1908 / 30 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Feb 1908 18:00:01 GMT) scan diff

offenen Stellen durch Einstellung von Rekruten oder Freiwilligen gedeckt werden können.“

Ich glaube nicht, daß es für die Shwadron mehr als 2 oder 3 sein können. (Zuruf aus der Mitte.) 5 für die Shwadron ? Das möchte ich bezweifeln, kann es aber niht bestreiten, weil mir die Zablen im Augenblick niht zu Gebote stehen. Der Vorredner hat dann weiter gesprochen von der erschwerten Ausbildung bei den anderen Waffen. Die Auébildung bei der Kavallerte ist aber doch auch enorm schwieriger geworden. Er hat ferner davon gesprochen, daß das Gefecht zu Fuß doch endlich einmal den Wert bekommen solle, den ihm einsichtige Kavalleristen zugesprohen haben. Herr Abgeordneter, das Gefecht zu Fuß hat diesen Wert in der ganzen Kavallerie, und es gibt in der deutshen Kavallerie kein Regiment mehr, wo nicht die Autbildung im Schießen und im Gefecht zu Fuß in einer Weise getrieben wird, von der man vor 5 Jahren noch keine Ahnung batte. Er hat dann weiter davon gesprochen, daß die Tätigkeit der Kavallerie im Felde verloren bätte dur die technischen Mittel, durch Radfahrer, durch Luftschiffe usw. Das sind alles sehr wünshens8werte Hilfsmittel, die wir haben müfsen und die uns sehr gute Dienste leisten werden. Aber all diese Mittel ersparen uns nit ein Pferd bei der Kavallerie und auch nit einen Mann. Denn wenn man Kavallerie abschaffen würde, so könnten diese Ersatßmittel gerade -dann versagen, wenn man sie brauhte. Jh erinnere nur daran, daß bei |chlechtem Wetter Radfahrer nicht fahren können, ih erinnere daran, daß wir ganze Herbstmanöver von drei Wochen Dauer gehabt haben, und daß die Luftschifferabteilung, die wir dabei hatten, uns keine drei Meldungen hat machen können, weil sie immer in den Wolken, im Regen oder im Nebel \{webte. Sie wird uns bei Fesiva rgen, wenn der Feldkrieg zum Steben kommt, enorme

ienste leiften; aber sie fann die Kavallerie niht ersetzen, und es wäre uncangebracht, wenn wir auf Grund dieser Erwägungen die Organisation der Kavallerie anders gestalten wollten. Der Abg, Haeutker hat auch davon gesprochen, man môhte die Attacke mit zwei geschlofseren Gliedern auf den rihtigen Wert zurückführen. Meine Herren, die Attacke in zwei geshlofsenen Gliedern brauen wir hauptiäblich zur Aufklärung. So large wir eine gegnerishe gleih- wertige Kavallerie uns gegenüber haben, so lange ift für uns die Aufklärungstätigkeit unterbunden. Wir können e:st dann mit Erfolg aufklären, wenn wir die gegnerische Kavallerie zurückgeworfen baben, und dazu gebrauchen wir die zweigliedrige ges{chlossene Attae. Meine Herren, ich möchte nur mit einigen Worten darauf hin- weisen, was denn eigentlih der dritte Jahrgang zu tun hat. Es ift vor allem dreierlei. Er muß, wie bereits SIOA worden ist, die Unteroffiziere, die RNemontereiter sind, im Remontezureiten unterstüßen und ergänzen. Er muß, möchte ih sagen, die Zabl der Unteroffiziere ergänzen auf die für uns notwendige Zahl von Mann- schaften zum Zureiten der Pferde. Weiter muß er ergänzen das Material für die Führung wichtiger Patrouillen. Sie werden mir erwidern : dazu sind die Offiziere, dazu sind die Unteroffiziere da. Unsere Offiziere und Unteroffiziere, meine Herren, fürhte ih, werden im Anfange eines Feldzugs sehr rasch dezimiert fein, und wir brauchen dann notwendig eingeübte Kräfte. Wir können nie mehrere Offiziere oder Unteroffiziere zusammen hinauss{hicken. Da reitet eben ein Mann mit, der dann unter Umständen die Aufgabe hat, die Patrouille zu führen und die Meldung zu bringen, genau so, wie der Unteroffizier und der Offizier. Daß für die hierzu nôtige Ausbildung aber das dritte Jahr notwendig ist, das geht doch schon aus der Schwierigkeit hervor, die wir bereits mit der Offiziersausbildung haben. Weiter, meine Herren, ist noch ein Moment zu beahten, und das ist, daß wir unseren Unteroffizierersaß aus den Dreijährigen nebmen wollen. Die Infanterie klagt doch {hon sehr darüber, daß fie Unteroffiziere nehmen muß aus den Leuten, die erst zwei Jahre gedient haben. Bei der Kavallerie, wo der Unteroffizier nebenbei wenigstens aushbilfsweisfe als Reitlehrer fungieren muß, ift es ganz undenkbar, daß ein Mann in der Regel nah dem zweiten Jahre schon Unteroffizier wird. Wenn wir dazu kämen, daß wir tas Gros der Unteroffiziere aus den im dritten Jahre dienenden Leuten nehmen müßter, dann, muß man sagen, müßte unsere Ausbildung eo ipso um °509%% zurüdgeschraubt werden. Daß die Stimmung der Dreijährigen bei der Entlassung der Zweijährigen eine sehr gereizte oder unangenehme wäre, das weiß ich nicht. Meine Herren, ih babe au ein paar Jahre eine Shwadron geführt, aber daß die Leute sich beschwert hâtten, kann ih niht fagen es kommt einmal einer oder es kommen zwei, und die werden, wenn sie häuslihe Verbältniffe nahweifen können, an und für sich beurlaubt. Also, daß da die Stimmung der Leute eine sehr gereizte wäre, ist mir niht aufge- fallen. (Zuruf.) Meine Herren, ih kann nur noch einmal wieder- holen, die bayerishe Heeresverwaltung teht auf dem Standpunkt, daß es mit einer Einbuße an Leistung gleihbedeutend wäre, wenn die dreijährige Dienstieit bei der Karallerie auf eine zweijährige herab- geseßt würde.

Inzwischen ist folgende Resolution der Abgg. Gröber und Genofjen (Zentr.) eingegangen:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, gleihzeitig mit der Verbesserung der dienstlihen Bezüge der Offiziere, Unteroffiziere und Mèilitärbeamten auch für die Gemeinen eine Erhöhung der Bezüge arzufordern.“

Abg. Graf Oriola (nl.): Auch wir bedauern die Erkrankung des Kriegéministers und wünschen, daß er baldigst völlig wieder- hergestelt in unsere Mitte zurückehre. Die Budgetkommission hat bei den patentierten Oberstleutnants, die die pensionsfähige Zulage von 1150 Æ beziehen sollen, und bei dem fog. Aggregiertenfonds leider Abstrihe gemaht. Die Beseitigung oder die große Kürzung des Aggregiertenfonds würde Härten führen und zu anderweiten Ausgaben durch kostspielige Versetzungen Veranlassung geben. Das hat auch die Kom- mission eingesehen und na@träglich wenigstens dem betreffenden Titel den Zusatz gegeben: „Bei eintretendem Mehrbedarf kann im Rehnungs- jabre 1908 ein Betrag von 90000 A über den Etat v-rau®gabt werden." Ob damit dem Bedürfnis genügt ist, steht dahin. Auch wenn man fkein großer Freund des Automobiliports ift, fann man freudig füc die Kraftwogen stimmen, Militärverwaltung im diesmaligen Etat fordert. Der Automobil-

zu großen !

welche die

sport selbst wird mindestens von den Bewohnern des platten Landes |

niht entfernt mit fo günstigen Augen betrahtet als

von den i

Sportsleuten, die auf immer höher werdende Rekords stolz sind. | Im Heere soll keine Parteipolitik getrieben werden; selbstverständlich ist, daß jeder ebrliche Soldat treu zu seinem Fahneneide steht. : Für selbstverständlih halte ich auch, daß in unscre Kasernen alle | Zeitungen außer den fozialdemokratischen Einlaß finden; denn wie !

könnte man dulden, daß Zeiturgen eirer Partei, die Gegnerin der bestehenten Gesellihafts8ordnung und unseres Kaisertums is , von

den jurgen Soldaten gelesen werden! Es find auch Angriffe gegen |

Ich

die Kriegervereine in der Kommission zur Sprache gekommen.

halte sehr viel von dzn Kriegez:vereinen; ih |ehe in ibnen einen vor- !

trefflidben Sch{uß gegen das Ueberhandnehmen des Einflusses der Sojialdemokratie; darum begrüße ih sie und freue mi, wenn in ibrer Mitte au die Offiziere erscheinen. Fahnenbandes bei verschiedenen Kriegervercinen ift wesen; es ift erwidert worden, daß die Entziehung des Fahnen- bandes, da preußishe Kriegervereine in Frage kommen, ßishe Angelegenheit sei. Nun liegen zahlreiche

Au von dec Aberkennung des ! die Nede ge- !

eine preu- | Resolutionen

vor, von denen einige sozialdemokratishe lediglich die Abschrift von : Teilen eines freisinnigen Antrages aus dem vorigen Jahre sind. Das

ist gerade fein Zeihen von großer geistiger Produktivität bei den Sozialdemekraten.

bestimmungen ausgesprochen; in diesem Rahmen treten wir dem Antrage bei, auch dem einer Revision über das ehrer gerihtlide Verfahren. Für die Durchführung der Oeffentlichkeit in den Militärgerichten bleibt für uns der § 282 der Militärstrafprozeßordnung maßgebend, wona die Hauptverhandlung öffentlich erfolgt. Aber es. gibt zweifel- [os Fâlle, in denen aus Gründen der Disziplin oder Sittlichkeit der Auss{luß der Oeffentlichkeit unbedingt zu fordern ift. Zu diesen rene ih auch die traurigen Prozesse aus der jünsten Zeit. Jedenfalls muß die Nichtöffentlichkeit die Ausnahme bleiben und nie mit Nücksicht auf die Person des Angeklagten erfolgen. Auf die vielen Wünsche aus den Kreisen der Militärbeamten auf Gehaltserhöhung und Verbesserung ihrer Stellung will ih nicht eingehen... Die Budgetkommission hat sie einfiweilen zurückgestellt und will fie erst beim neuen Beamtenbesoldungs- geseß beraten. Dieser Beshluß liegt im Interesse der Sache und der Beamten selb, Wir sprehen die Erwartung aus, daß das Beamtenbefoldung2gesez. den mannigfahen berechtigten Forderungen Rechnung trägt, und daß es uns möglichst bald vorgelegt wird, denn es würde einè ungemein große Härte sein, wenn alle Beamten, die mit Petitionen zu uns gekommen sind, wieder für ein ganzes Jahr zurückgewiesen werden müssen, und ihnen vielleicht bôchstens eine Teuerungszulage gewäbrt wird. Auh auf die Militäranwärter und Perfionäre will ich nit eingehen. Für eine Besserung der Lage unserer Militärkapellmeifter bate ih mih wiederholt aus- gesprochen, und ih möchte meiner Genugtuung über die Erklärung der Militärverwaltung Ausdruck geben. Wir hoffen, daß die vor- liegenden Petitionen der Handwerker der technishen Institute und der Artilleriewerkstätten bei der Regierung Berücksichtigung finden, ebenso wie auch die Wünsche der Handwerker bei den Bekleidungs- ämtern. Von großem Werte ist es, daß bei Vergebung der Lieferungen die selbständigen Handwerker möglichst berücksichtigt werden. Wer in Wahrheit für die Erhaltung und Förderung des Mittel- standes eintreten will, muß diesen Gedanken als berechtigt anerkennen. Eine Befserstelung der Hauptleute und Leutnants if durchaus notwendig. Wir halten es auch für unaufshiebbar, daß für uasere Unteroffiziere etwas Ordentlihes geschieht. Wir erkennen es als einen Fortshuitt an, daß die Regierung bereit ist, den Soldaten das Putzzeug zu liefern, aber auch eine Erhöhung der Löhnungen muß 1o bald als möglich erfolgen. Schon jeßt im Jahre 1908 durch einen Nachtragsetat wird dies nicht möglich sein. Die Sozialdemokraten baben es leit, Anträge zu stelien; wenn es aber gilt, eine sachgemäße Verständigung über eine neue Steuer- reform herbeizuführen, dann bleiben sie auf ihren extremsten Anschauungen bestehen. Die Pachttreiberei bei den Kantinen ist im höchsten Maße bedauerliG. Speziell auch bei marchen Garde- regimentern übersteigt das bei den Kantinenverpahtungen Geleistetz das Vernünftige weit. Ich halte es für dringend geboten, daß die Bataillonskommandeure darauf achten, daß es niht zu Pacht- preisen kommt, wo die Soldaten ihren einfahen Bedarf niht mehr zu bester Qualität und zu billigen Preisen bekommen können. Für die Gewrährung von Ernteurlaub treten wir unbedingt ein, ob aber zuglei die Lohnfrage nah dem Vorschlage des Abg. von Byern dabei mitgeregelt werden Tann, ift mir zweifelhaft. Die Lohnverhältnisse sind do zu verschieden. Zu verurteilen sind die Scharfshießübungen im Gelände befonders zur Zeit der Ernte. Es bandelt sih dabei niht nur um die eigentlihen Schießpläge, bei der Tragweite der Geschosse. Deswegen sind wir auch immer dafür eingetreten, daß man für Truppenübungsplätze in den einzelnen Provinzen Sorge trägt. Wenn es gelänge, landwirtschaftlihen naturkundlichen Unterricht einzu- führen, wäre dies im Interesse der Landwirtschaft sehr zu begrüßen. Ein Versuch hat sich in Augsburg sehr bewährt. Ferner befürworten wir die Erhaltung der kleinen Garnisonen und die Errichtung weiterer kleiner Gar- nisonen. Diese kleinen Garnisonen, über die fo üble Romane geschrieben worden find, haben bei uns eine außerordentlich große Bedeutung ; man muß richt' immer an Mißstände denken, sie spielen für unsere kleinen Städte und für das Land eine große Rolle. Die kleinen Städte haben große Lasten, sie verdienen auch Vorteile zu haben.

Die Budgetkommission hat eine Denkshrift über die zwei- jährige Dienstzeit bei der Kavallerie und reitenden A Si vorgeschlagen. Wer die Urbeber dieser Resolution find, wissen

Sie. Der eine von ihnen hat gesprochen, er hat mich aber nicht überzeugt. Der Kriegéminister hat die Denkschrift versprochen ; danach sind wir ja wohl alle in der Lage, ihr zuzustimmen. Ich halte sie für nüglich, fie wird uns und das Land überzeugen, daß ohne Schädigung der Webrfraft die Einführung der zweijährigen Dienstzeit bei der Kavallerie und reitenden Feldartillerie nicht möôglich ist. Eine Gleichheit für die beiden Truppengattungen wäre ja an sich wünshenêwert, aber eine Gleihmaterei auf Kosten der Schlagfertigkeit wäre vom U-?bel. der Kavallerie eine immer s\chwierigere geworden ist, kann au ein Laie einsehen, dazu braucht man keinen Sachverständigen. Der heutige Kavallerist muß ein sicherer Reiter sein, und er muß jedes Pferd einreiten können. Der Kavalleriit wird heute auch als Fußfoldat ausgebildet, er muß auch ein guter Schüße fein; in bezug auf Zerstörung von Eisenbahren, Telegrapben und Brücken muß er vieles lernen. Wenn der Abg. Haeuzler das selbst zugibt, wie kann er da für die zweijährige Diensizeit eintreten ? Der Abg. Haeusler verwies auf die Dreijährig- Freiwilligen ; aber wo die hernehmen, wenn es keine gibt! Die Erfahrungen in Frankreich sollten davor zurückschrecken lassen, leihtsinnig wieder einen solcken Schritt zu tun. Glaubt der Abg. Haeusler, daß dies möglich ift, ohne die Kosten der Armee ganz bedeutend zu erhöhen ? Die Sozialdemokraten läßt der Ruhm des Zentrums nicht slafen ; sie wollen ganz allgemein die einjäßhrige Dienstzeit einführen. Ueber das Bevelshe Mili¡system ist hier {hon sehr oft gesproten worden, daß die Gegengründe nicht wiederholt zu werden brauchen ; sie würden den Abg. Bebel doÞ nicht überzeugen. Durch die Einführung der einjährigen Dienstzeit würden doch etwa dem Voike Gelder erspart werden. Die sozialdzmokratischen Phantastereien würden, wie oft nahgewiesen worden ist, zu einer ungeheuren Mehrbelaftung führen. Man würde statt zu einer einjährigen, zu einer halbjährigen Aushebung kommen, sonst würde das ganze Heer nur aus Rekruten bestehen.

Daß tie Ausbildung

nicht

Kände aber eine zweimalige Auébebung statt,

dann gäbe es zwei Manöver im Jahr ; dafür würden si aber die Land- |

wirte shönstens bedanken; es würde dann au jener b-ll2 werder, der es heute noch nit ift. Geben Sie (zu den Sozialdemokraten) mit folien Forderungen ins Volk und zeigen Sie, was sie bringen follen! Keiner von Ihnen hat aber die Courage, dem Volke zu sagen, daß Ihre Vors&läge dem Volke viele Millionen kosten würden, und wir haben doch nur enen Staats\äckel. Die Zahl der Unteroffiziere würde niht ausreih:n , oder die vor- handenen Unteroffiziere würden überlastet und die Zahl der Miß- handlungen vermeh:t werden. y folchen Experimenten nichts wissen; an den Grundfesten des Heerez,

! als daß sie ein Nein, das deutsche Volk will von |

das uns die rubmreihen Siege von 1870/71 erfohten hat, wollen wir |

nicht rütteln lassen. Der sfozialdemcekratishe Antrag ist nur ein

führbar ift.

Oriola meint, der Antrag habe nur die Bedeutung, agitatorisch I wirken, so mag er bei inem Glauben bleiben, wenn er aber meint, wir müßten auch für Veckung sorgen, so erkläre ih hier, wir werdey niemals einem Etat unsere Zustimmung geben, der in der Hauptsag seine Einnahmen aus der Belastung der breiten Volksmafsen zieht ; wen sie aber aus der Reichseinkommen-, aus der Vermögensfteuer die Deckung beschaffen, so werden Sie uns auf Jhrer Seite finden. Für die Anr, träge Gröber und Ablaß werden wir stimmen, dagegen können wi den Weg, den der Antrag Köhler G niht für gangbar halten und lehnen diesen Antrag ab. ie Schulbildung in unseren Volks\{ulen if noch so rüständig, daß hier zuerst einmal Wandel geschaffen werden muß. Was die Ausführungen der Abgg, Haeuslker und von Byern betrifft, so begrüße ih, daß wir endlig einmal von alten Militärs, die Mitglieder des Hausez find, einen Ton anschlagen hören, den wir hier bisher nit ewohnt gewesen find, weder in solcher Weise, noch aus diesen Meisen. Der Abg. von Byern ist lebhaft für Ersparnisse in der Militärverwaltung eingetreten, womit er dem vor einem Jahre von dem Fürsten Bülow entwickelten Programm entgegenkommt, Der Etat zeigt ja das gerade Gegenteil dieses Programms, denn er fordert für das Militär 58 Millionen mehr als vo:her. Was bis, her in bezug auf Ersparnisse von unserer Seite verlangt und heute von dem Abg. von Byern wiederholt worden ist, hat bisher bei der Ver- waltung nicht die geringste Rücksiht gefunden. Der Abg. von Byern hätte es auh leiht gehabt, seinen Anregungen noch eine gang Merge anterer nach der Ribtung der Ersparnisse hin folgen zu gen Ganz besonders erfreulich aber waren die Ausführungen des Abz. Haeusler, dem der Vorwurf doch niht gemaht werden kann, niht fachverständig zu sein. Der Generalmajor von Gebsattel hat es allerdings versuht, ihm die Sachverständigkeit abzusprehen, aber nur mit dem Argument: Man kann mit zwei Jahren nicht aus kommen, wenn du anders denkt, verstebst du's niht. Die Herren, die heute für die dreijährige Dienstzeit ih einlegten, baben dieselben Argumente vorgebracht, mit deren man früher die dreijährige Dienst, zeit für die Infanterie für absolut unentbehrlich erklärte, und die, nachdem man gezwungen gewesen war, die zweijährige einzuführen, un eine große Vermehrung des stehenden Heeres zu erreihen, sid eines Besseren haben belehren müssen. Heute \priht kein Mersch mebr von der dreijährigen Dienstzeit für die Fußtruppe, weil man weiß, daß man damit nie und nimmer mehr durchkom:men würde. Der Kriegsminister hat bei der ersten Lesung des Etats den § 175 in Verbindung mit gewissen Vorkommnissen im Heere erwähnt, Ob der Kriegsminister heute nah dem Ergebnis des Prozesses gegen die Grafen Lynar und Hohenau noch alles aufrecht erhalten würde, was er damals sagte, ist mir doch sehr zweifelhaft. Ganz außer- ordertlih bedenklich ersheint mir, daß man in dem Allensteiner Drama den Hauptmann von Goeben und die Frau von Schönekteck zum Zwecke der BeobaWtung ihres Geisteszustandes in eine Irrenanftalt gesandt hat. Daß folhe Fälle der Militärvecwaltung unangenehm find, verstehe ih, aber zu einer solhen Praxis sollte denn dech nickt gegriffen werden. Der Fall des Piinzen Prostper Arenberg if do noch in zu frischer Erinnerung. In den Verhandlungen vom 29. November spielte auh der Fall Liebkneht eine Rolle. Der Kriegs- minister bestritt, daß der Geheime Kriegsrat Romen der Verfaffer der Anklageschrift gewesen sei; ob die Schrift aus dem Kriegs- ministerium hervorgegangen ift, darüber hat er sich nit geäußert.

Die „Norddeutshe Allgemeine Zeitung* hat erklärt, tie Arklage sei -

bom Dberreih8aiwalt aus eigener Initiative erhoben worden. Es scheint mir wichtig festzustellen, daß der Okerreihs8anwalt Olshausen ausdrüdlich erklärt hat, die Broschüre Liebknechts sei ihw vor- gelegt worden von einer Seite, die ein wesentlihes Jnterefse zur Sache hatte. Daraus geht hervor, daß ihm die Schrift selbst {on Monate lang bekannt war, ehe er zum Einschreiten veranlaßt wurde. Ich komme nun zu unseren Anträgen. Wir wollen nit leugnen, daß wir den auf Einführung der einjährigen Dienstzeit aus dem Gesichts- punkt der Erziehung zur Webrhaftigkeit, der Umbildung des stehenden Heeres zur Miliz heraus gestellt haben. Das Milizsyst:m steht auf unserem Programm als eine der nächsten Forderungen an den Staat. Die Nationalliberalen möchte ih daran erinnern, daß im Jahre 1863 auf einer Generalversammlung des Deutschen Nationalvereins, deren Präsident tekanntlih Bennigsen war, dieser in einer Resolution die Notwendigkeit der Einführung des

Milizsystems in Deutschland betont hat. Sie vergegenwärtigen sh niht, was die Geshihte im Laufe der Jahr- bunderte in dieser Beziehung bewiesen hat. Der Krieg3minifter bon Einem erklärte am 25. April des lezten Jahres, ih

bâtte auf einem unserer Parteitaze die Organisation der Militär- macht als ein Meisterwerk bezeihnet und troßdem immer wieder ge- fordert: Nieder mit dem Militarismus. Die Milizheere aber hätten nur dazu geführt, die Kriege zu verlängern. Es wird dem Kriegsminister sehr {wer fallen, aus der Geshihte nachzuweisen, welhe Nachteile das Milizsystem gegenübcr dem stehenden Heere hat. Daß die Volks- heere die Kriege verlängert hätten, möchte ih mit dem Hinweis auf den 30 jährigen Krieg beantworten, der mit Söldnerheeren ausçefohten ist, auf den spanisden Erbfolgekrieg, in den Jahren 1701 bis 1714, auf den 7 jährigen Krieg, auf den nordamerifanishen Unabhbängigkeits- krieg und die Befreiungékriege, die allerdings insofern eine Ausnahme machen, als die vreußisWen Truppenteile zum ersten Male auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht gebildet waren. Der Redner führt fodann in eingehender Weise noch weiteres geshichtlihes Material an, um den

| Vorzug des Mili;systems vor dem des stehenden Heeres zu beweisen.

Daß man auch von Milizarmeen lernen kann, hat der nord- amerikarishe Befreiungskrieg gezeigt. Man hat es den Franzosen verargt, daß sie sih wie ein Mann erhoben, als es während des Krieges hieß, Deutschland wolle Elsaß-Lothringen annektieren. Was würden Sie dazu gesagt haben, wenn umgekehrt Deutshland zu Boden ge- worfen wäre und Napoleon das linke Rheinufer gefordert bätte? Gawbetta und Freycinet baben, als die Armee am Boden lag, eine Milizarmee aufgestellt, die vortrefflihes geleistet hat; sogar mit

einer Kavalleriz, die gar niht auszebildet war, auf keinen Fall drei oder gar vier Jahre gedient hatte. Das hat von der in seiner bekannten Schrift über Gamketta und

Gol in

sein Heer ane:tannt. Heute ist die Schweiz das einzige Land, das eine Miliz hat, 105 Tage genügen dort zur Autbildung der Artillerie; die Schweizer Artillerie ist eine ganz ausgezeihnete. Die Schw:izer Manöver sind nach dem Urteil von hervorragenden Fahleuten vor- züglih urd steten über den deutsch:n. Der General Keim, ein un- verdähtiger Deutscher, meinte, er wolle hinsihtlih unserer Kaisermanöver für mildernde Umstände plädieren, sie wären mehr eine Art Heershau mit mächtigen Heeresmassen usw., richtiges Kriegsbild gäben. Das heißt doch eigentlich, unsere Kaisermanöver sind Spielereien. Unsere Vorschläge sind gar nicht so weitgehend, wie man cs darstellt. Vor 1870 wollte man in Württemberg die Dienstieit auf

l 1 De i / 17 Monnte ermäßigen, da kam der Krieg und vereitelte diesen Plan. Agitationêmittel, von dem die Herren selbst wissen, daß es nit dur(- |

Abg. Bebel (Soz.): Die Kasernen sind so wie so die besten

Sozialdemokratie wegen des ganzen nur so fort, wir fahren nit \ch{lecht dabei. Der Vorredner sah in den Kriegervereinen ein Mittel gegen die Sozialdemokratie. Ich habe die Anschauung vertreten, daß ih_ mich freue, daß diese Kriegervereine cxistieren, weil sie an Orten gegründet werden, wo kein politishes Leben besteht, und weil man in diesen Vereinen mit Vorliebe gegen uns vorgeht,

Agitationtherde für die Systems. Fahren Sie

; und unsere Leute in den Vereinen aufklärend wirken können. Tun Sie (rechts), was Sie wollen, Sie arbeiten nur für uns. Mit

Wir werden wie im vorigen Jahre für diese

Anträge stimmen. In dem neuen Militärstrafreht, das da verlangt

wird, dürfen aber keine Bestimmungen enthalten sein, die die Disziplin im Heere zu lockern geeignet wären.

Wir wünschen längst eine neue *

Strafprozeßordnung für das Zivilrecht; hoffentlih erhalten wir dann |

au ein neues Militärstrafgeses. Ein neu hinzugekommener Antrag Ablaß verlargt die Reform des Beshwerderechts und des ehreng-richt- lihen Verfahrens. Mein Freund Bafsermann hat sich im vorigen Jahre für die Reform des Beschwerderehts unter gewifsen Kautel-

unserem Antrag wegen des Militärstrafrechts haben wir uns keines |

geistigen Diebftahls \chuldig gemaht. Wir mußten ihn ein- bringen, weil wir niht gehört haben, daß die verbündeten Regierungen der vom Neichstage gegebenen Anregung Folge geleistet Eaben. Die jebigen Löhne für die Mannschaften bestehen weit über ein halbes Jahrhundert ; alle die gewaltizen Erhöhungen aller Lebensmittel und Beda:fsgegenftände find an diesen Säßen spurlos vorübergegangen ; an die armen Soldaten hat man nicht gedaht. Wenn der Graf

. größer.

Bei uns wurde doch auch in den achtiiger Jahren die Ausbildung von 30000 Mann als Ersatreserve erster Klasse innerhalb kurzer Zeit vorgeshlagen! Das war doch der Anfang einer Miliz. Auch die Buren hatten ein Milizheer, dessen Leistungen doch anerkannt werden. Nie und nimmer werden Sie dem“ Volke den Glauben bei- bringen können, daß es einer längeren Dienstauskildung bedarf als bie jegige der Einjährig-Freiwilligen. In der Agitation folgen wir nur dem Beispiel ter Agrarier, die hier Neden balten, um nab außen zu wirken. (Abg. von Oldenburg ruft: Die habea aber beffere Gedanken!) Die Agrarier haben uns in der Agitation sogar über- ticffen; in der Fixigkeit sind die Herren uns über. Die finanziellen Anforderungen wachsen riesenmäßig. Unter dem Druck dieser Anforde- rungen wird die Unzufriedenheit îin Deutschland und Europa immer So kann es nicht weiter gehen.

_ Generalleutnant Sixt von Armin: Jch möthte die erste Gelegen- heit nicht vorübergehen [afsen, ohne den berzlihsten Dank den Herren auézusprehen, tie in so woblwollender Weise des Kriegsministers gedaht hahen. Es sind în den eingehenden Reden, die wir heute gehört Haben, so viel Wünsche ausgesprochen und so viel An- regungen gegeben worden, daß ih es mir versagen muß, auf jeden

Wün werden Gegenstand weiterer Erwägungen sein. Ne zu if vorliegenden Resolutionen einige Worte. Es ift elbstverständlih, daß alle diejenigen Maßnahmen, die eine

erstellung unserer Mannschaften oder fonst der Heeresverwaltung angehöriger Personen bezwecken, uns nur sympathisch fein können. Eine Echöhung der Löhne können auch wir nur wünschen, die Bewilligung von Reisegeldern in die Heimat kann auch uns nur lieb sein. Aber es handelt sich hierbei doch wesentlich um eine

einjelnen Punkt einzugehen. Das if auch niht nötig, denn - e

finanzíelle Frage. Ob und inwieweit und für welhen Zeitpunkt diesen Wünschen entsproGßen werden kann, entzieht sich meinem Urteil. möchte aber darauf hinweisen, daß in

der Kommission hon mit einer gewissen Vorsicht vorgegangen ist. Denn ein AO der sich mit dem hier vorliegenden Antrage Gröber deckt, ift in der Kommission abgelehnt. Wenn aber der Zeit- punkt kommt, daß diese Wünsche in Erfüllung gehen sollen, dann werden wir uns am allermeisten freuen. Die Resolution, welche die bürgerlißen Verbältniffe, namentliß der Landwirte, bei der Einziehung der Mannschaften zu Uebungen möglichst berücksihtigt wünscht, ist \chon öfter Gegenstand der. Debatte gewesen. Der Kriegsminister hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß wir selbftverständliß die Verpflihtung anerkennen, nach dieser Richtung bin jede möglihe Rüdksiht zu beobahten. Die Termine für die Pferdevormusterungen werden zwischen den Zivil- und Militärbebörden vereinbart und die Einwände der Zivilbehörden dabei berüdsichtigt. Was die Einberufung der Mannschaften anbetrifft, so haben ih die Ausbildungsverbältnifse in der Armee

egen früher wesentliÞh geändert nicht nur dadurch, daß sie ge- fieigert find, sondern sie baben sich auch vershoben durch die Truppenübungspläte. ir müssen diese Pläße ausnugzen, und das

ist ein Moment, das es nicht immer möglich mat, die Wünsche von [landwirtshaftliher Seite in vollem Umfange zu erfüllen. Allgemeine Bestimmungen für die Erntezeit zu treffea, halte ih mit mehreren Vorrednern für ganz außerordentlich \{wer. _In einem so großen Lande wie Deutschland sind die Ernteverhältnisse durch die klima- tischen und Bodenverschiedenheiten so verschieden, daß eine einheitlihe Regelung nit erreihtar ist. Was nah dieser Richtung bin gesehen kann, geschieht. Ebenso wird es sehr {wer sein, die Lohnverbältnifse einbeitlih zu regeln aus den Gründen, die Graf Driola {on bervorgehoben hat, denn sie find in den ver- schiedenen Teilen des Vaterlandes außerordentlich verschieden. Jn bezuz auf die dreijährige Dienstzeit haben wir außerordentlich inter- efsante Reden gehört. Der Abg. Haeusler hat aus einer reihen militärishen Wchibiiig gesprohen, und der bayerishe Bevollmächtigte

bat ibm eingehend geantwortet. Ich habe meinem bayerischen Kollegen um so lieber den Vortritt gelassen, als er Bayer und Kavballerift ist, und ih habe seinen Worten nichts

hinzuzufüzen. Was in der Denkschrift des preußishen Kriegs- ministeriums stehen wird, weiß ih nicht, ich glaube aber nicht, daß andere Gesichtspunkte darin zu Tage treten könnten, als sie heute seitens des bayerischen Bevollmächtigten vorgetragen sind. Die Anregung des Grafen Oriola, beim Aggregiertenfonds die alte Forderung der Negierung wieder herzustellen, kann ih nur aufs wärmste befürworten, denn die Ablehnung in der Kommission ist eine {were Schädigung des Offizierkorps und der Artillerie. Aus der Rede des Abg. Bebel will ich nur einen Punkt hervorheben. Gr hat es als jehr bedauerliG bezeihnet, daß die Militärverwaltung den Hauptmann von Goeben und Frau von S{öônebeck in die Irrenanstalt gebraht hat. Die Militärverwaltung hat damit absolut nichts zu tun. Das ist Sache des Gerichts, und, soviel ih weiß, ist die Anordnung in bezug auf Frau pon Schönebeck vom Z'vilgerikt getroffen worden. Auf die militär-histo- rifhe Rede des Abg. Bebel glaube ich bei der vorgerückten Stunde niht mehr eingeben zu sollen. Ih glaube, daß das Haus mit mir darin einverftanden ist, und ih sehe um fo mehr davon ab, als alles, was ih sagen könnte, den Eindruck dieses hbistorishen Vortrags nur abschwächen könnte.

_Um 61/4 Uhr wird die Fortsezung der Beratung des Militärctats auf Dienstag, 1 Ühr, vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 23. Sigung vom 3. Februar 1908, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht voa Wolffs Telegraphishem Bureau )

Ueber den Beginn der Sigung, in der die Beratung des Etats der Handels- und Gewerbeverwaltung fortgesezt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Zu der FordÆung der Ausgabe für die Stelle eines neuen vortragenden Rats im Ministerium bemerkt in Erwide- rung auf Tin REn des Abg. Freiherrn von Zedliß und Neukirch (freikons.) der

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Ih bin mit dem Herrn Abg. von Zetlitz vollsiändig darin ein- verstanden, daß bei uns zu viel geshrieben wird, und werde meiner- seits gern bereit sein, alles zu tun, um das Streiben zu vermindern. Ih glaube aber doch bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen zu sollen, daß das Maß von Schreibarbeit, was jeßt den Ministerien und den ihnen zugeordneten Behörden auferlegt wird, heutzutage auch niht selten Anregungen dieses Hauses seine Entstehung verdankt. (Sehr rihtig!) Es vergeht kaum eine Etatsberatung, wo von mir niht wenigstens zwei oder drei Enqueten verlangt werden. Diese maden viel mehr Arbeit als viele andere Verwaltungstätigkeiten der Behörden.

Wenn der Herr Abg. von Zedliß sich tann speziell bezogen hat auf den Erlaß an die Amtsvorsteher wegen Beschaffung der Jahres- beri&te der Gewerbeaufsihtsbeamten, so hat er anscheinend diesen Erlaß niht gelesen und übershäßt ihn infolgedessen in seiner Tragweite. Es wird nämlih in diesem Erlaß niht den Amts- vorftehern und, wie der Herr Abg. von Zedliß im weiteren Verlaufe seiner Rede angenommen hat, den ESeweindevorstehern zur Pflicht ge- macht, dieses Bu zu kaufen und zu studieren, sondern sie werden [ediglih darauf aufmerksam gemaht, daß dieses Bu bei Vorher- bestellungen zu einem geringeren Preise bezogen werden kann, als wenn es nahher im BuYhandel bezogen wird. Sie werden mir zugeben: Das ist eine zweckmäßige Maßregel. Wir müssen ungefähr wissen, in welhem Umfange dieses witige Bu verlangt wird. Mir ift eben mitgeteilt worden, daß wir in einem Ihre infolge mangelnder Information über die Nachfrage über so wenig Exemplare verfügt bâtten, daß mein Amts8vorgänger sein Handexemplar an einen Reicks- tagEabgeordneten hat {enken müssen. Also, meine Herren, ich bin vollkommen damit einverstanden, daß überflüssige Schreibereien ver- mieden werden sollen. Daß aber gerade diese Verfügung, die lediglich die Mitteilung exthält, daß man ein Buch bei Vorherbestellung um

25 S billiger beziehen kann als beim Bezug im Buchhandel, geeignet

sei, das Shreibwerk zu vermehren und die Notwendigkeit hervorrufen könnte, eine vortragende Ratsstelle im Ministerium für Handel und Gewerbe mehr einzustellen, das wird man wohl nit annehmen. (Heiterkeit)

Dann möchte ich noch eins bemerken. Es gibt vielleiht kein Ministerium, in dem die Arbeiten von Jahr zu Jahr so wahsen wie augenblicklich in dem meinigen. Allein das gewerbldhe Unterricht3- wesen, die Förderung der sozialpolitischen Aufgaben wahsen rapide, und ih muß s{ließlich die wihtigen Angelegenheiten au in der Hand von etatsmäßigen Beamten haben.

Herr von Zedlig hat, als er mi das erste Mal begrüßte, die Güte gehabt, mir zu sagen, er habe den Wuns, es möge mir ge- lingen, dem Ministerium, speziell dem Handelsministerium, anderen Ressorts gegenüber das nötige Maß von Ansehen und Gewicht zu verleihen, das erforderlih sei, um die Interessen des Refsorts wirksam zu vertreten. Um mit dem nötigen Ansehen nah außen und anderen Ressorts gegenüber auftreten zu können, bedarf ih einer angemefsenen Anzahl älterer etatsmäßig angestellter und mit den Geschäften und Traditionen der Ministerien vertrauter Beamter, und gerade, wenn ih diesem mir aus der Seele gesp1ochenen Wunsch entsprechen soll, muß ich über eine hinreichende Anzahl von etatsmäßig angestellten vortragenden Räten verfügen. Es werden augenbli&lich in meinem Ministerium beschäftigt in den 3 Abteilungen, die der Handels- und Gewerbeverwaltung dienen: 14 vortragende Räte und 9 Hilfs- arbeite. Von den Hilfsarbeitern bearbeiten einige seit Jahren große Dezernate selbständig. Das ist ein Zustand, der auf die Dauer unhaltbar ist, und das Verhältnis von Hilfsarbeitern zu vortragenden Räten ist größer, als man es in der Regel für ange- messen erahtet. Wir nehmen an, daß niht mehr als F der Dezer- nenten Hilfsarbeiter sein sollen, In der Sate bin ich mit Herrn von Zedlitz einverstanden. Ich werde bemüht sein, in meinem Ressort die Schreiberei möglich| einzushränken, und ih hoffe, daß er seiner- seits dafür sorgt, daß auch dies hohe Haus das Ministerium mit über- mäßiger Schreibarbeit nit belastet. (Sehr rihtig!) Im übrigen hoffe i, daß Sie mir den vortragenden Rat bewilligen. (Beifall!)

Auf Bemerkungen der Abgg, Metger (nl.) und Dr. Beumer (nl.) über Besserstellung der Lotsen bezw. Zusammen- sezung der Kommission zur Ueberwahung der Starkstrom- anlagen erwidert der

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Was zunächst die Würnshe des Herrn Abg. Metger bezügli der Lotsen in S(le8wig-Holstein betrifft, so ist es einigermaßen s{chwierig, ihnen zu entsprehen. Das Lotsenwesen ift in der öftlihen und in der westlihen Hälfte der Monardie verschieden geregelt. Im Osten sind die Lotsen Staatsbeamte, werden als solche besoldet und pensioniert, und ihre Verhältnisse werden ja bei der Besoldungsvorlage auch zur Erörterung kommen. Im Westen beruht es auf einer jahrhundertlangen Ueberlieferung, daß die Lotsen Gewerbetreib ende sind und zur Ausübung ihres Gewerbes ledigli, den Beftimmungen der Gewerkteordnung entsprehend, eine Konzession, das sogenannte Patent des Regierungspräsidenten, benötigen. Diese Lotsen sind auf Gebühren geseßt, und sie haben früher von diesen Gebühren existieren können. Es haben aber von jeher das liegt in der Natur Sch{hleswig-Holsteins mit den zwei Küsten an ¡wei großen Meeren eine große Zahl von Lotsenstationen und von Lotsen dort bestanden. Man hat diese Zahl {hon reduziert. Dann ist inzwischen aber auch der Lotsenzwang aufgehoben worden und, was außerdem in Betracht kommt, die Segelshiffahrt, die große Zahl der Kleinfahrzeuge ist immer mehr verschwunden, und es handelt sich jetzt in der Hauptsache um die groß:n Dampfer. Infolge dessen sind die Einnahmen vieler Lotsenstationen in der Tat erheblich herunter-

gegangen; dieselben find daher seit langem auf Neben- verdienst angewiesen, und die Lotsen können \chon, weil sie nicht voll beschäftigt sind, nickt in ein Beamtenver-

bältnis vom Staat übernommen werden. Aus diesem Grunde hat aber die Staatsregierung, wie Sie wifsen, bei Kap. 68 Tit. 8 des Etats Mittel eingestellt, um diese Lotsen durch Zuschüsse zu ihren Ge- bühren in den Besiß eines einigermaßen autreihenden Einkommens zu segen. Aber, meine Herren, ih betione immer wieder, das kann un- mögli das Einkommen eines vollbeschäftigten Beamten sein, denn die Loisen sind im Lotsendienst häufig niht vollbeschäftigt, sondern üben teilweise eine Reibe anderer gewerblicher Tätigkeiten neben ihrem Lotsengewerbe aus.

Die Jahreseinnahmen der Lotsen sind seit dem Jahre 1891 fests geftellt für den Dberlotsen in Flensburg auf 2200 4, für die dortigen Lotsen auf je 1800 „#6, für den Oberloisen in Sonderburg auf 1400, für die Lotsen in Birk und für die 8 Eiderlotsen auf je 1200 ,4 Im Etat für 1907 waren aber bereits Mittel neu eingestellt, um diese Beibilfen zu erhöhen, und zwar wurden zu festen Beihilfen 3000 und zu einmaligen Unterstüßungen 2000 # gegeben. Es sind also au in legter Zeit wiederum Erhöhungen dieser Unterstüßungen resp. dieser Zushüfse eingetreten, und zur Zeit werden für die Lotsen in S@leswig - Holstein jährli 20 000 4 an derartigen Zuschüfsen gewährt. Jh will mich bemükben, dafür zu sorgen, daß, wenn si diese Summen als unzureichend herauéstellen sollten, eine Erhößung eintritt. Jch muß aber ebenso, wie ih das für eine andere Kategorie von Lotsen im vorigen Jahre {hon erklärt habe, daran festhalten, daß durch Staatszushüfse zu den Gebühren den Lotsen nicht ein Einkommen gesichert werden kann, wie es einem voll- beshäftigten Beamten in gleiher Stellung in den östlihen Provinzen des Staates zusteht.

Schwieriger liegen, wie ih gern anerkennen will, die Pensions- kafsenverhältnifse. Die Leistungen sind mit dem Rückgang der Be- schäftigung der Lotsen erheblih zurückgegangen; es ift notwendig ge- wesen, um die Kassen leiftungsfähßig zu erhalten, die Leistungen herab- ¡usezen, und ih erkenne ohne weiteres an, daß sie zur Zeit auferordentlih gering sind. Ob ih in der Lage bin, hier helfend einzugreifen, und auf welchem Wege, das kann ih heute nicht sagen. Ih kann aber mitteilen, daß über diese Frage bereits Vers

handlungen zwischen meinem Ressort und dem Finanzministerium gee *

\chwebt haben.

Was nun die Wünsche des Herrn Abg. Dr. Beumer anbelangt, so find die Anträge und Vorschläge, die in der Eingabe der wests fälishen Industriellen vorgetragen sind, zwar bereits in der von mir niedergesezten Kommission erörtert worden; ih habe aber bereits an» geordnet, daß troßdem erneut in eine Prüfung der Wünscke der rheinish - westfälishen Industriellen eingetreten wird, und daß zu diesem- Zweck eventuell Vertreter dieser Jndustriellen eingeladen werden follen. (Bravo!)

_Zu den Ausgaben für gewerblichen Unterricht, wissenshaftlihe und gemeinnüßige Zwedcke spricht

Abg. von Schmeling (konf.) sein. Bedauern darüber aus, die Navigationsvorshule in Stolpmünde wegen des andauernden I geringen Besuchs aufgehoben werden soll. Dieser Ent\chlüß der Staats- regierung habe in der Gemeinde große Erregung hervorgerufen. Auch für das platte Land, für die Küstenbewohner sei die Maßregel hart, weil der Besuch weiter liegender Navigationsvorshulen mit größeren Koften verbunden sei. Man solle auch auf diesem Gebiete, wie auf anderen, an der Dezentralisation festhalten. Die Schule könne in

Stolpmünde ruhig weiter bestehen; denn wenn der Besuch auch früber

unbefriedigend gewesen sei, so habe er sih doch in der leuten eit wieder gehoben. Auch die Zakbl der eingelaufenen Schiffe r Ht vermehrt, und die Anlagen für den Verkehr seien erweitert worden. Er beantrage, den betreffenden Titel an die Budgetkommission zur Prüfung zu überweisen.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Es liegen hier ähnlihe Verhältnisse vor wie bei dem vorhin erörterten Fall der Lotsen in Schleswig-Holstein. Mit dem Nückgange der Segelschiffahrt geht natürli die seemänntsd- Bevölkerung in den kleineren Orten mehr und mehr zurück. Die Mehrzahl der Seeleute wird heute auf Dampfern au?gebildet und hat dann naturgemäß Veranlaffung, ihre Ausbildung da ju suchen, wo ihre Reedereien beheimatet sind, also in den größeren Häfen. Aus diesen Gründen erklärt es sih, wenn die kleinen Navigationsshulen an der Ostseeküste in ihrem Besu dauernd zurückgegaugen find. Ih habe aber trogdem, ebenso wie mein Vorgänger, bis jeßt immer noch gezögert, meinerseits die Hand an eine der SHulen zu legeri, weil ich überzeugt war und überzeugt bin, daß das immerhin ein harter Eingriff in die örtlihen Verhältniffe ist ; namentli wenn, wie hier, auch eine Reibe von Nebeninteressen , die nicht uns mittelbar in mein Refsort eingreifen, wie ‘z. B. die Interefsen der Fisherbevölkerung, von einer derartigen Einziehung der Stulen berührt werden. Ih möSte aber darauf aufmerksam machen, daß in den leßten zehn Jahren in Stolpmünde die Höchstzahl der Schüler 9 betragen hat, daß dagegen in zwei Jahren, nämli im Jahre 1899 und im Jahre 1902, überhaupt keine Schüler vorhanden gewesen sind, daß im Jahre 1901 3 Schüler vorhanden waren, daß ¡wzi Jahre 2 Schüler aufgewiesen haben, und daß \ich erst im lezten Winter ¡um Glück für Stolpmünde 5 Schüler zusammengefunden baben. Im Jahre 1904 haben die Einnahmen dieser Schule 27 4, die Aus- gaben dagegen 1908 „# betragen ; im Jahre 1905 haben sh die Ein- nahmen auf 15 4 und die Ausgaben auf 2335 #4 belaufen; im Jahre 1906 haben die Einnahmen 21 #, die Ausgaben aber 2360 „4. be- tragen. Diese Ausgaben werden in Zukunft noch weiter steigen, wenn wir zu einer allgemeinen Verbesserung in den Besoldungtverbältnifsen der Navigatior lehrer kommen. Es kat also im Laufe der leßten Jahre ein Schüler dem Staate 500 bis 1220 gekostet. (Hört, hôrt !) Sie werden mir, zugeben, daß ih unter diesen Umftänden gegenüber der Erwägung“ des Herrn Finanzministers, der auf die Kosten hinweist, die die Navigationtshulen in ihrer Gesamtheit in immer sieigendem Maße fordern, nicht wohl habe weigern können, eine Anstalt einzuziehen, von der man wohl sagen kann, daß son die geringe Anzahl der Schüler darauf hinweist, daß ein vitales Be- dürfnis für ihre Aufrehterhaltung nit besteht, und von der man annehmen fann, daß ihre Kosten in keirem Verhältnis steben zu dem Nutzen, den der Staat und die Interessenten an dem Bestehen der Schule haben.

Der Titel wird auf Antrag des Abg. von Schmeling an die Budgetkommission verwiesen.

Die Diskussion über die Ausgaben für die Bau- gewerkshulen und die Besprehung derjenigen für die Maschinenbauschulen werden verbunden.

In die Position „Baugewerkshulen“ sind auch die Aus- gaben für eine in Essen neu zu errihtende Baugewerkschule aufgenommen. Für Frankfurt a. M. is die Neuerrichtung einer staatlihen Maschinenbauschule vorgesehen.

Referent Abg. von Brandenstein weist darauf hin, daß nach einem Vermerk in den Etatserläuterungen eine Aenderung der Organisation der Baugewerkshulen dahin eintreten soll, daß die Unterrichtsdauer von 4 auf 5 Semester erhöht wird. Ein weiterer Vermerk der Erläuterungen besagt, daß die Stadt Frankfurt sh zur Hergabe des Schulgebäudes und zur Erbauuung und Unterhaltung eines Ma- schinenhauses fowie zur Tragung der Hälfte der niht gedeckten Unterhaltungskosten verpflihtet habe. In der Kommission ift darauf hingewiesen worden, daß mit diesen Abmachungen vielleicht eine ge- wisse finanzielle Unsiherheit für die Zukunft der neuen Anftalt ent- stehen fênne. e i

Abg. Dr. Schroeder -Cafsel (nl.) tritt für die Einrichtung einer Tiefbauabteilung bei der Baugewerkshule in Caffel ein. Die Raum- frage sei jeßt dadur gelôst, daß die Sammlungen des Handels- und Gewerktevereins, die in dem Gebäude mit untergebraht waren, dem- nächst dem Landesmuseum überwiesen werden sollen. Anderseits müfse aber der bisberige Direktor der beiden Schulen noch Entschädigung erhalten und für den neuen Direktor eine Dienstwohnung beschafft werden, für welche die Stadt Caffel einen entsprechenden Wohnungs- geldzushuß leisten wolle. Der Redner wünscht, daß schon iw Sommer 1908 die neue Abteilung eröffnet werde.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg Shroeder find in der Sache vollständig zutreffend; ih habe ihnen nichts hinzu- zufügen. Nur bin ich der Meinung, daß er aus dem ganzen Verlauf der Sache niht den SHluß ziehen kann, daß mein Verhalten in diesem Punkte in Widerspruch stünde mit der Eiklärung, daß ih der Errichtung von Tiefbaushulen an geeigneten Orten sympathisch gegen- überstehe. Es haben sih, wie der Herr Abg. Schroeder selbs erwähnt hat, in Caffel eine Reihe von Schwierigkeiten erhoben, die noch niht ganz beseitigr* werden konnten.

Neu war für mih die Mitteilung, daß die Stadt Caffel bereit ist, au bezügli der Direktorwohnung die erforderlichen Konzessionen zu machen. Damit ist wieder eine der Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt, die sh der Verwirklißung des Proj-ktes entgegenstellten. Es bleibt aber immer noch die Notwendigkeit, die persönlichen S(wierizkeiten zu beseitigen. Es wird zunächst notwendig sein, daß Kommissare an Ort und Stelle verhandeln, und ih habe keinen Zweifel, daß wir zu einem befriedigenden Crgebrisse kommen werden.

Abg. Shmedding (Zentr.): Bei den vielen Neubauten auf den Dörfern und in den Städten werden so wenig die alten, ehrwürdigen Sitten und die Gesetze der Aesthetik berücksihtigt. Es werden Neu-

bauten errihtet, die durch ihre rohe und unschöône Form die Um- gebung verunstalten. Hier Wandel zu {hafen und anzuknüpfen an die

würdige äußere Erscheinung zu geben, ist gewiß des Schweißes der Edlen wert. Das Geseß vom vorigen Jahre über die bauliche Verunstaltung ift aber von so vielen Vorauétseßungen abhängig und an fo viele Kautelen geknüpft, daß bis zu seiner Einwirkung auf das Leben noch eine Reibe von Jahren vergehen wird. Erfreulich ift es,

daß der Minister des Innern und der öffentlichen Arbeiten neuerdings

gesunde Ueberlieferung früherer Zeiten und den Neubauten eine -

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