1931 / 241 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Oct 1931 18:00:01 GMT) scan diff

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Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 241 vom 15. Oktober 1931. S.

deutshen Wirtschaft zu verringern (Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten), die Ausgaben der öffentlihen Hand he:abzuseßen und die mit Fehlinvestitionen von Kapital verbundenen Gefahren für die Zukunft einzushränken, (Sehr wahr! im Zentrum.) Die Schwierigkeiten, in denen sich Deutschland durch Krieg, Jnflation und Reparationslasten befand, haben dazu geführt, daß die großen Unternehmungen vielsach durch ausländische Kredite eine sehr starke Expansion betreiben konnten, während Mittelstand, kleinere und mittlere Fndustrie in ihren Betätigungs- und Entfaltungs- möglichkeiten demgegenüber zurüdckgeblieben sind. (Sehr richtig! in der Mitte.) Eine in vieler Hinsicht ungesunde Entwicklung ist die Folge. (Zustimmung in der Mitte. Rufe von den Kom- munisten.) Die Kreditpflege gerade für Mittelstand, kleinere und mittlere Jndustrie muß auch bei der Bankenpolitik in der Zu- kunft eine der wichtigsten Aufgaben sein. (Bravo! im Zentrum.) Landwirtschaft, Grundbesiy und Fndustrie leiden unter zu hohen Zinësätßen. (Sehr richtig!-in der Mitte und reh:s.) Fhre Senkung ist ein anderes unerläßlihes Mittel zur Herabseßung der Pro- duktionsfosten, wenn wir niht zu einer völligen Shrumpfung der deutshen Wirtschaft kommen sollen. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Nur in diesem Gesamtrahmen wird es möglih sein, zu ver- hindern, daß das deutsche Volk an der Sozialpolitik überhaupt irre wird und im Vergleich zu den leßten Jahrzehnten gegenüber den in schwieriger Lage bewährten und unentbehrlihen Einrichtungen in eine entgegengeseßte Denkrichtung verfällt. (Zuruse von den Kommunisten.) Die Sogialpolitik muß derart gestaltet und ge- handhabt werden, daß sie sich den finanziellen und wirtschaft- lihen Notwendigkeiten einfügt. Dabei kann an dem verfassungs- mäßig vevrbrieften Mitbestimmungsreht der Avbeitnehmerschaft nicht vorbeigegangen werden, (Lachen und Rufe bei den Kom- munisten: Aha!) Lebhafte Zustimmung in der Mitte, Er- neute Zurufe von den Kommunisten. Glocke des Präsidenten.) Vor allem gilt das auch für den Tarifgedanken, der als solcher gesund ist und erhalten werden muß (Unruhe bei den Kommu- nisten), aber größerer Elastizität in der Handhabung bedarf. Die Tarife müssen veränderten Verhältnissen s{chneller angepaßt werden. (Lachen und Rufe bei den Konmunisten: Aha!) Der Grundgedanke einer guten Sogialpolitik muß gerade in der gegen- wärtigen Notzeit Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Pflicht er- kennen lassen, ihre Angelegenheiten gemeinsam unter möglichst eigener Verantwortung und unter möglichst geringer Einmischung des Staates zu regeln, (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

Mit einer solchen Politik muß Hand in Hand gehen die Be- handlung der Kartellfrage, da die Preisgestaltung den wechselnden wirtschaftlihen Bedingungen und derx gesunkenen Kaufkraft im Julande s{chnell angepaßt werden muß. (Wiederholte Zu- rufe von den Kommunisten. Glocke des Präsi- denten.) Prôsident Löbe: Herr Abgeordneter Rädel, ih bitte um Ruhe.) Eine Verzinsung und Tilgung der kommerziellen Schulden des deutshen Volkes ist nicht mögli, wenn den deut- [hen Waren die Weltmärkte in fortshreitendem Maße gesperrt werden. Diese vielfach befolgte Politik führt zu einer Zerrüttung der Weltwirtschaft, an deren Ende die völlige Verarmung aller Völker stehen wird, (Zuruf von den Kommunisten: Dex Kommu- nismus! Die Revolution!) Die Reichsregierung ist gewillt, alle Schritte zu tun, um einer solchen Politik zu begegnen.

Ebenso klar ist sie sich allerdings darüber, daß die Bedeutung des Binnenmarktes in der kommenden Zeit stärker in den Vorder- grund treten wird. Diesem Ziele dienen auch die Pläne einer erweiterten und beshleunigten Siedlung auf dem Lande und den Vorfeld der Stöd!e (sehr gut! in der Mitte; Lachen bei den Kom- munisten), die gleichzeitig eine seelische Entlastung von dem Druck der Arbeitslosigkeit bringen soll. (Erneutes lautes Lachen bei den Konrmunisten.)

Alle im Juland vorhandenen Produktionsmöglichkeiten müssen bis auf das leßte ausgenußt werden, zumal die Notwendigkeit besteht, mit den vorhandenen und anfallenden Devisenbeständen sparsam zu wrirtschaften. (Zurufe von den Kommunisten.) Ein- schränkungen der Einfuhr werdea im wesentlihen dort erfolgen müssen, wo die heimishe Produktion, insbesondere die Landwirt- haft, die vorliegenden Bedürfnisse ausreihend und zu ange- messenen Preise decken kann. (Sehr gut! in der Mitte und rechts. -=— Zurufe von den Koninmunisten.) Damit entspricht die Reichs- regierung nur den Mahnungen der Baseler Sachverständigen. (Zurufe von den Kommunisten: Das ist überhaupt ihre eingige Tätigkeit! Lachen und Zurufe von den Sozialdemokraten zu den Komumuanisten.)

Der Weg, den das deutsche Volk zu gehen hat, ist uns klar dorgezeihnet. Er ist hart und s{chwer; aber auch keinem anderen Volke bleiben harte Maßnahmen erspart bis zu dem Tage, an

dem die Not die Völker der Welt zu einheitlihen Maßnahmen

gezwungen hat. (Zurufe von den Kommunisten.) Der Weg kann nur zu Ende gegangen werden, wenn unser- Volk die Ueber- zeugung hat, daß Lasten gleihmäßig verteilt und Gerechtigkeit und Verantwortungsbewußtsein überall wiederhergestellt sind. (Sehr gut! in der Mitte. Zurufe von den Kommunisten.) Das deutshe Volk hat im instinktiven Bewußtsein, daß ein klarer, ehrliher, wenn au dorniger Weg zum Erfolge und zur Freiheit führen kann, bislang die shwersten Opfer ertragen. Es hat gerade in den Wochen der Bankenkrise sich dadurch eine Achtung in der Welt erobert, die in der Außenpoliti? ein wertvolles Akti- vum darstellt. (Bravo! im Zentrum.)

Gerade weil das deutsche Volk, wenn es Gerehtigkeit, Ziel- flarheit und Hoffnung auf einen Enderfolg sieht, zu den shwersten Opfern befähigt ist, ist es Pflicht der Reichsregierung, dafür zu sorgen, daß alle Versuche der Ausnubung der Notlage des Staates und der Wirtschaft durch unwahrhafte Agitation verhindert wer- den. (Lebhaftes Bravo bei den Sozialdemokraten, in der Mitte und rets.) Die Oeffentlichkeit muß die Gewißheit haben, daß Auswüchsen des politishen Kampfes mit aller Entschiedenheit entgegengetreten wird, (lebhaftes Bravo in der Mitte) und daß der Staat entschlossen ist, die Grundlagen der Ruhe und Ordnung im Zusammenleben sicherzustellen. (Erneutes lebhaftes Bravo.) Aus diesem Grunde sind durch mehrere Notverordnungen eine Reihe von scharfen Maßnahmen getroffen, die dem arbeitsamen und ovdnungliebenden deutschen Volke die Gewißheit geben sollen,

daß die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit auch für die Zukunft gewährleistet ist. (Laute Zurufe von den Kommunisten.)

Die Reichsregierung i} sich bewußt, daß Notverordnungen und polizeilihe Maßnahmen allein niht ausreichen, sondern nur den Weg frei machen“ können. Sie bedurfte bei ihrer Arbeit der hingebenden Mitarbeit eines unter Opfern und ershwerenden Umständen pflihttreu bis zum äußersten tätigen Berufsbeamten- tums. (Beifall in der Mitte.)

Entscheidend im ganzen ist der rihtunggebende ethishe Wille, der Wille zur nationalen Selbstbehauptung, zur Freiheit, aber auch zur Selbstzucht und zum Opfer für das Vaterland. (Leb- haster Beifall in der Mitte.) Diesen Willen in unserem Volke und insbesondere in unserer Jugend zu weden, sieht die Reichs- regierung als ihre wihtigste Aufgabe an. (Sehr gut! im Zen- trum.) Das Volk und vor allem die Jugend muß vor den Ein- flüssen der Zersezung geshüßt und vom Geiste der Vaterlands- liebe und Opferwilligkeit erfüllt werden. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.) Die Reichsregierung wird alle Kraft in den Dienst dieser ihrer vornehmsten Aufgabe zur Rettung des Vaterlandes stellen. (Lebhafter Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, nah dem Verlesen der Regierungserklärung einige Bemerkungen über die vergangenen Monate hinzuzufügen. Jch glaube, ih bin es dem hohen Hause schuldig; über einige Vorgänge der leßten Monate Aufklärung zu geben.

Sie wissen alle, meine Damen und Herren, daß die Krise, in der sich Deutschland seit längerer Zeit befindet, durch eine Reihe von Umständen, die zum Teil vorauszusehen waren, zum Teil unerwartet gekommen sind, sich im Laufe des vergangenen Monats zum äußersten vershärft und mit dazu beigetragen hat, daß Entwicklungen einer Weltkrise ohnegleihen zu einem Zu- stande geführt haben, wie ihn die moderne Geschichte der Wirt- haft noch nicht gekannt hat. (Sehr wahr! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. Fortgeseßte Zurufe bei den Kommu- nisten. Glocke.)

Meine Damen und Herren! Jch kann mit Befriedigung fest- stellen, daß jeßt au niht mehr aus den Kreisen der Rechts- opposition, wie es in den vergangenen Monaten und im ver- gangenen Jahre geschehen ist, die Tatsache einer bestehenden Weltkrise abgeleugnet wird. (Sehr gut! im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) Das ist immerhin ein eïhebliher Fort- {hriti! (Erneute Zurufe: Sehr gut!) Die Dinge sind in der Erkenntnis des deutshen Volkes so weit vorgeschritten, daß man mit diesen Formen der Agitation, die man gegen die Reichs- regierung glaubte noch bis zum Sommer anwenden zu können, keinen Erfolg mehr haben zu können glaubt. (Séhr wahr! Sehr gut! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten.)

Meine Damen und Herren, wenn irgend etwas diesen Teil und diese Phase einer rücksichtslosen Agitation zugrunde gerichtet hat, dann sind es die Tatsachen und die Entwicklungen des ver- gangenen Sommers, (sehr richtig! in der Mitte) und wenn wir bei unseren Etatberehnungen und bei unseren Begründungen unserer Gesamtpolitik im vergangenen Winter und noch im Früh- jahr verspottet worden sind, so kann ih heute feststellen, daß mit uns ein großer Teil, die Mehrheit des deutshen Volkes (Lachen bei den Kommunisten) klar exkennt und instinktiv fühlt, daß nicht nux Deutschland, sondern die Welt an einer Entwicklung und vor einem Gesehen ohnegleihen steht. (Lebhafter Beifall in der Mitte. Zurufe von den Kommunisten. Glocke des Präsi- denten.)

Meine Damen und Herren! Außergewöhnliche Situationen machen außergewöhnlihe Maßnahmen notwendig. (Zuruf von den Kommunisten: Das haben Sie von Severing gelerni! Das haben wix shon gemerkt!) Heute haben nahezu alle Nationen der Welt den gleihen Weg beschritten, den wir in den ver- gangenen 114 Jahren gegangen sind. (Zuruf von den Kommu- nisten: Mit einer Ausnahme!) Ja, mit einem einzigen Unter- schied: wir sind diejenigen, meine Herren, die zuerst den Weg zurück von einer Ueberspizung einer künstlichen Gestaltung der Wirtschaft gefunden haben. (Sehr gut! im Zentrum.) Wir sind in den harten Maßnahmen anderen Nationen einige Monate vor- ausgegangen. Wir haben uns eher unpopulär gemacht, als es andere Regierungen haben tun müssen, (Sehr wahr! im Zentrum. Jronisches Bravo, Lachen und Zurufe bei den Kommunisten. Glocke des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, wenn wix das getan haben, so beweist auch die Entwicklung in anderen Ländern, daß wir in der shrittweisen Anpassung unseres öffentlihen und privaten Lebens an die Notwendigkeiten der Krise den rihtigeren Weg gegangen sind, als wenn wir radikale Schritte auf einmal getan hätten. (Sehr richtig! im Zentrum. Aha! bei den Kommunisten.) Die Beispiele der Vergangenheit beweisen es, daß man den ungeheuren Druck, den die Weltkrise auf alle einzelnen Bedingungen des Wiri- schafts- und Soziallebens und des politishen Lebens ausübt, nur dann durchhalten kann, wenn man zwar nah einem wohlüber- legten Plan, aber schrittweise den Weg zur Heilung einschlägt. (Zuruf von den Kommunisten: Diktatur!) Man kann uns darüber Vorwürfe machen, meine Damen und Herren, und ih höre ja jeden Augenblick das Wort was ih persönlih nicht tragisch nehme —, daß ih ein Zögerer sei. Aber ih glaube, wer die Dinge in der Welt in den vergangenen Monaten eingehend durchstudiert hat, der wivd zu dem Ergebnis kommen, daß nicht das, was im Augenblick die Nerven eines Volkes verlangen, das Richtige ist, sondern daß man sih nie von einem klaren und über- legten Weg abdrängen lassen darf, von einem Pkan, der jede Maß- nahme der Fnnenpolitik jederzeit überlegt in den jeweiligen Gang und in die jeweilige Phase der Außenpolitik hineinstellt. (Leb- hafier Beifall im Zentrum und bei den Christlih-Sozialen.) Wenn ich dem Drängen im vergangenen Sommer gefolgt wäre, daß ih einen Zahlungs8aufshub hätte erklären sollen wo wären wir heute in den Außenpolitik? (Lebhafter Beifall.) Jch habe damals erklärt: wenn der Reichstag das von mir in einem aus inner- politisch gewählten Zeitpunkt verlangt, dann werde ih noch an demselben Tag demissionieren. Fch lasse mih lieber als Vater- landsverräter oder in anderer Form jeden Tag beschimpfen, als nur einen Augenblick die Nerven zu verlieren und von dem Weg, den ih mir vorgenommen habe, abzuweichen. (Stürmischer Bei-

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lih-Sozialen Volksdienst. Zurufe von den Kommun1sten: Sie haben ja gar keinen Weg!) Jh habe gute, größere Vorbilder in der Geschichte des preußishen und deutschen Volks. (Zurufe pon den Kommunisten: Kerenski!) Auch damals sind dèze Männer, die die Nerven nicht verloren haben und die den Mut gchabt haben, eine unpopuläre Politik zu betreiben, aufs äußerste vers leumdet und verspottet worden. Nachher, wenn die Dinge gut gegangen sind, dann werden diese Persönlichkeiten als Monopol für die nationale Gesinnung monopolisieri. (Stürmischer Bei- fall.) Die nationale Gesinnung, meine Damen und Herren, besteht für einen verantwortlihen Politiker darin, daß er jederzeit bereit ist, jede Unpopularität, jede Verleumdung, jeden Haßausbruch zu vertragen (Zuruf von den Kommunisten), nur eins nicht: einen Weg zu gehen, der im Augenblick populäre Erfolge haben kann, der aber in eine Sacgasse und in die Vernichtung hineinführt. (Bravo! in der Mitte. Andauernde Zurufe von den Kommu- nisten. Glocke des Präsidenten.) Fn einer Zeit, in der die wirtschaftlihen Grundlagen in der ganzen Welt wanken, in einer Zeit, wo kein Notenbankpräsident und kein Finanzminister der Welt einen Zeitraum über einen Monat sicher überblicken kann (Zuruf von den Kommunisten), in einer solhen Zeit, wo unter Umständen täglich neue Maßnahmen getroffen werden müssen, da gäbe es allerdings eine zweckmäßige politishe Lösung vor allem in Deutschland, das am schwersten unter den Verhältnissen leidet, das wäre eine Regierung aller verantwortungsvollen und ver- antwortungsbereiten Parteien. (Bravo! in der Mitte. Zurufe von den Kommunisten.) Von ganzem Herzen würde ih einen solchen Fdeal nahgehen, jeden Augenblick auf mich selbst hier an dieser Stelle zu verzihten. Jh würde bereit sein, jedes, au das kleinste und niedrigste Amt und den kleinsten und niedrigsten Dienst für eine solhe Regierung zu übernehmen. (Zurufe von den Kommunisten.) Aber alle Fühlungnahmen, die ih in den vergangenen Wochen und Monaten vorgenommen habe, haben er- geben, daß ein Zusammenfinden der Parteien, die für eine solche Regierung noiwendig sind, in Deutschland leider ausgeschlossen ist. (Hört, hört! in der Mitte.) Fn der shwersten und s{hicksals- reichsten Stunde des deutshen Volkes gehen die Tendenzen leider darauf hinaus, lieber sich auseinanderzureißen, shärfste Fronten gegeneinander aufzurihten (sehr wahr! in dex Mitte Zuruf von den Kommunisten), als sich zusammenzufinden in der ein- fachen und simplen Pflichterfüllung für das ganze deutshe Volk. (Stürmischer Beifall.)

Deswegen, meine Damen und Herren, habe ih mich ent- shlossen, weil ih zur Erkenntnis kam, daß kein anderer Weg möglich sein würde (Zuruf von den Kommunisten), eine Regie- rung zu bilden, die noch unabhängiger von den Parteien ist, als es das vorhergehende Kabinett gewesen ist. Jch glaubte, dem deutshen Volke einen Dienst zu tun (Lachen bei den Konimu- nisten), nahdem ein großer Zusammenshluß der Parteien nicht möglich ist, wenn ih wenigstens das eine Ziel verfolgte, daß diese Regierung, die hier vor Jhnen steht, keine Rücksicht auf irgend- eine Partei in dem Sinne zu nehmen hat, daß sie parteigebundene und an einzelne Fraktionsbeshlüsse gebundene Minister im Ka- binett hat.

Jh habe auch den Vorwurf beseitigt, der überall erhoben worden ist, als ob zu viele Mitglieder meiner Partei in der Regierung vertreten seien. Jh habe das shwersten Herzens getan; denn ih verdanke diesen Männern sehr viel (bravo! im Zentrum) und habe auf das treueste und freundschaftlihste mit ihnen zusammen gearbeitet. (Bravo! im Zentrunt.)

Aber, wenn diese Regierung, die vor JFhnen steht, die Be- dingungen erfüllt, die ih einex Reichsregierung in dieser Stunde unbedingt glaubte stellen zu müssen, dann mache ih darauf auf- merksam, daß die Formen des Kampfes, toie ex vielfah jeßt hon wieder gegen das neue Kabinett geführt worden ist ih erinnere an gewisse Aussprüche, die auf einer Tagung am ver- gangenen Sonntag gefallen sind —, niht dazu dienen, auch einer etwa kommenden Reichsregierung überhaupt die Chancen eines Erfolgs zu sihern. (Sehr richtig! in der Mitte.) Wenn man in Panikstimmung macht über die Lage der Deutshen Reichsbank, dann zerstört man auch {hon die Grundlagen einer späteren Regierung. (Bravo! und Händeklatshen im Zentrum.) Wir haben aichis zu verbergen; die Ausweise der Reichsbank sind klar vor der ganzen Welt. Federmann weiß, in welher Form wir die Darraibank und die Dresdner Bank gestüßt haben. (Leb- hafte Zurufe von den Kommunisten.) Jh habe erste ausländische Sachverständige hinzugezogen, erste Bankfachleute der ganzen We!t, um zu diesen Ergebnissen zu kommen, und das sollte eigent- lich vielen auch von denen, die in Harzburg gewesen sind, genügen; denn ih weiß, daß sie auf das Urteil diesex Sachver- ständigen in der Vergangenheit siherlih sehr viel gegeben haben, (Hört, hört! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. Zu- rufe von den Kommunisten.) Eine Opposition kann so scharf sein gegen eine Regierung, wie sie will, aber es gibt Grenzen, und ih muß mich nicht etwa gegen einzelne Ausdrücke wenden, die in Harzburg gefallen sind, sondern muß mich als verantwortlicher Politiker dagegen wenden, daß Stimmungen geschaffen. werden, die den Glauben des deutshen Volkes an seine Währung .r- shüttern können. (Sehr wahr! in der Mitte und bei den Sozial- demokraten.) Gewiß, es locken Sirenentöne. (Sehr wahr! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten.) Für eine Reichs- regierung, die etwa die Mark an das Pfund angehängt hätte, wären Notverorduungen in Zukunft überflüssig gewesen. (Sehr wahr! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. Zuruf von von den Kommunisten: Also an den Sowjetrubel! Große Heiterkeit. Lebhafte Zurufe. Glocke des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, daß die Stabilität der Reichs- mark von dieser Regierung niht aufgegeben werden konnte, das dürfte jedem klar sein, der sich über die Maßnahmen der Reichs- regierung in der Vergangenheit ein systematishes Bild gu machen vermocht hat, muß ih allerdings hinzufügen. (Se*r wahr! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten.)

Als ih ungewollt in s{hwerer Stunde diese Aufgabe über- nommen habe, da bin ih mir der Konsequenzen bis zum leßten klar gewesen, und ih habe einem großen ausländishen Bank- fahmann, der mich vor der Situätion warnte, damals gesagt! Jch weiß, daß ih eine Situation übernehme, die zu 90 Prozent

fall im Zentrum, bei den Deutshen Demokraten und beim Christ-

verloren ist. (Zurufe von den Kommunisten.) Es ist nicht

Neichs- und Staatsanzz:iger Nr. 241 vom 15, Oktober 1931.

Schuld des Kabinetis Hermann Müller, des vorhergehenden Kabinetts, daß diese Situation so gewesen ist, sondern es liegt an den Fehlern, die insgesamt die öffentlihe Hand und ein Teil der privaten Wirtshaft in den vergangenen sechs Fahren gemacht haben. (Sehr richtig! in der Mitte.) Es ist eine Kreditinflation aus dem Ausland eingetreten, die den ge- sunden Menschenverstand vernebelt und die einen Schleier über alle Dinge verbreitet hat (sehr wahr! in der Mitte), die ein Anwachsen der öffentlihen und privaten Ausgaben herbeigeführt hat, von der das deutshe Volk unter allen Umständen wieder heruntergebraht werden mußte. (Abg. Dr. Quaäh: Er hat sich in der Drucksache versehen!) Entschuldigen Sie, Herr Kollege Quaay, vielleiht wissen Sie auch. aus Gesprächen, daß ih diese Dinge früher viel deutliher vorhergesagt habe, und wenn Sie, Herr Kollege Quaab, mir 1927 etwas mehr geholfen hätten, dann wären die Ueberstiegenheiten in der Beamtenbesoldungs- reform nicht gekommen. (Hört, hört! undBravo! bei den Sozial- demokraten. Zuruf von den Deutschnationalen: Da war doch Herr Köhler Finanzminister!) Drei von Fhren- Ministern saßen damals in dem Kabinett, die alle Chancen hatten. (Sehr richtig! in der Mitte. Zuruf von den Kommunisten.) Nein, die sind durhaus einverstanden mit dieser Bemerkung; denn wenn man die Dinge damals nicht übersteigert hätte, hätte man in der Zwischenzeit nicht soweit zurückzugehen brauchen.

Die Dinge, die sih aus den Fehlern der vergangenen Fahre insgesamt ergeben hatten, waren, was die öffentliche Hand angeht, schon in dem vergangenen Fahre zu einem großen Teil zu redressieren, Aber Fehler, die in der gleihen Zeit in der Privai- wirtschaft begangen sind, sind allerdings in voller Tragweite erst in-den vergangenen Monaten zum Durchbruch gekommen. (Sehr rihtig! im Zentrum.) Wir haben shon im vergangenen Sommer große Besorgnisse gehabt, und das hohe Haus wird sich erinnern, daß ih von dieser Stelle und anderswo davor gewarnt habe, die politishe Agitation und den politishen Kampf niht zu über- spiyen und eine verworrene politishe Lage herbeizuführen, weil dann etwas Fürchterliches geschehen könnte. Einer der Herren, die in Harzburg gewesen sind, hat es ja ebenso früh und früher schon ausgesprochen, daß wir eine Wirtschaft aufgebaut haben, die zu einem großen Teil auf geborgten und leider kurzfristig ge- borgten Geldern beruhte.

Deswegen konnte auch der Weg in der Reparationsfrage nicht der sein, den weite Kreise des deutshen Volkes sich erträumten. Ein frontaler Angriff in der Reparationsfrage, wenn ihn etiva eine ‘andersgerihtete Regierung gemacht hätte, würde eine Situation in der Wirtschaft und in der Außenpolitik herbeigeführt haben, die eine ganz andere Katastrophe zur Folge gehabt hätte als die Dinge, die im Funi, Fuli und August dieses Fahres ein- getreten sind, (Sehr wahr! in der Mitte.) Fh darf eins hingu- fügen: ih habe eine besonders große Sorge in den Tagen gehabt, wo wir die Banken stüßen mußten, und wo wir den Umfang unserer Hilfe für einzelne wirtschaftliche Unternehmungen sehr viel weiter ausdehnen mußten, als uns lieb und als öffentlih be- kanut ist. (Hört, hört! bei den Kommaunisten.) Fn diesen Tagen bin ih zu dem Ergebnis gekommen, daß eines wiederhergestellt wird: gesunde Prinzipien in der Privatwirtschaft, vox allem auch in manchen großen Gesellschaften (sehx wahr! links und im Zentrum); nicht als ob ich das irgendwie verallgemeinern wollte, Wir haben heute in Deutschland große und kleine Unternehmungen, die in den vergangenen Fahren in geradezu mustergültiger Art und Weise geleitet worden sind, aber wir haben daneben auch Er- sheimungen wie Favag und Nordwolle, die geeignet sind, unseren Kredit und den Kredit des ehrlichen deutschen Kaufmanns in der ganzen Welt zu erschüttern. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und links.) Destvegen toar die Reichsregierung entschlossen, unter allen Umständen Maßnahmen zu treffen, daß für die Zukunft solche Entwicklungen unmöglich sind. Daher die schnelle Bearbeitung des Aktienrehts, die Bankenaufsicht und eine Reihe damit verbundener Maßnahmen. Jh weiß, daß ih mix durch diese Dinge vielfach aus Mißverständnis sehr starke Feindschaft in der Wirtschaft zugezogen habe. Aber vergessen Sie eines niht: in Augenblicken, wo ein Staat für die private Wirtschaft so weitgehende Stüßungen unter- nehmen muß, kommt im Volke die bange Frage auf: Ft das privat- wirtschaftliche System noch zu halten? Dann ist es die erste Auf- gabe der Reg erung, durch geseßgeberische Maßnahmen dafüx zu sorgen, daß im Volke die Zuversiht gewonnen wird, daß Fehler, die hiex und da bei privatwirtschaftlihen Unternehmungen vor- gekommen sind, füx die Zukunft ausgeschlossen bleiben; und ih glaube, dem Gedanken der Privatwirtschaft dadurch außerordentlih gedient zu haben. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum.)

Jm übrigen ist es natürlich leiht, mih etwa ausgerechnet noh für die Bankenkrise verantwortlih zu machen, wie das in Reden und in Zeitungen der Rechten häufig geschieht. Fa, meine Herren, seien Sie doch in dem Punkte etwas vorsichtiger, sonst zwingen Sie mich, eines Tages hiex von der Tribüne einmal ganz deutlih zu werden. (Lebhafter Beifall in der Mitte und links. Rufe von den Sozialdemokraten: Heraus damit! Glocke,) Man wird ja sehr gespannt sein, wie sih die Nationalsozialistishe Partei etwa bei der Abstimmung über die Notverordnung über Aktienrehts- reform oder beider Abstimmung über die Notverordung über die Kürzung der großen Pensionen verhalten wird. (Sehr gut! in der Mitte und links.) Dadurh wird vieles klar werden.

Jch darf hinzufügen, daß die Angriffe, die gegen die Wirtschaft und gegen die Art der Führung der Banken früher von dieser (nah rechts) und manchmal von anderer Seite erhoben worden siwd, nah meiner Prüfung der Dinge nur zu einem ‘geringen Teil be- rechtigt sind. Jch glaube, diese Feststellung der Ehre der Führung der deutschen Banken shuldig zu sein. Wenn von allen Seiten ein Run auf die kurzsristigen, vom Ausland gegebenen Gelder entsteht, so hat die Entwicklung inzwischen gezeigt, daß einer solhen Situa-

“tion feine Bank und keine Notenbank leßten Endes gewachsen ist.

(Zustimmung in der Mitte.) Jh muß gerade im Jnteresse dessen, was ih für die Zukunft für richtig halte, aus]prechen, daß in den Banken, die besonders starken Angriffen ausgeseßt gewesen sind, die Leistung zur Zurückbezahlung kurzfristiger Guthaben in- den Wochen vor Schaltershluß eine ganz außerordentliche gewesen ist. Es ist kein Gruid, etwa zu glauben, daß an sih das System unserer deutschen Banken von Grund aus irgendwie verkehrt sei.

Dasselbe muß ich auf den weitaus größten Teil der deutschen Wirtschaft ausdehnen, und Sie werden mit mir alle der Meinung sein, daß es allerdings für die Wirtschaft sehr viel leihter wäre, auch in den breiten Massen des Volkes Verständnis für ihre shwierige Lage zu shaffen, wenn die Form der Darstellung ihrer Zuteressen und ihrer Lage manchmal eine etwas geschicktere ge- wesen wäre. (Zustimmung in der Mitte, Lachen und Zurufe von den Kommunisten.) Das deutsche Volk und der deutshe Arbeiter sind niht so veranlagt, daß sie sih, mit wenigen Ausnahmen, einer Erkenntnis einer wirklihen ernsten Lage ver- shließen. Das beweist die Tatsache, daß wir Löhne seit einem Jahre in großem Umfange auf der ganzen Linie gesenkt haben, ohne daß es irgendwie zu einem nennenswerten Streik gekommen ist. Aber eines ist sicher, nämli, daß wir über die Shwierig- keiten, die der Wirtschaft noch bevorstehen werden, unter keinen Umständen restlos hinwegkommen werden, wenn man von “eiu- zelnen ganz kleinen Teilen der Wirtschaft glaubt, alle Dinge, alle Lösungen und alle Schwierigkeiten ausshließlich immer nur auf weitere Lohnsentung abschieben zu können. (Zustimmung in der Mitte.) Der Arbeiter. sieht in shwierigen Zeiten durhaus ein, was notwendig ist. Aber man kann es ihm nicht beibringen, wenn man damit von vornherein Auffassungen und Agitations- parolen verbindet, die die gesamte deutshe Arbeiterschaft zwangs- läufig in eine Einheitsfront bringen müssen. (Sehr wahr! in der Mitte. Lärm und laute Zurufe von den Kommunisten.) Fn jeder entsckdeidenden Stunde unseres Vaterlandes sind immer große Männer aus der Wirtschaft aufgestanden und haben niht den Ge- danken des Kampfes zwishen Arbeitgeber und Arbeitnehmer pro- pcgiert, sondern sie haben den Gedanken der Arbeitsgemeinschast zwishen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gepredigt, und das ist die Rettung gewesen. Die Reichsregierung hofft, durch die Ge- staliung des Wirtschaftsbeirates der Reichsregierung eine Form zu finden, um dur eine vertrauensvolle Aussprache beider Teile Lösungen zu finden, die notwendig und leßten Endes beiden Teilen nüßlich sind.

Dann muß der Weg gemeinsam weitergegangen werden. Jh habe wiederholt ausgesprochen, daß der Weg, den die Reichs- regierung geht, der Weg der Anerkennung der Wirklichkeit ist. Ex ist damit allerdings der Weg des größten Widerstandes. Weil wir in den vergangenen Jahren vielfach vielleiht alle zusammen es in manchen Augenblicken vorgezogen haben, den Weg des ge- ringsten Widerstandes zu gehen, deshalb müssen wir heute so viel Hartes und Schwieriges dem deutschen Volke auferlegen. Aber es hilft nihts, dieser Weg muß fortgeseßt werden. Heute, glaube ih, ist die Situation in der Welt so reif, daß ich nicht mehr zu sagen hätte, daß ih vor einex Aufgabe stehe, die zu 90 vH ver- loren ist. Heute glaube ih so optimistish sein zu können, daß ih sage, daß die Chance schon 50 zu 50 geworden ist. (Bravo! im Zentrum. Lachen bei den Kommunisten.) Meine Herren, mögen Sie darüber lachen, das hilft Jhnen gar nichts. Es gibt feine Wunderlösungen, es gibt keine Patentlösungen, es gibt nur einen steinigen Weg, der mutig und schrittweise planvoll zurück- gelegt werden muß. Mir sind gerade Zahlen in die Hand ge- geben worden. Wenn wix einmal, was die Landwirtschaft an- geht, die Arbeit der Reichsregierung in den vergangenen Jahren überblicken, so darf ih nur eine Zahl nennen. Jm Fahre 1929 haben wir noch für 3,6 Milliarden Reichsmark agrarisher Pro- dukte importiert, 1930 2,7 und nah den Ergebnissen der ersten aht Monate dieses Jahres in diesem Jahre shäßungsweise nur noch für 1,1 Milliarden Reihsmark. (Unruhe bei den Kommus- nisten.) Wir sind also unter die Hälfte des Jahres 1929 ge- kommen. Und daß das alles nicht so falsch gewesen ist, beweist ja au die Tatsache, daß selbst im Augenblick der shwersten Krise die Arbeitslosigkeit in den vergangenen vier Wochen niht in einem solhen Umfang gestiegen ist, wie wir ihn uns ursprünglich nah derx ganzen Weltsituation selbst berehnet hatten.

Deswegen, so sehr ih wünschte, daß hier in Deutschland eine Möglichkeit wäre, daß sich einmal nur für wenige Monate, die noch bis zu einer notwendigen internationalen Lösung bleiben, die allein die Beruhigung in der Welt und die Grundlagen für den Wiederaufstieg bringen kann, die- Parteien zusammenfinden, kann ih nur sagen, wenn eine solhe Zusammenfassung nit möglich ist, daß diese Reichsregierung entschlossen ist, ihre Politik fortzusezen. Sie bemüht sich niht, mehr zu verteidigen, wie sie sie in den Wintermonaten verteidigen mußte: sie braucht niht mehr sagen, daß sie bislang keine sihtbaren Erfolge in der Außenpolitik und auf manchen anderen Gebieten habe, sondern heute kann sie sagen, daß der Weg frei ist, und daß auch der fommende schwere Winter unter allen Umständen überstanden werden kann. Denn die deutshe Wirtschaft ist in ihrem Pro- duktions8apparat gesund. Nahrungsmittel haben wir genug im eigenen Volke. (Große Unruhe bei den Kommunisten.) Wir haben troy aller Schwierigkeiten für die Finanzen von Reich, Ländern und Gemeinden für de Winter Vorsorge getroffen, und es müßte merkwürdig zugehen wenn das deutshe Volk einen Lebenswillen und einen politishen Fustinkt hat —, wenn wir nicht auch über diesen Winter hinwegkommen würden, und wenn wir richt ruhig und entschlossen die Dinge bis zu dem Augenblick forttragen würden, wo dur eine internationale Zu- sammenarbeit das kommt, was kommen muß, wenn nicht die ganze Welt in unendlihe Not und Armut versinken will.

Meine Damen und Herren! Jch lasse mich durhch Kritiken, durch Angriffe, durch Verleumdungen nicht beirren. Jh stehe vor Jhnen, ih habe Jhnen meine Politik gesagt. Sie, die Par- teien und jeder einzelne von Jhnen, tragen die Verantwortung für das, was kommen wird. (Beifall im Zentrum, bei der Deut- hen Staatspartei und den Christlih-Sozialen. Unruhe bei den Kommunisten. Abgeordneter Grube: Das Vaterland der Arbeiter, die Sowjetunion, lebe hoh! Die kommunistishen Ab- geovdneten stimmen in den Ruf ein.)

54. Sibung am 14. Oktober.

(Bericht d. Nachrichtenbüros d Vereins deutscher Zeitungsverleger *.)

Am Regierungstish Reichskanzler Dr. Brüning und die übrigen Kabinettsmitglieder.

*) Mit Ausnahme der pee hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

' Neuwahlen zu Unruhen ausnußen und das Wirts

Von den Nationalsozialisten und Deutschnationalen ist u Beginn der Sißung wieder nur ein kleinerer Teil im aal erschienen,

Präsident L ö b e eröffnet die Sißung um 12 Uhr.

__ Das Haus beginnt die Aussprache über die Res- gierungserklärung, mit der die Mißtrauens- anträge der Rechten und der Kommunisten p rund 150 weitere Anträge auf Aenderun

er Notverordnung und Maßnahmen ant allen Gebieten des politischen und wirt- shaftlihen Lebens verbunden Ind

Als3 Abg. Dr. Breit scheid (Soz.) als- erster Redner das Wort erhält, Derionen die anwesenden Deutschnationalen und Nationalsozialisten bis auf 3 deutshnationale Abgeordnete den Saal. Dr. Breitscheid weist darauf fin daß die Zeit der Reihs- tagsvertagung mit Ereignissen ern Ee Natur bejonders für Deutschland angefüllt war. Daß diejes deuts Volk in alien seinen Schichten aufgewühlt sei und daß Unsicherheit und Nervosität die Kennzeichen der gegenwärtigen Lage seien, brauche niht näher ausgefübrt zu werden. Wir haben das Auf und Ab des Schicksals der deutsh-österreihishen Zollunion erlebt, Wir haben aus dem Ergebnis die Lehre ziehen müssen, daß es in der Außenpolitik nicht allein darauf ankommt, daß man das formellé Recht auf seiner Seite zu haben glaubt, sondern daß es ankommt auf die psychologishen Wirkungen bei der Vertretung dieses formalen Rechts, daß man den Rechtsstandpunkt nicht über- shäben darf, sondern seine Wirkungen abzushäßen hat. Minister Dr. Curtius ist wegen des Schicksals der Zollunion in die Wüste geshickt worden. Es muß aber gesagt werden, daß sowohl für den

eginn wie für das Ende dieser Aktion das Gesamtkabinett die Verantwortung zu tragen hat. Die wichtigeren Vorgänge dieses Sommers haben sich auf wirtshastlihem Gebiet abgespielt, be- mens mit den furchtbaren Devisenabzügen, mit der Flucht aus er Mark, der Kapitaklflucht guter Patrioten aus Deutschland. Diese Dinge haben gezeigt, wie sehr wir daran interessiert sind, daß das Ausland in Biere innere Entwicklung Vertrauen seßt, Das war ang einmcl der Grundsay gewisser Leute, die jeßt in das andere Lager gegangen sind. Jch erinnere an eine Zeit, wo Dr. Schacht in enger Verbindung mit gewissen Personen, deren arishe Abstammung nicht unbedingt nachzuweisen is, immer wieder darauf hingewiesen hat, daß es das Wichtigste sei, die ruhige Entwicklung im Junnern zu garantieren und das gute Verhältnis mit Frankreih aufrecht zu erhalten. (Hört, hört!) Heute hat es Herr Schacht für richtig gehalten, in Harzburg zer- störende Reden zu halten. Der Reichskanzler hat darauf hin- gewiesen, daß die Krisis, in der wir uns befinden, eine Weltkrisis is, Dabei bestreitet niemand, daß bei uns gleihsfalls schwere Fehler gemacht worden sind. Aber ein Blick auf die Welt genügt, um nachzuweisen, daß es nit die Regierung, A System, die Republik oder der Marxismus waren, die die Krisis herbeigeführt haben. Niemand wird behaupten, daß Amerika marxistisch sei, und doch ist dort die Krisis mindestens so schwer wie bei uns. Auch die Reparationszahlungen sind nicht allein {chuld, wenn fie auch den Blutkreislauf gestört haben. Alles muß geschehen, um diesen Reparationszahlungen ein Ende zu bereiten. Aber wenn die Kommunisten beantragen sie haben sich den national» sozialistisden Fargon angewöhnt (Heiterkeit) —, die Tributs zahlungen einzustellen, so würden sie damit nux das Gegenteil er4 reihen. Wir müssen durch Verhandlungen und durch unser Ver- halten die anderen überzeugen, daß diese Zahlungen für uns und für die Gläubiger selbst eine Gefahr bedeuten. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Erkenntnis wächst, daß eine Ver- ständigung auf politishem und wirtschaftlihem Gebiet ns ist. Jch überschäße niht die Kommissionen, die man einsebt, i fürhte, daß sie zu langsam arbeiten. Wir haben in diesen Mos naten erlebt den gewaltigen, das Land ershütternden Zusammen bruch von Banken und Großkonzernen. Was haben wir daraus gelernt? Zunächst ein besseres Verständnis von den Fähigkeitew der großen Wirtschaftsführer. (Heiterkeit und Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Jh hoffe, daß der Reichskanzler seine An- deutungen noch etwas s{chärfer zum Ausdruck bringt. Aber damit kommen wir nicht weiter, wenn wir vom Versagen der Wirtschaft 84 führer sprehen. Für uns ist das, was sih ereignet hat, ein Bes weis für das Versagen der Wirtschaftsordnung. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Man muß dieje Erscheinungen als Symptom eines Wandels, eines Wechsels im privatwirtschaftlichen System betrachten. Die wachsende Not der Erwerhslosen ist auc niht am sih zu betraten, sondern man muß darauf hinweisen, daß unter diesen Millionen sih soundso viele befinden, die seit Jahren ohne Arbeit und daher auch demoralisiert sind. Das Regieren mit Notverordnungen läuft unseren Grundsäßen zuwider. (Lärm bei den Kommunisten.) Fm Prinzip ist das Notverordnen ja gerade in Fhrem (zu den Kommunisten) Sinne. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Aber Vorausseßung für dieses Notver» ordnen isi, daß das Parlament sich seibst N hatiel. Wir haben rechts und links große Parteien, die das Parlament niht wollen, die die Diktatur auf ihre Fahne geschrieben haben. Und so n es die politisée Not, die die Notverordnungen erzwingt. (Zustims- mung.) Jh sehe ganz davor. ab, daß dieses System der Notver- ordnungen gewissen Bürokcaten die Möglichkeit gibt, gew:s\se Lieblingsideen, für die sie im Parlament keine Mehr- eit finden, in die Notverordnungen hineinzustopfen. usshlaggebend ist, dog die Notverordnungen die Möglichkeit geben, die Lasten einseitig auf die Schultern der. Arbeiterbevölke- rung zu wälzen. Auf der anderen Seite in den finanziellen Maß- nahmen zur Erhaltung des Reiches lauter Halbheiten, namentlih bei der Fürstenabfindung und bei den hohen Pensionen. Wenn Brüning übex den Winter hinwegkommen will, dann Ums er zus nächst über gewisse Ben und Shwachheiten hinwegkommen. Wenn wir die Grundidee der Notverordnungen zu erfassen suchen, p ist es die, daß der Versuh gemacht werden sollte, durch Selbsta ostensenkung eine Belebung der Produktion herbeizuführen. Die rage, ob diese Jdee überhaupt richtig ist, ma Gra bleiben, weifellos ist, da n ee bisher nur höchst einseitig durh- geführt worden ijt. (Zustimmung.) Lohnsenkungen und Ver- minderung der ea gewiß, aber keine entsheidende Senkung der Preise. Diese Preissenkung wird verhindert in erster Linie dur die Kartelle und dann dur die agrarische Hollpolitik. (Zu- ruf bei den Kommunisten: War niht Hermann Müller der Kanzler des Zollwuchers?) Die Kartelle halten so gut wie unangegrisfen durh die staatlihen Behörden ihre Preise hoh. Die Kartell- magnaten sträuben sih gegen ein Eingreifen in ihre Preispolitik. Auf der anderen Seite steht die S Gerade dur die Kartellpolitik wird allerdings die landwirtschaftliche Produktion verteuert. Bankenkontrolle und Aftienrechtsreform genügen uns nit, aber sie haben bereits die wildeste Entrüstung bei den Be- troffenen ausgelöst. Solche Maßnahmen erweckten einen Sturm niht nur gegen uns, sondern auch gegen die Regierung. Troß aller Bedenken gegen die Maßnahmen des Kabinetts Brüning haben wir das ganze Jahr hindurch diesem Kabinett das Regieren ermögliht. Wir haben das Kabinett Brüning nicht ldet, weil wir glaubten, daß es in sozialistishem Sinne die Not beseitigen könnte, sondern weil wir die Staatsform /Neen wollten gegen die Angriffe der Faschisten. (Sehr richtig! bei den Sozialdemo- kraten. Lärm bei den Kommunisten.) Wir haben keine Angst vor Neuwahlen, wir haben nur Angst, daß Sie ae rechts) die l 8leben voll- tändig vernihten. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wiv alten es für bedenklich, daß die Nationalsozialisten zur Machd ommen, weil ihr Programm vershwommen und inhaltslos ist

| und weil das auf jede außenpolitische lade, daf Vi T ¿

voll wirken de: das beweist die Tatsache, daß Hitler sih aus- gerechnet mit rn Hervé anzubiedern versuhte. Wir wußten,