1908 / 279 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Nov 1908 18:00:01 GMT) scan diff

gäbe, sogenannte Minimax-Apparate, die bei kleinen Bränden gute irkung täten; ih habe mir sagen lassen, daß das richtig ist, und daß .hôöhstwahrscheinlißh bet Borussia das Unglük nicht : Giubenkontrolleure, die der Minister empfohlen hat, genügen den

deren Verwendung auf der Zeche so groß geworden wäre. Die

berechtigten Ansprüchen nicht. Der Staatssekretär kündigte gestzern an, er wolle mit den Vertretern der einzelstaat- lichen Bergverwaltungen die preußishen Vorschläge berat:n. Wenn das ein erster Anfang, die Anerkennung des Gedankens des Neichs- bergge}eßes sein soll, jo würden wir das jz begrüßen können. Der preußishe Bergverwaltungschef hat gestern wohl zehnmal gesagt, es würde diese und manche Frage mit Aufmerksamkeit verfolgt werden, Schön ; aber viel kommt dabei nit heraus ; Preußen hängt hier wie ein Bleigewicht an den anderen deutshen Staaten und au an der Reichsinitanz. Es ift nur zu sicher, daß zahlreih- vorhandene Berg- arbeitershugbestimmungen nur auf dem Papier stehen. Wir können auf unsere Forderung eines Ne-ichsberggeseß2s nicht verzichten ; zu Preußen hat kein Bergarbeiter Vertrauen. Auf diesem Gebiete ist vieles sehr faul im Staate Preußen. Angesichts des Massengrabes von Radbod muß von Reichs wegen eingegriffen werden, daß eine gesunde Reform zu. stande kommt.

Staatssekretär des Jnnern Dr. von Hollweg:

Meine Herren! Der Herr Abg. Hue hat gestern und heute sind die Herren Abg. Gothein und Schiffer darauf zurückgekommen die Behauptung aufgestellt, daß die Art und Weise, wie der Sprachen- paragraph des Vereinsgeseßes in Preußen gegenüber den Versamm- lungen polrischer Arbeiterorganisationen ausgeführt werde, im Wider- spruch ftünde mit dezjenigen Zusicherungen, die ih hier im Reichstage abgegeben habe. Ich glaube, Sie so richtig verstanden zu haben. (Sehr rihtig! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, das ist nicht der Fall (hört, hôrt! bei den Sozialdemokcaten), und das will ih schon heute konstatieren, wiewohl meines Dafürhaltens diese Frage weder mit den Interpellationen noch mit der Katastrophe von Nadbod irgendwie in Beziehung steht. Fch werde mir deshalb auch die weiteren Ausführungen zu dieser Frage vorbehalten, bis ich bei der Lesung des Etats, wie ih annehme, geordnete Gelegenheit haben werde, mich zu dem Vereinsgeseßp und seiner Handhabung auszu- \sprehen. (Zurufe aus der Miite: Es wäre au jeßt Selegenheit !) Ich glaube nicht, daß jeßt Gelegenheit ift, denn auch ich will mih an die Tagesordnung halten und richt über den Gegenstand hinaus- geben, der uns nah der Tagesordnung beschäftigt. (Sehr richtig! rechts.) J will aber meinen biéherizen Ausführungen das eine {hon jeßt hinzufügen: diejenigen Herren, welWe von einem Wider- spru g:\prohen haken, bitte ich im ftenographishen Bericht meine maßgebende Erkläcung auf Seite 4666 nahzulesen und mik dieser Erklärung die Erklärungen des Herrn Abg. Graef auf Seite 4663 und 4664, auf die meine Erklärung ausdrücklich Bezug nimmt darauf mache ih aufme:ksam —, ¿u vergleichen und dann {ließli meine Erklärung auf Seite 4671. Meine Herren, wenn Sie diese Erklärungen zusammenh2lten, dann werden Sie finden, daß der Widerspruch, von dem Sie geprochen baben, nicht vorliegt. (Widerspru bei den Sozialdemokraten.) Der Sinn und der Wortlaut meiner Erklärungen ist dahin gegangen, daß das nationale Interesse, welches für den Sprachenparagraphen maßgebend gewesen ist, gerade au gegenüber den Arbeitern polnischer Zunge im Westen des Reiches zur Geltung kommen müsse, weil, wie ih das im ganzen Verlauf der Verhandlungen über das Vereinsgeseß wiedecholt betont habe, ich nit anerkennen kann, daß die polnishen Gewerk- \haftéorganisationen namentli im Westen des Reiches aus\{ließlich gewerkshaftlihe Zwecke verfolgen (Unruhe links und bei den Sojzial- demokraten), sondern weil es sih bei ihnen überall darum handelt, politis. nationalen Zielen nachzugehen. (Sehr richtig! rets. Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Von der Ershwerung sonstiger gewerkschaftlier Versammlungen ift mir nichts bekannt. (Abg. Hue: Das werden wir Ihnen noch mit- teilen.) Wir können uns dann beim Etat darüber unterhalter. Jh will beute nit näher darauf eingehen. Sie werden aber aus den Auéführungen, die i eben gemacht habe, geschen haben, daß ih voll- kommen das vertrete, was ih im Eingang gesagt habe, daß der be- hauptete Widerspruch nicht besteht. (Widerspruch und Unruhe bei den Sozialdemokraten. Abg. Ledebour: Sie haben damals planmäßig die Herren irregeführt. Unruhe und Zurufe rets: Zur O.drung. Abg. Ledebour: Ih habe es damals fofort nachgewiesen, daß Sie die Herren irregefühit ‘aben. Unruh? und Zurufe rechts: Zur Ordnung! Abg. Hue: Herr Gothein hat es ja au konstatiert. Glocke des Präsidenten.)

Der Herr Abg. StSiffer hat im übrigen die Fcage an mich ge- richtet, wie es mit dem Arbeitskammergeseß stünde. Dazu erkläre ich, daß dieses Gesetz, das vor kurz-m endgültiz vom Bundesrat be- \chlofsez worden ift, heute an den Reichstag çelangt ist.

Bethmann

- vorliegt.

Abg. Dr. Hoeffel (NeihEp.): Wir alle bedauern auf das \{hmerz- j

liste das \chwere Grubenunglüd in Nadbod und haben daz tiefste Mit- gefühl mit den Hinterbliebenen der Opfer. Der Abg. Hue kann aber nicht bestreiten, daß ein Teil seiner Freunde den Unglücksfall zum Anlaß genommen hat, um den Klafsenkampf und Klassenhaß in unerhörter Weise zu \{üren. Angesichts einer so großen Katafirophe sollte partei- politischer Haß und Parteihader \{chweigen. Ich will hier einsczalten, daß - der Abg. Dr. Arendt mich beauftragt hat, zu er- klären, daß der Zwischenruf während der Rede des Abg. Hue nicht von ihm herrührte. Ueber die Ursachen des Unglücks noch nah Wochen Klarheit zu \{hafffcn, wird sebr {wer sein. Das ist um jo mehr zu bedauern, weil eine genaue Klarlegung der Ursachen des Un- glüdcks vorbeugznd wirken kann. Mit Befriedigung haben wir gestern gehêrt, daß von seiten der Regierung alles getan werden soll, daß ohne Ansehen der Person die Betreffenden zur Berantwortung gezogen werden follen. Ich hoffe, daß es der Bergbehörde möglich fein wird, später hier genauer authenti|che Miiteilungen über die Ursawen des Unglüs zu geben. Die Verhütung solher Unglücck¿fälle wird au in Zukanft \{chwer sein. Wer hat noch vor wenig Jahren daran gedacht, daß in den Kali- und Braunkoblengruben Explofionen vorkommen würden ? Uebrigens ist Preußen mit der Berieselung anderen Ländern vorangegangen. Bei der Zunahme der Zabl der Gruben und der in thnen bestäftigten Arbeiter, bei der Zunahme der Tiefe der Gruben wird die Ver- hinderung von Unfällen immer {wieriger. Es fehlt niht an Vor- {lägen zur Abbilfe, namentlich auf dem Gebiete barometrisher Beotachtungen. Wir glauben nicht, daß in einem NReichsbergges- tze ein Mittel gefunden werden könnte, um diese Unfälle in weiterem Maße zu verhindern. An Polijeivors&riften hat es nicht gefehlt. Wir glauben es auch nit, daß die Reglewentierung in den Händen der Reichsregierung sich besser gestalten wird als in den Händen der Landesbehörden, die mehr in Fühlung mit den Berg- werfen steten. Die bergpolizeiliche Aufsicht in den Händen der Neichsbeböiden würde die Sache nur kostspieliger machen. Wir im Elsaß sind dabci, in ein neues Berggesez alles hinein- zubrinzen, was für ein Reichsberggesez als zweckmäßig angesehen wird. Sie (zu den Sozialdemokraten) würden einem Reichsberggesetz dasfelbe Mißtrauen entgegenbringen, dieselben Verdächtigungen wie den anderen Gesetzen. Manche Vorkommnisse der leßten Zeit auf sozial-

politishem Gebiete hat die rechte Seite dieses Hauses vorsihtig ge- macht. Nichtsdestoweniger bin ih der festen Ueberzeugung, daß si y au die konservative Partei ihrer fozialen Pflicht vollständig bewußt ist. Mit dem Handelsminister sind wir der Meinung, daß die Verantwortung der einzelnen Stellen vermehrt werden muß. Es müssen Arbeiter- kontrolleure angestellt werden, aber nicht, wie gewünscht worden ift, als Berufzkontrolleure ; die Kontrolleure sollen Arbeiter bleiben. Wir alle wollen helfen, daß der Bergarbeitershuß weiter au8geftaltet wird.

Abg. Brejski (Pole): Der Verlauf der heutigen Debatte be- stätigt mir, daß ein grobes Verschulden auf sciten der Bergbehörde Es war auf der Zeche nicht alles in Ordnung, infolge der großen Profitwut hat eine große Mißwirtschaft geherrscht, die Wetter- führung war ungenügend, ebenso die Beleuchtung. In der Nacht wurde überhaupt nit bezieselt, und gerade tin der Nacht ift das Unglück passiert. Wer will beweisen, daß die eingeschlossenen Leute nit mehr zu retten waren? Vielleiht waren sie nicht mehr zu retten, aber cin Arit würde, wenn er einem Todkranken die Q ualen verkürzen wollte, als Verbrecher bestraft werden ; die Grubenverwaltung hat den Bergleuten, die vtelleiht noch am Leben waren, die Luft ent- zogen durch Schließung der Wetterzuführung und sie mit einem Schlage getötet. Weshalb sißen die, die für den Un- fall vcrantworilih find, ncch immer nicht auf der Anklagebank? Durch das Wasser in der Grube läßt man jeßt die Leichen vernichten, um Beweise zu beseitigen. Deshalb follte die Zechenverwaltung wegen Leichenshändung ängeklagt werden. Ich {ließe mich den Forderungen nah weiterem Arbeiterschuß und nah etnem Reichsberggeseß an ; ebenso verlangen wir Arbeite:kontrolleure, die aus allgemeinen Wahlen bervorgehen und wirklihe Vertrauenêmänner der Arbeiter sind. Der Staatssekretär hat uns seinerzeit zugesagt, daß das Ver- ein8geses vernünftig gehandhabt werden solle, die Polizet- verwaltung hat es aber geradezu in wahnsinniger Weise mif handelt. Jn einer Beziehung muß ih den Staatssekretär in Shug nehmen er hat nicht das Versprehen abgegeben, daß alle Berufsvereine von dem Sprachenverbot ausgenommen werden sollen, sondern wie alle scine Verjprehungen war auch diese in pythischem Stile gehalten, daß man sie deuten kann, wie man will. Die polnishen Berufsvereinigungen werden dadur sikaniert, daß man thnen den Charakter der ges{lossen-n Vereine AHIPNY (Vize- präsident Kaemvf ersucht den Redner, zur Sache zu kommen.) Die Erklärungen des Staatssekretärs waren damals \o unklar, daß der Vorsitzende der Verecinsgeseßkommission, der Abg. Hieber, über die Bedeutung des Sprachhenpatragraphen falsch informiert war, denn er {reibt in seinem Kommentar, daß der Sprashenparagraph nur polilisGe Versammlungen betreffen follt2. Die Polen sind nicht zum Vergnügen nach Westen gegangen, sondern weil durch die preußische Polenpolitik die Bauernsöhie von ibrer heimischen Scholle vertrieben sind. Wenn Sie etne polnische Mutter fragen, wec am Tode ihres Sohnes s{huldig ist, wird sie sagen: Mörder meines Sohnes sind diejenigen, welche ihn von der heimischen Scholle verdrängt und in die Grube gezwungen haben.

Preußischer Minister für Handel und Gewerbe Delbrü:

Meine Herren! Herr Atg. Ofann hat gestern bei Beginn seiner Rede gesagt:

Ich danke zunähst den Herren Vertretern der verbündeten Negierungen dafür, daß sie fich nit hinter die Kompetenzfrage zurückgezogen haben. Es wäre im Lande au nicht verstanden worden, wenn sie sih auf einen anderen Standpunkt gesiellt hätten.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Osann hat damit den Er- wägungen treffend Ausdruck gegeben, die die verbündeten Regierungen veranlaßt haben, abweichend von threr bisherigen Stellungnahme in ähnlihen Fällen, hier auf die an fie gerihteten Fragen Antwort zu erteilen. Dieselben Erwägungen haben es mir zu einer gern erfüllten PfliYt gemaht, meine Eigenschaft als Mitglied des Bundes- rats hier dazu zu benußen, dem hohen Hause alle irgend wie ge- wünschten Auskünfte zu erteilen und Fragen zu beantworten, die fh nicht nur auf die Vorgänge auf Nadbod, sondern auf die Organisation des preußischen Bergwesens und die in Preußen bestehenden berg- polizeilihen Vorschriften beziehen. damit meine Tätigkeit hter billigerweife crs{chöpffft sein Tonne, “und P e mO gea. 00 kaupt noch einmal bei Gelegenheit der heutigen Verhand- lungen das Wort erzreifen sollte. Wenn es troßdem geschieht fo veranlaßt mi dazu die Rede des Herrn Abg. Hue. Der Herr Abg. Hue hat gegen mih und die mir untersiellte Verwaltung eine Neibe der \{chwersten Angriffe gerihtei. Er hat diese Angriffe teils begrüudet mit allgemeinen Erwägungen. Er ist eingegangen auf eine Reihe von Spezialfällen, die weit zurückliegen. IchG babe mich fragen müssen, ob ih verpflihtet und berechtigt sei, auf diese Angriffe hier im einzelnen einzugehen. Ich habe die Frage verneinen müssen. Wenn ein preußisher Minisler, der Mitglied des Bundesrats ist, hiér Aus- kunft erteilt, fo ist das im vorliegenden Falle selbstverständlih. Aber es ist nicht selbstverständlih, daß er hier, wie es der Herr Abg. Hue beabsihtigt hatte, vor dem Reichtage auf die Anklagebank gesezt wird. (Widerspru bei den Sozialdemokraten. -- Sehr ri&tig! rechts.) Was ein preußisFer Minister und was die ihm unteritellte Verwal- tung verfehlt hat, das ist im preußishen Abgeordnetenhause zu ver- handeln, das wi:d diefer Minister dort zu verantworten haben. (Sehr

rihtig! recht8.) Ich würde der Kompeterz des preußishen Ab- geordnetenhauses vorgreifen, wenn ih diese Frage hier .er- ôörteite, und wenn ich Lust gehatt hâtte, dem Herrn Abg,

Hue troßdem zu antworten, so habe ih ties umsoeher zurückdrängen können, weil j, naËdem die Freunde des Herrn Abg. Hue im Abgeordnetenhause vertreten sind, kein Zweifel darüber bestehen kann, daß die von Herrn Hue gestera erörterten Fragen bei nächster Ge- legenheit im preußisch:n Abgeordnetenhause wteder zur Sprache ge- braht werden, und dann meine Herren, bin ih bereit, Rede und Antwort zu stehen, soviel von mir verlangt wird. (Zuruf des Abg. Hue: Geben Sie mir auch dann das Wort, H:cr Minister ?) Das kann ich leider nit, denn das Wort im preußisGen Abgeordnetenbause ertcilt der Herr Präfident, und nicht der Minister. (Sroße Heiterkeit.)

über- !

| |

Ich bin der Meinung, daß |

j

Abg. Hue zurückkommen, soweit sie sich auf das Radboder Unglück *

und fpeziell auf mein Verhalten bezieben, weil es fich hier um eine

Angelegenheit handelt, die, ganz abgeseben davon, ob im einzelnen | und meinen Kommissaren korrekt oder urkorrekt |

ist bemängelt ; i 4 haupt und ihren einzelnen Mitgliedern das nöôtige Verständnis für

Falle von mir vérfahren ist, ein allgemeines Interesse hat. Es worden, daß von mir und meinen Kommissaren der

Presse

Auekünfte über das uns bekannt Gewordene erteilt worden find, die : i ! politishen Aufgaben mangelte, daß namentlih die Bergrevierbeamten

geeignet sein konnten, eine Partcinahme zu Gunsten der Zeche zu begründen. Nun, meine Herren, ih muß dem Herrn Abg. Hue zugeben, daß

es unter Umstänten für derartige UntersuGungen förderliher wäre, ! wenn über den Gang der Ermittlungen nichts in die Diffentlihkeit kommt, bis die Untersuchung abgeschlossen ist. Das ist aber eine nit ;

mehr zu e:füllende Forderung. Die Presse erfährt über diese Dinge, die einzelnen Parteien stellen Erhebungen an. Es ist also nah meiner Ansicht selbstverständlich, daß die Vertreter der Behörden und

der Regierung, wenn sie gefragt werden: was wißt ihr? darauf wahrheitszetreue Auskünfte mit den sich aus der Natur der Dinge ergebenden Einshränkungen geben. Jh habe jedenfalls meinerseits in allen folhen Fällen die Praxis befolgt und meine Beamten und Be, hörden dahin instruiert: der Presse ist jede erdenklihe Erleichterung zuteil werden zu lassen, der Presse sind die erforderlichen Anfragen zu beantworten, selbstverständlich mit den Reserven, die sich aus dem jeweiligen Stande der Untersuchung ergeben. Jh bin fest davon überzeugt, meine Herren, es würde ein Sturm der Entrüstung im ganzen Lande ausbrechen, wenn ih anders handeln wollte, wenn ih anders gehandelt hätte, und wenn ich die mir nahgeordneten Beamten in Zukunft anders instruteren wollte. (Sehr richtig! rets.) Ich sehe, daß die Herren in diesem Punkte vollständig mit mir einer Meinung sind. (Widerspruh bei den Soz.)

Nun enistcht die Frage, ob ih absihtlich oder unaëbsihtlich dur die Art meiner Auskunfterteilung die Auffassung habe erwecken können, daß ich zu Gunsten der Zehenverwaltung Partei genommen hâtie ohne eine hinmeihende Prüfung der Sachlage.

Der Herr Abg. Hue sagt darüber, wenn der „Vorwärts*, den ih vor mir habe, richtig berichtet :

Ich gebe gern zu

es ift davon die Nete, daß ich dem Vertreter cines Blattes eine

Mitteilung gemacht habe, die eventuell mißverstanden sein könne —, daß der Vertreter d:s betreffenden Blattes in der Erregung fals gehört haben mag. Aber nach dem amtlihen Stenogramm hat der Minister gesagt: „Nach den mir bis jeßt vorliegenden Aussagen der gehörten Beamten, der Nieselmeister und Mitglieder des Arbeiter- aus\chufses {int alles in Ordnung gewesen zu fein."

Nun, meine Herren, wenn der Herr Abg. Hue das amtliche Steno-

gramm vor si hatte und diefen Passus daraus verlas, dann hâtte

er au den vorhergehenden Saß verlesen müssen, in dem es näm-

lid Keißt : Ich habe diesem Vertreter der Piesse auf dem Bahnhof mit Achselzucken gesagt: ih bin heute überhaupt nit imstande, darüber ein abschließendes Urteil zu fällen.

(Hört! hört !- rets.)

Dann ers bin ih foutzefahren:

Nach den mir bis jeßt vorliegenden Aussagen der gehörten Beamten, der Nieselmeister und Mitglieder des Arbeiteraus\chusses {eint m'r alles in Ordnung gewesen zu sein.

Borsichtiger, mein? Herren, konnte eine derartige Erkiärung car nicht abgegeben werden! (Sehr richtig! rets.)

Es ist mir dann der Vorwurf gemacht worden, daß ih die Zeugen, auf die sich diese Mitteilungen gestüßt hätten, niht in richtiger Weise gewählt häite. Ja, meire Herren, es i nit ganz leiht, aus einer großen Arbeitecmenge, die auf einer Zee steht, von denen keiner mir oder meinen Kom- mifsaren persönlich bekannt ift, geeignete Zeugen herauszusuchen. Die Herren Abgeordneten haben ihre Distrikteleiter, oder wie die Herren beißen, und finden {on ihre Vertrauensleute ohne weiteres, Mein Kommissar hat, weil ihm derartige Hilfsmittel niht zur Verfügung standen, korr:kterweise, nahdem er die erfien Mitteilungen, die günstig für dic Zeche lauteten, gehört halte, gefragt: wo sind die Vertrauensleute, wo sind die in geheimer Wahl gewählten Vertrauensleute der Arbeiter? von thnen werde ich wohl ein unbefangenes Urteil bekommen. Er bat mir das Urteil der Leute mitgeteilt. Jch habe unter diesen Umständen wohl mit Net annehmen können, daß seine Ermittlungen mit der nötigen Sorgfalt angestellt waren.

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Hue weiter an der Art, wie ich diese Angelegenheit behandelt hake, Ans stand genommen aus Anlaß des Falles Meyer. Der Herr Abg. Hue hat an der Hand des amtlihen Stenogramms dasjenige verlesen, was ih über die Vernehmung des Zeugen Meyer gesagt habe, und der Herr Abg. Hue hat daraus entnommen so habe ih ihn gestern wenigstens verstanden —, daß ich mich mit dieser negativen Fest- stellung begnügt hätte, während es doch meine Pflicht gewesen wäre, hinzuzufügen, daß ein anderer Bergmann, names Gard, die dem Meyer zuges@obene Aeußerung seinerseits in der Hauptsacze wörtlich bestätigt hat. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Wenn ih den Abg. Hue falsch verstanden habe, bedauere ih das. Jedenfalls hätte der Herr Abg. Hue, wenn er die Auffassung gehabt hat, daß ih diese Mitteilung habe unterdrücken wollen, ebenfalls aus dem amtlihen Stenozramm entnehmen können, daß unmittelbar nah der Mitteilung über den Fall Meyer fortgefahren wird:

Wie mir telegraphisch mitgeteilt worden ist, heißt der Ge- währ smann des „Lokal-Anzeigers" Karl Gard. :

Fch habe dann darauf mitgeteilt, daß Gard, soweit ih das nah dem mir vorliegenden Telegramm fesislellen konnte, seine ursprüngligen Angaben dem „Lokal-Anzeiger“ gegenüber in allen wesentlichen Punkten aufrecht erhalten hat. (Zuruf bei dea Sozialdemokraten: Was war das für eine Ausfage?) Das if die Aussage, wonach auf der Zee die vorher verlesene Meyersche Aussage ergibt, daß das zur Berieselung erforderlihe Wasser gefehlt hätte.

Meine Herren, ih babe den Eindruck, daß, wenn die Kritik, die vom Herra Abg. Hue und seinen Freunden im Ruhrrevier an mir

und an dem, was ih getan habe, in derselben nicht gani unbefangenen Weise geübt i, wie das ausweislich der hier eben bekannt gegebenen Vorgänge ter Fall gewesen if, dann die unfreundliße Stimmung der Bergleute im

Nußhrrevier gegen mih nit so sehr hervorgerufen sein wird dur das, was ih getan und gesagt habe, sondern durch die Art der Kritik, die

Aber in einem Punït muß ich doch auf die Ausführungen des Herrn | der Herr Abg. Hue und seine Freunde an diesen meinen Handlungen

geübt haben. (Sehr rihtig! rech!s.) Meine Herren, daran möchte ih noch eine allgemeine Bemerkung anknüpfen.

Es ift der Vorwurf erboben, nicht bloß von dem Herrn Abg- Hue, sondern auch von anderer Seite, daß der Bergverwaltung über- den Arbeiter, für die Bedürfnisse des Arbeiters und für die sozial-

es an der- nôtigen Sorge für den Arbeiter fehlen lassen.

(S@&luß in der Dritten Beilage.)

M 279.

Dritte Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 26. November

1908,

(S(hluß aus der Zweiten Beilage.)

Nun, meine Herren, ich will zugeben, es mag unter uns dieser oder jener sein, der nicht in der Unbefangenhelt, mit der Frishe und mit der Offenheit des Auges und des Herzens an die sozialpolitischen Fragen herangeht, die ich wünshte. Ich muß es aber für die Mehrheit unter allen Umständen behaupten. Aber, meine Herren, vergefsen Sie nicht, wie {wer es einem Beamten, mag er an einer Stelle stehen, wo er will, wird, unbefangen zu bleiben gegenüber den Arbeitern und ihren Vertretern, wenn er in der Weise angegriffen und verdächtigt wird (sehr rihtig! rechis), wie es gestern von seiten des Herrn Abgeordneten Hue geschehen ist, (Sehr wahr! rets.)

Meine Herren, das Mißtrauen, das die Sozialdemokratie zu säen bestrebt ist vom Morgen bis zum Abend, ist eines der Haupt- hindernisse für eine zweckdienliche Förderung unserer Sozialpolitik. (Sehr richtig! rechts und Lachen bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, ich möhte mich zum Beweise defsen noch wiederum auf den Herrn Abg. Hue berufen. Der Herr Abg. Hue hat uns gestern empfohlen, aus der Geschichte der englishen Gewerkschaften ¡u lernen, wie man Sozialpolitik betreiben müsse und in wie verständiger Weise in England Volk und Unternehmer beftrebt gewesen seten, die Wünsche der Arbeiter sachgemäß zu erfüllen. 3h glaube, ih habe Sie in dieser Beziehung rihtig verstanden. (Abg. Hue: Nicht ganz, Herr Minister!) Nicht ganz; aber Sie haben uns das Studium der Gewerkshaften in England empfohken. (Zuruf bei den Sozialdemokraten : Hilgenstocks Broschüre!) Es ift immer bedenklich, die Institutionen verschiedener Länder ohne weiteres in Yarallele zu stellen; nichtsdestoweniger erkenne i an, daß das Studium der Geschichte der englishen Gewerkscha}ten fehr lehrreih ist, und ih habe mir gerade bei dem Studium dieser Geschichte die Frage vorgelegt : woher kommt es denn, daß in England sich eine ganze Neiße von sozialpolitischen Einrihtungen ohne Mühe eingebürgert haben, und daß man nicht nôtig gehabt hat, die Gesezgebung in dem Umfange in Bewegung zu seßen, wie es bei uns geschehen is? Nun, meine Herren, das hat einen sehr einfachen Grund, das liegt daran, daß der englishe Arbeiter niemals seine berechtigten wirischaftlihen Forderungen verquickt hat mit politischen Forderungen. (Sehr rihtig! rechts. Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Das liegt daran, daß der englishe Arbeiter eins geblieben ist —.trot wirtshaftliher Differenzen mit feinen Volk3genossen in dem Stolz auf die Kultur und die politishe Größe seines Vater- landes. (Lebhaftes sehr rihtig! rechts.) Das liegt daran, daß der englishe Arbeiter niemals aufgehört hat, mit seinen Volksgenossen zu arbeiten für die Größe dieses von ihm geliebten und bewunderten Vaterlandes. (Wiederholtes lebhaftes sehr rihtig! rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Uud, meine Herren, ih gebe Ihnen die Ver- siherung : das shwerste Hindernis das empfinde ih täglich, das empfinde ih, wenn ich im Abgeordnetenhause verhandle, das empfinde ih, wenn ih mit den beteiligten Kreisen zur Lösung s\ozialpolitisher Fragen berhandle das s{chwerste Hindernis, auf dem Gebicte der Sozial- politik in Deutshland und speziell in Preußen vorwärts zu kommen, ist, daß Ste, meine Herren, sich nicht loslösen können von dem Glauben, daß Sie Ihre wirtschaftlihen Ziele verquicken müssen mit unmöglichen, mit den Interessen des Staats unvereinbaren politischen Forderungen. (Lebhafter Beifall rets und bei den Nationalliberalen. Zischen bei den Sozialdemokraten. Wiederholter anhaltender Beifall bei den Nationalliberalen und re#ts.)

Abg. Cuno (fr. Volksp.): Der Abg. Brejski hat behauptet, die verantwortlihen Beamten hätten die Zumäuerung der Grube an- geordnet, obwohl sie ncch nicht gewußt hätten, ob die Arbeiter în der Grube noch lebten oder nicht. Eine solche Behauptung ist bisher noch von keiner Partei erhoben worden. Daß die Beamten die feste Ueberzeugung hatten, daß der Tod der Arbeiter feststand, hat bisher nh keiner bezweifelt. Jch hoffe, daß die Erklärung der ver- bündeten Regierungen dazu beitragen wird, rücksichtslos ohne Ansehen der Person die Ursachen der traurigen Katastrophe festzustellen und etwaige Shuldige zur Verantwortung zu ziehen. Es müssen niht nur Beamte und Unterbeamte, sondern auch Arbeiter eingehend vernommen werden. Die rücksichtslose Durchführung der Untersuchung liegt im Interesse sowohl der Bergverwaltung wie der Beamten. Schlimmer kann es nicht werden: das ist das Urteil unparteiisher Beobachter und die Stimmung der Bergarbeiter. Die aufreizenden soztaldemokratischen Reden und Artikel hätten einen folhen Anklang niht gefunden, wenn sie nicht einen gut vorbereiteten Boden vorgefunden hätten. Das Mißtrauen zwishen Arbeitgebern und Arbeitern {ließt ein Zu- sammenarbeiten beider zur Zeit aus. Die strafe Ordnung führt die syndizierten Großbetriede zu einem Herrscherverhältnis gegen- über den Arbeitern. Vor wenigen Jahren wurde die Zehe Nadbod angelegt in einem kleinen ländlihen Bezirk. für die von überall erangejogene zusammengewürfelte Menshenmafse forgte die. Zechen- berwaltung äußerlih du: ch Schaffung von Arbeiterwohnungen usw. Es fehlten aber diesen wirtshaftlich abhängigen Massen alle Voraus- seßzungen zur Selbstverwaltung. Daß si dieser Massen die polnische gewerklihe Agitation bemächtigte, ist im Interesse des Deutshtums iu bedauern, immerhin gibt die polnishe Agitation den Leuten wenigstens etwas, was sie zu Menschen macht. Wir hatten beim trein8geseß die Identifizierung von freien Gewerkschaften und Sozialdemokratie glücklich überwunden, da kam die preußische Regierung und sagte: mit der Freigabe der polnischen gewerkschaft- lihen Organisation geben wir die national-polnishe Agitation frei. Diesen Widerstand der preußisGen Regierung zu überwinden, ist uns damals nit gelungen, wir mußten uns mit der Erklärung des Staats- sekretärs begnügen, daß der gewerkshaftlihen Bewegung, soweit sie sich auf gewerbliche Dinge beshränke, Schwierigkeiten nit gemacht werden würden. Wie weit die Ausführung des Gesetzes mit diesem Versprechen übereinstimmt, will ih nit untersuhen. Die Großindustrie huldigt dem Grundsatz: vieles, sehr vieles für die Arbeiter, aber nichts durch die tbeiter. Die Arbeiter sagten sih ihrerseits, alles das geschieht nur, um sich unsere Arbeitskraft zu erhalten. Jn den Ge- neindevertretungen wußten die Zehen ebenfalls ihre Herrschaft ¡ur Geltung zu bringen. Die Stadtverordneten wußten sehr wohl, daß man fi die Namen derer merkte, die die Wünsche der Berg- besißer nicht erfüllten. Die reihen Bergwerksbesißer drohten damit, nah Wiesbaden zu ziehen, andere drohten mit der Verlegung der Zechen, also mit einem erheblichen Steuerausfall. Und die Ne- glerung weiß auch kein anderes Mittel, als mit der Einführung

handeln; den Agitatoren wird ihre Agitation unendlich leiht gemacht, sie brauchen nur die wirklichen Zustände zu s{childern. Zu welchen Mitteln der Zechenverband greift, um die Arbeiterschaft zu strafen, ist bekannt: Aussperrungen, s{chwarze Listen, denen mit Streiks, Kontraktbruch, Haß und Verachtung geantwortet wird. Seit dem letzten großen Auéstand ist der Friede im Ruhrrevier noch nit eingekehrt. „Diese traurigen Tatsachen haben sib die Werksbesigzer leider nit zur Lehre dienen lassen. Der Abg. von Schubert sagte neulich, er habe sein Bestes getan, und er müsse die Verantwortung denen überlassen, die die Arbeiter dort organisieren. So urteilte er vom Standpunkt des Berg- werksbesißers, während ih mich verpflihtet hielt, mir ein objektives Urteil zu bilden, um auch dem Standpunkt der Arbeiter gerecht zu werden. Nicht auf militäri\her Disziplin- und Gehorsam, sondern auf dem Grundsaß der Freiheit muß das Arbeiterreht beruben. Dem wider- spriht das System der \{chwarzen Listen. Die Aus3gestaltung des Arbeiterrechis und die Mitwirkung der Arbeiter bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrages müfsen endlich zur Geltung kommen. Diese Folgerungen müssen wir aus diesem Ünglücksfall ziehen. Es ist er- sreulih, daß der Minister jeßt die Arbeiter bei der Aufficht heranziehen will, nur muß man \ich dabei jeder Aengstlichkeit über die engen Grenzen der Zuständigkeit der Arbeiter enthalten. Die Schwierigkeiten liegen in dem Vorbehalt, den der Minister für die Wahrung der Organisation und der Leitung des Betriebes dur die Unternehmer machte. Danach ift eine große Hoffnung auf eine gründliche Wandlung nicht vorhanden. Eine weitere Shwierig- keit liegt in dem Unterschied, den man zwischen den christlihen und den freien Organisationen der Arbeiter macht, welche leßtere man am liebsten von der Mitarbeit ausschließen möchte. Statt der Mitwirkung der Arbeiter nach Art von Polizeibeamten würde ich die Mitwirkung der Arbeiter innerhalb des Arbeits- vertrages vorziehen. Die Hauptsahe wird sein, welhe Be- fugnisse die Arbeitervertreter erhalt-zn. Der Minister empfahl der Privatindustrie, freiwillig dem Beispiel des Fiskus zu folgen ; der gute Wille hat ihr allerdings bisher gefehlt. So sehr ih die Energie, die kaufmännische und technishe Tüchtigkeit der Unternehmer im Bergbaubetriebe aus eigener Kenntnis {äge, so muß ih doh sagen, daß ihre Tüchtigkeit da versagt, wo es sih um die Behandlung der Men\schenmassen handelt, wo es gilt, die Menschen nicht als Arbeitskraft, sondern als* Personen in ihren persönlichen, wirt- \haftlißen und sittlißen Beziehungen zu begreifen. Die Herren sollten sich endlih die erste Frage vorlegen, ob fie das bis- herige System des Herrimhauseseins aufrecht erhalten wollen. Wenn die Werksbesißer nicht aus eigener Entschließung die Mitwirkung der Arbeiter zulassen, dann muß es das Geseg tun. In dem letzten Streik um den Arbeitsvertrag hätten die Werksbesißer auch besser çe- tan, sih mit den Arbeitern zu verständigen ; denn bei freiwilliger Ver- einbarung fann alles den Verhältnissen der einzelnen Betriebe angepaßt werden, während ein Gese starre Vorschriften enthält. Wollen die Arbeitgeber niht einen Kollektivarbeitsvertrag festlegen, so bleibt nur die Regelung durch Geseß übrig. Die Grubenkontrolleure aus den Arbeiterkreisen würden ihres Amtes richtig nur walten können, wenn sie geseßlichen U gegen willkürliche Entlassung genießen. Al das is nur môöglich durch ein RNeichsberggeseß ; denn zu dem nach dem Dreiklassenwahlrecht "gewählten preußischen Landtage besteht niht das Vertrauen, daß er ein geeignetes MCaeley tuslaude bringt. Schließlih möcbte ich empfehlen, ‘daß man bet der Verteilung der in so erfreulicher Weise eingegangenen mildtätigen Gaben für die Hinter- bliebenen auch die Arbeiter heranzieht. Dadurch würden die Arbeiter das Vertrauen gewinnen, daß die Gaben in sahgemäßer Weise ver- teilt werden. Die Bedeutung einer solhen Maßnahme für die Beruhigung der Gemüter im Nuhrrevter bitte ih niht zu untershätzen.

Abg. Werner (d. Reformp.): Ich erlaube mir an den Vorredner die bescheidene Anfrage, ob die Zeitung8meldung richtig ist, daß in seiner Stadt Hagen den ftädtishen Arbeitern nicht - gestattet worden ift, in Arbeiterorganisationen einzutreten. Der Minifter er- mabnte zur Geduld, bis die Untersuhung über das Unglück ab- ges{chlofsen ist. Wenn der Minister aber die Arbeiter selbst befragt, so kommt gleih ein Geheimer Rat dazwischen, fällt den Arbeitern ins Wort, und diese kaben nicht mehr den Mut, etwas zu sagen. Der Minister brauchte bei solen Gelegenheiten niht immer von einem großen Schwarme umgeben zu sein. Jedenfalls wäre das Unglück nicht passiert, wenn die bestehenden Vorschriften innegehalten wären. Der Abg. Gothein tritt einen Nückzug mit seinen Fceunden an, wenn er sagt, daß fie erst nach der Zusage des Staatssekretärs über den Sprachenparagraphen für das VWVereinsgeseß gestimmt hätten. Danach sollte man metnen, die Freisinnigen hätten eine Frage danah gestellt. Aber diese Frage wurde gerade von der Wirtschaftlichen Vereinigung gestellt ; die Freisinnigen haben ohne die Frage ruhig für das Geseß gestimmt. Bei den Arbeiterauss{chüfsen wird es namentlich darauf ankommen, welche Befugnisse sie für die Kontrolle erhalten. Das Großkapital macht sich überall verderbenbringend geltend. Das sieht man auch am Kohlensyndikat, das dem deutswen Volk die Preise diktiert, dem Auslande aber viel billiger liefert. Nur ein Neichsberggesey kann die berechtigten Forderungen der Arbeiter er- füllen, in den Einzelstaaten wird nie etwas Rechtes zu stande kommen. Ich erwarte aber vom Reichstag, daß er diese traurige Angelegenheit niht nur bespricht, um den Hinterbliebenen sein Beileid zu zeigen, sondern die Lebenden dürfen verlangen, daß wir' Abhilfe

schaffen. Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Abg. Osann (nl.) bemerkt persönli: Der Abg. Schiffer sagte, ih hätte eine Lanze für die rheinisch-westfälishen Zehenverwaltungen gebrochen, und hat gefragt: Solte das damit zusammenhängen, daß der Einfluß der rheinisch-westfälishen Iandustriemagnaten auf die nationalliberale Partei in leßter Zeit sich darin geäußert habe, daß die Herren damit gedroht haben, der national- liberalen Parteikasjse den Brotkorb ctwas höher zu hängen? Jch weise diesen Vorwurf des Einflusses der Jndustriemagnaten auf mich und meine Freunde mit aller Entschiedenheit zurü. Es ist eine unerhörte Behauptung, daß meine Stellung von der Rücksiht auf die Partei- kasse abhängig sei. Durch solhe Bemerkungen kann das Niveau des Reichstags nur herabgedrückt werden. Jh habe meine Bemerkungen nur aus der Gesinnung der Gerechtigkeit gemacht, und ih bedauere es, wenn der Abg. Schiffer für solhe Gesinnung niht Verständnis hat. Abg. Cuno (fr. Volksp.): Da ih Bürgermeister von Hagen bin, richtet sich der Vorwurf des Abg. Werner gegen mi, als ob ih amtlih anders handle, als ich hier rede. Jch konstatiere, daß den Arbeiterverbänden in Hagen irgend welhe Schwierigkeiten in bezug auf das Koalitionsreht niht gemacht find.

Abg. Werner (d. Reformp.): Ich habe den Vorwurf nicht er- boben, sondern lediglih gefragt, ob diese Zeituagsméldung richtig ist. Sie ist nicht widerrufen worden. j

Abg. Schiffer (Zenir.): Ich habe meine Bemerkung bezüglich des Verhältnifses der Nationalliberalen zu den Industriemagnaten in eine fragende Form _ gekleidet. Wenn von einem Einfluß der Groß- industriellen auf die nationalliberale Partei nicht die Rede sein kann, so ist das sehr erfreulih, aber man kann es bezweifeln. Die scharfe persönlihe Redewendung des Abg. Osann war niht am Plate, der Ton, in dem ih gesprochen habe, ist hier“immer üblih gewesen.

wifsen, sie sehen nur deren Schattenseiten, sie wollen mit ihnen nicht ver-

U eine Frage an mi stellen, sondern eine Behauptung aufstellen wolle.

Abg. Cuno (fr. Volksp.): Der Abg. Werner bezieht sich auf einen Zeitüngs8artikel, wonach eine solhe Verfügung von der Hagener Straßenbahnaktiengesellshaft, in deren Aufsichtsrat ih siße, ergangen ist; diese ist aber aufgehoben. f

Abg. Werner (d. Reformp.): Jh habe auh keine Behauptung aufgestellt.

räfident Graf zu Stolberg schlägt vor, morgen die General- diskussion über die Finanzreform fortzuseßen.

Abg. Sachse (Soz.) würde nichts gegen diele Tagesordnung ein- wenden, wenn Sicherheit dafür vorhanden sei; daß die eben ab- gebrochene Debatte demnächst ihre Fortsezung findet, event. bittet er, die leßtere morgen stattfinden zu lassen.

Abg. Ledebour (Soz.): Ih schließe miß dem Wunsche meines Parteigenossen an, weil es auch sehr notwendig ift, den Beweis zu führen, ob damals bei der Beratung des Sprachenparagraphen von irgend einer Seite dolos verfahren worden ist. Jh werde diesen Beweis aus den Akten führen und hoffe, daß die freisinnige Partei, die mit uns davon betroffen ist, für die Fortsegzung der heutigen Beratung am morgigen Tage stimmen wird.

Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten wird der Vor- shlag des Präsidenten vom Hause bestätigt. Sthluß 61/2 Uhr. Nächste Sißzung Donnerstag 1 Me ortsegung. der Generaldiskussion der Vorlagen über die eihsfinanzreform.) *

Land- und Forstwirtschaft.

Der Gesamtausschuß der Deuts®en Landwirtschafts- gesellschaft faßte in feiner Sizung vom 22. Oktober d. F. den Beschluß, daß auch die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft in Zukunft die Toloniale Landwirtschaft in den Bereih ihrer Arbeiten mitaufnehmen foll. Schon früher sind gelegentlih einzelne kleine Anfänge in dieser Beziehung von den verschiedenen Ab- teilungen der Deutschen Landwirtschaftsgesell haft auf Wunsch der Interessenten gemacht worden, so dur - die Ausstellung des Kolonialwirtschaftlichen Komitees auf der Wanderausstellung im Jahre 1897, ferner durH Vermittlung von Viehabsaß nach den Kolonien, Beschaffung von Düngemitteln, Buhführungsunterwetsungen u. dergl. Die dur Gründung einer Kolontalabteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesellshaft zusammenzufafsenden Bestrebungen würden dann in der Hauptsache bestehen: 1) in Weckung und Förderung des kolonialen Ver|tändnisses bei der deutschen Land- wirtschaft, besonders bei den Mitglkedern der Deutschen Landwirtschafts- gesellschaft, 2) in Bildung eines Mittelpunktes für koloniale Lands wirte zur Erörterung von landwirtshäftlih-technishen Fragen, 3) in Vermittlung von Auskunft über Anbau usw., Besiedlung sowie An- stellung tüchtiger Pflanzer und Beamten, 4) in Förderung der kolonialen Landwirtschaft auf dem Gebiete a. des Bezugswesens, insbe- fondere in Rücksicht auf Dünger, Zuchtvieh usw., b. des Versuhs- wesens zur Klärung landwirtshaftliher Fragen. Für die Behandlung derartiger Fragen geben die eee Bestrebungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellshaft ein Vorbild. Auh würden diese Arbeiten der Deutschen Tan G MgeleltsQaft nach dem Urteile Sachver- ständiger eine wertvolle Ergänzung zu den bewährten Bestrebungen der Deutschen Kolonialgeselschaft in allgemein wirtschaftlichen Fragen, zu denen des Kolonialwirtshaftlihßen Komit-es in größeren tehnishen und wirtschaftlichen Unternehmungen und auch zu anderen ähnlihen Bestrebungen, wie denen des Deutschen Lantwirtschafts- rats, bilden können. Die erste öffentliße Versammlung der neu zu bildenden Koloniakabteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesell- haft wird in der Woche vom 22. bis 26. Februar 1909 stattfinden. Landwirte und in Deutschland weilende Pflanzer aus den Kolonien sowie alle Interessenten für koloniale Landwirtschaft werden gut tun, sich schon jeßt auf den Besuch der bevorstehenden Versammlung einzurihten. Die Mitgliedshaft der Abteilung hat zur Vor- aussezung die allgemeine Mitgliedshaft bei der Deuischen Landwirt)chaftsgesellschaft jährliher Mitaliedsbeitrag 20 4 —, verursacht aber font keine besonderen Kosten, sondern bringt den Vorteil, alle den Mitgliedern zur Verfügung stehenden Druck- sahen im Buchhandelswert von etwa 40 #4 zu erhalten. Beteiligung an den Wanderausstellungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ist bereits früher vom Vorstand der Kolontalgesellshaft beschlossen und wird zuerst wieder bei Gelegenheit der Ausftellung in Hamburg im Juni 1910 in Erscheinung treten.

Thesen zur Ausbildung der Landarbeiter.

Der „Sonderaus\{huß für Landarbeit“ der „Deutschen Landwirt- \chaftsgesellshaft" verhandelte während seiner vorleßten Tagung über das Thema der Ausbildung der Kndarbeiter und die Aufgabe der land- wirtshaftlihen Beamten bezügli der Landarbeiterfrage. Der Ge- {äftsführer des Sonderausschusses, Oekonomierat Dr. Stieger, hatte als Grundlage für seine Ausführungen eine Reihe von Leitsäßen zusammengestellt, die der Versammlung vorlagen. Da eine Erörterung der Frage in weiterem Kreise wünschenswert ft, geben wir im folgenden diese in den „Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts- gesellshaft“ veröffentlihten Thesen wieder.

1) Jede Handarbeit stellt an ihre Träger Anforderungen an ihre körperlichen und geistigen Kräfte. Der Handarbeiter soll niht nur als Quelle mechanischer Kraft, sondern au als Träger geistiger und sittliher Leistungen wiuken, muß also niht nur kräftige, gesunde Glieder, sondern auch einen beweglihen und nahdenkenden Geist und zuverlässigen Charakter haben.

2) Die Landarbeit unterscheidet sich von der gewerblichen durh die Ausdehnung und den Wechsel ihres Schauplatzes, ferner durch den mannigfachen zeitliGen Wechsel nah den Jahreszeiten, und endlich be- dingt die organishe Natur der meisten Betrieb3mittel und Erzeugnisse einen derartig mannigfachen Wechsel der zu überwindenden Wider- stände, daß die MasSinenanivénduag in der Landwirtschaft besonders begrenzt ist, und daß an das Nachdenken und die selbständige Ent-

chlußfäh!gkeit des einzelnen Arbeiters hohe Anforderungen gestellt werden, deren Entwicklung dur eine geordnete Arbeitslehre unerläßlich

erscheint. 3) Ie höher ein Beruf \#ich entwickelt, um so mehr tritt die

mechanishe Seite der Handarbeit zurück. Die Landwirtschaft ift nun durch wissenschaftliche Begründung und durch Maschinenanwendung auf eine Höhe gehoben, daß gegenwärtig au der einfache Arbeiter in ihr nur dann seine Aufgabe recht erfüllen kann, wenn er eine entsprehende Sqchulung des Geistes und Willens mitbringt. Da die Natur unseres Be- rufes von jedem einzeïnen Arbeiter eine ganze Reihe verschiedener, Nach- denken erfordernder Verrichtungen verlangt, fo charakterisieren sich die Landarbeiter in hohem Maße als „gelernte“ Arbeiter.

4) Ein geordnetes „Lernen* der Landarbeiter fehlt heute völlig,

mehr noch als in früheren Zeiten. Mit der Seßhasftigkeit der Arbeiter und der Einfachheit des Betriebes ift die alte Arbeitsüberlieferung geschwunden, zugleich haben

ch die Charaktereigenshaften der Leute

des Polizeipräfekten und der Polizeiknute die Arbeiter zufrieden zu stellen, Von den Gewerkschaften wollen die Bergwerksbesizer nichts

Abg. Osann (nl.): Mag der Abg. Schiffer seine Bemerkung au in fragende Form gekleidet haben, niemand hat mißverstanden, daß er

eher vershlehtert und verweihlicht, zumal neuerdings die Furcht vor.

R