1910 / 100 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Apr 1910 18:00:01 GMT) scan diff

L i 4 L É f

die Linie bezeichnet habe, bis zu der die Staatsregierung den ab- geänderten Beschlüssen folgen kann, so ist das geschehen, weil Ver- fassungsänderungen von der Bedeutung und dem Ernste der vor- liegenden nicht getragen werden können von Parteikonstellationen allein, sondern weil sie zugleich vertreten werden müssen von der - freien Ueberzeugung der Staatsregierung. Dann allein wenigstens vermag ih die Verantwortung zu tragen. Und weil die Staatsregierung so denkt, und weil sie daran fest- zuhalten ents{lossen ist, weil es für sie eine staatlihe Pflicht ist, der durch die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses veränderten Grundlage des Gesetzes ein dauerhaftes Gefüge zu geben, darum häbe ich um noch einmal den einen Punkt hervorzuheben, der in den Beratungen der leßten Tage zu einem Kernpunkt geworden ist —, darum habe ih in bezug auf die Drittelungsbezirke diejenigen Grenz- linien in der Kommission bezeichnet, deren Innehaltung für die Staatsregierung mit dem Schicksal des Geseßes untrennbar ver- bunden ist. Die Königliche Staatsregierung hat dann mit Ihrer Kom- misfion zusarnmen daran gearbeitet, eine diefen-Forderungen-entfprechende Fassung zu finden. Sie erblickt eine solche Fassung in dem heute eingebrahten Antrage Schorlemer. Jh hoffe, meine Herren, Sie werden es anerkennen, daß die Formulierung dieses Antrages ohne jegliche Uebertreibung einen sachlich zweckmäßigen Ausdruck für das Notwendige enthält. Und wenn Sie geneigt fein sollten, das anzu- erkennen, dann halte ih mi für berechtigt, an Sie die Bitte, die dringende Bitte zu richten, diesem Antrage beizutreten und damit den Kom- missionébes{chlüssen und der Vorlage selbst in einem wesentlichen Punkte eine au für die Staatsregierung annehmbare Fassung zu geben.

Damit komme ih zum Schluß von einem einzelnen Punkt auf das Ganze zurück. Für das Ganze wird die Stellung wesentlich ent- \cheidend sein, welhe Sie zu dem gleichfalls heute eingebrachten Antrage Hillebrandt gegen die geheime Wahl einnehmen. Fh will nicht im einzelnen wiederholen, was ih in dieser Beziehung bei der ersten Besprehung in diesem hohen Hause gesagt habe. Die Annahme, meine Herren, der von dem Abgeordnetenhause beschlossenen geheimen indirekten Wahl bildete für das Abgeordnetenhaus und dann auch für die Königliche Staatsregierung die Grundlage, auf der es ermögliht werden fann, die eingeleitete Aktion niht fruchtlos ver- laufen zu lassen, nit zu einem negativen Ergebnis zu kommen. Ich fanu nur wiederholen und auf das ernsteste betonen, daß - die Königliche Staatsregierung in einem solchen negativen Ergebnis eine \{chwere Schädigung der Interessen des Landes erblicken würde. Meine Herren, auch in diefer Frage ist für mich einzige Richtschnur meines Handelns das Bewußtsein der Verantwortlichkeit für eine Verfassungsänderung, die auf der einen Seite als ein Nichts miß- achtet, auf der anderen als ein Zuviel mit ernster Beforgnis be- gleitet wird. Nur nüchterne realpolitishe Sachlichkeit, verbunden mit persönlicher Ueberzeugung, kann dieser Verantwortung gerecht werden, und von beiden fann ih nihts preisgeben. (Bravo!)

Nach § 6 der Beschlüsse des Hauses der Abgeordneten sollen die Wähler jedes Stimmbezirks nach den von ihnen zu entrihtenden direften Staats-, Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzialsteuern in drei Abteilungen geteilt werden und auf jede Abteilung ein Drittel der Gesamtsumme der Steuererträge aller Wähler entfallen (Drittelung in den Da en

Die Kommission hat die Drittelung der Urwahlbezirke dur folgende Bestimmungen zu erseßzèn vorgeschlagen:

Die Gesamtsumme der Steuerbéträge wird berechnet:

1) für den Umfang des Stimmbezirks, wenn dieser aus mehreren Gemeinden (Gutsbezirken) gebildet ift; 4

9) für den Umfang des ganzen Gemeindebezirks, wenn dieser nicht mehr als 5000 Einwohner zählt; / :

3) für den Umfang besonderer von der Gemeindeverwaltungs- bebörde zu bildender Drittelungsbezirke von nicht weniger als 1749 und nit mehr als 5000 Einwohner, wenn die Gemeinde mehr als 5000 Einwohner umfaßt.

Nach den Abgeordnetenhausbeschlüssen sollte die sogenannte Marimierung, wie folgt, gestaltet werden: Uebersteigt der Ge- samtsteuerbetrag eines Wählers die Summe von 5000 F, in Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern 10 000 M, so wird der Ueberschuß nicht angerehnet.

Die Kommission schlägt folgende Fassung vor: Uebersteigt die Staatseinkommensteuer eines Wählers die Summe von 3000 M, in Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern die Summe von 6000 4, so wird der überschießende Betrag der Staatseinkommensteuer nicht angerechnet.

Dr. Freiherr von Schorlemer beantragt, im §6 die Nummern 2 und 3 folgendermaßen zu fassen :

9) für den Umfang des ganzen Gemeindebezirks, wenn dieser nidt mebr als 10000 Einwohner zählt ;

f Umfang besonderer, von der Gemeindeverwaltungs-

bebörde zu ender Drittelungsbezirke in Gemeinden mit mehr als 10 009 Ginwobnern. In Gemeinden mit mehr als 10 000, jedo nit über 30 000 Einwohnern sind zwei Drittelungsbezirke, in größeren Gemeinden ist für jede angefangenen 20 000 Einwohner mebr ein weiterer Drittelungsbezirk zu bilden.

8 8 der Abgeordnetenhausbeschlüsse hatte an die Stelle der Regierungsvorlage (Privilegien Der sogenannten Kulturträger) folgende Bestimmung geseßt: Der zweiten Abteilung werden die nah ihrer Steuerleistung in die dritte Abteilung fallenden Mähler zugewiesen, die vor wenigstens 12 Jahren die zu afademishem Studium berechtigende Reifeprüfung an einer höheren Léhranstalt bestanden haben. s

Die X. Kommission hat bei ihrer ersten Lesung den § 8 der Abgeordnetenhausbeschlüsse mit allen gegen 2 Stimmen ab- gelehnt, nahdem vorher ein Antrag, der im wesentlichen sich auf Wiederherstellung der ursprünglichen Vorlage richtete, mit Stimmengleichheit gefallen war. Bei der zweiten Lesung ist mit Mehrheit die ursprüngliche Vorlage in erweiterter Fassung auf Grund des Prinzips der Bevorréèchtigung der ‘ehrenamt- lihen Tätigkeit im öffentlichen Dienste zur Annahme gelangt.

Nach dem neuen 8 8 jollen der nächst höheren Abteilung Mähler der zweiten und dritten Abteilung zugewiesen werden, die entweder 1) dem Reichstage oder dem preußischen Landtage oder einem preußishen Provinzialrat, Provinzialaus\chuß, Landesaus\huß oder Bezirksaus\huß angehören oder Handels- rihter sind, oder 2) Mitglieder des Vorstands einer preußischen Handelskammer, Landwirtschaftskammer, Handwerkskammer oder Arbeitskammer sind, oder 3) Kreêéisdeputierte, ge- wählte Mitglieder eines Kreis- oder Stadtausschusses, un- besoldete Mitglieder des Magistrats oder unbesoldete Ab- geordnete eines Stadtkreises sind, oder 4) eine der zu 1 bis 3 genannten Stellungen mindestens 10 Jahre lang eingenommen

haben, oder 5) vor wenigstens 10 Jahren vor einer akademischen deutschen Behörde" oder einer staatlichen oder kirhlichen Behörde in Preußen eine Prüfung bestanden haben, zu deren Ablegung ein wenigstens dreijähriges Studium auf einer Universität

Tr UT

D

Dey l

T ey 74

oder einer sonstigen deutschen höheren akademischen Lehranstalt erforderlich ist, oder 6) dem deutschen Heere oder der Kaiser- lichen Marine als afktiver Offizier* wenigstens 10 Jahre ange- hört haben und entweder zur Disposition gestellt oder zu den Offizieren des Beurlaubtenstandes überführt sind oder den Abschied bewilligt erhalten haben. | E : Nach dem neuen § 8a sollen aus der dritten in die zweite Abteilung Wähler verseßt werden, die 1) im unbesoldeten Ehrenamt Vorsteher, Beigeordnete oder sonstige Mitglieder des Magistrats einer kreisangehörigen Stadt sind, oder 2) im un- besoldeten Ehrenämte Bürgermeister einer rheinischen Land- bürgermeisterei, Amtmänner eines westfälischen Amts, Amts- vorstände, Gemeindevorsteher, Gutsvorsteher oder Stellvertreter eines dieser Beamten oder Mitglieder des Gemeindevorstandes einer ländlichen Gemeinde sind, oder 3) Mitglieder einer preußischen Handelskammer, Landwirtschaftskammer, Handwerk3- kammer oder Arbeitskammer oder Mitglieder des Vorstands eines

Jnnungsverbandes oder Vorsteher einer Jnnung (Obermeister) sind, oder 4) eine der zu: 1 bis 3 genannten Stellungen wenigstens 10 Jahre lang eingenommen haben, oder 5) die zum akademischen Studium berechtigende Reifeprüfung an einer höheren Lehranstalt bestanden haben, sofern sie 30 Jahre alt sind, oder 6) Rektoren mehrklassiger öffentliher Schulen sind.

Herr von Wedel-Pies dorf beantragt, die Nummer 6 hinter Nummer 3 als Nummer 4 folgen zu lassen und den Nummern 4 und 5 die Bezeichnung 5 und 6 zu geben.

Fürst zu Salm-Horstmar: Wir sind prinzipiell gegen die ge- heime Wahl, weil wir dieselbe für unmoralish halten. Wir find aber beute bereit, für die geheime Wahl bei den Urwahlen zu stimmen, und hoffen, daß au die Mehrheit des Hauses dafür eintreten wird. Auch in der Frage der Drittelunag muß etwas geschehen. In diefer Beziehung bat die Kommission einen Mittelweg gewählt, da die Wiederherstellung des alten Wahlverfahrens doch nicht zu erreichen war. Man soll an den Kommissionsbeschlüssen nit rütteln, die dazu helfen können, eine größere Mehrheit im Abgeordnetenhause unter Hinzutritt der Mittel- parteien zu schaffen. n

Fürst von Lihnowsky: Meine politischen Freunde sind sih einig, daß in bezug auf die Einführung des geheimen Wahlrechts den demokratishen Anschauungen Konzession zu machen ein Gebot der Notwendigkeit ist. Für das Reichstagswahlrecht babe ich mich nie begeistert. Wenn uns die Demokratie sagt, wir ignorierten die Gesetze der natürlihen Entwicklung, fo entgegne i, daß die Natur feine Sprünge kennt, und wir bier also auch keine Sprünge zu machen brauchen. An dem Dreiklassensystem wollen wir festhalten, wenigstens ist der größte Teil meiner politishen Freunde diefer An- sicht. Zur Abschwächung dieses auf plutokratisher Basis aufgebauten Systems müssen ideale Werte eingeführt werden, und dazu ist die Bevorrechtigung der Kulturträger, wie sie die Kommission vor- geschlagen hat, der geeignetste Weg. Durch diefe Cinreihung beugen wir auch dem Wahlkuriosum vor, daß hochgestellte Beamte in der dritten Abteilung wählen. § 8 wird auch zur Beseitigung des Hauptgravamens der Bevölkerung beitragen, nämlich zur Beseitigung der Einer- und Zweierabteilungen. Ohne den Antrag von Schor- lemer, den ja zu meiner Freude auch der Ministerpräsident empfoblen hat, wäre für mich das Geseß unannehmbar. Zur Abwehr des An- sturms der Polen und Sozialdemokraten bildet der Antrag Schor- lemer die einzige Handhabe. Wenn das ganze öffentliche Leben aus Abhängigkeiten besteht, so möchte ih nicht, daß diese Abhängigkeit eine ganz einseitige ist.

Herr Dr. von Burgsdorff: Mir gibt die Form, in der die Vor- lage aus der Kommission an uns zurückgekommen ist, zu schweren Be- denken Anlaß. Der heutige Tag kann nicht nur einschneidend, sondern au entscheidend für die ganze Zukunft Preußens sein. Dieses Haus stellt den preußishen Areopag dar, wir sorgen hier nicht bloß für uns, sondern auch für unsere Söhne und Enkel, welche doch auch einmal den Königen. von Preußen treu dienen follen; sollen wir daran {huld sein, daß fie dereinst sagen: am 28. April 1910 hat das preußische Herrenhaus die Art an die Wurzel des preußishen Wablrechts gelegt? Nach dem Sturmjahr 1848, welches einen Thron wegfegte, dahte niemand an eine geheime Wahl. Auf Grund des A IgelenS von 1850 hat die Demokratie ihre aroßen Erfolge und die Mehrheit im Landtage gehabt und dem Fürsten Bismarck das Leben sauer gemacht bis auf den leßten Blutstropfen. Dennoh hat Bismarck niht an dem Wahlrecht ge- rübrt, und mit vollem Recht. Wenn er nacher den Sprung in das Neichstag8wahlrecht gemacht bat, so lag der Grund dafür anderswo. Obne den Frankfurter Fürstentag wäre Bimarck nie an den Bundes- tag mit diesem Antrag herangetreten; er hat nachher auch eingesehen, daß er ih geirrt hat. Andere Staaten, heißt es, sollen moderner geworden sein, sie haben Zugeständnisse an die Demokratie gemacht. Mas andere Staaten tun, kann uns völlig gleichgültig sein; Preußen hat immer nod; seinen Weg gefunden. Darum verbitten wir uns gehorsamst die guten Lehren mancher Kleinstaaten, die guten Lehren von “der Straße und von der Presse. Hier liegt der Versuch vor, Recbte ohne Kompensation preiszugeben. Hier foll die öffentlihe Wahl, ein Grundpfeiler des Verfassungswefens, beseitigt werden. Das wollen wir uns doch sehr überlegen. Hier kann nur die salus publica entscheiden. Um dieses Nachlaßstück aus der Erbs haft des Fürsten Bülow beneide ih den Ministerpräsidenten nicht. Die Regierung will an der Klassen- und öffentlichen Wahl festhalten, die indirekte Wahl dur die direkte erseßen und die Kulturträger bevorrechten. Das Abgeordnetenhaus kehrt die ganze Vorlage um und wirft die Kulturträger bis auf die Abiturienten heraus, die versehentlich stehen geblieben sind. Die Regierung {ließt fih dem an. Da ist das Herrenhaus “in einer fehr schwierigen Lage. Ih vermag mir eine ordentlihe Weiterentwicklung nur auf der guten, gesunden Grundlage der öffentlichen Wahl auszudenken, die wir seit 60 Jahren haben. Nehmen wir die geheime Wahl auf, so ist nicht abzusehen, wo wir enden werden. Darum bitte ich Sie, in § 4 bei der öffentlichen Wabl zu bleiben, gleichviel was da komme; wir haben keine Veranlassung, uns die Köpfe des Abgeordnetenhauses zu zerbrehen. Der kleine Beamte, der dem König seinen Eid geleistet hat, darf den König nicht betrügen. Wie weit diese Praxis durch das Reichstag8wahlreht schon ge- fommen ist, kann ih nicht untersuchen, aber es wird sich jeder das Nötige selbst sagen können. Jeßt ist der Tag für das Herrenhaus geen, wo es na einer Aeußerung des Fürsten Bismarck den

Zallast im Staats\chifff darzustellen hat. Jch will mir nicht vorwerfen lassen, verabsäumt - zu haben, zu rechter Zeit den Hemmschuh einzujeßen. Die Nachgiebigkeit „mit s{chwerem Herzen“ ist fein Argument, das für das Herrenhaus in Prinzipienfragen gelten sollte; wenn wir eine solche Vorlage bekommen, dann {will der König unsere Meinung wissen. Das Odium und die Schuld wäre viel größer, wenn das Haus shwiege, statt zu sprechen. Wir werden zu unserer Meinung stehen, solange ein preußisches Herz in unserer Brust

\chlägt.

gierung verhalten zu sollen.

{lo}scue Drittelung auszusprechen.

Or. Freiherr von Landsberg (auf der Tribüne sehr {wer verständlihß): Jh glaube vom konservativen Standpunkt mich nicht von vornherein ablehnend gegen die Vorlage der Ne- Ein Teil meiner Freunde steht allerdings auf dem Standpunkt, es sei das beste, die Vorlage abzulehnen, weil die Sozialdemokratie doch niht befriedigt werden könnte. Ih gebe mich keineswegs der Hoffnung hin, daß mit der Annahme der Vorlage eine große Beruhigung eintreten wird, aber einige Beruhigung wird doch eintreten. Wir müssen bedenken, daß, wenn wir die geheime Wahl ablehnen, das Abgeordnetenhaus" die Vorlage niht annehmen würde. An sich würde ih keine Be- denken gehabt baben, die Fassung des Abgeordnetenhauses anzunehmen, es fommt aber darauf an, daß überhaupt etwas zustande kommt. Der Medner scheint sich ferner über die vom Abgeordnetenhaus: le-

Herr Kirschner: Herr von Burgsdorff nimmt ja ¿j fo interessante ritterlihe Stellung ein, aber es haben N Nitter gegen Windmühlen gekämpft. Er vertritt eine Weltanfchaumg die nos weit hinter das Jahr 1848 zurückgeht. Solche Veh, treibungen wie die Behauptung, daß die Liberalen das Wahlreg für den Säugling in der Wiege verlangten, find niht ernst ü nehmen. Er müßte doch wissen, daß die Liberalen an der Gründy des Neichs und der verfassungsmäßigen Gestaltung desselben in hervor, ragender Weise mitgearbeitet haben. Wäre diese Ausgestaltung n den Herren von der Partei des Herrn von Burgsdorff üÜberlassy worden, dann stände es mit dem Deutschen Reich sehr {led Die Taten der Liberalen kann nur ein sehr großes Nichtwissen übe, sehen. Was die Sache selbst betrifft, habe ich son bej der ersten Lsung erklärt, daß wir unmögli einem Geseß zustimmey fönnen, in dem die direkte und geheimè Wahl nicht enthalten if Die Kommission hat in dieser Beziehuug nichts geändert. Aus dey, selben Grunde wie damals sind wir vor die Unmöglichkeit gestellt diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Der Geseßentwurf ist ej Musterbeispiel von Inkonsequenz und inneren idersprüchen. soll die Einkommensteuer über 3000 bezw. 6000 4 nicht angeredhn werden. Diese Bestimmung wird aber nur für die Staat, einkommensteuer getroffen, bei den Kommunalsteuern usw. wird diese geseßgeberishe ‘Gedanke wieder verlassen. Auch in der Frag der Drittelung ist man “inkonsequent verfahren, ebenso in de Frage der eheimen Wahl. Das Geseß wird jeßt getragen voy zwei Parteien, .von der einen Partei, die fortdauernd ver, sichert, es sei gar nicht notwendig, das bestehende Geseß jy ändern, und von der anderen Partei, die nah threr ganzen Parte. haltung keinen Zweifel läßt, daß cs si hier nur um ein Proviforiun handelt, die das Reichstagswahlrecht in thr Programm aufgenomma hat. Kann ein solhes Geseß Beruhigung im Lande schaffen ? (Rufe: Nein!) Es ist gewiß niht erwünscht, ein negatives Ergebnis de Verhandlungen zu haben, aber ein Ergebnis, welches fich mit den Schein des Positiven umgibt, kann innerlih ein negatives sein. Mi diesem Geseß werden Sie einen Frieden niht schaffen, es wird nu Ausgangspunkt neuer Kämpfe sein; mit diesem Geseß wird di Sozialdemokratie bei den nähsten Wahlen ein leichtes Spiel haben, Man sage nicht, die Liberalen zeigten an der Sache kein Interese, Die Liberalen konnten an den Straßendemonstrationen der Sozial demokraten natürli keine Freude haben, aber der Wunsch zu eine Reform des bestehenden Wahlrechts besteht in weiten Schichten. Vi lehnen den Geseßentwurf ab, weil wir nicht daran mitarbeite wollen, daß dem Volke statt Brot Steine geboten werden. Mi jedem Fortschritt der Technik wächst der Kreis der Menschen, welt einen größeren Anteil am politishen Leben nehmen. Die Be wegung ist unaufhaltsam, und auch - der große Hemmshuh des Hern von Burgsdorff hält sie nicht auf. L Herr Dr. von Burgsdorff (zur Berichtigung): Ich hak nit von Säuglingen in der Wiege, sondern von Demonstranten aj der Se gesprochen. In der Reichsfinanzreform haben die Liberalen versagt, bis zur Impotenz. Das halte ih aufrecht. Herr Wallraf- Cöln: Eine solhe Debatte kann nig vorübergehen an der hochwichtigen Frage der Wahlkreiseinteilung: Die heutige Wahlkreiseinteilung bétobt auf dem Gesetz von 1860. Das Gesey hat 1906 einige kleinere: Aenderungen gebradt; eine Nevision der Wahlkreiseinteilung wurde aber von der „Regierung abgelehnt. Als die Verordnung von 1849 erging, kamen 50000 Köpfe auf einen Abgeordneten, heute müßte man 300 Abgeordnete mehr wählen, wenn dieser Maßstab - noh gelten sollte. Heute fallen auf cinen Abgeordneten im Durchschnitt 80000 Köpfe. Jm einzelnen aber weisen die Wahlkreise an Kopfzahl die unglaub listen Schwankungen auf; fie bewegen sich zwischen 33 000 und 323 000 Seelen. Die Wahlkreiseinteilung als etwas Verfassung: mäßiges und historisch Gegebenes hinzustellen, geht doch nit an. Auch die Kommission des Abgeordnetenhauses und die des Herren: hauses haben 1860 die damalige Wahlkreiseinteilung nicht als etwas Dauerndes angesehen; man sprach sih dafür aus, daß man der fort: shreitenden Entwicklung folgen müsse. Diese Entwicklung ist in- zwischen in hohem Maße eingetreten; es find große industrielle Zentren entstanden, Handel un Industrie baben einen ungeahnten Aufschwung genommen; auf dem Handelstage hat der Reichskanzler dies anerkannt. Die jeßige Wahlkreiseinteilung ift eine Ungeretig- feit gegen die kommunale Entwicklung. Auch dieses Haus weselt sein Gesiht; neue Männer werden berufen, und nur das Ab- geordnetenhaus foll so zusammengeseßt werden, wie es ist. Desbalb habe ih beantragt, die Staatsregierung zu ersuchen, durch ein Geseß eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten insoweit heibeizuführen, wie dies nah. Maßgabe der veränderten wirtschaftlichen und Ve- völkerungsverhältnisse als angemessen erscheint. Das ist keine Partei forderung, sondern eine Forderung politischer elementarer Gerechtigkeit. Graf von Oppersdorff: Ein jeder und auh meine Wenigfeit nimmt wie der Ministerpräsident das Bewußtsein für die Wichtigkeit der heutigen Entschließungen voll in Anspruh. Es handelt fich nit um eine Oberhausfrage, sondern wir halten uns eng an die dre Themata: QDrittelung, Kulturträger, Zweidrittelmehrheit. Nad: einander haben wir uns vor drei Uebel gestellt gesehen; das erste Uebel war die ursprüngliche Vorlage, die niemanden befriedigte; das zweit war die Frucht der Beratung des anderen Hauses; das dritte ist dit Perspektive auf die neuen Anträge, zumal den vom Ministerpräsidenten soeben adoptierten Antrag Schorlemer. Die Einführung einer Be- stimmung über die Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit halte id sowohl für die ganze Verfassung wie für diefes Wahlreformge!eß unrichtig und untunlih. Es kann sich sehr leicht ereignen, daß eut an fi geringfügige Korrektur zu einer Haupt- und Staatsaktion wird, weil die Bedingung der Zweidrittelmehrheit eine solche hervorrusem muß. Mit Genugtuung ist zu begrüßen, daß der Ministerpräfident dusgeführt hat, er wolle keine Partei aushalten. Eine politisde Entspannung wäre fehr erfreulich. Wenn er aber den Antrag Schorlemer empfiehlt und den. Kommissionsbes{luß für 4 ungenügend erklärt, so erinnere ich ihn an die Darlegung des Ab: eordneten von Richthofen, der der Regierung ins Gedächtnis rief, daß fie sich ganz präzis auf die Drittelung in den Urwahlbezirken festgelegt habe. Wir stehen hier vor einer Wendung der Ss in leßter Stundt, deren praktishes Ergebnis sein müßte, die jeyt bestehende Partet- fonstellation im Abgeordnetenhaus aufzuheben. Der Gedanke der Korreftut der Mehrheit in dem audern Hause ist hier zuerst von den Verren Hurst Lihnowsky und Dr. Hamm ausgesprochen und fortgesponnen worde. „Niemals nicht, es ist vom Zentrum!“ klang es da dur. Was dama? durch diese Aussprüche angedeutet wurde, ist heute Ereignis gewor? An der optima fides des Ministerpräsidenten zweifle ih feinen Augenblick; tatsächlich wird hier die Abwendung vom Zentrum gebahnt. Die nationalliberalen Führer im anderen Hause haben von der Drittelung in den Urwahlbezirken behauptet, sie vergewnltige die Industrie des Westens. Es handelt sih dabei aber nit sowobl 17 diese, als um die Nationalliberalen des Westens, meinte Zentrumsvertreter Herr Herold. Die nationalliberale Fraktion % keineswegs gehindert, Vertreter der Großindustrie in ihre Heidel aufzunehmen. Die Herren verfahren parteipolitisch sehr geld: objeftiv sind aber ihre Behauptungen unzutreffend, zumal, 7, Bemerkung, daß die Drittelung in den Urwahlbezirken der e industrie die Türen des Parlaments verschlöfe. 318 AbgeorŒ sind für die Drittelung in den Urwahlbezirken, die beschlo wurde, um den plutokratishen Charakter des preußischen Wablre abzuschwächen; der Ministerpräsident will, daß diese ¿u Gun der Minorität von 125 Nationalliberalen und Freikonservativen danken sollen. Mit dem Antrag Schorlemer wird der Zweck lean Wahlreform völlig vereitelt und der plutokratishe Charakter des he Wahlrechts nur noch schärfer hervortreten. Die Drittelung Me Urwahlbezirken war die Vorausseßung der Annahme der S geltenden euern let ung und leßtere soll ja in absehbarer # noch weiter vershärft werden. Die neue Vorlage und der “bet Schorlemer führt zur Notwendigkeit einer neuen wahlreG Tricngulation, die, den Gemeinden übertragen, eine große Unzu heit hervorrufen wixd; daran ändert auch nichts die Bestimmt.

die Stimmbezirke tunli(ft abgerundet werden follen. (P

Freiherr von Manteuffel ersucht den Redner, nicht abzulesen was nur ein Necht derer ist, ‘die der deutschen Sprache Mt E find.) Ich habe nur einige Zahlen abgelesen, ih werde mich bemühen, noch weniger abzulesen als bisher. (Präsident: Darum möbte ih bitten.) Die unangenehm empfundenen Wahlkuriosa werten bei der s vorgeschlagenen Negelung der Kulturträgerfrage dur andere abgelöst werden. Die Maximierung ist durch die Kom- mission nicht in ‘befriedigender Weise geregelt; die Gesamtheit der Steuorbeträge, niht nur die Staatseinkommensteuer sollte in An- Sr e gebracht werden. Niemand wird gern ein negatives Ergebnis dieser Verhandlung herbeiwünschen, mir erscheint aber die Frage nach dem minus malum für meine Person dahin entschieden, daß es ver- lorene Liebesmühe zu sein scheint, an* das Zustandekommen dieser geseßz- atten E B glauben.

_Herx Dr. Hillebrandt- Breslau: Mein Antrag bezweckt die Wiederherstellung der öffentlihen Wahl. Vielleicht wäre die Minas: vorlage zur’ Basis der Diskussion geeigneter gewesen, als die Be- {chlüsse des anderen Hauses. Die Vorlage vermied den Sprung, indem sie die öffentliche Wahl beibehielt und den neuen Gedanken der Kulkurträger einführte. Jch bin in der Presse wegen meiner Angriffe auf das allgemeine Wahlrecht scharf getadelt worden. Auch heute muß ih sagen, daß ih ein Gegengewicht gegen das Neichstags- wahlrecht und seine Schäden in der Eigenart des preußishen Wahl- rechts sehe. Daß ih auf dem rechten Wege bin, zeigt mir die Fülle der Zuschriften aus allen Gauen Preußens; fie zeigen mir, daß eine Unterströmung existiert, welche von dem Reichstagswahlrecht und von einer Aenderung des pre „in diesem Punkte nichts wissen will. Jch beziehe mich auf Treitshke und seine Ausführungen über das allgemeine Wahlrecht. Ich und meine Mitantragsteller sehen in der öffentlihen Wahl eine charakteristishe Eigenart des preußischen Wahlrechts. Ich bedauere, daß der Reichs- fanzler nit auf dem ausgezeichneten Standpunkte stehen geblieben ist den er hier gegenüber dem Abgeordnetenhause vertrat. Ih habe die Empfindung, däß wir über die Klinge des Abgeordnetenhauses springen und dessen Wünsche erfüllen helfen follten. Jn der geheimen Wahl liegt die Erzichung zur Unwahrhaftigkeit, das ist ein Hauptpunkt, auf den hier besonders nahdrücklich hinzuweisen mich die Ürheber der Zu- schriften an mi bitten. Ein Terrorismus von unten macht sich breit, größer, als er jemals von oben war. Gerade dieser Terrorismus zeigt, daß wir niht an politischer Reife zugenommen haben. Unter dem Einfluß des geheimen Wahlrechts zeigt ih ein Anschwellen der fozialdemokratishen Stimmen, ein Schwinden des Verantwortlichkeits- gefühls. Führen wir die geheime Wahl bei den Landtags- wahlen ein, fo müssen wir sie s{ließlich auch den Städten konzedieren. Wohin soll das führen? Die Sozialdemokraten sutd kräftig, straf und zielbewußt organisiert; wir können von ihnen lernen. Die einmal gewährte geheime Wahl können wir nicht zurücknehmen, die direkte Wahl Plat selbstverständlih nach. Die frühere Wahlreform des Ministerpräsidenten hat {hon mehrere Sozialdemokraten ‘in das Abgeordnetenhaus gebracht; . der Dank dafür war das „Pfui“ bei seiner Einführungsrede zu dem neuen Wahlgeseß. _ Ich bitte Sie, meinen Antrag anzunehmen.

Herr ¿Körte - Königsberg : Geben Sie einem Gegner der Kommiissionsbeschlüsse einen Augenbli Gehör, der aus anderen Gründen zu demselben Resultat kommt, wie der Vorredner. Für alle ‘in ‘diesem Hause und alle Unabhängigen is es kein Kunst- stü, feine Stimme öffentliß abzugeben. Gewiß liegt etwas sehr Würdiges und Schönes darin, für seine Ueberzeugung auch bei den Wahlen einzutreten und sih dabei bewußt zu fein, daß er nicht bloß als ‘Mitläufer stimmt. Aber es ist eine Verkennung der wirk- lien und politischen Verhältnisse, anzunehmen, daß die Mehrzahl der Wähler so frei ihrer Ueberzeugung Ausdruck geben könne wie wir. Nicht nur der kleine Handwerker, auch der größte Teil der Wähler ist wirtschaftlih oder amtlich abhängig. Wir wissen, daß die sozial- demokratische Partei den niht zu beneidenden Vorzug hat, daß sie lebt von der Schürung jeglicher Unzufriedenheit, daß sie jedes Mittel bei der Wahl auf das rüsihtsloseste in ihrem Interesse ausnußt, daß sie selbst von sih als verwerflih erahtete Mittel zu ihrem Vorteil benußt. Die Zahl der durch direkten Zwang, durch Androhung materieller und ideeller Nachteile Lee Kreise wächst von Tag zu Tag. Die Sozialdemöokratie gibt einfa die Parole aus, daß bei diesem Schuhmacher oder Schneider niemand kaufen dürfe, wenn der Betreffende dem Sozialdemokraten nicht seine Stimme gibt. Diesem Uebelstand kann nur durch die geheime Wahl entgegengetreten werden. Es ist ein öffentlihes Geheunnis, daß die Staatsregierung nur wider- willig an diese Wahlreform herangegangen ist, sie hat es nur getan, weil sie fich verpflichtet gefühlt hat durch die \{chönen Neden von 1908. Es ist hier das Wort gefallen von der Einlösung eines Königlichen Wortes. Es ist demgegenüber betont worden, daß die Thronrede im wesentlichen doch au anders aufgefaßt werden könne, nämlich als die feierlihe Cinbringung neuer Geseßesvorlagen. Haben wir nicht erlebt, daß von der Einbringung feierli versprochener, für wichtig gehaltener Vorlagen abgesehen is? Wenn die gegenwärtige Lage der Wahlrechts- vorlage hoffnungslos ist, so liegt das Tragische darin, daß dieselbe Staatsregierutig, die diese Vorlage einbrachte, eigentlich innerlih mit ihr nicht einverstanden war. Der Reichskanzler und die Herren Minister mögen mir verzeihen, daß ih das ausspreche. Die Er- flärungen von 4 leitender Stelle im Abgeordnetenhause und hier seitens des MNeichskanzlers find niht überall \{lüssig und miteinander zu vereinen. In weiten Kreisen sieht man darin eine gewisse Unsicherheit, ein Sichführenlassen und nicht ein energishes Führen. Wäre von vornherein die Staats- regierung mit einer zielbewußten Meinung aufgetreten, oder bâtte sie unter ihrer gegenwärtigen Leitung die Zusage der Thronrede fallen lassen, so wäre ein klarer und für alle Patrioten erfreulicher

Zustand eingetreten. Der gegenwärtige Zustand hat das Ansehen

der Regierung nicht gehoben. Man hat zu sehr darauf geachtet, wie M dieser oder jener Stelle politisch gedacht witd. Mi den ismarckshen Traditionen is dieser Zustand nicht vereinbar; e muß ein fester und, wenn es sein muß, auch rücksichts- Vet Kurs gesteuert werden. Die Megierung sieht heute auf die onservativen, morgen auf das Zentrum. Zu der Mißgeburt, die aus der Kommission herausgekommen ift, kann niemand ja oder nein Er Die C N links, halb rechts, halb in der Mitte A Ga find auf die Dauer niht zu ertragen. Das dient auch Ne ut Sozialdemokraten. Wir Liberalen möchten, daß hier wenigstens U d Grgebnis zustande kommt, damit endlich Nuhe im Lande Sie Wir züchten künstlih groß die Unzufriedenheit der ha emokraten und ihrer Mitläufer. Aus dem Gesichtspunkte u man zur Ablehnung der Vorlage und zur Ablehnung der Anträge r die heute no gestellt worden sind, bis auf den Antrag eue, der eine sehr bescheidene Verbesserung des Gesetzes ist. objekt ürden damit den Sozialdemokraten ein Haupt- und Angriffs- ute er Hand winden: die Verkümmerung des Wahlrechts in E fin L iese Vorlage wird die Unzufriedenheit nicht beseitigen. A inmen jo, wie wir es vor unserem Gewissen verantworten

De auh wenn die Vorlage fallen sollte. Mängeln A Wedel-Piesdorf: Der Vorredner hat unter den Drt ta L gan Wahlsystems besonders die Einer- und omimisftor L erwähnt. Diese werden aber verschwinden, wenn die Uge ne eshlüsse und der Antrag Schorlemer angenommen werden. wünschen; Aa die Beseitigung der Einer- und Zweierbezirke nicht der" iger enten Sie 1h einen Großgrundbesißbezirk im Osten, wo inde n ein Teil Bauern und eine Schar Händler vorhanden o dh hu E Sie die Bauern ‘nicht in die erste Klasse schieben, seben, Die a Mweimarkmänner in der zweiten und dritten Klasse d wünschengna ablbeteiligung war oft tatsählih viel {chwäer, als Interesse nôrwert ift; das liegt aber niht an dem mangelnden fin are sondern an der indirekten Wahl selbst, und es ist auch der allgere Unglüd. Ein Unglück aber ist die Verhetzung, die bei erregt, die n direkten Wahl stattfindet, womit die Unzufriedenheit baben, des egehrlihkeit angestahelt wird; das wollen wir nicht Üniufriedenbete Jn wir gegen die direkte Wahl. Nachweise für die \ oll, bat 4 v die jeßige Aktion des Parlaments entstanden rr Körte nicht angeführt; nah meiner[Kenntnis ist das

Land mit der Geseßgebung der leßten Jahrzehnte durchaus zufrieden gewesen. Bei der MNeichsfinanzreform hat sich die Lci pi ein hervorragendes Verdienst erworben, aber auh das Zentrum hat, wie ih gern zugebe, ein gut Teil daran. Deutschland vor dem ab- shüssigen Wege bewahrt zu haben, welcher in Frankreih und Eng- land zum Sturz und Ende Karls 11. und- Ludwigs XV1[. geführt hat, ist das unsterblihe Verdienst unserer Konservativen. Sie verlangen die parlamentarische. Regierung in Deutschland. Es gibt fein ungerehteres Wahlrecht als das für den Deut- hen Reichstag; ein Wahlrecht, das auf die verschiedenen Indi- vidualitäten keine Nücksiht nimmt, ist ein \{lechtes Wahlrecht. G8 gibt in der Welt keinen Staat mit einem fo demokratischen Wahl- recht wie dem in Deutschland; daß einige süddeutshe Staaten neuerdings dazu übergegangen sind, erscheint *mir als ein bedauerliher Beweis der Schwäche der Regierungen dieser Staaten. Ueber die Wahlpflicht würde ich mit mir reden lassen. Die entscheidende Frage bei dieser Vorlage ist die, ob öffentliches oder geheimes Wahlreht. Meine Freunde geben alle an sich dem öffentlichen Wahlrecht den Vorzug. Ein Teil wird unter keinen Umständen das geheime Wahlrech{cht an- nehmen und, sollte es beschlossen werden, die ganze Vorlage ab- lehnen. Ein anderer Teil stimmt zwar dem Antrag Hillebrandt zu, behält sich aber doch, auch wenn er abgelehnt werden - sollte, die eventuelle Zustimmung zur Vorlage vor. Ein dritter Teil, zu dem ih mi rene, lehnt schon jeßt den Antrag Hillebrandt ab, so leid es uns tut. Wir. gehen dabei von der Erwägung aus, daß, wenn jeßt nichts zu stande kommt, wir im nächsten Jahre ein noch \{chlechteres Gefeß erhalten. Es ist der Wunsch der Sozial- demokraten und Linksliberalen, * daß das Geseß jeßt scheitern möge. Diese Wirkung des Falles der Vorlage müssen wir uns vor Augen halten. Für die Konservativen wäre es ein großer Nachteil, wenn zwischen den Konservativen des anderen Hauses und der konservativen Mehrheit dieses Hauses ein tiefer Riß entstehen sollte. Der Antrag Wallraf würde dazu beitragen, die ländlichen Teile der Provinzen den städtischen Kreisen und den Industriezentren waffenlos auszuliefern. Die Bevölkerungszahl allein können wir niht als das Kriterium für die Wahlkreiseinteilung anerkennen. Mit der Zeit werden ja wohl in angemessener Form auch in dieser Beziehung, wie schon früher, Veränderungen vor sih gehen; aber jeßt die Regierung zu ciner Umwälzung zu drängen, dazu kann ich die Hand nicht t A H

Herr Körte zählt in einer tatsählihen Berichtigung die europäischen Staaten auf, die außer Deutschland dc ine Wakßleeht tefiben f ß {land das allgemeine

Herr von Wedel-Piesdorf: In allen diesen Staaten sin aber Einschränkungen des Wahlrechts nah unten V fan Bie bet uns fehlen, vor allem in England. (Herr Körte: England habe ih nicht enannt.) | \

Hexr Dr. Hamm: Im Kommissionsbericht ist zu lesen: „Es ist bedauerlich, a im Plenum so scharfe Worte gegen das gltae gefallen sind.“ Diese Bemerkung kann sih nur auf mich beziehen. Ich bestreite der Kommission das Recht zu solcher Kritik der Nedner im Plenum. Die Art des Zusammengehens der Konservativen mit dem Zentrum bei der Wahlfrage hat mit dem Zusammengehen bei der Finanzreform gar nichts zu tun. Wie können die Konservativen mit dem Zentrum hier zusammengehen, das auf dem Boden des Neichstagswahlrechts steht, das durchaus radikal ist und jeßt nur mitmacht, weil es niht mehr erreichen kann? Das Zentrum kann heute nach links, morgen nah rechts marschieren, und es hat die Massen bedingungslos in der Hand. Mit folcher Partei kann man doch nicht paktieren, namentlich dann nicht, wenn sie, bloß um wieder zur Macht zu kommen, ihre Traditionen gänzlih verleugnet. Als ich bei der leßten Wahl als Kandidat aufgestellt war, hielt ih eine beifällig aufgenommene Rede; als ih dann einen Bauer fragte, na, da werden Sie mi wohl wählen, erwiderte er : „Nein. Was Sie gesagt haben, war ganz gut, aber man ist länger tot, als lebendig.“ Das ist die Zentrumskunst der Verquickung von Politik“ und Religion !

Der Referent verwahrt den Bericht gegën den vom Vorredner oran Bra h __ Graf Yorck von Wartenburg: Mit meinem Antrage verfolge ich die Absicht, daß in Zukunft in Wahlrechtsfragen keine aile Kompromisse mehr stattfinden sollen. Ih wollte mir auch damit meine Zustimmung zu der geheimen Abstimmung erleichtern. Zum Ministerpräsidenten haben wir gewiß alle unbedingtes Zutrauen, aber die persönliche Stellung darf in diesen Fällen nicht zu weit führen. Wir wissen nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden, wenn er sein hohes Amt, von dem 1h wünsche, daß er es noch lange inne haben möge, einmal nit mehr bekleidet. Es gibt gewiß kein Wahlrecht für die Gwigkeit ; der preußishe Staat aber hat seinen besonderen Charakter, den ih nicht gefährden lassen möchte durch eine Ueber- flutung der Gesellschaft, um ein Gneistshes Wort zu gebrauchen. Die Wahlen kommen doch durch Kompromisse zustande, und ob man bei der geheimen Wahl Kompromißabmachungen halten wird, ist mir schr zweifelhaft. Das geheime Wahlrecht is ein gewaltiges Zu- geständnis an die demokratishen Richtungen. Der plutokratische preußische Landtag hat mehr als andere deutsche Staaten in der Her- anziehung der besißenden Klassen zu den Staatsausgaben geleistet. Ohne Kautelen die geheime Wahl zuzugestehen, vermag ih nicht. Die Liberalen und Sozialdemokraten würden ja mit einer Wahlreform auf so {maler Basis ohnehin nicht zufrieden sein und diese Vorlage nur als eine erste Etappe ansehen. Fürst Bismarck hat mit Recht gesagt: „Die geheime Abstimmung hat einen Charakter, der mit den besten germanischen Ei enschaften im Widerspruch steht.“ Wir stehen hier vor einer großen Prinzipienfrage, da kann das Herrenhaus vor einer Entscheidung nicht zurücks{chrecken. t i

Damit schließt die Generaldiskussion.

Jn der Spezialdiskussion werden die §8 1—3 ohne Debatte angenommen.

__ Zum § 4 vertritt Herr Dr. Reinke- Kiel einen Antrag , der die geheime und direkte Wahl einzuführen bezweckt. Man dürfe dem Volke nur ein Ganzes, nicht ein Stückwerk bieten, wie es das Abgeordnetenhaus und die Herrenhauskommission tue.

Herr Dr. Hillebrandt verzichtet aufs Wort.

Der Antrag Reinke wird gegen eine starke Minderheit ab- gelehnt, ebenso der oben mitgeteilte Antrag Hillebrandt nach Probe und Gegenprobe; § 4 wird in der Kommissionsfassung mit großer Mehrheit angenommen.

Um 51/4 Uhr wird die Weiterberatung der Wahlrechts- vorlage auf Freitag 11 Uhr vertagt (außerdem kleinere Vorlagen).

Haus der Abgeordneten. 60. Sizung vom 28. April 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sigzung, in der die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unter- rihts- und Medizinalangelegenheiten im Kapitel der höheren Lehranstalten fortgeseßt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. i

__ Bei den außerordentlihen Ausgaben für die höheren Lehranstalten tritt

Abg. Dr. Hintmann (nl.) für shnellere Beendigung des Neu- baues für das Königliche Realgymnasium in Elberfeld ein.

Abg. Gruson (nl.) betont bei der Position „Beschaffung von Lehrmitteln für naturwissenshaftlihe Schülerübungen“ die Notwendigkeit des Anschauungs- und Experimentierunterrichts. In den oberen Klassen der höheren Lehranstalten müsse durchgängig der Biologieunterriht eingeführt werden, vielleicht mit zwei Stunden

wöchentlich, einer theoretishen und einer praktishen Stunde. Auch

für die höheren Mädchenshulen müsse dieser Unterricht in Betracht gezogen werden.

i Damit sind die einmaligen und außerordentlichen Aus- gaben für die höheren Lehranstalten erledigt.

Zu den Einnahmen aus Kunst- und wissenschaft- lichen Anstalten und Unternehmungen O ie Budgetkommission, für den Restaurationsbetrieb im Landes- ausstellungspark zu Berlin zunächst nicht einen Erlaß der Pacht, wie im Etat vorgesehen, sondern nur eine Stundung der Pacht eintreten zu lassen und demgemäß die Einnahmesumme um 20 441 Æ zu erhöhen.

_ Berner beantragt die Kommission, die Petitionen der Ge- heimen Medizinalräte Dr. Senator und Dr. Kraus sowie des Rechtsanwalts Lewy in Berlin um Ablehnung der Einführung einer Leihgebühr bei der Königlichen Bibliothek zu Berlin und den preußischen Universitätsbibliotheken durch die Genehmigung der Gebühren für erledigt zu erklären.

Abg. von der Osten (konf.): Die wesentlichen Mehrausgaben für Kunst und Wissenschaft beweisen, daß in Preußen die Kulturaufgaben nicht leiden, daß in Preußen Kunst und Wissenschaft auf - der Höhe der Gntwicklung stehen. Bezüglich des Antrages der Kommission über die Stundung der Pacht für den Restaurationsbetrieb im Landes- ausstellungspark zu Berlin kann i die Zustimmung meiner politischen ¿reunde erflâren, da es sich um eine moralische Pflicht des Staates handelt, wenn auch keine rechtlihe Verpflichtung des Staates besteht. Mir scheint es überhaupt, als ob die Pachtverträge des Fiskus einen zu formalistishen - und juristishen Geist atmen und zu wenig mit der Praxis übereinstimmen. Bei der Einrichtung eines Künstlerheims im Pak der Villa Bonaparte in Nom soll man nicht nur das Urteil der Bausachverständigen hören, sondern auh auf das Urteil der be- teiligten römischen Künstlerkreise etwas geben. Ich kann die Klagen auf ihre Berechtigung nicht prüfen, aber sie sind insofern vorhanden als durch den Bau von Ateliers der schöne Park der Villa Bonaparte zerstört wird. Die Besuchszeit in den Königlichen Museen muß möglichst ausgedehnt werden; allerdings kann eine fkünstlihe Be- leuhtung niht in Frage kommen, aber solange das Tageslicht reicht sollten die Museen geöffnet sein. Gegen die Weitergabe von Dubletten und sonstigen entbehrlihen Gegenständen habe ih nichts ein- zuwenden, da die Entscheidung darüber, was entbehrlich ist, niht von dem Leiter der Museen, sondern von dem Minister getroffen wird: aber ich bitte, die Dubletten und entbehrlichen Gegenstände möglichst nit zu verkaufen, sondern an die Provinzmuseen abzugeben, damit auch auf diesem Gebiet möglichst Dezentralisation herrsht. In den Streit um die Florabüste will ih mich nicht einmischen. Der leßte Besißer der Florabüste hat nur 3000 #4 dafür bezahlt, der preußische Staat dagegen 160 000 4. Darin allein kann doch ein Beweis nid liegen, daß die Büste nicht eht sei. Das ist schon oft bei Kunstwerken fo gewesen, daß der richtige Meister niht sofort erkannt wurde. est steht allerdings das Zeugnis des 82 Jahre alten Engländers Lukas, daß dessen Vater an der Büste gearbeitet hat. (Es haben h Stoffreste in der Büste gefunden, wie es die Art und Weise von Lukas war, es haben sich Uebermalungen, Tropfspuren, Ausbesserungen usw. gezeigt, aber alles das beweist nur, daß Lukas an der Büste gearbeitet hat, und zwar nah einer Photographie, aber nicht, daß es eine neue Schöpfung von Lukas ist. Anderseits fehlt es nicht an Momenten dafür, daß die Büste tatsächlich so alt U Day fie von Lionardo da Vinci herstammen kann. Cs ist allerdings niht nnsere Aufgabe, den Streit der Gelehrten zu entscheiden, aber wir dürfen doch als Laien mitsprechen, denn die Kunst ist niht für die Künstler allein da, sondern au für die Laien. Es handelt sich nun darum, ob der Preis, den unsere Museumsverwaltung für die Büste gezahlt hat, zu hoh ist. Der Verkäufer der Büste hat \sich zur Zurücknahme bereit erxÉlärt, und zwei Mäcene haben fie dem Staate für denselben Preis abkaufen wollen, aber es entsprach der Würde unserer Museums- verwaltung, daß sic solhe Angebote ablehnte: Jeder, ‘der die Büste sieht, muß ihre Schönheit und ihre wundervolle Harmonie anerkennen. Die nach innen gekehrte Kunst, die uns aus dieser Büste entgegen- blidt, tut heute mehr als je unserer Kunst und unserem Volke not. Wenn wir organish fortshreiten wollen, müssen wir anknüpfen an das, was große Männer geschaffen haben. Unsere Kunst ist leider zu sehr bestrebt, mit Riesenschritten vorwärts zu springen, die das Gleichmaß des Fortschritts vermissen lassen. Cine Kunst, die sich an die Alltäglichkeiten klammert und si dadur herabzerren läßt, ift keine Kunst mehr. Wo nicht klarer Kopf und innerlihes Streben vorhanden ist, muß eine Kunst zurü- kommen. Ein Werk, das uns sv die innerlihe Kunst der Renaissance vorführt, wie diese Büste, ist ein Kunstwerk von hohem Wert. Wir danken unserem hochverdienten Generaldirektor der Königlichen Museen für diefe Erwerbung. 3 __ Abg. Graf von Spee (Zentr.): Erfreulicherweise hat der Minister einen Lehrstuhl für Genossenschaftswesen zugesagt, den ih beantragen wollte. Weshalb er allerdings in Göttingen und niht in Bonn oder Berlin errichtet wird, ist nicht ohne weiteres verständlih. Die Atelierbauten an der Gesandtschaft in Nom begrüßen wir als ver dienstlih. Ueber die Florabüste können wir als Laien ein sach- verständiges Urteil niht abgeben. Mir schien sie jedenfalls von ganz hervorragender Schönheit zu sein. Daher ist die Frage, wer ibr Schöpfer ist, nicht so wichtig, und wir können uns hier der Autorität des von aller Welt anerkannten Direktors Bode anschließen. Wäre das Kunstwerk eht, so würde der zehnfahe Preis dafür gezahlt werden. Bode selbst hat von den deutshen Altertumshändlern Werke im Werte von 120 000 Æ erhalten, die später unseren Museen zu fallen. Schließlih wäre ein Irrtum ja möglich, aber der Kunstwert der Vüste ist so groß, daß sie immer ein hervorrggendes Kunstwerk sein wird. In der unlängst erschienenen Schrift dev Berliner Künstlers Martin Schauß ist wenigstens der Nachweis O daß in den 40 er Jahren in Florenz eine Werkstätte bestanden at, wo von einem mit Namen genannten Künstler hervorragende alte Kunstwerke derart nachgeahmt wurden, daß sie lange Zeit für echt gehalten wurden. Auch der Louvre hat ein derartiges Werk gekauft. Auf jeden Fall ist die Büste ein herrlihes Kunstwerk, das durchaus preiswert erworben is, und wir sind dem Leiter unserer Museen für diese Erwerbung allen Dank s{uldig. :

a Abg. Ecker-Winsen (nl.): Unsere Museen haben im letzten Jahrzehnt eine erfreuliche Entwicklung gehabt. Wenn sie die großen Museen des Auslandes nicht erreichen, \o liegt das daran, daß wir zahlreiche solche Anstalten im Lande haben, die wiederum das Gute haben, daß \sich von ihnen ein breiter Strom künstlerishen Empfindens und wissenschastliher Betätigung über das ganze Land ergießt. Für die Echtheit der Florabüste treten bedeutende Kunstkenner ein, andere dagegen halten sie für ein modernes Werk. Es ift sehr \{wer, eine solche Frage zu entscheiden; oft sind die bedeutendsten Museen getäuscht worden. Bei Erwerbungen muß der Kunstkenner \{nell zugreifen, selbst auf die Gefahr hin, 0 eine Erwerbung sich als Irrtum herausstellt. Wenn {G bei der Florabüste ein Irrtum ergeben sollte, so werden wir uns dadur do die Freude an unserem“ verdienstvollen Leiter der Königlichen Museen Dr. Bode niht trüben lassen. Jn London habe ih in den Museen eine Art der Aufstellung aller Gegenstände gefunden, dic gea der unserigen mustergültig ist; alle Gegenstäude sind dort o aufgestellt, daß fie von allen Seiten besichtigt werden können, selbst die ornithologishen Sammlungen sind dort mustergültig an geordnet. Die Gobelins mit historischen Darstellungen sind in London #o aufgehängt, daß sofort ihre - bistorishe Be deutung in die Augen springt, während man bei uns nichts von alledem findet. Wir haben überhaupt zu viele KunstgegenstFtde, um sie zweckmäßig aufstellen zu können; ferner ist der Deutsche in feiner Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit zu fehr bestrebt, überall alle einzelnen Daten genau zu vermerken. Die Ausstellungen von Meister werken der englishen und französischen Kunst haben wir nur mit Freude begrüßen können, aber sie haben auch die üble Nebenwirkung

e om R