1908 / 84 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 07 Apr 1908 18:00:01 GMT) scan diff

_* Oberbürgermeister Holle, Essen: Wenn wir im rheinishe-west- fälishen Industriebezirk uns auch nicht gerade nah Einführung der föniglichen Polizei gesehnt haben, so muß ich doch anerkennen, daß durch die Einrichtung großzügiaer Polizeiverwaltungen manches ge- {hafen ift; denn in Rheinland-Westfalen sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land und zwischen den einzelnen Städten so gut wie verwisht. Nah meiner Anficht hat das Abgeordnetenhaus den §8 6 fehr verschlehtert, ih hoffe, daß die Kommission hier eine Aenderung durhführen wird.

Oberbürgermeister Dr. Bender-Breslau: Die Rülcksicht auf den pommers(hen Bauer, die der Herr Finanzminister verlangte, könnte doch leiht dazu führen, daß den Städten lieber gleih # als F der Kosten aufgebürdet werden. Die Einrichtung der königlichen Polizei legt den Kommunen Ausgaben auf, die gar nit in der vorgelegten Berechnung erscheinen Tönnen, z. B. bei der Festlegung von Bauflucht- Tinten. Es wird erzählt, dap ein Bürgermeister im Westen des Staates die Uebernahme der Polizei durh den Staat gewünscht habe; ih habe feststellen können, daß diese Verbandlungen persönlih mit s eam is ‘od gefährt wurden, die Gemeinde hat die Polizei n gewün]ckcht. j

e Geseßentwurf wird der Gemeindekommission über- wiesen.

Dr. Henzelt u. a. aus Zehlendorf (Wannseebahn) petitio- nieren namens der Grunewaldkommission der vereinigten kom- munalen Vereine von Zehlendorf um geseßliche Maß- s ay zur ungeshmälerten Erhaltung des Grune- walDds.

Der Berichterstatter der Agrarkommission Dr. Freiherr: Lucius von Ballhausen weist auf die Verhandlungen über den hierauf bezüglichen Antrag des Fürsten Hayfeldt bei der diesjährigen Etats- beratung bin, worin man die Regierung ersucht habe, alle Einnahmen und Ausgaben aus Verkäufen im Grunewald deutlich im Etat zum I zu bringen. Die Kommission habe folgende Resolution vor- geschlagen :

„1) unter Hinweis auf die am 31. Mai 1897 gefaßte Resolution die Regierunz zu ersuhen, von weiterem Kauf oder baushweisen Abtretungen von Giundstücken des Grunewalds möglichst abzusehen,

2) soweit folche stattfinden, dieselben zur Kenntnis des Landtags zu- bringen.“

Die Resolution wird mit großer Mehrheit angenommen, auf e N des Herrn Ehlers unter Hinzufügung eines Hin- weises auf den Beshluß des Hauses vom 30. März d. J. zum Antrag des Fürsten Haßfeldt.

Ueber eine Petition des Ehrenamtmanns Schulze - Henne zu Lohne namens des Westfälishen Landgemeindetages um Abänderungs- der Kreisordnung für die Provinz Westfalen behufs. Wählbarkeit besoldeter Beamten zum west- fälishen Kreisaus\huß und Kreistag, auch wenn sie der Auf- ficht des Landrats unterstellt sind, wird nah dem Antrage des Berichterstatters, Fürsten zu Salm-Horstmar, zur Tagesor nung übergegangen.

Eine Petition des Vereins „Frauenerwerb“ zu Berlin um Einführung eines obligatorischen hauswirtschaftlihen Unter- rihts an allen Mädchenshulen wird auf Antrag des Bericht- erstatters, Professors Dr. Hillebrandt, der Regierung als Material überwiesen.

Sihluß 51/2 Uhr. Nächste Sizung Dienstag, 1 Uhr (Eisen- bahnanleihegeses sogen. Sekundärbahnvorlage —; kleinere Vorlagen).

Haus der Abgeordneten. 69. Sißung vom 6. April 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sigung is in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Es folgt die Beratung der Uebersicht von den Staats- Einnahmen und -Aus gaben für das Etatsjahr 1906 und der Uebersicht von den Einnahmen und Aus- Ba eR er Preußischen Zentralgenossenschaftskasse Ur N

Die Rehnungskommission beantragt die vorläufige See gig der Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen

usgaben.

Abg. Brütt (freikons.) begründet den Antrag, „die Negierung zu ersuchen, darauf Bedackt zu nebmen, daß die Verträge, betreffend V e r - pahtung desBahnhofsbuchhandels, kurzfristig, höstens auf drei Jahre abgeschlossen werden, daß der Verpachtungstermin reh!zeitig vorher bekannt gemacht wicd, und daß die Verpachtung öffentli, und zwar in der Regel an den Meistbietenden erfolgt*. Der Antragsteller weist darauf hin, daß {on in der Kommission der viel- fah monopolartige Charakter ter Verpabtung zur Sprache gekommen sei; so z B. sei auf allen Bahnhöfen Groß-Berlins der Bahnhofs- buhhandel der Firma Stilke auf eizen langen Zeitraum in General- pacht gegeben worden. Dadurch entgingen dem Staate große Ein- nahmen, und es finde gleichzeitig eine unberechtigte Einschränkung der Konkurrenz statt. Der Antrag, der diesen Mißständen abhelfen wolle, babe in aller Fraktionen des Hauses Unierstüßung gefunden. Die Regierung habe in der Kommisfion der Anregung vor allem entgegen- gehalten, daß die Firma Stiike doch auch insofern ein großes Ver- dienst sih erworben habe, daß sie die unsittlihe Literatur vom IBer- tiiebe auf den Bahnböfen fernhalte. Dieser Einwand könne als be- rechtigt niht angesehen werden. Jn irgend einer Weise müsse die Eisenbahnverwaltung dem Haufe Aufshlüsse geben, damit dieses ein Urteil über die* Angemessenheit der Pachtpreise gewinnen könn.. Während für Groß-Berlin der Pachtbetrag 34 000 46 sci, würden allein vom Hauptbah bof Hamburg 20000 #4 Pacht vereinnahmt. Die öffentlihe Ausschreibung müsse auch deshalb verlangt werden, weil, wie sich aus den Verhandlungen dieses Hauses wie au des Reichstags ergab, weite Kreise mit der Handhabung des Buchhandels auf den Bahnhöfen durchaus nicht et: verstanden seien. Jn der Hant- bhabung tes Bahnhoféb:chandels müsse unbedingt Parität herren.

Geheimer Oberrezierungérat Offenberg verteidigt das biéher von der Eise:bahnverwraltung befolgte Prinzip und bit den Antrag abzulehnen; doch werde der Minister in eire grüntli@ Prüfung d-r bisherigen Gestaltung des Bahnbofebuchtandels eintreten. Die ein- zelnen Angaben des Antragstellers seien niht ganz richtig.

bg. Dr. Röchling (nl.), Berichterstatter der Nechnungs- fommission, äußert sich über die Behandlung der Froge in der Kommission und erkennt an, daß gewisse Mißstände im Babnhofs- buhhandel beständen, bezweifelt aber, daß auf dem von dem Artrag- steller empfohlenen Wege eine wirkliche Bcfserung erreicht werden Eönne. _ Abg. Brütt (freikons.) bestreitet dem Regierngskommissar gegen- über, taz er unrichtige Angaben gemocht habe, und erwidert tem Abg. Dr. Nöhli: g, daß 1indestens eine bessere Einnahme für den Staat sih auf dem vorgeschlagenen Wege werde erzielen [lafsen.

Bezüglih der Uebersicht beschlicßt das Haus nah dem Kommijsionsantrage.

Der Antrag Brütt wird angenommen.

Wegen der Rechnungen der Kasse der Ober- rechnungskammer für das Etaisjahr 1906 beschließt das Haus nah dem Antrage der Rehnungskommission (Be- rihterstatter Abg. Brütt) Entlastung zu erteilen.

Es folgt die Beratung des Antrags des Abg. Schiffer (nl.), betreffend die strafrechtliche Behandlung jugend-

Die Justizkommission, welcher der Antrag überwiesen war, beantragt, den Antrag in folgender Fassung Anguns men: „die Reglerung zu ersuhen, 1) im Bundesrat für eine Reform der Vor schriften über das Strafreht, das Strafverfahren und den Sttafvollzug in Beziehung auf jugendlihe Personen einzutreten, 2) nach Möglichkeit zu versuchen, auf dem Boden des bestehenden echts im Wege der Verwaltung das Strafverfahren gegen jugend- liche Personen in einer den bereits angestellten Versuchen entsprehenden eise parate."

. Abg. Schiffer (nl.): Der sis des Kommissionsantrags von dem meinigen ift ter, daß ih ein pezielles Geseß gewünscht habe, während der Kommissionsantrag die endgültige Regelung bei der all- gemeinen Revision der Strafprozeßordnung im Auge hat und bis dahin nur Verwaltungsmaßregeln empfiehlt. Jm Prinzip ist man allgemein der Meinung, daß die ftrafre lihe Behandlung der jugend- ien Personen verbessert werden müsse. Ansäße sind dazu bereits bei verschiedenen Geriht:n mit Erfolg gemacht worden. Da der Kom- missionsantrag im Prinzip mit meinem Vorschlage übereinstimmt, bitte ih, den Kommissionsantrag anzunehmen.

Abg, Boehmer (kons.): Meine Freunde find niht für ein Spezial- gesep, [lerdings hat die Kriminalität der jugendlichen Personen bis n die legten Jahre hinein stärker zugenommen, als die der Er- wathsenen, aber gerade in der leßten Zeit hat si bereits eine Ver- besserung darin gezeigt. Der Minister hat die Einrichtung besonderer Kammern für jugendlihe Personen in Frankfurt a. M. den anderen Oberlandesgerihtspräsidenten unterbreitet und diese zu Gutachten auf- gefordert. In Haspe und Witten sind Fürsorgeausshüsse eingeseßt, die vor der Einleitung eines Strafverfahrens gegen eine jugendliche Person über deren Vorleben und deren Eirsiht von der Strafbarkeit der betreffenden VEaiuog befragt werden sollen. Weitere Tecpnabnen werden \sich auf dem Gebiete der Verwaltung nit treffen lassen. Wir können uns für besondere Jugendgerichte niht erwärmen, {on deshalb nit, weil sie überhaupt nur an größeren Gerihten möglich wären. Dagegen könnte das Strafreht weiter ausgebaut werden ; auch die Eltern müßten wegen mangelnder Beaufsichtigung ihrer Kinder zur Verantwortung gezogen werden. Für die Jugendlichen ist unter Umständen eine Traht Prügel besser als eine monatelange Gefängnis- strafe. Die bedingte Strafausseßung in Verbindung mit der Prügel- strafe würde sehr erzieherisch wirken. Jch weise z. B. nur auf England und Dänemark hin. Ih muß mi ferner gegen die Er- höhung des \trafmündigen Alters aussprehen ; wir haben {hon im Alter von 12 bis 13 Jahren ganz rohe Burschen. Ein dreizeha- jähriger Junge wollte ‘etnem anderen einen Schabernack spielen und tôtete dabei durch einen Schuß zwet andere Kinder; er erhielt dafür 5/, Jahr Gefängnis, gewiß eine harte Strafe füc einen dreizehn- jährigen Jungen, aber eine wirklihe Sühne ist das niht. Es muß mehr Rücksicht auf die Gefühle der durch eine Straftat Verletzten genommen werden. Durch gewissenlose Agitatoren wird {on die Jugend aufgeheßt. Die Hauptsache sind gute Geseze, die auf eine Einschränkung der Kriminalität hinwirken, und eine gute Erziehung und Jugendfürsorge. Es ist eigentümlih, daß wir uns mit diesem Antrage gerade vor den Wahlen beshäftigen müssen.

Abg. Kirsch (Zentr.): Der Kommissionsantrag deckt ih mit meinem ursprünglichen Antrage, der au ein Spezialgeseß aus\{loß. Die Materie gehört in den Reichstag. Die Jugendfüsorge ist son seit Jahren durchgeführt. Der Vorredner will die bedingte Straf- ausseßzung mit der Prügel{trafe in Verbindung bringen; es aeht doH niht, daß man einen Jungen erft durchprügelt und dann \päter ent- scheidet, ob er auch die Strafe noch absitzen foll.

Abg, Sh iffer (nl.): Der Abg. Boehmer hat es verstanden, diese Frage, “die fern von dem Streile der Parteien liegen sollte, mit den Landtagswablen in , Verbindung zu bringen. Die Landtagswahlen haben damit gar nichts zu tun. Der Abg. Boehmer hat uns damit Motive untergeschoben, die wir niht haben; er sollte sih darüber mit seinen Freunden auseinanderfetzen, die sonst verlangen, AP man ihnen nicht Motive unterschiebt, die sie niht haben. Die Vorliebe der Konservativen für die Prügelstrafe ist niht neu, wir können ihnen diese Vorliebe ruhig überlassen.

Abg. Peltasohn (fr. Vgg.): Wir bedauern, daß der Antrag Schiffer nicht in der ursprünglihen Fassung, die die Bean eines Speiîtalgesetes forderte, zur Annahme gelangen kann. Die Kriminalität der Jugendlichen hat so zugenommen, daß wir befondere Jugendgerichte empfehlen können. Der Antrag hat gar keinen politishen Charakter, er liegt lediglih im Interesse der jugendlihen Verbrecher. Wie kann man uns da vorwerfen, daß er mit Rücksicht auf die Wahlen gestellt sei? Die Prügel dürfen nicht Sirafmittel, sondern höchstens Er- ziehungsmittel sein; a!s Sirafmittel wirken fie gerade in entgegen- gefeßter Rihlung, als man wünscht.

Abg. Cassel (fr. Voiksp.): Auch ih muß Verwahrung dagegen einlegen, daß dieser Antrag in Verbindung mit den politischen Wahlen gebracht wird. An der Steigerung der Kriminalität ist nicht eine allgemeine Verrohung der Jugend \{uld, sondern die allgemeine Verwaltung. In der Wükuna der Prügelstrafe auf die Verbesserung der Menschen täuscht man \sich doch sehr; wer dur Gefärgnis- und Zuchthausstrafe nicht vor Straftaten bewahrt wird, läßt sich ind durch die Prügelstrafe davon niht abshrecken. Jt denn die Kriminalität gesunken, als zur Zeit des Landrechts noch jeder Verbrecher im Gefängnis den Willkomm, d. h. cine Traht Prügel erhielt? In England haben allerdines bis in das E Jahrhundert außerordentlich barbarishe und grausame Strafen bestanden, und unter diesen Strafen ist das Verbrehertum besonders stark in England gewesen. Wenn j-t noH hier und da in England die Prügelstrafe bestehen soll, fo hoffe ich, daß die Erfahrungen der anderen Länder auh auf die Engländer wirken we:den. Alles das hat übrigens nicht3 mit dem Antrage Schiffer zu tun. Man is allgemein der Meinung, daß für die Jugendlihen Richter cingeseßt werden müssen, die sih- in die Kindeëseele hineinversezgen können. Es ist \{wer, hier wit prakiisben Beispielen zu operieren; ob in dem erwähnten Falle eine */ jährige Gefängiéstrafe zu gering aewesen ist, kann man nicht ent'heiden, ohne die Akten zu kennen. Wenn mehr NRücksicht auf die Gefühle der dur eine Straftat Ver- leßten genommen werden soll, wohin kommen wir dann? Die Vers leßten wünschen natürlih immer eine möglichst bohe Strafe. Die Vergehen der Jugendlichen sollen eine angemessene Strafe als Sühne erhalten, aber fie müssen von Gerichtshöfen abgeurteilt werden, ae die Nücksiht auf die Jugendlichkeit des Verbrehers nehmen onnen.

Abg. Boehmer (kon\.): JH empfeble die Prügelstrafe rur für NRoheitsverbrehen und nur für Personen zwishen 14 und 18 Fahren. Die heftigen Ang1iffe des Abg. Schiffer geben immer die Sicherhcit, daß ih cizen wunden Punkt getroffen habe.

Abg. Schiffer (nl.): Die Andeutungen des Abg... Boehmer auf

die Wahlen könnten uns zu der Ansicht veranlassen, daß wir nit

nur eine Vershlehterurg der Sitten bei den Jugendlihen zu be-

Hagen haben.

Nach einigen weiteren Bemerkungen des Abg. Tourneau

(Zentr.) wird der Kommissionsantrag angenommen.

Es folgt die Beratung des Antrags der Abgg. Hammer (kons. ) und Genossen, betreffend Aenderung der Bestim- mungen über das Verdingungswesen (Feststellung der Preise für Unterhaltungsarbeiten bei staatlihen Bauten mit Hilfe von Sachverständigen aus den Handwerkerkreisen). Die Kommission beantragt die Annahme des An- trags in der folgenden Fassung:

„die Negierung zu ersuchen, in dem Eilaß des Herrn Ministers der öffertlihen Arbeiten, betreffend das Verdingungswesen vom 23. Dezember 1905 folgende Aenderung vorzunehmen : Bet der Ermittlung von Preisen für Unterhalturgsarbeifen für staatliche Bauten wird tem Handwerk seitens der beteiligten Behörden eine Einwirkung durch Heranziehung von Sachverständigen zugestanden. Die Sachverständigen werden dem ausshreibenten Beamten für die

Abg. Hammer (kons.): Unser Antrag wünscht die Mitwirkung d Sachverständigen aus Handwerkerkreisen bei der U vou Preis. verzeihnissen für die Unterhaltungsarbeiten bei Bauten. Die Re. serevgslommissare haben in der Kommission erklärt, daß eine solhe

Os von Preisverzeihnifsen gar nicht möglich fei. Es hat uns au ferngelegen, in die Freiheit der Behörden uns einzumishen, und deshalb haben wir uns auf die af}ung der Kommission ge- einigt. Wir wollen nur, daß die Sachverständigen der Handwerks. kammern über die Preise gegebenenfalls befragt werden. Es kommt oft vor, daß die Baubeamten vom Osten nah Westen verseßt werden und die neuen Verhältnisse niht genug kenuen. Die Handwerker kennen do die angemessenen Preise besser als diese Beamtcu. Von den Verdingzinaddelilinmüngen wird nicht immer der rihtige Ge- brauch gemacht. Bei dem Polizeidienstgebäude in a Tischlerarbeiten fo {chlecht, daß tie Casseler Tischler Beschwerde darüber an die Regierung gerihtet haben. Der Regierungépräsident hat ihnen geantwortet, daß ihre Kritik weniger wahr als der Ausfluß des Unmuts über dea entgangenen Gewiun fei. Ein Sachverständiger hat fich dann dahin geäußert, daß er einen größeren Schund als diese Tischlerarbeiten noch nicht gesehen habe. Die Bauleiter seinen mehr dana zu fragen, was die Oberrehnungs- kammer fagt, als dana, ob die Arbeit gut ist; sie richten fich ua der Kabinettsorder von 1824, worin vorgeschlagen ist, daß die Arbeiten so billig wie mögli vergeben werden follen, aber niht nah den neuen guten Verdingungébestimmungen. Mit Hilfe dieses meines Suerques werden die Behörden wieder zu bésseren Arbeit-n kommen. Ich habe Arbeiten zu sehen bekommen, die man nit für mögli halten sollte. Jh will aber der Regierung dafür danken, daß fie uns auf diesem Gebiete bereits entgegengekommen ist.

Abg. E ert (freikons.): Mir genügt jegt die Fafsung der Kommission, vorausgeseßt, daß auch wirklich danach verfahren wird. Die neuen Submissionsbedingungen find vorzügli, und sie wären noch vonzüg- ier, wenn von den unteren Behörden au dana verfahren würde. Wir hören immer aus den Handwerkerkreisen, daß die neuen Be- dingungen nit beahtet werden; es ist niht angenehm, immer als Denunziant auftreten zu müssen, wenn die Behörden die Bestimmungen unbeahtet lassen, ih bitte deshalb die Regierung, die Behörden selbst deswegen zu überwachen; sie wird sehen, daß direkt gegen die Vorschriften verstoßen wird. Vom Kriegswinisterium sind die neuen Bedingungen überhaupt noch nicht angenommen worder. Jh habe das Vertrauen zur Regierung, daß sie nunmehr Schritte tun wird, damit die nahgeordneten Instanzen nah dem Willen der folg handeln. Ich bitte Sie, den Kommissionsantrag an- zunehmen.

__ Abg. Gold\chmidt (fr. Volksp.): DieRegierungskommissare haben in der Kommission eine Rethe fo wuhtiger Gründe gegen die ursprüng- liche Sassurs des Antrages Hammer E daß man fi ihnen nit verschließen konnte. Wenn in der ommission auf das Beispiel des hessishen Staates hingewiesen ist, fo haben die Kommissare mit Recht darauf hingewiesen, daß in Dellen nur ses leitende Bau- inspektoren vorhanden sind, während in Preußen diese Beamten nah mehreren Hunderten zählen. In Hessen ist eine Einheitlichkeit in den Preiéverzeihnissen möglih, aber niht in Preußen. Die Dinge find viel zu shwierig, als daß man sie dur einen Paragraphen mehr oder weniger regeln fönnte. * Die Hauptfache ist, in welchem Geiste die Vorschriften ausgeführt werden. Wenn man will, daß die Hand- werker gutachtlich herangezogen werden, fo kann man den Antrag

ammer, der ja ganz harmlos ist, annehmen au meine Freunde timmen dem Kommissionsantrag. zu —, aber es kommt vor allem darauf an, daß in der Praxis E, verfahren wird. Es wäre gut, daß die großen Differenzen in den Preisen bei Lieferungen vermieden werden. Wir stimmen also für den Antrag, aber es hängt alles von dem guten Willen der Behörden ab.

Abg. Freiherr von Gamp-Massaunecn (freikons.): Der Kriegs- minister hat in der Budgetkommission des Reichstags erklären lafsen, daß er bereit sei, die neuen Submissionsbedingungen für sein Ressort anzunehmen. U-brigens ift der Kriegsminister preußischer Minister und als folher an die Vorschriften des preußishen Staatsministeriums gebunden. Aber in den unteren Instanzen werden die Bedingungen nit benußt; ih glaube jedoch, wenn die Fälle zur Kenntnis dis Ministers kommen werden, so wird er Remedur eintreten laffen.

Abg. Lusensky (nl.): Wir stimmen dem Kommissionsantrag gleichfalls zu und hoffen, daß er für das Handwerk gut wirken wird, und daß die Preisdrükerei verschwindet. Das wird auch von Vorteil für den Staat selbst sein. In der Handels- und Gewerbekonmission haben wir seinerzeit eine Resolution angenommen, daß die Regierung darauf sehen möge, daß die neuen Submissionsbedingungen auch im richtigen Geiste durchgeführt werden. Nach dem Verlaufe der Debatte kann ih die Negierung nur nochmals bitten, hierfür zu sorgen.

Abg. Hammer (konf.): Der Abg. Goldschmidt hat ja ret, daß der Antrag an si harmlos sei, aber ich hoffe do, daß der Antrag dem Handwerk und dem Mittelstand wesentlich nüßen wird. Der ‘Minister hat ja gezeigt, daß er ein warmes Herz für den Mittel- stand hat, ih habe aiso das Vertrauen, daß es an dem guten Willen der Behörde nicht fehlen wird. Bezüglich des Kriegsministeriums ift mir noch vor kurzer Zeit mitgeteilt worden, daß es die neuen Submifssionstedingungen noch nicht angenommen habe ; die Erklärung f der Kommission des Reichstags muß also aus der neuesten Zeit

ammen.

Abg. Doldschmidt (fr. Volksp.): Ih hae nur gemeint, daß der Antrag wie cin Schlag ins Wasser fein würde, wenn tie Behörden ihn nicht im Geiste aus- führen. Ich hoffe, die Bekörden werden das tun. Wenn d hon heute mögli ist; so hätte es allerdings nicht des Antrages bedurft. Herr Hammer tellt wiederholt Anträge, und wenn sie in cine Kommission kommen, stellt sich heraus, daß diz Fafsurg ganz verkehrt ist, und sie kommen sehr abgeschwäht aus der Kommission heraus.

Abg. Mey ner (Zentr.): Namens meiner Freunde erkläre ich, daß wir dem Kommissionsantrage zustimmen. Jh möchte aber die Re- gierung bitten, darauf hinzuwirken, taß die ra&#geordneten Behörden die Erlasse dec Regierung ausführen. Es werden immer noch die Arkeiten einfa in Entreprise gegeben.

Abg. Hammer (korf.): Ich bin mit dem Erfolg meiner Antzäze durchaus zufrieden. Ich habe in der Kommission 23 Anträge im Laufe der letzte. 5 Jahre gestellt, 18 davon sind angenommen, auf die neuen Submissionsbedingungen habe ich hingewirkt, und ste sind heuie überall angenommen worden. Jch dank? dem Abg. Goldschmidt für die Reklame, die er für meine Anträge gemacht hat. Wir kommen nachher wieder mit einem Intrag von mir, der auh erre!hen wird, w3s ich will. Herr Goldshmièot hat mit seinen Anträgen immer keinen Erfolg.

Darauf wird die Debatte geschlossen.

__ Abg. Gold sch{chmidt bemerkt persönlich, daß er keine Nekl1me für Herrn Hammer gemacht habe; das tue dieser immer felbst, soweit er es vermag.

Abz. Hammer: Ih habe nur festgestellt, was ich in den 9 Jahren erreicht habe. .

Der Kommissionsantrag wird darauf angenommen.

Es folgt die Beratung des Antrages des Abg. Hammeyv, betreffend die Abänderung des Warenhaussteuer- geseßes, über den ein mündliher Bericht der Handels- und Gewerbckommission erstattet werden soll.

Abg. Funck (fr. Volksp.) beantragt, daß der Antrag an die Kom- mission bebufs \hriftliher Berichterstattung zurück ewiesen werde. Berichterstatter Abg. Marx bittet um Ablehnung dieses An- irages; die Kommission habe die Sache cingehend geprüft und be- lossen, nur mündlichen Bericht zu erstatten, damit die Sache noch in dieser Session erledigt werden könne. Es handle sich ja ledigli um eine Anregung in dem Antrage.

(S@luyß in der Dritten Beilage.)

richtigen

am Orte der Auéführung in Frage fommenden gewöhnlichen hand-

liher Personen.

werkömäßigen Arbeiten von der Handwerkékammer benannt.“

M 84.

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Abg. Fun ck weist darauf hin, daß in dec Kommission verwickelte Erörterur gen stattgefunden haben, über die man einen \{riftlichen Bericht haben müsse. : i | Í ; Ybg. Dr. Friedberg (1l) spriht fich gegen die Zurückyerweisung an die Kommission aus. Der Antrag Funck wird abgelehnt. Berichterstatter Abg. Marx erstaitet darauf den mündlichen Bericht. Die Kommission beantragt die Annahme des am 28. November ein- gebrachten Antrages Hammer, der nur im allgemeinen eire mit der Höhe des Umsages und des Anlage- und Betriebskapitals steigende Besteuerung der Warenhäuser empfahl, in folgender Fafsung: „die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, eine Verbesserung des Warenhaussteuergeseßes unter Zugrundelegung der in dem Antrag dcs Abg. Hammer vom “1. April 1908 enthaltenen Gesichtspunkte in Erwägung zu ziehen und einen entsprehenden Geseßentwurf dem- näht vorzulegen.“ bm é cte e R A Der Antrag des Abg. Hammer vom 1. April 1908 lautet : j „die Königliche Staatsregierung zu ersuhen, tunlihst bald einen Gescßentwurf zwecks Abänderung des Geseßes vom 18. Juli 1900 die Besteuerung der Warenhäuser betreffend dahin- ehend vorzulegen, O l geh 1) dah die Steuersäge für Betriebe mit einem Anlage- und Betriebskapital von mehr als 1000000 #4 allmählih ansteigend dergestalt erhöht werden, daß sie bei Betrieben mit etwa einem Anlage- und Betriebskapital von mehr als 5 000 000 4 und einem Fahresumsaze von mehr als 20000000 4 4 vom Hundert des [eßteren erreichen, und i : , 2) daß vi Prozentsaß von 20 9/9 auf 30 9% im § 5 erhöht wird.“ S Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.) bemerkt, daß aus chis Referat des Berichterstaiters r ens, daß es sich doch um eine sehr s{chwierige Materie handle ; er beantrage daher zwar niht Zurückoerweisung an die Kommission zur shriftlihen Be- rihterstattung, aber Be ues e Os bis der steno- raphishe Bericht mit dem Referat vorliege. ; G 4 Fotikere von Erffa (kons.) bittet, in die Verhandlung ein- zutreten ; es handle sich lediglich um eine Anregung an die Regierung, über die das Haus beschließen könne. Sonst werde die Sache auf un- ewisse Zeit vertagt. i s Me Dr. Dittrick (Zentr.) wünscht die sofortige Beratung, da der Antrag der Regierung ja nur jur Erwägung überwiesen werden solle. Die Abgg. Funck (fr. Vgg.) und Lusen sky (nl.) stimmen dem Anirage Zedliß zu. E Noon Zedlitz und Neukirch bemerkt, daß nah dem Kommissionsantrag der Antrag nicht nur der Regierung zur Er- wägung überwiesen werden solle, sondern daß der Negierung bestimmte Direktiven gegeben werden follen. Uebermorgen liege der stenographische Bericht vor, und dann könne weiter beraten werde Nach weiterer Se eng aue beshließi das aus die Fortsezung der Beratung. 9 Abg. o (tons): Diese Geschäftêordnungödebatte zeigt, wie recht die „Morgenpost“ batte, als sie von einem Kulturblock Zedlitz - Friedberg - Kopsh \prach. Die Sache jeßt nit beraten, hieße für den Papierkorv gearbeitet zu haben. Es war mir auffällig, daß Herr Lusentky gerade in der Kommissionssißung, wo dieser Antrag beraten wurde, fehlte. Die Kommisfionsmitglieder sind immer besser orientiert und können leihter über die Sache im

lenum \prehen, als wenn man si bloß hier hinstellt und kritifiert. Mein Antrag soll besonders die roßen Warenhäuser treffen, diejenigen mit großem Betriebs- und Anlagekapital und großem Umsaß zur Steuer heranziehen und die kleineren geringer besteuern. Man sagt zwar, das hieße die Intelligenz besteuern, aber diese Art der Besteuerung liegt do gerade in der Richtung unserer Steuerpolitik überhaupt, und ich wundere mi deshalb, wie gegen diesen Vorschlag opponiert werden kann. Die Sache ift allerdings sehr s{chwierig, und wenn ih mich als Laie daran gemacht habe, so habe ih es getan, weil es sonst keiner tut. Im Ministerium sind nur zwei oder drei Herren, die ein solhes Gesey richtig aufstellen können. (Heiterkeit und Hört, hört! links.) Sie sind aber da und werden hoffentlih ein Geseß machen, daß ihnen Ihr „Hört, hört!“ vergehen wird. Man wendet gegen die Warenhaussteuer die Abwälzungêtheorie ein, aber die Fabrikanten lahen einfach über diese Abwälzungstheouie. Naumann kat sih ein großes Verdienst mit seinen Ausführungen über die Hausindustrie erworben. Er wies darauf hin, daß, während überall die hne gestiegen seien, sie in der Hausindustrie stattonär geblieben feien, und daß die Warenhäuser nur Ausstellungen der Hzus- industrie seien und nur infolge der niedrigen Löhne der Hausindustrie so billig verkaufen könnten. Das ist die N eines Herrn von ganz links, segen Sie sich (zur Linken) mit ihm aut- einander. Die s\ozialdemokratishe Einkaufsgenossenshaft in Ham- burg hat uns darauf hingewiesen, daß bei der besonderèn Be- steuerung nah dem Umsay und dem Anlage- und Betriets- fapital über 1 Million au die Konsumvereine getroffen werden würden ; darüber läßt sich reden, denn die Konsumvereine wollen wir niht erdrofseln, und die Regierung wird bei der Ausarbeitung des Gesezes darauf Rücksicht nehmen müssen. Im Reichêtag hat ein antisemitisher Abgeordneter, der vielleiht d2s Warenhaus- steuergesey gar niht kennt, gesagt, wenn Herr Hammer 5 09/0 fordere, so sei das viel zu wenig, 10% müßten es sein. Das hat die Köpfe verwirrt; aber Sie werden do einsehen, daß ich Mittelstands- volitik treibe. Wer von einer Erdrofselung der Warenhäuser spricht, hat sih mit der Sache nit vertraut gemaht. Nach der Aufstellung der Regierung in der Kommission haben die Warenhäuser Erträge bis zu 15 und mehr Prozent des Umsages erzielt. Ich hoffe, daß Sie meinen Antrag möglichst einstimmig annehmen werden.

Abg. Cahensly (Zentr.) weist darauf hin, daß die Zahl der großen Warenhäuser troy der Besteuerung noch zugenommen habe, und spricht sih für den Kommissionsantrag aus. j

Abg. Lusensky (nl,): Es is ungewöhnlich, Vorgänge aus der Kommission hier mitzuteilen. Wenn ih am vorigen Mittwoch in der Kommission gefehlt habe, so lag das daran, daß die Kommissionssißung drei- mal vertagt worden war, und ih mich für den Mittwochabend nicht frei machen konnte. Ich hatte au geglaubt, dos ein anderer Gegenstand, der auf der Tagesordnung stand, die Kommission ganz ausfüllen würde. Die Warenhaussteuer hat einen ganz eigenartigen Charakter ; sie ist niht eingeführt um des finanziellen Effekts willen, sondern aus sozialen Rücksichten, um den kleinen Geschäften die Konkurrenz zu erleihtern. Die bewährten Steuergrundsäge follten aber auch bei der Warenhausfteuer gelten, und einer ter ersten Grundsäße ist, daß eine Steuer so gestaltet werden muß, daß sie möglichst gleich- mäßig auf die Steuerpflichtigen wirkt. Diesem Grundsatze wird die Warenhaussteuer niht gerecht; es gibt Warenhäuser, die eizen sehr hohen Betrag zu zahlen haben und doch geringen Gewinn erzielen, und umgekehrt. Ist diese Unvollkommenheit u beseitigen? Ih habe den Antrag Hammer zuerst in dieser Richtung aufgefaßt. Aber das Anlage- und Betriebskapital ist doch niht maßgebend für den Ertrag. Ein Mittel, den Ertrag zu ermessen, liegt in der Schnelligkeit des Umsates, d. h. in dem Ver-

Dritte Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Dienstag, den 7. April

| hältnis des Betriebskapitals zu dém Umsay. Ein Warenhaus von

einer Million Betriebskapital hat davon zum Einkauf 500 000 46

! übrig; das übrige sind Geshäftsunkosten, Gehälter usw. Nehmen

wir an, daß die Warenhäuser zu 8 9% über den Einkaufspreis ver- faufea, fo ergibt das bei einem einmaligen Umsaß der 500 000 # im Jahre 40 000 #4, bei zweimaligem Umsaß 80 000 H, bei dreimaligem Umsay 120 000 #4. Hiernach sollte man erwägen, ob nit für die Bemessung der Steuer niht nur der Umsaß, fondern au die Schnelligkeit des Umsages, das Verhältnis des Betriebskapitals zum Umsatz, zu Grunde gelegt werden könnte. Dann könnte man viel- leiht auf den § 5 des Warenhaussteuergeseßes verzihten. Der §5. ist nur gewissermaßen als Ventil gemacht worden, um der Reichs- gewerbeordnung zu genügen, wonach ein Gewerbe nicht mit solchen Steuern belegt werden darf, die es unmöglich machen könnten ; deshalb ist in dem § 5 bestimmt worden, daß die Warenhaussteuer nicht den 5. Teil des gewerbesteuerlihen Jahretertrages übersteigen darf. Jn diesem § 5 liegt der Anreiz; den Grtrag herunterzudrüden, d. h. das Arbeiten mit Lockartikeln zu vermehren. Jch bitte die Regierung, bei der Ausarbeitung eines neuen S meinen Vorschlag in Erwägung zu ziehen. Ih halte eine Verbesserung des Warenhaussteuergeseßzes für nôtig, kann mich aber nicht auf alle Vorschläge des Antrages

Hammer festlegen. ; :

Geheimer Oberfinanzrat Dr. Strußz: Die Regie:ung wird nah der Annahme dieses Antrages selbstverständlich in eine Erwägung ein- treten, ob in dieser Richtung das bestehende Geseß zu ändern sein wird. Welches Resultat diese Erwägung haben wird, kann ih nicht sagen ; ih weiß niht, ob die Refsortminister zu einer anderen Auf- faffung über die Reformbedürftigkeit des Geseßes kommen werden, als sie hier im Jahre 1903 haben erklären lassen. Wer von der Warenhaussteuer nihts verlangt hat, als eine \härfere Besteuerung der Warenhäuser, um die Konkurrenz der kleineren Geschäfte zu er- leihtern, und als eine Ershwerung der Gründung neuer Waren- häuser, der kann allerdings zu der Ansicht der Reformbedü ftigkeit fommen. Aber die Warenhaussteuer beträgt heute fast überall \{chon 20 9/6 des Ertrages oder 2000 9% der Gewerbesteuer. Das ist {on eine starke Belastung. Die Warenhäuser nehmen nur in geringem Umfange zu, 1902 und 1903 sind nur je eins oder zwei neu gegründet worden, 1907 nur eins: Die Warenhaussteuer wird benußt, um die kleineren Gewerbetreibenden in der Besteuerung zu erleichtern, in 10 größeren Städten konnte infolgedessen bis zu 100 9/9 der Gewerbesteuer erlassen werden. Kommt die Regierung nun zu der Ueberzeugung, daß die Warenhaussteuer verbefsert werden soll, fo wird sie insbesondere den Vorschlag des Abg. Hammer in Er- wägung ziehen. “Auf die Einzelheiten desselben gehe ih nit ein, denn er ist ja auch nur allgemein gehalten. Das Anlage» und Be- triebsfapital der Warenhäuser liegt nun aber zum großen Teil in den Getäuden. Wird das Kapital der Besteuerung zu Grunde ge- legt, so micd das den Anreiz bieten, die Warenhäuser nur in ge- mieteten Räumen zu errihten. Die Warenhäuser könnten die großen Banken veranlassen, die Grundstücke zu übernehmen, und damit, würde dieser Teil des Betriebskapitals hinwegfallen. So einfach liegt die Sache nicht. Ob die Relation in dem Antrag Hammer von 5 Millionen Anlage- und Betriebskapital und 20 Millionen Umfay rihtig ist oder nicht, darauf will ich mich nit einlassen, ich kann nur sagen, daß der Antrag in Erwägung gezogen wêrden wird. Ï

Abg. Eckert (freikons.): Meine Freunde haben es immer für ihre Aufgabe gehalten, für den Mittelstand und die Gewerbetreibenden einzutreten. So prüfen wir auch das Warenhaussteuergeseß dahin, ob es dem Mittelstand genüßt hat, und es sind wiederholt Anträge auf Verbesserung des V gestellt worden. Wir freuen uns, daß die Kommission zu einem Antrage gekommen ist, dem meine Freunde, wie ih in ihrem Auftrage erkläre, zustimmen können. Wir hätten allerdings eine s\chriftlihe Berichterstattung der Kommission ge- wünscht, das würde die Aufgabe in den Fraktionen erleihtert haben; denn die Materie ist {wierig. Wean der Bericht des Abg. Marx sofort gedruckt worden wäre, fo wäre keine Verzögerung eingetreten, wir hätten hon am Mittwoh über den Antrag beraten können. Unsere Ausführungen hätten für die Regierung wirksamer sein können und kätten noch mehr Material bieten können, wenn wir in unseren Fraktionen einen \hriftlichen Beriht vor uns gehabt hätten. Wir wollen mit der Warenhauséfsteuer zweierlei erreihen, einmal den Zwang für die Warenhäuser, teurer zu verkaufen, als sie es sonst tun würden, und ferner eine Erleichterung der kleinen Gewerbetreibenden in der Besteuerung auf Grund des Ertrages der Warenhauesteuer. Diese Zwecke sind niht vollkommen erreiht. Bei der Einführung der Warenhaussteuer verschwanden allerdings einige Warenhäufer, da sie sih auf gewisse Warengruppen beschränkten, um nicht unter den Begriff des Warenhauses zu fallen; aber an sih blieben sie doh erhalten. Dazu sind von 1905 bis 1907 neun neue Warenhäuser entstanden. Der steuerpflihtige Umsaß der Warenhäuser if von 176 Millionen im Jahre 1905 auf 195 Millionen 1906 und 216 Mil- lionen Mark 1907 gestiegen; ihr gewerbesteuerpflihtiger Ertrag stieg von 9,4 Millionen auf 9,9 Millionen und 12,2 Millionen Mark. Die Konkurrenz der Warenhäuser ist also noch im Fortgang begriffen. Ih würde es von Herzen begrüßen, wenn aus diesem Antrage eine weitere Erleichterung der Konkurrenz für die kleinen Gewerbetreibenden

herauskäme. v 0 E 4

Abg. Funck (fr. Volkäp.): Der Abg. Hammer hat seine Tätig- feit a Mitte!stand in hellstem Lichte leuhten laffen. Er sagte, daß er als Laie an die Sache berangegangen fei, weil es sonst niemand tue. Ih glaube allerdirgs, daß er Laie in dieser Sache ist. Wir haben von vornherein vorausgesagt, daß diese Art der Sonderbesteuecung ihren Zweck verfehlen würde. Es ist eine ungerechte Steuer. Die Winkung des Antrages is nah keiner Richtung zu übersehen; die shemalishe Heranziehung des Umsayes ist außerortentlich bedenklih; der Umsaß bedeutet in einer großen oder kleinen Stadt ganz etwas anderes. Kapital und Umsatz sind keine Kriterien für die Tragfähigkeit des Unternehmens. Eine Steigerung des Umsatzes if in den meisten Fällen mit einer Minderung des Gewinns verbunden, und das wäre auh bei dem Vorschlag des Abg. Lusensky zu berücksichtigen. Durch die Er- höhung der Steuer werden die großen Warenhäufer auch nicht be- seitigt werden ; die Abwälzung der Steuer ist ihnen in den meisten Fällen gelungen. Es wäre viel einfacher, die Warenhäufer über- haupt zu verbieten, das if ja doch der ganze Zweck der Sache. Der einzige Weg, der zu empfehlen wäre, und den mein Freund Oeser {hon früher empfohlen hat, liegt in der Reform der Gewerbesteuer. Diese würde allen Gewerbetreibenden zu ute kommen. Wenn Sie die Konkurrenz der Warenbäuser für die leinen Gewerbetreibenden beseitigen wollen, müssen Ste {ließli au dazu kommen, die großen Spezialgeshäfte dieser Sonderbesteuerung zu unterwerfen. Ich glaube, - daß die Regierung zu der Erwägun fommen wird, daß es besser ist, das Warenhaussteuergeseß niht na dem Antrag abzuändern.

Darauf wird die Debatte geschlossen.

Persönlich bemerkt

Abg. Hammer, daß es ihm nicht eingefallen sei, die Waren- häuser erdrosseln zu wollen, und daß er „sein Liht erst habe leuten lassen“, als der Abg. Goldshmidt ihn provoziert habe, das anzu- führen, was er für den Mittelstand getan habe.

Der Antrag der Kommission wird angenommen.

%

1908,

Bei der Beratung des Antrages des Abg. Dr. von Korn- Rudelsdorf (konj.), gegenüber den herrshenden Mi ß- ständen auf dem Kohlenmarkt im Rahmen der Staats- eisenbahnverraltung Maßnahmen zu treffen, welche geeignet sind, für die Zukunft eine Schädigung des inländischen Kohlen- verbrauhes möglichst zu verhüten, beantragt der Bericht- erstatter der Budgetkommission, Abg. Hirfch-Essen, den Antrag auf Grund der Erklärungen des Ministers im P“znum für erledigt zu erklären.

Das Haus beschließt ohne Debatte demgemäß.

Die dazu vorliegenden Petitionen der Landwirtschafis- kammer für Ostpreußen und des Schlesishen Bauernvereins um Beseitigung des Kohlenmangels werden gleichfalls für erledigt erklärt.

Darauf erledigt das Haus eine Reihe von Petitionen ohne Debatte.

Ueber die Petition des Bodenreformers Da mak e um Ein- führung der Besteuerung des unverdienten Wert- z¿uwahsesam Boden (staatlihe Zuwahssteuer) geht das Haus zur Tagesordnung über.

Die Petition des Gemeindevorstehers in Stegliy um Ver- leihung desStädtexehtsandieGemeindeStegliy wird der Regierung zur Erwägung überwiesen.

Durch Uebergang zur Tagesordnung werden erledigt die Petition des Knappschafteältesten a. D. Kummer in Görliy um Abänderung der Pensions\äße des Knappschaftsstatuts des Niedershlesishen Knapp- eeres ¿u Waldenburg i. Schl. und die Petition des Bundes

er pensionierten Bergleute im Saarrevier um Gewährung der gesetz- lihen Invalidenrente an die vor Erlaß der neuen Knappschaftsstatuten vensionierten Berginvaliden und Nichtanrehnung der Renten auf die

Invalidenpensionen. E

Die Petition des Fischereivereins im Seebad Ahlbeck um Schuß gegen die Scherbrettgrund\{chleppneßfisherei wird der Regierung als Material überwiesen. : : l

Die Petition der Abdeckereibesißer Ulrih u. Gen. in Ebers- walde u. a. O. um Regelung des Abdeckereizwanges wird der Nes gierung als Material überwiesen mit Rücksicht auf die Erklärung, daß von der Reichsregierung eine geseßlihe Regelung des Abdeckereis zwanges herbeigeführt werden wird; soweit sie jedo die Verhinderung der Massenagitationen der Landwirtschaftskammern von Brandenburg und Pommern gegen die Abdeckereiprivilegien wünsht, wird die Petition durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.

Siluß nah 41/5 Uhr. Nächste Sißzung Dienstag, 11 Uhr. (Nachtragsetat für die Teuerungszulagen; Antrag von Bieberstein wegen der Ostpreußischen Landbank ; Denkschriften; Petitionen.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die aus\tändigen Arbetitor der Howaldtswerke in Kiel meldeten, dem „W. T. B.“ zufolge, sich gestern nahmittag zur Wieder- aufnahme der Arbeit. Am Donnerstag sollen auf sämtlichen Werften die Ausgesperrten wieder eingestellt werden.

In Frankfurt a. M. haben, wie die „Köln. E erfährt, die Stukkateure des Malergeshäfts Schmidt u. Söhne die Arbeit niedergelegt, weil einer von thnen, angeblich wegen. Teilnahme an Tarifverhandlungen, entlafsen worden war. Die Damenschneider von Heuer u. Schoen sind wegen Tarifstreitigkeiten ebenfalls ausständig. /

Die ausständigen Arbeiter der Aktiengesellschaft F. Küpperbush und Söhne in Gelsenkirchen (vgl. Nr. 75 d. Bl.) haben, wie die „Rh.-Westf. Ztg.“ mitteilt, in einer vorgestern abgehaltenen Versammlung mit 344 gegen 102 Stimmen beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Von den aufgestellten Forderungen ist keine durhgeseßt worden. |

In München fällte, wie ,W. T. B." meldet, dasEinigungs- amt gestern zur Tarifregelung im Baugewerbe (vgl. Nr. 83 d. Bl.) seinen Schiedsspruch: Für die in Frage kommenden Bauhandwerker werden Durchschnittsl3hne festgeseßt, die schon am kommenden Sonnabend in Kraft treten. Morgen, Mitt- woh, werden die beiderseitigen Parteien eine Einverständnis- erklärung ihrer Austraggeber abgeben. Damit haben die Tarifver- handlungen vorbehaltlich der Genehmigung der Verträge seitens des Deutschen Arbeitgeberverbandes und des Deutshen Arbeitnehmer- bundes ihr Ende erreiht. Am 1. April 1909 foll ein neuer Tarif- mit erhöhten Lohnsäßen in Kraft treten. 2

In Leipzia wurden, wie die . Voss. Ztg.“ erfährt, die Tarif- verhandlungen im deutshen Holzgewerbe durch das Schiedsgericht unter Vocsiß des Staatsministers von Berleps ch gestern endgültig durch beiderseitig befriedigenden Ausgleich be- endigt. Zur Tarifbewegung im dortigen Brauereigewerbe (vgl. Nr. 78 d. Bl.) berihtet die „Leipz. Ztg.“, daß die Ver- ireter der Prinzipale folgende Zugeständnisse gemacht haben: 33 #4 Wowthenlohn für Brauer und Böttcher, steigend jährlich um 50 &S§ bis zu 37 4, 31 bis 33 f für Maschinisten und Heizer, 29 bis 31 4 für das im Maschinenbetriebe beschäftigte Hilf3- perfonal, Erhöhung des Wcchenlohns der Handwerker um 3 M, 12 bezw. 15 4 Grundlohn für die Bierfahrer, der sich dur die üblihen Provisionen 2c. auf 32 #4 erhöht; dagegen soll der Haus- trunk endgültig abgelöst werden. . Eine Versammlung der Angestellten erklärte sh mit diesen Zugeständnifsen einverstanden, beauftragte aber die Lohnkommission, bei den weiteren Verhandlungen doch noch den Versuch der Erlangung einiger Aufbesserungen zu machen.

Aus Karlsruhe wird der „Frkf. Ztg.“ gemeldet: Nachdem die Tarifverhandlungen im Malergewerbe Süddeutshlands daran gescheitert find, daß die sozialdemokratische Organisation die Verhandlungen mit den Hirsch - Dunckershen abgelehnt hat und die Christlih - Organisierten au nur bedingt zulassen will, und nahdem \{ch[lteßlich das Organ der sozialdemokratischen Maler- gehilfenorganisation zur Sperre aufgefordert hat, haben die Arbeit -

eber die Entlassung der zur Hamburger Organisation gehörigen Waleraebilfen beshlossen. Die Entlaffung erfolgt eventuell am nächsten Sonnabend, den 11. d. M. /

In Mannheim beschloß, der „Köln. Zig. zufolge, eine am 5. d. M. abgehaltene Versammlung der Holzarbeiter, sofort in den Ausstand zu treten, wenn die Forderung erhöhter Löhne ab- gelehnt wird. s

Aus Spittel (Lothringen) wird dem „W. T. B.* telegrapbiert, daß gestern zur Mittags\hiht auf Schaht 2 der Saar-Mosel- bergwerksgeiellschaft von 450 Arbeitern nur 20 angefahren sind, auf Schacht 5 von 315 Arbeitern 61. Auf Schacht 6 ist keine Nee n Iren \datggg Eine Aussicht auf eine Einigung i} vor-

vorbanden. L wie „W. T. B.“ meldet,

Stockholm traten geftern, 10 0B auha 7 dwerker in den Ausstand. Der Ausstand umfaßt

ige des 2 es. s Se 2416 Me pad der „Köln. Ztg.“, die Konfektions -

\ch neider in den Ausstand getreten.