1908 / 124 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 May 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Geseh, betreffend die Beschäftigung von Hilfsmitgliedern im Kaiserlichen Patentamt. :

Vom 18. Mai 1908.

Vir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Nainen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt: Einziger Paragraph.

Bis zum 31. März 1911 können im Falle des Bedürfnisses vom Reichskanzler Personen, welche die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienste besizen oder in einem Zweige der Technik sachverständig sind, mit den Verrichtungen eines Mitglieds des An beauftragt werden. Der Auftrag kann auf eine bestimmte

eit oder für die Dauer des Bedürfnisses erteilt werden und ist vor Ablauf der Zeit oder der Erledigung des Bedürfnisses niht widerruf- lih. Im übrigen finden die für Mitglieder geltenden Vorschriften des Patentgeseßzes auch auf die Hilfsmitglieder Anwendung.

Urkundlich unter Unserer N aen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Znfiegel.

Gegeben Wiesbaden, den 18. Mai 1908.

(L. S.) Wilhelm. von Bethmann Hollweg.

Verordnung zur Ausführungdes Patentgeseßesvom7. April 1891. Vom 14. Mai 1908.

Vir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen auf Grund der Vorschrift im S 17 des Patent- gesebes vom 7. April 1891 (Neichsgeseßbl. S. 79) im Namen es A nah erfolgter Zustimmung des Bundesrats, was folgt:

8 1. Im Patentamte wird für die Patentanmeldungen eine weitere ens gebildet, welHe die Bezeichnung „Anmeldeabteilung X[“ ri

2.

Für Beschwerden gegen L-sSlüfe der Anmeldeabteilung XI sowie für Gutachten innerhalb ihres Geschäftskreises ist die Beshwerde- abteilung II zuständig.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Fnsiegel.

g Gegeben Wiesbaden, den 14. Mai 1908. (Ti: S) Wilhelm.

von Bethmann Hollweg. mitten Ar R dER

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Berau qui g, “T betreffend die Ausgabe von Schuldverschreibungen der Stadtgemeinde Passau auf den Fnhaber.

Mit Ministerialentshließzung von heute ist genehmigt worden, daß die Stadtgemeinde Passau 4prozentige Schuldverschreibungen auf den Jnhaber im Gesamtbetrage von 2000000 4, und zwar Stüdcke zu 2000, 1000, 500 und 200 M in den Verkehr bringe.

München, den 24. Mai 1908.

Königlich bayerishes Staatsministerium des Jnnern.

von Brettreich.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den bisherigen ordentlihen Professor Dr. Gerhard Anschüß zu Heidelberg zum ordentlihen Professor in der juristischen Fakultät der Friedrich Wilhelms-Universität zu erlin und f / den Privatdozenten an der Technishen Hochschule in annover, Eisenbalobau- und Betriebsinspektor a. D. Robert gen zum etatsmäßigen Professor an derselben Technischen Hochschule zu ernennen, j j dem Eisenbahnsekretär Pohley in Posen bei dem Ueber- tritt in den Ruhestand den Charakter als Rechnungsrat zu

verleihen sowie infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu

Münster getroffenen Wahl den Stadtsyndikus Franz Dieck- mann daselbst als besoldeten Beigeordneten der Stadt Münster für die gesezlihe Amtsdauer von zwölf Jahren zu bestätigen.

Ministerium der geistlihen, Unterrihts- und Medizinalangelegenheiten.

Der Kreisassistenzarzt Dr. Tieß aus Saarbrücken is zum Kreisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreisarzt-

bezirkes Kreis St. Wendel beauftragt worden. y : Dem Organisten Franz Anton Grunicke in Berlin

ist der Titel Professor verliehen worden.

Die Kreisassistenzarztstelle des Kreises Saar-

brüdcken ist zu beseßen.

Angekommen:

Seine Exzellenz der Prôsident des Reichseisenbahnamts, Wirkliche Geheime Rat Dr. Schulz.

Nichtamfkliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 26. Mai.

Anlage B zur Eisenbahnverkehrsordnung. Auf Grund des Abs. (2) der Eingangsbestimmungen zur j Eisenbahnverkehrsordnung hat das Reichseisenbahnamt verfügt, die Nr. XXXV d der Anlage B dieser Ordnung, betreffend |

gelatinierte Nitrozellulosepulver

raubhshwache, 1 Nitrozellulosepulver, dahin zu

lyzerinhaltige N die Vorschriften : über die Stabilitätsprüfung der zur Herstelung der Pulver verwendeten Nitrozellulose nicht für die vor dem 23. Juni

ergänzen,

und nitro- | f

in Abs. (1) Ziff. L unter à und h

1906 hergestellten Pulver gelten. Aus wird. die Be- förderung der älteren Pulver, deren Nitrozellulose nach einem anderen Verfahren auf ihre Stabilität geprüft worden ist, er- mögliht. Diese Pulver werden in einigen Jahren aufge- braucht oder umgearbeitet sein.

Ÿ

An Stelle des in den ¡Nuhestand getretenen Kammer- ger A arat Geheimen Justizrats Ueber h orst ist der Kammer- erihtsrat Menge zum Mitgliede des Gerichtshofs zur Ent- eidung der Kompetenzkonflifkte ernannt roorden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M.S. „See- adler“ vorgestern in Sadani eingetroffen.

S. M. Flußkanonenboot „Vaterland“ ist gestern von Tschungking nah Luchan gegangen.

S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ if gestern von Canton nah E gegangen. ;

. M. Flußkbt. „Vorwärts“ ist vorgestern in Schanghai

eingetroffen.

Sachsen.

Seine Majestät der König Friedrih August hat gestern sein 43. Lebensjahr vollendet. Aus Anlaß des Geburts- tags des Monarchen, der in Stadt und Land in der üblichen Weise gefeiert wurde, fand auf dem Alaunplaÿß in Gegenwart Seiner Majestät des Königs, der Prinzen und des Königlichen Hofes die Königsparade der Dresdner Garnison statt.

Oesterreich-Uugarn.

Der Kaiser Franz Joseph hat an den Minister des Aeußern Freiherrn von Aehrenthal, der mit dem Reichs- Friegsminister, Feldzeugmeister Shönaich um seine Entlassung gen hatte, „W. T. B.“ zufolge, nachstehendes Handschreiben gerichtet :

Lieber Freiherr von Aehrenthal! Ih würdige die Gründe, die Sie sowie meinen Neichskriegsminister, Feldzeugmeister Schönaich veranlaßt haben, mir Ihre Bitte um Enthebung vom Amte zu unterbreiten. Ih halte aber diese Gründe nicht für aus- reichend, mich zu bestimmen, dieser Bitte zu willfahren. Die leßte Ministerkonferenz is dank der ELinsiht aller beteiligten Faktoren, zumal dur das Entgegenkommen beider Re- gierungen zu übereinstimmenden, bindenden Beschlüssen gelangt, weiche die Frage der Regelung der Offiziersgagen und in Verbindung damit der Befferung der materiellen Lage der Mannschaften einer befriedi- genden, einverständlihen Lösung zuführen. Ich habe das Zustande- kommen dieser Vereinbarung, die im gemeinsamen Voranschlage den Delegationen vorzulegen sein wird, mit aufrichtiger Genugtuung zur Kenntnis genommen, erwarte Ihre Vorschläge über die rechtzeitige Cin- berufung der Delegationen zu ihrer nächsten Tagung und behalte mir jedenfalls meine Entschließung vor. Jch versichere Sie und meinen NReichskriegsminister, Feldzeugmeister Schönaich der Fortdauer meines vollsten Vertrauens. Es ift mein Wunsch, daß Sie beide auch weiterhin im Amt verbleiben und fortfahren, mir wie bisher Ihre erfolgreichen, von mir mit Dank anerkannten Dienste zu leisten.

Wien, den 25. Mai 1988- Franz Ioseph.

Das österreihische Abgeordnetenhaus seßte gestern die Beratung der Dringlichkeitsanträge, betreffend die Wahlmißbräuche bei den leßten galizishen Land- tags wahlen, fort.

Im Laufe der Verhandlung betonte der Minifter des Innern Freiherr von Bienerth, laut Bericht des „W. T. B.“, daß die Regierung von der Versicherung loyalster Gefirnung der russish- nationalen NRuthenen Kenntnis nehme. Der nationale Inhalt ihres Programms könne aber {on deshalb nicht die Unterstüßung der Regierung finden, weil bisher das Bestehen einer russishen Bevölkerung in Galizien und der Bukowina mit Ausnahme einer kleinen Anzahl Lippowaner in der Bukowina nicht festgestelt worden sei. Der Minister wies jedoch entrüstet unter dem lebhaften Beifall der Polen und den Protest- rufen der Ruthenen die jüngsten Ausführungen der Sprecher der nationaldemokratischen ruthenischen Partei zurück, die Umfturzideen enthüllt hätten, wie sie nie . mit ähnlicher Offenheit vorgebraht worden seien. Derartige Reden müßten ie gefährlihste, Verhezung, wenn nichts Aergeres in die Be- völferung tragen. Die Regierung werde daher in Zukunft der Tätigkeit der radikalen ruthenischen Fraktion ecnsteste Aufmerksamkeit zuwenden. Andererseits sei die Negierung davon überzeugt, daß, wenn die Führer des ruthenishen Volkes \sich von der Erkenntnis leiten ließen, daß cine gedeihlihe Entwicklung nur auf dem Wege des fried- lien Zusammenwirkens erfolgen könne, in Galizien die ersehnte, vom Statthalter und der Regierung nahdrücklich\ geförderte Beruhigung und friedliche Ausgleihung beider Nationen herbeigeführt werde.

Nach längerer Debalte, die stellenweise sehr lebhaft war, wurde die Dringlichkeit der beiden Anträge abgelehnt und darauf die Sizung geschlossen.

Der Bericht der Budgetkommission des öster- reihishen Herrenhauses über die Zuckersteuervorlage betont, „W. T. B.“ zufolge, daß die Kommission angesichts der außerordentlich großen Anforderungen, die künftig an die Finanzverwaltung gestellt werden, sich der \hwersten Bedenken gegen die Herabseßung der Zuer- steuer niht erwehren könnte und daß es s{hwer wäre, die Ermäßigung der Zuckersteuer, deren prinzipielle Berechti- gung zugegeben werde, in einem Momente eintreten zu lassen, wo die Branntweinsteuer beträchtlih erhöht werden solle. Die Kommission empfehle daher, über den von den Abgeordneten angenommenen Geseßentwurf zur Tagesordnung überzugehen.

Großbritannien und JFrland.

Der Präsident Fallières ist gestern nahmittag in London eingetroffen und, „W. T. B.“ zufolge, von dem Könige, dem Prinzen von Wales, dem Prinzen Christian von Schleswig- Holstein, den Herzögen von Argyll und Fife sowie mehreren Mitgliedern des Kabinetts empfangen worden. Bald nah seiner Ankunft stattete der Präsident dem Könige und der Königin sowie dem Prinzen und der Prinzessin von Wales Besuche ab. Abends fand im Buckingham-Palast ein Festmahl statt, bei dem zwishen dem Könige und dem Präsidenten Trink- sprüche gewechselt wurden.

Im Unterhaus hatte der Abg. Bowerman unter Hinweis darauf, daß die Armour-Gesellshaft und die anderen Firmen, die den amerikanishen Beef Trust bilden, einige Ge- châfte auf dem Smithfield-Werke zu dem Zwecke erworben hätten, lediglich amerikanisches Fleisch zum Detailverkauf zu bringen, die Frage an die Regierung gerichtet, V S, V Aug des Beef Trust entgegenzuwirken, geraten sei, die Aufhebung der

Beschränkungen in Erwägung zu ziehen, die für die Ein-

fuhr von lebendem Vieh vom Kontinent und aug anderen Ländern zur sofortigen Schlachtung bestehen. Jn seiner \chriftlihen Antwort sagt der Handelsminister Churchill, „W. T. B.“ zufolge:

& bin mit der Armour-Gesellschaft in Verbindung getreten,

Sie erklärt mir, an keinem. fo[hen Plan beteiligt zu sein, wie es in der Anfrage angegeben ist. ch erfahre, baß das Landwirtschafts, ministerium nit gesonnen ist, die bestehenden Verordnungen über die Einfuhx von lebendem Vieh zu ändern.

Das Haus begann in der gestrigen Sißung die General: disfkussion über die Finanzpolitik der Regierung.

Der Handelsminister Lloyd George euviderte auf die

Einwürfe der Unionisten, betreffend die unzvlängliche Vorsorge der Negierung gegenüber den finanziellen Verpflihtungen der nähsten Jahre, die Hilfsquellen des Freihßandelsfinanzsystems feien keines, wegs erschöôpft, und ging dann auf die Frage der Verringerung der Ausgaben für Heeres¡wecke über. Jn dieser Beziehung fei viel geshehen, aber er gebe zu, daß der Wettbewerb in den Rüstungen eine sehr ernste Sache sei, an der England ebenso große Verant, wortung trage, wie irgend ein anderes Land. Insbesondere in bezug auf den Schiffsbau sei cr nicht sicher, ob England das Tempo nicht be, meint und dadur) andere Länder beunruhigt habe. Diese übertriebene

ervosität sei ebenso sehr {uld an dem Anwachsen der Rüstungen wie irgend ein anderer Umstand. England sei der Meinung gewesen, Deutschland bereite einen Angriff auf sein Gebiet vor, Deutschland habe einen Angriff Englands befürhtet und die Presse beider Länder hätte ihr bestes getan, diese Befürhtungen zu steigern. Bezüglich

künftiger Besteuerungsmöglichkeiten sagte der Minister, der Reichtum

des Landes sei gewaltig und in s{nellem Wachsen ‘begriffen, und man fönne wobl eine Besteuerung der Besißenden einführen, um das Log der Armen zu mildern.

Frankreich.

_ Die Deputiertenkammer verhandelte gestern über die Einkommensteuer.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ verteidigte der Finanzminister Caillaux die Besteuerung der französishen Rente, die ebenso wie A Handel und Industrie besteuert werden müsse. Er hoffe, die republikanishe Kammer werde der Regierung ihr Vertrauen erhalten. Dcr Abg. Rib ot sagte, der Kredit Frankreihs sei \o groß, weil Frankrei seinen Verpflichtungen mit peinlichster Gewissenhaftigkeit nachkomme. uf eine Anfrage Ribots erklärte der Miristerpräsident Clemenceau, die Regierung werde ihre Solidarität mit Caillaux nicht verleugnen, wenn es sich um die Gleichheit aller Bürger vor dem Steuergeseß handle. Die Regierung müsse wie ein Mann zusammenhalten, um den vier auf ihrem Programm stehenden Reformen zum Siege zu verhelfen.

Darauf nahm die Kammer mit 347 gegen 170 Stimmen den § 2 des Artikels 18 an, durh den die Renten, Obliga- tionen und die übrigen vom französischen Staate ausgegebenen Wertpapiere mit einer Steuer belegt werden.

Rußland.

Die Reichsduma sehte gestern in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Stolypin die am 18. d. M. auf unbe- stimmte Zeit vertagte Debatte über die Finnlandinter- pellation fort.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Abg. Markow (extreme Rechte), Alexander I. habe Finnland nicht als Staat, sondern bloß als einzelne chwedische Provinz erobert, daher seien die Kompli-

kationen, von denen Stolypin gesprochen habe, nicht vorhanden. Falls

die finnländishe Konstitution die russishen Interessen shädige, müsse sie abgeschafft werden, Rußland fei für die Russen da, deshalb bestehe die extreme Rechte auf der Interpellation. Im Namen der Nationalisten \sprach der Abg. Wetshinin. Der Redner sagte, er wolle Finnland die Rechte, die es laut seiner Grundgeseßze besitze, nicht absprehen. Er begrüße die Erklärung Stolypins und hoffe, die Regierung werde eine Gesetzesvorlage einbringen zum Zweck der Regelung der Beziehungen zwishen Finnland und Nußland. Daher werde seine Fraktion gegen die Inter- pellation ftimmen. Der Abg. Gegetschkor i demokrat) spra die Meinung aus, daß die Interpellation eingebracht sei, weil die antikonstitutionelle Regierung das kleine konstitutionelle Land mit Mißfallen betrahte. Die Reaktion sei nur sicher, wenn die legte Basis der Freiheit abgeschafft sei. Den finnishen Separatismus stellte der Redner in Abrede. Die Finnländer wüßten genau, daß die russishe Regierung den Abfall Finnlands nie zulafsen werde. Ueber die Interessen Finnlands und Rußlands Me von einer gemeinsamen Delegation, die aus Duma- und Landtagsabgeordneten zu bestehen habe, entshieden werden. Der Abg. M iljukow (Kadett) führte aus, Finn- land sei ein Großfürstentum, ein Teil der russishen Staaten mit einer Sonderregierung. Die Meinung, Alexander I. habe nur die innere Auto- nomie proklamiert, sei falsch, er habe gleichzeitig die öffentlichen finnishen Rechte bestätigt. Der Redner erklärte zum Schluß, es wäre unmögli, daß das, was der Selbstherrshaft niht gelungen sei, nämlich die Vernichtung einer kleinen wehrlosen Nation, die russische

Volksvertretung als erste konstitutionelle Handlung vollbringen würde.

Hierauf vertagte sih das Haus.

Spanien.

Nach einec Erklärung des Ministers des Aeußern Allendesalazar sei der Zwischenfall in Casablanca als erledigt anzusehen. Die Note der französishen Regierung

ibt, „W. T. B.“ zufolge, die Berni daß die Urheber es Angriffs auf die spanishen Soldaten in Casablanca ver- haftet seien und die Untersuchung eröffnet sei.

Portugal.

Der Ministerpräsident hat der Deputierten- fammer einen Geseßentwurf zugehen lassen, durch den, T S gufolge, die während des Ministeriums SARos erlassenen Verfügungen zurückgezogen werden.

Belgien.

Die neue Deputiertenkammer wird, nah einer Meldung des „W. T. B.“, aus 87 Katholiken, 43 Liberalen, 35 Sozialisten und einem christlihen Demokraten bestehen. Die fatholishe Mehrheit fällt also von 12 auf 8 Stimmen. Die Minister für auswärtige Angelegenheiten, für Jndustrie und für Eisenbahnen wurden wiedergewählt.

Der neue Senat wird aus 64 Katholiken, 35 Liberalen und 12 Sozialisten bestehen. Die katholishe Mehrheit des Senats steigt demnach von 14 auf 17 Stimmen.

Asien,

Wie dem „Reutershen Bureau“ gemeldet wird, hat am Sonntag ein Gefecht zwischen den britischen Truppen und AufständisheninNord-Jndien, die etwa 3000 Mann zählten, slattgefunden. ‘Die Aufständischen erlitten eine Nieder- lage und hatten einen Verlust von 100 Toten, während die Verluste auf britisher Seite nur gering waren.

St. Petersburger Blättern zufolge sind 5000 Mann chinesischer Truppen von Kirin nach der koreanischen Grenze zum Schuße gegen japanishe Uebergriffe abgegange"-

(Sojials

Afrika.

Nah Meldungen aus Fez vom 21. d. M. sind Ab- esandte, die Mulay Hafid zum zweiten Male zu Buchta Len Bagdadi geschickt haite, mit einem Briefe Bagdadis urückgekehrt, in dem dieser droht, er werde Mekines beschießen. 16s Zorn über diesen Brief hat Hafid den Bruder Bagdadis erhaften lassen und will nunmehr zur Bildung eines großen eeres aus Angehörigen aller Stämme schreiten, um mit

agdadi ein Ende zu machen. Er selber will das Kommando dieses Heeres übernehmen.

Der General d'Amade meldet, „W. T. B.“ zufolge, daß die Militärposten von Settat und Du Boucheron fortgeseßt ahlreihe Unterwerfungen, selbst von außerhalb des Schauja- Neis, entgegennehmen. Die Generale Bailloud und

autey haben Boudenib erreicht, das vorläufig mit einer Ahteilung von 1200 bis 1500 Mann beseßt wird, um den Bormarsh neuer Harkas aufzuhalten, die si in Tafilelt bilden.

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Kunst und Wissenschaft.

A. F. Zur Feier ihres 80 jährigen Bestehens hatte die Gesellshaft für Erdkunde am leßten Sonnabend in die Pracht- cáume der Blüthnersäle eingeladen. Der Vorsißende, Geheimrat drofessoc Dr. hr nn eröffnete die Versammlung mit einer Ansprache. Er führte ia ihr aus, daß es troß der über alle Vorgänge in der Gesellshaft allmonatlih berihtenden „Zeitschrift“ eine alte, sich jur Beibehaltung empfehlende Gepflogenheit sei, alle 5 Jahre in ‘inem zusammenfassenden Rückblick die Wege deutlicher erkennen u lassen, welche dic Gesellsczaft gewandelt ist, und die Ziele, denen e zusteuert. Bevor au diesmal, in großen Zügen wenigstens, die

irksamleit der Gesellshaft während der leßten 5 Jahre dargelegt werde, sei es aber geboten, den zur Feier ershienenen Vertretern der höchsten Reichs- und Staatsämter sowie den Delegierten auswärtiger geographisher Gesellshaften Dank auszusprechen und ptetätyoll der Mit- lieder zu gedenken, die der Tod im letzten Lustrum abberufen, unter ihnen Adolf Bastian und Ferdinand von Richthofen, beide hohverdient um die Gesellschaft und die Wissenschaft. Der allgemeine Charakter der Gesellschaft für Erdkunde ist seit dem leßten Generalbericht vor fünf Jahren unverändert geblieben. Nach wie vor ist sie nach ihren Saßungen bestrebt, „die Erdkunde im weitesten Sinne des Wortes ¡u fördern“; s wie vor blieb, unter Vermeidung irgendwelcher Sonderinterefsen, thre Aufmerksamkeit der ganzen Erde zugewendet, wenn es auch mit Befriedigung erfüllen durfte, daß die wissenschaftliche Erforshung der deutshen Kolonien häufiger als sonst Gegenstand der Gröôrterung in den allgemeinen Sitzungen war. In diesen stand aber vieder im Vordergrund des Interesses Asien mit seinen zu Forshungs- reisen einladenden unbekannten Gebieten und sodann die Antarktis, aus der fünf Expeditionen glücklich und zumeist mit reihen Er- olgen geographishen und rein wissenshaftliGen Charakters zurüd- gekehrt waren. Zum ersten Male ist der Versuh gemaht worden, einen Vortrag in einer fremden Sprache zuzulassen. Er finn als geglüdckt bezeihnet werden und dürfte in A kunft geeigneten Fælles zu wiederholen sein. Abgesehen davon, daß die Beschränkung auf deutsch sprehende Forscher bet der Abnahme der Zahl deutscher Forshungsceisenden im Vergleich mit den 70er und 80er Fahren des leßten Jahrhunderts der ‘erla vielfah Resignation auferlegen würde, follte gerade eine geographische Gesellschaft, bei der immer mehr fich vollziehenden Internationalt- erung der Wissenschaften, eine zu weit gehende nationale Eitelkeit beiseite seßen und den Gebrauch anderer Kultursprachen bei den Vor- trägen in wihtigen Fällen zulassen. Die vor 7 Jahren von dem Redner ein- gerichteten Fahsißungen mit anshließender Diskussion haben fih bewährt als ein Mittel zur Erörterung der gründlichen naturwifsenshaftlihs- geographishen Erforshung kleinerer Gebiete sowie zur Vertiefung der geographtishen Wissenschaft selbst. Sie lieferten auch zahlreihe gute Abhandlungen von bleibendem Wert für die „Zeitschrift“ der Gefell- haft. Allerdings ist auch eine Kehrseite der eben angedeuteten Ver- feinerung und Spezialisierung in der geographishen ForsGung nit ju verkennen: Solche Kreise, die früher hauptsählich durch den Retz der Berichte kühner Pionterreisender mächtig angezogen wurden, halten h jegt fern. Die Folge davon ist, daß seit 1891 die Zahl der ansässigen Mitglieder abgenommen hat und nux dann vorübergehenb wieder stieg, wenn der Vortrag eines großen Reisenden lockte. Aber die Zahl der auswärtigen itglieder hat, vermutlich durch das wachsende Snteresse an den VeröffentliGungen der Gefellshaft, von Jahr zu Jahr so zugenommen, daß die Fit 10 Jahren fast stets leihe Durchs#nittszahl der Mitglieder, nämlich rund 1130, ufrechterhalten worten ist. Für die auch im Auslande geschäßte „Zeitschrist* der Gesellschafi ist in jüngster Zeit, um den reih- altigen Inhalt ihrer früheren Jahrgänge möglichst nußbar zu machen, ein Generalregister angeleat worden, dessen erstes Exemplar der Redner übergab. Eine zweite regelmäßige Veröffentlichung der Gesellschaft, die von Herrn Otto Bashin mit hoher Sorgfalt Jahr für Jahr bearbeitete „Bibliotheca Geographica“, eine ahresbibliographie der gesamten erdkundlihen Literatur, liegt im 3, Band der neuen Reihe vor. Ein anderes großes literarisches Internehmen der Gesellshaft war die Jnangriffnahme der Vollendung des fundamentalen Werkes Ferd. von Richthofens „China, Erlebnisse gener Neisen und darauf gegründete Studien“ durch die in Aussicht genommene Veröffentlihung des fehlenden, Südchina behandelnden dritten Bandes. Schriftlich hinterlassenem Wunsche Richthofens ge- mäß wurde die Bearbeitung des Textes auf Grundlage der vor- andenen Tagebücher und Manuskripte seinem Schüler Dr. Tiessen übertragen, die Karten sollen von Dr. Groll entworfen werden. Zur erstellung des Werkes wurden aus dem Allerhöchsten S epaioae onds 10000 4, von der Königlichen Akademie der Wissenschaften 2000 4, von der Verlcgébuhhandlung Dietrih Reimer 4000 #6 bei- Ert, Das große Werk dürfte in etwa zwei Jahren vollendet vorliegen. i L Recht erfreulih bewährte sich eine dritte Art der Wirksamkeit der esellschaft für Erdkunde, die örderung wissenshaftlicher Neisen, hauptsählich aus den Mitteln ihrer Karl Ritter-Stiftung. Sine Zeitlang bestand wenig Nachfrage nah folhen Reiseunter- lüßungen. Es bedurfte einer Aufforderung an die jüngeren Geo- graphen , geeignete Aufgaben zu stellen, die mit den vorhandenen Mitteln lösbar seien, und diese Mittel dann dafür in Anspruch zu. nehmen. Diese Anregung [eint Rd gefunden zu haben; denn Jahr für Sahr gie ehrere _ older Se eingelaufen, und das Kuratorium der Karl itter-Stiftung war in der glücklichen Lage, die ihr am geeignetsten tsheinenden Unternehmungen zu unterstüßen. Was in den leßten M Jahren in dieser Richtung geleistet worden ist, ergeben die leisenden Daten: 1903 nahm Professor Ebeling das größte Gletscher- jevlet Norwegens, den Jostedal-Gletscher, auf; 1904/5 wurde Herr 190 Frobenius bei seiner Forsungsreise nah dem Kassai unterstüßt, b erhielt Professor Theobald Fischer - Marburg eine Beihilfe zum E {luß seiner mehr als drei Jahrzehnte lang durchgeführten Mittel- h eerstudien, 1906 fonnten 3 Unternehmungen gefördert werden : En ersuhungen von Dr. Braun im Apennin über die morphologische Otdeutung der dort sehr zahlreichen Bodenrutshungen, Studien B Dr. Quelle in den Hos ziemlich unbekannten Gebirgen L südöstlihen Spaniens und eine gründlihe Untersuchung den Landesgeologen, Professor Gagel über die Caldera bedeutungsvoll für die allgemeine Theorie der Im Jahre 1907 endlich gewährte die Karl berit g an Professor Kretschmer die Mittel zum Besuh der S eet alienishen Bibliotheken zwecks Studiums der mittelalterlichen T arten und Portulane und an Dr. Georg Wegener eine Beihilfe : seine Reise in der chinesishen Provinz Kianasi. Au die vor 70 iten Ferd. von Richthofen als eine Ehrengabe ¡u seinem Veburtstage dargebrahte F. von Richthofen-Stistung hat {hon

¿on La Palma,

gute Dienste geleistet; denn sie erleihterte Dr. von Zahn den Besu}h von Mexico, Dr. Rühl eine Studienreise nach Katalonien und ermöglihte Herrn Ballauf die Unter- sfuhung der physikalishen Eigenschaften der Gewässer des Greifswalder Boddens. Möchte es aub fürderhin an \tkebsamen jungen Seographen mit wissenschaftliher Jnitiative niht fehlen, die als Bewerber um die Zuwendungen beider Stiftungen auftreten ! Wohl wäre es der Wunsch des Vorstands gewesen, die Wirksamkeit der Gesellshaft für Erdkunde noch reicher zu gestalten; aber es galt ehaus8zuhalten“ im wahren Sinne des Wortes; denr die vor 9 Fahren geschehene. Erwerbung eines eigenen Hauses hat die verfügbaren Mittel der Gesellshaft mehr in Anspruch genommen, als anfänglih geglaubt wurde. Allein „die Erdkunde zu fördern", dieser ihrer sazung8gemäßen Pflicht, glaubt die Gesellshaft auch im leßtverflossenen Lustrum nah äußerster Möglichkeit gerecht geworden zu sein.

An diese mit großem Beifall aufgenommene Ausprache {loß fich alsbald der Vortrag des vor wenig Monaten erst aus ÎInnerasizn zurückgefkehrten Dr. med. Albert Tafel, der 1904 Reisebegleiter von Oberleutnant Filhner auf defsen Forschungsreise nach Tibet war, bei Rückkehr des leßteren nach Europa jedoch in China zurüdckblieb, um troß der als überaus gefahrvoll erkannten Be- mühungen um die in Tibet gegebenen erdkundlihen Probleme dem Orange nach ihrer weiteren Erforschung Folge zu geben. Dr. Tafel aus Stuttgart berichtete über seine in den drei Fahren 1905, 1906 und 1907 ausgeführten Reisen in Nord west-China und Oft-Tibet in 23stündigeïn, durch eine große Zahl von ganz trefflichen Lichtbildern erläuterten Vortrage in \{licht erzählender und die Aufmerksamkeit seiner Zuhörerschaft dauernd gefesselt haltender Weife. Die hier folgende Wiedergabe des Gehörten kann naturgemäß nicht ers{chöpfend sein, sondern in großen Zügen nur den Verlauf der ih über ein großes Gebiet erstreckenden Reise s{ildern: Dr. Tafel ging von Hankow, der großen Handelsstadt am mittleren Yangtsekiang, Provinz Hunan, aus und begleitete den Talweg dieses Stromes aufwäris bis an den Punkt, wo er dem nördlich davon strômenden Hoangho am nächsten kommt. Hter, ungefähr auf der Grenze zwishen den 4 Provinzen Sitshuan süd- westlich, Schensi nordwestlich, Hunan \üdöftli und Schansi nordöstlich, ging er, die als Wasserscheide zwishen den beiden Strômen anzusprehenden Gebirge Kiu lung und Tsing ling, die zum Teil noch bewaldet sind, kreuzend, hinüber zum Poangyo etwa bis zu der Stelle, wo dieser Strom seine lange innegehaltene Nord- südrihtung, auf der er die Grenze zwischen Schensi und Schansi bildet, in eine ostnordöstlihe ändert. Auf dieser Landreise hatte Dr. Tafel freundlihe Eindrücke von Land und Leuten, fand allerdings auch verwahrloste, ehemals prächtige Gebäude, alte Tempel- anlagen, ins Wanken geraten wegen ungenügender Fundamen- tierung, die Reste eines Kaiserpalastes 2c. In einem Tempel aus vergoldeter Bronze sah er eine kostbare, riesige Buddha- statue. Bei Befsteigung eines 1300 bis 1409 m hohen Gipfels wurden auch. landschaftlihe Reize entdeckt, denn zwischen den beiden hohen Gebirgsfetten breitete sich ein anmutiges Hügelland aus. Die geologishe Formation ist pliocäner Sandstetn, der sehr viele Tierreste enthält, die merkwürdig genug von den Eingeborenen für heilkräftig gehalten, zermahlen und als Arznei eingenommen werden. Den Hoangho aufwärts verfolgend, gelangte Dr. Tafel in das unsäglih öde bergige Lößgebiet, das von erhöhten unkten aus gesehen, zuweilen den Eindruck einer mit gelbem Schnee bedeckten Land- chaft hervorruft. Der Hoangho führt, zum Schaden des Fischlebens in ihm, große Massen mit fich und gewährt hierdurh den An- blick eines braungelben Bandes in der rei¡losen Landschaft. Seine Breite ist sehr wechselnd, zwishen 100 und 650 m, die Schiffahrt an dieser Stelle auf flache Boote beschränkt, die Kohle und Eisen trans- portieren. Die Landwirtschaft ist in diesem öden Bergland höchst ärmlich, es fällt sehr wenig Regen, ja in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts sfoll es hier mehrere Jahre gar niht geregnet haben. Der Oede der Gegend ist es wohl auch zuzuschreiben, daß sie wenig aufgesucht wird, so interessant sie in mancher Beziehung auch ist. Der Vortragende glaubt, er sei höch} wahrscheinlich der erste Europäer gewesen, der hier einen ganz merkwürdigen, 100 m hohen Wafserfall des stark eingeengten Hoangho gesehen hat. Beim Eisgang im Früh- jahr häuft sich an den Rändern ‘dieses Falles das Treibeis in solchen Massen, daß der Vortragende davon noch im Juni 1905 vtele mächtige Sollen sah (und photgraphierte), die troy 309 Hige nicht ges{molzen waren. Die geologishe Formation ist auch hier Sand- stein, worin sih ganze Lager von Säugetiershädeln eingebettet fanden. Fe weiter nördlih der Neisende kam, um fo dünner erschien die Lößdecke, um so sihtbarer war in der Vegetation der Uebergang in cin fruchtbares Gelände. Nicht allzu fern von der Stelle, wo der Hoangho seinen vorher westöstlichen Lauf in einen nordsüdlichen ver- wandelt, ift die Grenze zwishen dem eigentlihen China und der Mongolei, bezeichnet durch die berühmte Mauer, an der ih wichtige Straßen hinziehen. Das mongolishe Gebiet, das fich zwishen dem ersten Fünftel des nordsüdlihen Hoangho-Laufes (später die Grenze zwishen Schensi und Schansi), dem vorgenannten west- östlichen Lauf, der wohl 600 km lang ist, und einer ihm voran- gehenden langen Sirecke eines südnördlihen Flußlaufes erstreckt, trägt den Namen Ordos und ist das gerade Gegenstück der vorher durhwanderten Lößlandschaft, ein sehr fruhtbares Alluvialland, dem nur eine geordnete Wafserwirtshaft, Kanäle, Schleusen und Deiche fehlen, um es zu einem zweiten Mesopotamien des Altertums zu machen. Den Wert dieses Landes seinen die Chinesen ers vor 10 Jahren erkannt zu haben; denn nit älter sind ihre aen Qungen um dies die nordwestlihe Ecke des Hoangho einnehmende Gebiet, wobei sie gegen die bisher hier hausenden mongolishen Hirten ziemlich unsanft verfahren. Verkehrsfördernd wirkt hier auch der auf einer langen Strecke des Flusses, der auf horizontaler Basis mit geringem Gefälle strömt, von einer belgishen Gesellsha{t eingerichtete Dampferdienst siromauf und firomab. Indem Dr. Tafel in südlicher Richtung den Hoangho weiter aufwärts verfolgte, kam er bei Nin-sia wieder in das Gebiet des eigentlihen Cluras zurück und im November 1905 endlich nach der Stadt Hsinan - fu, die am Fluß niht fern der tibetanishen Grenze liegt. Hier führt eine Sciffbrücke über den 250 m breiten Hoangho, an deren Stelle z. Z. ein deutscher Unternehmer mit Errichtung einer eisernen Brücke be- shäftigt ist. Hsinan-fu war 1904 die Basis der Expedition in das

nnere von Tibet gewesen, sie wurde es auch e Dr. Tafel, der hier seine Karawane zusammenstellte, mit der er am 1. Dezember nah Süden aufbrah. Diese Karawane bestand aus 12 Pferden, 3 Maultieren, 45 Yak|tieren, einigen Schafen, 4 tibetanischen Hunden und einer berwoaff- neten Begleitung von 8 Mann, wovon 4 mohammedanishe Dungoner, 4 Chinesen waren. Als Reiseziel setzte sich Dr. Tafel die nochzu entdeckende Hoangho-Quelle und das Tangragergs nôrdlih Lhassa; doch gossen die nahhfolgenden Ereignisse viel Wasser in den Wein seiner Hoffnungen. Son Anfang Januar war er am 3300 m hoh gelegenen Kuku-noor- Salzsee angelangt und stand im Begriff nach dem westlich hiervon gelegenen Tsatidam-Gebiet weiterzumarschieren, als er in der Nacht zum 16. Januar bei 300° Kälte von tibetanishen Räubern angegriffen wurde und sch genötigt sah, über das Packeis des Sees zur chinesischen Grenze zurückzukehren. Er verlor bei dem Ueberfall 5 Pferde und 8 Yaks, doch wurden ihm diese, dank der energischen Verfolgung der Räuber seitens des chinesischen Gouvernements in einigen Tagen L CgOnaae Auf dem wieder aufgenommenen Marsh nah dem

saidam-Becken, der dur die furchtbare Unwegsamkeit und Zer- klüftung des Gebirges sehr erschwert war, und der mit der Absicht, zu dem Quellgebiet des Hoangho im Odon-tala dem Sternenmeer zu gelangen, zusammenhing, sah sich Dr. Tafel zu ciner Aenderung seines Reiseweges in südliher Richtung veranlaßt, wobet er hart an dem heiligen Berge Nordtibets, dem 6500 m hohen Amnje Matschin, der mit vielen Klosterbauten beseyt ift, vorüberkam. Die hier betretene Südostecke Tibets ist das quellen- und flußreihste Gebiet der Erde; denn hart nebeneinander entstrômen dem Gebirge in engen Tälern in südöstliher Nichtung die Flüsse Hinterindiens und des Yangtseking. Es war inzwishen Hochsommer geworden, das Gebtrge durch die Tierwelt belebt, auß nicht völlig vegetationslos. Herden wilder Yaks von 500—1000 Häuptern wurden gesehen, die Menschen erwiesen

fih nicht feindselig, so durfte der Reisende hoffen, wee auch auf einem anderen als dem ursprünglih geplanten Wege, in da&Herz Tibets vorzudringen. Im August stand die Karawane am Oberlauf des hier hon sehr wafserreihen Yangtsekiang. Da traf Dr. Tafel am 16. Sep- tember ein vernihtender Schlag. Er wurde durch eine Uebermacht berittener tibetanisher Näuber angegriffen, verlor alle mitgeführten Tiere und den größten Teil seines Proviants und sah sich zur Nüd- kehr gegen die chinesische Grenze genötigt. Noch batte er gehofft, seine Sammlungen zu retten; allein seine in Wut versegten Begleiter verbrannten E angeblih um sie den Rüben niht auch noch in die Hände fallen zu lassen. Die nächsten

drei Monate der Nückehr brahten furchtbhare Entbehrungen;

ebenso lange sah.Dr. Tafel kein Dach über seinem Haupt. Kaum

war er, immer noch auf tibetanischem Boden, einigermaßen wieder in

Ordnung, als er dem auf einer Reise begriffenen Dalai Lama be-

aegnete, der, neugierig auf den Fremden, ihm eine Audienz gewährte.

Während dex Unterredung erbat Dr. Tafel ein Glas Wasser; es wurde ihm

überreiht, und der Dalai Lama ließ ihn trinken, obgleih, wie Dx.

Tafel später erfuhr, der Priesterfürst des festen Glaubens lebte, baß,

wer in seiner Gegenwart Speise oder Trank zu ih nehme, innerhalb

sieben Tagen fterben müsse. Von Hsinan-fu aus trat im Januar

1907 Dr. Tafel seine dritte Reise nah Tibet an, diesmal aber unter

der Begleitung einer militärishen Eskorte, die ihm ein soeben aus

Tibet zurückgekehrter chinesisWer General abgetreten hatte. - Doh

mußte auch diesmal die Absicht, die Hoangho-Quellen zu erreichen, auf-

gegeben werden; immerhin kam der Reisende von Sungapan-ting aus

zum Knie des Hoangho, und es gelang ihm, die Ursahen der scharfen

Wendung, die hier der Fluß nach Norden mat, aus den chaotisch durchs

einander geworfenen Gebirgsformationen zu erklären. Verzichtet mußte

im weiteren auch auf ein tieferes Eindringen nah Zentraltibet und

zum Brahmaputraknie bis Shimong werden; aber Dr. Tafel hatte

auf diesem dritten Ausfluge doch unvergleihliß mehr Muße und

Nuhe, Land und Leute zu \tædieren, Typep der lehteren in vielen

Photographien festzulegen, Gebetmühlanlagen an Wafsserläufen auf

die photographishe Platte zu bringen und den Verhältnissen

Uibetanischer Wirtshaft Aufmerksamkeit zu widmen. Die Land-

wirtshaft ist nicht ganz fo armselig, als man glauben

sollte. In 3500 m Sechöhe wurden noch Gerstenfelder ges

sehen, und die Vegetation in den geshüßten, tief einge-

\hnittenen Tälern ist üppiger, als man vermutet. Unter diesem

Schutz gibt es an den Abhängen auch Wälder von Fihten, Weiden,

Pappeln. Ueber die vielen Flußläufe führen häufig Hängebrüden,

die kunstvoll aus Bambus hergestellt sind, doch benußt man, wo es

geht, au leihte lederne Bote zum Ueberseßen über Flüsse. Ueber-

rashungen immer neuer Art gewähren die höchst eigentümlihen Bauten,

besonders die Klöster, mit deren Ausdehnung der größte Klosterbau in

unserm Erdteil nihcht verglichen werden kann. Denn es gibt folche, die von 10 000 Lamas bewohnt find. Dr. Tafel faßte sein Schluß-

urteil über Tibet in die Worte zusammen, daß er troß Räubern,

Wegeschwierigkeiten und Temperaturextremen doch Genuß an der drei

Jahre dauernden Reise gehabt habe. Es blieb Geheimem Nat Hell-

mann vorbehalten, in seinem Dank für den anregenden, hochinterefsanten

Vortrag über so wechselvolle Ereignisse davon zu sprehen, daß allem

Anschein nah auch die wissenschaftlihen Ergebnisse der Dr. Tafelschen

Reise sich als recht belangreich erweisen würden. Die Versammlung

hatte vorher bereits ihren lebhaftesten Beifall kundgegeben.

Es folgte der dritte und leßte Teil der Tagesordnung, die Ver- fündung der nah altem Brauch im fünfjährigen Turnus seitens der Gesellschaft zur Verleihung kommenden Auszeihnungen. Gs empfingen die goldene Karl Ritter-Medaille der Geheime Regierungsrat, Professor Dr. Hermann Wagner-Göttingen, dke goldene Nachtigal-Medaille der Schiffsleiter der englischen antarktisGen Expedition Captain Nobert F. Scott (die Medaille wurde bei Abwesenheik® des Prämiierten vom bri- tishen Botschafter Sir Frank Lascelles in Empfang ge- nommen), die silberne Karl Ritter-Medaille: Oberleutnant Wilhelm Filchner, Dr. Albert Tafel, Dr. Richard Kiepert und Professor Dr. Gottfried Merzbacher, die silberne Nachtigal-Medaille Georg von Prittwiy und Gaffron, Major in der Kaiserlichen Shußtruppe für Deutsh-Ostafrika, Haupt- mann Adolf Freiherr von Seefricd, Kartograph Mar Maisfel und Kartograph Paul S prigade.

pa Ehrenmitgliedern der Gesellshaft wurden noch 11, zu korrespondierenden Mitgliedern 12 um die Erdkunde verdiente Herren ernannt. Aus der Zahl der ersteren seien der Fürst Albert von Monaco und Professor Dr. Otto Nordenskiöld hervorgehoben.

Noch sei erwähnt, daß jedem Teilnehmer an der Versammlung am Eingang ein Kunstblatt überreiht worden war, entworfen von Maler Kuhnert und ausgeführt in der Kunstanstalt von Albert Frosch. Es enthält 7 trefflihe Darstellungen, die an Forshungsreisen der legten Jahre anknüpfen. Dem sich anschließenden Festmahl, an dem eine große Anzahl Damen teilnahmen, wohnten etwa 200 Personen bei.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Nach der im Kaiserlihen Gesundheitsamt bearbeiteten Statiftik über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen Reih während des 4. Vierteljahrs 1907 trat die Maul- und Klauenseuche neu auf in 331 Geböften gegen 131 im 3. Vierteljahr 1907 mit einem Gesamtbestande von 11 571 Rindern gegen 1840 im 3. Vierteljahr 1907, 12 777 Schafen gegen 36 im 3. Vierteljahr 1907, 73 Ziegen gegen 3 im 3. Vierteljahr 1907, 9108 S{hweinen gegen 251 im 3, Vierteljahr 1907. Am Schlusse des 4, Vierteljahrs 1907 blieben noch 247 Gehöfte in 128 Gemeinden (Gutsbezirken) verseucht.

Hamburg, 25. Mai. (W. T. B.) An Bord des aus Süd- amerika eingetroffenen Dampfers „Neko*“ wurden pestver- dächtige Ratten gefunden. Das Schiff wird der Ausgasung mit dem NRattentötungsapparat unterworfen, die weitere Löschung der Ladung unter den üblihen Vorsihtsmaßregeln gestattet. Menschen find nicht erkrankt.

Verkehrsanfstalten.

In Mk umbara in Deutsch-O stafrika ist am 19. Mai eine Telegraphenan stalt für den internationalen Verkehr eröffnet worden. Mkumbara liegt etwa 19 km nordwestlich von Mombo. Die Worttaxe für Telegramme nah Mkumbara ist dieselbe wie für Telegramme nah Daressalam.

Theater und Musik.

Neues Königliches Operntheater.

Das Gesamtgast spiel der Kaiserlihch russishen Hof- oper brate gestern Peter Tshaïkow skys Oper oder „lyrische Szenen“, wie sle der Tondihter richtiger nennt „Eugen Onegin“. Das Werk, das sich seinem Inhalt nah an Alexander Puschkins gleihnamigen, aus dem Jahre 1823 stammenden Roman anlehnt, ist von den deutshen Aufführungen im Theater des Westens hier \{chon bekannt. Die Schwächen des Textes, dem vor allen Dingen das dramatishe Leben fehlt, vergißt man über die musikalisGhen Schönheiten der Partitur, die durch ihre überaus fein charakterisierende Art ungemein fesselt. Jeder Ton atmet förmlich den Geist der Handlung und vermittelt so recht eigentlich deren Verständnis. Gbenso wirkungsvoll sind die den \lavischen Charakter tragenden Chöre und die eingestreuten Nationaltänze. Die Einstudierung der mancherlei Schwierigkeiten bietenden Musik unter der Leitung des Hofkapellmeisters Kru shewsky erschien gestern weit sorgfältiger als neuli) die der „Pique-Dame“. Das Mozartorchester wird mit seiner durchaus niht zu untershäßenden Aufgabe, als Theaterkapelle zu dienen, allmählich vertrauter, vertrauter auh mit der etwas Ey Art des Dirigenten, der es wohl nit ge- wöhnt ist, erzteherisch auf den ihm unterstellten Tonkörper zu wirken. Von den Mitwirkenden ragte Medea Ftiegner als Tatjana sowohl.