1887 / 100 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Apr 1887 18:00:01 GMT) scan diff

der Boden zum Theil vorzügli eignen soll. Falls der Erfolg der erwartete ist, würden diese Früchte dey Hafer, soweit er nicht zu Futterzwecken verbraucht wird, künftig cersêten.

Gewerbe und Handel.

Das hiesige Export-Insecraten-Bureau von Gustav Hildebrand gicbt unter dem Titel „Berliner Fabrikate“ ein Nabschlagebuch für olle Berliner Erport- Artikel heraus, defsen erste Auflage vorliegt. Das Bub soll zu Anfang jedes Jahres erscheiner und verfolgt den Zwedck, die ausländishen Importtäuser mit den in Berlin für den Export erzeugten Artikeln und mit den Firmen der Produzenten be- kannt zu machen. Diesem Zweck scheint es durchaus zu entsprechen, daß die einzelnen Artikel, welche das Nachsblagewerk bringt, in den drei Hauptsprachen des internationalen Verkehrs , deutsch, fran- zösisch und englisch abgefaßt sind. Der Herausgeber weist in der Ein- leiturg auf das schnelle Wachsthum der Berliner Industrie und darauf bin, daß die Berliner Fabrikate in Massen niht nur auf dem europäischen Kontinent Absatz finden, sondern in Folge ihrer Güte, geschuiack#vollen Ausstattung und ihrer verhältnißmäßig billigen Preise „Welt-Artikel“ geworden sind, fo daß sih annebmen läßt, das neue Unternebwen werde den Beifall der Interessentenkrcise gewinnen, auf die es berechnet 1st. Was nun den Inhalt der vorliegenden ersten Auflage betrifft, so finden wir bereits die meisten Industrien Berlins vertreten; cine kurze Einleitung kennzeihnet die Vedeutung jeder Branche, und die Aufzählung der Firmen macht den Schluß. In leßterer Beziehung erscheint aber die erste Ausgabe noch einer be- deutenden Vervollständigung zu bedürfen, denn in vielen Indufstrie- zweigen fehlen noch recht bedeutende und zuweilen die hervorragendsten Firmcn. Wenn die folgenden Jahrgänge die Firmen und ihre Leistungen in größerer Vollständigkeit mittheilen werden, tann das neuc Unternehmen in der That von aligemeinem Nutzen sein; zu diesem Ziele scheint der Herausgeber auf eine Förderung Seitens der In- dustriellen angewiesen zu sein. Das Buch ist bübsh ausgestattet, auf kfräftigem Papier und in großen Lettern gedrukt.

Die gestrige ordentliche Generalversammkung der Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellshaft J. Lestmann & Comp. (Berlin-Charlottenburg) genehmigte den Gcschäftéberiht, sowie Vilanz und Gewinne und Verlust-Conto, crtheilte der Verwaltung Decharge und seßte die Dividende dem Vorschlage der Verwaltung entsprechend auf 3} 9% fest.

Vom S chlesishenMontanmarkt wird der „Voss. Ztg." aus Oberschlesien, 27. April, geschrieben: Der Wasserweg rourde in leßter Zeit für die Beförderung von Montanproduk:en ziemlich aus- giebig benußt. Von einigen Werken wurde auch ein beträchtlicher Theil von Metallvorräthen abgestoßen, einzelne Zintbütten behielten sogar nur kleine Bestände zur Verfügung. Infolgedeffen zeigte sich auch für Nohzink neuerdings eine bessere Stimmung. Dennow ist der Preis dieses Metalls noch cin fo niedriger, wie es im vorigen Jahre selbst in der stillsten Zeit niht der Fall war. Die durch- schnittlichen Erlöse für ordinäres Zink sind im Allgemeinen nicht nur im Vorquartal, sondern bis jetzt geringer als in der gleichen Periode des Iahres 1886, trotdem der Verbrauch zur direkten Ver- arbeitung nicht zurückgeblieben ist. Dagegen bielt sich Blei fowohl im 1. Quartal ais bis jeßt gut im Werthe. Roßhzink limitirte man zu 27,10——27,20 Æ, Mittelmarken 27,30—27,590 4, hbohge- läuterte um 0,70 4 und Mehrbeträge höher, Weichblei in größeren Posten 24,50—25 A4, bei kleineren Abnahmen 25—25,50—26 4, ordinôzes billiger. Vorräthe an Raffinirblei waren zum Theil ohne Belang. Auf dem Roheisen-Markte wurde die feste Preis- tendenz unerahtet der Mehrerzeugung dadurch gefördert, daß der Roheisen-Absatz im Inlands- und Erxport- Verkehr seine Lebhaftig- feit bewahrte, so daß gleichzeitig mit der frishen Produktion auh no% Bestände zum Versandt gelangten. Nächstdem hatte die endgültige Begründung des oberschlesischen Walzeisen-Syndikats einen guten Eindruck in den am Roheisengeschäft interessirten Kreisen hervorgebracht. Es kamen neue Verkäufe, teilweise unter etwas erhöhten Preisen, zu Stande. Für Puddlings-Noheisen legte man 4,75—4,80 M, bei besseren Sorten Vruchtheile mehr aa. Gußeisen erzielte 5—5,40—5, 50 Æ je nach Qualität und Posten. Das Walzeisengeschäfr ist in der Preisentwickelung seit der uitcerm 11. Januar d. I. stattgefundenen Konstituirung des einstweiligen Kartels bis zur Begründung des definitiven Syndikats ziemlich meit vorwärts gekommen, wenn man in Betracht zieht, daß die Anfangs dieses Jahres geltenten Verkaufs{äte für Stabeisen von 9,75—10,75 M jeßt bis auf 12 A gestiegen sind. Daß diese an- dauernde Erhöhung der Preise nicht allein durch die Beseitigung der Konkurrenz unter den Werken, fonderr. in Folge des wachsen- den Deckungébedarfs ermögliht wurde, liegt auf der Hand. Der Absatz von fabrizirtem Eisen hielt ih im vorigen Monat in bemer- fenéwerthem Gleibgewiht mit der Erzeugung und nimmt die!elbe naŸ) wie vor {lank auf. Di: bevorstehende Erhöhung der russischen Eifenzölle blieb auf den Verkehr im Walzeisengeshäft gleichfalls niht einflußlos, die Ausfuhr nab Rußland hatte vielmehr im Weiteren merkli( zugenommen. Dabei konnte im Ausfuhrhandel auf Mehrforderungen beharrt werden. Qualitätscisen notirte 13—14 4 Grundptrcis, Feinkorn höher, Koks-Eifenblech 15 bis 16 J Grundpreis, crfl. der Aufshläge für Ertra - Qualitätea. Der Bedarf an profilirtem Eisen hat sich theilweise gesteigert. Von Stahlfabrikaten kamen Schienen und vollends Material neuerdings in grözeren Posten zum Versandt. Für eiserne Schwellen lag wenig Bedarf vor. Der Steinkohlen-Absaß8, innerhalb der letzien Wochen noch demjenigen in der gleichen Periode des vorigen Iahrcs überlegen, ging für Hausbrandsorten, resp. gewöhnlihe Marken zurück. Die Abfuhr auf den Eisenbahnen sank von ca. 185—190 000 Mtr.-To. wöchentlich unter dicfes Durhschnittsquantum herab, do rechnet man auf cinen stärkeren Verbrauch kleiner Sorten zum Ziegelei- und Kalk- öfenbetriceb. Industrickohlen kennzeihneten jich als ziemlich gut be- gehrt. Die Preiéhaltung war abwartend.

Dem Handels-Museum zu Frankfurt a.M. sind dieser Tage neue Muster von bedruckten Wollstoffen vom K. Deutschen General-Konsulat in Konstantinopel zugegangen, die in Nachsiehßendem näber beschrieben sind. Bedruckte Wollstoffe, speziell Crêpe-und Croisé-Gewebe haben seit 15 bis 2 Jahren hier zu Lande cinen viel größeren Konsum als früher, Der Verbrauch in Konstantinopel ist auf wenigstens 10000 Stücke von ca. 950 m an- zuschlagen. Davon entfallen ca. } auf die leihten Qualitäten Nr. 1 und 2 Crépe für den Sommer und volle § auf das {were croisirte Gewere Nr. 5 für den Winter. Wie groß der Konsum des Artikels in Smyrna, Salonik, Beirut und in Egypten welche ihn direkt aus der Fabrik beziehen ist, läßt sich hier nicht beziffern, aber jedenfalls ist er bedeutend und gleichfalls im Zünchmen Die Dessins bestehen meistens aus mittelgroßen Blumen, Blättern und Okjets, d. h. diese sind am beliebtesten. Dieses Genre Deisins kann auf Wolstoffen nur durch Handdruck schön hergestelt werden, denn die Farben müssen reihlid aufgetragen sein, um Cffekt zu machen und schöne, lebhafte, satte Farben natürlich gut vertbeilt und îin passendec Zusammenstellung sind die Hauptsache, wichtiger ais die Zeichnung des Desfins. Dessins mit der Maschine (Rouleaux) gedruckt sind nur für die Sommerwaare zu ge- brauchen, oder besser gesagt: im Assortiment für dieselben dürfen auch leichtere, feinere Dessins, welche, da se nicht soviel Farbe absorbiren, mit Maschinen gedruckt werden können, vertreten sein. Also die Haupt- rolle spielen Dessins, mit Handdruk hergestellt, und kann mit solchen allein ein_ vollständiges Assortiment geliefert werden die meisten Ner alle Dessins, welhe im Winter in dunklen Fonds: verschiedene Nuancen in Grün, Blau, Braun, Violet und verschiedene Mode- farben, bezogen wurden, werden aufe Frühjahr mit hellen Böden: Rosa, Hellblau, crême, Weiß, bestellt. Uebcr seitherige Bezugsquellen dieser Stoffe, über Breite und Linge der Stücke, Preise und Zah- lungébedingungen ertheilt das Handels-Museum, Neue Börse in Frank- furt a. M., wo die Muster aufliegen, bereitwilligst nähere Auskunft ; Kommissionsfirmnen in Konstantinopel, die in diesen Artikeln regel-

Wien, 28. April. (W. T. B.) Die Kreditanfstaltsgrupp- mat bekannt, daß die Subskription auf 30 Millionen fünf - prozentiger österreihisher Papierrente am 3. Mai in Brüssel, Amsterdam, Wien väad Budapest zum Subffkriptionspreise von 97 Fl. Gold für je 190 Fl. Nominalkapital stattfindet. Der Subsffkriptionspreis für das Deutsche Reih beträgt 77,85 Fl. Gold. Die Subskriptionsftellen im Deutschen Reihe sind in Berlin die Diskonto-Gesellshaft, S. Bleichröder, die Bank für Handel und In- dustrie und in Frankfurt a. M. Rothschild & Söhne und die Filiale der Bank für Handel und Industrie.

Basel, 28. April. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Schweizerischen Centralbahn beschloß, die Vertheilunz einer 43 prozentigen Dividende zu beantragen.

Antwerpen, 28. April. (W. T. B) Wollauktion. An- geboten waren 1427 B. Buenos-Ayres und 920 B, Montevideo Wollen, verkauft wurden 891 B. Buenos-Ayres und 551 B. Montevideo Wollen. Das Geschäft war lebhafter bei fester Tendenz.

Bradford, 28. April. (W. T. B.) Wolle ruhig, fester; Garne und Stoffe träge.

Submissionen im Auslande.

Niederlande.

1) 4. Mai d. Js., Mittags 12 Uhr. Kolonial-Ministerium im Haag. Im Direktions-Bureau der Artillerie-Jurichtingen zu Delft. Oouttuinen :

Lieferung von Feuerspritzen und diversen Löschgeräthschaften für den Gebravch in Niederländish-Indien für das Jahr 18838. Bedingungen auf Franko- Anfragen durch die genannte Direktion gratis zu beziehen. __ D110. Mai d. Þ., NaGniittägs 2 Uhx. im Haag:

i: Lieferung von Heizungsmaterial und Kerzen 2c. für die Militärwachen des Reichs für die Zeit vom 1. Juli 1887 bis 30, Juni 1888.

Bedingungen liegen aus im genannren Ministerium. Italien.

9, Mai, Nachmittags 2 Uhr. Territorialdirektion des Militär- Kommifssariats des T. Armee-Corps zu Turin. Lieferung von 100 000 m Baumwollengewebe zu Zelten (0,88 m breit), 100 000 m roher Leinewand zu Bekleidungsstücken (C(,74 m breit), 100 000 Stück Taschentücher, 3000 Stück Beinleder, 15 000 Zeug- und 5000 Koth- bürften, 10 0C0 Paar Sporen. Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs-Anstalten.

Die Morgennummer der „National-Zeitung“ vom 27. April enthält cine Mittheilung über die Thätigkeit der rom Berliner Magistrat für ocn städtischen Briefverkehr unterha.tenen Briefträger. Danach soll dur die gedahte Einrichtung au{ im ver- flofsenen Jahre eine erheblihe Ersparniß im Vergleich zu den Kosten erzielt worden fein, welche bei Besorgung der Briefe durch die hiesige Stadtpost entstanden wären. Dem gegenüber ift von Neuem darauf hinzuweisen, wie bei der bezüglichen Berehnung der Umstand unberüdk- sichtigt gelaffen ift, daß die städtishen Briefträger nur diejenigen Sendungen abtragen, welch- feine besondere Eile yaben und nach der bequem belegenen Stadtgegenden bestimmt find. Alle übrigen Pofst- sachen, deren Bestellung eine erhöhte Aufwendung an Arbeitskräften erfordert, werden nah wie vor der Reichs- (Stadt-) Post überwiesen. (s entspricht dies also dem Verfahren der Privatpost-Unternehmer, welche gleichfalls nur die gewinnverheißenden Abtheilungen des Stadtbriefverkehrs in den Kreis ihrer Thätigkeit zu ziehen suchen, den Betrieb der weniger benußten und darum kostspieligen Verkehrszweige aber der Reichs-Postverwaltung über- lassen. Würde der Magistrat seine sämmtlichen Briefsendungen durch die städtischen Briefträger besorgen lassen, so würde das Ergebniß jener Berechnungen jedenfalls ein ganz anderes sein, und die vermeint- lihe Ersparniß würde sich wahricheinlich in ein Defizit verwandeln. Ob in der Berechnung die Beträge, welche für die Beamten und Bureauräume, für Ausftattungsgegenstände, für Stellvertretung der erkrankten und beurlaubten Briesträger, für Rußbegehälter u. st. w. zu O, mit Aufnahme gefunden haben, erscheint außerdem wohl fraglich.

Ge S o Set „Urano“ ist heute Vormittag aus Konstantinopel hier ein- getroffen.

London, 28. April. Einer Depesche von Lloyds aus Lizard zufolge bat der geharteie Dampfer „Professor Woermann“ der Hambuzrgish-Amerikanischen Paketfahrt-Akticngeselischaft, von Westindiez kommend, heute fröh Lizard mit gebrochenem Schaft passirt. Ein Bugsirdampfer ist zur Hülfe gesandt worden.

_Der Castle-Dampfer „Drummond Castle“ ist auf der Ausreise von London abgegangen.

Kriegs-Ministerium

gestern

Berlin, 29. April 1887.

Am künftigen Sonntag beginnt die diesjährige Nennsaison des Unionklub auf der Rennbahn desselben zu Hoppegarten und zwar sind die Nenntage des Frühjahrsmeetings des Klub auf den 1., 9, 15 und 22. Mai feftgeseßt, \obaß, da am 2, 8,, 16., 30, und 31. Mai auch auf der Rennbahn des Vereins für Hindernißrennen zu Charlottenburg Rennen abgeh:lten werden, währent der nächstfolgen- den drei Wochen an jedem Sonntag und Montag und während des Monats Mai übe:baupt an 9 Tagen Rennen abgehalten werden. Die Anmeldungen für das Frühjahrsmeeting des Unionklub sind sehr zahlreich ecingegangcn, und da die Pferde auch im Allgemeinen gut aus den Winterstallungen gekommen sind, fo steht zu erwarten, daß die Resultate der Frühjahrsarbeiten des Turf recht günstige sein uno die cinzelncn Konkurrerzen interessante Ueberraschungen dar- bieten werden. Am Sonntag werder in Hoppegarten sechs Rennen gelaufen werden: das Eröffnungs-Nennen um den Staatspreis von 1500 M, das Schneemann-Handicap um den Graditer Gestütépreis von 2000 M, der Preis von Dahlwiß um den Staatspreis von 1500 M, das Verkaufs-Rennen um den Graditer Gestütspreis von 1200 M, das Rennen um den Staatépreis 4. Klasse von 1500 f und das Früßjahrs-Hürden-Nennen, ein internationales Herren-Reiten um den Staatspreis von 12006 „6 In den ersten fünf Rennen werden dreijährige und ältere, in dem leßten vierjährige und ältere Pferde konfurirren. Zu dem Rennen am Sonntag wecden vie: Extrazüge aogelassen, die vom Bahnhof Charlottenburg der Stadtbahn ab- gehen und den Bahnhof Fri-edrichstcaße um 12,48, 12,58, 1,19 und 1,28 Uhr verlafsen. Von Hoppegarten aus kehren dieselben um 5,34, 5,42, 6,25 und 8,06 Uhr zurück.

__Das Chamisso-Denkmals-Comité hat in seiner ed Sigzung, am Sonnabend, den 23. d. M. einen Beschiuß gefcßt, welcher gewiß den Beifall der Freunde dieses Unternehmens finden dürfte. Mit Rücksicht auf die Beschränktheit der Mittel sollte die Herstellung der vom Lildhauer Julius Moser modellirten Kolossalbüste des Dichters in Bronze erfolgen. Vielfache, an tas Counité herangetretene Wünsche haben dasselbe bewogen, nunmehr ver Herstellung in weißem Marmor definitiv den Vorzug zu geben. Allerdings erhöheu sich hier- dur) die Kosten, das Comité hofft jedo, daß das Publikum, welches dem Unternehmen bisher seine Hülfe geliehen hat, demselben auch ferner werkthätig zur Seite stehen werde. Wie wir hören, fehlen an der erforderlihen Summe zur Zeit noch mehrere Tausend Mark. Bei- träge nimmt die Depositenkasse der Deutschen Bank, Berlin W,, Maverstraße 29, in Empfang.

; Der fünfzehnte \chlesische Bädertag und seine Verhandlungen v ebst dem statistiswen Berwaltungs- beriht, dem medizinischen und Witterungsbericht

mäßig verkehren, ist das Handels-Museum nachzuweisen in der Lage.

für die Saison 1886.“ Bearbeitet und herausgegeben von dem

Vorsißenden P. Dengler, Bürgermeister in Reinerz. Reinerz, 1887. Verlag des \{lesishen Bädertages. Der vorliegenden Broschüre entnehmen wir Folgendes: In den im s\chlesischen Bädertage ver- einigten 9 Kurorten: Kudowa, Flinsberg, Görbersdorf, Königsdorf- Jasftrzemb, Landeck, Langenau, Reinerz, Salzbrunn und Warmbrunn standen während der Saison 1886 im Ganzen 10314 Personen 293 mehr als im Jahre 1883 in ärztliher Behandlung, von denen 6589 = 66,47 %% weiblihen und 3725 = 33,53% männlihen Geschlehts waren. Im Vergleich mit 1885 erhielt Kudowa einen Zuwahs von 103 (953, darunter 231 = 24,12 %% männl. und 722 = 75,88 9% weibl.), Flinsberg von 402 (1466, darunter 254 = 17,32 % männl. und 1212 = 82,08 9% weibl.), Salzbrunn von 428 (2221, darunter 1173 = 52,70%/a männl. u. 1048 = 47,309/0 weibl.) und Warmbrunn von 30 Perfonen (1247, darunter 495 = 39,72 % männl. und 752 = 60,289 weibl.), während Görberêédorf ein Minus von 33 (522, darunter 359 = 68,78 °%/% männl und 163 = 31,22 9% weibl.), Jastrzemb von 245 (182, darunter 35 = 19,23 %/o männl. u. 147 = 80,77 °9/o weibl.), Landeck bon 476 (889, darunter 184 = 20,67 9% männl. und 705 = 79,30 9% weibl.), Langenau von 84 (578, darunter 118 = 20,42 9/0 männl. und 460 = 79,58 9/0 weibl.) und Reinerz von 174 Personen (2256, darunter 876 = 38,83 9% männl. und 1380 = 61,17 % weibl.) zu verzeichnen hatten.

Von Krankheiten der Ernährung und Konstitution hatte die relativ höchste Zahl Langenau, 42,9 °%/o; ihm folgten Flinsberg mit 39,0 °/o, Kudowa mit 26,8 %%, Jastrzemb mit 18,1 9/0, Reinerz mit 17,6 %/0, Landeck mit 8,7 9/9, Salzbrunn mit 6,7 °% und Warmbrunn mit 2,8 9/0. Die Infektionskrankheiten : Malaria, Syphilis und Keuch- husten waren in feinem dec Bäder zahlreih vertreten und betrugen in Jaftrzemb 5,5 o, Flinsberg 2,8 9/0, Langenau 1,3 9/6, Warmbrunn 1,2%, Reinerz 0,6%, Salzbrunn 0,5% und Kudowa 1,2%. Bei Krankheiten des Bewegungsapparates stand an erster Stelle Warmbrunn mit 47,79%, fodann folgten Jaftrzemb mit 18 %/o, Landeck mit 12,9%, Langenau mit 11,7%, Flinsberg mit 5,6 o, Kudowa mit 5°/, Salzbrunn mit 2,5%, Reinerz mit 1,9%. Die Krankheiten der Cirkulationsorgane betrugen in Kudowa 5,4 °/o, Reinerz 4/0, Warmbrunn 3,7%, Salzbrunn 3,6 9%, Flinsberg 2,9 9/0, _ Landeck 2,4 %/0, Jastrzemb 2,2% und Langenau 1,99%. Die Krankheiten des centralen peripheren Nervcn- systems ergaben für die meisten Kurorte ziemlichß hohe Prozentzablen; für Kudowa 28,8%, Warmbrunn 26,3", Flins- berg 21,7 9/0, Lande 17,4 9/0, Langenau 16,8 9%, Sastrzemb 12 9%; nur Salzbrunn und Reinerz betheiligten sih verhältnißmäßig \{chwach, Salzbrunn mit 3,8% und Neinerz mit 3,6 9/9. Bei den Krank- heiten der Respirationsorgane stand Dr. Brehmer's Heilanstalt für Lungenkranke in Görbersdorf im Vordergrund wit 99,8 °/9; dann folgten Salzbrunn mit 65,2 %/6, Reinerz mit 53,2", Flinsberg mit 9,2 9/0, Langenau mit 7,2 °/o, Landeck mit 6 "/0, Warmbrunn init 5,6 %/0, Kudowa mit 2,8 9/0 und Jastrzemb mit 2,7 9/0. Bei den Erkrankungen der Verdauungéorgare fühcte Salzbrunn die Spiße mit 11,619/0; ihm {loffen sich an Landeck mit 6,8 9/6, Neinerz mit 6,65 9/, Warmbrunn mit 6,5 /a, Flinéberg mit 4,7%, Langenau mit 4,159/, Kudowa mit 3,39% und Jastrzemb mit 2,75 %. —- Bei dea Krankheiten der Harnorgane war Salzbrunn mit 4%/ betheiligt, Langenau mit 1,2 9%, Kudowa mit 0,84 9/0, Flinsberg mit 0,68 %%, Warmbrunn mit 0,64 °/, Reinerz mit 0,48 %% und Landeck mit 0,11%. Bei den Geschlehts- krankk eiten, fast ausschließlich Krankheiten der weiblihen Geschlechts- organe, hatte Landeck die Führung mit 40,25% übernommen; dann kamen Jastrzemb mit 34,6%, Kudowa mit 20,14 9/0, Flin8berg mit 14,66 %/%, Langenau mit 99%, Reinerz mit (,18 9%, Warmbrunn mit 3,85 % und Salzbrunn mit 0,41 ‘/9. Krankheiten der Augen kamen im Gonzen 10 Fälle und Gehörkitank- heitca im Ganzen 14 Fälle, davon allein 7 in Jastrzemb, zur Beobachtung. Von allgemeinen Schwächezuständen und MRekon- valeézenz entfielen auf Kudowc: 5,35 9/0, Landeck 5,08 9%, Reinerz 4,4 9/9, Flinsberg 2,39 9/0, Langenau 2,35 9/0, Salzbrunn 1,4% und Warmbrunn 0,7 9%/. Von vereinzelten interessanten Krankheiten wurden 14 Fälle ‘vebandelt, 12 allein in Reinerz, und zwar 11 Fall- sucht, 1 Lupus und 2 Wandernieren.

__ Ars Tübingen wird dem „Hann. Cour.“ unter dem 26. April über dic dortige Uhland feier berichtet: Zur Feier des heutigen Gedenkt1ges hat Uhlard's romantish-\{chöne Vaterstadt ein reiches Festgcwand angelegt, überall ranken sich Guirlanden an den Häusern entlang und nicken buntfarbige Fähnchen aus ihnen herab. 1 hland- Gedenkn ünzen, Uhland-Büsten und «Bilder werden in Menge feil- geboten ; schon gegen 6 Uhr begann sich die Menschenmenge vor Ihlan»'s Geburtshause zu drängen, denn mit der Ent- hüllung einer Gedenktafel an diesem begann die Feier. Der Akt vo:. Uhland's Geburtshause war kurz, aber erhebend: Nachdem ein Masik-Corps Uhland's Lieblingschoral „Geh? ans mein Herz und suche Freud'“ gesvielt hatte, ergriff Stadtshultheiß G8 das Wort : Gr bezeichnete Uhland als den größten Mann aller Zeiten, der jemals aus unserer guten alten Stadt hervorgegangen, und wies darauf hin, wie der große Lodke als Dichter, als Forsher und als un- er-näbdliher Kämpfer für Freiheit, Wahrheit und Recht für ale Zeiten sih ein ble:bendes Andenken gescchafffen; dann ¡ank die Hülle. (Fin Großneffe Uhland's, Arthur Meyer, zur Zeit Einjährig-Freiwilliger bei den Olga - Grenadieren in Stuttgart, gab dem Dank der Familie für die Anbringung der Gedenktafel Aus- druk; der Tübinger Sängerkranz intonirte „Das ist der Tag des Herrn“, und man zerstreute sih, um gegen 9 Uhr am Grabe des D chters demselben eine erneute Huldigung darzubringen. Ludwig Uhland und seine treue Gattin, geb. Vischer, ruhen, wie vielleicht niczt allgemein bekannt, Seite an Seite; naheliegend war es des- halb, wenn an dieser Stelle auch der Lebensgefährtin gedacht wurde. Schon der erste Sprecher am Grabe, Professor Rambler, that dies, indem er nah Schilderung der wahrhaft groß- artigen Universalität Uhland's, der als Gelehrter, als Dichter und als wuhrhaft freisinniger Mann Gleichwerthiges geleistet, rühmend hervorhcb, wie ihm auf allen diesen Gebieten Frau Emma nicht nuz: als sorgensheuchender häusliher Schutzgeist, sondern auch als treue Mitarbeiterin zur Seite gestanden. Im Namen Sr. Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen legte Stadtshultheiß Gös cinen prachtvollen Kranz aus gelben Theerofen und einer Uninengc Beilchensträußchen auf das Grab, weitere Kränze wurden von dem württembergi|chen Thronfolgerpaare, dem Prinzen Wilhelm und Gemahlin, dann dern noch lebenden Verwandten des Dichters und dessen Pflegesohn, dem jeßt in Stuttgart wohnenden Dr. med. Steidel, ge- spendet Leßterer legte seine Gabe, cin Gewinde aus lauter Vergiß- meinniht, auf das Grab der Gattin des Dichters.

London, 28. April. (W. T. B.) Ein Telegramm aus Perth Western (Australien) meldet von einem großen Orkan, der am 22. d. die Nordostküste heimgesuht und namentlih die Schiffe der Perlenfischer {wer betroffen habe. Es würden gegen 40 Perlen- fisher-Schiffe vermißt; die Mehrzahl derselben solle gescheitert, der übrige Theil ins ofene Meer hinausgetrieben sein. Die Zahl e Leben gekommenen Personen werde auf mehrere Hunderte geschäßt.

Redacteur: Riedel. Berlin: —- Berlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags-Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen (einshließliÞ4 Börsen-Beilage).

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„4 100. __

Erfte Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 29. April

17.

Statistische Nachrichten.

Sterblicbfkeit der Gesammtbevölkerung in Preußen 1885. (Stat. Corr.) Nach amtlicher Zusammenstellung starben in Preußen während des Jahres 1885 716 859 (374 932 männl. und 341 927 weibl.) Personen; außerdem wurden 44 108 (24 791 männl. und 19 329 weibl.) Todtgeborene registrirt. Im Vergleich mit den drei Vorjahren ergiebt sich für das Berichtsjahr ein günstigeres Sterb- lihkeitéverhältniß; die Sterbeziffer (auf 1000 Einwohner berechnet) betrug nämlich für 1885 25,0, während sie sih für 1884 bis 1882 rückwärts auf 25,4, 25,4 und 25,3 berehnet. Auch für die beiden Geschlechtec stellt sich dieses günstige Verhältniß heraus; denn die Sterbeziffer für das männlihe Geschle(t sank von 26,964 im Jahre 1883 auf 26,917 und 26,624 im Jahre 1884 bezw. 1885, für das weiblihe Geshlecht von 23,925 auf 23,888 und 23,910, Dieses Er- gebniß ist um fo bemerkenswerther, als die Anzabl der Lebend- geborenen, welche 1885 die Höhe von 1064 401 = 37,6 auf 1000 Ein- wohner erreichte, größer war als in den vorhergehenden Jahren.

Was die Todesurfachen aalangt, so weist die nachfolgende Ueber- iht die Häufigkeit der einzelnen Todesursahen nah, welchen die in den Jahren 1883—§5 Gestorbenen erlegen sind.

Zabl der Von je 1 Million Lebenden 1885 erlagen den nebenverzeichneten Ae Toveéursachen enen as i E E m L A M 36 791 1455 1117 1465 1153 1439 1137

653 445

Todesursachen:

1) angebor. Lebens\chwäche

2) Atrophie der Kinder (Abzebrung)

3) im Kindbett gestorben

4) Alters\{chwäche (über 60 Jahr)

5) Pocken

6) Schar!’ach

7) Masern und Nötheln .

8) Diphtherie und Croup

750 426

760 809

432

19613 835 6473

70 022 2328 2928 2147 2694 2177 2707 E E 4 U 17750 498 446 617 556 652 589 16 0422 377 364 494 456 582 539 53 842 1723 1560 1336 1680 1963 1801 9) Keuchhusten 13620 513 538 488 545 459 492 O) S iee 9719 464 443 446 439 346 333 10a) Flecktyphus 63 6 3 68 3 2 11) Ruhr 1743 158 148 121 607 55 12) einheim. Brechdurhfall 12 446 462 563 484 461 409 13) Diarrhöe der Kinder . 11432 457 510 421 446 354 14) akuter Gelenk- rheumatismus 15) Skropheln und englische Krankhcit s 16) Tuberkulose 17) Krebs 18) Wassersucht 19) Apoplerie (Schlagfluß) 20) Luftröhren-Entzündung und Lungenkatarrh . 21) Lungen- und Brustfell- Entzündung N 99) and. Lungenkrankheiten 923) HerzkrankHheiten É 0 24) Gehirnkraafheiten .. . 15 131 577 439 95) Nierenkrankheiten ... 95387 220 129 223 1 238 1 26) Krämpfe o S or 480 2018 4406 3982 4228 3360 27) Selbstmord 5156 819 67 297 62 300 64 28) Mord und Todtschlag 466 20 9 21 S 20 9 29) Unglüsfälle 12 139 707 180 680 168 693 164 30) andere, nicht angegebene e E und unbekannte T.-U.. 78 697 3053 2745 2958 2645 2928 2079 Außer den vorstehenden Todesursahen wird noch das Auftreten einiger wichtiger Krankheiten vom Statistischen Bureau mit Aufmerk- samkeit verfolgt. So ist festgesteUt, daß 1885 den schädlichen Folgen der Trunksuht 1271 Männer und 158 Frauen, die größte Anzahl im produktiven Lebensalter, zum Opfer gefallen sind. Diese That- sache muß um so mehr die öffentliche Ausmerksamkeit auf si zichen, als biese Angaben nur einen Theil der Todesfälle an Alkohelismus bezeilnen, da niht überall die Todcsursachen ärztlih festgestellt werden. Sodann sind im Berichtsjahr 283 Personen, darunter alleir. 214 Kinder im ersten Lebensjahre, von der Syphiliskrankheit bingera}t. Das Auftreten der Trichinofe als Todesursache scheint jeßt seltener zu werden ; denn 1883 und 1884 sind dieser Krankheit noch 81 und 26, 1885 dagegen nur 16 Personen erlegen. An dec in neuester Zeit so in den Vordergrund getretenen e Oundswuth“ find 1885 6 männliche Personen zu Grunde gegangen, davon 2 im Alter von 3-—15, 3 *m Alter von 15—20 Jahren, einer gegen 30 Jahre alt Vei dem medizinalpolizcilichen Interesse, welches den Todes- fällen an Hundëwuth beiwohnt, hat übrigens das Statistische Bureau schon lange auf die Feststellung dieser Todesursache besonderen Werth gelegt. Bereits seit 1844 ziehen die Königlichen Re- gierungen Auf Anregung der statistischen Ceniralstelle über das Auftreten der Hundswuth unter den Menschen in jedem Einzelfall Nachrichten ein. Eine mehr die medizinische Wissenschaft allein interessirende Krankheit wird ebenfalls in ihrer Häufigkeit als Todesursache besonders ermittelt; das ist die Zuckerkrankheit. An ihr starben im Berichtsjahr 314 männliße und 186 weibliche Personen, eine Anzahl, die bei dem Fehlen einer allgemeinen ärztlichen Leichenshau nicht gering erscheint, weil fie nur als Mindestzahl aufzufassen ist. : : : / Die Sterzÿlichkeit der Kinder im ersten Lebensjahre endlich, welche bekanntlich einen beherrschenden (Einfluß auf die Gesammt- sterblihkeit ausübt, ist im Berichtsjahr günstiger als in früheren _ Sahren ausgefallen. Es starben nämlich 1885 im Alter von 0 bis 1 Jahr 119 643 Knaben und 97517 Mädchen, d. h. auf 1000 Lebende in diesem Alter 264,7 bezw. 221,0, während in den drei vorhergeheaden Jahren die Sterbeziffer zwischen 267,4 und 277,1 für Knaben unt zwischen 223,3 und 232,3 für Mädchen s{chwankte. In den übrigen Altersklassen gestaltete ih die Sterblichkeit so, daß für die Personcn von 10 bis 60 Jahren 1885 eine etwas fleinere Sterbeziffer als früher beobachtet ist, während die Kinder im Alter von 1 bis 10 JIochren und die über 60 Jahre alten Personen einer größeren Sterblichkeit als in den Vorjahren unter- worken waren. Die Nr. 382 der „Mittheilungen der Großherzogli

hessishen Centralstelle für die Landesstatistik“ hat fol- enden Inhalt: Vorläufige Ergebnisse des Betriebs der Eisenbahnen ebruar 1887. —- Preise der gewöhnl. Verbrauch8gegenstände Febr. 1887. Vergl. metcorol. Beobachtungen Febr. 1887. Meteorol. Beoba(t, zu Darmstadt März 1887. Met. Beobacht. zu Schweins- berg März 1887, Meteorol. Beobacht. zu Kassel März 1887. Tägliche Wasserstände Oktober, November und Dezember 1886. Besteuerung des Weins 1885/86. Volksschulen, gortbildung6sulen und Privatunterrichtsanstalten Frühjahr 1886. “Anzeige.

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1 531 : De de D

109 97 106 ) 3384 2829 3366 306 390 309 546 806 9513 2 1225 923 1243

370

1532 1146 1616 1229 446 324 437 340 213 244 228 248 600 457 596 464 229 189 288 140

2 889 88 096 10 108 18 212 31 172

11 070 40 574 1661

11101 436 6 809 206

828 415

228

Bilder aus Ts\hutia Nagpur (Indien). Von Sup. Krückeberg-Beeliß.

(Missionskonferenz in der Provinz Brandenburg.)

Es ist cin armes und gedrüccktes Volk, in dessen Mitte wir uns verseßt haben. Einst freilih ist es anders gewesen; vor untentlichen Zeiten waren sie freie Herren des Landes und hatten fogar ihre eignen Könige aus dem Eeschlehte der Nagbansi, d. h. Schlangen- söhne, deren Abkömmlinge sch ncc) heute Rajah (König) nennen und in Palkot, im Südwesten des Landes, wohnen. Als jedo die Hindus Nordindien croberten, da war cs auch mit der Königsherrlichkeit und Freiheit der Kolhs aus. Sie wurden Unterthanen der Eindringlinge, ja sanken sogar zu ciner so tief vecahteten, kastenlofsen Menschenklafse herab, daß die Herren des Landes auch die geringste Berührung mit ibnen vermeiden, um sich niht zu verunreinigen. Weil sie keine religiösen Bedenken tragen, Fleish zu essen, so werden sie Kolhs, d. h. Scweinetödter, genannt. Immer zahlreihere Hindus siedelten sih in Tschutia Nagpur an und nahmen das Land in Besiß, theils als Semindare, Besißer mehrerer Dörfer, theils als Thikadare, d. b. Generalpähter von Dörfern und der zugehörigen Aerflächen. Von diesen haben die Kolhs das Land in Pacht, auf dem fie ihren Neis und sonstige Bedürfnisse bauen, und dieses Pachtverhältniß giebt den übermüthigen Herren des Landes vielfahe Gelegenzeit, ihre Pächter auf alle erdentli&e Weise auszusangen. Unter den nichtigsten Bor- wänden werden ihnen Akgaben auferlegt und ihnen oft der Erirag der ganzen Ernte abgenommen. Dieses Verhältniß macht sie zu einem unter s{chwerem Joch seufzenden Sklavenvolke.

Doch ist es nicht überall so. Im Südvosten, in der Landschaft Singbhum, wohnen die Larkakolhs, die \{önsten und größten Leute dieses Stammes. Hier giebt keine Semindare und Thikadare, sondern die cigenen S!ammesbrüder besißen und verpahten das Land. Da diese sogenannten Manki ihre Pächter niht unterdrücken, so sind die Larka nicht blos selbstbewußter in Haltung und Benehmen, fondern auch scßhafter, während die nördlichen Uraos und die in der Mitte wohnenden Mundaris sih gern und immer mehr den unerträglichen Gewaltthätigkeiten der Semindare, vor welchen sie die englishe Rechts- plane niht immer {üßen kann, durch Auswanderung zu“ entziehen uchen. Lange {on hatte die evangelis&e Christenheit \sich auf ibre Pflicht, den Heiden das Evangelium zu bringen, besonnen; in allen Relttheilen arbeiteten \hon christlihe Sendboten an der Bekehrung der Heiden; Indien selbst war der Schauplatz gesegneter Missions- erfolge gewesen; aber zu den Kelhs hatte das gute Wort seinen Weg noch nit gefunden, obschon ihnen cine Weissagung aus alten Zeiten verkündigte, daß eins Männer kommen und ihnen die Wahrkeit bringen roürden. Versucht war es zwar {on einmal i 1 Jahre 1841, aber dieser Versu war völlig fehlge|chlagen. Es erschien den Missiors- gesellschaften das Volk der Kolhs so roh und unzugänglih, daß leine nh entschließen konnte, das Werk ihrer Vekehrung in Angriff zu nebmen, und die Boten, welche es endlich thaten, waren ursprünglich nit für sie bestimmt, sondern nur durch eine wunderbare Fügung zu ihnen geführt worden. E

Im Jahre 1844 hatte nämlich Vater Goßner in der Beth- lehemsfirhe zu Berlin vier Missionare nach Indien abgeordnet, den Theologen O die chemaligen Lehrer Brandt und Batsch und den Oekonomen Janke. Sie sollten entwede: zu den Karenen nach Hinter- indien gehen, wo ihnen ein Haus geschenkt war, oder in Tibet, nörd- lich vom Himalaya, ein Arbeitsfeld suhen. Als fie nun aber in Kalkutta landeten, waren ihnen beide Wege verschlossen. Unter den Karenen arbeiteten \chon die Amerikaner, und jenes Haus befand si an einer ungeeigneten Stelle, Nah dem Himalaya konnten sie richt, weil zwischen den Engländern und en tapfern Sikhs ein Krieg ausgebrochen war. Das war trübe. So saßen sie in Kalkutta, Hirten ohne Heerde. Nun fanden sie öfters auf ihren Wegen dur die Stadt, mit den niedrigsten Arbeiten beschäftigt, eine Klasse Menichen von dunklerer Hagutfarbe, deren wilde und verkommene Ge- sihter ihnen auffielen. Die Hindus behant:lten sie mit hochfahrendstcr Verachtung, aber die Männer aus Berlin: betrachteten sie mit ganz anderen Blicken. Auf Befragen erfuhrer sie, es seien Kolhs aus Tschutia Nagpur. Da erwachte der Wuns, zu den Kolhs zu gehen ; er führte zu Unterhandlungen ; gewichtige Stimmen redetcn zu; es kam eine Aufforderung frommer englischer Offiziere aus Ranschi, bcsonders von dem Untergouverneur Haaningtoaz, sich bei ihnen niederzulassen N entshlossen sie sich und zogen in Gottes Namen nah Tschutia

agpur. E

Indessen Missior(sarbeit is Geduldsarbeit. Schon die Hin- reise war fehr beschwer!ih und langwierig; keine Eisenbahn brachte sie auf den halben Weg wie heutzutage; die Jahreszeit war ungünstig. Dennoch verlief alls ohne Unfall, und am 1. Dezember 1845 wurde in Nanschi der Grundstein zu einer Station gelegt. Diesen Ort hatte man gewählt, weil feine Lage als Hauptstadt viele Vor- theile bot. : S :

Die größte Schwierigkeit war nun aber die Sprache wie groß, das ahnte man 1och niht einmal. Die Kolhs haben nämli eigene, zum Theil sebc verschiedene Sprachen, zu deren Erlernung den Mi!sionaren nctürlih all und jedes Hülfsmittel fehlte. Man löste die Schwierigkeit vorläufig dadur, daß man die wichtigste unter den vielen Sprachen Indiens, das Hindi, die Muttersprahe von 67 Millionea Menschen, (freilich in 18 verschiedenen Dialekten), welches viele Kolhs ein wenig verstehen cder wenigstens leichter lernen konnten als die Deutschen das Mundari oder Urao, zur Umgangssprache mit densclben machte. Das hatte freilich große Nachtheile, auf welche wir niht näher eingehen können; aber es war zunächst ein AÄuskunftsmittel. Erst gegen 20 Jahre später haben ih Mittel und Wege gefunden, die Sprachenfrage befriedigender zu lösen.

Nun hatten sie endlih ein Arbeitsfeld; allein daß die Missions- arbeit eine Geduldsarbeit ist, sollten sie do eigentli nun erst er- fahren. Sie begannen zu missioniren, suchten die Kolhs ia ihren Dörfern und Häusern auf, predigten auf Straßen und Märkten, knüpften Unterredungen an, hielten Gottesdienste, eröffneten Squlen, aber Alles blieb völlig vergeblich. Keine Seele fand si bereit, T A zu bekehren. Manche freilih empfingen sichtlih tiefere Eindrücke; das Evangelium schien für die mühseligen und beladenen Kolhs wie cigens gemacht, daher fand es Zustimmung überall. Aber auch anderswo räumen selbst die rohesten Heiden willig ein, daß das Christenthum ein gutes Wort sei; do von da bis zum Bruch mit dem eidenthum, mit heidnishen Lüsten und Sitten welch ein weiter Schritt! Den Kolhs war er zu weit. : N vermohten nihts auszurihten: kein Fünkhen wollte zur Flamme werden. Auch andere Nöthe machten ihnen viel zu \{affen, Krankheit und Todesfälle, dazu die syärlihen Gaben, welhe Goßner für seine Mission senden konnte. Wenn da niht die Großmuth der Engländer ausgeholfen hätte, so wären sie elend zu Schanden geworden. Nach- dem sie fünf Jahre völiüig vergeblich gearbeitet, \{hrieben sic in gänz- licher Verzagtheit an Vater Goßner: „Die Kolhs bekehren sich nicht ; alle unsere Arbeit is vergeblih. Gieb uns ein anderes Arbeitsfeld ! Aber unverzagt und ohne Zweifelmuth schrieb dieser: „Ob die Kolhs si bekehren oder nicht, ist euch ganz gleih. Wollen fie das Wort niht annehmen, so mögen sie es sih hören zum Gericht. Ihr betet

und predigt ruhig fort, und wir wollen hier auch mehr beten.“ So

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Auch die neuen, nachgesandten Missionare

Und die Erhörung war nicht fern. Das Wort lockte doch immer zablreichere Besucher auf die Station; ein Sehnen und Suchen ging durch das Volk, genährt durch die Hoffnung, das Evangelium möchte auch die äußere Lage der Unterdrückten bessern können. Da erschienen im Fahre 1850 vier Männer vom Uraostamm in Ranschi und zeigten sich geneigt, die Taufe anzunehmen. Doch hatten sic allerlei Bedenken, und da dieselben niht zerstreut wurden, so gingen sie wieder fort, famen aber bald zurück; endlih waren ihre Bedenklichkeiten zehoben; fie wurden getauft. Das geshah am 9. Juni 1850. Jeßt war auf einmal das Eis gebrochen. Plötlih kamen die Kolhs, nun aber nit einzeln, nein shaarenweis, ganze Familien, ganze Dörfer, ja, zu Tau- senden begehrten sie die Taufe, so daß die Missionare nicht wußten, wie sie der auf cinmal daherrauschenden Fluth Herr werden sollten. Merkwürdigerweise war dies weniger cine Wirkung des unmittelbaren Einflusscs der Missionare, als vielmehr der Kolhs untereinander. Namentlih machten eine Reihe von Gebetserhörungen an Kranken- betten gewaltigen Eindruck und befestigten den Glauben: Jisn MassÌi (der HErr Jesus) ist mäctiger als die Bongas. Ja, wenn damals Geld und Arbeitskräfte genug dagewesen wären, um den Strom in das rechte Bett zu leiten! So mußte man sich vielfa) damit be- gnügen, die Taufbewerber das Vaterunfer und den Glauben in Hindi auswendig lernen zu lassen und sie dann getauft in die Heimath zu entlassen, Doch waren fie bier nit ganz ohne Pflege. Missionar Schatz hatte einen großen und prakiishen Gedanken, weicher viel dazu beigetragen hat, dem Christenthum der Kolhs feine eigene volksthüm- liche Farte zu verleihen. Es wurden den zerstreuten Christenhäuflein Aelteste, Pratschine, bestellt, welche sie sih selbs wählen durften und zwar vorwiegend aus den {on bisher einflußreihen Perfönlich- keiten der Dörfer, z. B. den Pahans oder Mundas (Dorfschulzen), falls sie Christen waren. Sie leiteten die kleinen Gemeinden und versammelten sie in Ermangelung anderer Kräfte Sonntags zum Gebet. So wuchs3 das Werk den Missionaren untec den Händen. Es sollte aber auch an Stürmen nicht fehlen. 1857 brach der große Militäraufstand aus, in welchem die s{chwarzen Soldaten der Eng- länder, die Sepoys, fast den Engländern die Herrschaft über Indien zerstört hätten. Auch Tschutia Nagpur blieb nicht unberührt. Die Missionare mußten flüchten, und über die Christen brah von Seiten der Mohammedaner und Hindus cine arge Verfolgung aus. Doch die Standhaftigkeit und Treue Vieler hielt die Probe aus.

Zehn Iahre später ein neuer Sturm. Auch Missionare sind Menschen. Zwischen ihnen und dem Berliner Comité brachen Miß- helligkeiten aus, wele mit dem Uebertritt einer Anzahl der älteren

! zu ciner englischen Gegenmission endeten. Doch die meisten Christen

blieben der deuts{chen Mission treu, und seit jener Zeit datirt ein stetiges gesundes Wachsthum der jungen Kolhskirche.

Wir können nicht ins Einzelne eingehen und {ließen mit einem leberblick über den gegenwärtigen Stand des Werkes. Die Massen- bekehrungen haben, wie dies auch nicht ausbleiben konnte und durste, aufgehört. Dafür können aber auch diejenigen, welche kommen, gründlicher zur Taufe vorbereitet und in mehr geordnete Pflege ge- nommen werden. Vor allem wurden nach und nah die Stationen O Die wichtigsten sind sechs, welche etwa folgende Lage aben :

Ranschi

Burju

(Patrasburd\ch) Chatbasa

(in Singbhum).

Außer diesen giebt es eine große Zahl von Dörfern mit Kapellen, Schulen und einzelnen Christenfamilien. In den Jahren 1877—78 hat der Missionsinspektor, Prof. Plath cine Reise zur Inspektion der Stationen gemacht und si von dem gesegneten Fortgang des Werkes überzeugt. é /

Die Probe auf die Fähigkeit eines Volkes, chriftlide Gedanken in sih aufzunehmen, ist nun aber nit die Zahl der Getauften, fondern sie wird dadur erwicsen, daß es gelingt, aus dem Volke selbst brauch- bare Theologen und Prediger heranzubilden. Wie uns das Seminar in Ranschi zeigte, hat man auch diese Aufgabe mit Erfolg zu löfen begonnen. Schon haben 14 dort ausgebildete Theologen die Ordination zum Predigtamt empfangen und haben ihre eigenen Genteinden, denen fie als Pfarrer, natürlich unter der Oberleitung der Missionare, dienen; auch einen Theil ihres Gehalts bringen die Gemeinden be- reits auf. : :

Im Ganzen zählt die Kolhékirhe jeßt 31000 Getaufte, von dencn 11 000 zum Abendmahl gehen können. Daß sie in 1074 Dörfern zerstreut wohnen, läßt einen Schluß auf das Maß von Arbeit ziehen, wel§es den 12--15 Missionaren obliegt. Wieviel müssen sie reifen, um au nur ¿einen Theil ihrer Christen jährlich zu schen und sie fördernd zu hceinflussen! :

Msge das Ziel diescr Mission an den Untersten ihres BYolkes in nicht allzuferner Zeit erreiht werden, nämlich dies ganze verachtete Bolk dur) treue Arbeit nach und nah so zu heben, daß sie ihren UÚnterdrüdtern geistig ebenbürtig, ja, überlegen und dann cin wirksames Hülfsmittel dazu werden, das mächtige Bollwerk, welches sich das Heiden:-hum im indischen Gößendienst errichtet hat, von Grund aus zu zerstören und dies reichge]egnc:e Land zu einer Stätte christlichen Wesens, christlicher Gefsittung zu machen!

Lohardagga Govindpur (Goßnerpur) Tatarma (Matthäuspur)

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Mittheilungen für die öffentlihen Feuer- versiherungs- Anstalten. (Fr. Stollberg in Merseburg.) Nr. €. Inhalt: Ritterschaftlithe Brandversicherungs-Gesellschaft in dea Großlherzogthümern Meälenburg-Schwecin und Mecklenburg- Streliß: 1. Statut vom 9./19, August 1886, 11. Versicherungs- Bedingunaen, 111. Prämien-Tarif betr. Preußische Brandstatistik. Kleinere Mitthe:tungen. Berichtigungen. :

Die gefiederte Welt. Zeitschrift für Vogelliebhaber, -Züchter und -Händler, herausgegeben von Dr. Karl Ruß (Magdeburg, Creutz'\he Verlagsbuchbandlung, R. & M. Kretschmann), Nr. 17. Inhalt: Zum Vogelshuß: Uebcc die Schongeseße beim Vogelsang und bei der Haltung der Käfigvögel. Die fünfte Aus» stellung des Vereins „Ornis“ in Berlin. IX. Hülfsmittel der BVogelpflege und -Zucht. a, Futtermittel. Von meinen Papageten. Die verschtedenen Racen der. Sprosser, ihr Gesang und Gesangs werth, sowie ihre Pflege und Wartung in der Gefangenschaft. (Fort'eßzung). Cin Gedenkbiatt an einen Volksdichter. Aus Haus, Hof, Feld und Wald. Aus den Vereinen: Erla; Aus- stellungen. Anfragen und Auskunft. Aufruf zur Unterstüßung des Dr. Holub. Briefwechsel. Die Beilage enthält : Anzeigen.

Fs is. Zeitschrift für alle naturwissenschaftlihen Liebhabereizn, herausgegeben von Dr. Karl Ruß (Magdeburg, Creußz’sche Ver- lagsbuhhandluag, R. & M. Kretshmann). Nr. 17, Inhalt: Thierkunde; Die Miesmuschel-Schildlaus (Cozeus conchaeformis s, Aspidiotus linearis). Pflanzenkunde : Neber Flechtensammlungen. Die Spargelkuitur. Vom Blumenmarkt V. Verkannte Thiere (Schluß). Anleitungen: Zur Vertilgung der Maulwurfs- grille (Schluß). Nachrichten aus den Naturanstalten: Hamburg. Vereine und Ausstellungen: Magdeburg. Aus Haus, Hof, Feld und Wald. Manherlei. Bücher- und Schriftenschau. Natur-

| geschah es.

wissenschaftlicher Unsinn. Berichtigung. Anzeigen,