1870 / 79 p. 13 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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1273 jeßt Levertsweiler, Dorf im Oberamte Sigmaringen. rütini von 1303 jeßt Reuten , Reutenen, Reutaer, aus- gerodete Wälder. Solche fommen beinahe in jedem einzelnen Orte vor. studeni von 1357 jeßt Stauden, Berg zwischen Laucherthal und Scheer. wilar, wilare von 1303 jeßt Weiler , häufiger Ortsname. zi Burron von 1303 zu Beuron, Kloster und Kurort im romantis®@en Donauthale. Î

Es entsteht nun die Frage , wodurch der über ganz Süd- deutsbland verbreitete alemannische Dialekt theils der hochdeut- schen Schriftsprache, theils in einem bestimmt begrenzten Bereich dem shwäbischen Dialekt Play gemacht hat.

Die hochdeutsche Sprache is das „auf Grundlage eines Dialeïts oder ecincr Dialektmishung erwachsene Produkt der literarischen Bildung. Die allmähliche Ausbildung einer be- stimmten Dialektmishung zur alleinigen Mittheilungsform der höheren geistigen Thätigkeiten in Deutschland überhaupt hat die alemannische Sprache auf die Rolle cines Dialekts herunter gedrückt. Damit ist nun aber noch nicht erklärt, wie auf dem chemaligen Boden des alemannischen Dialekts ein neuer , mit dem alemannischen verwandter, aber zugleich eigenartiger Dia- lekt, der schwäbische, sich eingebürgert hat.

Um diese Erscheinung abzuleiten, sind, abgesehen von dem inneren Entwoickelungs - und Fortbildungsprozeß der Sprache, weichcr für das Verständniß der hier vorliegenden Erscheinung nicht ausreicht, besonders zwei Ursachen der Sprachveränderung in Betracht zu zichen. Einmal die Aufschließung des Sprach- gebietes gegen den Einfluß anderer Sprachen oder Dialekte, zweitens die Theilung cines Sprachgebietes durch Einflüsse, welche die bisherige Gemeinsamkeit der Entwickelung aufheben.

Bon decn Umwandlungen, welche, die Aufgeschlossenheit eines Sprachgebiets bewirkt , liegen in der Geschichte vieler Sprachen schr merkwürdige Beispiele vor. Wir theilen cinige derselben mit. : j ;

Es scheint, als ob auf keinem Gebiet, wie auf dem der Sprache, so sehr der Einfluß hervortrete , welchen der Nach- ahmungstrieb einerseits und die Voraussetzung dieses Triebes, nämlich kräftige Vorbilder andererseits auf die menschliche Natur äußern. Selten kehrt ein Wanderer in die Heimath zurück, ohne die Spuren des fremden Aufenthaltes in der Sprache an sich zu tragen. Selbst eine für besonders spröde geltende Stammesnatur, wie die {wäbische , macht davon feine Aus- nahme. Die hohenzollernschen Landessöhne mit ächt schwäbi- schem Dialekt kehren nah abgeleisteter Militärpflicht je nah den Garnisonen mit rheinländishem und selbst mit berliner Anflug der Sprache zurück. Wanderungen von Bruchstücken ganzer Bevölkerungen sind daher eine gewöhnliche Quelle sprach- licher Beränderungen. Die Einwanderer bringen den Dialekt ihrer verlassenen Heimath mit, verändern ihn allerdings durch die Verschmelzung mit der in der neuen Heimath herrschenden Sprachweise, aber das Produkt ist. in der Regel ein neuer Dialekt. So haben die Eroberung8züge der Römer, dann der Germanen, der Hunnen, der Kreuzfahrer, die Auswanderungen nah Amerika neue Sprachmischungen hervorgebracht. Es finden sih in fast jeder modernen europäischen Sprache Worte, denen der gemischte Ursprung nicht mehr anzumerken ist und welche doch nachweislich einen solchen haben. Einige Beispiele mögen genügen.

Aug®8burg ist die römische Augusta. Der Name des baye- rischen Klosters Andechs is} gebildet aus dem feltischen Worte Theagas = das Haus, und dem irischen Laut a = Hügel, Andechs = Hügelhaus. Deutsche Ritter oder auch in späterer Zeit Landsknechte, mit, Namen Konrad oder Dietrich, verwan- delten sich auf italienishem Boden in Kuno und Dieto. König Enzio, vielbesungenen Namens, war ein Heinrich von Hohen- staufen, italienish Enrico und im Volksmunde Enzio genannt. Den urdeutshen Namen Walther finden wir in Jtalien als Gualterio, in Frankreich als Bauthier, in Niederdeutschland als Wolter. Jn Nordamerika finden wir deutsch-englische, in Süd- amerika deutsch-spanishe Sprachmischungen. Auf deutschem Boden selbst bekunden zahlreiche Orts- und Familiennamen eine germanisirende Formung ursprünglich slavisher Worte.

Es läßt sich nun aber weder sprachlich noch geschichtlich nihweisen , daß der s{wäbische Dialekt durch den Einfluß cines längstens vor 500 Jahren in das alemannische Sprachgebiet neu eingewanderten Elementes entstanden sei, Es muß also die Erklärung durch die andere von den oben erwähnten Ur- sachen versucht werden, nämlich durch Einflüsse, welche die bis dahin in ungedamuter Verkehrsverbindung und unter einer gleichartigen Entwickelung stehenden Theile des alemannischen Sprachgebietes von einander isolirten. Ein solcher Einfluß liegt geschihtlih vor in dem Zerfall des habsburgischen Hausbesißes in Süddeutschland, welcher den Elsaß, Schwaben und einen Theil der heutigen Schweiz umfaßte. Von diesem-Besiß wurde zuerst die Schweiz politish getrennt, es folgte die Trennung des Elsaß und endlich die Trennung der unter dem Namen Vorder- österreih in Süddeutschland liegenden habsburgischen Besizreste

und ihr Uebergang an die unterdeß in Süddeutschland cmpor- gekommenen Dynastien. Ueber die Ausdehnung, welche im Anfang des 14. Jahrhunderts der Besiß der Herzoge von Oester- reich als Grafen von Habsburg in Süddeutschland hatte, giebt das in der Fürstlih Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donau- Eschingen aufbewahrte habsburgische Urbarbuch von den Jahren 1303 bis 1313 urkundlihe Auskunft. Dem damaligen Besiß ist später noch eine Reihe anderer Herrschaften, worunter der Breisgau und Vorarlberg, binzugetreten. :

Dieser ganze Besiß bildete cin, wenn nicht abgerundetes, doch meist zusammenhängendes Ganze, vom St. Gotthard bis an den Neckar, von den Vogesen bis zur freien Reichsstadt Augsburg. So hat das Sprachgcbiet des alemannischen Dia- lets im 14. Jahrhundert in der That auch ein politisch einheit- liches, wenn auch nach sehr verschiedenem Herkommen verwal- tetes Gebiet ausgemacht. Auf diesem Gebiet bewegte si der alemannische Dialekt und konnte sich unter der gleichen po- litischen Oberherrschaft, unter der gleichen Neligion, unter dem gleichen Recht, bei ungchemmtem Handel und Wandel, soweit der innere Handel damals überhaupt ungehemmt war, cin- heitlich entwickeln. Zwischen Schwaben und der Schweiz, deren Gebirg®8gegenden mit s{wäbishem Getreide versorgt wurden, fand damals ein regelmäßiger und ununter- brochener Austausch statt, der erst langsam und gewalt- sam durch andere Tauschwege für beide Theile erseßt worden ist, So sind in Folge der politischen Trennung und Verkehrs- hemmung auf dem Boden, wo einst der alemannische Dialekt allein herrschte, zum Theil andere Mundarten entstanden. Der Rhein, welcher die Schiveiz von Deutschland und den an Frank- reich gekommenen Elsaß ebenfalls von Deutschland trennt, trennt auch im Ganzen und Großen den alemannischen von dem schwäbischen Dialekt, welcher leßtere demnach als die selbständige Fortbildung des ersteren auf deutshem Boden zu betrachten sein dürfte. Dabei ist freilih nicht zu übersehen, daß die Wir- kung einer Grenze, und zumal, wenn die Grenzlinie ein Fluß ist, sich am wenigsten im Grenzbezirk äußert. Jm Grenzbezirk selbst kann der Verkehr und der gegenseitige Austausch jeder Art zu beiden Seiten der Grenzlinie nicht gehemmt werden. So läuft denn ein alemannischer Sprachgürtel der politischen Grenze entlang auf deutschem Boden hin , von welchem s{hon im Anfang dieses Aufsatzes die Rede war.

Eduard August von Brauchit sch.

Der am 29. November v. J. zu Wiesbaden verstorbene Königliche General der Jnfanterie und General-Adjutant Sr. Majestät des Königs, Präses der General-Ordens-Kommission und Rechtsritter des Johanniter-Ordens Eduard August von Brauchitsh war am 12. März 1798 zu Neustadt a. d. Dosse ge- boren, woselbst sein Vater Direktor des &riedrich-Wilhelms- Lande®gestütkes war. Die Kinderjahre verlebte v. Brauchitsch theils im Hause seines Vaters, theils bei seinem Oheim, dem Major a. D. v. Oerzen auf Rattey in Mecklenburg, von welchem er nach 7jährigem Aufenthalt zu seinem Vater zurückkehrte, der inzwischen Präsident zu Stargard in Pommern geworden war. Er bezog, da er sich der Civilcarriere widmen sollte, die dortige Schule. Als bald darauf die preußiscbe Landwehr formirt ward, suchte er, nach der »Neuen Preuß. Ztg.«, der die Daten dieses Artikels entnommen sind, seinen Vater Und den Landrath v. Oergen, welcher besonders bei der Formation der pommerschen Landwehr thätig war, zu bewegen, ihm den Eintritt in dieselbe zu gestatten; doch erhielt er nur die Erlaubniß, in den Landsturm cinzutreten und wurde mit seinem Vater in dieselbe Compagnie gestellt. Als der Wunsch, die Civilcarriere mit der militärischen zu ver- tauschen, in Brauchitsch immer lebhafter ward, verließ er die Shule und trat am 1. Mai 1814 in das Kadettencorps. Hier durchlief er binnen Jahresfrist alle Stadien, wurde zuleßt Portepee-Unteroffizier und nach Absolvirung seines Examens am 1. Mai 1815 als Seconde-Lieutenant im 2. Garde-Regi- ment z. F. angestellt. Mit diesem Regiment machte er den Marsh nach Frankrei und den Einzug in Paris mit, ohne jedoch zum Gefecht gekommen zu sein,

Die folgenden Friedensjahre benußte

von 1819 bis 1822 die Allgemeine Kriegsschule. jahr 1820 hatte er sich- verheirathet weten Frau Elisabeth v.

solher ward er am 15. August 1829,

Gesundheit wegen, als Substitut Berlin kommandirt, Am

Flügel - Adjutant Sr, Majestät des Königs Friedrih Wil-

6 der Lieutenant J v. Brauchitsch eifrig zu seiner weiteren Ausbildung, und besuchte |*

Im Orüh- S mit der verwitt- F ( Dewiß, geb. v. Oerzen. Am V 13. Juni 1823 avancirte er zum Premier-Lieutenant und als V seiner s{wächlichen a

des Plaßmajors von L 44. September 1831 wurde er F Hauptmann, am 5. Februar 1832 Chef der 8. Compagnie sei- F nes Regiments, am 21. Januar 1837 Adjutant des Gouverne- | ments in Berlin und dem 2. Garde-Regiment aggregirt. Jm folgenden Jahre, am 1. Mai 1838, zur Diensticistung als |

helm III, Tommandirt, erfolgte am 3. August desselben Jahres seine Ernennung zum Flügel-Adjutanten und in dem nämlichen Jahre zum Ritter des Johanniter-Ordens. Nachdem er- am 9. Mai 1839 Major geworden war, betraute man ihn in der folgenden Zeit mit mannigfachen Missionen an die benachbarten und befreundeten Höfe. Jm Sommer 1839 ging er nah Neters- burg zur Vermählung der Großfürstin Marie mit dem Herzoge von Leuchtenberg. Er verblieb drei Monate am russischen Hofe und wohnte den großen Manövern um Borodino bei, Nach dem Tode Sr. Majestät des Königs &Griedrih Wilhelm IIl. wurde der Major v. Braucbitsh von Sr. Majestät dem König Friedrich Wilhelm IV. als Flügel-Adjutant beibehalten. Als solcher be- gleitete er Se. Majestät im Frühjahr 1842 nah England zur Taufe des Prinzen von Wales und ging nah der Rückkehr von dort nah Schwerin zur Kondolenz wegen des verstorbenen Herzogs Paul von Mecklenburg. Am 23. April 1839 verlor er seine Frau durch den Tod und vermáäblte sih am 22. Juni 1842 zum zweiten Male mit Fräulein Auguste v. Schenk. Im orübjahr 1843 begleitete v. Brauchitsch Se. Majestät den König nach Kopenhagen zum Besuch des dortigen Hofes. Das Jahr 1843 fand ihn, nachdem er am 22. März 1845 zum Oberst- Lieutenant avancirt war, als Begleiter des Kronprinzen von Schweden und dessen Bruder auf ciner Reise nah Schlesien. Im Jahre 1847 ward er auf seine Bitte auf ein halbes Jahr zur Dienstleistung zum ersten Garde-Regiment z. T: kommandirt.

Als Se. Majestät der König Friedrih Wilhelm IV. im

| April 1848 Berlin verließ und nah Potsdam ging, blieb der

Oberst-Lieutenant v. Brauchitsch als Kommandant des Schlosses urück. Obgleich er im August 1848 zum Commandeur des 31, Jnfanterie-è-giments ernannt war, mußte er Se. Majestät den König auf Allerböchstdessen Befehl noch auf der Néise nach dem Rhein zur Zusammenkunft mit dem damaligen Erzherzog- Neichs8verweser begleiten. Nach der Rückkehr übernahm er das

Kommando des Z1. Infanterie-Regiments (Herbst 1848).

Unter dem Ober - Kommando des jebt regierenden Königs Mazjestät als damaligen Prinzen von Preußen machte der Oberst- Lieutenant von Brauchitsch im Frühjahr 1849 den Oeldzug in Baden mit und führte eine kombinirte Brigade von 2 Bataillonen des 31. Infanterie-Regiments und 3 Bataillonen des 31. Land-

__ wehr-Regiments. Er wohnte den Gefechten von Ladenburg, Oettig-

heim und Rastatt, sowie der Einschließung leßterer Festung bei und war nah erfolgter Kapitulation am 23. Juli der Erste, welcher mit 2 Bataillonen, adronen und 4 Batterien unter klingendem Spiel in die Stadt cinzog. Bis zum Früh- jahr 1850 stand er sodann in &ranfkfurt a. M. in Garnison und ging darauf nach Potédam, um das Kommando des 1. Garde-Regiments zu Fuß zu übernehmen. Im Herbst 1851 war er mit der Führung einer Landwehr-Brigade betraut und im folgenden Jahr erhielt ex unter Ernennung zum General - Major und General à 1g suite Sr. Majestät des Königs das Kommando erst der 2., dann der 4, und Ende Auni 1855 das der 1. Garde - Infanterie - Brigade , sowie die Stelle des Kommandanten in Potsdam. Nach dem im März 1853 auf Se. Majestät den Kaiser von Oesterreich versuchten Attentat wurde der Genera! von Brauchitsch beauftragt, die Glückivünsche des preußischen Hofes wegen der Vereitelung des Attentats nah Wien zu überbringen. Qwei Jahre später, im März 1855, als Se. Majestät der Kaiser Nikolaus von Ruß- land gestorben war, begleitete er Se. Königliche Hoheit den Prinzen Carl von Preußen nach Petersburg zur Beiseßung der Leiche, und theilte mit den Kaiserlichen Generalen und Adju- tanten die Ehrenwache.

_ Am 24. Juni 1856 wurde er als Rechtsritter des Johan- niter-Ordens aufgenommen. r 1857 erfolgte seine Ernennung | l anzig und am 9. April desselben 1 General- Lieutenant und General-Adjutanten Sr. Majestät des Königs. Im Juni 1860 ernannte ihn Se. Majestät der König zum Gouverneur der damaligen Bundesfestung Luxemburg.

Nach dem Tode Sr. Majestät des Königs Griedrich Wil-

helm IV. überbrachte der General- Lieutenant von Brauchitsch |

die Meldung hiervon an den niederländischen Hof und wohnte

F der Krönung des jeßt regierenden Königs Majestät in önigsberg bei. Im Sommer desselben Jahres war er zur

Dienstleistung bei Sr. Königlichen Hoheit dem i

Wales während des ]

Um August 1863 inspizi i fontingen

dem- ehemaligen Kurhessen und Limburg. Nachdem er am

Juni 1864 General der Infanterie geworden, feierte

er am 26. April 1865 unter mannichfaen Beweisen von Theil-

nahme und Anhänglichkeit, sowie unter lebhafter Betheili ung

aller Stände Luxemburgs, sein funfzigjähriges Dienstjubiläum.

Se. Majestät der König ehrten den Jubilar an diesem Festtage

durch Verleihung des Kronen-Ordens 1. Klasse mit dem Emaille-

Bande des Rothen Adler-Ordens mit Eichenlaub und Schwer-

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tern am Ringe. Anm 16. Juli 1866 wurde der General von

Brauchit sch zur Begrüßung Sr. Majestät des Königs Leopold

der Belgier nah Namur entsendet. Nach Enthebung von seiner

Stellung als Gouverneur von Luxemburg verließ er am 2. Sep-

tember des lektgenannten Jahres mit den Königlichen Truppen

diese Stadt Hus kehrte nach m Februar 1868 Srnennun

zwar nach Wien zur Beiseßun Maximilian von Mexiko.

Diese Reise bildet im Grunde den Schlußstein des vielbe- wegten, dienstthätigen Lebens des Generals v. Brauchitsch, denn zunehmende körperliche Schmerzen und Leiden nöthigten ibn, sih von dem außeren Leben fast ganz zurückzuziehen und nur sciner Gesundheit zu leben. Einmal noch trat er in die Oeffent- lichkeit, um im Januar 1869 zum ersten und einzigsten Male seine Funktionen als Präses der General -Ordens- Kommission bei dem Ordensfeste außzuüben.

Nachdem er zu mehreren Malen die Quellen von Marienbad und Karl8bad, jedoch ohne wesentliche Wirkung oder Linderun sei- ner Leiden besucht hatte, begab er sich schließlih auf ärztlichen Rath Anfangs Juli 1869 nach Wiesbaden. In den ersten Tagen

machte sich eine scheinbare Besserung bemerklich, bald jedo stellte sih sein altes Magenleiden mit neuer Heftigkeit üs U am 29. November erfolgte sein Tod im noch nicht vollendeten (d Lebensjahre. Seine irdischen Ueberreste wurden seinem Wunsche gemäß nach Berlin gebracht und hier auf dem In- validenkirchof bestattet.

Die preußischen Gefängnisse, *) (S. Nr. 12 der Bes. Beilage.)

II.

Durch diese großartigen Neuanlagen, welche einen Kostenauf- wand von 2,500,000 Thalern erforderten, ist Preußen im Ge- fängnißwesen in die Reihe der vorgeschrittensien Staaten ge- treten, jedoch hat das im Jahre 1849 eingeführte neue Straf- verfahren dem planvollei Vorgehen auf der Grundlage eines bestimmten Haftsystems enge Grenzen gesteckt. Obwohl durch die erwähnten Bauten seit 1843, zu denen 1850—1851 auch die Herstellung eines neuen Zellenflügels in der Straf-

Halle trat, der Detentionsraum für 1700 Ge- fangene erweitert war, so daß nun 12,000 Gefangene untergebracht werden konnten, so erwies sich dieser Raum in Folge der, Einführung der Schwurgerichte, der Be- seitigung der strengen Beweistheorie und der Herabseßung des Minimums der Zuchthau8strafe auf zwei Jahre, doch bald wieder als unzureichend. Die Zahl der Dekinirten stieg von 1843 bis 1856 von 13,361 auf 28,546, darunter 23,9090 ZQucht- hau8gefangenen, außer welchen noch 2476 Verurtheilte die Zucht- hausstrafe in den Gericht8gefängnissen verbüßten. Das Be- dürfniß nah neuen Gefangenräumen, insbesondere für Voll- streckung der Zuchthausstrafe , trat fast in allen Provinzen, und Überall so plöglih auf, daß das Innehalten des Reform- plans unmöglich wurde. Es bedurfte aller Anstrengungen der Berwaltung, um die Räume zu schaffen, in welche die sich stets Überfüllenden Strafanstalten entleert werden konnten ; es mußte 1 diesem JZweck jedes nur einigermaßen geeignete Etablissement in Eile hergerichtet werden, ja es blieb nichts weiter übrig, als bei der Mehrzahl der vorhandenen An- stalten durch Umbau und Erweiterung das System preiszu- geben. Unter dem Einfluß dieser Verhältnisse sind neu gebaut worden : die Strafanstalten zu Wartenburg (Hinteranstalt) 1850 bis 1854, Rhein 1853—1856, Mewe 1856—1860, Fordon 1853 bis 1854, Anklam 1851, Gollnow (Hülfs-Strafanstalt) seit 1857, Breslau (Filialanstalt) 1853, Striegau 1852—1855, die Hülfs- Strafanstalten bei Berlin zu Rummelsburg 1854 und Moabit 1855, die Strafanstalt zu Delibsch 1856—1860, sowie die inzwischen wieder eingegangenen Hülfsanstalten in Schlesien zu Scbimmichow, Pilchowit und Anton i en in dieser Periode die Anstalten zu Rawicz 1859, Breslau 1855—1856, Brieg 1853 biS1859, Moabit, Sonnenburg 1853—1854 und Münster 1853 bis 1854. Obwohl alle diese Bauten gleihsam Nothstands- bauten waren, und obwohl zu denselben nur bereits vorhan- dene ältere Baulichkeiten benußt wurden, so war es doch mög- lih gewesen, verschiedene nachhaltige Verbesserungen daran zu knüpfen. Bor Allem gelang es, die hon in der Kabinets- Ordre vom 26. März 1842 angeordnete Einrichtung besonderer Anstalten für die verschiedenen Geschlechter als Regel durchzu- führen. Verner wurden die Provinzial-Arbeitsanstalten für die Detention von Verbrechern entbehrlich, endlich sind die Jsolir-

®) Nach der Schrift: »Die preußischen Gefängnisse; beschreibende Uebersicht der zum Ressort des Ministeriums des Jnnern gehörenden Straf- Und Gefangenanstalten«. Berlin 1870, Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Deer).