1910 / 80 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Apr 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Vreußen. Berlin, 6. April.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen, „W. T. B.“ zufolge, heute vormittag im Königlichen Schlosse in Homburg vor der Höhe die Vorträge des Chefs des Zivil- fabinetts, Wirklichen Geheimen Rats von Valentini und des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Jnfanterie Freiherrn von Lyncer entgegen.

Anlage C zur Eisenbahnverkehrsordnung.

Das Reichseisenbahnamt hat verfügt, daß im Verkehre zwischen Kiel und Eidelstedt einerseits und Rendsburg und Tornesh andererseits bis auf weiteres frische ungereinigte Knochen unverpackt in besonders eingerichteten bedeckten Privat qüterwagen befördert werden dürfen. Die Knochen sind mit Karbolsäure oder einem anderen geeigneten Desinfektionsmittel derart anzufeuchten, daß der faulige Geruch nicht wahrnehmbar ist. Die Wagen müssen mit Vorrichtungen versehen sein, die eine wirksame Durchlüftung der Ladung gewährleisten.

Die Königlich preußishe Meßbildanstalt zu Berlin beginnt jeßt eine erschöpfende Aufnahme DEP hiesigen Baudenkmäler. Zuerst sollen hierbei die Privat- gebäude berücksichtigt werden, welche vor oder bis Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet und von baugeschichtlichem Werte sind. Vor allen anderen kommen die Häuser zur Aufnahme, welche Neubauten zum Opfer fallen sollen. Bei dev allgemeinen Wichtigkeit der Aufnahmen, besonders für die Haupt- und Nesidenzstadt Berlin, ist zum guten Gelingen der Arbeit das weitgehendste Entgegenkommen zu wünschen. Wertvolle Ansichten finden sich aber nicht nur auf den Straßen, fondern auch im Innern der Häuser, auf Höfen, Treppen und in Sälen und Zimmern. Zu diesen ist der Zutritt nur mit Genehmigung der Hauseigentümer und der Mieter möglich, der bisher ja auch immer bereitwilligst gestattet worden ist. Hoffentlich finden die Aufnahmearbeiten auh ferner von eiten der hauptstädtishen Bevölkerung die zu ihrem Gedeihen nötige Unterstüßung, selbst wenn diese mit einigen Unbequemlichkeiten für die Bewohner verknüpft ist.

Der Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Delbrü ck fehrt morgen vom Urlaub zurü.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „NÜrn-

berg“ auf der Ausreise nach der ostasiatischen Station gestern in Singapore eingetroffen und seßt am 9. April die Reise nah Tsingtau fort. _ A 4 Dis

S. M. Flußkbt. „Tsingta u“ ist vorgestern in Hongkong

eingetroffen.

Reuß j. L.

In der gestern erschienenen Nummer der reußischen Geseß sammlung gibt das Fürstliche Ministerium bekannt, daß Seine Durchlaucht der Erbprinz infolge eingetretener dauernder Verhinderung Seiner Durchlaucht des Fürsten in der Führung der Regierung sih genötigt gesehen habe, die Regentschaft des Fürstentums zu übernehmen.

Elsaß-Lothringen.

Jm Landesausschuß wurde gestern, „Wi: S. D gus folge, das Lotteriegeseß, das die Einbeziehung Elsaß- Lothringens in die Preußische Kla})jenlotterte vorjieht, in erster Lesung beraten und einer 18 gliedrigen Spezialkommission überwiesen.

Großbritannien und Frland.

Jm Unterhause brachte gestern der Premierminister Asquith die sogenannte Guillotine-Resolution ein, die die Debatte über die Vetoresolutionen auf fünf Tage beschränkt, und fündigte an, daß nah Annahme der Vetorefolutionen eine auf ihnen beruhende Bill eingebraht werden würde.

Nach Bericht des „W. T. B.* drängte die Opposition den iermi ¡je Bill durch alle Stadien im

uf Asquith erwiderte, man

Rücksicht darauf, seine frühere Sand zu pflügen,

iberweisen wolle. darüber, daß die rechtfertige, die fie die Resolutionen ¡terbreiten e, als ob sie die fest bestimmte Meinung arstellten. Asquit h kündigte ferner an, i April eine Guillotinerefolution bezüglich e vors(lagen werde, und daß sie dann ¿weiten Abs{lagsbewilligung fortfahren Haus si sväter zu Frübjahrsferien werde

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daß die Regierung

des Budgets vom leßien Ic mit dem Budget und werde. Er hoffe, daß vertagen Tönnen.

Das Haus nahm darauf die Guillotineresolution mit 217 gegen 133 Stimmen an.

Frankreich.

Der Senat beriet gestern den Geseßentwurf, durch den die Ermächtigung erteilt wird, in diesem Jahre zwei Panzer- [chiffe auf Stapel zu legen. : e

Nach dem Bericht des „W. T. fragte der Sen Destournelles de Constant, welcher Umstand die fo rasche Ab stimmung dieses Gesetzentwurfs zum Schluß der Session fordere. Der Marineminister Bou de Lapevrère erwiderte, day er a Eifer daran gewandt habe, um die Pläne in fünf Monaten, statt in ¿wölf Monaten, zu erhalten, damit er sie dem Parlament unterbreiten fönne. Die Einbringung des Geseßentwurss und der Schluß der Session sei ein einfahes Zusammentreffen. Destournelles de Constant bedauerte, daß der Senat sih in der Notwendigkeit be finde, eine \{chwerwiegende Entscheidung zu treffen, ohne genau wissen, was er damit tue, denn di eider

eiden Panzer, um die es ih handle, seien nur ein Teil eines neuen Flottenprogramms. Es let nicht weise, fich in eine Operation

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weiter belasten würde, ohne daß man die Gewißheit habe, daß die ebrachten Opfer nipiGes seien, als die seit 40 Jahren verausgabten Milliarden. Der Marineminister Boué de Lapeyrère er- widerte, es handle fich gegenwärtig nicht um das Flottenprogramm, sondern darum, der Marine die Mittel zu geben für den Ersa der beiden ältesten Panzerschiffe. Frankreich habe nur 16 Panzerschiffe, von denen neun veraltet seien. Das genüge nicht sür die Sicherheit des Landes. In Wirklichkeit müßten nicht zwei, sondern drei oder vier Panzershiffe angefordert werden. Die RNegie- rung verfolge feine ehrgeizigen Absichten; es handle sich nur darum, ni&t noch weiter zurückzukommen. Er teile nicht die Meinung von Destournelles de Constant, der nicht an die Gefahr einer feindlichen Landung glaube. Eine solche sei in Frankrei sehr wohl möglich. Ein Feind könne in 24 Stunden eine Division landen, allerdings unter genauer Beachtung des Umstandes, daß Zeit und Vrk günstig gewählt wird. Unter- -dislem Vorbehalt sei aber die. Gefahr gewiß, und derjenige sei \s{chlecht beraten, der sih aus- \chließlih auf Landtruppen glaube verlassen zu können, die etne solche Landung unmögli machen sollten. Im Namen der Finanz- fommission erfuhte der Senator _Monis, dem Geseßentwurf zuzustimmen. Die geplanten Schiffe seien beinahe allen aus- ländishen überlegen. Er bedauere jedo, daß man sis nicht mit Kanonen von 340: mm ausrüsten könne. Er ersuhe den Minister, diese Kanonen, die Frage der _ Geshügtürme und das Turbinéenproblem einem eingehenden Studium unterziehen zu lassen. Der Marineminister bestätigte fodann, daß die sür einen Verglei in Betraht kommenden * aus ändischen Schiffe genau wie die Frankreilßs, nur 12 Geschüße von 305 mm hätten und ein Unterschied ihnen gegenüber nur in der Aufstellung dieser Geshüye bestehen könne. Die beiden Zentraltürme, wie Frank- reich sie verwende, seien den englischen und amerikanischen Geschüß türmen überlegen. Er werde die von jeinem Borredner genannten Probleme untersuchen lassen. Ver erste }etner Vollendung entgegen- gehende Kreuzer werde versuch8wei|e Turbinen erbalten. i

Nachdem dann noch Flaissières den Wunsch aus gesprochen hatte, Frankreich möge die Jnitiative zur Abrüstung ergreifen, nah er Senat den Geseßentwurf einstimmig an und verhandelte sodann über das Ftinanzge]es.

Der Senator Touron bekämpfte den von der ] - genommenen Artikel, der die Erbschafts\steuer erhöht. Er zeigte, daß die Erhöhung einen Aufschlag von 40 °/9 auf die bestehenden Steuern bedeuten und Frankreih in dieser Beziehung an die Spitze aller Nationen stellen würde. Touron brachte ein Amendement ein, das weniger erhöhte Säße oder eine neue Einschätßung forderte. Der Finanzministêr Spe ry wies auf die Notwendigkeit hin, das Gleichgewiht des Budgets herzustellen und verpflichtete sih, im Monat Juni eine neue Basis für die Einschäßung in Vorschlag zu bringen. Aber er verlange, das Amendement von dex Tagesordnung abzuseßzen. s

Der Senat seßte das Amendement ab, worauf die Sizung geschlossen wurde.

Die Deputiertenkammer, die gestern die Dek..tte über die Interpellation, betreffend die Lage der Eisenbahn- beamten, fortsezte, nahm, obiger Quelle zufolge, eine Tages- ordnung an, in der der Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird, daß sie dem Bahnpersonal die hinsichtlich der Regelung der Arbeitsverhältnisse, der Gehälter und der Pensionen ge forderten Verbesserungen verschaffen werde.

Rußland.

Die Reichsduma strih in der gestrigen Sißung, wie das „W. T. B.“ mel, 9 pgen die Stimmen der Nationalisten und der Recht; aus d Etat des Marineministeriums einen Kredit von T1 Milliofen Rüúbel zum Bau neuer Schiffe und beendete die Prüfung des Budgets für 1910. Der Uebérshuß der Staatseinnahmen über die Ausgaben beträgt 4 240 000 Rubel. E

Die Dumakommission für die Reichsverteidt- gung hat den Geseßentwurf über das mit 456 535 Mann fest- gestellte Rekrutenkontingent für 1910 angenommen.

Türkei.

Jn Oberalbanien, insbesondere im Bezirk Prischtina, werden, wie das „W. T. B.“ meldet, wegen der kritischen Lage umfassende militärische Operationen unter dem Be fehl Sch eff et Paschas, des Nachfolgers von Dschavid Pascha, eingeleitet. Der Arnautenstamm der Ha))ts, der in vollem Aufruhr sih befindet, hat alle festen Ge- höfte besezt und richtet sich zur Verteidigung ein. Die Truppen sind bereits mit den Arnauten in Kampf geraten, wobei die Artillerie Verwendung fand. Von Saloniki, Serres und Monastir sind sechs Bataillone zur Verstärkung nah Ober- albanien abgegangen. Es wird beabsichtigt, den Belagerungs ustand auch über Prischtina zu verhängen.

Afrika.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Addis Abeba ist es zwischen Ras Wolie, dem Generalgouverneur von Jedschu, und Ras Mikfael, dem Generalgouverneur von Mollo, zu \hweren Differenzen gekommen. Die aethiopische Regierung hat Maßnahmen getroffen, um dem Ras Mikael mit Truppenmacht zu Hilfe eilen zu können, falls es zu be waffneten Konflikten fommen sollte.

Kammer an e l

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Gewerbeinspektion in Preußen im Jahre 1909.

Nach den soeben erschienenen „Jahresberihten der Königlich Preußishen Regierungs- und Gewerberäte und Bergbehörden für 1909“ boten die allgemeinen wirts{aftlihen Verhältnisse in Industrie, Handel und Gewerbe- in der ersten Hälfte des Berichtsjahres das “leide Bild wie im Vorjahre. Im Monat Juli traten die ersten Anzeichen einer Besserung der gedrückten Geschäftslage ein, und gegen Ende des Jahres war es unverkennbar, daß eine aufsteigende Wirtschaftsevoche begonnen hatte. Die bessere Gestaltung des Marktes zeigte nur in wenigen Industriezweigen eine sprunghafte Bewegung, vielmehr setzte sie meist langsam und zögernd ein. So war in Nheinland-Westfalen die Großeisenindustrie noch in der leßten Zeit ge- nôtiat, Feierschicten einzulegen, und die Lage im oberschlesischen Revier wird durch die Tatsache gekennzeichnet, daß ein großes Eisenwerk im Ovvelner Bezirk noch im November nur etwa 40 v. H. der }onjt Tbliden Löhne auszahlen fonnte. Eine Ausnahmé bildete die flotte Beschäftigung einzelner Gruppen der Textilindustrie und der Tábak- industrie vor dem Inkrafttreten der neuen Steuerge]eße. Der außer- ordentlichen Anspannung der Tätigkeit in der leßteren folgte naturgemäß ein Rückshlag, sodaß etne Verkürzung der Arbeits- ¿eit, vorübergehende Betriebe und Arbeiter-

Schließung der etriebe t entlassungen notwendig wurden. Am ungünstigsien lauten hier- über die Berichte aus

dem Regierungsbezirk Minden, wo eitweise eine Arbeitslosigkeit in einem nicht vorhergesehenen Umfange eintrat. Im allgemeinen aber haben sich die Besorgnisse, die man binsi{tlih der Tabakarbeiter hegte, nicht in dem Maße er- füllt, wie man dies befürchtet hatte. n den anderen Industrie-,

zweigen hat sich die Lage der Arbeiter durch vermehrte Arbeits- | gelegenheit entschieden gebessert : die Höhe der Löhne aber blieb ziem-

lih unverändert, da auch in der voraufgegangenen Zeit der wirtschaftlichen Depression eine erhebliche Herabseßung nit erfolgt war, und wo eine Erhöhung stattgefunden hatte, wurde sie durch die fortschreitende Steigerung der Lebensmittelpreise und Wohnungsmieten wieder ausgeglichen. Daher blieb die Errichtung billiger Wohnstätten, die Beschaffung wohlfeiler Lebensmittel und andere eihilfen, welche die troß der Ungunst der Zeiten kaum verminderte Fürsorge der größeren Werke gewährte, für die Arbeiterschaft von wesentlicher Be- deutung.

Für die Beurteilung der Lage der Industrie und der wirtschaft- lichen Verhältnisse der Arbeiter sind die statistischen Ermittlungen der Gewerbeinspektoren über die in den einzelnen Bezirken und Industrie- gruppen vorhandenen gewerblichen Betriebe und die in ihnen beschäf- tigten Arbeiter von hohem Werte. Es betrug danach die Gesamtzahl der revisionspflihtigen Fabriken und der ihnen gleichgestellten Anlagen im- Bexichtsjahre 150 019 gegen 146 369 im Jahre 1908, 141 999 im Fahre 1907 und 135 369 im Jahre 1906; gegen das Sahr 1908 hat mithin eine Zunahme um 3650 stattgefunden, während sich die Zahl der Betriebe in den voraufgegangenez Jahren um 4370 und 6630 er- höht batte. Die geringe Vermehrung ist wohl zumeist auf die Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse, zum Teil aber au darauf zv@äd- zuführen, daß sih das Streben nach Konzentration immer mebr geltend maht und daß dem Entstehen großer Anlagen das Eingehen fleinerer gegenübersteht. Die Gesamtzahl der Arbeiter betrug 3 061 430 gegen 3 019137 im Jahre 1908, 3 069 493 im Jahre 1907 und 2986 173 im Jahre 1906. Gegenüber dem Rückgang um 50361 im Jahre 1908 hat im Berichtsjahre infolge der allmählihen Besse- rung der Geschäftslage eine Zunahme der Beschäftigungsziffer der Arbeiter um 42 293 stattgefunden, die aber gegen die im Fahre 1907 erfolgte Erhöhung noch um fast die Hälfte zurücbleibt. Die Zahl der Arbeiterinnen, die im Jahre 1907 von 538 310 auf 563 100 ge- stiegen und 1908 auf 560 309 gefallen war, hat fich im Berichts- jahre um 23639 erhöht, während die Zahl der männlichen Arbeiter, die \ich im Jahre 1906 auf 2228 Gi L907 Qui 9977642 und 1908 auf 2230381 belief, nur um 15462 gewachsen ist. Die verhältnismäßig starke Zunahme der Beschäftigung weiblicher Personen ist in erster Linie wohl darauf zurückzuführen, daß der scharfe Konkurrenzkampf verschiedene Industrie- zweige genötigt hat, billigere Arbeitskräfte einzustellen, dann aber auf die Tatsache, daß für Arbeitsvorrichtungen, zu denen weniger Krast und Intelligenz als eine leihte Hand und Fingerfertigkeit gehören, ch Frauenhände besser eignen, und endlich auf den Umstand, daß fich im allgemeinen der geschäftliche Verkehr mit Arbeiterinnen schneller und leichter abwickelt als mit Männern. Auch mögen die Streiks und die zahlreichen Lohndifferenzen der legten Jahre nicht unwesentlich zu der Vermehrung des weiblichen Fabrikpersonals beigetragen haben. Die Zahl der 16 bis 21 Fahre alten Arbeiterinnen betrug im Berichtsjahre 244 121 gegen 236 175 im Jahre 1908, 236 859 im Jahre 1907 und 225 936 im Jahre 1906, die der über 21 Jahre alten 339 827 gegen 324 134, 396245 und 312 374 in den voraufgegangenen Jahren ; es hat mithin nad dem Rückgang um 680 resp. 2111 im Jahre 1908 wieder eine Zunahme um 7946 resp. 15 693 stattgefunden. Jugendliche Arbeiter von 14 bis 16 Jahren wurden im Jahre 1909 229 219 (darunter 78 467 Mädchen) in Fabriken und diesen gleichgestellten Anlagen be schäftigt: im Jahre 1908 betrug deren Zahl 225 974 (75 093 Mädchen), 1907 225 696 (75570 Mädchen) und 1906 216 904 (73 494 Mädchen). Die Zahl der gewerblich tätigen Kinder beiderlei Geschlech{ts belief fich im Jahre 1909 auf 2420 und ist um 640 gegen das Jahr 1907 gefallen, in dem eine Erhöhung um 714 statt- gefunden hatte. An gewerblichen Betrieben, die auf Grund der vom Bundesrat gemäß § 120e der G.-O. erlassenen Vorschriften zu be- aufsihtigen sind, aber niht zu den Fabriken 2c. gerechnet werden, wurden im Berichtsjahr 50 211 gegen 49 001 im Jahre 1908, 47 150 im Jahre 1907 und 49 759 im Jahre 1906 gezählt; die Zahl der in diesen Anlagen beschäftigten Arbeiter betrug 116 567 gegen 113 448 im Jahre 1908, 111 931 und 118 527 in den beiden voraufgegangenen Jahren. :

Die Verteilung der Fabriken und der ihnen gleichgestellteu An- lagen, der in diesen beschäftigten erwasenen Arbeiter und Arbeiterinnen sowie der jugendlichen Arbeiter und Kinder männlichen und weiblichen Geschlechts is aus folgender Tabelle ersichtlichß, in der die einge- flammerten Zahlen die Zu- resp. Abnahme angeben :

Anzahl der Bezeichnung j

zendlichen

Jug

der

ahren

V S

Fahren y

[rbeiter G

Arbeiter von 14—16

Industriezweige

männlichen

14

Arbeiterinnen Kinder unter

Bergbau, Hütten und Salinen- | i wesen | 10589 35

(— 561) |(+ 17)

699 1 207504! 4467 (— 4) |(— 1357) (— 154)

35 629 19 553 6

(— T7T85)(— 2979)| (— 2) (— 1243)(— :

11 684 | 287218 | 27 562 35 939

(—- 209)|(+ 4331) (+ 1623)} (+ 645) |(

Industrie der Ma- | schinen, Werk- zeuge, Instru- mente und Appa-

Industrie der F Steine u. Erden | 14 8801 314 379

Metallverarbeitung

437 404 | 34 316 4131)|(+ 3813 77 368 | 12 173

1640) (+ 1406

32 969 | 204 (— 194) (+ 19) 4099 | 33

Chemische Industrie (— 80) |(— 4)

R -Î1

Industrie der \orll-

wirtschaftlichen Nebenprodukte, Leuchtitoffe, Sei- f Fetie und : (344 | 23 (4 18) | (+2) |(— 1)

164 349 | 34 824 | 688 65) (4 5397) (4+ 2532)(+ 86)

8410| 28922 | S201 86 (+ 891) | (4+ 394) | (— 61) |(— 9) 38379 | 7144| 2766 | 36 (4 403) | (— 104) | (4+ 24) |(+ 7)

2207 4 129 (+ 33) 6418 968)

1 929 (—T- 6) Lederindustrie . . . | 1 444 D (— 5) Industrie d. Holz- und Schnitz\toffe

f 9)

16 322] 186 446 | 11788 | 13233. | - 123) (— 2

| | Zik +04 (+ 545)|(+ 2578)| (+ 144) | (+ 123 ) Industrie der Nah- | rungs- u. Genuß- | G mittel 47 686 | 253 297 | 85.740 | 23951 | 24 (4-2112)|(4 3457)|(+ 2777)| (+ 275) |(— V)

Bekleidungs- und | Reinigungs8- ( i ear e gewerbe 28 243 | 50 003 | 146 280 | 27.302 |. 199 (4 878)|(4+ 1944)|(+ 7469)|(+ 2250)|(— 20) 3096 | 60 095 402 3.007 8

Baugewerbe . . - « i : (+4 161)|(+ 1589)! (+ 42) | (— 289)

(— ò) Polygraphische Pas 65 464 | 19220 | 10452 | 119 (+ 1214)| (+ 637) i(+ 1791)| (+ 9 Sonstige Industrie- : i | zweige 24 3 738 LO0L 5 000 (+ 296) | (+ 147) | (+ 31)

*) Die Zahlen beziehen fih nur auf die niht unter der Aufsichl

der Bergbehörden stehenden Betriebe.

Ueber zwei Fragen: über die in den Werken der Großindustrie vorhandenen Anlagen für Trinkwasserversorgung, Wascheinrichtungen, Badegelegenheiten und Speiseräume, und ob die Arbeiter des Morgens vor Baaiitn der Arbeit gefrühstükt haben, find von den Gewerbe- inspektoren im Berichtsjahre eingehendere Ermittelungen angestellt worden. Bezüglich der ersten Frage haben die Beobachtungen der Beamten ergeben, daß alle von den Betriebsleitungen getroffenen Ein- richtungen der erwähnten Art dem Arbeiter nur dann wirklich von Nugen sind, wenn bei: ihrer Anlage seine Gewohnheiten und Wünsche und die Eigenart des Betriebes berüsihtigt werden. Ferner muß sowohl bei den Unternehmern wie bei den Arbeitern ein reges nteresse für diese Wohlfahrtseinrihtungen geweckt werden, damit sie nicht in kurzer Zeit der Vernachlässigung oder gar der Beschädigung durch mutwillige Hände anheimfallen. Besonders aber erscheint es erforderlih zu sein, statt der Schaffung großer Zentralanlagen auf dem bereits von einigen Unternebmern beschrittenen Wege der De- zentralFatiot eiter fFtzushreiten und Bw hlfahrtsanlagen dort zu errichten, wo sie der Arbeiter am meisten braucht, d. h. möglichst nabe der Arbeitsstelle. Was die- zweite Frage betrifft, so hängt die Möglichkeit, Morgens vor Beginn der Arbeit zu frühstücken, ab- gesehen von der wirtschaftlichen Lage und den individuellen Eigen- \haften, in der Hauptsahe von der Zeit des Arbeitsanfanges und der Entfernung der Wohnung von der Arbeitsstätte ab. Bei der großen Verschiedenheit der Verhältnisse ist, wie von den Gewerbeinspektoren betont wird, eine genaue und erschöpfende Be- antwortung der Frage nicht möglich. Die durch Befragen der Arbeitgeber, Meister und Arbeiter angestellten Erkundigungen haben im allgemeinen eine bejahende Antwort ergeben. Wenn man aber bedenkt, so wird in einem Berichte bemerkt, eine wie große Anzahl von Kindern ohne warmes Frühstück zur Schule kommt, woraus man wobl folgern kann, daß auch deren Eltern feinen warmen Morgen- trunk zu sih nehmen, und wenn man ferner in Betracht zieht, daß die Verpflegung der unverheirateten Arbeiter, die als Schlafgänger wohnen, erfahrungsgemäß viel zu wünschen übrig läßt, fo wird man mit Necht annehmen können, daß die Fälle, in denen Arbeiter ohne Frühstück die Arbeit aufnehmen müssen, nit allzu selten sind.

Die Revisionstätigkeit der Gewerbeinspektoren hat sih gegen das Vorjahr infolge der die Arbeitskraft der Beamten in außerordentlich hohem Maße in Anspruch nehmenden Durchführung der polizeilichen Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der Bäckereien und der Bekanntmachung, betreffend den Betrieb der Anlagen der Großeisen- industrie vom 19. Dezember 1908, stark verringert. Troßdem belief ih die Zahl der revidierten Fabriken und der ihnen gleihgestellten Anlagen auf 71881 (gegen 1908: + 1791) oder 47,9% der ge- samten fabrikmäßigen Betriebe. Da in jenen 1 863 487 erwachsene Arbeiter, 456 777 Arbeiterinnen, 179 672 jugendliche Arbeiter von 14 bis 16 Jahren, darunter 59 139 weiblichen Geschlechts, und 1959 Kinder unter 14 Jahren beschäftigt waren, erstreckte sih die Inspektion auf 9 501 895 (gegen 1908: + 17 118) oder 82,3 9/0 der überhaupt ge- zählten Arbeiter. Bei den Nevisionen wurden von den Aufsichts- beamten im Berichtsjahre Zuwiderhandlungen gegen die Schußzgesetze und Verordnungen, betreffend dis Beschäftigung jugendlicher Arbeiter, in 5662 Anlagen gegen 6465 im Jahre 1908 festgestellt. Die Mehrzahl der Uebertretungen betraf Vorschriften formeller Art, insbesondere die Bestimmungen über Arbeits- und Lohnzahlungsbücher, Anzeigen, Verzeichnisse und Aushänge: Vergehen gegen die materiellen Vorschriften wurden 1299 gegen 1402 im Vorjahr ermittelt, und zwar 141 (gegen 1908: 130) Fälle geseßwidriger Beschäftigung von Kindern, 531 (+ 33) Zuwiderhandlungen gegen die geseßliche Beschränkung der Arbeitszeit jugendlicher Personen und Kinder, 422 (+15) gegen die festge- seßte Dauer der Pausen, 73 (— 26) gegen das Verbot der Nachtarbeit und 131 (+ 4) gegen die Bestimmungen über die Sonntagsarbeit. Bestraft wurden wegen Uebertretung der Schußzgeseze und Ver- ordnungen 1126 (— 61) Personen, außerdem {weben noch 24 Straf- verfabren. Bei der Durchführung des Kindershußtgesetzes vom 30. März 1903, dessen Bestimmungen sowohl den Eltern der Kinder als auch den Gewerbetreibenden noch immer nicht genügend bekannt sind, haben die von den Schulen aufgestellten Verzeichnisse der ge- werblich beschäftigten Kinder auch im Berichtsjahr den Gewerbe- inspektoren und Polizeibehörden wesentliche Dienste geleistet. Zahl- reie Geseßzwidrigkeiten wurden mit Hilfe dieser Listen ermittelt und, ohne daß die Interessen der Schule berührt wurden, abgestellt. Erfreulicherweise scheint in mehreren Bezirken sowohl die Zahl der gewerblich tätigen Kinder als auch die Zahl der BVerstöße gegen das Kindershutzgeseß zurückgegangen zu sein. Ob dieses günstigere Ver- bältnis auf die wiederholten |{riftlihen und mündlichen Aufklärungen, die polizeilichen Vernehmungen und Kontrollen und die in Wieder- holungsfällen veranlaßten Bestrafungen oder etwa darauf zurück- zuführen ist, daß die Kinder, von ihren Eltern oder Arbeitgebern beeinflußt, ihre Ausfagen in der Schule nicht mehr mit derselben Offenheit gemacht haben, wie bei der ersten Erhebung, läßt ih {wer feststellen. Die gegen Ende des Jahres 1908 in- folge eines Erlasses des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten im Kreise Herford probeweise angestellte Erhebung über die gewerbliche Beschäftigung s{ul- vflichtiger Kinder mittels Fragebogen, die an die Eltern zur Aus- füllung verteilt wurden, hat nach dem Berichti des zuständigen Ge- werbeinsvektors bei dem Mißtrauen, das von den beteiligten Be- völkerungsflassen im allgemeinen derartigen Erhebungen entgegen- gebraht wird, zwar unsichere, aber doch immerhin wertvolle Unter- lagen für die Beurteilung der Kinderbeschäftigung geliefert.

Die Zahl der Zuwiderhandlungen gegen die Geseße und Ver- ordnungen zum Stute der Arbeiterinnen, die von den Gewerbe- insvektoren im Laufe des Berichtsjahrs ermittelt worden find, ist von 3398 auf 2994 gesunken; 1932 (gegen 1908: 429) Falle betrafen Verstöße gegen die Bestimmungen über Anzeigen und Aushänge, 1062 (— 21) Fälle Uebertretungen materieller Schußvorschriften, die zum überwiegenden Teile in unerlaubter Verkürzung der Mittags- vause und in Ueberschreitungen der zulässigen Arbeitszeit an den Vorabenden der Sonn- und Festtage bestanden. Die meisten Zuwiderhandlungen wurden in den Werkstätten der Kleider- und Wäschekonfektion und im Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe fest- gestellt, nächstdem in den Ziegeleien, in den Buchdruckereien und Schriftgießereien, in der Industrie der Nahrungs- und Genußmittel, in den Meiereien und Betrieben zur Sterilisierung von Milch und in der Textilindustrie. Die Zahl der Anlagen, in denen gegen ie geseßlihen Bestimmungen gefehlt wurde, hat. -_NckÞ gegen das Jahr 1908 um 185 vermindert, die Zahl der wegen Zuwiderhandlungen bestraften Personen um 206 vermehrt , ungerechnet noh 16 \chwebende Strafverfahren. Vie Bewilligungen von Ueberarbeit haben infolge der in einzelnen Industriezweigen eingetretenen Besserung der Geschäftslage im Berichtsjahr erheblih zugenommen. Es wurde von den Verwaltungs- behörden für Wochentage außer Sonnabend 490 (gegen 1908: 89) Betrieben mit 34 777 (+4 13 680) Arbeiterinnen in 773 (+ 221) Fällen für 8591 (+ 2427) Tage und für Sonnabend 77 (+ 12) Anlagen mit 8019 (+ 3373) Arbeiterinnen in 198 (+ 84) Fällen die Beschäftigung über die normale Arbeitszeit gestaltet. An diesen Bewilligungen sind die Industrie der Nahrungs- und Genußmittel, die Textilindustrie und das Bekleidung®- und Neinigungsgewerbe mit den höchsten Stundenzahlen beteiligt.

_ Die zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens gemäß §_105f der G.-O. bewilligten Ausnahmen von den Vorschriften über Sonntagsruhbe haben im Berichtsjahr sowohl hinsichtlich der Zahl der Betriebe, denen T gestattet wurde (948 gegen 711

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im Jahre 1908), als auch hinsichtlich der Zahl der bewilligten Arbeits- stunden (515 328 gegen 428 170) und der an der Sonntagsbeschäfti- gung beteiligten Arbeiter (47 946 gegen 40 555) eine Steigerung erfahren. Wie im Vorjahre waren die RNohzukerfabriken und Zucker- raffinerien, denen für 98 Betriebe 102 463 Arbeitsstunden bewilligt wurden, am stärksten an der Sonntagsarbeit beteiligt, danach die Industrie der Nahrungs- und Genußmittel und die In- dustrie der Maschinen, Werkzeuge, Instrumente und Apparate mit 73 resp. 80 Betrieben und 45 398 resp. 33 245 Arbeitsstunden.

Die Zahl der Unfälle hat sich im Vergleich zum Jahre 1908 niht unèrheblich verringert. Dies günstige Ergebnis dürfte aus der verminderten Betriebsintensität und dem geringen Arbeiter- wedsel in der ersten Hälfte des Berichtsjahres, zum Teil aber auch aus der sinkenden Tendenz des Verhältnisses der Unfall- zur Arbeiterzahl zu erklären sein, die bereits seit mehreren Jahren beobahtet worden ist. Zahlreihe und \{chwere Unfälle find wieder in den Steinbruchbetrieben vorgekommen. Cine Besserung in dieser Beziehung wird nach der Ansicht des Gewerbeinsyefktors in Dillenburg nur dur eine \orgfältigere Ausbildung des Aufsichts- personals und die Einführung eines besonderen geseßlichen Befähigungs- nachweises, wie er bereits für die Aufsichtsper]onen der bergpolizeilich überwachten Betriebe besteht, zu erreichen sein. Jeßt begnügen sich die Unternehmer in der Regel damit, ältere Leute oder Vorarbeiter mit der Leitung des gesamten Betriebes zu beauftragen, was für kleine und ein- fache Anlagen ohne maschinelle Einrichtungen auch genügen mag; dagegen muß es doch äußerst bedenklith ersheinen, wenn in Betrieben größeren Umfanges mit \chwierigen Abbau- und Arbeiterverhältnissen ein einfacher Arbeiter, wenn auch in gehobener Stellung, das*Amt eines Betriebs- führers einnimmt. Schon der Mangel an Ansehen seinen früheren Arbeitsggnossen gegenüber ershwert eine strenge Durchführung der zum Schu der Arbeiter erlassenen Vorschriften. Dazu fommt vielfah neben dem Mangel an einer ausreichenden Schulbildung das Fehlen der elementaren Kenntnisse in der Gesteinsfunde, der Behandlung und Verwendung von Spreng stoffen 2., worunter sowohl die Sicherheit wie die Wirk- \chaftlihkeit der Steinbruchbetriebe leidet. Erheblich haben sich im Berichtsjahr die {weren Handverlezungen an den Holz- bearbeitungsmashinen verringert, seitdem die Gewerbeaufsichts- beamten energisch darauf dringen, daß die gefährlichen Maschinen mit runden Sicherheitswellen ausgerüstet werden. Aus dem reichen Material, das in den Berichten der Gewerberäte ent- balten ist, seien einige für die Unfallverhütung bemerkenswerte Fälle mitgeteilt. Die Gefährlichkeit des Benzols is wiederum durch einen Todesfall in einer Anilinfabrik des Regierungsbezirks Merseburg erwiesen worden. Dort war infolge falscher Ventil- stellung durch einen Arbeiter Benzol in den Arbeitsraum ausgelaufen, sodaß der Mann angewiesen wurde, den Naum fofort zu verlaffen. Dieser Anweisung kam er zwar nach, wurde aber von dem Werk meister, als dieser nach Verlauf von etwa zehn Minuten sich über zeugen wollte, ob das Benzol abgelaufen sei, in dem noch stark nah Benzol riehenden Arbeitsraum in einem Winkel am Boden liegend aufgefunden. Vorgenommene Wiederbelebungsversuche durch den sofort Lerbeigectlien Fabrikarzt blieben erfolglos. Dieser Unglücksfall ist durch eigenes Verschulden des Arbeiters herbeigeführt worden, der darüber belehrt war, daß ein vorzeitiges Betreten des mit Benzoldämvfen erfüllten Gebäudes mit Gefahr für Gesundheit und Leben verknüpft sei, und der sich entgegen ausdrücklicher Weisung in den Naum zurückbegeben hatte. Mit welchem großen Leichtsinn im Dampf- feselbetriebe hin und wieder verfahren wird, läßt ein Fall erkennen, in dem der Besißer einer Mühle im Regierungsbezirk Minden das Sicherheitsventil seines Dampfkessels mittels eines 65 kg {weren eisernen Gewichtsstücks überlastet und den Dampfdruck im Kessel 12 Atmosphären über den Konzessionsdruck gesteigert hatte. In richtiger Erkenntnis der Gemeingefährlichkeit einer solchen Handlungs- weise verurteilte das Schöffengeriht den Müller zu 300 Geld strafe oder 60 Tagen Gefängnis, indem es über den auf 100 4 Geldstrafe lautenden Strafantrag des Amtsanwalts erbebli% binausging. Durch das Springen eines Schwungrads ist in einer Fabrik im Regierungsbezirk Cassel ein Todesfall herbeigeführt worden. Dieser Fall ist deshalb von grundsäßliher Bedeutung, weil das Springen, wie ausgedehnte Erhebungen und Berechnungen ergeben, nit durch übermäßige Geschwindigkeit (Durchgehen der Maschine), sondern durch plögliche elektrische Bremsung in der Weise hervor- gerufen zu sein scheint, daß beim Einschalten auf das Ney ein Strom- stoß aus diesem die Maschine getroffen hat, der auf sie einen Zwang zur Drehung in entgegengeseßtem Sinne ausübte. Die Firma hat inzwishen Minimalschalter angebracht, die auch für ähnlich liegende Verhältnisse empfohlen werden können. Ein bemerkenêwerter Unfall ereignete si ferner in einer Motorbäckerei im Regierungsbezirk Osnabrück, in der die Rohrleitung vom Benzinlager bis, zum Motor unmittelbar in den sfauren, lehmigen Marschboden verlegt und in dieser Umbüllung verrostet war. Da außerdem das Benzinfaß nicht luftdiht vers{lossen war, floß das Benzin in die Leitung, aus dieser in das Erdreih und fand den Weg bis zu einer 10 m entfernten Zisterne im Hause des Besißers. Bei Annäherung mit einer Stallaterne entzündeten sch die Benzingase, wodur vier Personen teilweise {wer verleßt wurden. Besondere Auf merfsamkeit haben die Gewerbeinspektoren im Berichtsjahre den Unfällen während der Nachtschihht zugewandt. Nach thren Mitteilungen ist die Annahme, daß die Unfallgefahr bei Nacht ver- hältnißmäßig größer sei als bei Tage, statistisch widerlegt ; ferner wird festgestellt, daß sich carakteristische Merkmale für ‘die Art, Schwere und Ursache der Unfälle während der Nachtshicht aus den erstatteten Anzeigen nicht haben gewinnen lassen. Diese Ergebnisse werden darauf zurückgeführt, daß in der Nachtshiht die Haupt masse der ungelernten, unständigen Arbeiter nicht beschäftigt wird, daß die jugendlihen Arbeiter und die Arbeiterinnen gänzlich fehlen, Nachts mit weniger Hast und vorsichtiger gearbeitet zu werden vflegt, s{chwierige und besonders gefährliche Arbeiten auf den Tag ver- hoben, Transport und Verladung eingeshränkt werden oder ganz unterbleiben, daß manche störenden Einflüsse, die sich am Tage geltend maden, in der Nacht fortfallen, und die größte Gefahrenquelle mangelhafte Beleuchtung, in allen größeren Betrieben beseitigt ist.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Berliner städtischen Arbeiter und Handwerker hielten hiesigen Blättern zufolge, am Montag eine Protestversammlung ab wegen der Ablehnung der von ihnen gestellten Lohnforderunge! Es wurde mitgeteilt, daß die Arbeiteraus\{hüsse der städtishen Be triebe sih aufgelöst hätten, weil ihre Anträge doch nicht berücsichtigt würden. In einer Resolution wird aufgefordert, für den Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter agitieren und im gegebenen Augenblick den Kampf für bessere Lebensbedingungen aufzunehmen.

Die Zentralverbände der Maurer und der baugewerb lien Hilfsarbeiter hielten gestern in Berlin, der „Voss. Ztg." zufolge, einen gemeinsamen Verbandstag ab, um zu dem ihnen vom Arbeitgeberbund vorgelegten Tarifmuster endgültig Stellung zu nebmen. Den einleitenden Bericht erstattete der Neichstagsabgeordnete Bömelburg, der die Annahme folgender Nefolution beantragte: „Die Verbandstage der Zentralverbände der.. Maurer und baugewerblichen Hilfsarbeiter Deutschlands dokumentieren aufs neue und in vollster Einmütigkeit mit der Gesamtheit der Mitglieder, daß fie unverrückbar festhalten an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag. Die Zentralverbände bekennen sich damit zu wieder- bolten Malen zu friedlich-s{iedlihen Verhandlungen mit den Organi- sationen der baugewerblihen Unternehmer, um auf dem Boden un- beeinträhtigter Parität einen gerechten Ausgleich zwischen den be- rechtigten Interessen der Arbeiter und Unternehmer herbeiführen zu helfen. Unbeschadet dieser grundsäßlichen Erklärung müssen die Ver- bandstage es jedoch ablehnen, auf Grund der vorliegenden Anträge des Deutschen Arbeitgeberverbandes für das Baugewerbe weiter zu ver- handeln, da es ein völlig unfruhtbares Beginnen wäre, Tarifverträge durchzuführen, die das Vertragsmuster des Arbeitgeberbundes als Grundlage haben. Insbesondere lehnen es die Verbandstage ab, daß Tarifverträge abgeschlossen werden zwischen den Zentralvorständen der Organisation. Träger der Tarife müssen wie bisher die örtlichen Organisationen sein, denn diese sind es, die den Vertrag in allen Stücken und in erster Unie durhzuführen haben. Den Zentral- vorständen bleibt die Aufgabe, die Durchführung der Tarife zu über- wachen, Konflikten, die fich aus dem Vertragsverhältnis ergeben, vor- zubeugen und verbleibende Differenzpunkte leßten Endes zu \{lichten. Ebenfalls müssen die Verbandstage es ablehnen, in dem Vertrags-

muster Dur\chnitts- oder Staffellöhne festzulegen. Völlig unan-

nehmbar für die Zentralverbände is auh jede einschränkende Be- stimmung bei der Lohnfestsezung, soweit niht alte, invalide und jugendlihe Arbeiter in Frage kommen. Völlig undiskutierbar find für die Verbandstage die Forderungen des Arbeitgeberbundes, be- treffend Akkordarbeit und Arbeitsnahweis. Die Verbandstage legen Wert darauf, festzustellen, daß se in der Frage der Akkord- arbeit keine Aenderung des gegenwärtigen Zustandes erstreben, ihre Regelung vielmehr den örtlihen Organisationen zu- weisen. Dagegen werden die Zentralverbände niemals einer Regelung der Afkkordarbeit in dem Sinne zustimmen, wie sie der Arbeitgeberbund fordert, wodurch den Arbeiterorgani- sationen jeder Einfluß auf die Afffeordarbeit, insbesondere au auf die zu zahlenden Löhne genommen werden foll. Der Zweck der vom Arbeitgeberbund geforderten Arbeitênahweise ist durch die Führer des Bundes \o klar gekennzeichnet, daß sie au ohne die praktischen Er- fahrungen der Arbeiterschaft als Maßregelungsbureaus bekannt sind. Die Zentralverbände haben längst erkannt, daß mindestens in den Großstädten die Arbeitsvermittlung einer Regelung bedarf. Dies fann jedoch nur auf dem Boden vollster Parität geschehen, und die Zentralverbände erklären sich zu wiederholten Malen bereit, gemeinsam mit den Unternehmerorganisationen an die Lösung dieser Aufgabe heranzutreten. Sließlid müssen die Verbandstage unter allen Um ständen darauf bestehen, daß der Arbeitgeberbund seine zwar außerhalb des Vertragsmusters, aber damit im Zusammenhang stehenden Be- schlüsse über Lohnhöhe und Arbeitszeit aufhebt. Den - alverbänden der Maurer und Bauhilfsarbeiter ist es unmöalich, Ve » einzugehen oder überhaupt über ein Vertragsmuster zu verhandeln, wenn nit zuvor die Bahn frei gemacht ist für eine y Arbeitszeit unter 10 Stunden, zunächst in den großstädtishen Arbeitsgebieten, wo es eine unabweisbare Notwendigkeit ist, und wenn ferner nicht eine vorherige Verständigung darüber erzielt wird, daß die Löhne den teuern i verbältnissfen entsprehend aufgebessert werden sollen. tage der Maurer und Bauhilfsarbeiter Deutschland daß sie gern bereit sind, einen vertrag und für den Frieden im Baugewerbe ndlage schaffen zu helfen. Sie können das aber nur, wenn der Deu i beitgeberbund für das Baugewerbe seine der Parität har shlagende Forderung fallen läßt und fih wie die Zentral der Tarifidee bekennt, die die notwendige Vorbedingung verträge ist." Die Abstimmung ergab die einstimmige der Nesolution und damit die Verwerfung des mujsters der il ( verwarf gleichfalls einsti Auch der Verbandstag d e

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s Bertrags der Zimmerer das Vertragsmuster der Unternehmer. r christlihen Bauarbeiter faßte einen einmütigen Beschluß, ih gegen das Vertragëmuster der Arbeit- geber rihtet. Damit dürfte ein großer Ausstand im Baugewerbe unvermeidlich fein.

Aus Zabrze wird dem „W. T. B.“ telegraphiert, daß gestern 150 Schlepper vom Delbrücckshaht in Makoschau in den Ausftand getreten sind: bei der beutigen Frübshicht fehlten 200 Mann, und die Arbeitswilligen wurden an der Aufnahme der Arbeit gehindert.

er Grund zu dem Ausstand is Unzufriedenheit mit den neuen beitsbedingungen, durh die sih die Bergleute benachteiligt fühlen.

In Paris besch wie „W. T. B.“ meldet, zahl-

1 lossen gestern, wie „W B Fuhrleute von Kehrihtwagen in den Ausstand zu weil die von ihnen verlangte Lohnerhöhung von 63 au L Francs verweigert wurde. Der Polizeipräfekt wird die Kehricht wagen von Schußleuten begleiten seiten der Ausftändigen zu verhindern. In Marseille beshlossen berichtet,

die eingeschriebenen Seeleute (vgl. Nr. 79 d. Bl.) den Streik F 1

Arbeitgeber. Der Verbandstag mmig 6 1

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ortzuseßen, und forderten die C Verbandsorganisationen, o die Stauer, Dodckarbeite Fubrleute auf, fle zu unter stützen. Der Unterstaatssekretär der Marine Chéron begab sich gestern an Bord zweier Dampfer und hielt Ansprachen an die neu gebildeten Besaßtzungen, in denen er sie zur Achtung vor dem Gesetze er- mabnte. Von diesen Dampfern ging der eine darauf nach Korsika, der andere nach Oran in See. Auf einem dritten Dampfer, dem Paketboot „Mois e“, der Nachts nah Tunis abgehen sollte, gab die Mannschaft dem Unterstaatssekretär das Versprechen ab, daß sie das Schiff nicht verlassen werde. Dennoch verweigerte in vergangener Nacht ein Teil der Mannschaft der „Moise“ in dem Augenblick, als das Schiff in See geben sollte, den Dienst. Vier Matrosen wurden verhaftet und ins Gefängnis gebracht. De Volle Wo mol Vor morgen abfahren. Das Marineministeruum ti telegraphisch um Bereitstelung von Matrosen der Kriegsmarine ersucht worden. De Pra t des ZentralTomtilees9 Der Needereien Charles Roux hat an den Ministerpräsidenten ein Sch(reiben gerihtet, in dem er sich über die Tragweite der Streifbewegung unter den Seeleuten der Handelsmarine ausläßt und deren Folgen für die Handelsmarine kennzeichnet. Es handle sich hier nicht um die Regelung wirtschaftlicher Fragen, die als Gegenstand für gegenseitige Unterhandlungen geeignet seien, sondern hier käme die der Gesetze in Frage, denen alle ausnahmslos unterworfen seien. Die Gesetzgebung aber gestatte die Beschäftigung von Ausländern in der Schiffsmannschaft bis zu einem Viertel der Gesamtzahl. Die Be {werde der Matrosen hierüber sei also ungerechtfertigt. Das Schreiben zählt sodann die an Bord der Handelsschiffe im Monat März vorge- fommenen Zwischenfälle auf, die sih als förmliche Gehorsamsverweige- rung darstellten. Die Seeleute hätten eine Disziplinlosigkeit bewiesen, unter der die französishe Handelsflotte furhtbar leide. Die Regie rung habe versprochen, alle geseßlihen Miittel in Anwendung zu bringen, um die ständig wachsenden Gefahren der Disziplinlosig feit abzuwenden. Die Reeder renen darauf, daß die in diesem Ver- sprechen angekündigten Maßregeln nicht wirkungslos bleiben werden. Sie seien überzeugt, daß die Seeleute sih niht zu tadelnswerten Handlungen würden hinreißen lassen, wenn man fie ihnen nicht als ein ihnen geseßlich zustehendes Recht hinstelle. Die Re- gierung müsse diesen Irrtum zerstreuen und die Autorität an Bord sichern. Die Reeder hoffen, daß die Regierung ih ihrer {weren Verantwortung bewußt sei und sich ihren Verpflichtungen nit entziehen werde. Auch in Algier hat die Marseiller Streikbewegung große Aufregung verursacht. Alle Körperschaften wandten sich an die Regierung mit der Bitte um energische Maß nabmen zur Bekämpfung- der für Algier so verhängnisvollen Folgen des Ausstandes. In Bor deaur billigt das Syndikat der ein- geschriebenen Seeleute die Bewegung in Marseille und erklärt, gegebenenfalls mit allen eingeschriebenen Seeleuten solidarish vor- zugehen.

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)

»f T1 J Befolgung

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ÆWohlfahrtspflege.

Aus Anlaß der gestrigen Feier ihres 100jährigen Bestehens machte, wie dem „W. T. B.“ aus Oberhausen gemeldet wird, die Guteboffnungshütte Stiftungen und Schenkungen an die Gemeinden Oberhausen, Sterkrade, Osterfeld, Hiesfeld, Holten und Borbeck sowie an die Beamten, Meister und Arbeiter im Gesamtwerte von 1 300000 #.

Kunft und Wissenschaft.

Die für das Achilleion auf Korfu im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers von Professor Johannes Göß geschaffene Achillesstatue wird in der diesjährigen Großen Berliner Kunstausstellung aufgestellt werden. Bei der von Professor Kallmorgen geleiteten Aus- stellung wird in diesem Jahre dié ausländische Kunst weniger berüdck- sichtigt, dafür aber eine besonders starke Vertretung der deutschen, insbesondere der Berliner Künstler erzielt werden. In der Anordnung der Kunstwerke wird insofern eine Aenderung eintreten, als die Werke der einzelnen Kunststädte niht in besonderen Sälen gezeigt werden.