1909 / 284 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Dec 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Wettbewerb um den Julius Helfftshen Preis für das Jahr 1910.

Der am 28. März 1894 zu Berlin verstorbene Landschaftsmaler Professor Julius Eduard Wilbelm Helfft bat in seinem am 6. April 1894 eröffneten Testamente vom 26. Juni 1875 die Akademie der Künste zu Berlin als Nacherbin in seinen Nachlaß eingeseßt mit der Bestimmung, daß von den Zinsen des ererbten Kapitals jedes Jahr ein deutscher Landschaftsmaler ein Stipendium zu einer Studienreise erhalten soll. Nachdem die Akademie der Künste nunmebr in den Besiß der Erbschaft gelangt ist, wird hiermit der Wettbewerb um den Julius Helfftshen Preis zum ersten Male eröffnet.

Der Preis beträgt 3000 46.

Bewerbungen um den Preis sind bis zum 1. April 1910 an die Königliche Akademie der Künste, Berlin W. 64, Pariser Plat 4, zu rihten, unter Beifügung nachstehender Schriftstücke :

a. eines Turzgefaßten Lebenslaufes, aus welchem vornehmlich die künstlerishe Ausbildung des Bewerbers ersichtlich ist,

b. eines amtlihen Nachweises, daß er die deutsche Neichsange- hörigkeit besitzt, und

c. einer Liste der für den Wettbewerb bestimmten Bilder.

Die für den Wettbewerb bestimmten Bilder sind jedoch nicht an die Akademie, sondern an die Große Berliner Kunstausstellung in Berlin, Landesausftellungspark am Lehrter Bahnhof, zu fenden, deren Aufnahmebedingungen der Bewerber \ich unterwirft.

Die Zuerkennung des Preises erfolgt bald nach Eröffnung der Großen Berliner Kunstausstellung 1910.

Preisrihter sind die Mitglieder des Senats und der Genofsen- schaft der Ordentlihen Mitglieder der Akademie, Sektion für die bildenden Künste.

Für die Beurteilung dur diese Preisrichter kommen jedoch nur diejenigen Bilder in Betracht, die von der Jury der Großen Berliner Kunstausstellung angenommen sind; eine Nachprüfung der von der Jury etwa zurückgewiesenen Bilder durch die Preisrichter der Akademie findet nicht statt.

Das Ergebnis der Entscheidung wird öffentlih bekannt gemacht. Die Reise muß binnen Jahresfrist- nah Zuerkennung des Preises an- getreten werden.

Der Preis wird in zwei gleichen Raten gezahlt; die erste beim Antritt der Studienreise, die zweite etwa drei Monate \päter, nach Erstattung eines Berichts über die Neise.

Die Kosten für Ein- und Nücksendung der Konkurrenzarbeiten hat der Bewerber zu tragen.

Berlin, den 22. November 1909.

: Senat, Sektion für die bildenden Künste. Arthur Kampf.

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Abgereist:

Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister des Jnnern von Moltke, nah der Rheinprovinz.

Niqtamfsiches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 2. Dezember.

Seine Majestät der Kaiser und König ‘nahmen gestern vormittag im Neuen Palais bei Potsdam den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats von Valentini entgegen. Heute vormittag hörten Seine Majestät die Vorträge des Kriegsministers, Generals der Jnfanterie von Heeringen, des Chefs des Generalstabes der Armee, (Generals der Infanterie von Moltke und des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Jnfanterie Freiherrn von Lyncker und empfingen darauf die Unterstaatssekretäre Wahn schaffe und Dr. Richter.

Der Bundesrat versammelte sih heute zu einer Plenar- sißung; vorher hielten die vereinigten Aus\chüsse für Handel und Verkehr und für Zoll- und Steuerwesen, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, der Aus\chuß für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Justiz wesen und für Elsaß-Lothringen sowie die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr Sizungen.

Anläßlich des Jnkrafttretens des Gesetzes, betreffend Ab - änderung der Gewerbeordnung, vom 28. Dezember 1908 (N.-G.-Bl. S. 667) sind die Ziffern 3, 218 (mit Ueberschrift), 220, die Abschnitte K und L und die Ziffer 274 der Aus führungsanweisung zur Gewerbeordnung vom 1. Januar f. J. ab durh neue Bestimmungen erseßt worden. Bei ihrer Veröffentlihung hat der Minister für Handel und Gewerbe die Regierungspräsidenten eru, die ' zur Mitwirkung bei Handhabung des Arbeiterschußzes berufenen Behörden und die beteiligten gewerblichen Kreise alsbald in geeigneter Weise, tunlichst auch mit Hilfe der Tageszeitungen, auf die am 1. Januar in Kraft tretenden neuen Be- stimmungen über die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und von Arbeiterinnen ausdrücklich hinzu- weisen. Als solche kommen hauptsählih in Betracht:

1) Das Anwendungsgebiet der Vorschriften in 135 bis 139a der Gewerbeordnung erfährt insofern eine Uenderung, als für seine Abgrenzung künftig niht mehr der Begriff der Fabrik, sondern die Zahl der in dem Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeiter maßgebend ist. Die bezeihneten Vorschriften gelten vom 1. Januar 1910 ab für alle Betriebe mit mindestens 10 Arbeitern, auch wenn diese Betriebe bisher niht als Fabriken anzusehen waren. Diejenigen gewerblihen Betriebe, für welche die §8 135 bis 139 a nicht gelten, auch wenn sie 10 oder mehr Arbeiter beschäftigen, sind im § 154 Abs. 1 ers{höpfend aufgeführt.

Unter die S8 135 bis 139 a fallen, wenn sie mindestens zehn Arbeiter beschäftigen, auch alle Motorwerkstätten einschließli der Getreidemühlen und alle Konfektionswerkstätten. Die 88 135 bis 139 a finden unter dieser Voraussetzung ferner in vollem Umfang An- wendung auf Konditoreien und Bäckereien, die in regelmäßigen Tag- und Nachtschichten arbeiten, und auf \olche Konditoreien, die nicht auch Backwaren herstellen; sie finden in den übrigen Bäckereien und Konditoreien mit mindestens zehn Arbeitern nur Anwendung auf Arbeiterinnen und auf diejenigen männlichen jugendlichen Arbeiter, die niht unmittelbar bei der Herstellung von Waren beschäftigt sind (S 154 Abs. 1 Nr. 5). |

Ohne Rücksicht auf die Zahl der beschäftigten Arbeiter unter stehen den 8§§ 135 bis 139 a Hüttenwerke, Zimmerpläßze, andere Bau- höfe, Werften, Werkstätten der Tabakindustrie, Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdish betriebene Brüche und Gruben (S 154 Abs. 2, § 154 a); die Vorschriften gelten ferner für Ziegeleien und über Tage betriebene Brüche und len dann, wenn fie in der Negel abideitens fünf Arbeiter beshäftigen 154 Abs. 2).

2) Nach den neuen Vorschriften in § 136 Abs. 3 und § 137 Abf. 4 ift den jugendlichen Arbeitern und den Arbeiterinnen nah Be endigung der täglichen Arbeitszeit eme ununterbrochene NRuhe- zeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren.

3) Die zulässige Arbeitsdauer ist für Arbeiterinnen auf

zehn Stunden, an den Vörabenden der Sonn- und Festtage auf acht Stunden beschränkt 137 Abs. 2). :

4) Die Nachtruhe für jugendliche Arbeiter und für Arbeiterinnen hat eine Grweitepung erfahxen: die Beschäftigung darf nicht mehr über 0 (bisher 84) Uhr Abends hinaus dauern und nicht vor 6 (bisher 93) Uhr Morgens beginnen. Am Sonnabend sowie an den Vor abenden der Sonn- und Festtage muß die Beschäftigung der Ar beiterinnen um 5 Uhr Nachmittags enden 136 Abs. 1 Say 1, S 137 Ub, 10 j

95) Die Vorschriften über die Pausen sind in der Hauptsache un- verändert geblieben; die Vorschrift in § 137 Abs. 5, daß Arbeiterinnen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen sind, ist jedoch auch auf Arbeiterinnen unter 16 Jahren ausgedehnt worden.

6) Die Vorschriften über den Wöchnerinnenshußz sind dahin er weitert worden, daß Arbeiterinnen vor und nah der Niederkunft im ganzen während aht Wochen nicht beschäftigt und nah der Niederkunft erst wieder eingestellt werden dürfen, wenn nah ihr nachweislich 6 Wochen verflossen sind 137 Abs. 6).

7) Die neue Vorschrift in § 137 a verbietet eine Uebertragung von Arbeit zur Verrihtung außerhalb des Betriebs für Sonn- und Festtage und für die Tage, an denen die jugendlichen Arbeiter und die Arbeiterinnen die geseßlih zulässige Arbeitszeit hindur im Betriebe beschäftigt waren. Für Werktage, an denen sie im Be- triebe kürzere Zeit bes, äftigt waren, ist eine Uebertragung von Arbeit zur Verrichtun( aufcebale “des Betriebes nur in dem Umfange zu- lässig, in dem Durchsnittsarbeiter ihrer Art die Arbeit voraussichtlich in dem Betriebe während des Nestes der geseßlih zulässigen Arbeits- zeit würden herstellen können.

8) Die zulässige Ueberarbeit erwachsener Arbeiterinnen bei außergewöhnlicher Häufung der Arbeit (§138 a Abs. 1 bis 4) hat eine dreifahe Beschränkung erfahren: a. sie darf 12 Stunden täglich niht überschreiten und muß eine ununterbrochene Nuhezeit von zehn Stunden freilassen; b. sie darf niht über 9 Uhr Abends hinaus dauern : c. während Ueberarbeit, ohne daß ein Ausgleich durch eine entsprechend kürzere Beschäftigung der Arbeiterinnen in der übrigen Zeit des Jahres einzutreten braucht, wie bisher bis zu 40 Tagen im Jahre erlaubt werden kann, ist die Befugnis der höheren Verwaltungsbehörde, an mehr als 40 Tagen Ueberarbeit dann zuzulassen, wenn dur (in reihung eines Betriebsplans ein solcher Ausgleih vorgesehen wird, jeßt babin beschränkt, If in diesem Falle Ueberarbeit höchstens an 90 Tagen im Jahre zulässig ist.

9) Die Bewilligung von Ueberarbeit zu den in § 105 c Abs. 1 Ziffer 3, 4 bezeihreten Arbeiten an den Vorabenden von Sonn und Festtagen ist insofern beschränkt worden, als die Ueberarbeit niht über 8 Uhr Abends ausgedehnt werden darf, und als die am Tage vor einem Sonn- oder Festtage nach 5 Uhr Nachmittags be schäftigten Arbeiterinnen am folgenden Sonn- oder Festtag arbeitsfrei bleiben müssen 138 a Abs. 5).

10) In Ziffer 240 Abs. 1a der Ausführungsanweisung ist ent sprechend den S8 137, 138a des Geseßzes bei Naturer eignissen oder Unglücksfällen die höchstens zu gestattende Arbeitsdauer für erwachsene Arbeiterinnen auf 12 Stunden beschränkt worden.

11) Bevor die höhere Verwaltungsbehörde mit Rücksicht auf die Natur des Betriebs oder die Arbeiter Abweichungen von den gefseßzlihen Vorschriften über die Pausen gestatten kann (durch die jedoch die ununterbrohene Nuhezeit der jugendlichen Arbeiter und der Arbeiteriunen nicht eingeschränkt werden darf), muß stets dem ständigen Arbeitetaus\{uß oder, wo ein solcher nicht besteht, den Arbeitern Gelegenheit zegeben worden sein, sich über die in Aus siht genommene Abweichung gutachtlich zu äußern.

12) Bei der Genebugzigung von UÜeberarbeit in den Fällen von § 138a Abs. T 5 und S 139 Abs. 1 Say 2 (bei außergewöhnliher Häufung der Arbeit, bei Verlegung der ge- seßlih am Sonntag erlaubten Arbeit auf den Sonnabend- nahmittag und bei einer Unterbrehung des regelmäßigen Betriebes durch Naturereignisse oder Unglücksfälle) ift zur Vereinfachung des Geschäftsganges die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde durch die neue Ziffer 3 der Ausführungsanweisung den Gewerbeinspektoren übertragen worden. Die bisher in der Ausführungsanweisung aufgestellten Grundsäße für die Handhabung dieser Genehmigungsbefugnis sind in die neue Fassung der Ausführungsanweisung nicht übernommen worden. Denn ihre Fassung hat zu manchen Mißverständnissen Anlaß gegeben, und nah den bisherigen Erfahrungen erscheint es auch niht wohl möglih, den mannigfachen Bedürfnissen des praktischen Lebens durch eine allgemein gültige Formel gerecht zu werden, wäbrend zu erwarten ist, daß auch ohne eine solche die Gewerbeaufsichts beamten auf Grund ihrer besonderen Vorbildung und ibrer gesamten dienstlihen Tätigkeit den billigen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Arbeitgeber und Arbeiter finden werden. i

Vor dem Königlichen Technischen Oberprüfungsamt in Verlin haben in der Zeit vom 1. April 1908 bis dahin 1909 im ganzen 267 Regierungsbauführer diz zweite Haup! prüfung bezw. Staatsprüfung für den Staatsdienst im Baufache nach den Vorschriften vom 1. Juli 1900 bezw. l. April 1906 abgelegt, und zwar 89 für das Hoch baufah, 85 für das Wasser und Straßenbaufach, 47 für das Eisenbahnbaufah und 46 für das Maschinen baufah. Von diesen Bauführern haben 223 die Prüfung be standen, und zwar 82 als Baumeister für das Hochbaufach, 66 als Baumeister für das Wasser- und Straßenbaufach, 40 als Baumeister für das Eisenbahnbaufah und 35 als Baumeister für das Maschinenbaufach: 6 haben das Prädikat „mit Aus zeichnung“ und 19 das Prädikat „gut“ zuerkamt erhalten.

___ Die Bauführer, welche die Prüfung bestanden haben, ind sämtlich zu Negierungsbaumeistern ernannt worden.

Von 755 Regierungsbaumeistern, die am 1. April 1908 im Staatsdienste beschäftigt waren, gehörten dem Hoch baufache 272, dem Wasser- und Straßenbaufache 172, dem Eisenbahnbaufache 152 und dem Maschinenbaufache 159 an.

Jm Laufe des Etatsjahres 1908 sind als Yauinspektoren etatsmäßig angestellt worden: 128 Negierungsbaumeister, und zwar für das Hochbaufach 26, für das Wafßer- und Straßen baufah 14, für das Eisenbahnbaufah 48 und für das Maschinenbaufach 40.

Jn den Ruhestand getreten ist 1 Rezierungsbaumeister des Maschinenbaufaches.

Die Entlassung aus dem Staatsdienste haben erhalten : 61 NRegierungsbaumeister;: davon gehörten dem Hochbau- fache 24, dem Wasser- und Straßenbaufach} 22, dem Éisen- bahnbaufache 2 und dem Maschinenbaufache 13 an.

Der Geschäftsträger der Nepublik Vinezuela Dr. Gil Fortoul hat Berlin verlassen, Während seiner Abwesenheit fungiert Dr. Manuel Carreyo Luces als interimistischer Geschäftsträger.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Hanfa“

1f a‘ gestern in Alexandrien eingetroffen und geht am 16. De zember vea dort nah Korfu in See.

S. M. S. „Jltis ist gestern von Nagasaki in See ge- gangen.

S. M. Flußkbt. „Vaterland“ geht heute von Tschung- king (Yangtse) nah Wanhsien ab.

Sachsen. Seine Majestät der König Friedrich August ist, . L. B.“ zufolge, gestern nahmittag, von Tarvis kommend, Dresden wieder eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

Das österreihische Abgeordnetenhaus seßte gestern die Beratung der Dringlichkeitsanträge, betreffend die Mino- ritäts\chu len, fort.

Nach dem Bericht des ,W. T. B.* erklärte der Abg. Glom binski, daß der Polenklub gegen die Dringlichkeit der Anträge stimmen werde. Der Abg. Vrtina bezeichnete die Frage der Minoritäts\hulen als den Kernpunkt der ganzen nationalen ¿Frage. Der Abg. Weidenhofer erklärte im Namen des deutsh-nationalen Verbandes, daß dieser gegen die Dringlichkeit der Anträge stimmen werde. Die Deutschen würden alles daran seßen, um Wien und Nieder-Oesterreih unges{chmälert deutsch zu erbalten. Der Abg. Metelka trat für Erhaltung der Minoritäts\{ulen ein.

Nachdem noh mehrere Redner gesprochen, vertagte sich das Haus auf heute.

Die Slavische Union hat beschlossen, um dem Polen- flub für dessen Aktion den nötigen Spielraum zu geben, in die Verhandlung des Budgetprovisoriums einzutreten.

Der ungarische Ministerrat hat, „W. T. B.“ zu- folge, in der gestrigen Sißzung beschlossen, auf Enthebung des Kabinetts zu dringen, falls der König den Entwirrungsvor schlägen der Regierung nicht zustimmt. Der Ministerpräsident Dr. Wekerle wird heute in Wien dem Monarchen in Privat audienz den Beschluß des Ministerrats unterbreiten.

Großbritannien und Frland.

Der Premierminister Asquith teilte, „W. T. B.“ zu folge, in der gestrigen Sizung des Unterhauses mit, daß er heute, da die Finanzbill in zweiter Lesung vom Hause der Lords abgelehnt worden sei, folgenden Antrag einbringen werde:

Das Vorgehen der Lords, die es abgelehnt haben, dem Finanz entwurf für das laufende Fiskaljahr Gesetzeskraft zu verleihen, charakterisiert sich als ein Berfassungsbruh und als - eine Anmaßung der Nechte des Unterhauses. (Lebhafter Beifall bei den Ministeriellen.)

Das Haus vertagte sich unmittelbar nah der Erklärung des Premierministers.

Die National Liberal Federation veröffentlicht eine Erklärung, in der nohmals die Gründe aufgezählt werden, die gegen das Vorgehen der Lords sprechen, und in der das Volk aufgerufen wird, seine so teuer erkauften Privilegien und. Rechte zu verteidigen sowie gegen Schutzzölle und Be steuerung der Nahrungsmittel Schußmaßregeln zu ergreifen.

Die Zeit sei reif, so heißt es, obiger Quelle zufolge, weiter, für eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Oberbaus und Unterhaus, und zwar in der Weise, daß die liberalen Grundsäße nachdrücklich zur Geltung gelangten. Ohne eine Einschränkung des Vetorehts der Lords werde kein liberales Ministerium ih wieder bereit finden lassen, die Regierung zu übernehmen.

Der Ausschuß der Arbeiterpartei faßte gestern ein stimmig einen Beschluß, in dem gesagt wird, die Handlungs weise der Lords bedrohe die Freiheiten des Volkes, und diese Freiheiten könnten nur durch vollständige Abschaffung des Ober hauses gewahrt werden.

Das Oberhaus trat gestern zusammen, um über das vom Unterhause wieder zurückverwiesene Landes kulturgesetz zu beraten. Das Unterhaus hatte die Mehrzahl der vom Ober haus zu dem Geseß gemachten Zusäße mit der Begründung ab gelehnt, daß sie eine Verleßung der Vorrechte des Hauses der Gemeinen bedeuteten. Wie das „W. T. B.“ berichtet, bestanden die Lords nicht auf ihren Abänderungsanträgen, womit das (Gesetz angenommen ist. Lord Lansdowne führte aber heftige Klage gegen diese Behandlung von seiten des Unterhauses und wandte nich nachdrüccklich gegen die Art, in der seiner Meinung nach die Minister die Vorrechte des Unterhauses benußten, um dem Oberhause die Möglichkeit zu nehmen, über Dinge zu ver handeln, zu deren Erörterung es befugt sei. Eine in diesem Sinne gehaltene Resolution wurde mit 41 gegen 21 Stimmen angenommen.

Frankreich.

Der Minister des Aeußern Pichon hat dem Abgesandten Mulay Hafids mitgeteilt, daß er möglichst bald eine Antwort auf seine lezten Mitteilungen über die Borschläge Frankreichs erwarte. Wie el Mokri, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, erklärt, ist der Brief des Sultans, der die gewünschte Antwort enthält, unverzüglih in Paris zu erwarten, und wird dann sogleih der Regierung mitgeteilt werden.

Rußland.

Von der Neichsduma ist gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“ mit allen gegen drei Stimmen der Rechten ' / y J eine vom Zentrum vorgeschlagene Formel angenommen worden, worin die Handlungsweise des ehemaligen Handelsministers Timirjasew in Sachen der Verpachtnng von Parzellen naphthahaltigen Bodens für ungeseßmäßig und die von ihm darüber abgegebenen Erklärungen für unbefriedigend erklärt werden.

Belgien. Die Deputiertenkammer hat, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, nah erregter Debatte das Militär- geseß in zweiter Lesung mit 104 gegen 49 Stimmen bei fünf StUmmenthaltungen angenommen.

Türkei. Die Deputiertenkamm er hat nah einer Meldung des „W. T. B,“ in der gestrigen Sißung die Vorlage, betreffend Bildung eines Reserveoffizierkorps, angenommen.

Dänemark. Die zur Beratung über die Erhebung der A nklage gegen

die früheren Minister Christensen und Sigurd Berg eingeseßzte Folkethingskommission hat géstern Bericht er- stattet. Wie das „W. T. B.“ mitteilt, beantragt in diesem

Bericht die Majorität, bestehend aus Mitgliedern der Rechten,

aus Radikalen und Sozialdemokraten, die beiden genannten früheren Minister wegen der dienstlichen Beziehungen, die sie in den Jahren 1906—08 zu dem damaligen Justizminister Alberti hatten, vor den Staatsgerichtshof zu stellen. Der Anklage- antrag gegen Christensen wird u. a. damit begründet, daß er als Ministerpräsident und Verteidigungsminister troß vor- handener Verdachtsgründe nicht verhindert habe, daß Alberti sein Amt zu seinem eigenen Vorteil und zu dem seiner Ber wandten mißbraucht habe, ferner daß Christensen troß der im Reichstage gegen Alberti erhobenen Beschuldigungen es unterlassen habe, eine Untersuchung einzuleiten, und daß troß der vor liegenden ungünstigen Nachrichten über die Verhältnisse bei der Seeländischen Bauernsparkasse, deren Präsident Alberti war, Christensen dieser Bank aus der Staatskasse ein Darlehen von eineinhalb Millionen Kronen gewährt habe. Der Anklage antrag gegen Berg wird damit begründet, daß er als Minister des Innern troß verdächtiger Nachrichten über die Beziehungen Albertis zur Seeländischen Bauernsparkasse es versäumt habe, die Lage der Sparkasse untersuchen zu lassen.

Amerika.

Der amerikanische Staatssekretär Knox hat dem nicara guanischen Geschäftsträger, wie das „W. T. B.“ meldet, mit teilen. lassen, daß die Vereinigten Staaten diejenigen Personen, denen die Hinrichtung der beiden Amerikaner Groce und Cannon zur Last falle, hierfür verantwortlich mache. Dem Geschäftsträger sind seine Pässe mit einem Begleitschreiben zugestellt worden, in dem der Staatssekretär Knox ausführt, Zelaya habe seit dem Washingtoner Uebereinkommen vom Jahre 1907 fast beständig Zentral amerika in Unruhe verseßt und den nationalen und internationalen Frieden gestört. Er sei ein Tyrann, dessen Verwaltung den guten Namen einer Regierung be flecke. Knox erkennt an, daß die Nevolution der Ausdruck der Ansichten des Volkes von Nicaragua sei, erklärt aber im übrigen, daß beide Parteien verantwortlich seien für Hand lungen, welche die Jnteressen Amerikas berührten. j

Der norwegishe Dampfer „Stavangeren“ ist, der „Associated Preß“ zufolge, von New York mit Waffen und Munition für die Jusurgenten in Blue Fields eingetroffen. Diese sind nunmehr mit Maschinengewehren und Handfeuer waffen sehr gut versehen. Wie ferner gemeldet wird, hat Estrada die Offensive ergriffen.

Asien.

Die persishe Regierung hat, „W. T. B.L zufolge, dem russischen Gesandten amtlih ihr tiefstes Bedauern wegen des Ueberfalls auf die Karawane des Heneralkonsuls Passek aussprechen lassen. Zur Bestrafung der Schuldigen würden sofort über tausend Mann entsandt werden. Auch werde die persische Negierung unverzüglih eine entsprechende Entschädigungssumme einzutreiben versuchen oder selbs Schaden ersaß leisten.

Das russishe Detachement in Astara hat mehrere Er fundigungsmärsche unternommen, auf denen festgestellt wurde, daß Nakhim Khan nah dem Kara Dag abgezogen ist und die Schahsevennen ihre üblichen Quartiere aufgesucht haben.

Australien.

Das Repräsentantenhaus des australischen Bundes- staates hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, in zweiter Lesung den Geseßentwurf, betreffend die Aufnahme einer Flotten- anleihe, angenommen. Die Anleihe soll zur Beschaffung eines Kreuzers vom Jndomitable-Typ, von 3 Kreuzern zweiter Klasse vom Bristol-Typ, 6 Flußkanonenbooten und 3 Unterseebooten bestehen. Diese Schiffe werden ‘die australishe Flotten einheit bilden, die im Verein mit der indishen und der cine sischen Flotteneinheit 39 Schiffe, d. i. das für die Ostflotte fest geseßte Minimum, ausmachen wird. Die jährliche Gesamt ausgabe Australiens für das neue Geschwader wird 785 000 Pfund Sterling betragen, wozu die Kaiserliche Negierung einen Beitrag von 250 000 Pfund angeboten hat.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sizung des Reichstags befindet sh in der Ersten Beilage.

Das Mitglied des Herrenhauses Graf von Redern ist, wie die „Kreuzzeitung“ berichtet, am 1. d. M. in Görlsdorf bei Angermünde gestorben.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus St. Paul (Minnesota) wird dem „W. T. B." gemeldet, daß auf der Duluth-Lake-Superior-Eisenbahn gestern alle Güterzüge stillagen. Zollte der Ausstand der Weichensteller andauern, so würden 10000 Mann ausgesperrt werden. Eisen bahnbeamte versehen auf den Bahnhöfen in St. Paul Weichensteller dienste. (Vgl. Nr. 283 d. Bl.)

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin hält eine All- gemeine Sißzung am Sonnabend, Abends 7 Uhr, im großen Saal des Architektenhauses, Wilhelmstraße 92, in der der Professor Dr. G. Merzbacher aus München (als Gast) über seine neue Forschungs- reise in den Tian-Schan 1907 und 1908 (mit Uchtbildern) sprechen wird.

A. F. Vor ausverkauftem Hause sprach am Dienstagabend im Theatersaal der „Uran ia", Taubenstraße, der Oberleutnant Gra eh über seine Durhquerung von Afrika im Automobil. Als vor jeßt länger als zwei Jahren die Absicht des fübhnen Unternehmens einer solhen Fahrt über weg- und stegloses Land von ungeheurer Ausdehnung zuerst öffentlih bekannt wurde, da mochte mancher von einem sinnlosen, unmöglich ausführbaren Plane gesprochen und heillosen Mißerfolg vorausverkündet haben. Denn, fo bekannt es auch {on war, daß ähnliches in Asien, in China und Sibirien mit Erfolg ausgeführt worden, es gab hier doch ab und zu noch Wegestrecken, die sich im Zustande der Passierbarkeit hefanden, aber .. . Afrika!? Dann kamen im „Berliner Lokal- Anzeiger“, der das Veröffentlihungsrecht der Berichte erworben, von Zeit zu Zeit Nachrichten über das Unternehmen. Anfang August 1907 war Dberleutnant Graeß mit feinem Freunde Roeder und einem Chauffeur

von Daresfalam în einem deutschen, besonders standhaft ge- vauten Automobil abgefahren, aber schon die ersten Berichte ließen die unerhörten Schwierigkeiten erkennen, und kaum ein Leser mag von da ab den letterhaltenen Bericht beiseite gelegt haben ohne die stille oder laut ausgesprochene Befürchtung, daß ein nächster Bericht wohl den Nekrolog d?r Wagehalsigen bringen werde, da Gelegenheiten, Hals und Beine zu brechen, mindestens aber das Automobil vernichtet zu sehen, sich in Hülle und Fülle boten. Jedoch immer wieder kamen von Zeit zu Zeit Berichte, \chlichtèn, , bescheidenen Tones, von ungeheuren Schwierigkeiten und Gefahren, glüccklich über wundenen Maschinenshäden und Mettungen aus Fährlichkeiten erzählend, aber ungebro-chenen Mut der Unternehmer, selbt kecken Humor troß alledem zeigend, und immer erwartungsvoller \ah man dem Schluß der Fahrt entgegen, vor der ih allerdings die größten Hemmnisse erst in ihrem leßten Drittel, in der wasserlosen Kalahari Wüste, türmen follten. Das ganze Jahr 1908 verging darüber. Da, im Mai dieses Jahres traf die Glückskunde ein, Oberleutnant (Graeßz sei heil und gesund, auch mit heilem, wenn \chon stark geflicktem Automobil in den legten Apriltagen, nah einer 630 Tage (!) dauernden Neise in Swakopmund, seinem Ziel angelangt. Mit dem ersten Dampfer kehrte der Reisende nah Europa zurück, hatte bei seiner Ankunft in Hamburg die Ehre, sih Seiner Majestät dem Kaiser vorstellen, auch sein wackeres Automobil zeigen zu dürfen, und nun erfreute er mit einem fesselnden Bericht feiner Erlebnisse, nachdem er inzwischen die in großer Anzahl aufgenommenen Photo graphien sorgfältig hatte kolorieren und zur Begleitung seines Vor trags dur ansprechende Lichtbilder vorbereiten lassen. Diese hatten in der Tat seinen Zeitungsberichten gefehlt, um sie so anscau- lich, fo glaubwürdig und bestens beglaubigt zu gestalten, als fie jeßt dem mit größter Aufmerksamkeit dem Vortrage folgenden Publikum erschienen. Es ist an dieser Stelle niht mögli, dem Ver- dienste von Oberleutnant Graeß um eine ihm und in ihm deutschem Mannesmut, deutscher Ausdauer in der Durchführung eines Unter- nehmens von unsagbaren Schwierigkeiten zur hohen Ehre ge- reichende Tat voll gerecht zu werden. Es ist nicht tunli, diese ohne alle Nuhmredigkeit geschilderten Vorzüge, die Ueber- windung dieser zahllosen Hindernisse und Beschwerden hier wieder zugeben. Sie müssen gehört und an den trefflihen Bildern gesehen werden. So seien hier bloß einige Etappen der langen Neise mit- geteilt. Die Fahrt ging von Daressalam, den sogenannten ofst- afrikanishen Graben freuzend, nah Tabora, dem Hauptort Inner- Deutsch - Ostafrikas, dann nach Bismarckburg am Tanganyika - See und diesen mit dem Dampfer passierend, hinüber auf eng- lishes Gebiet: zum Zambesi, der unter Benußzung der Eisen bahnbrücke überschritten wurde. Auf der weiteren Fahrt wurde ein Absteher nach JIohannisberg gemacht und hierauf die gefahr- und entbehrungsreihe Durchquerung der Kalahari-Wüste ausgeführt. Erst auf dem Boden Deut|ch-Südwestafrikas angelangt, sah der Reisende das glücklihe Ende seines Unternehmens voraus und eilte nun mit wieder gehobenem Mut und Vertrauen über Windhoek nah Swakopmund. ODreimal hatte er unterwegs mit dem Chauffeur

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wechseln müssen, der Freund und Reisebegleiter Noeder hatte die Ueberfahrt in Bolawayo aufgeben müssen; unzählige Male hatte man das Automobil reparieren, mehrfach, um einen Fluß zu kreuzen, es ganz auseinandernehmen müssen. Alles Ungemah aber fand ih reihlich belohnt durch den endlihen \{önen Erfolg.

Das in den nächsten Tagen erscheinende Weihnachtsheft von „Nord und Süd“ bringt neben vielen interessanten Beiträgen (ungedruckten Bismarlkbriefen, einer neuen Novelle „Seelsorger“ von Paul Heyse, Komödienszenen von Clara Viebig, \cherzhaften Cisen- bahnregeln von Jos. Kainz usw.) eine Skizze des Bildhauers Adolf Brütï „Wie ein MarmorwerT entsteht“. Die meisten Plastiker unserer Tage schließen ihre Arbeit damit ab, daß sie ihr Werk in Ton modellieren. Die Uebertragung des in Gips abgegossenen Modells wird einem höheren Handwerker oder Techniker, dem Marmorbildhauer, übertragen. Es gibt aber be kanntlih eine alte, schwierige Methode, nah der der \{öpferische Künstler selbst, ohne Maschine und ohne Punkte, die Gestalt aus dem Marmorblok frei heraushaut. Diese Arbeitsweise, meint Brütt, die von den Griechen und später von Michelangelo und anderen Nenaissancemeistern geübt wurde, mache den Künstler erst zum wirk lichen Bildhauer. „Die anderen sind Modelleure“, sagt Adolf Hilde

brand mit Recht. Ueber die Art solcher Bildhauerei im eigentlihen Wort

sinne macht Brütt folgende Mitteilungen : „Beherrs{ht man den Marmor |

endlich dur lange Uebung, dann beginnt erst das Shwelgen und die hêchste Lust in der Formgebung, zugleich eine aufregende und sehr anstrengende Tätigkeit. Denn der Marmor brauht \chwere Hiebe, und nur eine feste Faust kann ihn zwingen, sein Bestes her zugeben, und doch ift cs, als freue er sich der Erlösung. Wenn man es so weit gebracht hat, dann erst versteht man die Größe Michelangelos ganz und beugt sih vor ihm in tiefster Verehrung. Welche Muskelkraft, welche ¿Formvollendung und dabei welche bis ins tiefste Innere dringende Stimmung in seinen Werken! Es i} meiner Ansicht nach Spielerei, nah jeßt beliebter dekadenter Weise mit ver \{wommener, ungeschickter Formgebung Stimmung zu erzielen. Das kann jeder mit Empfindung und Stimmung begabte Dilettant. Aber wie Michelangelo troß vollendeter Form zur Seele Dringendes zu schaffen, das ist Meisterschaft, und das i} unsterblich. Nun zur Sache! Die älteste Methode, feine Gedanken, oder besser Empfindungen, in Marmor zu übertragen, wurde fo gehandhabt, daß man sich bei komplizierten Entwürfen ein kleines oder großes Hilf8modell aus Wachs oder Ton machte, um mit wenig Zirkel messungen über den WMarmorblock richtig disponieren zu können. Denn der Blok hat meist sehr unregelmäßige Form, und man hat der Kosten wegen Ursache, vorsichtig zu prüfen, ob das, was man schaffen will, auch in ihm enthalten i. Beim groben Behauen mit dem Spitétisen und etwa vierpfündigem Hammer muß man natürlich am meisten aufpassen; denn eine Unrichtigkeit der Meißelführung, die sih sehr nach der Lagerung des Materials rihten muß, kann die ganze Sache verderben. Gerade im Anfang ist die Gefahr des Verhauens am größten, weil man unwillkürlih fast in Wut gerät über die Zähigkeit und Wider- \spenstigkeit des Marmors. Wenn dann die allgemeinen Formen mit dem Spitzeisen angedeutet sind, legt man das Banzte mit dem Zahn eisen an, und erst, wenn das geschehen, nimmt man möglichst \{chöne Natur zum Modell. Vorher kann es niemand in der nächsten Um gebung des Arbeitenden aushalten, weil die losgesprengten Marmor- [chrotten mit folcher Vehemenz durch den Naum s\sausen, daß sie mit unter Fenstersheiben durhs{lagen. Ap beginnt die Vollendung mit dem scharfen, {malen Flacheisen, mit NRaspel und Sandpapier, und dabei kann es einem wohl begegnen, daß man ih in seine selbft geschaffene Gestalt verliebt. Jch kann den armen Pygmalion durch aus verstehen.“

In München soll im Mai k. J. eine Ausstellung von Me ister- werkten mohammedanisher Kunst eröffnet werden. Die Kom missare haben den größten Teil Europas bereist und {on jeßt ein der artig reihes und kostbares Material gewonnen, daf die volle Durch führung des Programms im wesentlichen gesichert ersheint. Es handelt ih nicht nur um Kunstwerke der Malerei, Plastik, Teppichweberei und des eigentlihen Kunstgewerbes jeder Art, sondern auch um die mannigfaltigsten Dinge des täglichen Gebrauchs aus alter Zeit, wie Waffen, Kanonen, Zelte, Fabnen, Standarten, Sättel, Geschirre, Trophäen, Bücher, Musikinstrumente, Stoffe, Kostüme u. a. m. Die große Prinz Lu dwighalle wird nah Entwürfen des Pro- fessors Dr. Theodor Fischer zu einem Festsaal umgewandelt, an den fi die erforderlihen Nebenräume anschließen. Diese Festhalle, die bei voller Jnanspruhnahme mehrere tausend Zuschauer in einem Amphitheater vereinigt, soll auch den abendlihen Veranstaltungen des Auss\tellungsjahres dienen. Großes Interesse dürfte die Ansiedlung orientalisher Handwerker finden, die bereits in Konstantinopel und Kleinasien angeworben worden sind, um in dem Ausstellungspark

in einem architektonisch entsprechend ausgestalteten Gebäude ihre lwi- mischen Kunstfertigkeiten, z. B. Teppichknüpfen und -weben, Arbeiten in Seide, Baumwolle, Metall, Gold und Silber, im Betriebe vor=

zuführen.

__ Professor Parker von der Columbia Universität, der Cook a uf etner Heise zum McKinley- Berge begleitete und an der Besteigung der unteren Hälfte des Berges mit teilnahm, erklärt, wie die „Tägl. Nundschau“ mitteilt, die Erzählungen Cooks, daß er den Gipfel des Berges erstiegen habe, als Lüge. Dr. Parker gab folgende (Srkflärung ab: „Mit tiefem Bedauern fühle ich mich ge- zwungen, die Ehre und Mannhaftigkeit eines persönlichen Freundes zut verleßen. Nichts als bittere Notwendigkeit hat mich dazu gezwungen. (Fs ift jedoh ein Fall, in. dem die Wahrheit und Gerechtigkeit sowohl wie die Wissenschaft und die Zivilisation mir mein Berhalten vor- schreiben. Dr. Cook hat nie den Mc Kinley Berg, wie erx vorgibt, bestiegen.“

Literatur.

Cduard Engel: Goethe, Der Mann und das Werk. (Concordia, Deutsche Verlagsanstalt in Berlin, ‘8,50 4.) Ein neues Buch in der fast unübersehbaren Goetheliteratur, aber eines der wenigen, die man nicht missen möchte. Professor Engel hat es „für die bewußt genießenden Freunde Goethes geschrieben, denen es sagen will, was lle niht ohne weiteres selbst wissen fönnen, das aber von der Voraus- seßung ausgeht, zu gebildeten Deutshen zu ‘sprehen“. Das Buch fordert also das Vertrautsein mit den Hauptwerken des Dichters und eine gewisse Kenntnis seines Lebensganges. Das sind Voraus]eßzungen, ohne die eine Goethebiographie überhaupt unfruchtbar und wirkungslos bleiben muß, und unter ihnen hat der Verfasser auh auf das Nach- erzählen des Inhalts der Schöpfungen Goethes verzichtet, das, wie er mit Necht sagt, um nichts dadurch vornehmer wird, daß man es Analyse nennt. Die durch nichts zu ersetenden Aufschlüsse, die uns Goethe selbst so reihlich über sh und sein Werk bietet, bilden in allen seinen Teilen die Grundlage dieses Buches. Es gibt keine zweite Schrift über Goethe, in der dem Dichter selbst \o oft das Wort gelassen wird. Schon dieser Vorzug allein macht das Buch auch für den engeren Kreis der Goethekenner überaus wertvoll: denn wem sind die nach Tausenden zählenden, in den Annalen, Briefen, (Gesprächen und in den eigentlichen Werken Goethes verstreuten Angaben persönlicher Art jederzeit gegenwärtig oder auch nur ohne weiteres leiht und nell zugänglih? Aber diese reihen und wertvollsten Quellen find ferner mit so großem Geschick, mit einem \o feinen p\ychologishen und künst lerishen Berständnis benußt, daß sie, weit entfernt als gehäufte Zitate zu stören, überall an der rechten Stelle die Darstellung klären, be- fruchten und beleben. Als eine weitere gesunde Grundlage des Buches verdient hervorgehoben zu werden, daß der Verfasser die Keime und das Werden der einzelnen Dichtungen zwar soweit als möglich aufdeckt und verfolgt, daß er aber vor dem Geheimnis, das den fünstlerishen Zeugungs- und Neifeprozeß in den Tiefen der Künstler- seele verhüllt, Halt maht und nicht überklug flarzulegen versucht, was ih dem Spürsinn doch immer zu entziehen weiß. Dieselbe (Finsicht bewahrt ihn auch vor einer Uebershäßung der äußeren Einflüsse, der Umwelt, auf den Werdegang des Dichters, wie sie ihn davon abhâlt, etwa Grerbtes aus unzulänglihen oder unzugänglihen Quellen abzu

leiten. Die Darstellung verbindet nah dem geschichtlichen Verlauf Leben und Dichtung. Allgemein - Geschichtlihes und Kulturgeschicht- liches ist zurückhaltend, aber für das Verständnis durchaus genügend eingefügt. Jedem Abschnitt sind auch noch kurze Angaben über wichtige, das Leben des Dichters unmittelbar oder mittelbar berührende Zeitereignisse vorgestellt. Einige Kapitel bieten zusammenfassend ein Urteil über bestimmte Grundzüge der Lebens- oder Kunstauffassung Goethes: über feine Weltanshauung, seine Persönlichkeit, seinen menschlihen Charakter, seine Symbolik, seine Sprahe und feinen Stil. Der Verfasser erweist sih als ein begeisterter Goetheverehrer, aber auch als ein wahrhaftiger, der der freudigen Ueberzeugung ift, daß Goethe als Mensh wie als Dichter au vor einer eingehenden und unbeeinflußten Forshung als wahrhaft groß und verehrungswürdig besteht. So vershmäht es Engel, die Schwächen im Charakter Goethes zu bemänteln, das Abirren dieser überreihen Natur von threm Künstlerberuf als in jeder Weise glücklihe Bereicherungen in threr Entwicklung darzustellen, jede Stufe seiner künstlerishen Laufbahn als ein angebli ununterbrochenes Fort|hreiten zu preisen, die Mängel einzelner Werke zu verhüllen, kurz die Grenzen, die auch diesem Genius als Mensch wie als Künstler gesteckt waren, zu verwischen. Da begeisterte Liebe zu Goethe und ein tiefes mens{liches und fkünstlerishes Verstehen dieser Kritik die Wage halten, kommt die Betrachtung zu einem Gesamt ergebnis, dem man in allem Wesentlichen zustimmen kann. Selbst verständlich ist dabei, daß die Stellungnahme Engels zu dieser oder jener Frage auf Widerspruch stoßen wird. Das wird nicht nur durch die überreiche Fülle der aufgeworfenen psychologischen, künstlerischen, historischen, politischen, naturwissenschaftlichen, philosophischen Fragen bedingt, sondern ist au die natürliche Folge der temperamentvollen Art, mit der Engel seine Arbeit durchgeführt hat. Und doch liegt gerade in ihr ein fo großer Reiz des Buches, daß der Leser es gern mit in den Kauf nehmen dürfte, wenn ibm Verfasser gelegentlich über das Ziel hinauszugehen \ch{eint.

nah Ansiht des Referenten in der Charakteristik der

Stein und der Christianes der Fall. Engel \ößt die

unbarmherzig von dem Thron, den sie in der Borstellung wohl der meisten inne hatte. Er führt, um die großen Mängel ihres Charakters und die Beschränktheit ihres Verständnisses für Goethe und seine Dichtung zu erweisen, ein so reihes und \tihhaltiges Material an, daß jeder, der der Gerechtigkeit die Ehre gebe:

muß: Die Frau von Stein war der größte Irrtum Goethes und seine größte Enttäushung. Engel hat im Grunde also ein gerechtes Urteil ausgesprochen, im einzelnen wird er Charlotte von Stein aber nicht gerecht. Ihre guten Seiten beleu{htet erx nur flüchtig, auch Kleinigkeiten werden ihr als große Schuld angerechnet, Goethes Schuld an dem der Form nach tief kränkenden Bruch scheint dagegen nicht ge- nügend hoch in Rechnung gestellt. Geht hier, wo es einen unver dienten Ruhm zu zerstören galt, Engel erklärlicherweise zu weit, fo treibt ihn sein gerechter Eifer, Christiane, die zu unrecht fo viel Ver- lästerte, auf den thr gebührenden Plat zu stellen, au über das Ziel hinaus. Dieses urgesunde, durchaus anständige und offenherzige Wesen nach drücklih in Schuß genommen zu sehen, muß uns berzlih freuen, die Schilderung des ehbelihen Lebens mit Goethe muß aber troßdem, namentlich was das eigentlih geistige Zusammenleben anlangt, doch überzeihnet erscheinen. In dem leßten Teile des Buches würden nah Ansicht des Referenten einige Kapitel durh eine Er-

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weiterung und Vertiefung gewinnen, so der Abschnitt über Goethe als Politiker und in dem Kapitel ,Goethes Weltanschauung" die Ab shnitte über Philosophie und Religion. Das aber sind Kleinigkeiten, die gegenüber dem Ganzen nicht ins Gewicht fallen. Engels „Goethe“ ift ein auf fo tüchtigen Grundlagen, mit einem fo tiefen Berständnis aufgeführtes, ehrlihes Werk, daß es unter der Goethe literatur einen Ghrenplay beanspruchen darf. Möge keiner, der sein Verhältnis zu dem Genius, „der jedem gebildeten Deutschen unserer Zeit das wichtigste geistige Erlebnis ift“, vertiefen und kräftig beleben will, an diesem wertvollen Buche vorübergehen.

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Hof Bokels Ende. Ein Bauernroman aus der Lüneburger Heide. Von Nathanael Jünger. Geh. 4 #4; gebdn. 5 M. Gafioe Ritgerodts Reich. Ein Roman aus der Lüneburger Heide. Von Nathanael Jünger. Geh. 4 4; gebdn. b 4. Wismar i. Meckl., Hinstorffshe Verlagsbuchh.

Wilhelm von Humboldt in seinen Briefen. Aus- gewählt und eingeleitet von Professor Dr. Karl Sell. Gebdn. 2.