1885 / 90 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Apr 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Darauf wurde die zweite Berathung des Gesetzes, be- treffend die Abänderung des Zolltarifgeseßzes vom 15. Juli 1879, mit der Position 25 fortgeseßt, nah welher Branntwein aller Art, au Arak, Rum, Franzbrannt- wein 2c. in Fässern und Flaschen statt 48 #4 80 # Zoll be- zahlen soll.

Der Abg. Lucius beantragte, den Zoll auf 60 M fest- zusehen. ; :

p Abg. Dr. Witte (Rostock) sprach fih gegen die Zoll- erhöhung aus. : :

Der Bundeskommissar, Geheime Ober - Finanz - Rath Pochammer erklärte, daß es sih bei der Einfuhr wesentlich um Rum, Arak und ähnlihe Artikel des Luxusver- brauches handele. Wenn der Abg. Lucius gestern im Fnter- esse der rbeinishen Punschextraktfabriken die Einführung eines Zolles von 60 M befürwortet habe, so müsse ¿r dem gegen- über bemerken, daß bei dem Export von Punschextrakt even- tuell eine Rückvergütung des Zolles eintreten könne.

Der Abg. Broemel bestritt, daß es sih bei diesen Artikeln um Gegenstände des Luxusverbrauches handele; Arak und Rum würden namentlih in den Küstengegenden für die Be- reitung des der klimatishen Verhältnisse wegen dort vielfach als Getränk dienenden Grogs verwendet. E

Nachdem noch der Abg. Lipke im Namen der Petitions- kommission über eine Reihe von Petitionen berichtet hatte, wurde bei S(luß des Blattes die Position: Branntwein aller Art 2c. 80 M, für 100 kg nah der Vorlage genehmigt.

Jeder heutigen (54.) Sibung des Hauses der Abgeorbneten, welcher der Vize-Präsident des Königlichen Staats-Ministeriums, Minister des Fnnern, von Puttkamer, der Justiz-Minister Dr. Friedberg, der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten, Dr. von Goßler, sowie der Finanz- Minister Dr. von Scholz nebst Kommissarien beiwohnten, stand zunähst auf der Tagesordnung: die dritte Be- rathung des Gesegentwurfs, betreffend die Vensioniruna der Lehrer Und Lehrerinnéên an den öffentlihen Volksschulen.

Jn der Generaldiskussion verwahrte der Abg, Dr. Windthorst sich und seine Partei gegen die Sup- position, als ob sie dem Gesegentwurf feindselig gegenüberständen. Das von ihm aufgeworfene Verfassungs- bedenken habe niht den Zweck gehabt, dem Zustandekommen des Geseßes Schwierigkeiten zu bereiten. Aber er müsse darauf hinweisen, daß die Zweifel, welhe sich an- gesihts des Art. 25 der Verfassung gegen das Geseß geltend machen ließen, niht behoben seien. Art. 25 lege ganz allgemein den Gemeinden die Verpflihtung auf, die öffentlihen Volksshulen zu unterhalten. Damit stehe die Forderung, daß die Pensionen bis zu einem gewissen Betrage aus der Staatskasse gezahlt werden sollten, im Widerspru. Doch werde er seine Bedenken gegen das Gese fallen lassen, falls dasselbe, wie der Finanz- Minister angedeutet, nur ein Nothgeseß sein und der defini- tiven geseßlihen Regelung nicht präjudiziren solle.

Der Abg. Schmidt (Sagan) wies an der Entstehungs- geschichte der angezogenen Verfassungsartikel nah, daß von einer Verfassungsverleßzung nicht die Rede sein könne.

Der Abg. Bachem hob hervor, daß allerdings verfassungs- mäßige Bedenken gegen das Geseh vorlägen, er indessen von denselben absehen könne, da der definitiven geseßlichen Rege- lung nit präjudicirt werden solle,

Der Abg. Dr. Gneist wies nah, daß Verfassungsbedenken gegen das Gese nicht vorgebracht werden könnten.

Die Abgg. Graf Clairon d’Haussonville und Lückhoff sprachen sich im gleihen Sinne aus, während der Abg. von Meyer: Arnswalde meinte, daß das Geseg allerdings gegen Art. 25 der Verfassung verstoße, und aus diesem Grunde sich gegen das Gesey erklärte.

Der Abg. Dr. Enneccerus faßte noch einmal die Gründe zusammen, welche dafür sprächen, daß dur das vorliegende Gesetz die Verfassung nicht verlegt würde.

Der Abg. Rintelen glaubte, daß man die Bedenken, zu welchem das Gesey Veranlassung gebe, nur werde überwinden können, wenn man nah 21 Tagen noch einmal über das- selbe abstimme.

Der Staats-Minister Dr. von Goßler wies demgegenüber darauf hin, daß der Art. 25 nur einen geseßgeberishen Grund- saß enthalte, von dem wiederholt ohne Widerspruch von Seiten des Hauses niht auf dem Wege der Verfassungs: änderung, sondern der Gesehgebung abgewichen sei.

Hierauf wurde die Generaldiskussion geschlossen.

In der Spezialberathung wurden die §8. 1—3 ohne Debaîte unverändert nah den Beschlüssen zweiter Lesung an- genommen.

8, 4 lautet nah den Beschlüssen zweiter Lesung :

Der Berechnung der Penfion wird das von dem Lehrer zuletzt bezogene, mit der ihm verliehenen Lehrerstelle nah Festseßung oder mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde dauernd verbundene Diensteinkommen an Geld, an freier Wohnung und Feuerung, be- ziehungëweise Mieths- und Feuerungsenischädigung, sowie an Na- turalien und Ertcag von Dienstländereien zu Grunde gelegt.

Außerdem kommt die aus Staatsfonds widerruflich gewährte Dienstalterszulage, welche der Lehrer zur Zeit der Pensionirung bezieht, in Anrechnung.

Naturalien und der Ertcag von Dienstländereien kommen mit demjenigen Betrage zur Berechnung, auf welcen deren Geldwerth als Theil der von der Schulaufsichtsbehörde festgeseßten Besoldung festgestellt worden ist, vorbehaltlich der Vorschrift des S. 45 des Geseßes Über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und S een vom 1. August 1883 (Gesez-Samml.

Diéenstemolumente, welche ihrer Natur nach steigend und fallend find, insbesondere Einkünfte an Schulgeld, werden nah den bet Verleihung des Rechts auf diese Dienstemolumente deshalb ge- troffenen Festseßungen und in Ermangelung solcher Festseßungen na ihrem durbschnittlichen Betrage während der drei lezten Etats- jahre vor dem EGtatsjahre, in welhem die Pension festgeseßt wird, zur Avrrechnung gebracht.

Diese Vorschriften gelten auch für die Berechnung der Persion eines Lehrers, mit dessen Shulamt ein kirchliches Amt vereinigt ist, dergestalt, daß der Berechnung das Diensteinkommen der ver- eivigten Stelle, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Quellen folches oder einzelne Theile desselben fließen, als ein einheitlhes Stellen- einkommen zum Grunde zu legen ift.

Hierzu lag folgender Antrag des Abg. Wolff: vor:

Alinea 1 des §. 4 dahin zu fassen: Der Berechnung der Pension wird das Diensteinkommen zu Grunde gelegt. Das Dienst- einkommen besteht 1) in den baaren Einkünften, 2) dem Geldwerth der Naturalbezüge einschließlich Wohnung und Feuerungsmaterial bezw. der dafür gewährten Entschädigung, soweit der Lehrer hierauf rechtlichen Anspruch hat.

Nach kurzer Debatte wurde dieser Antrag abgelehnt und der Paragraph in der Fassung, welche derselbe in zweiter Lesung erhalten, angenommen. (Schluß des Blattes.)

Jn Folge der Einrichtung selbständiger Gerichtskassen sind vom 1. April d. J. ab die von der Justizoffizianten- Wittwenkasse zu Berlin außerhalb ihres Sißes zu be- wirkenden Zahlungen dur die Justiz-Hauptkassen und deren Spezialkassen vorshußweise zu leisten und den Justiz-Hauptkassen vierteljährlih durch Vermittelung der Regierungs-Hauptkafsen und der General-Staatskasse von der Justizoffizianten-Wittwen- kasse zu erstatten. Die desfallsige, an die Justizbehörden ergangene allgemeine Verfügung des Justiz:-Ministers vom 23. v. M. ist Seite 108 u. flgde. des Zustiz-Ministerialblatts abgedruckt.

Bei einem Strafverfahren wegen Zolldefraudation gehört die Entscheidung der für die Festseßung der Strafe resp. des Strafmaßes zu beantwortenden Frage, ob über- haupt und welcher Zollbeirag tarifmäßig für die unverzolt eingeführte Waare zu entrichten gewesen sei, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 111, Strafsenats, vom 29. Januar d. J., zur Zuständigkeit des Strafrichters; er hat sich demna bei Waaren, welhe im amtlihen Waarenverzeichniß nicht ausdrüŒlich bezeichnet sind, nicht ohne Weiteres nah der von der Zollbehörde getroffenen Feststelung der entsprechenden Tarifposition zu richten.

Der vom Vermiether eines verschlossenen Raumes ohne Wissen des Miethers zurückbehaltene zweite Schlüssel dieses Naumes ist während des Miethsbesißes nah einem Urtheil des Reichsgerihts, 11, Strafs., vom 30. Januar d. J., im Sinne des §. 243 Ziff. 3 Str.-G.-B. (betr. den sogen, Einbruchs-Diebstahl) ein falscher Schlüssel.

Der General-Lieutenant von Winterfeld, Com- mandeur der Garde-Kavalerie-Division, ist zum Domherrn von Brandenburg ernannt worden.

Der General-Lieutenant Wiebe, Inspecteur der 1. Fuß-Artillerie-Jnspektion, ist von der Musterung des Schles- wigshen Fuß: Artillerie-Bataillons Nr. 9 aus Bremerhaven zu- rüdgekehrt. &&#%Æ#

Jn Gotha ist in der Nacht zum 16. d. M. der Wirk- lihe Geheime Rath und ehemalige Präsident des Evan- gelishen Ober-Kirchenraths, Dr. Emil Herrmann ver- I inn a R

S M. Kreuzerkorvette „Marie“, Kommandant Kapitän z. S. Krokisius, und S. M. Kbt. „Hyäne“, Kom- mandant Korvetten-Kapitän Langen:ak, sind am 16. April cr. in Sea Hill (Queensland, Australien) eingetroffen.

„Marine-Ver.-Bl.“ veröffentlicht folgende NaŸh- richten über Sh iffsbewegungen (das Datum vor dem Orte bedeutet Ankunft daselbst, nah dem Orte Abgang von vort). S. M. Kreuzer „Albatroß“ 27./12. 84 Apia 3.,/3. (Poststation: Sydney [Australien].) S. M. S. „Ariadne“ 30./3. Wilhelms- haven. (Poststation: Wilhelmshaven.) S. M. S. „Bismarck“. Leßte Nachrihten aus Kamerun vom 14./2. S. M. S. „Elisabeth“ 2./1. Yokohama 14./2, 24./2. Hongkong. (Post- station: Hongkong.) S. M. S. „Friedrih Carl“ Wilhelms- haven 7./4. 11./4. Wilhelmshaven. (Poststation: Wilhelms4- haven.) S. M. S. „Gneisenau“ 27./1. Zanzibar 1.,/4. (Post- station: Sydney [Vustralien].) S. M. Kreuzer „Habicht“ 1./3. St. Vincent (Kap Verdes). 16./3. Freetown 16./3. S. M. S. „Hansa“ 11./4. Kiel 14.,/4. (Posistation: Kiel.) S. M. Knbt. „Hyäne“ 830./1. Kooktown 17./2. (Poststation : Sydney [Australien].) S. M. Knbt. „Fltis“ 4./2. Shanghai. (Post- station : Hongkong.) S. M. Aviso „Loreley“ 2./3. Konstantinopel. Leßte Nachricht von dort 9./4. (Poststation : Konstantinopel.) S. M. S. „Luise“ 5./3., Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Vlanie“ 27./12. 84 Nusa. (Poststation: Sydney [Australien]) S. M. Kreuzer „Möwe“ 26./1. Lagos. Letzte Nachriht von dort 4./2, (Posistation: Madeira.) S. ¿Kreuzer „Nautilus“- 19/8, 84 Tientsin. Lette Nachriht von dort 4./2, (Post- station: Hongkong.) S M S „Zumphe“ 4/4 Havana 9./4. (Poststation: Norfolk [Virginia] Nordamerika.) S. M. S. „Olga“. Leßte Nachrichten aus Kamerun vom 14./2. (Poststation: Plymouth.) S. M. S. „Prinz Adalbert“ 21./3, Valparaiso 28./3. S. M. Brigg „Rover“ 29./3, Vigo. Beabsichtigte, am 7./4, die Heimreise fortzuseßen. (Post- station: Kiel.) S. M. S. „Stosh“ 25./3, Kooktown. 11./4, Sydney. (Poststation: Sydney [Australien].)

Baden. Karlsruhe, 17. April. (W. T, B.) Der Großherzog, welher am Montag von einem leichten 0 ai befallen war, is heute wieder vollkommen her- gestellt.

Samburg, 16. April. Die „Hamburger Börsen- halle“ meldet: Wie wir hören, hat die Finanzdeputa- tion in gestriger Sißung sih dem Vorschlage zustimmig er- klärt, die projektirte Bildung einer Gesellschaft zur Ecrichtung einer Dampfschifsslinie zwishen Hamburg und Ofst- Asien durch Uebernahme von Aktien Seitens des Staates zu unterstützen.

Hefterreich-Ungarn. Wien, 16. April. (W. T. B.) Der Großfürst und die Großfürstin Konstantin von Rußland sind auf ver Reise nah Ftalien heute Nachmittag hier eingetroffen. Am Bahnhofe wurden dieselben von dem rus- sishen Botschafter Fürsten Lobanow mit dem Botschafts- personal empfangen.

Brünn, 15. April. (Presse.) Die neugewählte Han- delskammer wurde vom Handels-Minister für den 20. April zur Konstituirung einberufen. Der Protest gegen die ersten Wahlen soll von Seiten der czehishen Partei zurückgezogen worden sein.

Pes, 15. April. (Wien. Ztg.) Der Finanzaus\chuß des Abgeordnetenhauses hat in seiner heutigen Sißung den Gesegentwurf, betressend die Reduzirung des Brückenzolles, acceptirt.

In einer Parteikonferenz der gemäßigten Lin- ken wurde heute beschlossen, daß der Abg. Desider Szilagyi im Reichstage einen Antrag einbringen soll, dahingehend, daß die Vorlage über die Oberhausreform troß der Mo- difikationen der Magnatentafel zu verwerfen sei.

Großbritannien und Jrland. London, 16, April. (W. F. B.) Der „Daily Telegraph“ veröffentlicht in einer dritten Ausgabe ein Telegramm aus Wien, vom heutigen Tage, worin es heißt: die Antwort des Ministers des Aeußern, von Giers, an die englische Regie- rung, auf welche Leßtere gestern erwidert habe, enthalte folgenden Passus: „Jh bin von Sr. Majestät dem Kaiser

beaustragt, zur Kenntniß der Regierung der Königin zu bringen, daß der Kaiser den Krieg als beklagenswerth für beide Länder ansehen würde. Se. Majestät hegt die feste Hoffnung, daß sih ein Arrangement f{chnell und leiht würde herstellen lassen.“ Der russishe Botschafter in London habe an den Minister von Giers zurücktelegraphirt, daß das englishe Kabinet die Mittheilung des Ministers gut auf- s habe; man dürfe auf eine friedlihe Lösung hoffen,

16. April, Nachmittags. (W. T. B.) Die „Pall- mall- Gazette“ schreibi: die Friedensaussichten seien fortgeseßt sehr günstige, und der Friede sei beinahe als ge- sichert anzusehen ; die Wünsche beider Regierungen seien höwst friedlihe, und die Hoffnung, daß die Krisis in der nächsten Woche überstanden sein werde, sei nicht ohne Grund. Der „Globe“ äußert dagegen: es sei die größte Thorheit, wenn England angesihts der gigantishen Rüstungen Rußlands leßterem weitere Frist zu Kriegsvorbereitungen geben und warten wollte, bis der englishen Regierung von Rußland rundweg abgeschlagen werde, Genugthuung zu gewähren. Und dazu werde es kommen, sobald \sich Rußland stark genug fühle, ins Feld zu rüden.

16. April, Abends, (W. T. B.) Fn der heutigen Sitßung des Oberhauses fragte Lord Salisbury: ob die Regierung irgendwelhe Jnformationen über den Stand des Meinungsaustausches mit Rußland ertheilen könne, über welchen so viele Gerüchte im Umlauf seien. Lord Granville erwiderte: die Antwort Lumsdens sei noch nicht ein- gegangen, und der Botschafter Thornton in Petersburg habe ihn benachrichtigt, daß die Antwort des Generals Ko- maroff erst in einigen Tagen von der russishen Re- gierung erwartet werde. Natürlich habe er in so kritischen Zeiten, wie die gegenwärtigen seien, des Defteren Kom- munikationen mit dem hiesigen russishen Botschafter gehabt, es habe sich dabei aber um keine offiziellen Kommunikationen gehandelt, ausgenommen soweit es Thatsachen betreffe. Lord Jersey erklärte: er vermuthe, es sei unrichtig, daß die Regierung eingewilligt habe, Pen djeh aufzugeben. Lord Granville erwiderte: er müsse es wirk- lih ablehnen, über alle nicht autorisirten und fast immer un- genauen Berichte betreffs des Vorgehens der Regierung Er- klärungen abzugeben. Die Bill über die Konstituirung eines australishen Bundesraths] wurde in erster Lesung angenommen.

Im Unterhause erkärte der Premier Gladstone in Beantwortung mehrerer Anfragen: ein heute Nahmittag ein- gegangenes Telegramm des Botschafters TDhornton sage mit wenigen Worten: es sei eine provisorische Verwaltung in Pendjeh errihtet worden. Nah fünfstündiger Debatte zog Croß seinen An- ivaa… die. SPezialberathung der egten Anleihebill vorläufig zu vertagen, zurück. Jm Laufe der Debatte erklärte der Präsident des Handels-Ministeriums, Chamberlain: die Regierung sei bereit, dem Hause die Versicherung zu ertheilen, daß das Projekt und das Protokoll bezüglih der Suezkanal- Konvention dem Hause mit- getheilt werden würden, damit dieses seine Ansicht hierüber aussprechen könne. Northcote empfahl, diese Versicherung entgegen zu nehmen.

Unter dem Vorsiß des neuen Lordmayors Fowler fand heute Nachmittag in einem Hotel in Cannonstreet eine Ver- sammlung statt, die über den gegenwärtigen Zustand der. englishen Marine berieth und welcher mehrere ein- flußreihe Parlamentsmitglieder, ohne Unterschied der Partei- stellung, beiwohnten. Schließlih wurde eine Resolution angenommen, welche die Regierung auffordert, für die Ver- mehrung der Swisse, Geshüße und Matrosen unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, damit die Sicherheit des Landes keine Gefahr leide.

17. April. (W. T. B.) Der „Standard“ erfährt: die neuesten nus St. Petersburg eingegangenen De- peschen deuteten an, daß die russische Regierung von dem lebhaften Wunsche beseelt sei, eine friedliche Lö- Una U bewixten. . Vie Herstellung einer proviso: rischen Verwaltung in Pendjeh dur den General Komaroff dürfte den Verlauf der Unterhandlungen nicht ernstlich gefährden und beeinträchtigen. Die „Times“ führt aus: das Vorgehen der Russen bei Pendjeh könne bei der Regelung der Grenzfiage nicht ignorirt werden. Wenn Nußland sich weigere, Genugthuung für den Angriff auf Pendjeh zu gewähren, so dürfe es nicht erwarten, die gerechten Forderungen Englands mit Worten abfertigen zu können, Obwohl von Seiten Englands keine Anstrengung gescheut werden würde, einen ehrenvollen Frieden herbeizuführen, müßten doch die Rüstungen energish fortgescßt werden.

(Alg. Corr.) Der Prinz und die Prin- zessin von Wales verließen auf ihrer Reise in Frland, am 14. d. M. früh, den Landsiß Lord Listowels in Bally-: hooley und begaben sih zu einem kurzen Besuch bes Marquis von Waterford nah Curraghmore. Auf den Eisenbahn- stationen, welche der Prinzlihe Zug passirte, wurde Jhren Königlichen Hoheiten überall ein ahtungsvoller Willkomnten zu Theil, der nur durch einen einzigen unliebsamen Zwischenfall, nämlich durch eine Kundgebung einiger exmittirter Pächter, beeinträchtigt wurde. Jn Lismore wurde dem Prinzen eine Adresse überreiht, die von vielen Personen der Arbeiterklasse aus den umliegenden Grafschaften unterzeihnet war, und worin Se. Königliche Hoheit ersucht ward, ihnen dasselbe Jnteresse zuzuwenden, welches der Prinz den Arbeitern in England zu Theil werden lasse. Nah- mittags fehrten der Prinz und die Prinzessin nach Conva- Ee zurück, und wollten sich am Mittwoch nach Cork be- geben.

Ottawa (Kanada), 14. April. (A. C.) Jn der heutigen Sizung des Unterhauses brachte der Staatssekretär Chapkeau einen Entwurf zur Einschränkung der Chinesen- Ein- wanderung ein. Der General-Gouverneur ha! dem fkanadishen Parlament eine Botschaft übermittelt, worin er einen Kredit von 150 000 Pfd. Lstr. zur Be- streitung der Kosten für die Niederwerfung der Re- bellion im Nordwesten bittet. Aus, Battleford wird gemeldet, daß die Jndianex aus jenem Distrikt gänzli vershwunden sind. Es wird vermuthet, daß sie sich nord- wärts nah Fort Pitt gewandt haben.

Der amerikanishe Korrespondent der „Times“ meldet über den Aufstand in Manitoba unter dem 14.: Genera Middletons vorgeshobenes Detachement überschreitet die große Salzebene und befindet sich innerhalb 30 Meilen von Humboldt. Es bewegt sih aber vorsichtig, mit vorges0- benen Spähern, da die Avantgarde Riels den Saskatchewan

in östliher Richtung überschritten hat. Das Gerücht von einem mit Lebensverlusten verbundenen Zusammenstoß ist noh unbestätigt. General Strange konzentrirt eine Expe- dition in Calgary, die nördlich nah Edmonton zu mar- shiren soll. Der Zustand der Dinge im Fort M’'Leod ist be- ruhigender geworden.

Frankreih. Par is, 15. April. (Fr. C.) Die „Agence Havas“ veröffentliht nachstehende Note: Eine Depesche der Times us Hongkong meldet, daß die Friedens- unterhandlungen zwischen Frankreih und China auf ein Hinderniß gestoßen seien. Diese Nachricht ift fal \ch. Die Pourparlers dauern regelmäßig zwischen Frank- reih und China fort, und die französishe Regierung hat keine Jnformation erhalten, welche darnach angethan wäre, die Be- hauptungen der „Times“ zu rechtfertigen.

Das „Journal officiel“ publizirt Ernennungen: des Generals de Courcy, Kommandiren- den des X. Armee-Corps, zum kommandirenden General en chef des Expeditions-Corps in Tongking; des Generals Warnet zum Generalstabs-Chef des Expeditions-Corps , des Generals B rière de l’Jsle zum kommandirenden General der 1, Division, Und Des Generals de. HEgrier zum kommandirenden General der 2. Division des Expeditionêcorps in Tongking 2c. Das Corps in Tongking wird demna 4 Divisions-Generäle: de Courcy, Wernet, Brière de l’Jsle und de Négrier, und 5 Brigade- Generäle: Giovanninelli, Famais, Munier, Famont und Prudhomme haben. General de Courcy wird sih mit seinem Generalstabe am 30. April auf der „Amazone“ einschiffen.

Da das Dekret bezügliÞh des Wasffenstillstandes heute in der amtlihen Pekinger Zeitung erschienen ist, wurde die Blokade von Formosa, entsprehend den Abmachungen der Friedenspräliminarien, aufgehoben. Die heute in Paris eingelaufenen Nachrichten aus China bestätigen die Ab: reise des Zollkommissärs und des Mandarinen, welche si nah Hanoi begeben, um mit dem General Brière de UJsle alle Fragen zu erörtern, welche sich an den Nücckzug der hinesishen Truppen über die Grenzzn Tongkings knüpfen. Diese beiden Beamten werden frei passiren können, um den Besfehlshabern der chinesishen Armee die Kaiserlichen Ordres zu überbringen.

Unter den leßten Nachrichten des „Temps“ liest man: Herr de Freycinet hat heute Morgen mit Herrn Camp- bell, dem Bevollmächtiaten in Paris von Sir Robert Hart, vem General - Direllor der MinestsWen. Zölle und Unterhändler der Friedenspräliminarien, eine lange Unterredung gehabt. Herr Campbell theilte dem Minister des Aeußern eine Anzahl Depeschen mit, die er bezüglih der Durchführung dieser Präliminarien erhalten hat. Sir R. Hart meldet namentlich in einem bvieser Tele- gramme Hrn. Campbell, daß er in der „Gazelte de Pekin“ das Kaiserliche Dekret, betr. die Präliminarien, gelesen habe. Nach Hrn. Hart ist das Dekret sehr höflich und zuvor- kommend abgefaßt und trägt in keiner Weise die Form, welche ihm mehrere Blätter jüngsthin gegeben haben.

16. April, Nachmittags. (W. T. B.) Dic „Agence Havas“ meldet: der Finanz-Minister Clamageran werde wahrscheinlich aus Gesundheitsrücksichten von seinem Poien ZULUCtrelen Und duUr@. Sadt Carnot eret Werden! das Unker - Staats]elretariat der Marine sei Menart-Dorian angeboten worden ; zum Unter- Staatssekretär im Kriegs-Ministerium werde Cavaignac ernannt werden.

Ein Telegramm des Admirals Courbet meldet: der Kreuzer „Estaing“ habe noch vor der Notifizirung der Friedenspräliminarien ein chinesisches Schiff, welches eine Besaßung von 750 Soldaten und Offizieren und 3 Man- darinen an Bord gehabt habe, weggenommen.

16. April, Abends. (W. L. B.) Sadiîi Carnot ist an Stelle Clamagerans zum Finanz-Minister und Demole zum Arbeits-Minister ernannt worden. Das „Journal officiel“ wird die betreffenden Dekrete morgen publiziren.

Eine Depesche des Generals Brière- de l'Fsle aus Hanoi, von gestern, sagt: Jch hatte Boten abgesandt, um die Chinesen von dem Aufhören der Feindseligkeiten zu benachrichtigen; die Chinesen haben aber am 14. d., bevor meine Boten den militärisch:n Mandarinen Chinas, die noch keine Nachriht aus Peking erhalten hatten, davon Anzeige machen konnten, Kep mit etwa 2000 Mann angegriffen. Dr Angri} dex Chinesen t zurücCges{chlaäagen worden; wir haben 1 Todten und 7 Verwundete. Die Kanonenboote auf dem hellen Flusse erhielten gestern bei Gelegenheit einer auf dem s{hwarzen Flusse vorgenom- menen Rekognoszirung Gewehrfeuer, erlitten aber keinen Verlust. Ein chinesishes Detachement, welches unsere Ka- nonenboote angriff, wurde durch die Garnison von Honghoa, die einen Ausfall machte, in die Flucht geschlagen, Jch habe auch nah dieser Seite Boten abgeshickt, um die Ein: stellung der Feindseligkeiten zu verkünden.

_ Numänien. Bukarest, 16. April, (W. T. B.) Dem gestern Abend im Königlichen Palais stattgehabten großen Diner wohnten der König mit seinen Gästen, dem König von Schweden und dem Fürsten von Bulgarien, und alle höheren Offiziere, fowie alle höheren Hof- und Staatsbeanten bei. Der König brachte einen Toast auf den König von Schweden und dessen Familie aus und gab in demselben seiner Freude über die Wiedergenesung des Prinzen Karl von Schweden Ausdruck. Der König von Schweden erwiderte, unter Hinweis auf die zwischen dem \{chwedischen und rumänischen Königshause bestehenden verwandtischaftlihen Bande, mit einem Toast auf den König von Rumänien, der es verstehe, die Stellung, welche er mit seiner tapferen Armee auf dem Schlachtfelde erobert, unter den Segnungen des Friedens aufrecht zu erhalten und zu erweitern. Nach dem Diner fand eine Galavorstellung im Theater statt. Die Stadt war fesilih illuminirt. Der Fürst von Bulgarien trat um Mitternacht die Rückreise nah Sofia an ; der König und die Minister gaben demselben bis zum Bahnhofe das Geleit,

_ Heute empfing der König von Schweden die Mitglieder des diplomatischen Corps sowie das hiesige Offizier- corps und begab sich dann mit dem König und der Königin nah Sinaja, von wo aus Se. Majestät morgen die Reise fortseßen wird.

Nufßland und Polen. St. Petersburg, 17. April, W. T. B.) Der „Regierungsanzeiger“ veröffentlicht eine gen in St. Petersburg eingetroffene Depesche des Generals Komaroff, in welcher dieser berichtet : die Afghanen hätten sämmtliche Posten an der Grenze

beute folgende

geräumt, und die russishen Wachtposten hätten ihre früher innegehabten Stellungen wieder eingenommen ; das russische Detachement befinde sich in Tashkepri. General Komaroff werde sich dieser Tage zur Jnspizirung der auf den Wadhtposien befindlihen Truppen begeben.

17. April. (W. T. B.) Der Militär-Attaché der russishen Botschaft bei dem Wiener Hofe, Baron von Kaulbars, ist zum General-Major befördert worden.

Die russische „St. Petersburger Zeitung“ meint, daß die temporäre Verwaltung in Pendjeh böchstwahr- \cheinlih aus eingeborenen Häuptlingen gebildet werden werde. Die deutsche „St. Petersburger Zeitung“ erinnert daran, daß Rußland bereits am 17. März Pendjeh ausdrück- lih als in seiner Einflußsphäre liegend bezeihnet und loyaler- weise eine Beseßung im Nethfall wegen Unruhen u. f. w. in Aussicht gestellt habe; eine friedlihe Lösung sei dur den neuen Schritt Komaroffs keineswegs ausgeschlossen.

Afrika. Egypten. Kairo, 16. April. (W. T. B.) Einem Telegramm des „Reutershen Bureaus“ zufolge wird aus Dongola das von den Eingeborenen herstammende Gerücht gemeldet: Osman Digma's ganze Streitmacht habe sich zerstreut, weil die Orte, auf welh: er wegen der Verproviantirung und Wasserzufuhr für sein Heer gerechnet habe, von den Engländern beseßt seien.

Suakim, 16. April. (W. T. B.) Wie ein Telegramm des „Reutershen Bureaus“ meldet, ist heute Ot ao ohne Widerstand von einer englishen Truppenabtheilung besetzt worden. Der Bau der Eisenbahn bis nah Handub wird morgen vollendet; die Bahn soll dann fofort bis nah Otao weitergeführt werden; zur Verwendung vei den Bahnbau- arbeiten werden 1200 indische Kulis erwartet.

Zeitungsftimmen.

Das „Berliner Fremdenblatt“ äußert über die weiteren Aufgaben der parlamentarishen Session :

. . . Hat es großer und nachhaltiger Kämpfe bedurft, um der Kolonialpolitik die nöthige Anerkennung zu verschaffen, so find die Aussichten betreffs der nunmehr zur Entscheidung ftehenden Fragen von vornherein günstiger. Für die uneingeschränkte Konkurrenz des Auslandes, für das Prinzip rer Selbfthülfe als besten Rettungsankers der arbeitenden Klasse, für die Steuerfreiheit des mobilen Kapitals und fôr die Ueberbürdung des Grundbesites, der vornehm- lih von den Gemeindesteuern Überlastet ist, wagen jeßt doch nur nov verhältrißmäßig sehr wenige Politiker der alten Schule ein- zutreten. Seit dem Schreiben des Fürsten Bismarck an den Bundes- rath vom 15. Dezember 1878 hat fich in dieser Beziehung eine Wandlung vollzogen, welcwe niht boch genug anzuschlagen ist. Die früheren Vorkämpfer jener „Freiheit8prinzipien®“ suchen ihre oppo- fitionelle Stellung allein noch durch die Phrase von der Vertheue- rung der Lebensmittel tur die Zölle zu halten: im Uebrigen haben sie es aufgegeben, für eine Sache einzutreten, die niht nur in Deutsch- land, sondern in der ganzen Welt verloren ist.

Die große Mehrheit im Reichstage und im Landtage wird voll- ständig von den wirthschaftlichen, finanziellen und *“ sozialpolitischen Ideen der Regierung beherrscht; die Steueranträge im Abgeordneten- hause und Reichstage, denen gegenüber fich die Regiecung sympathisch stellt, beweisen dies. Wenn troßdem im Einzelnen sich Schwierig- keiten crheben oder Verstimmungen verbreiten, so wird man dergleichen Hindernisse und Unebenheiten, als von dem parlamentarisch-politi- schen Treiben unzertrennlich, nicht zu hoh veranschlagen dürfen. In dem Wettstreit der Partcien mag heute diese, morgen jene die Oberhand gewinnen: für den Ausgang und das Ziel können diese parlamentarischen Episoden nit ins Gewicht fallen. Genug, daß im Großen und Ganzen von den Parlamenten jeßt nicht nur die Richtung der Zoll- uxd Sozialpolitik, sondern nunmehr auch die Richtung der Steuerreformpolitik der Regierung innegehalten wird. In dieser Gewißheit Tann man den kommenden Wochen parlamen- tarisber Arbeit mit Vertrauen entgegengehen und auf werthvolle Er- gebnisse rechnen.

Die „Rheinish-Westfälishe Post“ meint, daß die Kornzollfrage in abschbarer Zeit niht zur Ruhe kommen werde, daß es deshalb Pflicht aller Parteien sei, diese Frage unausgeseßt im Auge zu behalten. rFndessen könne doch {on eine Anzahl Vorfragen aus der Diskussion ausgeschieden werden, da sie für das unbefangene Urtheil erledigt seien, wenngleih ihre demagogische Ausbeutung von der Agitation noch immer nicht aufgegeben sei. Die wichtigste Vorentschei- dung sei über den Nothstand der Landwirthschaft getroffen worden. Dann heißt es weiter:

Eine weitere Vorentscheidung enthält vie Feststellung, wem die erhöhten Kornzölle zu Gute kommen. Hierbei ist es für die prinzi- pielle Fraze gleichgültig, ob ein Steigen der Kornpreise oder nur ein ergiebigerer Finanzzoll eintreten wird. Denn daß auch im letzteren Fall der Erfolg im Wesentlichen denselben Wirthschaften zugewendet werden wird, für welche man günstigere Verkaufspreise erzielen möchte, bedarf nah der Absicht der gesetzgebenden Faktoren und der Nichtung der agrarischen Bewegung keiner weiteren Ausführunz.

Die als ftarres Dogma festgehaltene Behauptung, daß der Zoll nur dem Großgrundbesiß zum Nutzen gereihe, kann nicht aufre(t erhalten werden. Würde dieselbe für den deutshen Often selbst bevingungslos zutreffend scin, so bliebe der ganze nordwestliche, ein sehr großer Theil des südlichen und ein erheblicher Theil des süd- westlichen Deutscblands übrig, für welhe der Stand der Getreidepreise eine Lebensfrage ist Die Berufung auf angeblich statistish erwiesene Thatsachen tritt bei der gäncigen Beweisführung der Publizistik an die Stelle eigener Anschauung und wirklih genügender Ermittelungen. Die angezogene statistishe Erhebung und amtliche Erklärung für das badische Land ift bestehend, aber ohne Beweiskraft, da fie das Gegen- theil einer maßgebenden Durchschnittsbeobatung ist. Für Württem- berg und Bayern liegen die Agrarverhältnisse notorisch {on wesent- lich anders. Die für unsere Frage klassishen und in Ver- bindung mit den Übrigen deuts{hen Kornbauländern aus- \{laggebenden Provinzen sind Hessen-Nafsau, der Nieder- rhein, Westfalen, Hannover und Schleswig - Holstein. . Bei aller zum Theil niht unerheblichen Verschiedenheit des Befih- maßes in jenen Provinzen bleibt die Wahrheit bestehen, daß der ganz überwiegende Theil der dortigen Bauern oder Gutsbesißer eine Boden- fläche kultivirt, wel&e mit ihrer Rente wesentlih auf den Erlös aus dem Körnerbau angewiesen it. Die paar Paradebeweise der Korn- zollgegner gegen diese Thatsache sind Generalisirungen vereinzelter oder unterdurbschnittlider Beobachtung. Die Landwirthschaft in Swleswig-Holstein und Oldenburg ift großentheils Weidewirthschaft, welche dur Bodenbeschaffenheir, die feuchten und milden klimatischen Verhältnisse begünstigt wird, während ihre Einführung für ganze Provinzen theoretish im Parlament oder im Redaktionsbureau leicht cmpfohlen, in Wahrheit aber oft gar nit oder niht ohne großes, im einzelnen Fall fehlendes Kapital bewirkt werden kann. Die berühmten „Landwirthe“ der freisinnigen Partei find eben wesentlich keine Kornbauern und folgen einem eigenen Interesse, nit ciner allgemein gültigen Wirtbschaftsmaxime. Selbst in Oldenburg hat entgegen der falshen in die Welt ge- seßten Zeitungsnahhriht der landwirthschaftlihe Centralverein {ih für Erhöhung der Kornzölle erklärt. Die Parteistelung fällt dort neuerdincs, wie jeder Kenner des Landes bestätigen kann, durhweg mit der Lage der Besißer zusammen: der Kornbauer {timmt

Viehzüchter. Hier steht also Interesse gegen Interesse und cs ift eine naive politishe Logik, den leßteren als uneigennüßtzigen Vertreter des Allgemeinwohlcs hinzustelleo, den ersteren aber wegen seinec nackten Selbstsuht zu denunziren. Grade die Preisgebung dec fornbauenden Landwirthschaft würde die furchtbare Gefahr heraufbeswören, welche angebli durch den Korn- zoll herbeigeführt werden soll: die Proletarisirung der Massen und die Auffsaugung des kleinen Stättebesitzers durch den Kapit.lismus. Zu dem ftädtischcn Arbciterproletariar fäme dann ein ländlihes He- lotenthum, das mit der Waffe des allgemeinen Stimmrechts bald unserer sorglosen Opposition mit Schrecken die Augen öffnen würde.

Eine dritte für das wirthschaftlib hochentwidelte Deutsbe Reich und insbesondere für den deutshen Westen bedeutungsvolle Frage ift die Rückwirkung der Kornzölle auf die Industrie. Tritt die voraus- geseßzte zur Zeit nob streitige Erhöhung der Brodpreise ein, fo werden die Produfktionsbedingungen der Industrie ungünstiger, entweder unmittelbar durch Steigen der Löhne oder mittelbar durch Beeinträch- tigung der mit den alten Löhnen verminderten menscblihen Arbeits- leistung. Dies trifft aber nur die Exportindustrie, da die für den innern Bedarf arbcitende Industrie durch die konscquente Wirthschafts- politik für Absatz urd Lohnhöhe geschüßt ift. Hier ist nun die praktisch wie wifsenschaftlih festgestellte Thatsache hervorzuheben, daß der innere Konsum und damit die ihn befriedigende nationale În- dustrie ein unermeßliches Uebergewicht über die Exportindustrie be- sißt. Zieht man die ausgefübrten, für diese Sache nicht in Betracht kommenden Rohstoffe von den Handelänacweisen ab, so übertrifft dec innere Verbrau} an Gewerbeprodukten den Werth der exporti:ten Fabrikate um viele Milliar- den. Sowohl die geschihtlibe wie die statistishe Beobachtung der nationalen Volkswirthschaften aller Länder bestätigt den Saß des alten franzôösiswen Nationalökonomen Montch1êties, daß der innere Handel und Verkehr vergliben mit dem äußern sei plus sûr, com- mun, constant, plus universellement ntile. Friedri Lift verweist auf die Thatsache, daß eine Konsumtion von 70000 einheimischen Gewerbetreibenden für den deutschen Landbau ebensoviel bedeute, wie alles, was er von 1833 bis 1866 nach England auéführen ließe. Dies gilt ebenso von der umgekehrten &Eüterbewegung und rechtfertigt faktish die ganze organische Idee der nationalen Arbeits- und Pro- duktionspflege.

Wird daher der innere Markt dem heimishen Gewerbefleiß vor- behalten, so bleibt der Vortheil ganz überwiegend auf Seiten der be- treffenden Industrie, zumal die etwa verminderte Kaufkraft der ar- beitenden Bevölkerung dur die erhöhte Kaufkraft der kolofsal überwiegenden landwirthschaftlihen Bevö!kerung vollständig ausge- glichen wird. Die später nothwendig fieizerden Löhne aber bringen für diese Jadustrie keine Verschiebung, da dieselbe si gegenüber dem Zollshußtz an den Preisen im Jnlande erholen kann. Bei dem wesel- wirkenden Zusammenhang des inneren Wirths%aftslebens bringt aber eine blühende innere Bedarfsindustcie auch e: höhte Kaufkraft für die Gegenstände der Erportindustrie, welche durch Mehrverdienst am heimischen AÄbsaß sib für den Wettbewerb auf dem Weltmarkt ftärken kann. Daß dies thatsählich der Fall ift, zeigen die Haupterport- industrien, die Eisen- und Maschinenfabriken, die chemishen und Geweb8industrien. Die berechtigten Preiékonventionen derselben sind durchaus gesunde Erscheinungen, deren Uebermaß bald durch natür- lihen Rückiauf aufhört, deren grundsät!liche Verurtheilung aber nur vom Unverstand und preis\{leudernder Spekuiation festgehalten werden kann. Daß einzelne Produktionszweige leiden, is unvermeidlib und beim Gedethen des großen Ganzen unbedenklih. Wie wohlthätig eine auf den inneren gewaltigen Verbrauch festangewiesene Industrie wirkt, beweisen die Handelsbilanzen, die günstigen Wechselcourse und das Steigen ver Valuta in den neuerdings zum Schußsystem über- gegange?: en Staaten. Die neue ungünstige Entwicklung Frankreichs spricht nit hiergegen, sondern dafür. da das unter dem alten Schutz- zollsystem errungene Monopol dieses Landes jeßt auf den fremden Märkten mehr und mehr erschüttert worden ist, seitdem diese fich national abgeschlofsen habèn. Nach kurzer Erschütterung wird die auf den etgenen Bedarf angewiesene französische Industrie fh mit diesem in befriedigender Weise einzurichten wissen. Im Ganzen kann ange- nommen werden, daß unser gewerbliches Leben ohne Nachtheil selbst die möglicherweise eintretende geringe Vertheuerung der Produktions- kosten ertragen wird. . ..

anders wie der

Neichstags - Angelegenheiten.

Die X1RX. Kommission des Reichstages zur Vorberathung dcs von dem Abg. Lerzmann eingebrahten, von demselben zurück- gezogenen und vom Abg. Kayser wieder aufgenommenen Gesetzent- entwurfs, betreffend die Entschädigung für verurtheilte und im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochene Personen, hat sich wie folgt konstituirt: Klemm, Vorsitzender; Dr. Roßhirt, Stellvertreter des Vorsitzenden ; von Reinbaben, Scbrift- führer; Spahn, Schriftführer; Bock (Gotha), Brünings, Freiherr von Buol-Berenberg, Geiger, Gottburgsen, Dr. von Graeventitz, Halben, Dr. Hartmarn, Kayser, Dr. von Lenz, Dr. Loß, Meibauer, Dr. Papellier, Dr. Porsch, Dr. Reichensperger, Saro, Traeger.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 5, April bis incl. 11. April d. J. zur Anmeldung gekommen: 554 Cheschließungen, 828 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene und 602

Sterbefälle. / : Kunst, Wissenschaft und Literatur.

úIn Leipzig ist vorgestern der Kammerherr Walther von Goethe, der ältere Enkel des Dichtecs, gestorben. Mit ihm er- lisht das Geschlecht.

Das Aprilheft 31, Bandes 1885 von „Petermanns Mit- theilungen aus Justus Perthes' Geographischer An- stalt" bringt cine Karte von Afrika mit der politishen Eintheilung nach dem Stande im März 1885 (im Maßstab 1: 25 000 000), ge- zeichnet von H. Habenicht. Dieselbe giebt cin Bild von der Aus- dehnung!des Congo-Staats, des Freihandelsgebi-ts in Aequatorial-Afrika, nah den Beschlüssen der Berliner Konferenz, und der Vertheilung der europäischen Besißungen neben den cinheimiscwen Staaten. Es ergtebt ich aus der Karte wie auch aus der Zusammenstellung im Text, daß an der Küfte nur sehr wenige Gebiete noch niht in festen Händen find. Ueber die {nelle Entwicklung des Congo-Staats bietet H. Wichmann cinen zusammenfafsenden Ueberblick. Nicht minder Finteressant find die „Vorläufigen Mittheilungen über das Gebiet zwis&en Angra Pequena und Bethanien“, welche Dr. Adolf Schenk macht und die die geologischen Verhältnisse, Klima, Flora und Fauna di?scs Küstenlandes von West- Afrika zum Gegenstande haben. Ein anderer Beitrag schildert den orographiscen Charakter des Pamir nach eixem Vortrage von D. JFwanow. Die Geoplastik, d. h. die Kunst der naturähnlichen Dar- tellung der Unebenheiten des Erdbodens dur Reliefkarten, wie fich dieselbe bis jeßt in Oesterrei entwidckelt hat, bespriht der Kaijer- lide Reg.-Rath Anton Steinhauser in Wien. Ferner enthält das Heft cine Beschreibung der Comandancia politico - militar Eêcalante auf ver Philippinen - Insel Negros , vom Prof. E. Blumentritt, nebst ciner von Don Enrique de Almante aufgenommenen topo- graphischen Skizze des Bezirks, im Maßstabe 1 : 500 000, und einer kleinen Nebenkarte der ganzen Philippinengrupye. Am Anfang des vorigen Jahrzehnts hat nämlich die spaniswe Regierung von Manila auf der Insel Negros, und zwar in dem Hauptort Escalante, einen besonderen Verwaltung8{ef mit civilen und militärishen Befugnissen eingeseßt, welcher vornehmlih die Ausbeutung der dort entdeckten Kohlenlager zu überwachen hat. Außer diesen verspricht der Bezirk aber auc noch andere Ausfuhrprodukte; so ist die hohe Cordillere, welche die Westgrenze bildet, mit einem dichten Walde bedeckt, der für die Möbeltischlerei und den Schiffbau wichtige Holzarten enthält; auch das Pflanzenreih liefert mancherlei wichtige Produïte, wie Zucker, Manilahanf, Taback, Mais und Reis. Vorläufig freilich fehlt es