1870 / 119 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Justiz - Ministerium.

Der Rechtsanwalt und Notar Dieterich in Pasewalk ist in derselben Eigenschaft an das Kreisgericht in Demmin, mit Anweisung seines Wohnsißes daselbst, verseßt worden.

Ministerium des Junernu.

Bekanntmachung, betreffend die Allerhöchste Genehmigung des revidirten Statuts der Versicherungs8gesellschaft » Deutscher Phönix« zu Frankfurt a. M.

Des Königs Majestät haben mittelst Allerhöchsten Erlasses vom 16. d. M. das revidirte Statut der Versicherung®8gesell- haft »Deutscher Phönix« zu Frankfurt a. M., wie solches in der außerordentlichen Generalversammlung vom 26. März d. J. beschlossen worden ist, zu genehmigen geruht. Der Aller- höchste Erlaß nebst dem Statute wird durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Wiesbaden bekannt gemacht werden.

Berlin, den 21. Mai 1870.4 N Der Minister für Handel, Gewerbe Der Minister des Jnnern.

und öffentliche Arbeiten. In Vertretung:

Graf Jyenplißt. Bitter.

Angekommen: Se. Excellenz der Kanzler des Nord- deutschen Bundes und Präsident des Staats - Ministeriums, Graf von Bismarck-Schönhausen, aus Pommern.

Der Kammerherr und General-Jntendant der Königlichen Schauspiele, von Hülsen, von Hannover.

Am 1. Juni cer. werden in den Badeorten Nenndorf, Eilsen und Bad Rehburg Telegraphenstationen mit beschränktem Tagesdienste für die Dauer der Badesaison wieder eröffnet werden.

Hannover, den 20. Mai 1870. A

Telegraphen - Direktion. Krampff. i

Bekanntmachung, betreffend Ausreichung neuer Zinscoupons zu dem vormals Herzoglich nassauishen 45 prozentigen Staatsanlehen von 6,000,000 Fl. d. d. 28. April 1860.

Die neuen Coupons zu dem vormals Herzoglih nassauischen 44 Staatsanlehen von 6,000,000 Fl. d. d. 28. April 1860 Serie I. Num. 1 bis 8, vom 1. Mai 1870 bis 30, April 1874, werden vom 16. dieses Monats ab gegen Rückgabe der alten Couponsanweisungen bei dem Bankhause der Herren M. A. von Rothschild & Söhne

zu Frankfurt a. M. ausgereicht werde j

Es können diese Coupons auch durch die Königlichen Regierungs- Hauptkassen und die Königlichen Bezirks - Hauptkassen in Hannover, Osnabrück und Lüneburg bezogen werden. Wer die Coupons durch eine dieser Kassen beziehen will, hat derselben die alten Talons mit einem doppelten Verzeichnisse derselben einzureichen. Das eine Ver- zeichniß wird mit einer Empfangsbescheinigung versehen, sogleich zurük- gegeben, und is bei der Aushändigung der neuen Coupons wieder ab- zuliefern. Formulare zu diesen Verzeichnissen sind bei den gedachten Provinzialkassen unentgeltlich zu haben. Der Einreichung der Schuld- verschreibungen bedarf es zur Erlangung der neuen Coupons nur dann, wenn die alten Couponsanweisungen abhanden gekommen sind; in diesem Falle sind die betreffenden Dokumente an das Königliche Regierungspräsidium zu Wiesbaden mittelst besonderer Eingabe ein-

zureichen. ; 5 Die entstehenden Porto-Auslagen haben die Empfänger der neuen

Coupons u erseßen. : Wiesbaden, den 14. Mai 1870. Der Königliche Regierungs-Präsident.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 23. Mai. Se. Majestät der König verweilten gestern Vormittag auf dem Babelsberg, kamen mit dem 12 Uhr-Zuge nach Berlin, konferirten im Ministerium des Au®Lwärtigen mit dem Bundeskanzler Grafen Vismarck und kehrten mit der 2 Uhr-Fahrt nah Babelsberg zurück. Um 3 Uhr war Familiendiner in Kl. Glinike bei Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Karl. Abends mach- ten Allerhöchstdieselben noch eine Spazierfahrt nah Sanssouci und nahmen dann mit dem Adjutanten vom Dienst den Thee in Babelsberg.

Heute Vormittag arbeiteten Se. Majestät daselbs allein, kamen mit der 12-Uhr-Fahrt nah Berlin und nahmen die Vor- träge des Wirklichen Geheimen Ober-Regierungs-Rathes Wehr- mann und des Geheimen Kabinets - Raths von Wilmowski entgegen. Um 5 Uhr dinirten Se. Majestät in Bellevue bei e Herzog und der Herzogin Wilhelm von Mecklenburg-

werin.

Im Gefolge Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Karl von Preußen, Höchstwelcher Sich gestern von Potsdam nach Bad Wiesbaden begeben hat, befinden sih der Hofmarschall Graf von Dönhoff und der persönliche Adjutant Major von QZglinißki.

_— Das Staats-M inisterium trat gestern unter Vorsiß des Minister - Präsidenten Grafen von Bismarck-S ch ön- hausen zu einer Sißung zusammen.

hielt gestern eine Plenarsißung ab. Der Ausschuß des Bundesrathes des De

einer Sigung. uke

__— Der Bundesrath des Norddeutschen Bu hielt am 20. d. M. eine (die 20.) Sißung ab, in welcher der St kanzlers den Vorsiß führte. Jn derselben fand ein N über die vom Reichstage gefaßten, den Entwurf deg ad geseßbuches betreffenden Beschlüsse statt. Sodann wurde 4

der Ausschußbericht erstattet.

Norddeutschen Bundes statt, in welcher der Bundes den Vorsiß führte. Es wurde Präsidenten des Reichstags vorgelegt, betreffend die vom Ri tage Über den Geseßentwurf wegen des Urheberrehts an Sin] werfen 2c. gefaßten Beschlüsse. Sodann fand eine Berathy Über die Stellung statt, welche dem zum Strafgescßbuce d gebrachten Planckschen Amendement gegenüber einzunehy sein wird. Ueber den vom Präsidium vorgelegten Gesa wurf wegen anderweiter Feststellung der Ausgaben x. für 9 wurde n C Hue Pes Wid J

Der Ausschuß de undesrathes des Nordd \hen Bundes für Rehnungswesen trat gestern 0 Sißung zusammen. Der Ausschuß für die Gewerbe-Ordny versammelte sich heute zu einer Sigzung.

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__— Der Reichstag des Nord deutschen Bundes in seiner Sißung vom Sonnabend, 21. d. Mts., die di Berathung über den Geseßentwurf, betreffend die Aufhebui der Elbzölle, fort. An der Spezial - Diskussion betheiligten f die Abgg. Nussel, von Rochau, Dr. Prosch, Fries, sowi | Bundesbevollmächtigten Staats-Minister Delbrück und der Ord herzoglih mecklenburgische Staats-Minister von Bülow.

___ Der bereits mitgetheilte N des Abg. Wiggers (Verl die ÇF. 1 und 2 des Geseßentwurfs zu streichen, wurde ay lehnt. Die Position unter Nr. 1, Bewilligung einer Als dungssumme von einer Million Thalern an das Großher thum Mecklenburg - Schwerin, wurde bei namentlicher Abs _ mit 126 gegen 106 Stimmen genehmigt.

,_ Nach erfolgter Abstimmung theilte der erste Vizepräsidn Fürst zu Hohenlohe, Herzog von Ujest, dem ReichStage mi daß bei der Ermittelung des Resultats der namentlichen f stimmung über die Bewilligung von 157,000 Thlr. für | Ankauf cincs neuen Dienstgebäudes für das Marine-Minister sich ein Fehler eingeschlichen habe und daß nicht 102, son 112 Abgeordnete für die Bewilligung gestimmt haben, so l lehtere nur mit Einer Stimme Majorität abgelehnt worda

Es wurde hierauf die Nr. 2 (Abfindungssumme an l Rege Anhalt 85,000 Thlr.) angenommen, dagegen t 36,000 Thlr. an das Herzogthum Lauenburg) in namentli lbstimmung mit 106 gegen 102 Stimmen abgelehnt. Sli lich wurde der ganze §. 2, wie er sich nach den vorangi genen Abstimmungen gestaltet hat, mit großer Majorität genommen. i |

Zu §. 3 sprach sih der Abg. Fries für die Verzinsung bewilligten Beträge aus.

Der §. 3. wurde hierauf angenommen ; ebenso der gil Geseßentwurf.

Der Reichstag trat alsdann in die Berathung des ld Gegenstandes der Tagesordnung ein: Gese über die Abg von der Flößerei. Dasselbe wurde ohne Debatte mit g Majorität angenommen.

Schluß der Sizung: 3 Uhr 10 Minuten.

Die heutige (52.) Plenarsizung des Reichsta]! des Norddeutshen Bundes wurde vom Präsid Dr. Simson um 10 Uhr 10 Minuten eröffnet.

Von den Bevollmächtigten zum Bundesrathe des N deutschen Bundes waren anwesend: dex, Bundeskanzler von Bismark - Schönhausen, der Staats- und Justiz - Mini Dr. Leonhardt, der Staats- und Finanz-Minister Camphau| der Präsident des Bundeskanzler - Amts, Staats - Mini! Delbrück, der General-Lieutenant und Direktor des Allgem! KriegSdepartements von Podbielski , der Ministerial - Dit Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath Moser, der u sächsische Gesandte Freiherr von Könneriß, der Königlich \ädhs Geheime Justiz-Rath Klemm, der Königlich sächsische Gel Regierungs-Rath Schmalz, der Königlich sächsische Major l Holleben , der Großherzoglich hessische außerordentliche Gesa und bevollmächtigte Minister , Geheime Legations - Rath Ÿ mann , der Großherzogli mecklenburgische Staats - Mi

(j

von Bülow , der Großherzoglich oldenburgische Staats-M

Der Bundesrath des Deutschen Do lver,

Zollvereins für Rehnung8wesen versammelte sich a,

Minister Delbrück in Vertretung des abwesenden V

die Vorlage des Präsidiums wegen der St. Gotthard-Eisenhz

Auch gestern fand eine (die21.) Sigung des Bundesrathes)

j : ta zunächst eine Mittheilung

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der Herzoglih braunschweig - lüneburgische Minißer- Dr. Liebe, der Herzoglich sachsen-meiningische Rath und Staats - Minister Freiherr von

: Geheimrath

iche Geheime

res der Ministerresident der freien und Hansestadt Lübeck

of úger und die Bundeskommissare, Präsident Dr. Fried- “Geheimer Ober-Regierungs-Rath Ek, Geheimer Regierungs- H von Puttkamer und Geheimer Regierungs - Rath Dr. O, esten Gegenstand der Tagesordnung bildete die Ab

mung ber den Gesegentwurf über den Unterstügungs- ohnsiß nah den Beschlüssen des Reichstages in dritter Be-

e Geseßzentwurf wurde mit sehr großer Majorität an- e Reichstag trat hierauf in die dritte Berathung über n Entwurf eines Strafgeseßbuchs für den Norddeutschen ind auf Grund der Zusammenstellung der Beschlüsse in

iter Berathung. s lag cin sehr große Anzahl von Abänderungs - An-

gen Vor. i Pon den Abgg. Planck und Genossen: :

Der Reichstag wolle beschließen: für den Fall der Wiederherstel- ng des §. 1 in der Fassung der Regierungsvorlage, den §. 11 der orlage der verbündeten Regierungen zum Strafgeseßbuch in folgen- x Fassung anzunehmen: Die Todesstrafe ist durch Enthauptung zu lfirecken. Jn denjenigen Bundesländern, in welchen die Todesstrafe eblich bereits abgeschafst ist, bervendet es hierbei und es tritt für ese Länder in denjenigen Fällen, für welche das gegenwärtige Geseß e Todesstrafe bestunmt, an die Stelle derselben die lebenslängliche

uhthausstrafe. : 7 Von den Lvgg. Fries, Dr. Jäger, Salzmann folgender nterantrag hierzu: j : D

Der Reichstag wolle folgenden Zusaß beschließen: Den übrigen dundesstaaten bleibt es überlassen, im Wege der Geseßgebung eben- lls zu verordnen, daß in denjenigen Fällen, für welche das gegen- värtige Geseh die Todesstrafe bestimmt, an die Stelle derselben die benslängliche Zuchthausstrafe tritt.

Von den Abgg. v. Kardorff und Genossen: i :

F. 78. Der Mord und der Versuch des Mordes, gerichtet gegen as Bundesoberhaupt oder gegen den eigenen Landesherrn, oder wäh- end des Aufenthaltes in einem Bundesstaate gegen den Landesherrn ieses Staates, wird als Hochverrath mit dem Tode bestraft. §. 79. Rer außer dem Falle des §. 78 es unternimmt 2c. (§. 78 der Reichs- gsbeshlüsse). ,

Die General-Debatte wurde eröffnet.

Der Abg. Graf Schwerin sprach sih für die Annahme des Gesegentwurs8 unter den von den verbündeten Regierungen

jestellten Bedingungen aus. Graf von Vis8marck-Schön-

Der Bundeskanzler , hausen erklärte hierauf:

Gestatten Sie mir , meine Herren , daß ih zuvörderst mein Be- auern darüber aus\preche, daß es mir nicht vergönnt gewesen ist, den vihtigen Berathungen , welche Sie in den leßten Wochen beschäftigt haben, persönlich beizuwohnen , auch denen nicht, mittelst welcher die Regierungen Ihre Beschlüsse der eigenen Beschlußnahme unterzogen haben. Mein Kollege im Bundesrathe, der Königlich preußische Herr Justiz-Minister, hat Jhnen noch in meiner Abwesenheit das Ergebniß dieser Beschlüsse mittheilen können und daran zugleih die Zu- sage geknüpft, Über das inzwischen eingebrachte Amendement der Herren Planck und Genossen die Beschlüsse des Bundesraths einzuholen

Meine Herren! Um zu der Vorlage zu gelangen, welche Jhnen ursprünglih gemacht worden is, haben die einzelnen Regierungen, ih lann sagen, fast jeder Fürst persönlich, fast jeder Rathgeber eines deutschen Fürsten persönlich , wesentliche Opfer an ihren politischen Veberzeugungen , an ihren Wünschen, an ihrem Rechtsgefühl , ich möchte sagen, an ihrem Rechtsglauben bringen müssen. Sie haben ia dem höher stehenden Zwecke deutscher Rechtseinheit gebracht. '

Jn demselben Sinne sind die verbündeten Regierungen an die Beschlüsse des Reichstages getreten, die ihnen nach der zweiten u vorgelegen haben, und ich glaube, Sie werden ihnen das Zeugni geben, daß sie auch dort dem höheren Zwecke der deutschen Rechts- enheit neue und erhebliche Opfer gebracht haben. i __ Mante der Regierungen hätten gewünscht, wie viele unter Jhnen, die Todesstrafe zu beseitigen. i l vugung, diesen ihren Glauben an ein sittlihes Erforderniß der Zeit dem Zwecke zum Opfer bringen zu müssen, welchem die Schöpfung des Norddeutschen Bundes wesentlih ihre Entstehung verdankt, dem sle bisher gedient hat: der deutschen Nation die Rechtseinheit, die politische Einheit wiederzugeben. Diesen Zweck haben sie höher ge- sell als ihr Verlangen nach Abschaffung der Todesstrafe.

Andere Regierungen und zwar die große Mehrzahl, haben ge- glaubt, denen, die auf ihren Rechts\{huß Anspruch haben, diesen Schuß Urch cine Anwendung der {ersten Strafe in aus8gedehnlerem Maße \huldig zu sein, als die jüngsten Konzessionen der Regierungen es zulassen, Der Herr Vorredner hat eben bemerkt, daß früher vierzehn ver- \hiedene Fälle mit der Todesstrafe bedroht gewesen sind. Es hat were Kämpfe und lange Verhandlungen gekostet , che diese vierzehn Flle auf das Ma reduzirt worden sind, welches der erste Entwurf hnen unterbreiteie, und demnächst auf Jhren Wunsch in Berücksich- tigung Jhrer Beschlüsse hat eine weitere sehr beträchtliche Verminde- lung dieser Fälle eintreten können, Die Regierungen haben

Sie haben geglaubt, diese ihre Ueber- | Y ; i lid : | hier aus dem Schoße Jhrer Versammlung die Anregung erfolgte, ein

eigene Ueberzeugung, die

Beweis gegeben, daß sie die nationalen Zwecke zu

Rechtsanjicht dem höheren opfern sich entschließen fönnen; nur ein Opfer fönnen fie diesem Zwecke nicht bringen: das ist das Prinzip dieser nationalen Einheit selbs. Hierin liegt der Grund, der sie hindert; dem Amendement der Abgg. Plan und Genossen ihre Zustimmung zu ertheilen. Die Regierungen sind außer Stande, sih von der Ver- gangenheit des Norddeutschen Bundes, sich von den Zwecken, welche uns bisher vereinigt und beschäftigt haben, in dem Maße los zu sagen, daß sie aus der Quelle des einheitlichen Bundesrechts zweierlei Wasser fließen lassen, daß sie bewußter Weise und von dieser Stelle hier cin doppeltes Rechts\ystem für den Norddeutschen Bund schaffen. Jh gehe auf die juristischen Schwierigkeiten, die die Durchführung cines solchen Systems hat, nit ein, man fann deren viele aufstellen, wie die Frage etwa über ein Verbrechen, 10elches bei Nacht auf einer Eisenbahnfahrt, wie es ja vorgekommen ist, stattgefunden hat, ob es in einem Gebiete, wo die Todesstrafe aufgehoben ist ob es zwishen Magdeburg und Leipzig etwa in der Gegend von Cöthen, oder ob es dicht vor Leipzig begangen worden ist; man fönnte bei andern Verbrechen, z. B. der Ermordung von Förstern durch Wilddiebe in Grenzwaldungen, ähnlich fasuistische &ragen aufstellen, sie sollen mich nicht beschäftigen, ih halte mich lediglich an die politishe Seite der Sache. Es i} für mich eine ab- solute Unmöglichkeit, es wäre ein volles Verläugnen meiner Vergan- genheit, wollte ih einem Geseße hier zustimmen, welches das Prinzip sanktionirt, daß durch den Bund zweierlei Recht für die Nord- deutshen geschaffen werden soll, daß gewissermaßen zweierlei Klassen von Norddeutschen geschaffen werden sollen , eine Selekta, die vermöge ihrer Gesittung, vermöge ihrer Erziehung so weit vorgeschritten ist, daß selbst ihre üblen Subjekte des Korrektivs, des Richtbeils nicht mehr bedürfen und dann das profanum vulgus von 27 Millionen, welches diesen \ächsisch - oldenburgischen Kulturgrad noch nicht erreicht hat, dem das Richtbeil im Nacken sißen muß, um es in Ordnung zu halten. Dem fkönnen wir nicht zustimmen; ih würde, meine Herren, eher ein nah meiner Ueberzeugung sehr viel mangelhafteres aber einheitlihes Strafgeseß in Kauf genommen haben, ih würde mich der Hoffnung hingegeben haben, daß bei dem gesunden Sinn unserer Bevölkerung und seiner Vertretung ein Fehler eines mangelhaften Strafrechts \o allgemein fkenntlih und so allgemein fühlbar is, daß die Lücken au®Lgefüllt und Jrrthümer verbessert wer- den würden, in einigen Jahren. Aber das Verlassen unserer Grund- prinzipien in Bezug auf die Einheit, die wir in Deutschland zu schaffen haben, das läßt sih niemals wieder gut machen. Jch fann von diesem Standpunîte aus hier kein Oldenburg und kein Preußen kennen, ih kenne nux Norddeutsche.

Unsere Aufgabe iß, die Gleichheit vor dem Gescß für alle nord- deutshen Bürger zu Gaffen, nicht die Ungleichheit, da wo sie is, gut zu heißen, oder gar sie innerhalb eines Bundesgebietes neu zu schaffen. Meine Herren , das ist eine politische Unmöglichkeit. Wir sind gegen Sonderrechte, gegen Sondereinrichtungen, gegen die Vor- urtheile einzelner Regierungen und einzelner Stämme, ja selbst gegen die Rechte einzelner Regierungen und einzelner Volfks- stämme, mitunter, weil wir uns der Größe unserer Ziele bewußt waren, mit Härte verfahren; ih darf wohl sagen, mit Härte, wenigstens mit Strenge. Wir haben unverrückt unser nationales Ziel im Auge behalten; wir haben nicht links, niht rechts gesehen, ob wir Jemandem wehe thäten in seiner theuersten Ueberzeugung. Meine Herren, aus diesem Geiste haben wir unsere Kraft, unseren Muth, unsere Macht ges{öpft, zu handeln wie wir gethan. Sobald uns dieser Geist verläßt, sobald wir diesem Geiste entsagen, sobald wir ihn vor dem deutschen Volke und seinen Nachbarn aufgeben , so legen wir damit Zeugniß ab daß die Spannkraft , mit der wir vor 35 Jahren an dieser Stelle unsern Ausgang nahmen , in dem Sande des Partikularismus , des Partifularismus der Staaten und des Partikularismus der Parteien erlahmt ist. Wir werden die Quelle, aus der wir die Berechtigung \{öpften hart zu sein und mit eisernem Schritt zu zermalmen , was der Herstellung derdeutschen Nation in ihrer Herrlichkeitund Macht entgegen

den eigene

(Lebhaftes Bravo! von den Pläßen der sozial-demokratischen Fraktion: »Oho!« Erneuerter stürmischer Beifall )

Meine Herren! Jch freue mich des Zeugnisses, was mir durch die Mißbilligung der Gegner deutscher Einheit und deutscher Größe gegeben wird.

Meine Herren! Jh bitte um Entschuldigung, wenn mich meine Kräfte noch nicht so weit unterstüßen, um der Vertheidigung unserer Sache mich ganz mit dem Nachdruck zu widmen, den sie erfordert und der meiner Ueberzeugung entspräche. Aber, meine Herren, ich erinnere Sie an eins. Es sind noch nicht ganz zwei Jahre her, daß

cinheitliches Strafrecht für die deutsche Nation in der Zukunft, für den Norddeutschen Bund einstweilen, zu \{afen. Dieser An- regung, die Jhnen zu verdanken is, ist bereitwillig Folge gegeben worden; unmittelbar darauf haben sich die namhaftesten Juristen, die Leute, auf deren Namen in der juristishen Welt Deutsch- land stolz is und stolz zu sein Ursache hat, versammelt und haben mit cinem Fleiß, der den Deutschen jeder Zeit, mit cinem praktischen Geschick, welches ihnen nicht immer cigen gewesen ist, in kurzer Zeit ein Werk geschaffen, dem auch seine Gegner, dem auch die, die es Über sich nehmen wollen, dagegen zu stimmen und dem Norddeutschen Volke dieses Werk vorzuenthalten, doch die Anerkennung nicht ver- sagen können, daß es das Beste ist, was innerhalb Deutschlands für eine größere Gemeinschaft bisher geleistet ist, daß es jedenfalls besser ist als Alles das, an dessen Stelle es treten soll. Es sind noch nicht ganz zwei Jahre seitdem verflossen, eine einzige Abstimmung nur trennt uns von der Verwirklichung der Wünsche, die Sie damals

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