1886 / 294 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Dec 1886 18:00:01 GMT) scan diff

14. Dezember. (W. T. B.) Wie die heutigen Morgenblätter mittheilen, verbleibt bien bulgarische De- utation noch ein oder zwei Tage hier. ah N Pest, 11. Dezember. (Wn. Ztg.) Der Finanzaus- \chuß des Abgeordnetenhauses erledigte den Vor- anschlag des Justiz-Ministeriums unverändert.

Grofßbritanuien und Frland. London, 10. Dezember.

A. C. eute Mittag fand ein Ministerrath ftatt. Es Ea daß der Lordkanzler von JFrland, Lord Ashbourne, im Conseil den Antrag gestellt hat, alle

irishen Parlamentsmitglieder, wel he sich mit dem Einkassiren von Pachtzinsen befassen, wegen Komplotts ver- aften zu lassen. E N

ha! Nach den Berichten des „United Freland“ haben bis jeßt die Pächter von 32 irischen Gutsfkomplexen_ ihre Pacht Vertrauensmännern eingehändigt. Die irischen

tarlamentsmitglieder Dillon, Harris und Sheehy L: gestern die Pachtzinsen der Pächter Lord Clanricarde's, Lord Clancarty's, Lord Clonbrook’s und des

Hrn. Dominick Burke in Loughrea ein. / S 11. Dezember. (A. C.) Der gestrige Minister- rath war, wie es heißt, hauptsählih Fragen der auswär- tigen Politik, insbesondere der bulgarischen und egyp- tishen Frage gewidmet. Die irishen Angelegenheiten wurden ebenfalls berührt; die Regierung sah sich jedo, dem Vernehmen nach, nicht veranlaßt, ihre Ansichten über die von der irishen Vollzugsregierung einzunehmende Haltung, die seitdem die Zustimmung der unionistischen Liberalen gefunden zu haben scheint, zu ändern. Die egyptishe Frage, zu deren Prüfung jüngst ein besonderer Kabinets-Ausshuß er- nannt wurde, hat angeblich eine wichtige Phase erreiht, und es dürften die Unterhandlungen zwishen Sir Henry Drummond Wolff und der Pforte binnen einer Woche in Konstantinopel wieder angeknüpft werden. 2

Einer Reuter'schen Depesche aus der Kapstadt, vom 9. ds., zufolge ist zwischen der Kap-Regierung und den Pondo-Häuptlingen ein befriedigendes Abkommen zum Abschluß gelangt. Der Friede ist somit jeßt gesichert und die eingeborenen Mannschaften werden entlassen,

Bombay, 13. Dezember. (W. T. B.) Seine König- lihe Hoheit der Prinz Friedrih Leopold von Preußen ist in Ulwar eingetroffen und stattete dem Maharadja einen Besuch ab.

Frankreich. Paris, 12. Dezember. (Köln. Ztg.) Das „Journal officiel“ bringt die das neue Kabinet betreffenden Erlasse. Darnah wird die Kultus-:Verwaltung mit dem Ministerium des Jnnern vereinigt, Goblet zum Minister des

Jnnern und des Kultus ernannt und zugleih mit der vorläufigen Leitung des Ministeriums des Aeußern betraut. Die Erlasse sind von Hrn. de Freycinet gegengezeihnet; dann folgen neun von Goblet gegen-

gezeichnete Erlasse, welhe die übrigen Minister ernennen,

nämlich Sarrien (Justiz), Dauphin (Finanzen), General Boulanger (Krieg), Admiral Aube an und Kolonien), Berthelot (öffentliher Unterricht), Lo ckr oy (Handel und Jndustrie), Eduard Millaud (öffentlihe Arbeiten), Develle (Ackerbau), Granet (Post und Telegraphie). Gs war das erste Mal, daß ein Kabinet vor die Kammer ‘trat, ohne daß das amtliche Blatt die Ernennung desselben gebracht hatte, und dies geshah auf Wunsch des Präsidenten Grévy, der damit dem Ende der Krisis Ausdruck geben wollte. Feden- falls wird man dem Kabinet Goblet die von ihm verlangten

wölftel bewilligen, zumal Präsident Grévy entschlossen ist, die Kammer aufzulösen, falls Goblet dur eine royalistisch- radikale Mehrheit ein Mißtrauensvotum erhält.

(Fr. C.) Die Erklärung, welche der Conseils- Präsident Goblet am 11. d. M. in den beiden Kammern verlesen hat, lautete wie folgt:

„Meine Herren! Indem wir uns Ihnen heute vorstellen, ver- bhehlen wir uns niht die Schwierigkeiten unserer Aufgabe. Die unbedingte, rückhaltlose, alle versönlihen Erwägungen hintansetzende Hingebung, die jeder Republikaner dem Lande und der Republik schuldet, hat es,uns zur Pflicht gemacht, diese Aufgabe anzunehmen, und flößt uns die Hoffnung ein, sie erfüllen zu können. Da wir von den gleihen Gefühlen beseelt sind und das gleiche Ziel erstreben, so ist es unmöglich, daß wir uns zu dem gemeinsamen Werke, das uns die Umstände auferlegen, niht sollten einigen fönnen. Welches ist dieses Werk? Wir wollen versuchen, es genau zu bezeichnen. Bezüglich des Auswärtigen glauben Sie sicher, wie wir, daß wir nihts Besseres thun könnten, als die gleichzeitig vorsichtige und feste Politik fortseßen, die kürzlih auf dieser Tribüne mit so vielem Ansehen von vem hervorragenden Vorsitzenden des vorigen Kabinets dargelegt und von der ganzen Kammer gebilligt worden ist. Nach innen gestattet uns die Lage, in die uns die Wahlen vom Oktober 1885 verseßt haben, keine großen Verbesserungen. Unsere Hauptpflicht ist, gut zu regieren und gut zu verwalten, um die Be- völkerung, die man der Republik zu entfremden gesucht hat, endgültig für sie zu gewinnen. Die leßten Wahlen zeigen, daß die seit jener pes befolgte Politik diese glücklihe Wirkung in der That ge-

abt hat. Was die durh die Wahlprogramme aufgeworfenen Fragen betrifft, so scheint uns, daß mehrere derselben, über die wir unbestreit- bar getrennter Meinung sind, zu dieser Frist nicht mit Erfolg in Angriff genommen werden können. Man is feinem Programme dadurch nicht untreu, daß man die Punkte desselben, in denen man feine Mehrheit zu erlangen sicher ist, vertagt. Wir behalten über jede dieser Fragen unsere besonderen Meinungen, erklären Ihnen aber bündig, daß es niht in unserer Absicht liegt, sie Ihrer Prüfung zu unterbreiten, denn es giebt Reformen, bezüglich deren es weder dem Parlament, noh der Regierung zusteht, der öffentlichen Meinung vorauszueilen, und die man niht vornehmen kann, bis das Land sich ausdrücklich für sie ausgesprohen hat. Andere Fragen im Gegentheil, nicht minder ernste, und deren Lösung die gesammte Mehr- heit ungeduldig zu erwarten scheint, werden unverzüglih von uns in Angriff genommen werden, mit dem festen Willen, sie zu lösen. Das erste Bedürfniß des Landes ist die Ordnung der Finanzen, die Auf- rihtigkeit und Regelmäßigkeit unseres Budgets. Wir werden gleich bei Eröffnung der nächsten Tagung in der Lage sein, Sie in den Stand zu seßen, die Annahme des Budgets für 1887 zu vollenden. Ueberzeugt, daß nur ernstlihe Ersparnisse, verbunden mit einer Um- gestaltuug unseres Steuersystems, den verschiedenen öffentlichen Dienst- zweigen thre unerläßlichen Hülfsquellen sichern können, ohne die hon sehr \chweren Lasten zu vermehren, werden wir Ihnen gleichzeitig mit dem Budget für 1888 die zur Verwirklihung jener Reformen erforderlihen Geseßvorshläge unterbreiten Die Kammer hat ihren Willen kund gegeben, unsere Verwal- tungsorganisation, die vom Anfang dieses Jahrhunderts datirt, zu vereinfahen. Wir maßen uns nicht an, eine solhe Umge- staltung mit einem Schlage zu bewerkstelligen, aber wir werden fie von jeßt an unternehmen und in dem Maße fortseßen, in welchem sie uns mit den Anforderungen des Dienstes und den Regierungsnoth- wendigkeiten vereinbar \{cheinen wird. Wir wollen weder die Verwaltung in Unordnung bringen, noch die Regierung entwaffnen, welche immer noch mit verfassungsfeindlihen Parteien zu kämpfen

lich und regelmäßig verwirklichen, von welher man hat fagen ay daß sie vielleiht die tiefgreifendste gesellschaftliche Umwälzung bildet, die seit 1789 in Frankrei verwirkliht worden ist. Sie werden unsere Schulgeseßzgebung durch die Annahme der Vorlage, betreffend die Gehalte und Stellung der Volksschullehrer, zu ergänzen haben. Fügen wir all diesen Arbeiten noch die Annahme der Militär eseße, die Prüfung der Vorlagen, betreffend den Ackerbau, die gewerblichen und Arbeiterinteressen, die Organisation der Ausstellung von 1389

hinzu, so haben wir das genaue Bild der Ausgaben vor- geführt, die unseres Erachtens auszuführen nüßlich und noth-

wendig ist. Meine Herren! Wenn es uns gelänge, dieses Werk zu vel, bem Ziel ! D würden wir niht den Wünschen des Landes entsprochen, scinen dringendsten Bedürfnissen Befriedigung gewährt und sein Vertrauen in die Republik befestigt haben ? Glauben Sie nicht, ein solches Unternehmen lohne die Mühe, eine Mehrheit znsammenzuschaaren? Was uns betrifft, fo wollen wir Ihr Ver- trauen weniger durch Ausdehnung unserer Versprehungen, als dur Eifer und Treue in Erfüllung derselben verdienen. Heute begehren wir von Ihnen Kredit für einige Wochen; Sie werden uns denselben bewilligen, wenn Sie unsere Erklärungen gutheißen, indem Sie die vorläufigen Zwölftel der Steuern genehmigen, die wir in Folge des herangekommenen Jahresendes nachzusuchen gezwungen sind.“

13. Dezember. (W. T. B.) Der „Agence Havas“ zufolge lehnte auch der französishe Botschafter Decrais in Wien das Ministerium des Aeußern ab, jedoch in Ausdrücen, welche die Annahme zulassen, daß seine Ablehnung keine endgültige sein werde.

Jn dem heutigen M inisterrat h wurde beschlossen, von der Bevutirten T die provisorishe Bewilli- gung von nur zwei Zwölfteln der Jahreseinkünfste zu verlangen. Die Annahme dieses Antrages kann als sicher betrachtet werden, da die drei Gruppen der Linken in ihrer heutigen Sizung sich zur Bewilligung der beiden Zwölftel bereit erklärt haben. Den Abendblättern zufolge wird in parlamentarishen Kreisen allgemein eine Auflösung der Deputirtenkammer als im nächsten Jahre unvermeidlich be- eichnet.

E 13. Dezember. (W. T. B.) Der Sektions-Präsident im Staatsrath, Flourens, ehemaliger Direktor im Kultus- Ministerium, is zum Minister des Auswärtigen er-

nannt worden.

Ftalien. Rom, 13. Dezember. (W. T. B.) Bei dem heute stattgehabten Leichenbegängniß Minghetti's war der König durh den Herzog von Aosta vertreten. Die Präfidenten der Kammern, Graf Robilant und andere Würden- träger hielten die Zipfel des Bahrtuches. Zahlreihe Mit- glieder des Klerus schritten dem Leichenwagen voran, dem eine sehr große Menge Leidtragender folgte. Die Leiche wurde in einer Kapelle nächst dem Bahnhofe beigeseßt und wird nah Bologna übergeführt werden.

Griechenland. Athen, 13. Dezember. (W. T. B.) Die anläßlih der Großjährigerklärung des Kron- prinzen veranstalteten Festlichkeiten sind aufs Glänzendste verlaufen. Der König drückte in einer öffentlihen An- sprache den Dank für die bewiesenen Sympathien aus und erklärte: er habe seinen Sohn in patriotischer Gesinnung er- zogen. Der Kronprinz wies darauf hin, daß er eng mit der Nation verbunden fei, und daß er hoffe, ‘den Wünschen Griechenlands zu entsprechen. e 14. Dezember. (W. T. B.) Dem Selig gingen Seitens der europäischen Souveräne anläßli der Großjährigkeit des Kronprinzen Glückwünsche zu. Der Kronprinz empfing zahlreihe Ordensdekorationen.

Serbien. Belgrad, 13. Dezember. (W. T. B.) Aus Anlaß der Großjährigerklärung des Kronprinzen von Griechenland wurde heute auf Veranlassung des hiesigen griehischen Gesandten in der Kathedrale ein Tedeum abgehalten, welchem die Minister, das diplomatische Corps und die hiesige griehishe Kolonie beiwohnten. Später fand bei dem griechishen Gesandten ein Gratulations- empfang statt.

Rußland und Polen. Die bereits telegraphisch signalisirte Kundgebung des „Regierungs-Anzeiger“ lautet, nah einer Uebersezung des St.Petersburger „Herold“, vollinhalt- lih folgendermaßen:

„Das Cirkular des Ministeriums des Aeußern an unsere Ver- treter an den auswärtigen Höfen, wovon die ausländische Presse Kenntniß bekommen , hatte den Zweck, die Anschauung der Kaiserlihen Regierung über die Resultate der An- wesenheit des General-Majors Baron Kaulbars in Bulgarien zum Ausdruck zu bringen. a

Áls der Fürst Alexander von Battenberg Bulgarien verließ, übergab er die Verwaltung des Landes einer Regentschaft von ihm selbt auserwählter Persönlichkeiten, von denen si einige bereits früher für blinde Feinde Rußlands erklärt hatten. Die Bedingungen, unter denen sih die Regentschaft konstituirte, beraubten sie der Bedeutung einer geseßlichen Regierung. Da aber die faktishe Macht sich in ihren e befand, so hielt es die Kaiserliche Regierung in ihrem leb- )aften Interesse für die Geschicke des bulgarischen Volkes für nicht zeitgemäß, die geshafene Lage der Dinge als rechtmäßig anzuerkennen. Sie zog es vor, ungeachtet des Mißtrauens, welches ihr cinige der zeitweiligen Regenten einflößten, ihre moralische Unterstüßung anzu- wenden, um ihnen die Gefahren zum Bewußtsein zu bringen, welchen das Land ausgesetzt sein könnte, wenn es in der jeßigen Lage ver- harrte, und ihnen den regulärsten Weg zu weisen, wie sie sih aus dieser Lage befreien könnten. Unter diesen Gesichtspunkten wurde General - Major Baron Kaulbars beauftragt, die Regenten zur Auf- hebung des Belagerungszustandes zu bewegen, die beabsichtigte Cin-

berufung der großen Sobranje behufs der Wahl eines Fürsten, fowie den Urtheils\spruch über die Verschwörer vom

9, August aufzuschieben. Die im Lande herrschende Erregung \{chloß vollständig die Möglichkeit einer reiflihen und leidenschaftslofen Beurtheilung sowohl der einen, als auch der anderen Frage aus, e welche es jedoch unmögli war, auf eine reguläre Entscheidung zu auen.

Gleichzeitig sollte sib der General Kaulbars mit den Wünschen des bulgarischen Volks felbst vertraut machen, welches gegen seinen Willen bereits vor länger als einem Jahre auf eine abenteuerliche, die Zukunft bedrohende Bahn gezogen worden war, und er sollte das Volk des unveränderten Wohlwollens der Kaiserlihen Regierung vergewissern.

Nachdem sih der General Kaulbars nah seiner Ankunft in Sofia bereit erklärt hatte, geeignete Maßregeln zur Wiederherstellung der normalen Lage in Betracht zu ziehen, weigerten sich die Regenten und ihre Minister gleih darauf, den Rathschlägen des Generals zu folgen, indem sie sih dabei auf die Landesgeseße stütßten, welche sie selbft ungestraft ignorirten, und deren Hauptverleßzung darin bestand, daß sie sich an der Spitze der Regierung befanden. Hierauf {ritt man in Bulgarien und Ost-Numelien zu den Wahlen für die Große Sobranje, wobei die Regenten, um den Triumph ihrer eigenen Partei zu N und alle ihnen feindlichen Bulgaren von den Wahlen fern zu halten, es nicht verabsäumten, durch die allerenergishsten und aufrührerischsten Maßregeln auf die Bevölkerung einzuwirken.

In Anbetracht dieser Umstände wurde dem General Kaulbars

weder das Geseßzmäßige der Regierung, welche die ihr zufällig gefallene Macht mißbcauht, noch der bevorstehenden Großen Sobr i sowie deren Beschlüsse anerkennen kann. Z Anje

Nachdem General Kaulbars alle Mittel ers{chöpft Fatte, entl er sih zur Ausführung des zweiten Theils der ihm gewordenen J gate; er unternahm eine Rundreise durch Bulgarien, um das g direkt mit dem zel und der Bedeutung der von der Kaiserlig Regierung den Regenten übermittelten Rathschläge bekannt zu ma B und die Stimmung des Volkes kennen zu lernen. en Der direkte Verkehr des russischen Vertreters mit dem bulgarish Volke war nihts Ungewöhnliches; {hon wiederholt stand das bul, garishe Volk in shwierigen Situationen von Angesiht zu Ange mit Rußland und fand in dessen Rathschlägen stets den Ausgang E der schwierigen Lage. Aber derartige Beziehungen paßten nicht M Regenten, welche sih ausfcliezlich um ihre eigenen, mit den durf die Konstitution dem Lande garantirten Rechten nicht identisch Interessen bekümmern. In Folge Befehls aus Sofia wurden A den lokalen Autoritäten auf der Reiseroute des Generals Maßregela ergriffen behufs Verhinderung cines direkten Verkehrs zwischen in und der örtlihen Bevölkerung. Alles dieses verhinderte den Vertreter Rußlands übrigens nit ih durch den Augenschein zu überzeugen , daß das Volk weit entfernt davon ist, mit der ihm aufgezwungenen Regierung und deren Anschauuy en zu sympathisiren, und über die Bedrückung empört ist. Allent- es wo es nit gelang, Repressivmaßregeln zu ergreifen, kame die Bulgaren in zahlreihen Mengen dem General Kaulbars entgegy und drückten ihm ihr unbegrenztes Vertrauen in das Wohlwollen de Kaiserlichen Regierung und den Wunsch aus, Nußland möge die Ly fung des Schicksals Bulgariens übernehmen. Private Demonstrationen, wenn auh mehr \{chüchterner Natur fanden sogar dort statt, wo sich das Volk unter dem Dru der Be hörden befand, aber derartige Demonstrationen zogen unausbleiblig für die daran theilnehmenden Personen bedauernswerthe Folgea nah sihch; in diesen Fällen zeigte sich der in Bulgarien herrshende Terrorismus in den allerbrüskesten und sogar unmens{- lihen Formen. Unter Anderem wurden in Varna mehrere russish Unterthanen arretirt und insultirt, ebenso mehrere Personen, die unter russishem Schuße stehen, im Hinblick worauf es s zur Wahrung der Würde unserer Agenten als unumgänglich erwies, zwei russishe Kriegsschiffe nah Varna zu entsenden Zugleiß wurde durch General Kaulbars der bulgarischen Regierung erklärt, daß bei der ersten Beleidigung, die ciner unseren Schuß genießenden Person zugefügt wird, sowohl unsere diplomatischen Agenten als auf die Konsuln aus Bulgarien abberufen werden.

Mittlerweile fuhr die Regentschaft fort, hartnäckig den von ihr gewählten Weg zu verfolgen. Die von ihr in Tirnowa zusammen berufene Sobranje, sih ihren Eingebungen fügend, wählte den Prinzen

Ablehnung der Fürstenwürde durch Se. Hoheit verlangten die Regenten von der Sobranje die Bestätigung in der ihnen zugeeigneten Malt, wobei sie vollständig den Rathschlägen eutgegenhandelten, welche ihnen von der Ottomanischen Pforte behufs einer {nellen Lösung der Krisis ertheilt wurden.

Ein weiteres Verbleiben des außerordentlichen Vertreters Ruß lands in Bulgarien erwies sih als nußzlos, und da gleichzeitig ein frecher Ueberfall auf einen Kawassen des General - Konsuls in Philippopel, während der Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten, ausgeführt wurde, die bulgarische Regieru»g sich aber nicht bemüht: die von ibr geforderte Genugthuung zu geben, fo erhielten fowohl General Kaulbars, als auch die Konsuln in Bulgarien und Ostrumelien den Befehl, ihre Posten zu verlassen. i

Indem die Kaiserlihe Regierung alle ihre Agenten ahberief, beabsichtigte sie durhaus nit, das zwishen Rußland und Bulgarien bestehende Band zu zerreißen. Als sie zu diefer Maßregel s{ritt, wollte sie blos tokumentiren, daß sie sih weigere, die Legalität de augenblicklihen Ordnung der Dinge anzuerkennen, wobei eine unbt deutende Minorität, welche die Macht an sih gerissen, sich berechtigt wähnt, nah eigenem persönlichen Gutdünken über das Schisal de bulgarischen Volkes zu \calten und es zum Werkzeug von revolutic nären Leidenschaften, die verhängnißvoll auf die allgemeine Sittlichkeit wirken, zu machen. / E

Das bulgarishe Volk zeichnet sich unstreitig dur friedlid Neigungen und durch Liebe zur Arbeit aus. Jn diesen Eigenschafta ruht das Unterpfand seiner künftigen Blüthe, und Dank dieser Eige schaften hatte der Wohlstand Bulgariens bereits rapide Fortschritt! gemacht, als die Philippopeler Revolte von 1885 das Land plöglid

auf die Bahn von gefährlichen politischen Abenteuern zerrte, jl welhem Behufe von ihm schwere und gänzlih überflüssige Opst

verlangt wurden. Die augenblicklihe Ordnung der Dinge is d direkte Folge der erwähnten Revolution; im Fall dieser Zuslad fortdauert, wird Bulgarien nicht nur neuem Sturm ausgeseßt [eli sondern es wird sich auch unausbleiblich in einen Herd der Anardi! und revolutionärer Leidenschaften verwandeln, wodur der Friede un die Ruhe im Orient beständig bedroht sein werden. H

Indem die Kaiserliche Regierung cs für ihre Pflicht hält, [Wi die Erhaltung dieser Nuhe zu forgen und indem sie auf dem Bodei des Traktats beharrt, beabsichtigt sie wie früher ihre Anstrengung! auf die Aufhebung des Bulgarien belästigenden Druckes und aus dit Herstellung der geseßlihen Ordnung in diesem Lande zu richten, well Ordnung als zuverlässiges Unterpfand für sein künftiges Gedeiku und als Rechtfertigung für die {weren Opfer, welche Rußland p bracht hat, dienen könnte. Indem der Kaiserlichen Regierung jeglit egoistishen Pläne fremd sind, beabsichtigt sie, keinerlei Kombinall! zu dulden, welche unter dem Deckmantel der Legalität blos zur F gung der anormalen Bedingungen, unter welche Bulgarien augei l lich gestellt ist, dienen würde.“ _ i ; 14. Dezember. (W. T. B.) Nach Jnformationt welhe dem „Journal de St. Pétersbourg“ zug konnte die einzige Mittheilung, welche der bulgariss Deputation in dem russishen Botschaftshote h Wien gemacht wurden, nur darin bestehen, daß dieselbe v St. Petersburg niht empfangen werden N Anderslautende Nachrichten Wiener Blätter stammen jedensd nicht aus der russishen Botschaft.

Dänemark. Kopenhagen, 10. Dezember. Das F0 thing hat heute die vorläufigen Finanzvorla gi ij Regierung einstimmig zur zweiten Lesung und auf Holste Ledreborg's Antrag dem Finanz-Aus\huß überwiesen.

Afrika. Egypten. (A. C.) Aus Kairo wird uns! dem 9. Dezember berichtet : M

Zwei Agenten kamen gestern aus Berber, via Murab, in wt rosko an. Sie melden, daß Abdulla h den Titel „Mahdi i nommen hat. Die Shukerieh- und Dabayna-Stämme haben a \haftlih alle Derwische getödtet, die-sih in ihren Distrikten Lea In Sennar hat Abu Nof, der Scheih der Stämme von Ru fa Hoi und MRuffa-el Shark, dieselben \rengen Maßregeln n pu Osman Digma wurde mit Abu Anga und einer Ani i Bazingars und Bagarras“ entsandt, um die Insurgenten j kämpfen. Mahomed el Keir kam in Begleitung voi

Saad und Hassan Mahomed am 6. November in Berber e (id 8

[ft

Mission besteht darin, so viele Mannschaften als nur mos fet sammeln, um Berber und die Straßen sicher zu machen. M h

Zweck hat er sämmtliche Jaalens, Jehmiabs und andere, 7 Sh Hamad waren, sowie die Shaggiyehs von Metammch und 2 dorthin berufen Er befahl, alle Holztheile von den Hâu nehmen, um daraus im Norden von Berber eine Zariba Er gestattete allen Eingeborenen aus dem Norden, sowie den h heiratheten Leuten, nah ihren Distrikten zurückzukehren. zingar-Soldaten, welche einen Theil der Garnison bilden, 1n worden. Wad Rejumi machte sich am 15. November von Go? Dongola auf. Abdul Medjid und Emir Mendil haben

hat. Wir werden fortfahren, die Unterrihtsgeseße anzuwenden, welche Sie erlassen haben. Dadurch werden wir eine Reform fried-

aufgetragen, den Regenten zu erklären, daß die Kaiserliche Regierung

Khartum begeben, In Abu Hamad verbleiben allein die Robatab#”

Sehr günstig gestaltete sich die Lage der Kammgarn- N Spinnerei. Die bedeutende Preiêsteigerung der Wolle, verbunden

Waldemar von Dänemark zum Fürsten von Bulgarien, und nah de |

} forderungen zu genügen, und {on für das nächste halbe Jahr mit Ì Aufträgen versehen sind.

| Chemniß und Kottbus über die Aufbesserung der Kamm-

Ï zielten Resultaten sehr zufrieden.

Ï strirten Gewerbezeitung“ lesen wir über den Abfluß

: a Zeitraum dem alten Vaterlande den Rücken, um in Amerika, # „dem gelobten Lande“, eine neue Heimath zu suchen. # Kajüten-Passagiere, / e im Castle Garden, fondern an den Anlagepläßen der Dampfer ; E werden, beläuft fih auf 5065, L Ï 141921 bet

: of the S dem 5, Mai 1847 bis

: 10 e 102 Einwanderer ausgeshifft wurden, unter diesen waren

7 Hüfen ‘der Union

; easerem Lande verloren gegangen ! L frârtinge utsland, daß Es Gol, Sohne nah Amerika auswandern und, wenn sie sih in Ì nit Angen getäuscht sehen, an Körper und Geist geknickt und : voug leerem Beutel heimkehren.

Fvor Augen sehen,

/ ehörde zur Last zu fallen.

F erträglich A liden Wal

T0 Yad j ; Z j [cennen, ihr leßtes Bißchen Hab und Gut verkaufen, um nur die Üeber-

wir dub Enagende geshickter, tüchtiger Arbeiter sind brodlos, wohin Uten, nirgends zeigt sich ein nur etwas erfreuliches Bild,

(6s verlautet, [daß díe Rebellen, die sich auf Sowarba zurück- ezogen hatten, mit Verstärkungen wiederum vorgerückt sind. herst Kitchener telegraphirt, daß der abyssinische General

Ras-Alula auf Kassala marschirt und jeßt in Kufit steht. Die

Stämme Hadendowah und Shukriyeh find den Derwischen feindlich

gesinnt.

au

Zeitungsstimmen.

Der „National-Zeitung“ wird aus Frankfurt a. M., 4, d. 12. Dezember, geschrieben: ‘Eine zahlreich besuhte Versammlung hat vorgestern folgende Resolution einstimmig angenommen: „Die im „Lindenfels“ am 11, Dezember versammelten Mitglieder der nationalliberalen Partei atennen in der vom Reichstag, geforderten Erhöhung der Friedens- stärke des Heeres eine im Angesicht der steigenden Rüstungen Frank- reichs und Rußlands leider niht abweisbare Maßregel zur Sicherung unserer Grenzen und zur Aufrehthaltung des friedenbestimmenden Einflusses der deutschen Macht im Rathe Europas. Sie hoffen und wünschen, daß über die materiellen und budgetrehtlihen Schwierigkeiten eine Verständigung im Reichstage gefunden, und daraufhin das vorgelegte Gefeß mit erdrückender Mehrheit und thunlichst so frühzeitig beschlossen wird, daß die Neuorganisation bereits am 1. April nächsten Jahres ins Leben treten kann. Der Finanzlage im Reiche gegenüber betonen sie, daß eine rationelle Form der Branntwein- und Zuerbesteuerung die Mittel zu gewähren hat, welche der Mehraufwand für Landesvertheidigungszweke erfordert.“

Dem „Deutschen Handels-Arhiv“ wird aus Augsburg, von Mitte Oktober, über den Ausshwung in der Kammgarnspinnerei Folgendes mitgetheilt :

Die Kammgarnspinnerei arbeitet zur Zeit unter sehr günstigen Umständen und erzielt Preise, welhe gegen das vorige Vierteljahr cine Steigerung um 40 bis 50 9% aufweisen. Veranlaßt ist dieselbe cinmal durch den Umschwung der Mode, welche die harten englischen Stoffe verlassen und sich neuerdings wieder den weihen Kammgarn- fabrikaten zugewandt hat, andererseits durch den starken und \tetigen Begehr, welher von der noch immer in außerordentlicher Entwicklung begriffenen Trikotweberei ausgeht.

Demselben Blatt von Mitte Oktober, gemeldet:

wird aus Mülhausen i. E,.,

Ì mit starkem Begehr des Marktes nach weihen Wollstoffen, erwies

ih nit als eine nur vorübergehende Erscheinung, sondern sett sich | stetig fort, ja der Bedarf ist so bedeutend gestiegen, daß unsere } Etablissements kaum noch in der Lage sind, den an sie gestellten An-

Dasselbe wird aus Düsseldorf, Gera, Erfurt, garn-Fndustrie geschrieben. Aus Kottbus wird gemeldet :

} Kammaarnstoffe haben, von der Mode bevorzugt, fortgeseßt vor- züglichen Absatz gehabt und eine ungleich höhere Preitaufbesserung erfahren, als Streichgarnstoffe. Die Fabrikanten sind mit den er-

Ju „Friedrih Georg Wieck's Deutscher illu-

| deutscher Arbeitskräfte und deutschen Kapitals nah Amerika: : Bei der Borliebe, die immer noch, troß aller Abmahnungen und Rathschläge Seitens der Behörden und berufenen Personen, für die Auêwanderung nach den Vereinigten Staaten herrscht, wo man das Glück zu finden hofft, das man im großen Vaterlande vergeblich erstrebt hat, dürfte, nah der „Deutschen Industrie-Zeitung“, die nach- folgende Schilderung eines mit amerikanischen Verhältnissen sehr ver- trauten Kaufmanns (Fahrenwaldt) über die Erwerbsverhältnisse in ringen Staaten von Nordamerika mit Interesse beachtet Im Castle Garden, dem Landungsplaße New-Yorks für alle aus fremden Häfen ankommenden Zwischendecks-Passagiere, sind nah den mir an Ort und Stelle zur Disposition gestellten statistischen Auf- zeinungen vom 1. Januar 1885 bis zum 31. Dezember desselben J Dahres 304999 Einwanderer gelandet worden. Wie feit Jahren, | stellt Deutschland auch dieses Mal wieder das weitaus größte Kon- tingent, denn nicht weniger als 136 856 Personen kehrten in ge-

: Die Zahl der selben Jahre den Ozean kreuzten und

welche im

l l so daß die Gefammtzahl der M glano im Jahre 1885 in New-York allein Eingewanderten , ragt. Cine dem Jahresbericht of the Commissioners of Emigration State of New-York beigegebene Tabelle zeigt ferner, daß seit incl. 31. Dezember 1885 im Ganzen in New- Deutsche. Rechnet man zu dieser Zahl die in den anderen id i gelandeten Deutschen, so sind es weit über beitékretr die dem alten Vaterlande Lebewohl gesagt. Welch riesige UStraft, welhe Unsummen von Intelligenz und Wissen sind hier egan; Es ift gewiß kein gutes Geschäft jährlich Tausende und Abertausende seiner

| balbwegs ergebt : | ren. Denen es in Amerika nur e N sie kehren nicht zurück nach der alten Heimath, und gen, welche das ganze Elend des in der Fremde Darbenden

nte entschließen sich, wenn sie eben noch genügend

itt : i‘ G N zur Heimkehr, um nah ihrer Ankunft der Armen-

besitzen,

Q, ? , " , - . , lit 4 reute, die mit genügenden Mitteln versehen, in Amerika an- Ba nag _}ih die Zukunft bei rastloser, harter Arbeit noh immerhin gestalten, wie aber steht es mit denen, die in dem unglüc-

ayn, ihre Arbeitskraft in Amerika besser verwerthen zu

r nah dem Lande, wo Milch und Honig fließt, oder besser

e : K vir ießen joll, bezahlen zu können? Die Antwort ist nicht \{wer, eriweifsun sie einestheils in den Zeitungen: Selbstmorde aus ordnung N aus Arbeitslosigkeit 2c. sind an der Tages- arüber A4 fo etwas Gewöhnliches, daß es sich kaum verlohnt, es Arbeits, rechen. Anderntheils finden wir sie in der Ueberfüllung eutend L N das Angebot übersteigt die Nachfrage ganz be- o niedri 4 Arbeitêlöhne sinken fortwährend und haben jeßt einen » olgen Stand erreicht, wie nie zuvorz große Fabrike1 stellen ihre

Vatigfeit et ; ' L J : seit ein, die Eisenbahnen entlassen fortwährend Leute, Tausende

to b e wil, ft allen Branchen der Industrie, unerhört niedrige Pteise traft der Men Landesprodukte, stark geshwächte Kauflust und Kauf- Signatur derwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung das ist die Die Hof gegenwärtigen Geschäftslage.

Cleveland L nigen, welche die Geschäftswelt an die Ecwählung verwirklicht nüpftc, haben si vorläufig nur zum allerkleinsten Theil Geschäfte f von einer allgemeinen, durchgreifenden Besserung der täushung dba niht die Rede sein, und is es eine arge Selbst- Branche Hn, einer augenblicklihen Beschäftigung dieser oder jener nische Ges cugemeinen Aufshwung abzuleiten. Der ganze ameri- beftigen S äftsbetrieb bewegt sih überhaupt stoßweise und ist stets ber Kopf wankungen unterworfen, man arbeitet eine Zeit lang Hals

- Um dann wieder eine Zeit lang ih freiwilliger oder

in Deutschland, giebt es nicht in den Vereinigten Staaten, wie ei flühtiger Blick auf die gr in Amerika stattfindenden Arbeiter- streifs im Vergleich zu den verhältnißmäßig wenigen in Deutschland Élarstellt. Was nütt es also einem Handwerker in Amerika, wenn er eine Zeit lang das Doppelte oder Dreifache seines Kollegen in Deuts- land an Tagelohn erhält und dann gezwungen ift, aus der einen oder En La Le lang me E

, war finden sich genug Leute, welche eine solche Ueberstürzungs- periode als günstiges Zeichen allgemeinen Wohlstandes O a die alles auf ‘teten, Leute zur Auswanderung zu veranlassen. Das Loos der armen Bethörten ist in den weitaus meisten Fällen ein überaus trauriges: wer sich überzeugen will, der besuhe die Geschäftslokale der deutschen Gesellschaften in den Hauptstädten der Union, und er wird finden, daß meine Schilderung noch weit hinter der Wahrheit zurückbleibt. (Die deutsche Gesellschaft der Stadt New-York zahlte im Jahre 1885 in 3473 Fällen 10 765 Dollars an Unterstüßungen.) Der Geschäfts- führer der deutschen Gesellshaft von Chicago sagt in einem seiner Monatsberichte: f Die wiederholt gemachte Wahrnehmung, daß verheirathete ältere Leute hier anfommen, die ihrer körperlichen und geistigen Beschaffen- heit nah nicht hätten auswandern dürfen, weil sie einerseits zu alt sind, die englishe Sprache zu erlernen, und andererseits zu ungeshickt und zu energielos, sih den hiesigen Verhältnissen zu ihrem Vortheil anzupassen, hat zu der Frage veranlaßt: Was hat diese armen, un- lüdlichen Menschen bewogen, in ihren alten Tagen auszuwandern ?

iese Frage wurde in verschiedenen Fällen direkt gestellt und dahin beantwortet, daß die Ueberredung der Schiffsagenten am meisten dazu evan bâtte. A

Sine indirekte Bestätigung dieser Aussagen wurde uns kürzli

durch den Empfang eines Briefes aus Deutschland, in eg E Agent einer Dampsfschiffahrts-Gesellschaft (nebenbei bemerkt, für eine industriell, aber besonders in den landwirth\chaftlihen Nebengewerben hochentwickelte Provinz) die deutshe Gesellschaft um ein größeres Quantum ihres Jahresberichtes zur Vertheilung an Auswanderer er- fucht. Dem Herrn ist folgende Antwort ertheil® worden: „In Er- widerung Ihres gefälligen Schreibens benachrihtigen wir Sie, daß

wir Ihren Wunsch, ein größeres Quantum unseres letzten Iahresberihtes Ih z Berthei Aus E

Zahresberihtes Jhnen zur Vertheilung an Auswanderer zu überfchidcken , niht erfüllen werden. VÚnfere Erfahrungen in Betreff von Auswanderern, die namentlich in jüngster Zeit hierher gekommen sind, sind durchaus unerfreuliher Natur. So sind Familien hierhergekommen, die nichts besaßen, als was fie auf dem Leibe trugen, Leute über 40 und 50 Jahre, die

weder jemals die englische Sprache erlernen, noch si in hiesige Ver- hältnisse shicken lernen, so daß sie nie im Stande sind, ganz auf eigenen Füßen zu stehen. Und fragt man diese Aermsten, wie es möglich war, den dummen Streich zu machen, in ihren alten Tagen nach hier auszuwandern, so bekommt man zur Antwort, daß sie durch die Auswanderungs-Agenten zu dem Schritte beredet worden seten. Die versprechen einem ja goldene Berge in Amerika! Man brauche nur den Fuß ans Land zu seten, so erhalte man auch \ofort Arbeit zu gutem Lohne. In Amerika wird den ganzen Winter gearbeitet, und Arbeiter seien fortwährend gesucht 2c.“

Aus diesen und ähnlichen Aussagen geht hervor, daß es den

Schiffsagenten nur darum zu thun ist, soviel wie mögli lebendige Fracht für die Auswanderungsdampfer zu liefern. Was aus dieser nachher wird, das überlassen sie den deutschen Gesellschaften, die ja dazu da sind, den armen Auswanderern unter die Arme zu greifen. Wir wünschen nicht die Auswanderung von armen Deutschen nach hier zu unterstüßen. ; Soweit der Geschäftsführer der deutschen Gefellshaft von Chicago. Auch habe ich mi perfönlih von den jeßt in Amerika herrschenden Verhältnissen tberzeugt und kann nicht eindringlich genug von einer Auswanderung nach dort abrathen; wer niht mindestens fünf Monate ohne Verdien|t dort leben kann oder wer nicht sofort nah feines An- tunst in ein vorher gesihertes Arbeitsverhältniß eintritt, der soll die Reise unterlassen; unternimmt er sie dennoch, fo kann er sicher sein, daß bittere Enttäushungen seiner harren; Kummer, Noth und Elend sind von nun an seine steten, unzertrenn- lichen Gefährten. Die Einwanderungs-Kommissäre handhaben die Einwanderungsgeseße mit äußerster Strenge, rücsichtslos wird Demjenigen, von dem die Kommissäre glauben, annehmen zu müssen, daß er der öffentlihen Wohlthätigkeit zur Last fallen werde, das Landen verweigert, die Dampfergesellshaften sind verpflichtet, solche Zurückgewiesene (paupers) wieder nah dem Einschiffungshafen zurück- zubefördern. Ich bin mehr als einmal Zeuge gewesen, wo sonst arbeitsfähigen Leuten, die aber ohne alle Mittel anlangten, das Be- treten amerikanishen Bodens nicht gestattet wurde; alles Bitten und lehen war nußlos, die Beamten ließen sich nicht rühren haben sie ja doch_nur das Gesetz zur Ausführung zu bringen i

Die Sachlage ist aber und wird mit jedem Tage für Deutschland ernster, weil die durch Kapital und Technik enorm gesteigerte industrielle Produktionsfähigkeit der Union welch letztere in den vortrefflichen eingewanderten deutschen Arbeitern eine ihrer mächtigsten Stüßen sieht der auf den Export und zwar vorzugsweise nah dem seither sehr aufnahmefähigen amerikanishen Markte entschieden an- gewiesenen deutschen Industrie eine immer [härfer auftretende Konkurrenz bereitet. Es muß deshalb auch von diesem Gesichtspunkte aus als eine Angelegenheit von eminent nationaler Bedeutung betrachtet werden, dem thatsächlihen Verlust an Menschen, Kapital und Arbeitskraft, welchen Deutschland durch die Auswanderung seiner Söhne erleidet, mit aller Kraft entgegenzuwirken. Und weil die Verhältnisse und Aussichten für die Einwandernden in Nord-Amerika durchaus nicht verlockende sind, sollten es sih auch die deutschen Arbeiter, Landleute und Handwerker doppelt und dreifah überlegen, ehe sie dorthin aus- wandern; was sie in der alten Heimath gehabt, wissen sie, was ihrer in Amerika wartet, wenn sie leichtsinnig handeln, das glaube ich deutlih genug gezeigt zu haben.

Statistische Nachrichten.

i Evangelishes Elementarschulwesen der Stadt Breslau im Jahre 1885/86. Aus dem vom Stadtschulinspektor Dr, Kriebel erstatteten Bericht über die evangelishen Elementar|schulen der Stadt Breslau für das Schuljahr 1885/86 entnehmen wir nach- stehende Mittheilungen: Zu den 50 evangelishen Elementarsculen, mit welchen das Schuljahr 1884/85 \{loß, sind bei Beginn des Schuljahres 1885/86 drei neue fünfklassige Schulen, eine Knabenschule und zwei Mädchenschulen, hinzugekommen. Die im Vorjahre vorhandenen vier fünfklassigen Schulen sind in sechsklassige umgewandelt worden. Dur Eröffnung von Parallelklassen erhielten fünf Schulen je 7, eine Schule 8, vier Schulen je 10 Klassen. Zwei Schulen werden noch als gemischte aufgeführt, doch ift bei der einen bereits der Anfang mit der Trennung der Geschlehter gemacht, Sämmtliche 53 Schulen ent- hielten 338 Klassen (18 mehr als im Vorjahre); davon waren 66 in Privathäufern miethsweise untergebraht (5 mehr als 1884/85). 14 S0ulen hatten Halbtagsunterriht (gegen 6 im Vorjahre), da ihnen 17 Klafsenzimmer fehlten. Die Frequenz der 53 Schulen belief sich am Schlusse des Schuljahres 1885/86 insgesammt auf 22 302 Kinder (1024 mehr als im Vorjahre). Hiervon waren 10 816 oder 48 °%/0 Knaben und 11486 oder 52 %/ Mädchen. Die Knaben waren in 24 Schulen mit zusammen 153 Klassen, die Mädchen in 27 Schulen mit 172 Klassen untergebracht ; die beiden gemishten Schulen hatten 13 Klassen. Der Religion und Konfession nach wurden die evangelischen Elementarshulen am Schlusse des Sculjahres von 21 744 evangelischen, 9 röômisch-katholishen, 63 altkatholischen, 391 jüdischen und 95 _dissidentishen Schülern besuht. Schulversäum- nisse von längerer Dauer kamen mehr bei den Mädchen vor; im Ganzen ist der Schulbesuch als regelmäßig zu bezeihnen. Gestorben sind im abgelaufenen Schuljahre 82 Schüler, “d. i. 4 o Mille (gegen 9 im Vorjahre). Drei Knaben und ein Mädchen unter 12 Jahren mußten in Zwangserziehung gegeben werden; zwei Knaben über zwölf Jahre sind wegen Diebstahls mit Gefängniß bestraft worden. Jyufolge poli-

tun l dener Ruhe hinzugeben, Stete andauernde Beschäftigung, wie

zeilicher Requisition mußten 170 Knaben und 9 Mädchen im Wege

der Shhuldisziplin bestraft werden. Die Gründe für die Ueber- tretungen liegen überall in der häuslihen Noth und in dem Mangel an Aufsicht in der shulfreien Zeit. Der Berichterstatter tritt des- halb wiederholt für die Gründung von Schülerhorten ein. Das Lehrerpersonal bestand aus 259 Lehrern, 87 wissenshaftlihen und 108 Handarbeits-Lehrerinnen und einem ständigen Stellvertreter. Die Stellvertretungskosten betrugen 6223,21 M ie Vertretungszeit der Lehrer beträgt 3 %/ der ganzen jährlichen Arbeitszeit, die der Lehre- rinnen dagegen ges niht 19/0. Der Gesundheitszustand der Lehrer ist also ein erheblih ungünstigerer gewesen als der der Lehrerinnen.

Summarische Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf derKöniglihenGeorg-Augusts-ÜniversitätzuGöttingen im Winter-Semester 1886/87. A. Im Sommer-Semester 1886 sind im- matrikulirt gewesen 1017 ; davon sind a. gestorben 3, b. abgegangen mit Gxrmatrikel 192, c. weggegangen, ohne sih abzumelden und daher I 39, d. gestrihen auf Grund des §. 13 der Vorschriften ür die Studirenden vom 1. Oktober 1879 —, e. gestrihen aus sonstigen Gründen 24, zusammen 254. Es sind demnach geblieben 763. Dazu sind in diesem Semester gekommen 278. Die Gesammtzahl der immatrikulirten Studirenden beträgt daher 1041. Die evangelisch-theo- logische Fakultät zählt 200 Preußen, 39 Nichtpreußen, zusammen 239 ; die juristische Fafultät zählt 107 Preußen, 38 Nichtpreußen, zusammen 145; die medizinische Fakultät zählt 180 Preußen, 53 Nichtpreußen, zusammen 233; die philosophische Fakultät zählt a. Preußen mit dem Zeugniß der Reife 230, b. Preußen ohne Zeugniß der Reife nah S. 36 des Reglements vom 2. Juni 1834 55, zusammen Preußen 285, c. Nichtpreußen 139, zusammen 424 = 1041. B. Außer diesen imma- trikulirten Studirenden haben die Erlaubniß zum Hören der Vor- lefungen vom Prorektor erhalten: nicht immatrikulirte Preußen und Nichtpreußen 21. Die Gesammtzahl der Berechtigten ift mithin 1062. Von diesen Berechtigten hören Vorlesungen: 4A. Von den imma- trikulirten Studirenden: in der evangelish-theologishen Fakultät 239, in der juristishen Fakultät 145, in der medizinishen Fakultät 233, in der philosophischen Fafultät 422, zusammen 1039; vom Hören von Vorlesungen dispensirt sind: in der evangelisch-theologishen Fakultät —, in der juristishen Fakultät —, in der medizinishen Fakultät —, in der philosophischen Fakultät 2, zusammen 2. BB. Von den übrigen berechtigten Personen: nicht immatrikulirte Pxeußen und Nichtpreußen, welche vom Prorektor die Erlaubniß dazu erhalten haben, 21. Die Ee der Berechtigten, welche Vorlesungen hören, ist mit- nin 1060.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

| Im Verlage von Fr. Wilhelm Grunow, Leipzig, erschien cine lyrishe Erzählung: „Attarachus und Valeria“ ron Beatus Rhenanus, aus der Studienmappe eines Bonner Studenten, den Freunden aus der Bonner Studienzeit gewidmet. Es ist eine eigen- artige Ditung, welche der Verfasser hier seinen Lesern bietet, eigen- artig sowohl in der Form wie im Inhalt. Die Handlung spielt zur Zeit des römischen Kaisers Probus, also im dritten Jahrhundert nach Christus Sie beginnt in Rom, im Hause des reihen Römers Valerius Massala, der eine reizende Tochter, Valeria, und einen \{öônen Sklaven besißt, welcher den eigenthümlihen Namen „Atta- rachus“, d. h. Krümchen, fühit. Valeria foll den Rufus, einen jun- gen rönischen Fant, heirathen; sie hat sich aber in den Attarahus verliebt und will ihm angehören. Es kommt zu einem heftigen Auftritt, bei welhem der Sklave sich an dem vornehmen jungen Römer vergreift. Sein Herr, welcher die Leidenschaft seiner Tochter für den Sklaven merkt, bestraft diesen für seine Vermessenheit mit der Verbannung auf seine Landgüter in Campanien wo er die Weinberge beaufsihtigen und pflegen soll. Schweren Herzens nimmt Attarahus Abschied und begiebt \sich nach scinem Exil unter dem Versprechen, Rom nie wieder betreten zu wollen. Elf Jahre s{hwinden dahin, Die Erzählung wird in dem Augenblick wieder aufgenommen, wo ein römishes Schiff den Rhein hbinabfährt, um nach Köln, der Stadt Agrippina’s, zu gelangen. Der Kriegstribun Sigbert, ein

junger Germane, führt das Schiff, auf dem eine stolze Nömerin ihre Reise vollbringt. Es ist Niemand anders als Valeria. Sie hat damals den Rufus geheirathet, den sie“ \chließlich verließ, P O O d P D D E A e Brb ist in den Kaps gegen die Perser gogen Sie selbst folgt einem Orakelspruch der Jsis, der ihr weissagte,

daß ihr am fernen Rhein ein Glück vorbehalten sei. So gleitet denn das Schiff den herrlihen Strom hinab, als die Aufmersamkeit seiner Insassen dur fröhlihes Festgetümmel auf die Ufer hingelenkt wird. Winzer feiern ihre erste Erntelese, denn kaum ein Jahr vorher hat Kaiser Probus die crsten Weinreben am Rhein pflanzen lassen, welche jetzt die ersten Früchte tragen; es sind campanishe Weinbauer, welche hierher verpflanzt sind und nun nach römischer Sitte dem Bacchus ein Fest feiern. Die lustige Gesellschaft stürmt das Schiff der Valeria, man ruft nah dem Priester, welche ihr eine Spende von Wein dar- bringen soll. (r erscheint und tritt vor sie hin, als er sie aber an- blickt, entstürzt die Schale seinen Händen, und trunken vor Freude umarmt er die Römerin. Es ist Attarachus, ihr Jugendgeliebter, der hier am Rhein das Amt eines Priesters versieht. Lange hat er, der Verbannte, die campanischen Weinberge gepflegt, da kam der Aufruf des Kaisers Probus, welcher tauglihe Winzer zum Anbau der Reben in Germanien warb, und auch Attarahus ging und i S e Ge O Heimath. Die Geliebten haben sich gefunden und ihrer Wliedervereinigung steht nun nichts mehr im Wege. Das ift der Inhalt der Dichtung, gewiß ein so anziehender und hübsch erfundener, wie er nur erdacht werden kann. In flottgeshriebenen Versen wird uns die Geschichte erzählt. Be- fremdlih wirken zunähst die Unterbrehungen, welche der Dichter macht, indem er uns aus der Handlung heraus dann und wann mitten in das moderne Leben, und zwar nah Bonn verseßt, wo er uns von flotten Trinkzelagen inmitten seiner Studiengenossen, vergnügten Aus- fahrten und Kolegien erzählt. Diese modernen lyrishen Blüthen ranken durch die Erzählung hindur; vielleiht werden sie manchen Leser stören, manchen aber, besouders denjenigen, der in Bonn gelebt hat, gerade anziehen. Den Anlaß zu der Dichtung gab dem Verfasser die râthselhafte Inschrift einer Steinplatte, welche bei cinem Bahnbau zu Köln gefunden wurde und folgendermaßen lautete: „Dis Manibus Titi Simpliciani Attarachi et Valeriae Massalae vivae, Gainus Va- lerius Alphius vivus sibi et parentibus suis fecit.“ Sahlreihe formvollendete lyrishe Stücke sind dem Tert eingestreut; sie zeugen von großer Gewandtheit und Fertigkeit in Behandlung des Reims, doch muß sich der Verfasser vor der Reimspielerei, welche zuweilen sih geltend macht, hüten. Das Buch mit seinem heiteren, poesie- vollen Inhalt wird zahlreihe Freunde finden und empfiehlt sich be- sonders z1 Geschenken für festlihe Gelegenheiten. Die Ausstattung ist eine hoh elegante.

__— Unterrichtsbucch für Lazaretbgehülfen. Mit 50 Ab- bildungen im Text. (E. S. Mittler & Sohn, Königliche Hofb uhh- handlung, Berlin, Kochstraße 68—70). Ein Unterrichtëbuch für Lazarethgehülfen, welches amtlich soeben herausgegeben wird, beweist die Fürsorge der Behörde für die technishe Ausbildung eines zum Krankendienst bestimmten Personals. Es löft die \{chwierige Aufgabe, fahwissenschaftlihe Belehrung in einfacher und gemeinverständlicher Form zu ertheilen, in mustergültiger Weise und erläutert die Dar- stellung zuglei durch zahlreihe und gute Holzschnitte. Die groß- artigen Ergebnisse der neueren cirurgishen Wissenschaft, die erprobte- sten und rationellsten Heilmethoden {sind für dasfelbe verwerthet. Es wird das Nothwendigste über den Bau des men\{chlihen Körpers ge- lehrt, die Hülfeleistung in Krankheitsfällen, insbesondere die heutige Wundbehandlung und die Verbandlehre. Diese Kenntnisse und die ebenfalls in dem Buche enthaltenen vielen Rathschläge für allerlei kleine Leiden, für erste Lal in plößlihen Unglücksfällen, sind von so allgemeinem Nuten, daß das Werken auch über die dienstliche Verwendung hinaus ein höst beahtenswerthes Unterrichts- und Nachschlagebuch auch für das Laienpublikum bildet.

Leitfaden für den Unterricht in derTerrainlehre,

im militärischen Planzeichnen und im militärisch . . )en Aufnehmen an den Königlichen Kriegsf\chulen. Auf Ver-