1869 / 35 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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werde ih in der Folge noch zurütkommen und Sie werden den Inhalt derselben dann noch genauer ersehen. So also blieb der Artikel in der revidirten Verfassungsurkun de ftehen; aber wenige Monate danach, in dem Entwurf eincr Reichsverfassung für die im Jahre 1849 und 1850 beabsichtigte Union wurde in den Artikeln dieser Reichsverfassung der Para- graph von der Unentgeltlithkeit des Schulunterrichts gestrichen und nur die Bestimmung aufgenommen, daß Unbemittelten der Schulunterticht unentgeltlich gewährt werden solle also Rückkehr zu den Prinzipien, welche bis zum Jahre 1848 in ganz Deutschland allgemein geltend gewesen sind. Auf diesem Standpunkt ist demnächst auch die preußische Regierung ver- blieben; und als in den Jahren 1860 und 1861 mein Herr Amtsvorgänger , der Minister von Bethmann - Hollweg , den Entwurf eines allgemeinen Shulgeseßes vorbereitete, wurde es von ihm und von der Staatsregierung als eine Nothwendig- Leit erkannt, den Art, 25 der Verfassungsurkunde in dem be- treffenden Alinea aufzuheben. Ein Gesehentwurf wegen Auf- hebung dieses Artikels war zur Vorlage an den Landtag be- stimmt.

Es handelt sich also, meine Herren, niht um Abschaffung eines Grundsatzes, der in das Bewußtsein und in das prak- tische Leben der Nation übergegangen wäre 7 es handelt fich vielmehr um einen Grundsaß, der in einer bewegten Zeit für

eine kurze Dauer die Majorität in den Versammlungen ge- -

wonnen hatte, der eine praktische Wirksamkeit nicht erlangt, der, wie in der Kommission gesagt worden is, eine Art Still- leben seit der Zeit geführt hat, der wesentlih nur eine papierne Bestimmung geblieben ist, Und dessen Beibehaltung jeßt, wenn wir ernstlich daran gehen, das Schulwesen zu verbessern und ihm die Kräfte zuzuführen, deren es bedarf, als eine Hemmung dasteht, ohne deren Beseitigung schwerlich vorwärts zu kommen _ fein wird. i Es ist eine zweite Behauptung in dem Berichte der Kom- mission und auc anderwärts zur Rechtfertigung des Art, 25 aufgestellt worden, daß nämlich die Unentgeltlichkeit des Unter- richts in der Volksschule in nothwendiger Relation stände mit der allgemeinen Schulpflicht. Meine Herren, das ist ein Axiom, mit dem die Geschichte und die Thatsachen nicht übereinstimmen. _ Wir haben die allgemeine Schulpflicht und den allgemeinen Schulzwang seit hundert und mehr Jahren in Deutschland ganz allgemein, ohne daß man an das angebliche Korrelat der Un- entgeltlichkeit des Unterrichts gedacht hat. Wir haben in Amec- rika die Unentgeltlicbkeit des Unterrichts, aber nicht die allge- meine Schulpflicht und den Schulzwang ; wir haben in Frank- reich und in England weder den Schulzwang noch die Unentgeltlichkeit des Unterrichts —— wieder mit der Schättirung, daß man in Frankreih von Seiten der Regierung möglichst auf die Unentgeltlichkeit des Unterrichts hinarbeitet, ura dadurch ein Anreizmittel , ein Surrogat für den allgemeinen Schul- wang zu gewinnen , während man in England sich dagegen räubt; und nur in Dänemark und den von mir {hon ‘vor- hin erwähnten kleineren Territorien Deutschlands haben wir Beides, die Unentgeltlichkeit des Unterrichts und den Schul- zwang. Es kommen also in den großen Gebieten des allge- meinen Völkerlebens alle möglichen Kombinationen zwischen Unentgeltlichkeit und Schulzwang vor , welche logisch gedacht werden können, und ih glaube, es is ein sehr gewagter Sat, wenn man behauptet , daß nur die Einrichtung in den leßt- genannten kleineren deutschen Gebieten und in Dänemark die allein richtige und gedankenmäßig zu vertheidigende sci, alles Andere aber , was in dem übrigen Deutschland, in Amerika, in Frankreich und in England besteht, irrationell und deshalb zu verwerfen wäre. Jch bin der Meinung, die Geschichte der größeren Staaten is hier eine gewichtigere Lehrmeisterin , als abstrakte Auffassungen, die man zu Grunde legen möchte. Ih glaube aber auch , es liegt hier eine nicht ganz- rihtige Auf- O des Staats und des Staatsbegriffs zu Grunde; man ellt den Staat und die Kinder oder vielmchr deren Eltern wie fremde Individuen einander sich gegenüber, die gleihsam nur auf kontraktlichem Boden mit einander also verhandeln: »will der Staat, daß die Kinder die Schule be- suchen, so muß er auch dafür sorgen, daß der Unterricht unent- ges ertheilt wird.« Das is das richtige Verhältniß nicht ; er Staat besteht ja in der Gesammtheit seiner Bürger und in der Gesammtheit der sittlichen und materiellen Zwecke, die er zu fördern und zu pslegen hat, und er fordert und muß for- ern von seinen Angehörigen an vielen Stellen bedeutende Opfer, um das zu erreichen, was eben der Staatszweck cr- heischt. Jh kann auch nicht sagen, daß die allgemeine Schul- pflicht eine Forderung sei, die der Staat nur um seinetwillen stellt. Gewiß stellt er sie auch ‘um seinetwillen, aber in erster Linie nicht um feiner selbst, sondern um der Kinder willen, um des Wohls derer willen, die Bildung empfangen sollen; und aus der Bildung Aller gewinnt der Staat dann allerdings auch

erzogenen Bürgern erwarken darf.

des Schulunterrichts dadurch motivirt sei, daß sie den ärmeren Klassen zu Gute komme und daß den ärmeren Klassen die

zuseßen.

nun der ganze Schulunterricht unentgeltlich sein müsse.

werde, und das geschieht auf zweierlei Weise. In der That besteht dasselbe bei uns in Preußen und in

Deutschland im Großen und Ganzen ‘nur in fehr mäßigen :

und bescheidenen Säßen. Die daß ein des Landes, der von feiner Hände Arbeit lebt, bei treuer,

fleißiger Arbeit, ‘niht mehr das Schulgeld für sein Kind oder

oâlle, Bewohner

Fällen gehören; da müssen s{hon große Unglücksfälle eingetreten sein. Jn Bezug auf -die größeren Städte liegt cs allerdings anders, da find derartige Fälle häufiger. Im Allgemeinen find unsere Schulgeldsäße keineswegs sehr hoh. Wenn hier der Saß von 36 Thaler an einer Stelle erwähnt worden ist, so kann die Erhebung dieses Saßes möglicherweise nur in einer Stadtschule vorkommen, die in ihren Einrichtungen den höheren Schulen nahe sticht. Jm Allgemeinen wird das Sthulgeld ‘auf dem Lande nicht leicht irgendwo über 1 Thlr. jährlih oder 25 Sgr. monatli betragen.

Es liegen mir sehr interessante Verhandlungen aus der Stadt Elberfeld vor, welche gerade die wohlwollende Rüksicht in finanzieller und sittlicher Beziehung für ihre ärmeren Klassen zur Geltung gebracht hat, und über deren Jnhalt ich mi gedrun- gen fühle, noch eine kurze Mittheilung zu machen, weil das, was darüber im Kommissionsbericht ge)agt worden i}, keines- wegs ein klares vollständiges Bild davon giebt.

In Elberfeld haben bis vor Kurzem eigentliche" Armen- schulen bestanden, 6 ander Zahl, mit 33 Klassen. Jm vori- gen Jahre hat die Stadtverwaltung, von der Anerkenntniß aus- gehend, daß die Zuweisung der Kinder an Armenschulen , nach- dem zuvor der Vater sich gemeldet und sein Unvermögen nach- gewiesen habe , einerseits für die Eltern ein drückendes Verhält- niß sei, anderntheils auch die Aussonderung der Armenkinder aus den allgemeinen Schulen als dem allgemeinen Interesse förderlich nicht erachtet werden könne von diefer Anerkennung ausgehend, hat die Stadt Elberfeld ihr Schulgeldwesen urnge- staltet: sie hat die Armenschulen und die Shulgeldbefreiungen aufgehoben, dagegen das Schulgeld für die auf den unteren Stufen 1 und 2 stehenden Bewohner der Stadt auf den ge- ringen Saß von 4 Groschen monatlich herabgeseßt, und nur für die höheren Klassen den herkömmlichen höhe- ren Say von 8 bis Groschen beibehalten. rei vom Schulgeld find fortan nur diejenigen, welche wirklich Almosenempfänger sind; für alle Uebrigen fordert die Stadt das Schulgeld in diesen abgestuften Säßen. Hält man dies fest, ermäßigt man das Séthulgeld auf den Saß, der auch für den unvermögenden Mann ershwinglih is, ermäßigt man das- Schulgeld namentlich in Beziehung auf mehre Kinder, daß man einem Vater, der 2, 3 oder 4 Kinder in die Schule schickt, nicht den höhern Schulgeldsaß abfordert, sondern es bei dem einfachen Saße bewenden läßt, läßt man diese Kautelen eintre- ten, so wird man alle Rücksichten erfüllt haben, die den Min-

derbemittelten zu Theil werden müssen.

begegnet einer andern Auffassung, die fi kürzlich \hriftstellerish geltend gemacht hat in dem sehr s{häzenswerthen Werke des rechtsgelehrten Professor Dr, Gneist über die Selbstverwaltun in England, der in Bezug auf das Schulwesen nicht die Auf- hebung des Schulgeldes beantragt , sondern ‘die Regulixung desselben in der Weise, daß jeder Vater für seine Kinder, ‘mögen es wenige oder viele sein, die s{ulpflichtig find, und mögen sie die Schule besuchen oder nicht, cin fest bestimmtes, mäßig bemessenes Schulgeld zahlt. Wenn man auf ‘diese

Dicse Auffassung , wie sie hier in Elberfeld drstfille ift, ift

Weise dem Schulgeld den Stachel nimmt, den es wegen seiner

den Segen und den Vortheil, den er von gebildeten und gut |

Man hat ferner geltend gemacht, daß die Unentgeltlichkeit

Wohlthat des allgemeinen Unterrichts nur durch Anwendung | des Prinzips der Unentgeltlichkeit voll gegeben werden könne. | Der erste Saß hat seine Richtigkeit ; ih möchte auch das Jn- F teresse, welches der Staat den ärmeren Klassen zuzuwenden hat, F nicht blos auf das finanzielle Jnteresse beschränken, daß er ihnen F das Schulgeld zu ersparen oder die Entrichtung - desselben zu er: F leichtern suche; sondern ih erkenne auch das sittliche Interesse an, das darin liegt, daß der Unbemittelte nicht auf die Posi- F tion des Almosensuchers gedrängt werde; ih glaube, es sind [F Einrichtungen nothwendig, die es auch dem Unbemittelten mög- F lich machen, für seine Kinder den Schulunterricht zu gewinnen, ohne sich eine Stufe unter das Niveau seiner Mitbürger herab- Aber diese Nothwendigkeit, diese Rücksicht führt nicht zu der Konsequenz, die von den Gegnern aufgestellt wird, e E ic N führt nur zu der Konsequenz, daß bei der Erhebung und Aus- | führung des Schulgeldes diesem Momente Rechnung getragen | r ] Einmal dadur, | daß das Schulgeld nicht in zu hohen Säven normirt werde. |

für seine Kinder aufbringen könnte, wird zu den sehr seltenen |

| gehen

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dhe oder wegen der. nur in Form der Armenunterstühung zu erwähnenden Schulgeldbefreiung haben kann, so ist dieses, glaube ich, ein durchaus. praftischer und gesunder Weg, welcher unsere Beachtung sehr wohl verdient, und auch bereits in Elberfeld wirkli gefunden hat. Aber auf alle diese Dinge näher cinzu- ist nur dann möglich, wenn der Bann aufgehoben wird, t auf der Erhebung des Schulgeldes liegt, wenn nämlich freien A delt S ote aen Tre das

ulgeld nach den Verhältnissen ihres Ortes zu reguliren.

S Meine Herren, man glaubt durch die Aufhebung des Schul- geldes den ünteren- Klassen eine große Wohlthat zu erweisen; indessen sind: darüber die Ansichten do verschieden ; es ist nicht allein die finanzielle Seite, um die es sich handeli, es kommt au ein Punkt der Ehre und der sittlichen Pflicht in Erwägung, der nicht außer Acht gelassen werden darf, und die Empfindung dafür isk an manchen Stellen in sehr entschiedener Weise kund ge- her worden. Jch komme hier zurück auf dasjenige, was der

der jeß es dem

err Abg. Hansemann in der Ersten Kammer bei Revision der erfassungsurkunde gesagt hat, und ih kann es mir nichk ver- sagen, die Worte die er gebraucht hat, hier mitzutheilen. Er sagic:

»Warum ist denn der Grundsaß so wichtig? Wir haben doch Gemeinden, worin das Scbulgeld nicht besteht. Warum wäre es denn ein so großer Fehler, wenn wir das, was in einzelnen Gemeinden besteht, allgemein als cinen Ber- fassungsgrundsay fesiseßten? Der große Fehler, meine Herren, würde darin bestehen, daß wir etwas als Verfassungs- norm aufnehmen würden, was im Grundprinzipe zur De- moralisation des Volkes beiträgt. | E

Ich habe in meinem öffentlichen Wirken gerade die größten Anstrengungen auf die Verbesserung der Zustände der hand- arbeitenden Volksklassen gerichtet, aber stets habe ih cs mir zur Pflicht gemacht, ihnen ans Herz zu legen, daß die Ord- nung, die Sparsamkeit die Quellen des besseren Zustandes sind, nah. denen zu streben is. Jch habe das Ehrgefühl in ihnen, zu wecken gesucht, nicht auf Kosten anderer zu leben, sondern sih mit eigener Handarbeit durchzuschlagen.

Dieses Ehrgefühl wird aber unterdrückt, wenn man den Menschen ohne Anstrengung das giebt, was zur Erziehung der Familie nöthig ist, was zu erwerben für die Moralität des Volkes, für die Aufrechthaltung des Ehrgefühls im Volke erforderlich ist. Indem ich gegen diesen s{lechten Grundsaß das Wort nehme, bemerke ich: wie nahe liegt es, wenn man den Grundsay aufnimmt, 2aß der Volksunterricht umsonst ge- geben werde, noch einen Schritt weiter zugehenund zu bestimmen, daß auch die Erziehung der Kinder unentgeltlich besorgt wer- den soll. Ueberall is es Regel, daß. die armen Kinder er- zogen werden, sei es durch öffentliche, sei es durch Privat- mildthätigkeit. Aber ih frage Sie, meine Herren, wenn Sie es als Verfassungsgxrundsay aufnehmen würden, die Kinder der Armen müssen in gleicher Weise anständig erzogen wer- den wie die Kinder aller Derjenigen, die in Volksschulen gehen, würde der Grundsay nicht dazu führen, daß das Familienlieben aufs Tiefste untergraben würde? Was aber hier in der Verfassung wieder aufgenommen werden foll, das is nichts Anderes, als ein Theil von dem, was ih eben gesagt habe; es ist der Anfang dazu. Hüte man sich, der- gleichen Prinzipien, die ins Jnnerste des sozialen Lebens ein- greifen, unvorsichtig in die Verfassung aufzunehmen ! Wenn das Geseh sich au einmal irrt, so kann man dies leicht ändern, wenn der Jrrthum eingesehen ist, aber die Ver- fassungsbestimmungen sollen etwas Dauerndes, etwas Sta- biles an sih tragen; wenn man da dergleichen Grundsäße aufnimmt, mit denen der Staat nicht bestehen kann, so halte ich das nicht für weise.« | /

Meine Herren! Mein Zweck, der Zweck der Regierung bei dieser ganzen Vorlage ist gar nichts anderes, als etwas, was unserer Ueberzeugung nach nicht in die Verfassung gehört, was nicht ein politisches Dogma in diesem Sinne ist, auf den Boden der einfachen Gesetzgebung zurückzuführen und auf den Boden der Autonomie der einzelnen Gemeinden, daß man thun und lassen fann, was die Verhältnisse fordern. Die Aecuße- rungen des Abgeordneten Hansemann stehen aber auch nicht

allein, auch an anderer Stelle sind von Leuten, die das Schul- |

wesen und die Verhältnisse im Volke im Auge haben, ganz ähnlihe Beobachtungen gemacht und ausgesprochen worden. Im Jahre 1857 wurde in England von dem Parlament eine Kommission ernannt für die Erforshung des Schulwesens in England und, auf dem Kontinent, diese Kommission hat dem- nächst ihren Bericht an die Königin erstattet und in diesem Bericht ist auch die Frage des Schulgeldes erörtert ; die Bericht- erstatter sagen: »Nach allen den Informationen, die wir in Eng- land eingezogen haben, is die Frage der Unentgeltlichkeit des Unterrichts eine inpopuläre ; das Ehrgefühl unserer Nation lei- det es nicht, es würde si beleidigt fühlen durch die Gewäh- rung des unentgeltlichen Unterrichts, «

sein sollte, daß das,

ch gehe nicht so weit, daß ih den unentgeltlichen Unter- richt Überall und unter allen Umständen verwerfen will; ih würde in denselben doktrinären Fehler verfallen, in den meiner Meinung nach die Majorität der Kommission verfallen ist, in- dem sie die Unentgeltlichkeit des Schulunterrichts als obligatorisches Prinzip aufrecht erhalten will. Jch erkenne vollkommen an, daß unter gegebenen Verhältnissen, wo reiche Stiftungen vor- handen sind, wo Wohlthäter vorhanden sind, wo die Kommu- nen mit Leichtigkeit es aufbringen können, was gefordert wird, wo sonst in friedlicher und gütlicher Weise ein Arrangement getroffen wird, daß da auch Verhältnisse möglich sind, wo kein Schulgeld bezahlt wird. Ich widerseßze mich der Sache nicht prinzipiell und unbedingt, aber daß ein Zwang eintrete, wie die Verfassungs8urkunde ces fordert, daß nunmehr auf das Schulgeld ein Interdifkt gelegt werde und alle Gemeindem, welche es ihren Verhältnissen entsprechend finden, das Schulgeld zu erheben, gezwungen werden sollen, das Schul- geld abzuschaffen und auf ihre Kommunalbudgets die ausfal- lenden Summen zu legen: von der Gerechtigkeit dieses Prinzips kann ih mi nicht überzeugen, Die Sachen sind nicht so un- bedeutend, wie es von Seiten der Kommission aufgestellt worden ist; für Berlin beträgt beispielsweise das Schulgeld 40,000 Thlr., für Breslau 20,000 Thlr., für Elberfeld 13,000 Thlr. Jch sage nit, daß es nicht möglich sei, es aufzubringen, aber fühlbar muß cs immerhîn werden, wenn diese Last zu den bisherigen hinzukommt. Und auf wen fällt dann die Last? Immer auf die mittlere Klasse; diese wird bei den direkten Steuern am schärfsten herangezogen, und ich glaube, der Zeitpunkt ist schr nahe, daß man die Steuerkraft der mittleren Klasse bereits im vollsten Maße angespannt hat und man sie nicht höher steigern ollte.

Auf dem Lande wird das Schulgeld, wenn ich nur den

Saß von 1 Thlr. als Durchschnitt annehme, auch in den flein-

sten Gemeinden mit nur einer einfklassigen Elementarschule in

der Regel 40—80 Thlr. betragen. Das is auch eine Summe,

die einer kleinen Landgemeinde shwer fällt, auf direktem Wege

aufzubringen, während man gewöhnt ist, in der bisherigen

Weise das Schulgeld aufzubringen, und ohne Druck auch ferner aufbringen wird, wenn nur die Rücksicht geübt wird, daß man dem Manne, der mehrere Kinder hat, nicht für alle Kinder das volle Schulgeld abforderk.

Meine Herren, wir haben in den Berathungen des Hau- cs an verschiedenen Stellen oft und mit Recht von der Auto- nomie und Selbsiständigkeit der Gemeinden gesprochen. Sie haben es dem Ministerium zum Vorwurfe gemacht, daß es in seinen Geseßvorlagen auf dem Gebiete des Schulwesens von dieser Autonomie der Gemeinden nicht den Gebrauch gemacht habe, den Sie für nothwendig halten. Jh will über den Vor- wurf in seiner Allgemeinheit ein Weiteres hier nicht sagen. Wenn aber jeßt hier ein Fall vorliegt, wo das Mini- sterium gerade für die Autonomie der Gemeinden auf dem Gebiete der Aufbringung der Schulbedürfnisse eintritt, dann möchte ich Sie doch fragen, ob es ganz konsequent ist, hier den Qwang eintreten izu lassen, und Sie bitten, dieser Autono- mie entgegen zu treten.

Nur. noch cin Wort über den Antrag der Herren Abgg. von Hennig und Twesten. Jch kann vom Standpunkte der Regierung aus nicht wünschen, daß dieser Antrag angenommen werde. Die Diskussion über die Frage hat begonnen ; es ist pro und contra geredet worden und es wird noch mehr pro et contra gesprochen werden. Suchen wir doch, meine Herren, eine Frucht daraus zu ziehen und wenn es auch nicht möglich was beschlossen wird, im Laufe der Session zu einem definitiven Abschluß kommt, so glauben Sie doh , meine Herren , daß eine Aussprache , die von Seiten des Hauses erfolgt, wie sie auch immer aus*falle, jedenfalls mehr zu Klärung und zur wahren Förderung der Sache bei- tragen wird, als wenn das Haus stillshweigend darüber hin- weggeht und sie in die Kommissions8berathung zurückverweist, T Tann daher nur den Wunsch aussprechen, die Frage voll- ständig durchzudiskutiren und dann zu einem materiellen Be-

\hlusse zu kommen.

Der dem Hause dex Abgeordneten vorgelegte Geseßentwurf, betreffend die Ausgabe von Talons zu den preußischen Staat®- \{uld-Verschreibungen, hat folgenden Wortlaut:

Wir Wilhelm , von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtags Unsrer

Monarchie, was folgt: i :

Einziger Paragraph. Die Ausreichung neuer Coupons», Serien nebst Talons zu den Staatss{huld-Verschreibungen erfolgt an den Tnhaber des mit der nächst älteren Serie ausgegebenen Talons gegen Rückgabe des Leßteren, sofern niht von dem Juhaber der be treffenden Schuldverschreibung bei der mit der Ausreichung der Cou- pons beauftragten Behörde rechtzeitig Widerspruch dagegen erhoben

wird; in diesem Falle erfolgt die Ausreichung der neuen Coupons- Serie nebs Talon an den Vorzeiger der Schuldverschreibung. Ein

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