1931 / 241 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Oct 1931 18:00:01 GMT) scan diff

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Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 241 vom 15, Oktober 1931.

ih glaube, am 12. September, in Bielefeld gesagt, daß sih schon 1918 vor Beendigung des Krieges Geheimrat Hugenberg vor der Essener Handelskammer dahin ausgelassen hat, daß die Nöte des Krieges, die wirtshaftlichen und geldlihen Bedürfnisse des Reiches wohl dahin führen würden, das Durcheinander der Einzelstaaten mit der Reichsverwaltung dadurch zu beseitigen, daß man die Einrichtungen des Reiches unitarisch ausgestalte. (Hört, hört! im Zentrum und links. Abg. Steuer: Aber nicht unter Auss{haltung der Bundesstaaten!) Unitarismus mit Beibehaltung des Föderalismus, das geht niht! Das ist die Quadratur des Zirkels! (Lebhafte Zustimmung links und große Heiterkeit. Abg. Steuer: Die Wiedergabe war unvollständig!) Das war durchaus nicht unvollständig. Jch lege Gewicht darauf, zu erklären, daß in der Auslassung des Geheimrats Hugenberg von 1918 der unitarishe Gedanke, der unitarische Charakter ausdrücklich unterstrichen wurde.

Herr Abgeordneter von Kries hat an eine Aeußerung des früheren preußishen Ministers, des Kollegen Hirsch erinnert. Herr Abgeordneter von Kries gehörte mit zu der Verfassung- gebenden Preußishen Landesversammlung, und er mußte darum auch wissen, daß 1918/19 eine große Mehrheit des Landtags für den Unitarismus, für den Einheitsstaat, für die Reihsreform bestanden hat (sehr richtig! links), aus Erwägungen, die damals hon zutrafen, heute aber erst recht zutreffend sind. Die Ver- fassunggebende Preußische Landesversammlung hat am 13. 12. 1919 beschlossen:

Durch die Reichsverfassung sind die Grundlagen für den deutshen Einheitsstaat derart geschaffen worden, daß seine

Errichtung nux eine Frage der Zeit, der langsameren oder

shnelleren Entwicklung ist, Die ungeheure Not, in der sich

das deutsche Volk befindet, die trostlose finanzielle und wirt- schaftliche Lage des Reiches und der Länder und Gemeinden, die ständig wachsenden Schwierigkeiten und Hemmnisse, die das Nebeneinander von Reichsregierung und zahlreichen

Landesregierungen zur Folge hat, lassen den Versuch geboten

erscheinen, die Zusammenfassung aller Volkskräfte in einem

Einheitsstaat so bald wie möglich herbeizuführen.

(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)

Meine Damen und Herren, wenn der Herr Kollege Dr. Höpker Aschoff in Verfolg dieser Erwägungen in Versamnm- lungen, in Zeitungsartifeln und, ih glaube, auch s{hon einmal in einer Broschüre zu all diesen Dingen Stellung genommen hat, so war er einer der Berufensten dazu, weil er die Friftionen im Neben- und Durcheinanderregieren wohl am chesten und am unmittelbarsten kennengelernt hat. Und wenn er gerade jeßt wieder mit Vorschlägen hervorgetreten ist, so entsprang das auch wohl keiner bloßen Laune, denn er hat gerade in diesen Monaten erfahren, was es heißt, wenn der Landesfinanzminister cines Großstaates sich ständig mit den Reichsstellen raufen muß, um Gelder für die Aufrechterheltung der Staatsmaschinerie zu befommen. (Lebhaste Zustimmung bei den Sozialdemokraten und der Deutschen Staatspartei.)

Meine Damen und Herren, es sind in der Reichsregierung unter Beteiligung von preußischen Ministern in den leyten Monaten wiederholt Fragen der Finanzverwaltung erörtert worden. Wenn wir mit der Reichsregierung fertig waren, dann haben wir über dieselben Fragen im preußisheu Kabinett noch einmal beraten müssen. Das ist ein Verbrauch von Kräften, das ist ein Verbrauch von Zeit, der in dieser Zeit, wo es darcuf an- kommt, auch die Nervenkraft und die Zeit der leitenden Staats- männer zusammenzufassen, möglichst vermieden werden so!lte.

Und noch ein anderes! Das bringt mich dann in die Fragen, die hier noch besprohen worden sind und die aktuelle Bedeutung haben. Meine Damen und Herren, würden wir heute von ein- heitlihen Gesichtspunkten aus die Beamten im Reich, in den einzeluen Ländern und in den Gemeinden in ihren Besoldungs- ordnungen bedenken, dann würden wir uns für heute und noch mehr für die künftige Zeit eine ganze Menge von Schwierigkeiten in der Geseßgebung und in der Verwaltung ersparen. Wie liegt es denn heute? Durch einige allgemeine Herabseßzungen der Ge- hälter ist das Niveau der Besoldungen überall: im Reich, in den Ländern und in den Gemeinden gesenkt worden. Darüber hin- aus ist uns aber die besondere Aufgabe gestellt, von der Reichs- regierung die Auflage gemacht worden, eine nochmalige Prüfung und eine Revision der Gehaltsordnungen in den Ländern und in den Gemeinden vorzunehmen, und jegt zeigt es sih, daß wir schon zu einer ganz buntscheckigen Musterkarte in der Besoldung ge- kommen sind (sehr wahr! bei den Sozialdemokraten): ver- schieden niht nux zwishen Ländern und Gemeindeu, sondern auh verschieden zwischen den cinzelneu Ländern. Was in Preußen gilt,

ist in Württemberg nicht rehtens, was in Bayern gilt, gilt nicht für Baden. Das ist heute in dex Notzeit hinzunehmen; auch wenn die Beamtenorganisationen darüber ungehalien sind es läßt sih heute nichts machen, Aber, meine Damen. und Herren, in dem Augenblick, wo sih der erste Silberstreifen wieder am finanziellen Horizont zeigt (Lachen und Zurufe bei den Kommunisten). Glauben Sie niht daran? (Zuruf bei den Kommunisten: Jm kapitalistishen Staat niht mehr!) Selbst, wenn Sie nit daran glauben, bitte ih Sie, mir doh einmal hypothetish zu folgen. Jch will ja doch nur darlegen, daß das Durcheinander der Länderregierungen eine Musterkarte von Ver- shiedenheiten in den Besoldungen und damit auch Ungerechtig- keiten in die deutshe Beamtenwelt bringt. Also in dem Augen- blick, wo wir so etwas wie Erleichterungen in der Wirtschaft und damit auch in der Finanz auch in den Haushalten der Länder und Gemeinden zu spüren bekommen, seßen die Schwierig- leiten ein. Die Beamten in den am shlehtesten bezahlenden Ländern werden mit dem Hinweis darauf, daß es Länder gibt, iu denen die Beamten besser bezahlt werden, ständig an die Gesey- gebung und an die Verwaltung herantreten. (Zuruf: Auf den Einheitsstaat drängêèn!) Das wäre vielleiht eine erwünschte Nebenerscheinung. Aber sicher werden sie das tun, was ih JFhnen gesagt habe. Deswegen, meine Damen und Herren, liegen wenigstens, wenn Sie nicht anders wollen, einige „mildernde Umstände“ dafür vor, daß Herr Finanzminister Dr. Höpker Aschoff gerade in diesem Augenblick eine unitarische Verfassung des

besonders der Finanzgesebßgebung, zu beseitigen. Damit kann ih

wohl diesen Gegenstand endgültig verlassen.

Nun, meine Damen und Herren, die aktuelleren Tagesfragen! Da gestatten Sie mir zunächst, daß ih auch in die Klagen ein- stimme, daß Preußen in die Notwendigkeit verseßt war, den ordentlihen Weg der Geseßgebung zu verlassen und seinen Haus- halt und den der Gemeinden mit Notverordnungen in Ordnung zu bringen. Jch bin also da mit allen Rednern einverstanden, und auch mit dem Kollegen Baumhoff, der meinte, daß er und seine politischen Freunde sich in der Summe mit den Notverord- nungen abfänden, daß aber in Einzelheiten eine Menge von Wünschen anzumelden seien. Wenn ih als Ressortminister spräche und nicht als Vertreter der Staatsregierung, Herr Kollege Baums- hoff, dürften Sie überzeugt sein, daß auch ih eine ganze Reihe von Ausstellungen anzumelden hätte. Auch ih würde wünschen, daß bei einer Prüfung der Notverordnungen einiges geändert wird. Aber wir waren gar nicht frei in unseren Entschließungen, als wir an die Notverordnungen herangingen. Jch möhte Jhnen, um den Ernst der Finanzlage Preußens und den der Gemeinden zu schildern, folgendes sagen:

Der preußishe Finanzminister Dr. Höpkerx Ajschoff und ih haben vom Beginn dieses Jahres an der Reichsregierung aus- einandergeseßt, daß sich bei der ungünstigen Entwicklung des Wirtschaftsmarktes, bei der längeren Dauer der Arbeitslosigkeit und bei dem ständigen Anwachsen der Zahl der Wohlfahrts- erwerbslosen für die Gemeinden folgende Situation ergeben würde. Weil die Realsteuerkräfte der Gemeinden shwinden, die Ueber- weisungen geringer würden, und auf der anderen Seite die Zahl der Wohlfahrtêerwerbslosen rapide steigen würde, seien die Ge- meinden unmöglich in der Lage, die Lasten für die Wohlfahrts- erwerbslosen zu übernehmen. Die Reichsgeseßgebung hat aber den Gemeinden die Unterstüßung der Wohlfahrtserwerbslosen ganz allein aufgebürdet, Der Staat allein kann nicht helfen, Nach unseren Berechnungen wird der Preußische Staat im Fahre 1931 ein Defizit von 204 Millionen Reilsmark aufweisen, das freilih durch die Beträge, die die Notverordnungen und andere Spar- maßnahmen bringen sollen, herabgeseßt wird. Die Gemeinden mußten mit einem Gesamtdefizit von ungefähr 500 Millionen Reichsmark rechnen. Nun hat uns der Herr Finanzminister des Reiches in wiederholten Vorstellungen erklärt, daß das Reich die Defizits der Gemeinden unmöglich übernehmen fönne und daß dieser Grundsaß vom Reih unter allen Umständen aufrecht- erhalten werden würde. Das Reich würde versuchen, die Gemeinden vor dem Absacken dadur zu bewahren, daß es gewisse Beträge für die Wohlfahrtserwerbslosenunterstüßung zur Verfügung stellen würde. VorausseßungfüreinesolheHilfeleistung sei aber, daß die einzelnen Länder und Gemein- den aus eigenem noch einmal sorgfältig prüften, ob und wo Ersparnisse gemacht werden könnten. Wenn toir also vom Reich für die Unterstüßung unserer Wohl- fahrtserwerbslosen Zuwendungen haben wollten und die Zu- wendungen müßten beträhtliche Millionen aufiveisen —, dann waren tvir Mitte dieses Sommers genötigt, der Reichsregierung „nicht nux platonische Erklärungen abzugeben, daß wir in den Ge- meinden auf eine größere Sparsamkeit drängen und im Staats- haushalt selbst Ersparnisgrundsäße zur Anwendung bringen lesen wollten, sondern wir mußten an Hand geschriebener Vorschläge und formulierter Paragraphen diese Sparsamkeit auch in die Tat um- seven. So ist zunächst einmal das Hilfsmittel der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 24. August entstanden, und so sind wir auf Grund dieser Ermächtigung des Herrn Reichs- präsidenten zu den preußischen Notverordnungen gekommen, Wir haben dies Mittel angewandt, weil wir der Meinung sind, daß es nicht nur ein Akt der Volkssolidarität, ein Akt dec Menschen- liebe und der Nächstenliebe den Wohlfahrtserwerbslosen gegenüber ist, sondern auch ein Akt staatlicher Notwendigkeit, ein Akt staatlicher Fürsorge, sogar ein Akt staatliher Klugheit, die Wohlfahrtserwerbslosen von dem Verhungern und Erfrieren zu bewahren. Des wegen war diese Aufgabe au die vordring- liste, und da haben dann hließlih die Fragen, in welcher Form diese Aufgabe erfüllt werden sollte, in den Erwägungen der Preußischen Staatsregierung niht die ausschlaggebende Rolle gespielt.

Wenn Herr Abgeordneter Dr. von Kries meint, es sei nicht einmal ein leises Anzeichen einer Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung vorhanden gewesen, dann frage ih Sie, Herr Kollege Dr. von Kries, ob Sie wirklih der Meinung sind, daß Ruhe und Ordnung beispielsweise in einer Stadt wie Duisburg in den Monaten Fuli, August und September hätten aufrecht- erhalten werden können, wenn der Herr Oberbürgermeister von Duisburg an einem Tage hätte erklären müssen, er sei nit in der Lage, die Unterstüßungen der Wohlfahrtserwerbslosen auszu- zahlen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) So standen wir aber in jener Zeit, als wir die Verordnung erließen, so standen wir in jener Zeit, als die Reichsregierung uns die Handhabe bot, die Gemeindehaushalte und die Haushalte der einzelnen Länder in Ordnung zu bringen.

Nun hat Herr Abgeordneter Dr. von Kries gemeint, andere Länder hätten andere landesrechtliche Bestimmungen angewendet, um ihren Haushalt in Ordnung zu bringen. Jh weiß nit, auf welche Länder er dabei exemplifizieren will; ih glaube, er hat Bayern und Baden genannt. Es ist mir hon einmal begegnet, daß andere Länder nicht nur in Fragen der Besoldung, sondern in anderen wichtigen Staatsgrundfragen von dem, ih möchte fast sagen, Landesreht Gebrau gemacht haben, das in Abs. 4 des Art. 48 der Reichsverfassung gegeben ist, daß sie also bei Gefahr im Verzuge Gesetzesbestimmungen auf Grund dieses Verfassungs- rets erlassen haben. Jh glaube aber, was Länderregierungen recht ist, die in Württemberg, d. h. also in Stuttgart wohnen, oder in Bayern, in München, ist in Preußen niht unter allen Um- ständen billig. Jh glaube, der Herr Reichspräsident und der Reichstag würden der Preußischen Staatsregierung niht mit Un- ret die bittersten Vorwürfe machen, wenn sie auf Grund des Art. 48 Abs. 4 der Reichsverfassung Besoldungsordnungen erlassen würde; denn die Länderregierungen haben nur bei Gefahr im Verzuge ein Recht, solche Verordnungen zu erlassen. Der Herr

Reiches gewünscht hat, um das Durcheinander in der Gesetzgebung,

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der Wilhelmstraße links zur Wilhelmstraße rechts denn so weit und ob eine Verbindung mit dem Reichspräsidenten so zeitraubend iväre, daß eine Anordnung des Reichspräsidenten nicht getroffen iverden fönnte. Wir würden in der Preußischen Staatsregierung deswegen sehr viel eher Gefahr laufen, daß unsere Verorduungen aufgehoben werden, als die Regierungen, die weit entfernt von Berlin wohnen und deshalb auf Grund des Art. 48 Abs. 4 sehr viel leichter diese landesre{chtlichen Bestimmungen erlassen köunen.

Jm allgemeinen bin ich Herrn Dr. von Kries sehr dankbar dafür, daß er uns daran erinnert, daß die Gehorsamkeitspfliht der Länder nur insoweit besteht, als das Reich die verfassungsmäßigen Grenzen wahrt. Jch nehme an, Herr Abgeordneter Dr. von Kries, daß diese Jhre Auffassung niht nur Tageswert behalten, sondern auch in Zukunft gelten soll. (Sehr rihtig! bei den Sozialdemo=- fraten. Zurufe rets.) Jch werde mich für alle Fälle gern an diese Ausführungen erinnern; man weiß nie —. (Große Heiterkeit. Zuruf des Abgeordneten Steuer.) Herr Kollege Steuer, merken Sie mir an, daß ih unruhig bin? (Abg. Steuer: Diese Bemerkung gibt zu denken! Heiterkeit.) Nicht wahr, doppelt genäht hält besser. (Erneute Heiterkeit.)

Nun zu den Ausführungen eines Ministerialvertreters in einem Ausshuß des Staatsrats! Herr Abg. Dr. von Kries hat auf Auslassungen verwiesen, die Herr Oberbürgermeister Brauer als Mitglied des Staatsrats, ih glaube, im Plenum des Staats rats über diese angeblihe Aeußerung eines Ministerialvertreters gemaht hat. Es Handelt sich um folgendes, Die preußische Staatsregierung hatte die Vorlage, die Mitgliederzahl des Staats rats im gleihen Verhältnis herabzuseßen, wie die preußische Regierung die Zahl der Mitglieder des Landtags verkleinert hat, als Geseßentwurf dem Staatsrat zugeleitet. Sie hat es getan, weil der Vorschlag der Staatsregierung eine Verfassungsände- rung insofern erforderlich macht, als in einem Artifel der preußishen Verfassung die Einwohnerzahl der Provinz festgelegt ist, auf die ein Abgeordneter zum Staatsrat entfällt, Es ist nicht so, wie nach den Ausführungen des Herrn Abg. von Kries der Oberbürgermeister Brauer gesagt haben soll, daß wir damit dem Staatsrat gegenüber eine freundlihe Geste machen wollten. Nein, diese freundlihe Geste das dürfen Sie uns glauben hätten wir lieber gegenüber dem Landtag gemacht (Heiterkeit), denn wir bedürfen zu unserer Amtsführung des Vertrauens des Landtags und niht des Staatsrats. Also die „ireundliche Geste“ war nicht maßgebend, sondern wix sind der Meinung ge- wesen, daß in der Tat durch die Gesebgebung des Reichspräsidenten, durch den Artikel 48 Bestimmungen der preußischen Verfassung nicht aufgehoben werden dürfen. Das hat aber auch dex Herx Ministerialvertreter im Aus\chuß gar nicht behauptet, sondern es haben sich nach den Aufzeihnungen, die ex mir gemacht hat, die Dinge so abgespielt. Auf die Bemerkung eines Mitglieds des Verfassungsausschusses des Staatsrats, daß mit der Gesehes vorlage, betreffend die Verkleinerung des Staatsrats, die Re- gierung anerkannt habe, Bestimmungen dex Landesverfassung auf Grund der Ermächtigungsverordnung des Reichspräsidenten nicht ändern zu können, habe er erwidert, daß von beachtliher Seite und auch im Reichsministerium des Fnnern die Auf- fassung vertreten werde, auf Grund dexr Ermächtigungsverord=- nung des Reichspräsidenten seien auch Eingriffe in die Landes- verfassungen zulässig. Damit ist also von einer Stellungnahme der preußischen Staatsregierung nichts gesagt, und die preußische Staatsregierung das betone ich ausdrücklich —, ist nicht der Meinung, daß durch die Gesetzgebung des Reichspräsidenten in Bestimmungen dex preußischen Verfassung cingegriffen werden darf.

Nun möchte ih zu einer Anfrage des Herrn Kollegen Baum- hoff Stellung nehmen. Ex hat gemeint, daß es ihm zweckmüäßiger erscheine, wenn man die Notvercordnung befriste. Das hätten wir sehr gern getan, wenn wir nux wüßten, wie lange die Vor- aussezungen der Notverordnung, der Notstand selbst andauert. Aber es hat sicherlich keinen Sinn, einen Termin, sagen wir: den 1. Oktober 1932, ins Auge zu fassen, um dann feststellen zu müssen, daß bei Ablauf dieses Termins die Notverordnung prolongiert werden muß. Da die Staatsregierung in diesem Fall wenn au nur beauftragter Gesebgeber ist, ist sie stets in der Lage, die Notverordnung in allen ihren Bestimmungen aufzuheben. Fch darf, ohne daß ih die Zustimmung aller meiner Kollegen im Staatsministerium habe, doch wohl die Erklärung abgeben, daß, wenn der Notstand aufhört und wir noch im Amt sein sollten, Herr Steuer (Heiterkeit), die Staatsregierung nicht das mindeste Junteresse daran hat, die odiósen Bestimmungen der Notverordnung, die fie selbft nicht gern erträgt, auch nux einen Tag länger in Kraft zu lassen.

Herr Kollege Baumhoff hat die Eingriffe in die Selbstver- waltung beklagt. Sie dürfen mir glauben, daß auch ih diese Ein- griffe aufs lebhafteste bedauere. Aber, meine Herren, wenn wir [hon im Etatsjahr 1930 feststellen mußten, daß manche Stadt- verordnetenversammlungen zu dem Recht dec Selbstverivaltung nicht die Pflicht der Selbstverantwortung aufbrachten (sehr wahr! bei der Wirtschaftspartei), dann mußte s{hon, um den Haushalt der Stadtgemeinde niht in Unordnung zu bringen, von behördlicher Seite, von seiten der Aufsichtsorgane- und in nit seltenen Fällen von seiten der Zentrale selbst eingegriffen werden. Wix haben einige hundert Staatskommissare hon 1930 in Tätigkeit geseßt, und die Erfahrungen, die uns zu diesen Maß- nahmen geführt, haben uns nicht dahin bringen können, jeßt, wo die Reformen in den Stadtgemeinden schnell erledigt werden jollen, es den Gemeinden . selbst zu überlassen, die dringlichen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Denn worum handelt es sich? Es handelt sich darum, daß wir von Reichs wegen ver- pflichtet sind, noch einmal in eine Ueberprüfung der Besoldungs- ordnungen der Gemeinden einzutreten. Wir haben gerade in der Zentvale die Erfahvung gemacht, daß das ständige Damokles- shwert, weitere Herabseßung der Gehälter der Kommunal- beamten, das schlimmste Ferment der Beunruhigung dieser Be- amtenkategorie ist, und daß es im Jnteresse der Kommunal- beamten und der eingelnen Kommunen selbst liegt, wenn diese Beunruhigung so shnell wie möglich beseitigt wird. Deswegen haben wir es den Gemeinden zur Pflicht gemacht, daß sie in einer verhältnismäßig kurzen Zeit diese Ueberprüfung vornehmen,

Reichspräsident würde uns die Frage vorlegen, ob der Weg von

(Fortsegung in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen NeichSanzeiger und Preu

ITLr. 241. :

«Zweite Beilage

Verlin, Donnerstag, den 15. Oftober

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

Das ist aber nur gesichert, wenn wir ei ne Stelle dafür verant- wortlih machen, nämlih den Gemeindevorstand, und wir werden nur dann eingreifen das haben wir auch in den Ausführ ungs- bestimmungen vorgeschrieben —, durch die Aufsich:sbehörde oder shließlich durch die Zentrale, wenn der Gemeindevorstand in dieser Frage nicht den Verpflichtungen nahkommt, die ihm durch die Notverordnung bestimmt worden sind. Das alles hat uns keine Freude bereitet, und mir als dem Kommunalaufsichtsminister dürfen Sie glauben: wir werden uns hüten, einzugreifen, wenn es niht notwendig ist. Aber ih bin doch wohl Fhrer Zustim- mung sicher, wenn i sage, es ist besser, daß in diesen Notzeiten von der Zentrale alle notwendigen Korrekturen erfolgen, als daß die Stadtvertretungen in den nächsten Wochen oder Monaten er- klären, sie können den Wohlfahrtserwerbslosen die Unter- stüßungen nicht auszahlen“ oder andere wichtige Aufgaben nicht erfüllen.

Nun gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen zu der Frage, ob die Polizei in der Lage sei, in den nächsten Wochen und Monaten die Ruhe und Ordnung in Preußen aufrehtzuerhalten. Sie wollen aus den Ausführungen, die ih mit Bezug auf die Not- wendigkeit der Unterstüßung der Wohlfahrtserwerbslosen Fhnen jeßt vorgetragen . habe, folgern, daß ih niht der Meinung bin, daß Gummiknüppel, Karabiner, Maschinengewehre und andere Werkzeuge der Brachialgewalt das vordringlic\ste sind. Jch meine, daß ausreichende Ernährung, leidlihe Wohnung und leidliche Feuerung der Anwendung des Gummiknüppels voranstehen. (Zu- ruf bei den Kommunisten.) Nein, Herr Abgeordneter Kasper, wenn ‘cine Diskussion mit Jhnen lohnté, würde ih Fhnen den Beweis antreten, daß ih nit enigegengeseßt handle; denn vom ersten Tage meiner Amtsführung an habe ih auf die Reichs- regierung eingewirkt, den Länderregierungen die notwendigen Mittel zur Erfüllung dieser Zwecke zur Verfügung zu stellen. Und ih habe die Genugtuung gehabt, daß ein Teil der benötigten Eummen 230 Millionen —- den Ländern zur Verfügung gestellt iverden. Das ist also ‘etwas anderes als Gummiknüppel und Karabiner. Aber, Herr Kasper, es lohnt nicht, sich mit Fhnen auseinanderzuseyen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ih muß Sie eigentlich heute rehabilitieren. Jch habe Sie einmal in den Kreis derjenigen Abgeordneten einbezogen, von denen ih annehme, daß sie Vorstellungen zugänglich seien. Nach Jhren Ausführungen von gestern habe ih mich überzeugt, daß das ein JFrrtum ist,

Die Herren von der Deutschnationalen Volkspartei haben an- gefragt, ob angesihis der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der garantierten bürgerlihen Freiheit das Staatsministê- rium gewillt ist, den Polizeiorganen Anweisung zu geben, mit den schärfsten Mittela der polizeilichen Waffen gegen älle Land- sriedensbrecher vorzugehen. Gestern ist shon von einem Ministe- rialvertreter diese Frage mit cinem Ja beantwortet worden. Besondere Anweisungen sind nicht erforderlich, weil alle not- wendigen Anweisungen schon gegeben sind. Aber, meine Herren Deutschnationalen, Sie haben Jhrer Anfrage ‘eine ganz bestimmte Tendenz gegeben; Sie haben darauf hingewiesen, daß die#Terror- akte linksradikaler Verbände gegen die nationalen Organisationen zunehmen. Das ist richtig. Es ist durchaus zu verurteilen, daß der Blutterror von der Kommunistishen Partei einen solchen Umfang angenommen hat, wie ex sih ziffernmäßig aus folgenden Daten ergibt. Seit dem 1. Januar d. J. sind getötet worden bei Kratwallen, die offenbar von Anhängern der Kommunistischen Partei“ angezettelt worden sind, 34 Personen. (Hört, hört! rechts.) In der gleichen Zeit sind 186 Personen bei solhen Krawallen schwer verleßt worden. Aber wenn auch die größere Schuld, die größeren Geseßesverlezungen auf Seiten der Kommunisten liegen, ganz frei sind die rechtsradikalen Organisationen au nicht. Es sind getötet worden bei Kratvallen, die von Nationalsozialisten provoziert worden sind, 3; 8 sind tödlih verleßt und 78 s{chwer- verleßt. Meine Damen und Herren, ich bin niht Pharisäer genug, um diejenigen Gruppen und Parteien von Gewalttaten auszu- nehmen, die mir politis nahestehen. (Ruf rechts: Reichsbanner!) Aber es ist etwas anderes, ob die verantwortlichen Führer, die der ganzen Bewegung das Gepräge geben, entshieden von Gewalt- taten, von Bluttaten abrücken, oder ob sie durch beabsichtigte Redewendungen oder unbeabsichtigte Entgleisungen eigentlich erst den Nährboden für derartige Taten schaffen. Wenn Führer der rechtsradikalen Organisationen vom „Köpferollen“ sprechen (Ruf rehts: Grzesinski von Laternenpfählen!), wenn in der leßten Zeit bekännt geworden "ist, daß ein namhaftes Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Reichstage, ein Abgeordneter, der in der Partei immerhin eine führende Rolle spielt, davon gesprochen hat, daß demnächst die Hanfindustrie gute Konjunktur bekommen würde (Heiterkeit), dann bin ich der Mei- nung, daß solche Aeußerungen in der Tat geeignet sind, die An- hönger der rehtsradikalen Organisationen zu den Gewalttaten zu ermuntern, die wir fast an jedem Tage registtieren. (Abg.

Steuer: Sie gehen um den dunklen Punkt der Fraktign heruni, daß Grzesinski als Minister von Laternenpfählen gesprochen hat. Das ist s{chlimmer, als wenn ein Abgeordneter so etwas sagt! Heiterkeit.)

Eine andere Anfrage der deutshnationalen Fraktion, ob die preußische Staatsregierung bei der Reichsregierung wegen des Erlasses der Pressenotverordnung vorstellig geworden sei, beantworte ih ebenfalls mit einem glatten Nein. Die preu- ische Staatsregierung hat allerdings gelegentlih auf Lücken des bestehenden Rechts aufmerksam gemacht, wenn von seiten der Reichsregierung ein Einschreiten, sei es bei Presseverboten oder b-i vereinsrech:lihen Maßnahmen, gewünsht wurde. Keineswegs aber hat im vergangenen Sommer die preußische Staatsregierung bei der Reichsregi-rung besondere Vorstellungen erhoben.

Wenn ih nebenherx auch eine kommunistishe Anfrage beant- worten darf, die, alcube ich, der Herr Abg. Kasper an das Staats-

gerihten oder sonstige Maßnahmen der jeßigen Notveroro- nung auf die Fnitiative der preußishen Staatsregierung zurück- zuführen seien, so antworte ih, daß die preußische Staatsregierung au mit diesen Dingén nit befaßt worden ist.

Daß wir allerdings die bestehenden Geseye mit aller Ent- shiedenheit in Arwendung bringen müssen, wird uns ja täglich durch die Roheitsvergehen, besonders der rehts- und linksradi- falen Organisacionen, geradezu eingebläut. Jch danke dem Herrn Abg. Baumhoff für die anerkennenden Worte, mit denen er hier die Tätigkeit der Polizei gewürdigt hat. Diesen Aus- führungen schließe ih mich durhaus an. Jch bin der Meinung, daß, wenn wir nicht alles täten, die Anwendung bestehender Ge- seßesvorschriften durchzuführen und, wenn sih Lüden zeigen, auf die Ergänzung dieser geseßlichen Vorschriften hinzuwirken, um die Polizeibeamten in der Ausübung ihres schweren Berufes zu shüben, wir unsere gesamten Jnteressen und unsere Pflichten sür Volk und Vaterland gröblih vernahlässigen würden. (Sehr richtig!) Der nächste Winter wird niht nur an Leben und Gesundheit, sondern vor allen Dingen auch an die seelische Verfassung unserer Polizeibeamten die allerhärtesten Anforderungen stellen, und da können wir nicht vorsihtig genug sein. Die Zersezungs- tätigkeit der Kommunistishen Partei in den Reihen der Polizei ist heute mehr denn je zu beobachten. Jn alle Standorte der Polizei werden Flugblätter der Zerseßung einzuschmuggeln versucht., (Bravo! bei den Kommunisten. Abg. Paul Hoffmann: Wie ist es mit ‘dem Streik in der Kaserne?) Das sind „Hoffmanns Erzählungen“. (Große Heiterkeit.) Lassen Sie mich dazu folgendes er- klären: Einen „Streik in der Kaserne“ gibt es nicht. Jm Jahre 1922 habe ih mi an dieser Stelle einmal zum Streik über Beamte im allgemeinen, zum Streik von Polizeibeamten im besonderen geäußert und habe dem Sinne nach hier erklärt, daß ih mi in der Fürsorge für die Polizeibeamten aller Grade, für Offiziere und für Mannschaften, von keinem Abgeordneten, von keinem meiner Ministerkollegen übertreffen lasse, daß ich alles tue. die materiellen und ideellen Jnteressen der Polizeibeamte: in der Verwaltung und in der Gesepgebung zur Anerkennung zu bringen, Wenn aber als Antwort auf diese Fürsorge für die Polizei bei dem einen oder anderen Beamten etwa die Auf- fassung entstehen sollte, daß er ein Streikret habe oder dieses Streikreht ausüben könne, dann müßte ih erklären, daß für einen solchen Beamten in der preußishen Schußpolizei kein Raum ist. Dabei bleibt es, (Bravo! Sehr gut!) Jch lasse auch fkeinen Zweifel darüber aufkommen: in Preußen kann es bei der Schuß- polizei keine Meuterei wie bei der englishen Marine geben. (Widerspruch bei den Komm.) Herr Kasper, wenn Sie sih das selbst einreden wollen, daß Dienstverweigerungen vorgekommen seien, so wollen Sie wahrscheinlih Jhr böses Gewissen salvieren. Denn Sie haben mit Flugblättern dieses Juhalts {hon eine

größere Oeffentlichkeit zu verwirren versuht. Aber von dieser Stelle erkläre ih: in der preußishen Polizei ist keine Dienstverweigerung vorgekommen. (Widerspruch bei

den Komm.) Der Beamte wäre nicht mehr in der Schußpolizei, der seinen Dienst verweigert hätte. (Abg. Paul Hoffmann: Sie lügen ja! Glodcke des Präsidenten.) Gewiß, dazu sage ih auch etwas. Die Herren von der Kom- munistishen Partei sind auf die militärische Organisation der Herren von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei manchmal neidish. (Heiterkeit.) Sie wollen auch so etwas schaffen wie einen Offiziersgeneralstab, und wenn keine Offiziere da sind, werden sie erfunden. Die Herren haben aber in der leßten Zeit einige ehemalige Offiziere des Reichsheeres und au einen ehemaligen Offizier der Schußpolizei namens Giese- breht gefunden. Mit diesen Offizieren haben sie eine Konferenz veranstaltet und stellen es nun so dar, als ob es ihnen schon gelungen sei, in die Reih8wehr und in die Schußpolizei Bresche zu s{hlagen. Diesen einen ehemaligen Schußpolizeioffizier shenke ih Jhnen, mit dem werden Sie keinen Staat machen. (Heiterkeit.) Dann, meine Herren, müssen wir nah den Bestim- mungen unseres Schußpolizeibeamtengeseßes eine ganze Reihe von Schußpolizeimannschaften nah . dem 12. Dienstjahr zum Ausscheiden bringen. Daß in der heutigen wirtschaftlich üblen Situation nicht alle Ausscheidenden troy Versorgungsschein und Fürsorge sofort Beschäftigung finden, ist niht weiter verwunder- lih, und daß die Beamten, die dann in einen wirtschaftlichen Notstand geraten, gelegentlich auch der nationalsozialistishen oder der kommunistishen Agitation zum Opfer fallen, ist auch niht zu vermeiden. Diese „Zellen“ ehemaliger Schußpolizeibeamter haben mit aktiven Polizeibeamten im Dienst rein gar nihts zu tun. (Zuruf bei den Komm.: Bleiben Sie bei Jhren JZllusionen.) Ja, meine Herren, was ih hier erkläre, das habe ih vor dem Lande zu erklären und niht um mit Jhnen eine Erörterung über Zuverlässigkeit der Schubpolizei zu führen. Jh sage Jhnen, daß die Behauptungen Jhrer Flugschriften, daß Fhre Bemühun- gen, die Schnypolizei zu zersegen, alle zushanden werden, ein- mal weil wir in der preußischen Regierung alles tun werden, um den berechtigten Wünschen der Polizei hinsichtlich Entloh- nung, Beköstigung und Wohnung Genüge zu tun, und weil wir in der preußischen Polizei auch nicht einen Augenblick Zweifel darüber aúuffommen lassen wollen, was einem Schutpolizek- beamten geschieht, wenn er etwa, wie Sie (zu den Kommunisten) behauptet haben, den Dienst verweigert.

Aber für die Stimmung im Lande weit gefährlicher oder mindestens ebenso gefährlih wie die Zerseßungsbestrebungen der Herren von der Kommunistishen Partei sind Aeußerungen, die von Herren der nationalen Opposition, auch von einem der soge- nannten Harzburger Prominenten, in den lebten Tagen in der Oeffentlichkeit bekanntgeworden sind. Außer dem, was Herr Abgeordneter Baumhoff über die Wirkungen der Harzbvurger Tagung hier ausgeführt hat, daß insbesondere durch die Rede des früheren Reichsbankpräsidenten Schaht eine neue Vertrauens-

‘krisis in der Währungsfrage eingetreten ist habe ih zu beklagea,

ministerium gerick* et hat: ob etwa die Einrichtung von Son de r-

daß einer der Führer der Harzburger Opposition, Herr Geheim-

Bischen Staatsanzeiger

C

————— rat Hugenberg selbst, wie hon vordem in Stettin in Harzburg davon gesprochen hat, daß die Katastrophe heran- nahe, und daß in dieser Katastrophe die den Deutschnationalen angehörenden Verbände und die ihnen nahestehenden Verbände Nationalsozialisten und Stahlhelm nur Leben und Eigentum der»eigenen Anhänger hüten werden, niht aber das System. (Lebhafte Zurufe von allen Seiten.) Der Herr Reichskanzler hat gestern die Herren der nationalen Opposition gefragt, ob sie nicht selbst zu der Erkenntnis ge- fommen seien, daß, wenn die Währung durch so törichte Reden, wie sie der Reichsbankpräsident Schacht gehalten hat, weiter in Verfa! gerät, damit auch ihrer künftigen Rechts- regierung die leßte Chance genommen wird. Meine Herren, dies selbe Frage richte ih jegt aus diesem Anlaß an Sie: Glauben Sie niht au, daß, wenn durch eine Katastrophe, wenn durhch Unruhen Einrichtungen des Staates, Einrichtungen der Ge- meinden, öffen:liche Einrichtungen überhaupt zershlagen werden, Sie dadurh einer Chance Jhrer künftigen Regierungstätigkeit bevaubt werden? (Zurufe rets.) J zerbrehe mir damit freilich Jhren Kopf. Mir kommt es an dieser Stelle aber nicht darauf an, deù Nachweis zu erbringen, daß diese Aeußerungen des Herrn Geheimrat Hugenberg die üble Wirkung haben, die Herr Geheimrat Hugenberg ihnen wahrscheinli in einer ruhigen Stunde selbst zushreiben muß, sondern mir kommt es darauf an, den Herren vón der nationalen Opposition zu sagen: Solange dieses „System“ von den heutigen Machtmitteln des Staates, die

: heute in der Hand der preußishen Staatsregierung und, soweit

die Polizei in Frage kommt, in der Hand des preußischen 7Fnnen- ministers liegen, außerdem von dem Machtmittel der Reichswehr, das in der Hand der Regierung Brüning liegt, verteidigt wird, so lange können wir auf die Hilfe des Stahlhelm und der. National- sogialisten und der Deutschnationalen verzichten. (Lebhaftes Bravo und Händeklatshen im Zentrum und links.) Aber noch mehr: ih wünschte sogar, daß wir uns alle darauf einigen könnten, daß man die Selbstshußorganisatiónen und als solche betrachte ih auch den Stahlhelm auflösen sollte. (Zurufe rechts: Und das Reichsbanner? und Herr Hörsing?) Wenn der Abgeordnete Hugenberg in Stettin und in Harzburg von diesen Dingen ge“ sprochen hat, so hat er das scheinbar in der Einbildung getan, daß die Machtmittel des Staates nicht reihten, um in derartigen Situationen den Schuß der öffentlichen Einrichtungen durchzu=- führen. (Zurufe bei den Deutschnationalen.) Meine Herren, der Selbstshuß ist besonders in den Jahren 1920 bis 1922 kein Schub des Staates oder der einzelnen gewesen, sondern die Selbsts shußorganisationen waren ein Faktor der Beunruhigung. (Abg« Steuer: Wo wären Sie den 1919 hingekommen, wenn die Rechts nicht gewesen wäre? Lachen und Zurufe bei den Sozialdemo4 kraten.) Jch bin aber andererseits duzhaus nicht der Meinung,

daß der Shuy des Staates nur dur die Polizei der einzelneit Länder und die Reihswehr gewährleistet ist, daß nur diese beiden staatlihen Machtmittel dem Reich oder den einzelnen Ländern zur Verfügung stehen. Nein, es steht diesem Reich, es steht diesen System, es steht der demokratischen Republik noch ein geistiger Machtfaktor zur Verfügung: das sind die Parteien, die aufbauen und nicht zerstören wollen, das sind insbesondere die großen. Organisationen der Arbeiter, Angesteliten und Beamten (sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), die nicht nur ia der Ver gangenheit und nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft die Aufgaben der Polizci und der Reichsweh:; miterfüllen werden. (Zurufe bei den Deutschnationalen.) «Fawohl, meine Herren, mit der gebotenen Arbeitsteilung! Gummi knüppel und Maschinengewehre und alle anderen JFnstrumente und Waffen, die gehören in die Hand derjenigen, die von Amts3 wegen dazu berufen sind. Aber die Hirne und die Herzen, die Gefühle, die Seelen der Arbeiter- und Angestelltenorgani ationen iverden der Republik in alen Notzeiten zur Verfüguag stehen. Und wveil die bessere Disziplin und weil der größere Zukuntfts=- glaube bei diesen Organisationen ist, deswegen werden sie in allen solchen Situationen, wie sie der Geheimrat Hugenberg füx möglich und wahrscheirlih gehalten hat, die Republik zum Siege führen. (Bravo! und Händeklatschen bei den Regierungsparteien.)

Abg. Sh wen k (Komm.) erklärt, die Arbeiterschaft habe seit Tangem erkannt, was je von dieser Demokratie und der Wet- marer Verfassung zu halten habe. Fhr Kampf gegen dieses System werde zum Siege führen. Der Redner seßt sich dann vornehmlih mit den Ausführungen des A Haas. (Soz.) aus- einander. Wenn dieser gemeint habe, die Beamtenschaft müßte diesen Staat, wenn es sein müßte. mit ihrem Leben verteidigen, so sei demgegenüber zu sagen, daß man es den Beamten keines- wegs übelnehmen könne, wenn sie nicht gu diesem Staat halten, der ihnen nicht einmal die Mittel zum Leben gibt. Es sei eine Heuthelei, wenn der Abg. Haas sih über die Zuspißung des poli- tishen Kampfes entrüste. Erst seitdem die Sozialdemokratie an der Regierung sei, sei der politishe Mord an der Tagesordnung. S Deutschland verhungert das Volk bei gefüllten Scheunen.

enn der Redner der ozialdemokraten hier davon gesprochen habe, so scheine er nicht das Gefühl dafür zu haben, wie er seiner eigenen Partei damit ins Gesicht hlägt. Was haben die Sozial- demokraten getan, um diese Scheunen zu nens Jhr Partei- freund Baade habe im Gegentei dur seine Politik zu den gegen- wärtigen as A Die Auflockerung des Tarif» rets, die der Reichskanzler in seiner es Rede angekündigt abe, bedeute neue Belastungen der rbeitnehmer. Auch hier ätten die Sozialdemokraten Hilfestellung geleistet. Die jeßige rise sei nickt durch Notverordnungen und Berent ührender Staatsmänner der einzelnen Länder zu beheben. Die erelendung der Massen werde im Gegenteil ständi weiter ver- shärft. Es gebe nur einen Weg zur Rettung: Die Arbeiterklasse müsse selbst die Macht ergreifen und den Sozialismus aufbauen. Der Redner beschäftigte sih dann mit den Ausführungen des Ministers Severing und wendet sih gegen die Bestimmungen der Notverordnung, die darauf hinauslaufen, die Be ier reiheit dex revolutionären Arbeitershaft zu behindern. An diesen Maß- nahmen sei E Minister beteiligt. Der Minister habe hier rvorgehoben er es beim Reih durhgeseßt habe, einen etrag von 250 Millionen für die Gemeinden zur Durchführung Ser Me darwerbE asentiüciotge zur Verfügung zu stellen. roß dieser Summe, troß des Sparprogramms in Preußen und

der E des Reiches sei der finanzielle Zujammen- bruch der Gemeinden niht mehr aufzuhalten. Die ohlfahrts-

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