1886 / 49 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Feb 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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Sebasten bleiben; also das Prinzip der Anstellung durch den Staat |

ift bereits vor länger. als 30 Jahrcn als nüßlich erkannt worden.

Auch in dem nicht publizirten Unter-cichtsgeseßentwurf meines vor- \ der

letzten Herrn Anitsporgängers ist az dicselbe Bestimmung aufge- uommen worden, daß die Anstellurig der Lehrer Sache des Staates

ist ; die Frage, um die es sh hantelt, ist diez ist es kihtig, nunmehr. |,

auc Jede Einwirkung der Gemeisden auszuschließen? Aus den Aus- führimgen allgemein-politisher Ratur werden Ste ja findën, Bey für einen großen Theil des in Frage kommenden Gebietes eine solche Aus\s{ließung erstrebt werden muß, und jeder, der die Verhältnisse EFennt, wird dem beiftimmen müssen. Ich wili Sie, meine Herren, niht zu sche mit Ausführungen be- hlligen; aber Sie werden bei näherer Prüfung finden, daß namentlih in der Provinz Posen sehr unklare Verhältnisse bestehen in Bezug auf das Lehrerberufungsrecht. In den beiden Regierungsbezirken der Provinz Posen haben nid wunderbarerweise ganz verschiedene Systeme Herausgebildet. Im Regierungsbezirk Bromberg wird im Allgemeinen na den landre{chtlichen Vorschriften verfahren, nachdem kurze Zeit die Verwaltung si an die Warschauer Instruktion vom 12. Januar 1808 gehalten hatte. : : Dagegen blieb man im Regierungsbezirk Posen zu Unrecht bei dem Verfahren der Warschauer Instruktion, nah welchem der Kreis- fQulvorstand, eine staatliche Behörde, das Vorschlagêrecht hatte, und gäb dasselbe, da die Kreis\hulbehörde beseitigt war, dem Ortésul- vorstand, indem man überdies das, in der Instruktion vom 22. April 1823 statuirte Vorschlagsrecht dur die Instruktion vom 21. Dktober 1842 zu einem Waklrecht ausgeftaltete. E Also, meine Herren, in jenem Theile der Monarchie übt, obwohl dort das Allgemeine Landrecht gilt, der Gutsherr gar kein Recht, fon- dern es beruft der Schulvorstand den Lehrer. Man hat die Un- möglichfeit, diefen Zustand fortbestehen zu lassen, längst erfannt, und es ist im Jahre 1854 der Weg beschritten worden, daß diejenigen Gemeinden, welche einen Staatszushuß von gewisser Höhe erhalten, ihr Lehrerberufungsrecht an den Staat abzutreten hatten. Fch erwähne diese Vorschrift deshalb, weil sie hon Gegenstand vieler Klagen Seitens unsrer polnishen Mitbürger geworden ist, und weil auch Petitionen in dieser Beziehung angekündigt sind Jch habe früher auc {on erklärt, daß ih gern einem Zustande ein Ende machen würde, welchen ich für einen unrichtigen und unrechtmäßigen erahten muß. Es werden wohl die Herren, und das ist in diesen Verhandlungen {chon bervorgetreten, nit behaupten wollen, daß es nicht in Posen und Westpreußen cine große Zahl von Gutsherren, Sculvorständen und sogar Magistraten giebt, welche übezwicgend auf dem national- polnischen Standpunkt stehen oder polnischem Einflusse zugänglich find. Ja, ih muß leider bekennen, daß die Zahl der Städte auf dem östlichen Weichselufer, welche ganz allgemein in der Vertretung, im Magistrat wie in der Stadtverordnetenversammlung, polnischen Ten- denzen zugänglih sind, immer mehr und mehr zugenommen hat, namentlich in den Grenzfkreisen, welche bei der Auêweisungsmaßregel und sonst in den Vordergrund der Diskussion gesteUt find. Alfo, meine Herren, die Städte als solche schüßen das Deutsch- thum nicht. Vielleicht komme ih in einem anderen Zusammenhange ao darauf zurück, wenn wir uns über den Stand der polnischen Aerzte unterhaltea, die vielfah in kleinen Städten die Führung der polnischen Agitation zugleih aber den Einfluß in der städtischen Ver- waltung in Händen haben. Nicht so groß ist die Schwierigkeit bei den Städten und Gutsherren in Oberschlesien. j Meine Herren! Es is durchaus anzuerkennen, daß namentlich die Stadtkreise nicht allein Elbing und Danzig, wo es naturgemä} ist, sondern auch Posen und Bromberg feit Jahren sich ehrli . bemüht haben, das Schulwesen auf eine höhere Stufe zu bringen, daß dort mit großen Opfern die deutshe Sprache im Sculunterricht efördert worden ist; aber, meine Herren, die Schwierigkeiten bleiben bestehen, welche ih in Bezug auf den §. 2 angeführt habe. Ob in Bezug auf den §. 1 Abänderungen wünschenswerth erscheinen, wird ja noch zu erwägen sein. / Meine Herren! Ich möchte noch anführen, daß für den Negie- rungsbezirk Oppeln es zwar richtig ist, wenn der erste Herr Redner hervorhob, eine national-polnische Agitation im eigentlihen Sinne habe in der Bevölkerung einen breiten Boden niht gewonnen ; aber daß die Gefahr des Cindringens dieser Bewegung stetig zugenommen hat, hat er auch nicht in Abrede gestellt, und das ist ja au aus den betheiligten Kreisen stetig hervorgetreten. Jch ermnere hier an den Nachweis, den ih in den Jahren 1882/83 hierfür gegeben habe ; i habe Ihnen die Preßerzeugnisse, die gehässigen Blätter vorgelegt, ih fann Ihnen weiter nahweisen, daß die mit Hülfe des Marcin- fowsfi’\chen Vereins ausgebildeten polnischen Aerzte auch in Ober- \hlesien Wurzel geschlagen haben. Wir haben die \{merzlihe Ent- deckung machen anüssen, daß mit unglaublicher Brutalität in das Heiligthum der katholishen Kirche eingegriffen ist um deswillen, weil ein deutscher Gottesdienst für die deutschen Katholiken abgehalten wurde: es ist z. B. in Siemianowiß eine Orgel zerstört worden dur einen Fanatiker, und dabei ist. ausdrücklich ausgesprochen wordeu in Briefen, der Haß richte ih gegen den Pfarrer, weil er zur Verseßung des Vikars, eines polnischen Agitators, beigetragen und die Hand zur Einrichtung deutschen Gottesdienstes geboten habe. An einem anderen Orte, in Deutsch-Piekow, hat man den deutschen Gesang in der Kirche rh Anstimmen polnischer Lieder wiederholt unterbrochen, obwohl der Geistliche zur Vermeidung dieser Störungen selbst den Plaß an der Orgel einnahm. Í S könnte dieses Bild noch weiter ausmalen. Die Gefahr liegt vor; niht daß ich glauben wollte, die Oberschlesier wollten ih vom preußischen Staate losreißen das sei mir fern, es wäre auch aben- teuerlih, diesen Gedanken auch nur einen Augenblick hegen zu wollen aber es ist eben das Unmoralishe in der gegenwärtigen n ¿polnishen Agitation, daß dieselbe, um sich in der Hauptsache Äntensiver zu gestalten, sich extenfiv ausdehnt. Was habên ¿die Litthauer, Masuren, die Wenden u. #." w. mit der polnischen Agitation zu thun? Und doch wird überall an diesen Leuten gerüttelt und geschüttelt, damit sie mit Beshwerden hervortreten und die Zahl der Unzufriedenèên vermehren. Das ist ein allgemeiner politifcher Gesichtspunkt. Es fommt aber hinzu, daß die Zahl der Lehrér und gerade der Lehxer in Oberschlesien, die aus nationalpolnischen Gründen , aber aus aus andexen Gründen, der deutschen Sprache den Weg verlegen, doû eine erheblich große ist. Wenn man sich auf diesen Standpunkt stellt, so wird man verstehen, S die - Staatsregierung den Muth haben und es für Recht hat halten können, das Gesetz auch für den Regiernngsbézirk Oppeln zu fordern. Ich erkenne durch- aus an. daß die Gutshexren, soweit ich weiß, ohne “Ausnahme, Dder ut vershwindenden Ausnahmen nit allein nit national- Ppolnisch gesonnen sind, sondern auch vollkommen als notkwendig er- ennen, %aß die ihnen untergeordneten Leute in „den Besi deutscher Sprachkicantnisse gelangen; aber daß Hemmnifse auf dieset Gebiete Gestehén, das ist wohl für Jeden, der die Verhältnisse dort kennt, nicht ¿u leugnen. :

Wir aben nun, meine Bere (3cherlih nicht und das möchte ich hier noáunals ganz feierli erklärex irgendwie. die Absicht haben

Fônaen oder gehabt, den Städten oder Gutsherrez irgend ein schweres Unrecht anthun zu wollen. Nein, meine Herren, es ift nur in tlarer und bestiunmter Weise -der politische Gesichtspunkt, von dem wir uns leiten Tassen, héugestellt worden. Ist es möglich, diejenigen Beschwer- den auszugleichen, die in der Hinsicht erhoben sind, dana wollen wir uns das sehr gern im Zusammenhang überlegen. Die ganze Aktiou der Regierung fana unmögli sein, sei es eine Stadt, sei es einen Gutsherrñ, sei es irgend ein Mitglied tnseres Staates abzuspalten aus der großen Bewegung, in der wir uns besinden. Die Staats- regierung wollte niht Theile verkümmern lassen, sie will sammeln, sie will die Bewegung fruchtbar gestalten, Jh will also namentlich dem Hrn. Abg. Virchow gegenüber ausdrücklich hervorgehoben haben: wir beabsichtigen niht einen Rückschritt, wir beaLfichtigen einen Fort- {hritt, wir wollen vereinigen, nit sondern. ,

Meine Herren, ih muß zum Schlusse eilen, ich will nur noch

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ganz wenig {treifen einige Einwendungen, welche von den geehrten

Herren Verrednern erboben worden smd. Der Hr. Abg. Pors hat bereits guf die Frage bingewiesen, ob die Vorlage mit dem Artikel 24 Verfassung im Widerspruch stehe. Die Staatsregierung hat si natürlich auch diese rage vorgelegt; sie drückt dieselbe nicht, se ift in. der aber der“ Ueberzeugung, daß eine

nderúng der Verfassung nit vorliegt. Ueber die Bedeutung der Artikel 24, 26, 112 der Verfaffung im Zusammenhang ift eine com- munis opinio , meine Herren, überhaupt noch nit vorhanden. Wenn man die Vergangenheit überblickt, so findet man, daß in einzelnen Punkten eine Art von Uebereinstimmung zwischen der Regierung und der Landesvertretung über diese Frage bestanden hat; aber, was diese Artikel eigentlich virtuell bedeuten, und inwieweit sie die Geseßh- gebung erschweren oder bestimmen, das steht doch allermaßen in einwandésfreier Weise niht fest Wenn man sih auf einen einzel- nen Schriftsteller, ich will z. B. sagen auf Rönne, als den ver- breitetsten, üßt und ihn als Offenbarung betrahtet, dann ift es leiht, zu einem abschließenden Urtbeil zu kommen, aber auf dem Ge- biete der praktischen Auslegung bei unseren Verhandlungen sind immer fortwährend große Widersprüche zu Tage getreten. Also mit Art. 24 ist meines Erachtens und auch nah der Auffassung der Staatsregierung nihts zu machen. Jch darf an die Erörterungen erinnern, welche bet dem Emeritirunggeseß, bei dem Lehrerwittwen- und Waisengefeß stattgefunden haben oder bei Letterem vielmehr nicht stattgefunden haben. Hat man damals keinen Anstand genommen, dieses Gesetz, wcnn es au dem Wortlaut nah mit der Verfassung kollidirte, im Wege der einfahen Spezialgesetgebung ergehen zu lassen, fo wird auch hier wobl das Verfassungsbedenken zurücktreten können.

Dann darf ih noch im Gegensaß zu einem Herrn, der heute ge- \procen hat, darauf hinweisen, daß in der Verfassung in feiner Weise den Gutsherren eine Garantie gegeben ist. Ich glaube, Hr. Dr. Porsch wies darauf bin. - Nein, es ist nur von Gemeinden die Rede, und daß nur an politishe Gemeinden hierbei as ist, geht aus der Ge- \hihte der Verfassung, aus dem gleichzeitigen Erlaß der Gemeinde- ordnung flar hervor. Also von cinem Schuß der Gutsherren, der Squlpatrone ist in der Verfassung meines Erachtens nicht die Rede, im Gegentheil!

Eine andere, etwas in der Bedeutung zurükstehende Frage war die, wie die Regierung nach dem neuen Geseß sih bezügli der ver- einigten Küster- und Schulstellen verhaltcn werde. Ja, meine Herren, das wird ebenso gemacht, wie heute, die Kirchenschullehrer werden an- gestellt unter Konkurrenz der Schul- und kirchlichen Organe. Geht die Anstellung auf die Staatsregierung in dieser oder jener Form über, so bat sie die Verpflichtung, mit den kirchlichen Organen h zu benehmen. Wenn cine Vereinigung niht zu Stande kommt, dann geschicht dasselbe wie heute, dann geht Schule und Kirche nöthigenfalls auseinander. Ich strebe niht danach, im Gegentheil, ih habe oft hervorgehoben, daß ich für viele Theile unseres Staates die 16 000 Kirchenschullehrer, die wir haben, nach den gegenwärtigen Verhält- nissen für unentbehrlich erachte, aber Schwierigkeiten entstehen da ebenso wenig wie heute. i ;

Meine Herren, auf den §. 33 A. L. N. I1. 12 möte ich hier im Zusammenhang nicht weiter eingehen. Ich will durchaus aner- fennen, was die Abgg. von Bitter und Dr. Porsch angeführt haben, daß, wenn der Staat tiefer in den Säkel greift, dieje ganze Frage, die uns in dem vorliegenden Gesetz beschäftigt, sih leichter löft. Die Einschaltung des §. 33 in dieses Geseß sollte niht etwa ein Zuckerbrot sein, welches man dem Gutsherrn hinhält, fondern es war în der That ein inneres Bedürfniß, diese Frage bei der ersten Ge- legenheit aus der Welt Zu schaffen. Wir sind in peinlicher Lage, fortwährend hier in der Landesvertretung Angriffe über uns ergehen lassen zu müssen, die auf diesen §. 33 basirt sind. Die Herren werden sie wohl im Gedächtniß fo weit gegenwärtig haben, um sich der Masse der Diskussionen zu erinnern, und wenn Hr. von Bitter darauf hinwies, daß man vielleicht gut thue, den L der Vorlage zu einem besonderen Geseß für die ganze Monarchie umzugestalten, so ist das ein für mich zwar neuer Gedanke, aber ih glaube, man fann sih ihm nähern. Darüber möchte ih doch aber mit Hrn. Dr. Porsch mich verständigen, daß die Summe, welche in der Begründung genannt is, natürli feine Ab- findungsfumme sein kann, sondern daß es sich nur darum handelt, daß die G welche jährlich nach einem gewissen Durchschnitt von ‘den subsidiär verpflichteten Gutsherrschaften geleistet wurden, dauernd auf die Staatskasse übernommen werden. Daß sie auf die Staatskasse übernommen werden, hat seinen einfachen Grund darin, daß es nicht möglich ist, diese neuen Lasten auf die Gemeinden zu legen; dieselben e nit mehr leisten. Auch der Strohhalm wird endlich zu

wer.

Es wäre noch viel zu sagen über dicses Gesetz, ih hoffe aber, daß Sie aus meinen, wie ih glaube, objektiv gehaltenen Darlegungen die Ueberzeugung entnehmen, daß die Regierung mit den Majoritäts- parteien dieses Hauses und, wie ih hoffe, über dieselben hinaus gerne Hand in Hand gehen wird; denn es ist ein_eminent politisches Inter- esse, negativ wie positiv, daß das deutshe Sprachgebiet erweitert wird und Eingang findet auch in diejenigen Theile, welche sich heute hermetish abschließen. Es ist dies auf die Dauer nicht zu entbehren, es ist um so weniger zu entbehren, als unser ganzes Staatswesen dahin drängt, daß wir gemeinsam unsere Rehte und Pflichten aus- üben. Wir haben eine gemeinsame Wehrpflicht, wir haben eine gemeinsame Schulpflicht, wir haben eine gemeinsame politishe Ver- R aber es ist unmöglich, auf dem Wege fortzuschreiten, wenn es gelingt, in fkünstliher Weise große Bevölkerungsmassen abzu- {ließen von den Segnungen der deutshen Kultur. Wenn wir sie auch nicht in die deutshe Kultur zwingen wollen, so sind wir doch verpflichtet, ihnen die Wege zu ebnen, auf denen sie zu dieser Quelle gelangen können.

Déx Abg. Dr. Gneist meinte, seine politishen Freunde seien prinzipiell mit der Vorlage einverstanden, hielten aber eine Ergänzung derselben für nothwendig. Mit der gehobenen Bildung der Elementarlehrer müsse ihre Stellung als Staats- beamte. Hand in Hand gehen. Ein erweitertes Vokationsrecht des Staates werde für die Lehrer auch eine erhöhte Be- soldung zur Folge haben müssen. Die Aufhebung des §. 33 Tit. X11 Theil 2 des Allgemeinen Landrechts habe eine große Bedeutung. Wie komme der Gutsherr dazu, Schulgeld gla Kinder zu A gur welche er gar keine wirths{haftliche oder sonstige rechtliche Verantwortlichkeit und Verpflichtung habe ? Früher 1s die Gutsherrshaft au zugleih die Gerichts- und Polizeiobrigkeit gebildet und sei zur Zahlung "ver- pflichtet gewesen, wie die Landesbehörde. Die Guts: und Polizeigerihtsbarkeit habe nun aber längst aufgehört und damit auch die Verpflihtung zur Zahlung der Schullasten. Die öffentlihe Verpflichtung könne aber nicht wegfallen, so lange der Staat nicht als Substitut eintrete. L 1 des Entwurfs werde zur Folge haben, daß in der nächsten

ession alle Gutsherrschaften den Antrag auf Aufhebung des 8. 33 stellten. Damit werde endlih Klarheit entstehen. Auf die Ernennung der Lehrer könne der Stäat im Prinzip nicht verzichten, aber es liege kein Grund vor, denjenigen Verbän- den das Lehrerberufungsreht zu entzichen, welche hierzu keinen zwingenden Grund gegeben hätten. Es sei ganz natür- lih, daß in Kreisen mit nationalen Gegensägen eine Wahl der Lehrer gefährlih sei, weil Jntransigenten in das Kollegium hineinkommen könnten. Hier müsse der Staat das Ernennungs- ret haben. * Redner möchte bitten, diese Vorlage einer be- sonderen Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen.

Der Abg. von Gerlach erklärte, er spreche nur in seinem eigenen Namen. Er wolle mit dem Minister von Puttkamer feinen Ausrottungskrieg gegen die Polen, darunter verstehe er: feine gewaltsame Expropriationz er wolle mit ihm eine

dem Staate entfremdet würden und die Kluft zwischen den Polen und den Deutschen erweitert werde. Dazu diene aber das gegenwärtige Gesez. Er freue fih als Deutscher, wenn deutsche Kraft und deutshes Wesen Fortschritte machten gegen die Poien, aber nur mit Hülfe legitimer Mittel. Er halte es nit für weise, Mittel anzuwenden, welche den entgegengeseßten Zweck erreichten, so die Verminderung des fiskalischen Grund und Bodens in Posen und Westpreußen. Er halte es nicht für einen Fortschritt, wenn man Einrichtungen treffe, welche weder den Deutschen, noch den Polen Vortheile brächten, sondern einer gewissen Rasse, welche in jenen Gegenden besonders stark ver- treten sei. Diese werde den Hauptprofit von jenen 100 Millio- nen ziehen, indem sie die Hypotheken polnisher Grundbesißer aufkaufe und der Regierung diese Güter offerire. Der Haupt- zweck der Vorlage sei, der Regierung die Möglichkeit zu geben, Lehrer, welche zur Kassation noh nit reif seien, gegen die aber Ordnungsstrafen niht mehr hülfen, in andere Stellen zu verseßen. Sei diese Bestimmung eine gerechte? Mit Recht E die Stadt Thorn in einer Petition hervor, wie. viel sie ür ihre Schulen bisher gethan habe, und. wie sie inzihrem Kampf gegen das Polenthum und in ihrer Treue gegen König und Vaterland hinter keiner anderen Stadt zurückstehe, und daß das deutsch - nationale Jnteresse nicht dabei gewinnen würde, wenn die Bürgerschaft die freiwillig übernommene Schullast als eine -aufgezwungene empfinden müßte. Ganz dasselbe gelte auch von den Gutsherren. Sei es billig, daß ein Gutsherr, der vor zwei Jahren im Fnteresse der Germanisirung eine Schule. gegründet habe, nun nicht mehr seine Lehrer berufen dürfe? Redner habe selbst eine folhe Schule gegründet. Sei es weiter gereht, daß für Posen und Oppeln der §. 33 des Allgemeinen Landrechts aufgehoben werde, für Westpreußen aber §. 56 der Schulordnung und damit die Verpflichtung der Gutsherren bestehen bleibe? Die westpreußischen Gutsbesißer würden darin keinen Sporn zur Gründung neuer Schulen finden. Das beste und legitimste Germanisirungsmittel sei neben der Schule die Armee. Man solle den Polen durch höhere Jntelligenz und Sparsamkeit ein gutes Beispiel geben. Gerechte Regierung, gute Justiz! Durch e | “alginta Mittel germanisire man nicht, sondern po- onisire:

Der Abg. Graf Schwerin-Pußar stimmte dem Geseß aus nationalen Gesichtspunkten zu; konfessionelle Bedenken, wie sie der Abg. Porsch in der Vorlage gesunden habe, seien doch nur künstlich in dieselbe hinein zu interpretiren. Allerdings trete neben dem nationalen auch dér bureaukratische Charakter der Vorlage stark in den Vordergrund. Unter normalen Verhältnissen würde Redner der Verschiebung der Schul- Dotationspflicht der Privaten, eines werthvollen Stücks alt- preußischer Selbstverwaltung, niht das Wort reden können; heute aber käme in den polnischen Landestheilen der preußische Gesichtspunkt bei der Handhabung dieser Selbstverwaltungs-

auf den Staat wirklich einen besseren Shuß der Reihs- undStaats- interessen erwarten müsse. Die Verfassungsmäßigkeit des Ge- seßes stehe auch ihm nicht außer allem Zweifel, indeß werde dieses Bedenken durch die Kommissionsberathung sih hoffent- lich beseitigen lassen. Die Nothwendigkeit der Entziehung des Dotationsrechts werde von der konservativen Partei daher an- erkannt, insoweit nationalpolitische Gesichtspunkte mitsprächen die Zwecklmäßigkeit der vorgeschlagenen - Einzelbestimmungen A aber sorgfältiger kommifssarisher Prüfung unterworfen werden.

Hiernah wurde die Fortseßung der Berathung vertagt und nah einigen persönlichen Bemerkungen die Sißung um 4 Uhr geschlossen. Nächste Sizung Donnerstag 11 Uhr.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Deutsche Gemeinde-Zeitung. Nr. 8. Jubalt: Der Regierungs-Entwurf der Kreis- und Provinzial-Ordnung für die Pro- vinz Westfalen. Verfügung des Justiz-Ministers vom 9. d. M. betreffend die Vertretung des Fiskus in bürgerlihen Rechtsftreitig- keiten der Justizverwaltung der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont. Reichstags-Verhandlungen. Petitionen an den Reichstag. Dr. Kropatsheckscher Geseßentwurf für das Abgeordnetenhaus. Gesetzentwürfe bei dem badischen Landtag über die Erweiterung der Gemeindegerihtsbarkeit und über die Bestellung von Ver- gleihsbehörden in streitigen Recht2angelegenheiten. Frauen- arbeit. Betriebsergebnisse der preußishen Staatseisenbahnen im Jahre 1884/88. Veranlagung zur Klassen- und Einkommensteuer in Preußen, für das Jahr 1885/86. -— Statistische Angaben über die Kosten eines Beites in verschiedenen städtischen Krankenhäusern. Statistische Angaben über Branntweiasteuerbeträge, Branntweinkonsum und Preise des Trinkbranntweins nach den Motiven zur Branntwein-Monopol-Vorlage. Stand der Auswanderung aus Deutschland im Jahre 1885. Einrichtung städtisher Archive. Sqlesisches Trinker-Asyl. Anordnung des Berliner Polizei-Präsi- diums, betreffend die Unterbringung von Betrunkenen . während der Nacht. Nachträgliche Unterzeihnung ciner standesamtlichen Ver- bandlung dur den dabei abwesend gewesenen Standesbeamten, straf- bar nah §. 348 d. Str.-Ges.-B. Verhandlungen der Stadtver-

ordneten-Versammlung in Berlin. Festseßung eines Durchschnitts- gehalts der Volksschullehrer zu Breslan. Die Gehalt18- verhältnisse der seminaristisch und akademish gebildeten Lehrer an den Höheren Bürgershulen in Breslau. Nachträg- lihe Einstellung einer Summe in den Etat der_ Polizel-

verwaltung behufs Bezahlung der Kosten für Kleidung der Schußleute in Breslau. Erhebung einer der Hamburgs gleichartigen Bier- steuer in Altona. Polizeilihe Verweigerung der Erlaubniß zur Abhaltung von Tanzlustbarkeiten in Rixdorf. Sircit wegen der Entschädigung für von Lehrerinnen in Vertretung ertheilte Ueber- stunden in Leobshütß. Orts3geseße, Bogen 6. Ortsstatut für die Anlegung, Veränderung und Bebauung von Straßen und Pläßen in der Stadtgemeinde Hanau. Regulativ für die Gemeinde- Gui er in der Stadt Barmen.

Deutsche Landwirthschaftlihe Presse. Nr. 15. Snhalt; Mittel zur Beseitigung der Krisis. Von W. Paulfen-

Nassengrund. Feuilleton. Zur Spiritusstener. Von A. von Kliging-Stein. Der. Eisvogel. Generalversammlung der Ver- einigung deutscher landwirthschaftlichher Genossenschaften. General- versammlung des Vereins zur Förderung dex Moorkultur im Deutschen Reiche. Literatur. Sprelhsaal, Handel und Verkehr.

positive Zurücckdrängung der Agitation, wodurch die Polén

rechte dochso sehr ins Hintertreffen, daß man von der Uebertragung |

Zweite Beilage

zum Deulscheu Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 49.

Berlin, Donnerstag, den 25. Februar

* T8886.

Neichstags - Angelegenheiten.

Die Begründung des Geseßentwurfs, betref S Branntwein-Monopol, es Ee SECENTEND ARS

Bei der vor nunmehr acht Jahren begonnenen Reichssteuerreform haben die verbündeten Regierungen fich von wvornhercin die Aufgabe gestellt, aus den der Geseßgebung des Reichs vorbehaltenen, ohne jeden Zweifel noch größerer Leistungen fähigen und in den anderen Kulturstaaten auh weit ergiebiger gestalteten Einnahmequellen die auêreihenden Mittel zu gewinnen, um die finanziellen Bedürfnisse des Reichs zu befriedigen und darüber hinaus den Einzelstaaten diejenigen Einnahmen zu überweisen, die sie zur Erhaltung ihrer finanziellen Selbständigkeit und zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben bedürfen aber aus den ihnen verbliebenen Einnahmequellen nicht zu gewinnen vermögen. Dieser Zweck ist seitdem unablässig verfolgt, au mancher Schwierigkeiten und Hemmnisse ungeachtet {hon zu einem guten Theile erreiht worden. Die unser Zollwesen, die Tabaksteuer die Stempelsteuer betreffenden Geseße und deren Erfolge in den Hausbhaltsetats sowohl des Reichs als auch der Einzelstaaten geben hiervon Zeugniß. Mancher andere Schritt auf demselben Wege aber ist bisher vergeblich gethan worden, das große und weit gesteckte Ziel alfo au um fo weniger schon vollständig zu erreihen gewesen. Dies darf bei der Natur der Sache und den obwaltenden politischen Partei- verhältnissen im Reih nicht Wunder nehmen, geschweige entmuthigen und zu zeitweiligem oder dauerndem Verlassen des begonnenen Unter- nehmens führen. Das bezeichnete Ziel ist ein dur die Existenz des Reichs selbst dergestalt unmittelbar gegebenes, nothwendiges, seine Erreichung ein so eminentes und unerseßlihes Mittel zur Festigung des Reichs gegen alle Gefahren und zur dauernden Zusammenkhaltung aller seiner Glieder, daß die verbündeten Negierungen von demselben nicht ablassen können und dürfen, daß fie vielmehr, bis es endlich ganz und voll erreiht sein wird, immer erneute Bemühungen, dahin zu ge- langen, werden machen müssen. 5 ;

In dieser Ueberzeugung und im Hinblick auf die theils {hon an- erkannten, theils nicht länger zurücfzudrängenden Mehrbedürfnifse des Reichs selbst, sowie auf die notorisch weit größeren Bedürfnisse der meisten Einzelstaaten, unter denen die umfassende und nachhaltige Erleichterung des Drucks der Kommunal- und theilweise auch der Schullasten ovenan steht, haben die verbündeten Regierungen \ih angelegen sein laffen, die Weiterführung der Reichs\teuerreform jetzt auf einem Gebiete vorzubereiten, auf dem cs wohl möglich und unbedenklih erscheint, einen großen Schritt zu dem gestecktên Ziele hin zu machen, auf dem Gebiete der Branntweinbesteuerung. :

__ Daß der Branntwein ein vorzügliches Objekt der Besteuerung bildet und sehr hohe, dem Maße der zu befriedigenden dringenden Bedürfnisse des Reichs und der Cinzelstaaten annähecnd entsprechende Erträge zu liefern vermag, wird fast allfeitig anerkannt und ist angesichts des thatsählihen Ergebnisses seiner Besteuerung in anderen Ländern nicht zu bestreiten (vergl. Anlage A).

Neben der verstärkten Heranziehung des Branntweins zur Tragung der Staatslasten wird aber bei einer Reform der Brannt- weinsteuer als zweites nicht minder wichtiges Ziel die Bekämpfung der allgemein beklagten und verurtheilten Branntweinpest ins Auge zu fassen_sein. Welchen ie Reu der übermäßige Brauntweingenuß auf die Sittlichkeit und die wirt \chaftlihen Verhältnisse der Trinker hat, wie dadurch der Wohlstand zahlreiher Familien untergraben und die Verderbniß der nahwacsenden Generation vorbereitet wird, ist allgemein bekannt. Die rasche Zunahme der verheerenden Wirkungen des Alkoholismus veranschaulicht die Anlage B.

Danach . hat die Zahl der in den allgemeinen Krankenhäusern wegen chronishen Alkoholismus und Säuferwahnsinns neu auf- genommenen Kranken seit dem Iahre 1881 in ganz außer Verhältniß zur Zunahme der Bevölkerung stehender Weise sich vermehrt. Während ihre Zahl in jenem Jahre für das Deutsche Reich 4143 (oder 9,2 auf 100 000 Einwohner) betrug, war sie im Jahre 1884 auf 8954 (oder 19,8 auf 100 000 Einwohner) gestiegen. Sie hat sich demnah im Laufe von drei Jahren mehr als verdoppelt. Die Zunahme ver- theilt sih zwar nicht gleichmäßig über das ganze Reich, vielmehr hat den bei Weitem größten Antheil daran Preußen, wo die Zahl der Fälle von 2821 im Jahre 1881 auf 7001 im Jahre 1884 gestiegen ist; aber auch in den meisten anderen Bundesstaaten ist die Zahl der Fälle während des gleichen Zeitraums gewachsen. Auch bei der Zahl der in den JIrrenanstalten des ‘Deutschen Reichs an „delirium potatorum“ behandelten Kranken ist eine im Wesentlichen auf die Srrenanstalten Preußens entfallende Zunahme ersichtlih. Diesem die einzelnen Familien sowohl als auh die Gemeinden und den Staat ernstlih bedrohenden Nothstande entgegenzuwirken, erscheint dringend geboten.

Weitgehende Meinungsverschiedenheiten bestehen freilich über den Weg, welcher bei uns zur Reform der Branntweinbesteuerung einzu- \hlagen sei, und den einander gegenscitig verwerfenden Urtheilen wird man dahin zustimmen müssen, daß in keinem der dieserhalb bisher gemachten Vorschläge eine annehmbare Lösung der Aufgabe zu finden ist, weil sie sämmtlih unter den bei uns obwaltenden Verhältnissen überhaupt nicht oder nur mit offenbar überwiegenden Nachtheilen und Gefahren zur Erreichung der vorbezeihneten Ziele führen würden. Zunächst könnte eine Erhöhung der Maischraumsteuer in Betracht fommen. Diese Steuer, die für Preußen bereits seit dem Jahre 1820 in Wirksamkeit ist, in der Folgezeit in dem gesammten Gebiete der norddeutschen Branntweinsteuergemeinschaft Eingang gefunden hat, au in Belgien, Dänemark, Württemberg, sowie in beschränktem Maße in Bayern besteht, hat dur den ihr innewohnenden Antrieb, aus einem möglichst kleinen Maischraum die größtmögliche Ausbeute an Alkohol zu erzielen, in dem Gebiete der Branntweinsteuergemeinschaft eine außerordentliche Ausbildung des technischen Betriebes der Branntwein- industrie bewirkt. Auch hat sie den Anbau der Kartoffel, welche zur Gewinnung der höchsten Ausbeute an Alkohol aus einem möglichst feinen Maishraume am meisten geeignet ist, in hohem Grade gefördert und hiermit auf die Landwirthschaft und die gesammte länd- liche Bevölkerung, namentlich in den sandigen, für keine andere Frucht- art eine lohnende Kultur bietenden Bodenflächen der östlichen Provinzen Preußens auf das segensreichste eingewirkt.

Andererseits sind die mit der Maischraumfsteuer' verbundenen Nah- theile nicht zu verkennen. Vor allem hat sie eine erhebliche Ungleichheit der Besteuerung zur Folge, da das Mal der auf dem Branntwein lastenden Steuer von der Ausbeute an Alkohol abhängt, welche aus dem Maischraume erzielt wird. Diese Ausbeute aber s{hwankt je nah Material und Betriebseinrihtungen zwischen 31/2 bis 11/6 und in demselben Maße verschieden ist daher auch die Steuerbelastung des Branntweins. Die Folge davon ist eine bedeutende Beeinträchtigung der kleineren, mit unvollkommenen technischen Betriebseinrihtungen versehenen Brennereien. Einen Belag dafür gewährt die Anlage C. Dieselbe bezicht sich zwar nur auf die sieben östlichen Provinzen

reußens. Da indeß die in den leßteren aufkommende Maischraum- teuer mehr als zwei Drittel der gesammten deutschen Brutto- einnahmen an Branntweinsteuer ausmacht (vergl. Anlage D.), so genügen die Daten, um eine Uebersiht darüber zu gewinnen, welche Folgen die Maischraumbesteuerung für die kleinerên Brenne- reien gehabt hat. Hiernah sind seit dem Jahre 1845, während

ih die Bruttoeinnahme von 13 527 398 4 auf 44803787 4. ob, die unter 150 M jährlich Steuer zahlenden Brennereien von 591 auf 50, die von 150 bis 1500 M steuernden von 2185 auf 393 und die von 1500 bis 15 000 M steuernden von 1887 auf 1699

zurückgegangen. Nur die mehr als 15 000 Æ Steuer zahlenden Brennereien haben sich von 115 auf 1209 vermehrt. Im Ganzen hat also in diesen besonders auf die Branntweinproduktion ange- wiesenen Provinzen die Zahl der Brennereien um 1427 abgenommen. Gleichzeitig ist die Steuereinnahme aus den als „landwirthschaftliche“ steuernden Brennereien von 593 217 M auf 386 331 M herabgegangen, die durchweg kleineren (niht über 10301/2 1 Bottichraum pro Tag bemaischenden) Brennereien, welche unter diese Kategorie fallen, haben mithin troß des ihnen gewährten Steuernachlasses der Kon- kurrenz der großen Betriebe gegenüber niht ihre volle Produktion aufrecht erhalten können. Aehnlihe Erscheinungen - sind auch ander- T er vornetreten, Mai

Ferner führt der im Maishraumsteuersystem liegende Antrieb, aus dem Maischraum eine E bohe Alkoholausbeute zu erstreben, vielfach zu cinem irrationellen Dickmaischverfahren, welches das Zurück- bleiben cines Theiles des Alkohols in der Schhlempe bedingt. Die durch diese Materialverschwendung jährlih entstehenden Verluste belaufen sih auf Millionen.!

Sodann bereitet diese Besteuerungsart große Schwicrigkeiten in Bezug auf eine gerechte Regelung der Ausfuhrvergütung, da bei der Verschiedenheit der aus dem Maischraum gewonnenen Alkoholausbeute und somit auch der in Wirklichkeit auf dem Branntwein ruhenden Steuer die Ausfuhrvergütung fih häufig entweder zu Ungunsten des Exportirenden zu niedrig oder zum Nachtheil des Fiskus zu hoch gestaltet und im letzteren Falle zu einer Ausfuhrprämie wird.

Endlich sind mit diesem Besteuerungsmodus gewisse behufs Verhütung von unerlaubten Vergrößerungen des Maischraumes unerläßlihe Kontrolen verbunden, durch welche die Freiheit des Betriebes erheblich beschränkt wird.

_Diefe Nachtheile aber würden sich offenbar in noch weit stärkerem T fühlbar machen, wenn eine Erhöhung der Maischraumsteuer einträte.

Von vielen Seiten ist ferner zur Erzielung höherer Ein- nahmen vom Branntwein die Einführung einer Fabrikatsteuer in Vorschlag gebracht.

Der charakteristishe Unterschied dieser Besteuerungsform von der Maischraumsteuer besteht darin, daß fie eine gleichmäßige Steuer- bélastung des gewonnenen Branntweins ohne Rücksicht auf die Menge und Art des verwendeten Rohmaterials und die Größe des Betriebes herbeiführt ; bei den eigenartigen Produktionsbedingungen Deutschlands stehen der Fabrikatsteuer aber gerade mit Rücsiht auf die vor- bezeihnete Wirkung fo ernste Bedenken entgegen, auh würden sich die dur den vorliegenden Geseßentwurf angestrebten Ziele mit ihr fo wenig erreichen lassen, daß sie als für deutshe Verhältnisse durhaus ungeeignet zu bezeichnen ift.

Unter der Herrschaft der Maischraumsteuer hat {ih die Brennerei- industrie in ihrem Haupttheile (ctr. Anlage B.), wie {on oben erwähnt, in den humusarmen, sandigen Gegenden des Ostens und Nordostens Deutschlands als wichtigstes landwirthschaftliches* Neben- gewerbe angesiedelt, diesen ganz vorzugsweise auf den Anbau der Kartoffel angewiesenen Gegenden ‘die Möglichkeit gewährend, ihr Hauptprodukt nußbringend zu verwenden, mit Hülfe der Brennerei- rückstände einen vermehrten Viehbestand zu unterhalten und dur diesen wiederum reihliheren Dünger zur Bestellung der Felder zu gewinnen. Mit Einführung der Fabrikatsteuer würde der in dêm Prinzip der Maischraumbesteuerung liegende Antrieb, die Kartoffel als vorthetlhaftes Maischmaterial zu verwenden, in Fortfall kommen, mit geringeren Kosten würde aus anderen Fruchtsorten, namentlich aus Rüben, Branntwein hergestellt werden können, Zuckerfabriken würden in Jahren, in welchen die Branntweinbereitung vortheilhafter als die Zuerfabrikation erschiene, ihre Rüben auf Alkohol statt auf Zucker zu verarbeiten in der Lage sein, wie dies

in Frankreich bereits vielfach geschieht, und der Brennerei- betrieb würde nicht mehr ein den Zwetten der Landwirth- chaft dienendes Nebengewerde bleiben, fondern unter völliger

Loslösung von dieser sih zu einzelnen selbstständigen Großbetrieben mit bedeutendem Kapital konzentriren, wie dies das Beispiel des die Fabrikatsteuer besißenden England beweist, in welhem im Jahre1882/83 nur noch 13 Brennereien existirten, welhe durhschnittlih jährlich je 7 500 000 M Steuer zahlten. Die Brennereien der auf den Kar- toffelbau angewiesenen Gegenden würden fich dieser Konkurrenz gegen- über nicht halten können, sondern ihren Betrieb erheblich beschränken, wo nicht ganz einstellen müssen, der Preis der Kartoffeln würde be- trächtlih sinken und hierdurch in den weiten auf den Kartoffelbau angewiesenen Gegenden niht nur der Brennereibesißer, sondern jeder an die Brennereien Kartoffeln verkaufende Landwirth schwer geschädigt werden, eine Verringerung des mit Hülfe der Schlempe erhaltenen Viehstandes und folglich auch der Düngergewinnung müßte eintreten, das Sinken der Löhne für die ländlichen Arbeiter, welche, heute ganz besonders in Folge des gewinnbringenden Baues der Hackfrucht, lohnende Beschäftigung finden, wäre unvermeidlib. Die gesammten Cristenz- bedingungen sehr großer und wichtiger Volks\chichten in jenen Gegenden würden fomit empfindlih geschädigt, ihre Kaufkraft bedeutend ver- ringert und hierdurch wiederum alle diejenigen Geschäfts- und Industrie- zweige in wesentliche Mitleidenshaft gezogen werden, deren Abnehmer jene Bevölkerungsklaffen sind.

Diesen verderblichen Wirkungen der Fabrikatsteuer ließe sich nur dur Kontingentirung der bestehenden und Konzessionszwang für neu zu errichtende Brennereien entgegenwirken; die gleichen Mittel, welche die §8. 4 und 9 des vorliegenden Monopolgeseßentwurfs vorschlagen, würden also auch bei der Fabrikatsteuer nothwendig werden, oder es müßte die Branntweinbereitung aus den der Kartoffel mit einer gefährlichen Konkurrenz drohenden Stoffen überhaupt verhindert und somit über das Maß der durch das Monopol gebotenen Eingriffe in die wirthschaftlichen Verhältnisse noch hinausgegangen werden.

_Jedoh auch diese Mittel würden den beabsichtigten Erfolg nur theilweife haben, vollends aber würde die Fabrikatsteuer sich unfähig erweisen, die mit der Reform der Branntweinsteuer zu erstrebenden Ziele zu erreichen.

_Um mit der Fabrikatsteuer eine der Steuerfähigkeit des Brannt- weins einigermaßen entsprehende Einnahme zu erstreben, müßte die jeßt 16 bis 17 M pro Hektoliter reinen Alkohols betragende Steuer mindestens verachtfaht werden. Den Produzenten gegenüber würde dies troß Kontingentirung, Konzessionszwang und Ausfchließung einzelner Stoffe von der Branntweinbereitung gleichbedeutend urtit der O fast aller kleineren Brennereien sein, da weitaus die Mehr- zahl ihrer Besißer niht die Mittel besäße, fo bedeutende Summen zu verauêlagen. Daß insbesondere die in Bayern, Württemberg und Baden zu Tausenden vorhandenen Kartoffelbrennereien kleinster Art unter solchen Verhältnissen nicht fortbestehen könnten, ist zweifellos. Die Höhe der Steuer würde also einen ähnlichen Erfolg wie ohnè Kontingentirung und dergleichen die übermächtige Konkurrenz haben: Loslösung des Brennereibetriebes von der Landwirthschaft und Konzentration desselben in wenigen großen und fapitalkräftigen Fabriken.

Eine entsprehende Wirkung wäre den mit dem Branntweinhandel beschäftigten Gewerben gegenüber unvermeidlih, auch hier würden die mit geringeren Mitteln ausgestatteten Betriebe den gesteigerten An- forderungen an das Kapital nicht entsprechen können und fi, ohne auf eine Entschädigung von Seiten des Reiches rechnen zu dürfen, zur Aufgabe ihrer Thätigkeit gezwungen schen. Die übrigen würden \ih für die ihnen erwachsenden größeren Auslagen durch bedeutend erhöhte Preise entschädigen müssen. Den Konsumenten gegenüber würde dies eine über diejenige Preissteigerung, welche im Interesse

der Bekämpfung der Trunksucht gerechtfertigt und geboten erscheint und in dem Monopolpreise zum* Ausdruck gelangt, erheblich hinaus- grtare Vertheuerung des fich in berechtigten Grenzen haltenden

ranntweingenusses bedeuten, hierdurch aber würde ein so erheblicher

Konsumrügang eintreten, daß der finanzielle Erfolg der Fabrikat- steuer ernstlich gefährdet erschiene.

: Gbenfowenig bietet die Fabrikatsteuer die Mittel, um den schäd- lihen Folgen des übermäßigen Branntweingenusses mit * genügender Sicherheit entgegentreten zu Tönnen. Denn ein eben so großes Gewicht wie auf die Verminderung der Quantität ist im sanitären Interesse auf die Verbesserung der Qualität des zum Konsum gelangenden Branntweins e legen. Es kommen in allen aus mehligen Subitanzen hergestellten Branntweinen, besonders dem Kartoffelbranntwein, neben dem Hauptprodukt des Gährungsprozesses, dem Acthylalkohol, die \o- genannten {weren Alkohole vor. Diese Stoffe, von welchen die Amylalkohole unter dem Namen der Fuselstoffe am bekanntesten sind, wirken ganz besonders verderblih und intensiv auf die Funktionen des menschlichen Organismus und sind die vornehmlichsten Ursachen der nachhaltigen Säuferleiden. Sie laffen sich nur dur eine äußerst sorgfältige Reinigung entfernen, alsdann ist aber die Schädlichkeit des Kartoffelbranntweins nit größer wie die des von vornherein fuselfreien Weingeistes. Der jeßt zum Konsum gelangende billigere Branntwein ist jedoch zu einem außerordentlih großen Theile die Schäßungen Sachverständiger gehen bis zu zwei Dritteln des ganzen Konsums ungenügend oder gar nicht gereinigt, oder besteht gar aus den billigsten, an jenen giftigen Stoffen besonders reichen Anfangs- und Endprodukten des Destillationsprozesses. Häufig werden jeßt dem Branntwein auch andere schädliche Substanzen zugeseßt, um ihn berauschender und stärker zu machen. Die Fernhaltung solher Stoffe von dem Trink- branntwein ist danah eines der wichtigsten Erfordernisse, um den verderblichen Wirkungen der Trunksucht Einhalt zu thun. Dies zu erreihen würde es, so lange die Trinkbranntweinfgbrikation der Privatthätigkeit überlassen bliebe, rigoroser Strafbestimmungen und tief in den Gewerbebetrieb eingreifender polizeiliher Vorschriften be- dürfen, ihr Erfolg würde aber unter einer hohen Steuer nur ein äußerst geringer sein; denn es liegt auf der Hand, daß mit der Steigerung des Alkoholpreises auh der Antrieb zur gewinnbringenden Vermischung des Trinkbranntweins mit Fuselstoffen und anderen \{chädlihen oder beraushenden und den Geshmack des Trinkers reizenden Stoffen von geringerem Werthe wächst.

__ Ganz ähnlich wie hinsihtlich der Fabrikatsteuer liegen die Ver- hältnisse bezüglich einer Konsumtionssteuer vom Branntwein, wie sie in Hre besteht. Denn da auch diese Steuer auf dem Fabrikate nah Maßgabe - seiner Menge und Stärke ruht, so gleiht sie nah Wesen und Wirkungen der Fabrikatsteuer und unterscheidet sih von der leßteren nur insofern, als sie niht n der Produktionsstätte, sondern erst beim®* Nebergang des Branntweins in- den Konsum erhoben wird. Fast alle Gründe, - welhe gegen die Einführung der S sprehen, kommen daher in gleiher Weise der

onsumtionssteuer gegenüber zur Geltung ; - da bei ihr aber eine

Ueberwachung des sämmtlichen Branntweins bis zu seiner Konsumtion erforderlih wäre, so würde außerdem der gesammte Handel und Verkehr mit Branntwein den einschneidèendsten Kontrolen zu unter- werfen sein, welche in Deutschland bei Weitem lästiger empfunden werden und s{wieriger durchführbar fein würden, als in dem von Alters her an Octrois gewöhnten Frankreich.

Sämmtlichë oben erörterte Besteuerungsarten sind hiernach durh- aus ungeeignet, die bei einer Reform in der Besteuerung des Brannt- weins ins Auge zu fassenden Ziele zu erreihen. Das einzige Mittel hierzu bietet bei sorgfältiger Crwägung aller in Betraht kommenden Verhältnisse ein den Grundsäßen des vorliegenden Entwurfs folgendes Branntweinmonopol.

Der Entwurf überläßt die Herstellung rohen Branntweins der privaten Gewerbsthätigkeit (S. 1). Eine Einwirkung der Monopol- verwaltung auf die Produktion ist nur insoweit vorgesehen, als unbedingt nothwendig erscheint, um einer übermäßigen Produktion entgegen zu wirken (§8. 4 und 95).

Dagegen soll der Bezug sämmtlichen inländischen rohen Brannt- weins von den Herstellern, der Bezug von Branntweinen aller Art aus dem Auslande die Reinigung des Branntweins und dessen weitere Verarbeitung zu alkoholishen Getränken für den inländishen Bedarf, sowie der weitere Verkauf von Branntweinen aller Art, aus\cließlich dem Reiche zustehen und für Rechnung desselben betrieben werden. Der Absaß im Großen wird durh Agenten, der Absaß im Kleinen durch Verscleißer erfolgen (§8. 2 und 3). Wichtige Ausnahmen sind im Interesse der privaten Erwerbsthätigkeit zugestanden, indem Gast- wirthen, Kaufleuten und dergleichen der Verkauf von Branutwein ge- stattet werden kann (8. 29), und indem die Reinigung des für aus- ländische Märkte bestimmten Branntweins und die Herstellung alko- C Getränke zur Ausfuhr der Privatindustrie überlassen bleibt

Der Brennereibesißer hat den gesammten gewonnenen Brannt- wein an die Monopolverwältnng abzuliefern (§. 21), auf diese gehen mit der Abnahme Eigenthum und Gefahr über (8. 22).

Um die Monopolverwaltung zu sichern, daß in. der That der gesammte im Inlande produzirte Brannkwein in ihre Hände gelangt, haben gewisse Betriebseinrichtungen und Kontrolen vorgeschrieben werden müssen (§8. 6 bis 16). Für die kleinen Brennereien sind indessen sehr wesentlihe Erleichterungen zugestanden (S. 17).

Die Ankaufspreise des Branntweins werden innerhalb geseßlich bemessener Grenzen vom Bundesrath bestimmt 23). Ebenso wird von dem Bundesrath innerhalb geseßlich bemessener Grenzen der Tarif festgeseßt, nah welchem der Preis beim Verkauf alkoholischer Getränke im Inlande von der Monopolverwaltung zu erheben ist. Zu anderen Zwecken, als zur Herstellung alkoholischer Getränke wird der Branntwein zu ermäßigten Preisen abgegeben (8. 26).

Zum Schuß gegen die Gefahr von V efranbeR dienen amtliche Revisionen, ferner eine Geräthe- und Transportkontrole (§8. 32 bis 37). Privatpersonen, welche nit als Agenten oder Verschleißer der Monopolverwaltung fungiren, dürfen nur eine bestimmte Menge von Branntwein in ihrem Besiß haben (§. 39). Fremde Ansprüche auf den für die Monopolverwaltung bereiteten Branntwein sind aus- geschlossen (§. 41) :

n S esta Bua, bee G Ae die §8. 42 bis 70.

__ Die Hauptbestimmungen des Geseßes follen mit dem 1.

1888 n A en best M / E

In. den Uebergangsbestimmungen (§8§. 72 bis 84) sind wefentliche Vorschriften über die Behandlung des am 1. August 1888 im Ia lande lagernden , Branntweins, ferner über die zu zahlenden Cnt- (ad gangen geSosen, g

ie Schlußbestimmungen (§8. 85 bis 89) beziehen sih auf den Aus\{luß einzelner Theile des Reichsgebiets von den B Em EN des Geseßes, auf den Maßstab für die Vertheilung der Einnahmen unter die Bundesstaaten, auf das Verhältniß zu den Kommunen, so- wie quf die Einführung des Gefeßes in den zur Branntweinsteuer- gemeinschaft niht gehörenden Staaten.

Die beigefügte Ertragsberehnung \chließt mit einem Reinertrage des Monopols von rund 303 000000 ab. Eine angemessene Mee Lu dem Branntwein wird daher auf dem eingeschlagenen

ege erreicht.

Daneben bietet das Monopol und nur das Monopol die wirk- samsten Waffen zum Kampfe gegen den Alkoholismus. Nicht nur tritt mit dem in dem Entwurf angeseßten Verkaufspreis von 2 bis