1905 / 70 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

En E E N E S E R R R I

(Sehr richtig! rechts, Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, darüber herrsckt Einigkeit in allen Armeen, welcher Staats- form sie auch angehören, und es muß gesagt werden, daß die deutshe Armee das mildeste Strafgesezbuch hat; denn dieses sieht auch für minder s{chwere Fälle mildere Strafen vor, z. B. dann, wenn der Soldat dur seinen Vorgeseßten gereizt ist. Meine Herren, ih möchte hervorheben, daß nirgends \härfere Strafbestimmungen in Militärstrafgesezen gestanden baben als in Heeren, welhe von der linken Seite dieses Hauses angestrebt werden, und wie wir sie nah der französischen Revolution und au in dem französischen Krieg unter Gambetta kennen gelernt haben.

Meine Herren, ih finde, es liegt auch ein Gebot der Gerechtig- keit vor, den Vorgeseßten gegen \hweren Ungehorsam oder gegen den Angrif Untergebener zu {üßen. (Sehr richtig! rechts.) Die Vor- geseßten sind dafür verantworili, unter allen Verhältnissen, wie ih {on gesagt habe, die Disziplin aufrecht zu erhalten und auch den Gehorsam da zu fordern, wo seine Ausführung mit Lebensgefahr ver- bunden ist.

Nun möchte ih fragen, meine Herren, ob sich denn seit 30 Jahren die Verhältnifse so vollständig geändert haben, daß man nun durchaus zu geringeren Minimalstrafen kommen müßte. Ich mödte das wirklich verneinen. Die Zahl der Vorbestraften im Heere und folher, welche wegen \{werer Körperverlezung shwere Gefängnisstrafen erlitten baben, hat sich gegen frühere Zeiten vermehrt. Auh das Eefühl für Autorität und Unterwerfung ist zweifellos ges{hwunden. (Sehr richtig ! rechts.) Wir haben jezt Elemente im Heere, die {on wegen \{werer Körper- verleßung im Gefängnis gesessen haben, und es kommt denen wahrhaftig nicht darauf an, wenn es sich nur um ein paar Monate oder vielleiht au ein paar Jahre Gefängnis handelt, ibr Mütchen an den Vorgeseßten zu fühlen, und das, meine Herren, müssen wir durchaus verhindern.

Fch meine auch, wir tun gut daran, an den {weren Strafen festzuhalten, weil wir dadur diese gewalttätigen Leute im Zaume halten und vor s{chweren Verfehlungen bewahren. Ich gebe gern zu, meine Herren, daß Fälle eintreten können, in welchen vom menshlichen und moralischen Standpunkte aus ein milderes Urteil am Play sein würde, als die formelle Strenge des Ge- sezes es zu fällen zuläßt. In solhen Fällen tritt das Be- gnadigungsrecht in Kraft. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Aber ih muß sagen, aus einigen wenigen Fällen zu konstruieren, daß nun das Strafgeseßbuh geändert werden müßte, kann ich nicht ein- sehen. Außerdem, meine Herren, zeigt doch der unglücklihe Dessauer Fall ganz eklatant, daß der Soldat durch das Berufungsverfahren jezt bei weitem mehr geshügt ift, als es früher der Fall war.

Meine Herren, es ist dann auch noch ferner gesagt worden, das Volk verstände solche schweren Strafen niht. Ja, wenn das wirkli so wäre, dann muß ih sagen, würde i das für kein glüdlihes Zeichen halten; denn es würde das doch nur bestätigen, daß das Volk den Sinn und das Gefühl für Autorität erheblih ein- gebüßt hat. (Sehr richtig! rets.) Meine Herren, zweifellos ist es fals, von vornherein mit {weren Strafen zur Erziehung des Sol- daten vorzugehen, und sicher ist es richtig, durch ruhige Belehrung, dur sachliches und liebevolles Anfassen zu versuchen, daß man ein besseres Resultat erreicht. Aber, meine Herren, es steht unzweifelhaft fest, daß für derartige Verfehlungen wie Meuterei die allershärfsten Strafen als Beispiel sofort am Plate sind. (Sehr richtig! rechts.) Das fordert unbedingt die Disziplin der Armee, und wir dienen damit nicht der Armee allein, wir dienen

damit nah meiner Ueberzeugung auch der Allgemeinheit. (Sehr gut! rechts.) Meine Herren, es sind so viele Wünsche und Vorschläge hier vorgebracht worden im Interesse der Armee, für eine Revision des Militär- Strafgesezbuches usw., daß wohl jeder ih darüber klar sein wird, daß diese nur erfüllt werden können, nahdem man das allgemeine Strafgeset revidiert haben wird und auf der neuen Grundlage an eine Revision des Strafzesezbuchs herangeht. Daß hie und da eine Be- dürftigkeit dafür vorliegt, das erkenne ich vollkommen an.

Meine Herren, zum Schluß möchte ih mir noch erlauben, einen Wunsch an die Herren Sozialdemokraten zu rihten. Meine Herren, Sie haben im Vorwärts" geradezu eine Sammelstelle errihtet für alle vorkommenden Urteile über Mißhandlungen, und da chreiben Sie denn immer hübsch drüber : „Aus unserer herrlihen Armee“. Meine Herren, wenn Sie damit kennzeihnen wollen den Geist, der in der Armee herrscht das wollen Sie ja wohl —, und wenn Sie gerecht find, dann möchte ih Ihnen vorschlagen: nehmen Sie auch eine Statistik auf über die in jedem Jahre für Rettung mit eigener Lebensgefahr in die Armee kommenden Rettungêmedaillen. (Sehr richtig! rets.) Das sind nämlich so viele, und darin zeigt ch in der Armee ein so guter Geist von Selbstlosigkeit und Hin-

gabe für den Näwsten, daß das ein ganz anderes Bild von der Armee geben würde als das, was Sie bieten durch diese Aufnahme in Ihrem Blatte. (Bravo! rechts.) Meine Herren, als vor zwei Fahren Truppen des VI. und V. Armeekorps mit Dranseßung ihres Lebens die Provinz S(hlesien von großer Wassersnot retteten, wo Bevölkerung und Behörden einmütig waren in dem Lobe der Truppen, ihrer Hingebung, des guten Verhältnisses zwishen Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren, als das durch alle Blätter ging, meine Herren, da habe Sie geschwiegen! (Hört, hört! rechts.) Und das sagt alles! (Lebhaftes Bravo! rets.)

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Königlich württembergischer Oberstleutnant von Dorrer: Der Abg. Müller- Meiningen hat einen Fall aus Ulm angeführt, wo die Oeffentlichkeit ausgeschlossen gewesen sein soll. Sein Vorbehalt der richtigen Darstellun in der Presse war durchaus angebracht. Sn dem betreffenden Prozeß war festgestellt worden, daß die Verhandlungen nur dur einen groben Vertrauensbruch in die Oeffentlichkeit gelangt sein konnten. Eine sofortige Untersuchung haite ergeben, daß der Berichterstatter der Zeitung während des Aus- \{lusses der Oeffentlichkeit an der Tür gehorcht hatte. Er hat dies selbst zugegeben. Bei der Urteilsverkündigung war die Oeffentlichkeit nicht ausgeschlossen. Dieser Berichterstatter war als einziger Zuhörer zugegen. Während der Verkündigung der Urteilsgzründe fand wieder ein Ausschluß der Oeffentlichkeit statt, und um diesen Herrn vor der Nersuhung eines erneuten Horchens zu bewahren, ließ ihn der Prä- sident dur den Gerichtsboten nicht nur aus dem Zimmer, fondern auch über den Korridor aus dem Hause geleiten. In der Presse

wurde es nun so dargestellt, als ob eine neue Praxis eingeführt und auch die Urteilsverfündigung unter Aus\{luß der ck effentlichkeit ftatt-

ministers hat mich besonders seine Anerkennung gefreut, daß die Zahl der Mißhandlungen wesentli abgenommen hat au : handlungen in diesem Hause. Wir werden beiden Resolutionen zu- stimmen; es wird sich auf diese also h Mehrheit vereinigen, da auch die Nationalliberalen der Resolution

Müller-Meiningen in drei P

jeder Tag Berichterstattungen : } bringt. (Vizepräsident Dr. Pa ace bittet wiederholt um größere Nuhe.)

aber im allgemeinen find die Berichte doch zuverlässig. Eigentümlich ist die Beweisführung des Kriegsminister bezüglih der Kabinetts- order vom 1. r 1

erfolgt, folglich könne sie nichts anderes sein als eine Wiederholun der früheren von 1899. Quod erat demonstrandum! Es müßte do erst geprüft werden, ob fie niht mehr als das war, und ob es deshal nit der Gegenzeichnung bedurft hätte. _Die Order von 1899 geht ja auch ihrerseits folofsal weit. (Redner verliest den Wortlaut der Order.) Auch nach ihrem Inhalt bleibt von der Oeffentlichkeit niht mehr viel übrig. Der Gerichtsleiter kann die Oeffentlichkeit auszuschließen beantragen,

Kriegsminister ganz

war, nachdem man sih

Abg. Dove (fr. Vgg.): An den Ausführungen des Kriegs-

infolge der Ver- eine ziemlich erhebliche

unkten E s (Unte Gegnerschaft hat nur Herr Himburg zu erkennen gegeben. Lie er pon „vereinzelten“ Fällen - h fonnte, verstehe ih niht, da do fast in der Presse über folche Fälle

Daß übertriebene Berichte in die Zeitungen kommen, ist ja zuzugeben;

Dezember 1903. sagt, fie sei ohne Gegenzeihnung

au die Gerichte selbst ohne Antrag sind zur Ausschließung berechtigt. Die Entlassung der drei Militärrihter von Mey behandelt der nah demselben merkwürdigen Nezept des Q. e. d. Bei allen Richtern, die künftig in die Lage kommen, über solhe Fälle zu urteilen, fann die Meinung auftauchen, daß das Nerbalten der Richter bezüglich der Oeffentlichkeit in dem Verfahren auf ihr Schiksal mit eingewirkt hat. Es wird eventuell das Geseß zu ändern sein; die Linke hat 1898 genommen, was zu bekommen seit 1879 unausgeseßt bemüht hatte, von dem veralteten Verfahren loszukommen. Man hat gehofft, dem ersten Schritte würden weitere folgen. Durch die Oeffentlichkeit haben wir mindestens erreicht, daß die Ueberzeugung, es fönne fo nicht weiter gehen, in immer weitere Kreise gedrungen ist, und darum baben wir die Resolution eingebraht, die au eine Statistik ver- langt, weil wir eben niht mehr lediglih auf Preßberichte angewiesen sein wollen. Auch der Minister hat zugestanden, daß das Miilitär- strafgeseßbuch reformbedürftig ist. Seine Ansicht, daß zunächst das Zivilstrafrecht revidiert sein muß, können wir nicht. teilen; das würde wirklih gar zu lange dauern. Deshalb bitten wir das Haus, unsere Resolution mit möglichst großer Mehrheit anzunehmen. Eine Disziplin, die lediglih durch strenge Strafen aufrecht erhalten werden kann, ist nach unserer Meinung niht das Ideal. Es soll die Geseßz- ebung gerecht und ihre Handhabung ebenfalls gerecht sein. Die- félben Einwendungen hat man früßer gemacht, als das Spießruten- laufen abgeschaft werden sollte; au damals jammerte man über die Lockerung der Disziplin, und es bedurfte erf der Lehren von Jena, um diesen ersten Schritt vorwärts zu tun. Der Hinweis des Kollegen Müller-Metiningen auf Japan war durchaus gere leid Ich hoffe, daß die Hoffnung des Ministers auf weitere Verm nderung der Miß- handlungen sich erfüllen wird, aber vielleicht erlebt er selbst eine Enttäushung. Wir wollen auch das Mittel nicht anraten, Besserung auf dem Wege der Reform des Militärstrafkodex zu suchen. Der An- trag Gröber will eine größere Elastizität des Geseßes, um dem Richter die Möglichkeit zu geben, die Fälle mehr individuell zu behandeln. Nicht allein der Untergebene vergreift sich an der Inftitution, sondern auch der mißhandelnde Vorgeseßte, denn er vergreift ih an der Chre des Soldaten. Der Vorgeseßte ist doch auch kein Gott. Betrinkt sich denn der Vorgeseßzte niht? Ich erinnere nur an den Dessauer Fall. Danach erscheint es doch eben dringend notwendig, größeren Spiel- raum für die Bemessung der Strafen zu gewähren. Mit den \{limmsten Dingen können wir nicht #0 lange warten, bis die weit- ausfehende Neform des Zivilstrafgeseßbuhes Tatsache ist, deshalb will unsere Nummer 2 ein besonderes eses. Ich bitte Sie um die Annahme der Resolution; Sie werden damit auch im Interesse der Disziplin des Heeres selbst einen Fortschritt mahen.

Abg. Dr. Müller - Meiningen: Der Kriegsminister hat den zweiten Teil der Order von 1903 nit verlesen. Da steht zu lesen : „Fch spreche den Mitgliedern des Kriegsgerihts Mein ernstes Mißfallen aus, daß sie Meiner Willensmeinung direkt O und es nicht verstanden haben, die Interessen ihres Standes besser zu wahren. Ich beauftrage Sie, dies den Herren unter entsprehender Erläuterung zu eröffnen, Den Mitgliedern von Kriegsgerichten ist diese Order zur Kenntnis und für die Folge alljährlich einmal in Erinnerung zu bringen.“ Ich kann wirklich nicht verstehen, wie man behaupten kann, daß die Unabhängigkeit eines Mannes, dem fo die Leviten gelesen werden, ge- wahrt sein joll. Wem der Wille des obersten Kriegsherrn in so scharfer Weise ausgedrückt wird, der hat feine Willensfreiheit mehr. Es ift doch fein Zufall, daß die drei Richter o Knall und Fall aus ihrem Amte ausgeschieden sind. _In einem Artikel der „Vossischen Zeitung“ vom 28. April wird ofen ausgesprochen, daß die öffentliche Meinung dahin geht, daß die drei ledigli auf Grund dieser Order ibren Abschied genommen haben. Heute müssen wir nun hören, daß zwischen der Order und der Verabschiedung durchaus kein Zusammen- hang bestehen foll. Danach werden wir niht erfahren können, was nun der eigentlihe Grund ihres Abganges war. Auch der Soldatenschinder verstößt nicht nur gegen das Rechtsgut eines einzelnen, sondern gegen eines der größten Rechtsgüter der Armee, egen die Disziplin, denn der oberste Kriegsherr verlangt nun seit Akven, daß den Mißhandlungen entgegengetreten werde. Wer sonst sein Mattoerhältnis mißbraucht Abbângigen, Unmündigen gegenüber, wird \treng bestraft. Dieser friminalpolitishe und ethishe Grund muß dazu führen, den systematischen Soldatenschinder ganz besonders streng zu bestrafen; der gehört ins Zuchthaus. Bei allen unseren Anträgen wollen wir auch den Fnteressen der Armee dienen.

Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler: Meine Herren! Ich zweifle keinen Augenblick, daß ber Herr Abg. Dr: Müller (Meiningen) tatsächlich das Beste der Armee will, und daß seine Anträge daraufhin abzielen. Wenn ih sie kritisiere, so tue ih das ja nur, weil ich anderer Meinung bin, und er wieder fkritisiert mich aus demselben Grunde. Meine Herren, ih bin ganz der Ansicht des Herrn Abz. Dr. Müller (Meiningen), daß ein Soldaten- s{hinder, wie er sih ausgedrücktt hat, also ein Mann, der brutale Mißhandlungen , die ja durhaus verähtlich sind und einem die Schamröôte ins Gesihht treiben, begeht, gar niht scharf genug bestraft werden kann. Ih habe vergessen bei meinen Aus- führungen vorhin, daß man den Strafen, die der Mann dur das Kriegsgericht bekommt, nun doch immer noch hinzurechnen kann und hinzurechnen muß, daß der Bestrafte in den meisten Fällen, wenn er Gefängnis bekommen hat oder degradiert worden ist, auf die Straße geseut ist. Das muß doch tatsählich berücksihtigt werden. Denken Sie sh in die Lage eines Unteroffiziers hinein, der Weib und Kind hat, der gedient hat auf den Zivilversorgungs\hein hin, der sein ganzes Leben darnach gestaltet hat, und nun wegen einer Mißhandlung eine an sich gerechte Strafe von so und so viel Monaten Gefängnis, Degradation, was weiß ih, erhalten hat und dann entlassen-wird, der hat fein Leben eigentli umsonst gelebt. Seine Strafen stehen in seinen Papieren, und wer nimmt ihn an? Also die Strafen, wenn man sie so liest, mögen in der Tat gering erscheinen, in der Tat ist der Mann in den meisten Fällen sehr {wer getroffen. (Sebr richtig! rechts.) Der Herr Abg. Dr. Müller (Meiningen) hat nun noch gemeint, indem er den Rest der Order vorgelesen hat den ih ohne weiteres übrigens auch vorgelesen hätte, es ist nit etwa Absicht gewesen, daß ih den ausgelafsen hätte —, er hat gemeint, nun bleibt

oder gehe weg. Nein, das meint die Order niht, sondern sie weist nur darauf hin und sagt: befolgt meine Verordnung, die dieselbe Kraft hat wie das Gesezg. Denn Sie haben selbst zugestimmt, daß der Kaiser das Recht habe, derartige Verordnungen zu erlassen. Dies ist gesehen, und die Verordnung hat dur die Gegenzeichnung des Reichs-

kfanzlers geseßliche Kraft erhalten. Nah ihr haben die Richter sich zu rihten,

die Order vom 1. Dezember 1903 hat also nihts weiter gewollt, als

einen Hinweis geben auf die Verordnung vom Dezember 1899. Bestraft sind die Offiziere und die Richter auch nicht; denn, wie gesagt, Mißfallen ift keine Strafe. (Unruhe links.) Es ist ja immer fehr hart das erkenne ih vollkommen an —, wenn der Allerhêchste Kriegsherr jemandem Sein Mißfallen autspricht ; das ist keine Kleinig- keit, das gebe ih gern zu. Nun, mit den drei Offizieren, die also ver- abshiedet sein sollen, verhält es sich so, daß der Oberstleutnant kein Regiment bekommen hat; er ift verabschiedet worden, und zwar mit der Uniform seines alten Regiments und unter Verleihung eines Ordens. Zweitens ist dem Major, der mit im Gericht funktioniert hat, die geseßlihe Pension bewilligt worden; er ist verabschiedet mit Ausficht ‘auf - Anstellung im Zivildienst und der Erlaubnis zum Tragen der Uniform des Grenadierregiments Nr. 12. Das fieht doch niht aus, als ob die Herren bestraft werden sollten! Und \{ließlich: der Dritte ist gar niht verabschiedet, sondern er hatte bereits vorher seinen Wunsch zu erkennen gegeben, in das Bekleidungsfah verseßt zu werden. (Unruhe links.) Ja, meine Herren, vor der Sache! und er ist auf seinen Wunsch verseßt worden zum Bekleidungsamt des VII. Armeekorps. Ob Ihnen daran nun etwas auffällig ist oder nicht, das kann ih ja nicht hindern; fo find die Tatsachen.

Der Herr Abg. Dr. Müller (Meiningen) wenn ih darauf noch fkurz zurückfommen darf hatte noch den Foll eines Offiziers erwähnt, der im sächsishen Kontingent vorgekommen fein sollte. Das ist nicht dort gewesen, sondern der Fall ist in Magde- burg passiert und hat mir Veranlaffung zu Nachforshungen gegeben. Fh habe auch mit dem Vater dieses Leutnants korrespondiert. Es verhält si ganz anders, als es in der Presse dargestellt war, auch nah dem Ausspruch des Leutnants, der versichert hat, daß er niht wifse, wie eine derartige Darstellung in die Presse hätte kommen können. Der Leutnant hat \ich eines Vergehens fculdig gemaht, das Kriegêgericht aber hat ihn freigesprohen. Der Gerichtsherr hat Berufung ein- gelegt, und wie der Leutnant sch nun, von seinem Kriegsgericht zurückfommend, bei seinem Obersten meldet und ihm sagt: „Ih bin freigesprochen !“ erwidert der Oberst: „Na hören Sie ‘mal, wenn ih da an der Spize des Kriegsgerichts gestanden hätte, dann wären Sie wverurteilt; denn nah meiner Meinung haben Sie zweifellos ein Vergehen begangen !“ Es wird mir wohl erlassen, zu sagen, welcher Art das Vergeben gewesen ist. Nun kommt das Oberkriegsgeriht. Merkwürdigerweise ist der Kommandeur Vorsigender und nebenbei noch ein Richter, der Adjutant des Gerichtsherrn ist. Dieser Adjutant erklärt fih fofort für befangen, und das zweite Kriegsgeriht wird alfo aufgehoben. Es wird ein drittes angesetzt, und bei diesem Verfahren ist dieser Oberst wieder an der Spige des Gerichts als Vorsigender und erflärt fch nun \einerseits für befangen. Da wird sein Vertreter geholt, das Kriegsgericht findet statt, und der Offizier wird nun zu ein paar Tagen Arrest verurteilt.

Meine Herren, der Kommandeur war auf diesen Offizier auf- merksam geworden und hatte dem fommandierenden General gemeldet: das ist ein ganz außergewöhnlih tüchtiger Mann; aber er hat eine ganz hübsche Portion Leichtfinn, und in dieser s{önen großen Stadt Magdeburg lebte er er hatte auch wohl etwas Zulage .— ein bißchen zu bon; es würde für ibn, für seine Haltung im Dienste sehr gut sein, wenn man ihn in eine kleine Garnison versetzte, wo er fi mehr dem Dienste widmen könnte. Dieser Bericht des kommandieren- den Generals ist die Schuld gewesen an der Versetzung. Nun kommt der Leutnant, wie er seine Verseßung erfahren hat, zum fommandierenden General und meldet \fich verseßt. Der komman- dierende General teilt ihm den Grund seiner Verseßung mit. Wie er zu seinem Kommandeur kommt, fragt der ihn: wifsen Sie, warum Sie verseßt sind? Da sagt er: jawohl! Das hat sich nit etwa auf das Kriegsgericht bezogen, sondern auf das, was ihm sein komman- dierender General als Grund der Verseßung angegeben hat.

Fch habe selbst Briefe von dem Vater gehabt; die Sache ist nach meiner Meinung, ohne daß irgend welcher Ginwurf gemacht werden könnte, verlaufen. Das wollte ich nur noch auf die Anfrage des Herrn Abg. Müller (Meiningen) erklären.

Ih möchte ferner noch ganz kurz auf den unglückseligen Fall hinweisen, der in Mainz passierte mit dem Leutnant Dieß. Ich weiß nicht, ob noch ein Verfahren über die Ursahe s{webt; aber aus all den Berichten, die wir bekommen haben, denen auch die Aussagen der Braut mit beigefügt sind und ih möchte das nit alles an die Oeffentlichkeit bringen, was fie über den Bräutigam und über feinen ganzen Gemütszustand gesagt hat —, geht hervor, daß sie am SHlusse ihrer Aussazen auf das allerbestimmteste angegeben hat, den Grund, den er selbst angeführt hätte, daß Schikanen ihn in den Tod getrieben hätten, könne fie nie und nimmer glauben; es wären zweifellos ganz andere Verhältnisse gewesen, die dies zuwege gebrat hätten. Es ist ferner nachgewiesen und auch durh Offiziere, die zugegen waren, bestätigt, daß die Kritik, über die er sich so bitter be {wert hatte, eine sehr ruhige gewesen ist, die nur sahlich gehalten war, und bei der kein bôses Wort in irgend einer Richtung vom Kommandeur abgegeben war. Ich glaube also, daß irgend welde dienstlihe Einwirkunçen oder Schikanen in diesem Falle nicht vor

gelegen haben.

Abg. Gr öbe r (Zentr.): Der Abg. von Kardorff hat sich allerdings? au in dankenswerter Weise für die Zulassung mildernder Umstände im Militärstrafprozeß ausgesprochen. Aber nit ihm verdanke ih dit Anregung zu meinem Antrag, sondern dem Studium der Verhantlungen des Reichstags von 1872, wo dieselbe Anregung ge eben worden wal. Der Kriegsminister hat ja selbst zugegeben, daß es Fälle gebe, wo eint Milde am Platze sei, nur meinte er, in solchen Fâllen gs die Begnadigung. Da würde es nun sehr erwünscht sein, zu erfahren, in wie vielen Chile _von dem Begnadigungsrecht Gebrauch gema! worden ist. Wir erfahren darüber im allgemeinen so gut wie g! nihts, wohl aber erfahren wir manhes über Begnadigunge? in Duellfällen. In Fällen, wo es sich um Streitigkeiten au! dem Tanzboden usw., niht um dienstlihe Funktionen des Bor geseßten handelt, sollte man do wirklih nicht so strenge Urteile fällen.

(Sÿ]luß in der Zweiten Beilage.)

gefunden hatte, was nicht wahr war; es is objektiv auch unrichtig, daß die anwesenden Vertreter aus dem Hause gewiesen waren.

dem Offizier nihts weiter übrig als zu sagen: ich unterwerfe mih

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staaksanzeiger.

Me 70.

Berlin, Mittwoch, den 22. März

1905.

(S(luß aus der Ersten Beilage.)

Die Kabinettsorder von 1903 war mir durchaus nicht “un- bekannt, wie Herr Müller - Meiningen glaubt; ich habe nur bes stritten, daß es fich bei dieser Order um einen Eingriff in einen einzelnen Fall handelte. Die Kabinett8order war nur eine allge- meine Direktive aus Anlaß eines Falles. Aber gerade weil es um eine allgemeine Direktive oder Verfügung si handelte, mußte ih bedauern, daß die Gegenzeihnung tes Reichskanzlers fehlte. Der Rechts\huy des Untergebenen ist nicht nur ein Nechtsgut einer individuellen Person, sondern des gesamten Volkes. Es handelt sh hier um den Que des S{wachen, des abhängigen, in seiner Ver- teidigung eingeshr nkten Mannes. err Gradnauer warf uns vor, daß wir die Anträge der Sozialdemokraten nicht angenommen hätten. Ja, bâtten wir das Gese niht angenommen, dann hätten wir die Fortschritte nit machen können, die wir erzielt haben. Unser Antrag {ließt auch eine spezielle Revision des Militärstrafgesezes vor der allgemeinen Revision nicht aus.

Hierauf wird die Resolution Dr. Müller-Meiningen in ihren vier Nummern angenommen. Gegen die Nummer 2 stimmen mit der Rehten au die Nationalliberalen.

Die Resolution Gröber wird ebenfalls mit großer Mehrheit angenommen.

Die Diskussion wendet sich nunmehr zu dem Titel: „Gehalt des Kriegsministers“ ; mit der Diskussion dieses Titels wird die im Wortlaut ebenfalls shon mitgeteilte Resolution Erzberger verbunden. :

Abg. Wallbrecht (nl.) fragt, ob die Militärverwaltung etwa beabsichtige, die Reitshule aus Hannover fortzunehmen.

Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genanni von Rothmaler:

Ih frage den Herrn Abg. Wallbreht, ob er sich denn Hannover wirkli ohne Reitshule denken könnte? Wir werden nicht so grausam sein, die Reitshule aus Hannover wegzunehmen.

Abg. Graf zu Reventlow (wirts{ch. Vgg.): Ih möchte an den Kriegsminister die Anfrage rihten, wie es mögli sein konnte, daß der Oberst a. D. Hüger jeßt annähernd drei Jahre bindurch die allershwersten Beschuldigungen gegen sehr hochstehende Offiziere in die Welt segen konnte, ohne daß man, wie es sein eigener Wursch war, strafrechtlich gegen ihn vorging. Nur sein Amt als Badekommissar bat man ihm genommen. Auf welche Gründe ift diese Verzögerung der Anklage zurückzuführen? Der Reichstag bätte ebenfalls ein weitgehendes Interefse daran gehabt, da der Oberst a. D. Hüger auch gegen den Abg. Lenzmann den Vorwurf erboben hat, daß er aus persönlihen Rücksichten die Petition des Obersten hier nicht vertreten hätte.

Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler:

Ih habe dem Herrn Abgeordneten zu antworten, daß ih die Gründe, warum nit früher Anklage gegen den Obersten a. D. Hüger erhoben ist, nicht kenne. Ich glaube auch nit, daß in meinen Akten darüber etwas steht. Jch erinnere mich nur, daß vor zwei Jahren

„diese Frage hier {on einmal gestreift ift; damals ist hier vom Regierungstisch eine Antwort nicht gegeben worden, wobei man sich beruhigt hat. Aber die Intentionen meines Herrn Amtsvorgängers darüber sind mir nit bekannt.

Mir ist diese neueste Broshüre von dem Herrn Obersten Hüger selbst zugeshickt worden. Er hat mir kein Wort weiter dazu ge- schrieben, nur meine Adresse darauf; er hat mir auch nicht den Wunsch autgedrüdt; daß gegen ihn eine Klage erhoben würde. Ich habe mir die Broschüre durchgesehen, habe dann konferiert mit meinen Justitiaren und habe dann selber Schritte getan und den Wunsch gehabt, gegen Obers? Hüger Anklage zu erheben, was auch geschehen ist. Weiter sind auch von den Offizieren, die der Militärverwaltung niht mehr unterstehen, den Offizieren zur Disposition und den inaktiven Offizieren, die in der Broschüre gleichfalls beleidigt sind, Strafanträge gestellt worden. Weiter habe ih nichts hinzuzufügen.

_ Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Königlich württembergisher Oberstleutnant von Dorrer: Ih kann zur Beantwortung der Frage des Abg. Grafen zu Reventlow etwas bei- tragen, da der erste Teil des Falles Hüger ih innerhalb des württem- bergishen Kontingents abspielte. Die Angelegenheit hat in Württemberg die gesamten Instanzen des gerichtlihen und ehren- gerihtlihen Verfahrens wiederholt durchlaufen. Eine Be- \chwerde des Obersten a. D. Hüger, die er über die Entscheidung an den König von Württemberg gerichtet hat, wurde dem Krieg8ministerium ur Prüfung übergeben. Die Angelegenheit ist also nach allen

ihtungen von den verschiedensten Persönlichkeiten auf das ein- gehendste geprüft worden. Wenn nun troßdem in der Broschüre wieder Beschuldigungen von Rechtsbeugung, Nechtsverweigerung usw. erhoben wurden, so ist nur deêwegen nihts geschehen, weil man, nachdem die Sache {hon sämtlihe Instanzen durchlaufen hatte, den Urheber nicht mehr ernst nahm; nachdem er aber mit persönlihen Be- [eidigungen gegen die einzelnen Richter vorgegangen ist, ist ebenso von der württembergishen Militärverwaltung Strafantrag gegen ihn gestellt worden.

Hierauf wird gegen 6 Uhr die Weiterberatung auf Mittwoch, 1 Uhr, vertagt. (Außerdem Etat für die Expedition nach Ostasien.)

Preußischer Landtag. i Haus der Abgeordneten. 166. Sißung vom 21. März 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den ersten Teil der Verhandlungen if in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Nach der Annahme des Entwurfs einer Wegeordnung für die Provinz Westpreußen in zweiter Lesung gelangt der Gesezentwurf, betreffend Freihaltung des Ueber- schwemmungsgebiets der Wasserläufe, zue zweiten Beratung. (Die Vorlage war am 7. Dezember 1 an die Kommission zu erneuter Vorberatung zurückverwiesen worden.)

_Die §8 1, 1a und 13 sowie die Einleitung sollen ge- meinsam erörtert werden.

Die Kommission hat die Vorlage „Gesey zur Verhütung von Hochwassergefahren“ genannt. :

Nach § 1 dürfen in dem nicht hohwasserfrei eingedeihten Uebershwemmungsgebiete der bei Hochwasser gefahrbringenden

Wasserläufe Erhöhungen der Erdoberfläche und bauliche An- lagen ohne Genehmigung nicht neu ausgeführt oder erweitert werden. Zuständig soll bei schiffbaren und bei besonders hoch- wassergefährlichen Wasserläufen der Bezirksaus\schuß, im übrigen der Kreisausschuß sein.

Der von der Kommission eingeführte S 1a bestimmt:

Der Oberpräsident hat ein Verzeichnis derjenigen Wasserläufe aufzu- stellen, auf welche § 1 Anweadung finden foll. In dem Verzeichnis ift für jeden Wasserlauf zu bestimmen, für welche Teile des Ueberschwemmungê- gebiets § 1 Anwendung finden soll. Das Verzeichnis wird für jeden Wasserlauf, erforderlichenfalls mit Lageplan, öffentlich ausgelegt. In einer Frist von ses Wochen können Einwendungen gegen den Plan erhoben werden. Nach Erörterung der Einwendungen mit den Be- teiligten beschließt der Provinzialrat, gegen dessen Besckluß innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Landwirtschaftsminister zulässig ist; die Beschwerde steht auch dem Oberpräsidenten zu. Nah Er- ledigung der Einwendungen erfolgt die endgültige Feststellung des Ver- zeihnisses dur den Oberpräsidenten. In den Sa olerns@en Landen tritt an die Stelle des Okerpräsidenten der Regierungtpräsident, an die Stelle des Provinzialrats der Bezirksaus\{chuß.

Nach § 13, den die Kommission erst bei ihrer abermaligen

Beratung eingefügt hat, soll das Gesey keine Anwendung finden 1) auf die Herzogtümer Bremen und Verden, soweit die Deichordnung vom 29. Juli 1743 Anwendung findet, 2) auf das Land Hadeln, 3) auf das Fürstentum Ostfriesland, 4) auf den zum Herzogtum Arenberg-Meppen gehörenden Bezirk der Stadt Papenburg, 5) auf die shleswig-holsteinischen G insoweit das Patent vom 29. Januar 1800 nei as allgemeine Deichreglement vom 6. April 1803 plaß- greifen. _ Die Abgg. Vogt (Zentr.) und Genossen beantragen, in § 1 eine Bestimmung einzuschalten, nah der bei der Mee sagung oder Einschränkung der Bauerlaubnis für die Wieder- herstelung von Gebäuden, die bei Erlaß dieses Gesetzes bereits bestanden haben, von der Staatskasse eine Entschädigung nah Maßgabe des Enteignungsgeseßes zu leisten ist.

Di? Abgg. Albers (Zentr.) und Genossen beantragen

gur Einleitung die Abänderung, daß das Gesetz nur für die andesteile gelten soll, auf welche sih die jüngst angenommenen Geseße über die Verbesserung der Hochflut und die Verhütung von Mane erstrecken. ieselben Abgeordneten beantragen ferner, im § 1a den lezten Saß „Jn den Hohenzollernschen Landen usw.“ zu streichen.

Abg. von Bo el berg empfiehlt als Berichterstatter die An- nahme der Kommissionsbes{lüfsse.

Abg. Dr. Dahlem (Zentr.) begründet den Antrag Albers, der die Bestimmungen des Gefeßes auf die dur die Hohwassershußgesetze be- stimmten Gebiete beschränken will, und bittet um Annahme des An- trages. Die Hochwassershußgeseze seten auf die speziellen Verbält- nisse des Ostens zugespißzt, und deren \chematische und mechanische Anwendung nah Meler rweiterung auf die Freihaltung der Wasser- lâufe au im Westen bedeute eine {were Schädigung für den Westen. Die ganzen Unterlagen für diese Anwendung des Geseßes auf den Westen feien ‘nicht vorhanden. Kein N wäre dafür nachzuweisen; die Rheinüberschwemmungen ätten wohl Zerstörungen verursacht, niemals sei aber eîine Üebershwemmung des Rheins durch baulihe Anlagen ent- standen. Im Westen müsse man ih mit Hand und Fuß gegen dieses Gese wehren. In der Hand rigoroser Beamten fei es ein höchst gefährlihes Instrument. Für Schlesien möge eine Beschränkung der baulihen Anlagen an den Flußläufen notwendig und auch mögli

sein, am Rhein aber drängen industrielle Anlagen, au} Baum- pflanzungen, dicht an das Flußbett heran. Durch das Geseh würde die Regierung die Möglichkeit erhalten, die Vergrößerung eines Maschinen- hauses zu verbieten. Der Redner erklärt, für das Gese mit dieser Ein- [Jens nah dem Antrag Albers stimmen zu wollen, ohne diese Einschränkung müsse er es ablehnen, wenn nicht wenigstens seine Gültigkeit nah einem Antrage Herold zu § 14 nur bis 1915 aus- gesprochen würde.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Podbielski:

Meine Herren! Zunätst darf i wohl Bezug nehmen auf meine eingehenden Ausführungen in der ersten Beratung dieses Ge- sezes am 7. Dezember vorigen Jahres; ich muß aber nah den Ver- handlungen in der Kommission und namentlich nach den Ausführungen des Herrn Vorredners noch einige Bemerkungen zur Klärung ter Situation machen.

Zunächst sagt der Herr Vorredner, die Regierung komme mit einem Gelegenheitsgeseß; sie wolle wegen örtliher Erscheinungen in Slesien allgemeine Bestimmungen für die ganze Monarchie erlassen, die vielleiht für den Osten zuträfen, nicht aber für den Westen. In der Bibliothek des hohen Hauses wird der Herr Vorredner den bereits im Jahre 1894 veröffentlihten Entwurf eines preußischen Wasser- gesezes vom Jahre 1893 finden. Dieser Entwurf ist weiten Kreisen zugegangen, so auch allen Interessenten der Industrie im Westen ; er ist eingehend fritisiert worden, und wir sind in eine Neubearbeitung eingetreten. Auf Seite 37 wird der Herr Ab- geordnete den Abschnitt 5 finten, überschrieben: „Maßregeln zur Freihaltung des Hohwassergebiets“, dort wieder feststellen, daß son damals ähnlihe Bestimmungen, wie die in dem vorliegenden Entwurf enthaltenen für notwendig erahtet worden sind. Die eingehende Be- gründung dazu auf Seite 199 deckt sich genau mit den heutigen An- \{auungen. Das hohe Haus wird daraus entnehmen, daß ih nicht etwa jeßt plôblih etwas Neues schaffen will.

Meine Herren, Sie alle wissen, wie {wer die Regelung der Wasserfrage is. Nach den Katastrophen des Jahres 1903 trat un- weigerlih die Frage an mich heran: soll man diesen Abschnitt ver- tagen, bis das gesamte Wasserreht geordnet ist, oder müssen wir ihn in einem Sondergeseß festlegen? Diese Erwägungen haben zu dem vorliegenden Gese geführt.

Meine Herren, mir liegt ein interessantes Aktenstück vor. Wenn etwas Besonderes passiert, werden in den Ministerien alle Zeitungs- abshnitte gesammelt; dies hier ist die Blumenlese des Jahres 1903. Wenn ih alle Vorwürfe über die Versäumnisse der Regierung, weil sie die Freihaltung der Wasserläufe niht durchgeführt habe, verlesen wollte, würde ih beinahe einen halben Tag dazu gebrauchen.

Fch stelle das Aktenstück gern zur Verfügung; es ist mancherlei ganz Interessantes darin. Der Swerpunkt der Ausführung liegt

aber immer in dem Vorwurf: du, Regierung, hast niht dafür gesorgt,

daß die Bäche frei gehalten sind, und daraus sind die Katastrophen entstanden. Ich möchte den Herrn Vorredner fragen, der eben so eifrig für Fabriken und industrielle Anlagen in den Tälern plädierte: Wenn nun ein folches industrielles Etablissement im Uebershwemmungs- gebiet gebaut wird und ein Unglück passiert, z. B. eine Brücke mit ein paar Hundert Merschen in die Tiefe geht, würden Sie die Ver- antwortung dafür übernehmen? Nein! ist Ihre Antwort; meine auch. Infolgedefsen mag der Industrielle lieber wo anders bauen als da, wo eine Gefahr für die Allgemeinheit eintritt. Das ift eine notwendige Kon- sequenz, der Sie sich auch nicht verschließen, können; Sie müssen in die erste Linie die Sorge für die Allgemeinheit stellen.

Was nun die wiederholt vorgebrahte Behauptung angeht, der Geseßentwurf enthalte viel zu weitgehende Eingriffe in die Privats rehte, die nicht gerechtfertigt seien, so ist diese Behauptung bereits bei der Beratung des Entwurfs in der Kommission unter Hinweis auf die bestehenden Geseze widerlegt worden. Da aber dieselbe Behauptung immer von neuem hervortritt, muß ich nochmals darauf aufmerksam machen, daß neben dem geltenden Deichgesep vom Jahre 1848 insbesondere die Vor- schriften im § 66 Tit. 8 Teil T und § 10 Tit. 17 Teil T1 des Allgemeinen Landrechts die Möglichkeit bieten, Hohwassergefahren dur polizeilihes Einschreiten vorzubeugen. Zu dem Zweck sind au bereits mehrfach Polizeiverordnungen erlassen und auch vom Ober- verwaltungsgeriht anerkannt worden. Ich habe aber bisher geglaubt und glaube es auch heute noch, daß die Mehrheit dieses Hauses es mit mir für besser hält, wenn die angeführten allgemeinen Vor- schriften für die hier fraglihe Materie durch bestimmte geseßliche Vorschriften deklariert werden und wenn hierbei den Selbst- verwaltungskörpern die Entscheidung soweit wie möglich über- tragen wird.

I habe geglaubt, im Interesse der Bevölkerung zu handeln, wenn ih vorshug, die bureaukratishe Behandlungêweise der Sachen mehr zurückzustellen und dafür die Zuständigkeit des Kreisaus\husses, Bezirks. aus\chus}ses, Provinzialrats zu vergrößern.

Ich komme nun zu den beiden vorliegenden Anträgen. Zum An- trag auf Nr. 794 habe ih zu erklären, daß ih die Erkläcung meines Herrn Kommissars auf Seite 27 des Kommissionsberichts, Nr. 566 der Drucksachen, in vollem Umfang aufrechterhalte. Au ich erkenne an, daß die Wiederaufführung bereits be- standener Anlagen in ihrem bisherigen Umfang und auf den alten Fundamenten nicht als eine Neuausführung anzusehen ist. Man darf natürlich ein Haus, das in der Längs8achse steht, also in der Stromrichtung, welches jeßt ungefährlih ist, niht plößlih in den Strom hbineinbauen. Wenn ferner jemand einen kaufälligen Zaun an der bisherigen Stelle wieder aufrihten will, so ift ihm dies un- benommen. (Hört, hört!) Diese Erklärung gebe ih ab, um Be- denken zu zerstreuen, falls sol&e noch bestanden haben sollten. Wenn hiernah eine Genehmigung nit erforderli ist, sofern es fich um die Wiederherstellung einer Anlage im alten Zustande handelt, so können auch Bestimmungen wegen Zahlung etwaiger Entshädigungen nicht in Frage kommen. Ich bitte daher, von der Annahme des Antrags Nr. 794 abzusehen.

Was nun den Antrag Nr. 795 angeht, so darf ih auf die eingehende Erörterung der Wünsche, das Geseß nur für den Osten der Monarchie einzuführen in den früheren Stadien der Beratung dieses Entwurfs Bezug nehmen. Das Hohwasser des Rheins ver- langt ebenso ein freies Strombett wie das der Elbe und Oder. Ih hoffe daher, meine Herren, daß der Herr Vorredner und die Herren, in deren Namen er hier gesprochen hat, sich do überlegen werden, ob sie die Verantwortung werden übernehmen können, daß man dieses Geseg nur für ein beshränktes Gebiet gelten lafsen will. Auch die Herren vom Rhein können nicht sagen: Wir kennen keine gefährlihen Ueberschwemmungen, wir haben bis jeßt wundershön gelebt. Auch in der Rheinprovinz gilt das Deichgeseß von 1848, und für den Regierungsbezirk Wiesbaden ist das Bedürfnis nah Frei- haltung der Ueberschwemmungsgebiete durch Erlaß von Polizei- verordnungen anerkannt worden. Die Freihaltung der Flußläufe ift meiner Ansicht nach eine Aufgabe, der sich die Kulturnationen und vor allen Dingen unser deutsches Vaterland nicht entziehen kann. Der vorliegende Geseßentwurf ist nit, wie der Herr Vorredner sagt, gemaht, um der Regierung die Geschäftsführung zu erleichtern, sondern im Interesse der gesamten Bevölkerung, namentlich desjenigen Teils, der an den Flußläufen wohnt. Ich hoffe bestimmt, daß der Entwurf die Zustimmung des hohen Hauses finden wird. (Bravo!)

__ Abg. Dr. Iderhoff (frkons.): Der Minister warf uns bei der früheren Beratung vor, daß wir aus Ostfriesland immer Sonder- bestrebungen hätten. Aber in Ostfriesland liegen eben besondere Ver- hältnisse vor, und die Kommission und der Minister haben sich bei der erneuten Beratung nit der Ueberzeugung verschlossen, daß auch in diesem Gese eine Ausnahme für Oftfriesland gemacht werden muß. Abgesehen hiervon, haben sih meine Freunde überzeugt, daß doch in allen sonstigen Teilen der Monarchie Verhältnisse entstehen können, die ein solhes Gese notwendig machen.

Abg. Glaßgel (nl.) erklärt für seine Fraktion, der Vor- lage zustimmen zu wollen, wenn sie auch eine Neihe von Be- \{ränkungen auferlege. Die Interessenten sollten ja befragt werden bei der Feststellung der Verzeichnisse der freizuhaltenden Gelände, und dadurch werde sich auch eine Unterscheidung der speziellen Bedürfnisse des Westens ermöglichen lassen. Der An- A Vogt sei durch die Erklärungen des Ministers entbehrlich ge- worden.

Abg. Vogt (Zentr.) erkennt an, daß das Geseß niht nur im Westen außerordentlih tief in die Privatverhältnisse einshneiden könne. Nach den entgegenkommenden Erklärungen des Ministers könnte er ja den von thm gestellten Antrag zurückziehen, aber die Judikatur über den Begriff der Neubauten fei immer außerordentli ftrittig gewesen. Sei z¿. B. die Wiederherstellung eines nieder- gerissenen Gebäudes auf denselben Fundamenten als Neubau anzusehen oder nicht? Es müßte der Wiederaufbau wenigstens innerhalb der bisherigen Grenzen und ohne Veränderung der Lage zum [lußlauf gestattet sein. Deshalb halte er seinen Antrag aufrecht und bitte um

dessen Annahme. -

Abg. Pallaske (konf.): Wir werden für die Febr g stimmen mit einer einzigen Ausnahme. Wir stellen auch keine Ab-

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