1910 / 28 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 02 Feb 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Grofhhaudelspreise von, Getreide an deutschen unv fremden Vörsenplätzen für die W o checevom 24, bis 30, Januar 1910 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark. N (Preise für greifbare Ware, soweit niht etwas anderes bemerkt.)

Woche | Da-

24./30. | gegen

Januar | V or - 1910 |w ohe

166,67| 167,58 927,17| 226,58 166,42| 166,08

Berlin. Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 g das 1 . Weizen, , ¿ 7 70D & DaS L. Ae, x ; ; 450 g das 1

Mannheim. Roggen, Pfälzer, russischer, mittel . .

Weizen, Pfälzer, russischer, amerik, rumän., mittel . Hafer, badischer, Eer) Gerste I DAOO e Der Ml n 173,12 De Ute Ml N 136,75)

: Wien. | Roggen, Pester Boden . .. ; A2 Ol O 264,29 Balere Na E, A 138,52| Ge O e e 6 L 142,77] Mais, ungarischer . e N 118,12/ Budapest. | Dee

w D d 0 2-E .

1 72,90] 244,06)

ror

164,95| 165,37 136,82| 136,82 119,99| 119,99 104,10| 104,10

Roggen, Weizen, Hafer,

erste, Futter-

Mais, N Odessa. | Roggen, 71 bis 72 kg das hl . 127,00| Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl . 168,60 Riga.

Roggen, 71 bis 72 kg das hl . 138,04| 136,10 Weizen, 78 bis 79 kg das hl 170,57| 168,93

Paris. | Roggen | x, L ( 135,41| 134,08 Weizen | lieferbare Ware des laufenden Monats 198/44| 195,59

Antwerpen.

Donau, ml... C 187,98| 187,24 S L 182,96] 181,17 Kansas Nr. 2. 190,24| 189,10 La Plata... | U 187,98] 186,02 KRalUtia V2 C —_ Australier i 187,81] 184,65 Amsterdam.

b Be aken a

Weizen

5 A 9 Roggen | St. Petersburger E, : 136,53

Il L Co 19 179,19 126,49 127,90

Ae T amerikanisher Winter- amerikanischer bunt . ed 1h) fes de E E

London.

\ Weizen { engl. weiß | (Mark Lane), ,

Weizen Mais

167,89| 167,89 163,97| 163,41 157,48| 158,65 125,36| 126,56 141,02] 140,55

e TOT Weizen englishes Getreide, afer Mittelpreis aus 196 Marktorten erste (Gazette averages)

Bey ooo U roter Winter Nr. 2 Manitoba Nr. 2.

La Plata ° Kurrachee . Australier Hafer, englischer weißer

, Schwarze Meer- . Gerste, Futter- amerikanische s Ddessa E Mais amerikan., bunt . l La Plata, gelber .

188,98| 186,16 190,86| 192,74 188,51| 187,57

Weizen 193,68

Chicago.

( Mai . Weizen, Lieferungsware { Juli .

l September Mais Mai .

Neu Vorr.

TOTET UOMIeL 2 200,92

Weizen 7 q; / Mai 04| 181,39 E, 33,04) 181,39 Lieferungsware R i 168 27

Mais j Mai 127,68 Buenos Aires.

n | Durchschnittsware

1) Angaben liegen nit vor.

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der" Londoner a N = 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Um- äßen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnitts- preise für einheimisches Getreide (Gazetto averages) ist 1 Imperial Yuarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angeseßt; 1 Bushel Weizen = 60, 1 Bushel Mais = 56 Pfund enclifd, 1 Pfund englisch = 453,6 g; 1 Last Roggen 2100, Weizen = 2400, Mais = 2000 kg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reihswährung sind die aus den einzelnen Tagesanç( aben im „Reichsanzeiger“ ermittelten wöchent- lihen Dur \chnitisweselkurse an der Berliner Börse zugrunde gelegt, und zwar sür Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Neu Vork die Kurse auf Neu York, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Peters- burg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksihtigung der Goldprämie.

Berlin, den 2. Februar 1910. Kaiserlihes Statistishes Amt. van der Borght.

169,66 196 31/ 155,92 149,88| 149,75 110,79| 112,59

167,49 114,93.

Deutscher Reichstag. 28. Sißung vom 1. Februar 1910, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Nach Ablehnung der Einsprache des Abg. Ledebour gegen den ihm am 29. Januar von V Vizepräsidenten Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg erteilten Ordnungsruf seßzt das Haus die zweite Beratung des Handels- und S, vertrages Oen dem Deutschen Reiche und Portugal nebst einem Schlußprotokoll, einem Notenwehsel, betreffend den portugiesischen Zukerzoll, und einem Notenwech}el, betreffend Verkehrsverbote für Monopolartikel, fort.

Nach dem Referenten Abg. Hormann (fr. Volksp.) und dem Abg. Herold (Zentr.), deren Reden in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilt worden sind, ergreift das Wort der

Abg. Kaempf (fr. Volksp.): Auch in der Kommission hat ein ge- wisser Unmut über den Verlauf der Verhandlungen der beiden Kon- trahenten über den Vertrag mitgesprochen. Dieser Unmut ist berechtigt \owohl hinsichtlih der formellen Behandlung wie des materiellen MNesultates derselben. Einmal ist der Vertrag nicht frühzeitig genug zur Kenntnis der Interessenten gelangt. Man hat das mit diplomatischen Gepflogenheiten entshuldigt; diese sollten aber doch nicht schwerer wiegen als das Interesse der Beteiligten selbs. Es ist auch betont worden, daß der Bundesrat solhe Verträge nicht zu veröffentlichen gewöhnt fi. Aber es wird doch sehr oft anders verfahren; zahlreich sind die Fälle, in denen ‘das Neichsjustizamt Gesetzentwürfe publiziert und so der Kritik preisgegeben hat. Der Deutsche Handelstag hat 1906 auf eine bezügliche Umfrage an die Hande!skammern allerdings nur 52 Antworten erhalten; daraus Tann aber ein Vorwurf für die Interessenten niht her- geleitet werden, denn die Handelskammern, in deren Bezirk Erport- interessenten nah Portugal nicht vorhanden sind, hatten keinen An- laß, sich auf die UÜmfrage einzulassen. Der Wirtschaftliche Ausschuß hat hinsichtlih feiner Zusammensetzung eine volle Gewähr für die rihtige Würdigung der deutschen Handelsinteressen in «Portugal au nit N cten TONNeNn C9 TolTent aud Co » Cx Ç a : I { G G oll» »f »f G D y direkte Informationen bei den Industriellen eingefordert werden. Was das materielle Resultat der Verhandlungen über den Handels- vertrag betrifft, so sind weite Kreise der Industrie bitter enttäuscht worden. Sie hatten auf eine Verminderung, niht auf eine Erhöhung der portugiesischen Tarife gerechnet. Sie erinnern ih sehr wohl, was thnen der Zollkrieg mit Canada gebracht hat, und welhe Ge fahren ihnen von Zollerhöhungen in anderen Staaten bevorstehen. Aber so berechtigt der Unmut dieser Industrien ist, so dürfen sie nicht übersehen, daß das Unmögliche von unseren Unterhändlern nicht gefordert werden konnte. Wir hatten unser Zolltarifgeseß von 1902 gemacht ; Portugal gegenüber befanden wir uns in cinem bevorzugten Zustand. Wir differenzierten Portugal, Portugal uns nit. Es war also vorauszusehen, daß es einen erhöhten Zolltarif vorlegte und fich die Möglichkeit \{chuf, auch uns zu differcnzieren. Ist man nun in der Zwangélage, dem fremden Staate gegenüber zu retten, was zu retten ist, fo ist man zu Konzessionen gezwungen. Nicht unsere Unter händler trifft die Hauptshuld, sondern sie liegt an unserem ganzen Zollsystem. Unsere Unterhändler haben vielfach Konzessionen machen müssen, die weit über das hinausgingen, was einige Zweige unserer Industrie tragen können. Eines kann aber nicht verkannt werden, daß ein Zollkrieg vermieden worden und die Meistbegünstigung für unsere Industrie gewährt ist. Die überwiegende Mehrheit meiner politischen Freunde wird deshalb für die Annahme des Vertrages stimmen.

Abg. Graf Shwerin-Löwit (dkons.): Der vorliegende Bertrag hat wieder Gelegenheit gegeben, die ganze Handels- und Zoll politik Deutschlands aufzurollen. Der gegenwärtige Moment laßt aber solche Erörterungen niht für geeignet exkennen. (s empfiehlt sih, folhe Fragen dem Auslande gegenüber nicht in voller Deffentlichkeik. zu erörtern, sondern in der Kommission. Es wäre besser gewesen, eine nohmalige Besprehung des Vertrages hier zu vermeiden. Nachdem dies nicht geschehen ist, muß ich kurz unsere Stellung darlegen. Wir werden den Vertrag einstimmig annehmen, obgleih auch wir die großen Mängel dieses Vertrages durchaus nicht verkennen und bedauern, daß es leider unserem Auswärtigen Amt und unseren Unterhändlern nicht gelungen ist, für unsere Tertilindustrie günstigere Bedingungen zu erzielen. Der Schaden einer auch nur vorübergehenden Störung unserer Handelsbeziehungen würde aber größer sein als der Nutzen, den wir nah Ablehnung des Vertrages etwa erwarten könnten. Der Vertrag bietet uns mehr als eine Neibe von Verträgen, die wir in der leßten Zeit ohne Gegenleistung ab geschlossen haben. Wir glauben nit, daß mehr zu erlangen sein wird. Wir nehmen den Vertrag aber nur an mit der entschiedensten Verwahrung dagegen, daß aus unserer Zustimmung irgendwelche Schlüsse gezogen werden könnten auf unsere Bereitwilligkeit zur Nach giebigkeit gegen England. j

Abg. Dr. Stresemann (nl.): Der Abg. Kaempf, der Präsident des Deutschen Handelstages, \sprach von dem Unmut, der in weiten Kreisen des Handels und der Industrie über diesen Vertrag herrs{t. Ich halte diese Erregung für berechtigt. Wenn wir unsere Ausfuhr nah Portugal verlören, so würde vielleiht eine kleine Zuckung im Wirtschaftsleben hervorgerufen werden, der Verlust aber nicht von aus- \chlaggebender Bedeutung sein. Das Votum des Deutschen Handelstages ist als ein Sieg der Freunde des Vertrages angesehen worden. Jch habe aber gefunden, daß die Gegnershafst im Deutschen Handelstag nicht weniger groß war als im Reichstag. Den Interessenten ist der Vertrag so spät zugegangen, daß sie sich niht früh genug mit ihren Geschäftsfreunden in Portugal verständigen konnten. Die Interessenten hätten gern einen sahverständigen Beirat zur Ver fügung gestellt. Der Deutsche Handelstag hat 84 Monate lang auf eine Eingabe wegen Veröffentlihung des Vertrages keine Antwort erhalten. Wir halten die Vorwürfe durchaus aufrecht, die wir bei der ersten Lesung erhoben haben. Wir glauben ein mütig,. daß der Bertrag nicht das bietet, was hätte erreicht werden können. Es bildet sfich mehr und mehr die Neigung heraus, diejenigen Zollpositionen zu erhöhen, bei denen eine Einfuhr aus Deutschland stattfindet, und diejenigen zu ermäßigen, bei denen cine Einfuhr aus anderen Staaten stattfindet. Die Sicherung der Meistbegünsti gung \hüßt uns also nicht, von anderen Ländern überflügelt zu werden. Nach Auffassung meiner politischen Freunde gehen unsere Konzessionen an Portugal ganz außerordentlich weit, auch bezüglich dcs Madeira und Portweins. Wir geben den Portugiesen eine Ausdehnung ihrer Produkte in Deutschland, die es mir ‘zweifelhaft erscheinen läßt, ob nicht ein vertragloser Zustand vorzuziehen wäre, und die Portugiesen haben diesen vertraglosen Zustand mehr zu fürchten als wir. Der Deutsche Handelsvertragsverein steht auf demselben Stand punkt. Ich und der überwiegende Teil meiner Freunde wird gegen den Vertrag stimmen. Ein kleiner Teil meiner Freunde wird aus den von dem Abg. Herold angeführten Gründen für den Vertrag stimmen. Im übrigen hoffen wir, daß die sachliche Kritik, die dieser Bertrag gefunden hat, die Negierung dazu veranlassen wird, bei der Borbereitung künftiger Verträge Sachverständige mehr als bisher zu hören und Konzessionen zu vermeiden, die über das Maß dessen hinausgehen, was im allgemeinen für unseren Handel und für unsere Industrie zuträglich ist. E

Abg. Molkenbuhr (Soz.): Es ist interessant, wie die Anhänger des Schutzzollsystems hier über die Schutzzöllnerei urteilen, wenn ein anderer Staat die hohen, Schußtzölle hat. Wir wären dafür, wenn völkerrehtlih bei solhen Verträgen jedes Land die Positionen ändern ionnte,“ die ihm nicht gefallen, dann würde sehr bald, wenn wir Handelsverschläge abschließen, unser Zolltarif \o erträglich werden, wie wir es wünschen. Als hier der Zolltarif beraten wurde, konnte man dessen wundertätige Wirkung vom Negierungstish gar niht genug loben hören, von Posadowsky bis herunter zum Fürsten Bülow, und Fürst Bülow war doch, als die d jährigen Verhand- lungen mit Portugal zu Ende geführt wurden, noch Neichs-

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kanzler. Da hätte er doch einmal mit dem Vertrage vor das Haus treten sollen und sagen: Seht, was habe ih für eine Großtat errungen, das haben wir unserem Zolltarif zu verdanken. Nationalliberale und Zentrumsmitglieder können ih jeßt nicht beklagen, denn sie haben diesen Zustand mit herbeisühren helfen. Wenn gesagt ist, der Verlust der portugiesishen Einfuhr würde nur eine kleine Zuckung unseres Wirtschaftskörpers bewirken, während Portugal darunter litte, so find die Portugiesen allerdings nur ein kleines Volk von 9,9 Millionen armen Leuten, die wenig kaufen können, aber unsere Ausfuhr nah Portugal wird im Verhältnis zur Einfuhr immer größer. Auch wenn man die Kolonien einbezieht, so bleibt noch immer ein Aktivum. Wir sind Gegner eines Zollkriegs, uns kommt es in erster Linie nicht darauf an, welche Zölle in irgend einem anderen Land erhoben werden, sondern nur, daß unsere Waren keine höheren Zölle zu bezahlen haben als diejenigen irgend eines anderen Landes. Wir stimmen für den Vertrag, weil auch bei Ablehnung die verrückt hohen Zölle, über die unsere Industrie sih be- klagt, eingeführt würden, weil die Möglichkeit vorhanden wäre, daß andere Staaten möglichst günstige Handelsverträge mit Portugal abschließen, und weil wir verlangen, daß Deutschland möglichst überall die Meistbegünstigung erhält. Dieser Weg aber wäre bei Ablehnung des Handesvertrages verschlossen. Wenn erst einmal die Deutschen empfinden werden, daß die Hoch- hußzöllnerei eine Verrücktheit ist, und erst ein Land den Anfang macht, werden andere bald folgen.

Abg. Linz (Np.): Ein Artikel der „Kreuzzeitung*“ „Caprivi redi- vivus*", der nach der ersten Lesung des Vertrages erschien, hat \ih auszuführen bemüht, daß die Generaldiskussion schon gezeigt habe, daß eine reinlihe Scheidung zwischen der neuen Neichstagsmehrheit und der liberal-\ozialistishen Minderheit ih vorbereite. Nichts kann falscher sein. Lediglih sachlihen Gründen is der weit verbreitete Widerspruch gegen den Vertrag entsprungen. Ich persön- lich bedanke mich dafür, jener so charakterisierten Minderheit anzugehören, anderseits hat in der ersten Lesung auch der Zentrums- abgeordnete Dr. Pieper wie sein Fraktionskollege Pauly - Cochem die triftigsten Argumente für die Ablehnung des Vertrages an- geführt. Mir persönlih find aus den verschiedensten Kreisen der rheinischen Industrie die dringendsten Aufforderungen mit aus- führlichen sahlihen Begründungen zugegangen, für die Ablehnung des unheilvollen Vertrages zu plädieren und zu stimmen. Auch die Handelskammern des Wuppertaler und Bergischen Bezirks haben sich durchweg gegen den Vertrag ausgesprochen. In der Kommission glaubten alle abfoluten oder bedingten Befürworter des Vertrages, sich wegen dieser ihrer Haltung entschuldigen zu müssen! Die Re- gierungen werden jedenfalls den Eindruck gehabt haben, daß ihre Handelsvertragsverhandlungen in Zukunft viel mehr als bisher unter dem Gesichtspunkt der allseitigen Wahrung deutscher Interessen zu er- folgen haben werden. Sehr erwünsht wäre mir eine Dementierung der Behauptung, daß der deutsche Konsul in Lissabon über den Vertrag überhaupt nicht befragt und durch ihn vollkommen überra\{cht worden ist. In jedem Falle bleibt es bedauerlih, daß wir unsere Zölle festlegen, den anderen Staaten aber die Erhöhung ‘der Zölle zugestehen. Wir teilen den Optimismus der verbündeten Regierungen nicht, daß Portugal die Tabelle A nach Abschluß des Vertrages nicht in Kraft seßen wird; es ist ja nicht einmal zu erreichen gewesen, daß die Ab

sicht der Erhöhung uns auch nur cinige Monate vorher mitgeteilt wird, wir sind also keinen Augenblick vor Ueberrashungen und Üeber rumpelungen sicher. Namens eines Teiles der Neichspartei erkläre ih, daß wir gegen den Vertrag stimmen werden, da wir auch be fürhten müssen, daß einige blühende Erxrportindustrien, wie die Tertil- und die Kleineisenindustrie, durch den vprohibitiven Charakter der portugiesischen Zölle vom dortigen Markt hinfort aus {lossen werden. Es wird eine ganz heilsame pädagogische Wirkung haben, wenn wir einmal zeigen, daß wir trot der uns angeborenen Gutmütigkeit uns vom Auslande nicht alles gefallen lassen. Nicht verschweigen darf ih, daß die Mehrheit meiner Partei troß der allerschwersten Bedenken sich zu einem ab- lehnenden Votum nicht entschließen kann. Für diese Mehrheit ist vor allem maßgebend die Nücksicht auf die aktive Handelsbilanz und auf die Sicherung ‘der Meistbegünstigung; der Ausgang eines etwaigen Zollkrieges aber wäre zweifelhaft und der Nükschlag davon von ver- hängnisvoller Wirkung auf spätere Handelsvertragsverhandlungen. Auch namens dieser Mehrheit aber kann ich erklären, daß wir keine Zweifel darüber lassen, daß wir in Zukunft eine tatkraftigere und nachdrücklichere Vertretung unserer Interessen durch unsere Unter händler verlangen.

Staatssekretär des Schoen:

Auswärtigen Amts Freiherr von

Meine Herren! Jh möchte nur ganz kurz die Frage beantworten, welche der Herr Vorredner an mich gerichtet hat, ob es richtig ist, daß unser Konsul in Lissabon zu den Verhandlungen über den Handelsvertrag nicht zugezogen worden wäre. Der Herr Vorredner hat selbst seinem Zweifel in die Zuverlässigkeit dieser ihm zugegangenen Nachricht Ausdruck gegeben. Jch kann ihn in diesem Zweifel nur bestärken und ihm sagen, daß unser Konsul in Lissabon nicht etwa nur in einem gewissen Moment zu den Verhandlungen zugezogen worden ist, sondern von Anfang bis zu Ende einen sehr regen und verdienstvollen Anteil an denselben genommen hat.

Ich füge hinzu, daß unser Konsul in Lissabon nicht ein Berufs kfonful, sondern ein Wahlkonsul ist; er ist Kaufmann und steht an der

Spitze eines bedeutenden Handelshauses, er ist in Lissabon geboren

und dort aufgewachsen und mit den dortigen Verhältnissen auf das genaueste ebenso vertraut wie mit den Bedürfnissen der deutschen Erxporteure und Importeure. Er hat alfo mit seiner Sachkenntnis dem Gesandten, der die Verhandlungen geführt hat, zur Seite ges standen und sih überaus nüßlich erwiesen. Wenn auch der Vertrag auf manchen Seiten nicht gefällt, so ist es do nicht angebracht, unserem Konsul irgendeinen Vorwurf daraus zu machen. Fm Gegen teil, ih benuge die Gelegenheit, um ihm unseren Dank für seine Mithilfe auszusprechen.

_ Abg. Hanisch (wirts{ch. Vgg.): Der Handelsvertrag ist ungünstig für das Deutsche Reich, die deutshe Industrie und den deutschen Handel. Wenn auch aus der Ablehnung des Vertrages ein Zollfrieg ich ent|pinnen follte, so lonnen Stie doch nicht annehmen, daß die hieraus entspringenden Nachteile so groß sind. wie die Nachteile, die wir bei Annahme des Vertrages in Kauf nehmen müssen. Der Vor behalt des Art. 5 widerspricht den Grundbedingungen, denen ein Vandelsvertrag gerecht werden soll, daß er näamlich für einen be stimmten Zeitraum eine Stetigkeit der Handelsbeziehungen bringt. Wir werden den Vertrag ablehnen. ;

__ Abg. Pauly- Cochem (Zentr.): Ich muß Protest erheben gegen die Heraufbeshwörung solcher Schwierigkeiten, wie sie sih aus dem Ver E ergeben würden, niht nur im Namen des Weinbaues, sondern auch weiter Gebiete von Industrie und Landwirtschaft. Die Nentabilität

o M) „2 A d: TF, 2 e Cd c des Weinbaues ist immer weiter zurückgegangen. Der Import fremder Weine hat immer mehr zugenommen. Wenn die deutshen Negimenter fich 1870/71 nicht mit Moselwein gestärkt hätten, so würden wahrscheinli die ¿ranzosen gesiegt haben, aber als sie den tranken, haben sie erst gesehen, was ihr Vaterland ihnen bietet. (Tine große Zahl von Weinhändlern hat bisher an Stelle von Port- wein sogenannten Ersaßwein vertrieben. Diese werden einen ungeheuren Schaden erleiden, und sie find noch dazu in der un angenehmen Lage, versichern zu müssen, daß sie bisher keinen Port- wein, sondern Crsaßwein verkauft haben. Man hat die Interessen des deutschen Weinbaues im allgemeinen überhaupt rücsichtslos über gangen. Schaffen Sie doch die Bestimmung aus dem § 7 des Wein- geseßes über die Mishung von Wein hinweg und schaffen Sie eine v n ; L i Kontrolle außerhalb. der Weinbaugebiete. Selbst die Freunde des

Vertrages geben zu, daß der Weinbau eine enorme Schädigung er- fährt. Ich werde gegen den Vertrag stimmen.

Abg. Ahlhorn (fr. A Kann man Portugal übelnehmen, daß es auch zunì Hochshußzoll übergeht? Es macht doch nur na, was ihm Deutschland und andere Nationen vorgemacht haben, es suht durh ein Schußzollsystem, das teilweise prohibitiv wirkt, seine Industrie zu heben. Wir haben also keine Ursache, uns über die hohen portugiesischen Schußzölle zu entrüsten. Der augenblick- lihe Unwille über den erhöhten Tarif darf uns bei unserer Stellung- E: nicht leiten. Ein Zollkrieg is ein fehr zweischneidiges Schwert. Cinreißen ist leiht, aber aufbauen sehr \{chwer. Wird der Vertrag abgelehnt, so geht ein wenn auh nicht großes, \o do für den Äbsaß unserer Industrie wertvolles und für den Schiffsverkehr wichtiges Gebiet verloren, und der Gewinn würde mühelos den Engländern zufallen, Seit 1902 importiert Portugal von Deutschland mehr, als es dahin exportiert, und dieser Ueberschuß seines Imports ist seitdem stetig gestiegen. Es i} mir geradezu unverständlih, wie man an ein Nachgeben Portugals glauben kann; Poriugal ist nicht von uns, fondern von England und Frankreich wirtschaftlih abhängig, und es wird kaum Lust haben, mit uns einen neuen Vertrag zu \chließen, wenn der vorliegende abgelehnt wird. Auf alle Fâlle werden die neuen Verhandlungen sich unendlich lange hinziehen, und \chließlich müßten wir wieder von vorn anfangen. Die Gegner des Vertrages nehmen mit der Ablehnung eine Ver- antwortung auf sich, die wir niht tragen wollen; wir werden daher dafür stimmen.

Staatssekretär des Jnnern Delbrü:

Meine Herren! Einige der Herren Redner sind zurückgekommen auf die Vorwürfe, die sie glauben erheben zu müssen gegen die Vor- bereitung des Ihnen vorliegenden Handelsvertrags und das Verhalten sowohl der bei der Bearbeitung dieser Angelegenheit beschäftigten Instanzen des Neichsamts des Innern, als auch des Auswärtigen Amts. Meine Herren, ih glaube, es ist niht an der Zeit, daß ih auf diese Vorwürfe noh einmal zurückkomme; wir würden uns wahr- sheinlih auch nicht vollkommen darüber einigen. Ich möchte nur eins sagen. Ich bin mit allen Herren Nednern, die zu dieser Seite der Frage gesprochen haben, darüber einig, daß die Interessenten sobald und so zahlreih, wie irgend mögli, in die Lage verseßt werden müssen, fih über derartige wichtige wirtschaftspolitisße Fragen zu äußern. Jch werde meinerseits in Zukunft alles daranseten, daß es mir gelinge, eine solhe rechtzeitige Information der Interessenten zu ermöglichen. Jch bin auch der Ansicht, daß es naturgemäß nicht nur die Aufgabe des wirtschaftlichen Aus\hu}ses, sondern au die Aufgabe speziell des mir anvertrauten Ressorts ist, in derartigen Fragen \o viel Sachverständige, wie irgend tunlih, zu hören. Es ist das das möchte ih wiederholen au früher schon ausgiebiger geschehen, als die Herren geneigt sind, anzunehmen ; ih werde aber bemüht sein, auch in Zukunft nach dieser Nichtung hin eine verstärke Tätigkeit ein treten zu lassen soweit das möglich ist.

Meine Herren, das gilt für beide Forderungen. Sie dürfen eins niht vergessen: daß die Schwierigkeiten der Ver- handlungen mit auswärtigen Staaten zum Teil in der außerordentlich kurzen Zeit liegen, in denen dies\eits Entschlüsse gefaßt werden müssen, sodaß es häufig unmögli ist, eine Anhörung und Besprehung der diesseitigen Interessenten in dem Umfange eintreten zu lassen, wie ich es selbst für wünschenswert halte, und wie es zweifellos au der Ent- wicklung der Dinge sachdienlih sein würde.

Meine Herren, ih komme auf den Vertrag selbs. Alles, was für, und alles, was gegen seine Annahme spricht, ist heute von den verschiedenen Seiten dieses Hauses mit so viel Nuhe und Gründlichkeit erôrtert worden, daß ih eigentlich kaum in der Lage bin, etwas Neues hinzuzufügen. Ich möchte vor allen Dingen vermeiden, die Debatte heute noch mit Zahlenmaterial irgendwelher Art zu belasten; es würde bei der vorgerückten Stunde wahrscheinlich, wenn nicht un- gehört, so doch ohne Wirkung an Ihren Ohren vorüberrauschen. Aber ih möchte doch vom Standpunkt der verbündeten Regierungen noch einmal die Frage prüfen und nur die ist augenblicklih eigentlich zu erörtern —: was wird, wenn der Vertrag angenommen wird, und was geschieht, wenn er abgelehnt wird?

Meine Herren, was die Ablehnung des Vertrages betrifft, so müssen Sie sih folgende Situation vergegenwärtigen: wird der Ver- trag abgelehnt, fo bleibt es Portugal gegenüber bei der auf unseren geseßlichen Bestimmungen beruhenden Anwendung unseres General- tarifs. Diese Anwendung unseres Generaltarifs ermächtigt oder zwingt gewissermaßen Portugal, seinerseits die Surtaxe uns gegenüber anzuwenden, d. h. also abgesehen von einer Neibe anderer Er- [chwerungen unseres Handels mit Portugal unsere Einfuhr dorthin mit Zollfägen zu belegen, die 0 hoh sein werden, daß sie tatsächlich absolut prohibitiv wirken. Wir würden also, wenn wir den Vertrag jeßt ablehnen, tatsächlich zu einem Zustand kommen, der für kürzere oder längere Zeit unseren Handel mit Portugal unterbinden würde.

Nun hat einer der Herren Redner darauf hingewiesen, {ließli sei das ganze portugiesishe Geschäft sehr gering im Verhältnis zu der gesamten deutshen Warenproduktion und Waren-Aus- und -infuhr, sodaß ein Zollkrieg mit Portugal \purlos oder na nur geringen Zukungen unseres wirtschaftlihen Organismus an uns vorübergehen würde. Ja, meine Herren, demgegenüber möchte ih auf eins aufmerksam nahen. 30 Millionen sind 30 Millionen; und wenn wir viele solche Positionen verlieren, werden es mehr. Man kann bier nur mit dem eiwas trivialen Sprichwort sagen: wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers niht wert. Wer sih niht die Mühe gibt, alle diejenigen Positionen zu halten, die die Intelligenz und die Zähigkeit des deutschen Kaufmanns mühsam erworben haben, der kann unter Umständen allmählich in die Lage kommen, daß er vor einem Defizit steht, das ihm höchst bedenklich erscheint.

Und was geben wir nun in Portugal auf? Wir geben eine Cinfuhr, einen Handel auf, der \sich im Laufe weniger Jahrzehnte beinahe verdoppelt hat. Wir verzihten Portugal gegenüber in gewissen Grenzen auf die Weiterführung unserer Schiffahrtsbeziehungen, die sih in Portugal günstiger entwickelt haben als bei irgend einem andern Lande, mit dem Portugal in Schiffahrtsbeziehungen steht. Während si beispielsweise die Schiffahrtsbeziehungen Englands im Verhältnis zum Gesamtverkehr in Portugal kaum verändert haben hat sich die Beteiligung des Deutschen Reiches an der Schiffahrt in Portugal außerordentlih vermehrt. Der Anteil der mit Ladung in Portugal eingegangenen deutschen Schiffe ist seit dem Jahre 1889 von 12 9/9 auf 27,8 9/9 gestiegen.

Das alles läßt erkennen, daß wir in Portugal in der Lage sind, init Erfolg zu arbeiten, so lange wir nicht anderen Staaten gegenüber differenziert werden. Ob es uns aber gelingt, das wiederzugewinnen, ivas wir jeßt für den Fall der Ablehnung des Vertrages preisgeben,

das ist eine im hohen Maße zweifelhafte Frage; denn wir wissen alle: ein einmal verlorener Markt ist \o leiht niht wiederzugewinnen.

Nun kommt dazu, daß nicht nur Portugal in der Lage sein würde, unsere Schiffahrt dur eine differentielle Behandlung {wer zu treffen, sondern es würde der Nückgang unseres Exports na Portugal auch die Frachten unserer Schiffe nah Portugal verringern. Das würde die Wirkung haben, daß die günstigen Seetarife nah den portu- giesishen Häfen, die wir jeßt erstellen können, zurückgehen würden und nicht aufrecht erhalten werden könnten. Diese gesteigerten See- tarife würden auch \{chädlich auf denjenigen Teil unseres Schiffs- handels einwirken, der über Portugal nah anderen Undern, ins- besondere nah Afrika und nah Südamerika, geht.

Nun bringt aber der Handelsvertrag, dessen Annahme ih Ihnen immer erneut empfehle, niht ledigli die Meistbegünstigung, nicht allein die niht zu unterschäßende Bindung des ganzen Tarifes für 9 bezw. 8 Jahre, sondern er bringt auch eine Bindung der Waren- bezeihnungen des Tarifes. Gr bietet damit zum ersten Male einem auswärtigen Staate die Möglichkeit, bei der Festseßung der Zollsäße und der Zolltarifierung in Portugal ein Wort mitzureden; und mir ist von Kennern der portugiesischen Verhältnisse versichert, das sei ein größerer Erfolg als ein etwas höheres oder geringeres Maß von Zollsäßen, das man bei dieser Gelegenheit Portugal gegen- über hätte erreihen fönnen. Der Vertrag bringt außerdem aber die Gleichstellury der mittelbaren Einfuhr mit der unmittel- baren, er bringt Bestimmungen für die Umladungen von Waren, er bringt günstige Bestimmungen für die Postsendungen, für die Aus- stellung von Ursprungszeugnissen, für Zollrückerstattung bei Waren- mustern, für die Behandlung von Handlungsreisenden, für die Küsten schiffahrt und Schiedsgerichte, kurz, eine Fülle von Abmachungen, die niht ohne Bedeutung für die mit Portugal handelnden Firmen sind, und die in ihrer Gesamtheit eine erheblihe Verbesserung unserer Handelsbeziehungen zu Portugal in den eben erörterten Richtungen bedeuten.

Nun möchte ih noch mit wenigen Worten auf die Frage ein- gehen, was denn die Ablehnung des Vertrages und die Einführung von Kampftarifen auf beiden Seiten für Portugal für Konsequenzen haben würde? Der Herr Abg. Stresemann, glaube ih, ist es ge- wesen, der ausgeführt hat, die Sahe würde an Portugal ziemli spurlos vorübergehen. Oder habe ih Sie mißverstanden, Herr Abg. Stresemann? Dann bitte ich um Entschuldigung. (Abg. Strese- mann: Umgekehrt!) Jawohl, Herr Abg. Stresemann, ih habe mich im Augenblick versprohen. Der Herr Abg. Stresemann war es, der darauf aufmerksam gemacht hat, daß wir dur tarifarishe Maßnahmen unsererseits in der Lage wären, Portugal gegenüber sehr wirksam und erfolgreih aufzutreten. Jch möchte dem- gegenüber nur erneut daran erinnern, daß in der portugiesishen Ein- fuhr bei uns, die im ganzen auf 13,6 Millionen Mark berechnet wird, 8,6 Millionen oder 63 9/9 Nohstoffe enthalten sind, darunter allein Korkholz und Schwefelkies für 6,1 Millionen Mark. Das sind Stoffe, die wir wohl niht mit Strafzöllen belegen können (fehr richtig), weil fie unsere Industrie brauht, und das sind Stoffe, die wir um so weniger mit Strafzöllen belegen dürfen, weil sie im Falle eines Zollkrieges wahrscheinlich auch durch erhöhte Seefrachten belastet werden würden. Es bleibt also ‘von der portugiesishen Einfuhr zu uns ein verhältnismäßig kleiner Teil übrig, die wir eventuell mit Strafzöllen treffen können. Jch habe wiederholt darauf hingewtesen, daß darunter für 1,7 Millionen Mark Ananas sind. Ob diese Ananas von Portugal zu uns kommen, oder ob sie nah England gehen, ist vom Standpunkt des portugiesishen Handels ziemli belanglos.

Es bleibt dann und das wird immer als die empfindlichste Seite der portugiesischen Einfuhr bezeihnet der portugiesishe Wein. Soweit ih unterrichtet bin, geht von der gesamten portugiesishen Weinausfuhr nur ein Bruchteil von 2 bis 3 9% nach Deutschland. (Hört, hört! rechts.) Ich habe alfo den Eindruck, daß s{charfe Maßregeln gegen die Cinfuhr dieses Weines, namentlich, wenn es sich um den vorüber gehenden Zustand eines Zollkrieges handelt, auf die Portugiesen einen überwältigenden Eindruck niht machen würden.

Nun, meine Herren, ist wiederholt, auch \{chon in der ersten Lesung, darauf hingewiesen worden, daß man bei der Abwägung unserer handelspolitishen Kampfmittel gegenüber Portugal und bei der Be- urteilung der Wirkung eines Zollkrieges auch das portugiesische Kolonialgebiet mit in Nehnung nehmen müsse. Demgegenüber möchte ih wiederholt darauf aufmerksam machen, daß die portugiesischen Kolonien selbständige Zollgebiete sind, in denen wir zurzeit dritten Ländern gegenüber nit differentiell behandelt werden, deren Erzeugnisse wir also nicht in der Lage sind, ohne weiteres unsererscits mit Kampf- zöllen zu belegen für den Fall eines Zollkrieges mit dem Mutterlande, wenn wir nicht riskieren wollen, daß auch unsere Einfuhr in diese Kolonien mit Kampfzöllen belegt wird. Wir würden also ledigli den an sih {hon unerwünshten Kriegsshauplatz in einer für unseren Handel in hohem Maße unerwünshten Weise noch vergrößern und auf weitere Gebiete ausdehnen. Aber auch die gesamte Einfuhr aus den Kolonien mit 12,7 Millionen Mark umfaßt wieder 4,6 Millionen Rohstoffe, die wir im Interesse unserer Industrie nicht belasten connen, und den Nest macht mit 8,1 Millionen überwiegend Roh fakao aus. Ob aber der Kakao aus den portugiesischen Kolonien zu uns kommt oder nicht, spielt für den portugiesishen Handel um des willen keine so große Nolle, weil die in Betraht kommende Menge überhaupt kaum 5 9/% des gesamten Kakaobedarfs der hauptsächlicsten kfakaoverbrauchenden Under beträgt und der deutshe Ausfall mit im ganzen 8500 t von den portugiesischen Kolonien naturgemäß leiht auf einen anderen Markt geworfen werden kann.

Meine Herren, ih will mi auf diese Ausführungen beschränken. Jch kann nur wiederholen: mögen Sie diesen Vertrag so, wie er Ihnen vorliegt, für einen günstigen oder für einen ungünstigen halten : ih bin unter allen Umständen der Ueberzeugung, daß dieser Vertrag besser ist als die zollpolitishen Verwicklungen mit Portugal, denen wir unabwendbar - entgegengehen, wenn Jhre Mehrheit \sich zur Ab lehnung des Vertrages entschließen sollte. (Bravo !)

Die Diskussion wird geschlossen.

Zur Geschäftsordnung bedauert der

Abg. Wallenborn (Zentr.), durch den Schluß der Debatte verhindert zu sein, die Interessen der deutshen Weinproduzenten zu vertreten.

Zu Art. 25 bemängelt der

Abg. Prinz zu Schönaich-Carolath (nl.) die deutsche Ueber- (eau des französishen Textes. Wenn der Vertrag mit „Seiner A lerchristlichsten Majestät“ abges{lo\sen ist, so ist das ein Titel, der

gar nit existiert, der nur dem König von Frankreich gebührte. Vies zeigt, wie notwendig es ist, die deutsche Uebersezung dem Urtext anzupassen. Hoffentlich ist der übrige Text besser.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Schoen:

Meine Herren! Es läßt sich ja darüber streiten, ob die Ueber- seßung, welche hier von dem französishen Urtert in deutsher Sprache gegeben ist, ganz genau ist. (Lebhafter Widerspruch links.) Ich sage ja, es läßt sich bestreiten. (Heiterkeit.) Ich mache nur darauf aufmerksam, daß diese Note, welche von unserem Gesandten an den portugiesischen Minister gerichtet worden ist, niht, wie der Herr Vor- redner soeben hervorgehoben hat, in deutscher Sprache gehalten ift, etwa mit dem Ausdruck „Allerchristlihste Majestät“, sondern in französisher Sprache, sodaß es also in bezug auf die Sache selbst ziemlich belanglos ist, ob die deutshe Ueberseßung dieses Ausdrucks „très fidèle“ ganz korrekt ist oder niht. Im übrigen kann ih nur sagen, daß der Ausdruck „très lidèle“ nicht etwa zu übersezen ist mit „sehr getreu" in bezug auf Freundschaft, sondern in bezug auf christliGe Glaubenstreue, und ich glaube, daß unter diesem Gesichtspunkt gegen die Uebersezung „allerristlichst“ nichts einzuwenden ist.

Nach Aufruf der sämtlichen Artikel läßt der Präsident über die Ueberschrift des Handelsvertrags abstimmen. Es er- heben sich für den Vertrag die Deutschkonservativen, die Sozial- demokraten, die Freisinnigen, die Mehrheit der Reichspartei, ein Teil des Zentrums und vereinzelte Nationalliberale. Nach Vornahme der Gegenprobe wird der Vertrag für angenommen erklärt.

Ohne Debatte wird auch das Schlußprotokoll angenommen.

Darauf seßt das Haus die Spezialberatung des Kolonial- etats fort und nimmt die gestern begonnene allgemeine Debatte wieder auf.

Abg. von Liebert (Np.) wendet sih gegen die Ausführungen des Abg. Noske, ist aber zunächst wegen der im Hause eintretenden großen Unruhe nicht zu verstehen. Der Redner führt aus: Die 63 Millionen des direkten Handelsverkehrs der Kolonien mit dem Neiche sind doch keine Kleinigkeit, die man übersehen kann. Mit großer Emphase wurde auf die in Ostafrika gegen die Neger ins Feld geführten Maschinengewehre hingewiesen, wo Tausende von Eingeborenen weggemäht worden seien. Die Denkschrift stellt {on von vornherein diese Uebertreibungen richtig. Ich glaube, daß, wer die Entwicklung Ostafrikas verfolgt hat, nur seine Freude haben kann über das- Tempo dieser Entwicklung. Dabei spielt der Bahnbau eine große MNolle, und diesen wieder verdanken wir dem jeßigen Staats- lekretar. Ich hoffe, daß wir recht bald zu einer Regulierung der Grenze mit dem Congogebiet kommen; seit zehn Jahren besteht ein latenter Streit; es muß eine natürliche Grenze für das Sultanat und uns geschaffen werden. Wenn wir Beamten und Offiziere für unsere Kolonien gewinnen wollen, so müssen wir sie ausreichend \icherstellen. Die Arbeiterverhältnisse in Ostafrika sind befriedigend und haben auch von seiten der Plantagenbesißer zu Klagen keinen Anlaß gegeben. In der Denkschrift wird mit Recht auf die Notwendigkeit einer praktischen Erziehung zur Arbeit hingewiesen. Auf diesem Gebiete muß aber individualisiert werden. Mit Recht weist die Denkschrift darauf hin, daß die christlihe Kirhe wohl daran tue, die- jenigen Neger, die sih mehrere Weiber nehmen, nicht ohne weiteres auszustoßen; es muß ein Uebergangsstadium zugelassen werden. Gegen den Jslam kann das Christentum nicht aufkommen, wenn es ihm nicht gelingt, dem Alkohol wirksamer entgegenzutreten. Die ganze Frage des Islams sfollte mit den Missionaren usw. vom Kolonialamt einmal gründlich untersucht werden. Für die fünf deutschen Schulen in Ostafrika find wir dem Staatssekretär besonders dankbar. Sehr erfreulih is ferner die Zunahme der Hüttensteuer Was Südwestafrika betrifft, so hoffe ih, daß die Bastardkinder als Farbige behandelt, abgesondert und nicht in die Kreise der Deutschen aufgenommen werden. Mit der Selbstverwaltung muß vorsichtig und langsam vorgegangen werden, da es sich um viele Fremde handelt. Jn Kamerun hat ih die wirtschaftlihe Entwicklung viel langsamer voll- zogen als in anderen Gebieten. Das liegt an der geographischen Lage. Jetzt erst wird eine Kopf- und Hüttensteuer eingeführt, und es zeigen sih jeßt sehr erfreuliche Resultate. Es sind gleih im ersten Jahre 642 000 G erzielt worden. Hand in Hand mit der Hüttensteuer geht die Kopfzählung. Diese hat eine Eingeborenenzahl von 1 300 000 Seelen ergeben, abgesehen von den inneren Nesidenturen, wo auch noch 17 Millionen anzunehmen sind. Den Bau einer Südbahn sollte der Staatssekretär auch wenigstens im Auge behalten, um die kostspieligen Trägertransporte übexflüssig zu machen und diese Leute dem Ackerbau zu erhalten. Togo i\t ja unsere Musterkolonie. Erst in der leßten Zeit ist die Steuerarbeit in Steuerzahlung umgewandelt worden. Die Volkszählung hat dabei eine Bevölkerung von ungefähr [ Million ergeben. Im Namen meiner Freunde babe ih dem Staatssekretär unseren Dank auszusprechen für die fleißige und \org- same Arbeit, die er den Kolonien hat angedethen lassen ; wir sprechen aber die Hoffnung aus, daß es ihm gelingen wtrd, die Baumwoll- produktion stärker zu fördern.

Abg. Dr. Goller (fr. Volksp.): In der Beurteilung der Kolonial beamtengehälter stehen sih zwet Meinungen gegenüber. Die einen meinen, daß man die Kolonialbeamten durch ausreichende Zulagen an die Kolonien fesseln müsse; die anderen weisen darauf hin, daß namentlih die unverheirateten Beamten viel zu hohe Zulagen bekommen. Blelleiht könnte man einen Ausgleich zwischen beiden Beamtenkategorien herbeiführen ‘dadur, daß man mit der Zulage für die unverheirateten Beamten etwas zurückhaltender ist und den verheirateten Beamten mehr gibt. Dem fkauf- männishen Geist hat man in den leßten Wochen wahre Hekatomben von Anerkennungen geopfert; dieser kaufmännische Geist ist auch in die Neichsboten gefahren. Wo sind die Zeiten hin, wo dem jeßigen Kolonialsekretär das Wort „Börsenjobber“ entgegen geschleudert worden ist! Heute wird man sich allgemein freuen, daß es diesem kaufmännischen Geist gelungen ist, sich durchzuseßen und der etwas geringshäßigen Aufnahme, die er in der Beamtenschaft fand, durch die errungenen Erfolge die Antwort zu geben. Auch das schöne Zusammenwirken zwischen Neich8verwaltung und Parlament ist dadurch sehr gefördert worden, und es wäre sehr zu wünschen, wenn wir dieses Zusammenwirken auch auf anderen Gebieten fänden, wenn wir niht mehr erleben müßten, daß der Kriegsminister stets den starren Standpunkt herauskehrt: Hier \tehe ih, das ift meine Meinung! In Kamerun haben wir keine Nahrungsmittel für den Schwarzen; daher die Reiseinfuhr von 1 Million, wovon drei Viertel aus Deutschland, ein Viertel aus England stammt. Warum bemüht man sich nicht, den Neis aus Togo nah Kamerun einzuführen? Bei Südwest stoßen wir auf eine Maiseinfuhr von 125 000 #, wovon 70000 Æ aus Kapstadt stammen, während das ganze Quantum billig von Togo beschafft werden könnte, wie ih mich dort persönlich überzeugt habe. Die Needereien haben natürlih an solchen direkten Transporten kein Interesse; sie verladen ihn lieber von Togo nah Hamburg und von da nah Südwestafrika. Hier hätte der Staatssekretär eine sehr passende Gelegenheit, einzugreifen. Die Missionen nehmen manchmal gegenüber dem Zweck und dem Wesen der Kolonisation einen anderen Standpunkt ein als die Ver- waltung. Solánge die Missionen das Ora et Labora unter Vor- anstellung des Labora praktisch machen, wird die Verwaltung ihre Unterstüßung gern annehmen. Wenn aber die Missionen sich der Schule bemächtigen wollen, so kann es für die Verwaltung ihnen gegenüber nur ein „bis hierher und nicht weiter“ geben. Der Islam ist da, er hat eine mehrhundertjährige Geschichte; wir müssen ihn ertragen lernen, und ih wüßte aues nicht, was das Deutsche Reih in seinen Kolonien davon zu befürchten