinn für den Geist der freiheitlichen Bestimmungen der Ver- fassung völlig fehlt. Für die Polizei aber, die verpflichtet ist, die verfassungsmäßigen Rechte der Staatsbürger zu s{hüßen, ihre Aus- übung siŸHerzustellen und für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen, ist diese grobe Jutoleranz leider mit ver- mehrtem Dienst und einer bis an die Grenzen des Menschenmög- lichen gehenden dienstlihen Fnanspruhnahme verknüpft. {Fns- besondere sind die Anforderungen, die an die Berliner Polizei in leßter Zeit ih kann sogar weiter greifen: seit ungefähr zwei Fahren gestellt werden, ganz unerhört. (Sehr richtig!) Jch kann zu meiner Freude zwar immer wieder feststellen, daß die Berliner Polizei und die einzelnen Beamten der Berliner Polizei sich den gewaltigen - Anforderungen durchaus gewachsen zeigen, und gerade auch wegen der Leistungen der verflossenen Tage drängt es mich, der Berliner Polizei, insbesondere auch den Herren vom Kommando der Schußpolizei, die bei den allgemeinen Lobliedern leider immer übersehen werden, obwohl sie durch ihre Tätigkeit erst die Voraussezungen für ein Gelingen solcher polizeilichen Organisationsarbeit schaffen, wegen der Lösung der großen organisatorishen Aufgaben sowie wegen der Erfüllung der dienstlihen Pflicht den Beamten insgesamt meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. (Lebhaftes Bravo! im Zentrum und links.) Fch weiß, daß die Beamtenschaft ihre Pflicht erfüllt hat, um ihrer selbst und niht um wirtschaftliher Vorteile willen. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Dem.) Die Polizeibeamten tun ihre Pflicht unabhängig von der Erhebung wirtschaftliher Forderungen und ohne Rücksicht darauf, ob der Staat diese erfüllen kann und erfüllen wird. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Tatsache ist jedenfalls, daß bei allen diesen Demonstrationen die Polizeibeamtenschast auf das allershwerste in Mitleidenschaft ge- zogen wird und hier in Berlin kaum noch einen freien Sonntag hat. (Sehr richtig! im Zentrum und b. d, Dem.) Jch habe hierauf früher hon einmal hingewiesen und möchte jeßt an Hand der leßten Ereignisse noch einige neuere Zahlen geben. {Fm Fanuar waren hier in Bexlin in Alarmbereitschaft 47 Polizeibereitschaften mit 3760 Beamten, außerdem 892 Revierbeamte, die ersteren ins- gesamt mit 424 Stunden, die leßteren mit 5814 Stunden. Durch Extradienst im Februar waren 5714 Bereitschaften mit 4600 Be- amten 16714 Stunden in Anspruch genommen und 376 Revier- beamte, d. h. solche, die im Einzeldienst sind und sonst zu diesen Alarmstufen uiht herangezogen zu werden brauchten, mit 4214 Stunden; im März 181 Bereitschaften mit 12670 Beamten 42014 Stunden und 2787 Revierbeamte 244 Stunden in Bereit- haft, Jm April waren die Zahlen: 6014 Bereitschaften mit 4820 Beamten 25214 Stunden, 1256 Revierbeamten mit 126 Stun- den. Im Mai wird angesichts der Demonstrationen, die in diesen wenigen Tagen stattgefunden haben, diese Zahl ganz twvesentlich überschritten werden.

Meine Damen und Herren, auch eine für den Staat empfind- liche finanzielle Seite haben solhe großen Demonstrationen und die Jnanspruhuahme, die diese Demonstrationen für die Polizei mit sich bringen. Da die Polizei je nah Größe der Demon- strationen tagelang in voller Alarmbereitshaft gehalten werden muß, so haben die Beamten nah den Bestimmungen Anspruch auf volle Verpflegung auf Staatskosten. Jh will nur ein paar Zahlen angeben und einige Demonstrationen der leßten Zeit der verschiedensten politishen Richtungen herausgreifen. Am 25. November 1925 hat eine Demonstration der Rechtsorgani- sationen gegen den Locarno-Vertrag stattgefunden. Es war nur eine verhältnismäßig kleine Demonstration; sie hat aber doch 4100 Mark gekostet. (Zuruf: Man könnte ja die Demonstranten bezahlen lassen!) Ja, es ist, als ih in einem kleineren Kreise diese Frage erörterte, gesagt worden, man könnte vielleiht die Gebührenordnung darauf ausdehnen. (Zuruf.) Der Rote Front- kämpfertag zu Pfingsten vorigen Fahres war schon teurer; er bat 55 000 Mark gekostet. (Hört, hört! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Der Stahlhelmtag am 7., 8. und 9. Mai hat rund 100 000 Mark gekostet. (Hört, hört! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.)

Meine Damen und Herren, eine etwas kostspielige Angelegen- heit, möchte ih meinen, wenn man bedenkt, daß mit dem Gelde, das hier der Staat zwangsläufig auf Grund bestehender Be- stimmungen, die an sih berechtigt sind, ausgeben muß, sicherlich hier und da Besseres geleistet hätte werden können. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Der Stahl- helmtag und auch die früheren Demonstrationen sind dank der vorzüglichen Organisation der Polizei und der Vorkehrungen, die sie für die Sicherheit der Bürger getroffen hat, erfreulicherweise ruhig verlaufen. Die Entschlossenheit der Polizei und ihre Bereitschaft, in jedem Fall Störungsversuchen rüdcksichtslos ent- gegenzutreten, hat es Ruhrstörern geraten erscheinen lassen, Störungs8absihten im eigenen Jnteresse zurückzustellen. Aber im Juteresse der Polizeibeamten und vielleiht auch des Ansehens der Reichshauptstadt Berlin wäre vielleiht doch zu erwägen, ob in Zukunft Demonstrationen in Berlin noh geduldet werden können. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Deutshen Demokraten. Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten. Glocke des Präsidenten.) Solange zur Durchführung der Demonstrationen

O C D A O L A N R A0 1226 C A i Ei U S E P A E E O F A Tr O T T ne

wegen der Unduldsamkeit gegenüber politisch Andersdenkenden Demonstrationen unter freiem Himmel eines so starken polizei- lihen Schußves bedürfen (sehr rihtig! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten. Zurufe bei den Kommunisten: Wir ver- zichten darauf !), sheinen mir auch rein vom Standpunkt der De- monstrierenden aus gesehen Umzüge unter so starker polizeilicher Bedeckung einen nicht gerade sehr würdigen Eindruck zu machen. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.)

Jch darf mir daher, indem ih diesen Teil meiner ein- leitenden Ausführungen abschließe, an die politishen Parteien den Rat erlauben und sagen: vielleicht überlegen sih die Parteien einmal, ob sie sih niht im Jnteresse aller dahin verständigen, sih bei Umzügen gegenseitig ungeshoren, das heißt einen Augenblick ohne Prügel zu lassen. (Sehr gut! und Heiterkeit.) Dann kann die Polizei ihre anderen Aufgaben, nämlih Regelung des Ver- kehrs, Bekämpfung des Verbrehertums, Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im weitesten Sinne, Schuß des gesamten Bürgertums und des Publikums, besser und nachhaltiger erfüllen als bisher. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.)

Nun zum Polizeibeamtengeseß! Der Entwurf eines Polizeis beamtengeseßes, den ih namens des Staatsministeriums hier vorlege, stellt den Abschluß einer langen Entwicklung der Organi sation der preußischen Polizei dar. Diese Entwicklung ist Jhnen bekannt, da Sie selber sie mit durchlebt haben. Sie erinnern sih der Sicherheitspolizei, der Ordnungspolizei und der Schaffung der Schußpolizei im Johre 1920. Durch das Schuß= polizeibeamtengeseß des Jahres 1922 wurde dieser Schußpolizei erstmalig ein geseblich begründeter Rechtsrahmen gegeben. Sie fennen die Gründe, die seinerzeit dazu zwangen, die Verhältnisse der uniformierten Schußpolizeibeamten nur vorläufig zu regeln. Sie wissen, daß diese vorläufige Regelung leider viel länger hat dauern müssen als beabsichtigt war. Ursprünglich bis Ablauf des Jahres 1925 befristet, ist das Schußpolizeibeamtengeseß wiederholt verlängert worden. Es waren nicht nur die immer wieder betonten außenpolitischen Gründe, sondern es war auch die Tatsache zu beachten, daß rein formell das Reich8geseß über die Schußbpolizei der Länder cine grundlegende Aenderung der Nechtsverhältnisse der Schußpolizeibeamten bisher verhinderte. Diese Schwierigkeiten können im großen und ganzen heute als behoben gelten. Jn anderem Zusammenhange werde ih aller- dings noch auf die tnnen- und außenpolitischen Bindungen zurücktkommen müssen, denen die Polizei auch heute noch mehr oder weniger unterliegt.

Ich möchte bei meinen ferneren Ausführungen aber eine grundsäßlihe Bemerkung vorausschiden. Die Polizei ist als Exekutivorgan das stärkste Machtmittel des Staates. (Sehr richtig! rechts.) Ja, fie is für Millionen von Staatsbürgern der einzig sichtbare Exponent der Staatsautorität. (Sehr richtig!) Eine gut ausgebildete, gut disziplinierte, mit dem Volke ver=- bundene Polizei (Zuruf bei den Kommunisten: Mit dem Gummis=- knüppel!) wie man sich beträgt! (sehr richtig!) wird daher gut für das Ansehen des Staates und seine beste Stübße sein. Nach den Verhältnissen in der Polizei wird man in weitem Um- fange Ordnung, Sauberkeit und Kraft des Staatslebens selbst beurteilen, und dazu fommt, daß das Wohl des Volkes in weitem Umfange von der Arbeit der Polizei abhängt: Schuß vor Ver- brechern und fonstigen Störern der öffentlihen Ordnung, Schuß aber auch vor falscher Auslegung der Geseße und geseßlichen Bestimmungen, Schuß vor falschen Befehlen und falscher Aus=- legung von Befehlen, die unter Umständen fogar Blut und Leben kosten können. Eine Polizei, die dem gerecht wird, muß eine Beamtenschaft umfassen, die sich in ihrem Beruf wohlfühlt, die sich in ihrer dienstlichen Existenz ges!ichert sieht, die gut ge- führt wird, vertrauensvoll zu den Vorgeseßten steht, der Willkür entrüdt ift, furz, die, wenn fie ihren Dienst tut, sich ohne Rück= halt und ohne Hintergedanken diesem Dienst hingeben kann,

Meine Damen und Herren, Sie können sich denken, daß es sehr viel leichter ift, diesen Grundsaß und diese Grundsähe aufzustellen, als sie in Paragraphen eines Gefeßes zu fassen. Die Staatsregierung, die Jhnen den Polizeibeamtengeseßentwurf vorgelegt hat, ift der Auffassung, daß der Entwurf, der in langer Arbeit es sind, glaube ich, 7 oder 8 Entwürfe im Laufe der leßten Jahre immer wieder neu gemacht worden (Zuruf) was longe währt, wird gut! —, entstanden ist, das ist, was gegeben werden soll. Der Entwurf, der, wie gesagt, nah langer Arbeit und nach Anhörung der Verbände, wie ich betonen will, und des Hauptausschusses der Polizeibeamten Jhnen vorgelegt worden ist, stellt gewissermaßen die Mittellinie dar, auf der \sich das Staatsinteresse und das Jnteresse der Beamtenschaft durch- führen läßt.

Es ist im allgemeinen so, daß in dem Entwurf die Polizeis beamten soweit und solange als möglich der übrigen Beamtens schaft gleihgeseßt sind. Da aber, wo die Beésonderheiten der Polizei in Frage stehen, mußte für sie auch ein Sonderrecht geschaffen werden.

Es ist kiar, daß ein Geseßentwurf, der bestimmt ist, Nechts8s und Lebensverßältnisse von rund 100000 Beamten zu gestalten, die Gemüter der Beamten erregt hat. Jch bedaure aber ganz außerordentlich, daß in die Kreise der Polizeibeamtenschaft nicht nur sachliche, sondern auch sehr unsachlihe Argumente und eine sehr unsahlihe Agitation hineingetragen worden if}. (Schr richtig! Zuruf bei den Kommunisten.) Jch bedaure, so sehr ih zugebe, daß man über gewisse Dinge durchaus verschiedener Meinung sein kann, und ih die Meinung durchaus nicht als bö8willige Meinung hinstellen oder böswillige Absichten von

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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Juhalt des amtlichen Teiles:

Deutsches Reich. Ernennungen 2c. Preußen.

Ernennungen und sonstige Perjonalveränderungen. Erlaß, betreffend Aenderung einer Vorschrift des Gesehes, betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten.

Amtliches.

Deutsches Rei ch.

Der Kaufmann D. W. Bain ist zum Vizekonsul des Reichs in Wik (Schottland) ernannt worden.

Preufzen. Akademie der Wissenschaften.

Die Preußische Akademie der Wissenschaften hat den ordentlichen Professor an der Universität Königsberg Dr. Erich Klostermann zum fkorrespondierenden Mitglied ihrer philo- fsophisch-historischen Klasse gewählt.

Ministerium für Volkswohlfahrt.

Auf Grund des § 8 Abs. 2 des Geseyzes, betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten, vom 14. Juli 1909 (Gejeßsamml. S. 625) wird im Einvernehmen mit dem Herrn Finanzminister und dem Herrn Justizminister die Vor- B unter A IV Nr. 18 der- Anlage T des Gesetzes mit

irkung vom 1. Mai 1927 ab wie folgt geändert: „Schreibgebühren für Neinschriften werden, fofern der Kreisarzt sie niht telbst anfertigt, für eine mindestens 32 Zeilen von durch\hnittlih 15 Silben enthaltende Seite durch einen Betrag von 0,30 NM vergütet. Jede angefangene Seite wird voll gerechnet.“

Der vierte Absatz des Erlasses vom 5. Mai 1924 (Geseßz-

samml. S. 540) wird vom 1. Mai 1927 an außer Kraft gesetzt.

Berlin, den 10. Mai 1927.

Der Preußische Minister für Volkswohlfahrt. Hirtsiefer.

Nichtamiliches.

Deutsches Reich.

Jn der gestrigen öffentlihen Vollsizung des R e i ch s - rats wurde laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutsher Zeitungsverlèger ein Geseßentwurf übex Ein - fuhrscheine angenommen. Der Entwurf bestimmt, daß bis zum Ablauf des 31. Juli d. F. bei der Ausfuhr von Roggen, Weizen, Spelz, Gerste und Hafer Einfuhrscheine nicht erteilt werden. Der Geseßentwurf soll am Tage nach der Ver- kündung in Kraft treten.

In der Begründung wird betont, daß die Getreidepreise in leßter Zeit niht unwesentlih gestiegen seien, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in gleihem Ausmaß auch auf dem Welt- markt. Den Anstoß zu dieser Preisentwicklung hätten die steigen- den Forderungen der Ueberseegebiete gegeben, die dem bekannten Bedarf der europäishen Zuschußländer begegneten. Außerdem nuße die amerikanishe Spekulation die Elementarereignisse in Nordamerika aus, um die Preise in die Höhe zu treiben. Die Preissteigerung habe sih in stärkerem Maße s a als auf Roggen erstreckt, so daß die- Preisspanne zwischen Weizen und Roggen jezt shon 30 Mark betrage. Wenn auch mengenmäßig keine Besorgnis für die Versorgung der deutschen Bevölkerung bis ur neuen Ernte bestehe, so solle doch der Ausfuhr deutschen Zrotgetreides, die unter den gegebenen Umständen stärker werden könne, rechtzeitig entgegengetreten werden, um dadurch eine über- stürzte Preisentwicklung zu hindern.

Angenommen wurde der Geseyentwurf über ein A b - kommen zwischen Deutschland einerseits und der Freien Stadt Danzig Über die Durchführun trages hinsichtlich der

des Artikels 312 des Versailler Ver- reien Stadt Danzig.

und Pole dererseits | e : P N | | e be A Sprache. Freilich gewissen schweren \sittlihen Gefahren

Es handelt sich dabei um die Auseinandersezung zwischen dem

Deutschen Reih und Danzig auf dem Gebiet blen O Deutschland soll an Danzig 35 Millionen Goldmark

os en. Offengeblieben is die Grage, ob diese Summe von den ahreszahlungen nah dem Dawes-Plan umfaßt wird oder daneben

der Sozial- |

|

einschließlich des Portos abgegeben.

gedantt werden mus Diese Frage wird noch einer besonderen ntscheidung zuzuführen sein.

Angenommen wurde ferner dexr Geseßentwurf über den deutsch-italienishen Vergleichs- und Schiedsgerichtsvertrag, der ganz nah dem Muster anderer derartiger Verträge gehalten ist.

Weiter wurde eine Abänderung des Geseßes über B e - Leitstellung von KLedit zur FordeLuUnis des Kleinwohnungsbaues genehmigt. Der Reichsrat stimmte dieser Vorlage zu, nachdem die Reichsregierung die Erklärung abgegeben hatte, daß die Hingabe von Mitteln an die Deutsche Bau- und Bodenbank an die Bedingung geknüpft werden solle, daß diese Bank ihre Tätigkeit nicht auf das länd- liche Siedlungswesen ausdehne und ihre Tochtergejsellschaft in feinem Lande Zweigstellen neu errichte, wenn die Landes- regierung Einspruch erhebe,

Der Reichsrat erklärte Ed sodann mit der Satungs-=- änderung der Wohnstätten-Hypothekenbank A.-G. in Berlin einverstanden und entschied sich im Sinne der Beschlüsse seiner Ausschüsse dahin, daß von den sehs Bei= ieren der ObeoerprUsstellé für SGU1d- Und S ch m L H zwei aus Preußen, und je einer aus Bayern, Sachsen, Württemberg und Hamburg gestellt werden. Ein Antrag Bayerns, je drei Beisißer aus Norddeutschland und je drei aus Süddeutschland zu bätellen, war s{hon in den Ausschüssen abgelehnt worden. Bayern und Hessen stimmten im Plenum gegen die Vorlage. Baden enthielt sich dex Ab- stimmung.

Nach dem der Reichsrat w-itxhin sich damit einverstanden erklärt hatte, daß aus Anlaß des 450 jährigen Bestehens der Universität Tübingen Silbererinnerungs- müngzen ausgeprägt werden, beschäftigte ex sih mit einer Verordnung -des Arbeitsministers über Einschränkung dEr KLifEn Lo tge für Exwerbs ie J dée Verordnung war für das Baugewerbe und dessen Hilfsgewerbe, für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gärtnerei, Vervielfälti= gungsgewerbe und Hausgewerbetreibende die Krisenfürsorge ivegen der gebesserten Lage des Arbeitsmarkts in diesen Ge- iverben ganz aufgehoben worden, außerdem sollte sie in einzelnen Bezirken beseitigt werden, in denen die Erwerb8- losigkeit keinen großen Umfang mehr hatte. Fn den Aus- schüssen des Reichsrats war bereits die örtliche Beseitigung gestrichen worden, während sonst die Verordnung ge- nehmigt war.

Namens der Reichsregierung legte Staatssekretär Zweigert nochmals die. Gründe dar, die für den Abbau der Krisenfürsorge in einzelnen Berufen sprächen, beantragte aber noch in leßter Stunde die Streichung des Baugewerbes und seiner Hilfsgewerbe aus der Verordnung. Er wies darauf hin, daß s dieser Streichung im ganzen nur noch rund 11500 Arbeiter in Frage kommen würden, so daß auch die Befürhtungen der Gemeinden nicht zuträfen, daß man ihnen durch Abbau der Krisenfürsorge eine größere Wohlfahrtspflege zumute. Namens der preußischen Regierung beantragte Staatssekretär Weismann die Ab- N der gesamten Verordnung und namentlihe Abstimmung

arüber.

Die Verordnung wurde in namentlicher Abstimmung mit 41 gegen 26 Stimmen abgelehnt. Die Vertreter der preu- ßischen Provinzen stimmten diesmal sämtlich mit dem Staats- ministerium gegen die Aufhebung.

Deutscher Reichstag. 312. Sißung vom 12. Mai 1927. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Präsident L ö b e eröffnet die Sißung um 2 Uhr. Die zweite Lesung des Geseßentwurfs über den Schuh der Fugend bei Lustbarkeiten wird fortgeseßt.

__ Abg. Else von Sperber (D. Nat.) tritt für die Vorlage ein und exklärt, mit tiefer Entrüstung müsse sie die Angriffe der

" Sektion fe Dichtkunst der brunn Akademie, die Pn Mit-

gliedern des Ausschusses Unehrlichkeit U Len habe, zurüd-

| weisen. Das sei eine unerhörte Vergiftung des öffentlichen Lebens.

(Beifall rehts. Lachen links.) Hier- gelte das Wort: Was i A tu, trau ih andern-zu! Vereine und Verbände, einschließli er konfessionellen, Schulen und Fugendämter, die für unsere Jugend gute Darbietungen veranstalten, sollten mehr als bisher vom Reiche und den Ländern, auch durch Bereitstellung von Geld- mitteln, gefördert werden. Die Statistik spreche hier eine er-

ür die Jugend, 4. B. in den Wohnungsverhältnissen, könné man mit diesem ces nicht beifkfommen Dennoch müsse man versuchen, die Kinder vor sittliher Verwahrlosung zu bewahren. Der starke Widerspruch der Sozialdemokraten

egen dieses Geseyß erscheine

| nicht verständlih. Auch die Feralie ung junger Künstler für die

Filmaufnahmen in Kinderrollen sei durhaus möglih. Fn Revuen mit möglichst lüsterner Darstellung von Nattheiten gehörten

Kinder nicht hinein, dort fi die heranwachsende Fugend shweren Gefahren ausgeseßt. Müsse die Fugend gewissen Darbietungen fernbleiben, dann werde das Programm vielleicht allmählich etwas weniger ails werden. Die Rednerin begrüßt es, daß man den Fugendpslegern und Pflegerinnen weitergehende Befugnisse zugestehe. Den Bestrebungen, allen Shmuy und Schund an die E heranzubringen, müsse ein Riegel vorgeshoben werden. Ge strafen seien hier vielfach u man musse hier zu Ge- fängnisstrafen und shließlich zur Schließung des E Be- triebes ‘greifen. Es wäre wohl zweckmäßig, einmal die ganze Jugendschußgeseßgebung zusammenzufassen. Denn der sittliche Schuß unserer FFugend sei eine der wichtigsten Ausführungen.

Abg. Dr. Runkel (D. Vp.) gibt die größere Wirksamkeit positiver Erziehungsmaßnahmen gegenüber Polizeiverboten zu. Nicht alle Kinder könnten mit Rücksicht auf körperliche Schwäche Sport treiben. Für fe müsse man Gelegenheit zu Gesellschasts- spielen, möglichst in frisher Luft, schaffen. Aber mit alledem koónne man doch die sittlich Gefährdeten niht shüßen. Wieviel Jugendliche würden durch \chlechten Verkehr von solchen Ver- anstaltungen ferngehalten! Das E könne man nur den sittlich Reifen zugestehen. Selbst die Weimarer Verfassung habe die Notwendigkeit geseßliher Shußmaßnahmen anerkannt. Man nenne das Gese ein Polizeigeseßs. Gewiß set der Regierungsentwurf E Di gewesen, denn er habe die Jugendämter ausgeschaltet. Auch die Ausschußfassung sei nicht ideal, aber b sei weder ein Polizei- noch ein Strafgeseh. Denn der Ausschuß habe den Einfluß der Fugendämter eingefügt. Das I sage nihts von Hochgeiten, Geburstagsfeiern, Kimndtaufen, das seien doch keine Luftbarkeiten! (Schallende Heiterkeit, Zuruf links: Ja, was sind denn dann „nichtöffentliche Veranstaltungen?) Das werde wohl der Minister noch aufklären. (Rufe links: Aha! Sie wies es auch niht!) Von Theaterzensur sei keine Rede. Das Geseß jolle nur den FHocterdineltamen eine Handhabe geben, unt Jugendlihe von gewissen - Veranstaltungen gzurüczutveisem. Politische und weltanschauliche, vor allem auch wissenschaftliche Veranstaltungen, sollten niht getroffen werden. Aber es gebe doch eine ganze Reihe von Theateraufführungen, die nah Anschauung der gesamten Oeffentlichkeit niht für Fugendliche geeignet seien. „Wir haben einen anderen Begriff von Freiheit als Sie,“ so ruft dex Redner der Linken zu, „wir kennen nur eine sittlich gebundene Freiheit!“ Bis zur dritten Lesung solle der Minister prüfen, os man nicht eine oberste Beschwerdeinstang im Reiche für dieses Gesey schaffen solle. Ein Recht zur Verwahrlosung der Kinder gebe es nicht, auch kein Elternrecht. Darum sei es Pflicht des Gesebgebers, eingugreifen, wo die Eltern versagen. Frau Lüders habe im Ausshuß hervorragend am Zustandekommen des Gesehes mitgearbeitet. Deshalb könne man nicht annehmen, daß die Demokraten das Gesey zu Fall bringen würden. Die Deutsche Volkspartei behalte sih ihre endgültige Stellungnahme bis zur dritten Lesung vor.

Abg. Helene Weber - Berlin (Zentr.) weist darauf hin, daß auch das Zentrum an der Verbesserung der sogialen und Avbeits- bedingungen der Fugendlihen mitgeavbeitet habe. Furcht und Mißtvauen bringe die Linke nun auch diesem Gefeß entgegen. Mit grd! und Mißtrauen könne man die Republik nit stärken, Fm

amen der Freiheit des Geistes bekämpfe man das Gejeß, das doch

erade das Ungeistige deseitigen solle. Wer eine Vorzensur für das

heater fürchte, wisse gar richt, was eine Vorzensur sei. Die gute große Kunst könne sih weiter in Freiheit enüwiteln; man wehre ih nux dagegen, daß die dekadente Lebetwelt- sich auf Kosten der Jugend amüsiere. Die Republik sei in Notwehr gegenüber dem, vas A der Oeffentlichkeit breit mache. Die Fugend sei nicht in ihrer bet organisiert. Die Ovganisierten seien allerdings nicht gefähvdet, wohl aber viele der anderèn. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Beseitigen Sie doch die sozialen A Diese Mißstände bekämpfe das Zentrum auhch. Aber bis zur Beseitigung der sozialen Mißstände könne man nicht warten. Der Mensch und die Fugend müßten höher stehen als die Materie. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Rosenbaum (Komm.) führt aus, ein rehts- gerichtetes Organ, die „Kölnische Zeitung“, habe, nachdem der jebige Entwur} des Classe bereits vorgelegen habe, das Geseh als unwirksam und überflüssig E Das Blatt s{hreibe, man packe ‘anstatt schwieriger sozialer Probleme leichtere Dinge an, wie den Shuß der Fugend. Eine Aenderung der heutigen O Mißstände, so betont der Redner, bedinge eine Be- eitigung der heutigen Gesellschaft. Das wäre aber von den bürgerlihen Parteien zu viel verlangt. Kras r und treffender verde die Meinung der N Zeitung“ in der Literatur wiederholt. Nur ein freies Volk könne eine wahre Kultur haben. Der Redner erhebt Einspruch gegen das Verbot des Fung- Spartakusbundes in E ta der die fkulturelle Hebung der Jugend bezwecke. Vielfach sei in Bayern den Jugendlichen auh der Beitritt zu den Arbeitersportvereinen verboten. Der Redner beshwert sih ferner über Versagung der Fahrpreisermäßigung 1s Wanderungen proletarischer Bugia ga Een, „Uber derweigerung von Schulräumen und Turnhallen usw. Bei den D nahmen werde das Augenlicht der Kinder durh das heinwerferliht gefährdet. Darum hábe sih die Parlamentarische Kommission niht gekümmert. Mit Hilfe dieses Gesetzes könnten auch höchste Kunstleistungen unterdrückdt werden. Es arbeite bewußt mit falschen Argumenten und wolle jede neue aufstrebende Kultur verhindern und stehe unter dem Zeichen: Zurück zum Mittelalter! Das Geseß sei nux ein Glied in der A langen Kette der Unterdrückung durch Polizei, Reichswehr un Geseße, verbunden mit schärfster U Utang des Proletariats und des C E Jn dem Abwehrkampf gegen diese Kulturreaktion set die sozialdemokratische Hilfe völlig zu vermissen.