1890 / 118 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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jederzeit den Ausbruch eines Krieges herbeiführen ohne den Willen der Regierungen und auch gegen ihren Willen]; denn, meine Herren, eine Regierung, welche nicht stark genug ist, um den Volksleidenshaften und den Parteibestrebungen entgegen zu treten, eine schwache Regierung is eine dauernde Kriegsgefahr. Jch glaube, daß man den Werth und den Segen einer starken Regierung niht hoh genug anschlagen kann. Nur eine starke Regierung kann heilsame Reformen durchführen, nur eine starke Regierung kann den Frieden ver- bürgen. Meine Herren, wenn der Krieg, der jeßt hon mehr als zehn Jahre lang wie ein Damokless{hwert über unseren Häuptern s{chwebt, wenn dieser Krieg zum Ausbruch kommt, jo ist seine Dauer und ist sein Ende nicht abzusehen. Es sind die größten Mächte Europas, welche, gerüstet wie nie zuvor, gegen einander in den Kampf treten; keine derselben kann in einem oder in zwei Feldzügen so vollständig niedergeworfen werden, daß sie sih für überwunden erklärte, daß sie auf harte Bedingungen hin Frieden {ließen müßte, daß sie sich nicht wieder aufrihten sollte, wenn auch erst nah Jahresfrist, um den Kampf zu erneuern. Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden, und wehe Dem, der Europa in Brand steckt, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß s{leudert! Nun, meine Herren, wo es sih um so große Dinge handelt, wo es sich handelt um, was wir mit ]chweren Opfern erreiht haben, um den Bestand des Reichs, vielleiht um die Fortdauer der gesellshaftlihen Ordnung und der Civilisation, jedenfalls um Hunberttausende von Menschenleben, da kann allerdings die Geldfrage erst in zweiter Linie in Betracht kommen, da erscheint jedes pekuniäre Opfer im Voraus gerechtfertigt. Es ist ja rihtig, was hier mehrfach betont worden, daß der Krieg selbst Geld und aber- mals Geld fordert, und daß wir unsere Finanzen nicht Vor der Zeit zu Grunde rihten follen, Ja, méeine Herren, hätten wir die sehr großen Ausgaben nicht gemaht für militärishe Zwecke, für welche der Patriotismus dieses Hauses und der Nation die Mittel gewährt haben, so würden allerdings unsere Finanzen heute sehr viel günstiger liegen, als es gegenwärtig der Fall ist. Aber, meine Herren, die glänzendste Finanzlage hätte niht verhindert, daß wir bei mangelnden Widerstands- mitteln heute am Tage den Feind im Lande hätten; denn lange schon und auch jeßt noch is es nux das Schwert, welches die Schwerter in der Scheide zurückhält. Der Feind im Lande nun, wir haben das zu Anfang des Jahr- hunderts 6 Fahre lang getragen, und Kaiser Napoleon konnte sih rühmen, aus dem damals kleinen und armen Lande eine Milliarde herausgepreßt zu haben, der Feind im Lande würde nicht viel fragen, ob Reichsbank oder Privatbank. Sahen wir doch im Jahre 13, als er shon im vollen Abzuge war, wie in Hamburg damals eine französishe Stadt ein französisher Mar)chall zum Abschied die Hamburger Bank in die Tasche steckte. Der Feind im Lande würde {nell mit unseren Finanzen aufräumen; nux ein waffenstarkes Deutschland hat es möglich machea können, mit seinen Verbündeten den Bruch des Friedens so lange Jahre hindurch hinzuhalten. Meine Herren, je besser unsere Streitmacht zu Wasser und Lande organisirt it je vollständiger ausgerüstet, je bereiter für den Krieg, um so eher dürfen wir hoffen, vielleicht den Frieden noch länger zu bewahren oder aber den unvermeidlihen Kampf mit Ehren und Erfolg zu bestehen. Meine Herren, alle Regierungen, jede in ihrem Lande, stehen Aufgaben von der höchsten sozialen Wichtigkeit egenüber, Lebenêfragen, welche der Krieg hinausschieben, aber niemals lösen kann. Jch glaube, daß alle Regierungen aufrichtig bemüht sind, den Frieden zu halten es fragt sih nur, ob sie stark genug sein werden, um es zu können. Jh glaube, daß in allen Ländern die bei weitem überwiegende Masse der Bevölkerung den Frieden will, nur daß nicht sie, sondern die Parteien die Entscheidung haben, welhe sich an ihre Spitze gestellt haben. Meine Herren, die friedlichen Versicherungen unserer beiden Nachbarn in Ost und West während übrigens ihre kriege- rischen Vorbereitungen unausgeseßt fortschreiten diese fried- lichen und alle übrigen Kundgebungen sind gewiß sehr werth- voll; aber Sicherheit finden wir nur bei uns selbst.

Abg. Richter: Handelt es sich hier nur um die beste Disposition über vorhandene Mittel, so würde nach der Be- fürwortung dieser Vorlage von Seiten zweier so hochstehender militärishen Autoritäten die Sache entschieden sein. Aber es handelt sih hier nicht bloß um militärisch-tehnische, sondern auch um bürgerliche Fragen, und da muß es auch einem Laien versiattet sein, seine Bedenken vorzutragen. Mehr Soldaten bedeutet weniger Arbeiter für die produktiven Erwerbszwecke, mehr Geld und mehr Kosien der Steuerzahler. Der Kriegs- Minister von Bronsart hat bei der Bepürwortung der leßten Militärvorlage 1887 das Wort fallen lassen, es sei ihm sehr angenehm und bequem, daß er nicht für die Mittel zu sorgen habe, die erforderli sind für die Er- höhung der Friedenspräsenzstärke. Wir können uns vor unjeren Wählern in unserer Verantwortlichkeit in Bezug auf die Steueilast nicht decken damit, daß militärishe Autoritäten fih in bestimmter Weise für die Vorlage ausgesprochen haben. Wäre diese Bezugnahme ausreichend, dann wäre es einfacher, wenn von militärischer Seite stets die Ziffer der Präsenz bestimmt, aber au ‘die Verantwortlichkeit der Militärsteuern über- nommen würde. Jch finde es durhaus erklärlich, daß die Militärs von Beruf die militärishen Einrichtungen auf eine ideale Höhe gehoben zu sehen wünschen, um des Erfolges im Ernstfalle siher zu sein. Es wäre sogar nicht wünschenswerth, wenn unsere Generale anders dächten. Ja ih wünschte, daß in manchen Civilressorts derselbe rastlose Eifer in Bezug auf fortgesezte Verbesserung herrschte. Es müssen aber die militärische und die bürgerliche Seite der Entwicklung in Harmonie stehen, wenn anders die Kriegsmacht selbst nicht leiden soll. Das ist eben so wenig zu bestreiten, wie ich meinerseits alle diejenigen Säße bestreite, die der Hr. Abg. Graf Moltke ausgesprochen hat. Sie sind vollkommen wahr; ih kann sie durhweg bis auf die leßte Silbe unterschreiben, Aber was beweisen diese allgemeinen Säße für diese Vor- lagen? Sie können angeführt werden und sind angeführt worden für die Vorlage von 1874, 1880 und 1887; sie könnten angeführt werden für eine Friedenspräsenzstärke von 500 000 Mann und mehr. Sie beweisen zu viel und deshalb sind îte nicht ausreihend. Ohne meine oder irgend eines Andern Ansicht schon bei der ersten Lesung definitiv festzulegen, möchte ih vorbehaltlih unserer Darlegungen in der Kommission nur einige rationes dubitandi an die Motive dieser Vorlage anknüpfen, Der Hr. Graf Moltke hat ge- meint, es könne eine solche Vorlage Besremden erregen in

einem Augenblick, wo der politische Horizont noh frei erschien

von Besorgniß. Nein, von diesem Standpunkt hat mi die Vorlage niht befremdet, denn ih bin niht gewohnt, eine solche Vorlage, die niht auf den Augenblick zugeschnitten ist, nah der augenblicklichen politischen Situation zu beurtheilen. Was mi befremdet hat, und was mich in dieser Vorlage mehr überrasht hat als jemals, ist, daß dies erfolgt ist in diesem Sommer nach den Erklärungen, die uns Seitens des Herrn Kriegs-Ministers noch im Januar gegeben wurden. Der Kriegs-Minister wurde in der Kommission gefragt, ob nah der erfolgten Bewilligung noch eine weitere Vermehrung der Cadres und insbesondere der Artillerie erfolgen würde. Der Kriegs - Minister hat die ganz bestimmte Er- klärung abgegeben, das dies nicht der Fall ‘sei mit einem - Vorbehalt, daß nämlich vier Compagnien Pio- niere und sechs8 Compagnien Train in Aussicht genommen seien. Aber auch diese neuen Formationen sollen innerhalb des Nahmens des Septennatsgeseßzes entstehen, und jeyt wer- den nahezu 19 000 Mann verlangt und dies Alles außerhalb der Septennatsstärke. Jh würde- hierfür eine Erklärung finden, wenn zwischen dem 13. Januar 1890 Und dem heutigen Tage in den militärischen Machtverhältnissen der anderen Staaten Aenderungen vorgekommen wären, die dieses recht- fertigen. Aber Alles, was ich davon weiß, bestätigt dies nicht. Was in den Motiven uns entgegengehalten ist, hätte ebenso gut schon im Januar dieses Jahres und vorher unterschrieben werden können wie jeßt. Einen ähnlihen Vorgang haben wir nur in Vezug auf die Marine gehabt. Jm Januar 1888 be- zeichnet es der damalige Marine-Minister für eine durhaus melancholische Auffassung, daß unsere Marine nicht l-istungsfähig sei und eine große Anzahl von Panzerschiffen bedürfe. Kaum waren aber sechs Monate verflossen, so erhielt jene melancholische Auffassung des Zeitungsartikels Gestalt in einer Vorlage, in der 24 neue Kriegsschiffe verlangt wurden. Es war nämlich an Stelle des Hrn. von Caprivi ein anderer Marine-Minister getreten. Es wird ganz besonderer Erklärungen bedürfen, um uns den jeßigen Meinungswechsel klar zu machen. Das Unge- wöhnliche dieser Vorlage charakterisirt sich auch darum noch besonders, daß jeßt, wo kaum drei Jahre des Septennats ver- flossen sind, eine Friedenspräsenzstärke erreiht werden soll in einem sehr erheblihen Umfang. Bisher wurde das Militär- Budget gewissermaßen als ein Abonnement betrachtet, das ebenso wie es eine Jnitiative der Volksvertretung auf eine Herabsetzung der Friedenspräsenzstärte niht für gerechtfertigt erachtete, ebenso auch innerhalb der festgeseßten Zeit eine Er- höhung aus der Jnitiative der Regierung aus\{chloß. Erst 1887 ist insofern eine Aenderung eingetreten, als ein Fahr vor Ablauf des Septennats ein neues Septennat beschlossen wurde. Hier sind aber kaum drei Jahre des Septennats verflossen. 1887 bezeihnete es Graf Moltke als im Jnteresse der Stabi- lität liegend, diese Festseßung niht auf drei Jahre zu treffen, um wiederum nach drei Jahren die neue Frage der Friedens- präsenzstärke vor den Reichstag zu bringen. Nun kommt gleichwohl diese Frage an den Reichstag. Der ganze Kampf, ob dreijährige oder siebenjährige Präsenzbewilligung, is pro nihbilo gewe)en. Diese Vorlage unterscheidet sich aber auch von allen früheren militärishen Vorlagen seit Gründung des Norddeutschen Bundes darin, daß nicht mehr die Präsenzstärken an die Resultate der leßten Volkszählung angeschlossen werden. Es wird hier eine Friedenspräsenzstärke vorgeschlagen, die noch über die nächste Volkszählung, die noch über 1 Proz. der Be- völkerung hinausgeht, wie es im Dezember d. J. voraussichtlich zur Betonung kommen wird. Alles dieses fordert um so mehr zu einer aründlihen Prüfung der in Betracht kommen- den Verhältnisse. Wenn man alles Dasjenige zusammen- rechnet, was in den leßten vier Jayren für Heereszwecke im Extroordinarium bewilligt ist, so kommen 736 Millionen heraus, eine Summe, wie sie nie zuvor in diesem Hause früher bewilligt worden ist. Drei Kaiser haben 1888 diesem Hause ihre besondere Dankbarkeit und Anerkennung kund- gegeben für die Einmüthigkeit, mit der damals der Reichstag für die weitgehendsten Aenderungen des Wehrgesetßes si ent- \chloß. Hoffentlih wird dies auch in frischer Erinnerung bleiben im weiteren Verlauf unserer Verhandlungen und man wird Andersdenkenden niht vorwerfen, daß sie ein weniger lebhaftes nteresse für die nationale Wehrkraft und Echaltung der Mathtstellung Deutschlands haben. Der Fürst Bismarck rehnete uns in seiner berühmten Rede vom 6. Februar 1888 vor, daß nah jener Vorlage Deutschland, wenn es gegen zwei Feinde Krieg führen müßte, eine Million Streiter auf der einen und eine Million auf der anderen Seite aufstellen könnte und dann noch eine halbe bis eine Million als Reserve im Lande verbleiben können. Bismarck i noch hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben. Denn Deutschland verfügt jeßt über eine Kriegsstärke von 31/, Millionen. Kurz vor Friedens\{luß standen in Frankreih und im FJnnern Deutschlands nur 11/, Millionen. Dazu kommt aber, was Bismarck damals auch besonders betont hat, die Brauch- barkeit und Tüchtigkeit unseres Offizier- und Unteroffizier- materials. Diese Ausführungen haben überall damals im Lande vollen Beifall gefunden. Es fragt sich nun, sind wir seit 1887 anderen Staaten gegenüber so ins Hintertreffen ge- langt, um die gegenwärtige Aufwendung zu machen? Die Motive bezogen sich auf Rußland und Frankrei, enthielten sich aber in Bezug auf Rußland jeder näheren Darlegung. Allerdings ist Rußland in Bezug auf seine Verkehrswege fortgeschritten, aber auch nit seit neuerer Zeit. Wir bauen au jährlich für 100 Millionen Eisenbahnen. Rußland be- sigt jeßt nur 8/4 der Kilometer-Eisenbahnen wie Deutschland. Das europäische Rußland ist aber an Flächeninhalt elfmal so groß wie Deutsh:and. Was Frankreich betrifft, so bewegen sich die Motive wesentlich auf der Würdigung des neuen französischen Wehrgeseßes von 1889. Der Entwurf war schon 1886 vorgelegt, und gerade im HinbliE auf den damaligen D wurde die Septennatsforderung ge- macht. Damals fsagte Graf Moltke in der Dezember- sibung, wir müssen die Vorlage bis Weihnachten in drei Wochen erledigt haben gegenüber der Eile, die Frankreich mit seinem neuen Wehrgeset hat. Die Franzosen haben nicht drei Tage, sondern drei Jahre gebraucht, bis der Entwurf eine definitive Gestalt gewann. Also mit einem drei- maligem Hurrah ohne sachlihe Prüfung werden in Frankreich solche Militärvorlagen auch nicht bewilligt. Nun frage ich, hat der französishe Entwurf in seiner definitiven Gestalt den damaligen Entwurf so weit übertroffen, daß wir zu einer dem- entsprechenden weiteren Verstärkung übergeben müssen ? Die Schäßung von 1887 ist nur um etwas über 4000 Mann hinter der jeßigen Gee zurücgeblieben. Nun rehnet man aber in Frankrei im egensaß zu uns zur Friedens- präsenzstärke auch sämmtlihe Einjährig-Freiwillige, die Ad- ministrativtruppen und die Militärzöglinge und die ganze Be-

saßung von Algier und Tunis. Die französishe Maximalstärke liegt über der effektiven Stärke weit höher, als bei uns. Aller- dings ist nah dem ‘neuen französishen Wehrgeseß die Kriegs- pfliht von 20 auf 25 Jahre erhöht worden, und dies stand noch nit in dem Boulanger’schen Entwurf. Wir haben aber schon vorher unsere Landwehr stärker herangezogen und den Landsturm auf drei Jahrgänge erhöht. Diese Rechnung ist deshalb für die gegenwärtige Mage belanglos. Nun sagt man, wir haben 24jährige Dienstzeit, Frankreih eine 24— 2ojährige. Bei uns beginnt sie aber mit dem 20. Lebensjahr und endet erst mit dem 45.; und wenn auch Manche erst nah dem 20. Lebensjahre eingestellt werden, is es bei Anderen viel früher {hon der Fall, schon bei dem 17. Lebensjahre. Ars habe allerdings * seinem Wehrgesez rückwirkende

raft gegeben; nah Wiederherstellung der Landwehr zweiten Aufgebots ist aber auch bei uns die Dienstpflicht mit rück- wirkender Kraft fesigeseßt. Wir haben freilih die drei Jahr- gänge des Landsturms vom 42. bis 45. Lebensjahre nicht mit rückwirkender Kraft eingestellt; aber unser Wehrgeseß datirt aus 1888; die Landsturmmänner, die bei Erlaß des Gesezes 42 Jahre waren, werden 1891 45 Jahre. Also au diese Betrachtung hätte aus dem Geseß fortgelassen werden können. Eine Vermehrung der Kadres für die Artillerie über den Boulanger'shen Entwurf hinaus hat in Frankrei wohl statt- gefunden; aber während damals 649 Jnfanterie-Bataillone vorhanden waren, giebt es gegenwärtig deren nur 559; noh größer ist die Verminderung der Compagniezahl, weil die Depot- compagnien une sind. Der Verstärkung der französischen Artillerie um 34 Batterien in den Jahren 1888 und 89 steht die Vermehrung unserer Feldartillerie im Jahre 1889 gegen- über, welhe mit dem Bemerken gefordert wurde, daß, so lange das Septennat dauere, weitere Vermehrungen nicht Plaß zu greifen brauhten. Die große Batteriezahl Frankreichs gegenüber der unsrigen ist nicht entscheidend; dènn ein früherer

“Kriegs-Minister hat hon ausgeführt, daß es nit darauf an-

komme, wie viel Geshüße im Frieden vorhanden sind, son- dern ob sie ausreichen, diejenigen Kadres zu schaffen, die man im Mobilmachungsfall brauche. Es werden 4 Jnfanterie- Bataillone mehr verlangt. Läge es nicht nahe, die 21 isolirten Jäger-Bataillone, nahdem alle Jnfanteristen als Scharfschüßen ausgebildet sind, zu den neuen Regimentern zu formiren ? Es ist die Rede von der Verstärkung der Truppen an der Grenze. Die leßte erheblihe Verstärkung unsererseits vom 1. April ist jeßt bereits wieder in Frankreich ausgeglihen. Man hat eben auf beiden Seiten die Schraube angezogen; und jeßt befinden wir uns wieder in demselben Wehrverhältniß wie früher, nur daß jedes Land sich größere Kosten auferlegt hat. Auch der Herr Kriegs-Minister empfindet nun wohl, daß -die einzelnen Ausführungen der Motive nicht geeignet sind, die 19000 Mann Erhöhung der Friedenspräsenz zu begründen. Es wird deshalb der größere Hintergrund der Bedeutung des neuen französishen Geseyes für die Verstärkung der Kriegsmacht in Folge der Einstellung eines größeren Kontingents der in jedem Fahr auszubildenden Mannschaften gezeichnet. Es wird vorgeführt, daß, wenn Frankreich jährlih 220 000 Mann ein- stelle, es nah 25 Jahren, also im Jahre 1915, in seiner Kriegsmacht vor Deutschland 8/4 Millionen Kämpfer voraus habe. Jh bin der Letzte, der etwa nun meinen würde, man jolle die 25 Jahre oder eine Reihe von Jahren nur ab- warten, ohne nachzukommen. Indessen diese Ziffer der jähtlihen Einstellung ist bis jet nür Problem, sie beruht nur auf einer gelegentlihen Shäßung bei den Ver- handlungen über das französische Wehrgesez. Es wird hervor- gehoben, daß das deutsche Kontingent 190 000 Mann betrage, während das französishe durch das neue Wehrgesez von 160 000 auf 200 000 Mann erhöht werde. Das zeigt, daß wir bis jeßzt um 30 000 Mann vorausgewesen. Die allge- meine Wehrpflicht ist in Frankreich seit 1873 {hon eingeführt, das neue Geseß will sie nur erweitern, indem es 60000 sog. Familienstüßen der Wehrpflicht unterwirft. Aber diese Aus- bildung beginnt erst 1890; im vorigen Jahre sind diese 60000 Mann nur zu einer 8 wöchigen Uebung eingezogen worden. Nun bin ih niemals einer weiteren Ausdehnung der allgemeinen Wehrpflicht entgegengewesen. Wir haben immer nur betont, daß, wenn einerseits es nothwendig sei, die allgemeine Wehr- pflizt noch vollständiger zur Durchführung zu bringen, andererseits um so mehr die Gründe ins Gewicht fallen, wel{e für Verkürzung der Dienstzeit des Einzelnen im Frieden sprehen. Die Motive lassen wohl hervortreten, in welchem Maße Frankreich seine jährlihe Einstellung erhöhte, aber nicht, in welhem Maße in Frankreich gerade in Verbindung mit dieser Erhöhung des Kontingents die Dienstzeit des Ein- zelnen verkürzt wird. Früher hat Graf Moltke uns immer gegenübergehalten, Frankreich habe eine längere Dienstzeit als Deutschland, eine 3—31/zjährige, es hüte sich, die Dienstzeit zu verkürzen und durch die Verkürzung zu einem Milizsystem herabzusinken. Aber {hon der Boulanger'she Entwurf wollte die Dienstzeit auf 21/2 Jahre herabseßen, und das definitive Gesey geht noch weiter. Wenn Sie wirklih die französishe Friedenspräsenzstärke auf 520000 Mann und die jährlihe Einstellung auf 220000 Mann be- ziffern, und 40 000 Unteroffiziere in Abzug bringen und für die Kavallerie eine dreijährige Dienstzeit annehmen, so kann 1891 die französische Dienstzeit bei den Fußtruppen nur unter zwei Fahre betragen. Der Boulanger'’she Entwurf kannte keinen einjährigen Dienst; jeßt sind 64000 Mann nur ein Jahr auszubilden. Jh hätte gewünscht, daß in den Motiven Uns aus jenem Heft des „Militärwochenblattes“, in dem die Bedeutung des Wehrgeseßes dargelegt wird, jener Say mit- getheilt worden wäre, der bezeihnend ist für die fonsti- tutionelle und finanzielle Bedeutung des französishen Parla- laments. Es heißt dort: „Bezüglih des veränderlichen oder festen Friedenszustandes wurde namentlih in den Sitzungen der französishen Kammer dem Vertreter der Regierungs- vorlage bemerkt, daß bei ausnahmsloser Einstellung der tauglichen Rekruten eine so enorme Heeresstärke ih ergeben würde, daß selbst ein so reihes Land wie Frankreich nicht in der Lage sein würde, sie zu tragen. Vor allen Dingen sah die Kammer ihr Geldbewilligungsreht gefährdet, wenn ihr in dieser Weise die Hände gebunden würden. Ein Ventil gegen das zu große Anwachsen der Heeresstärke fand man darin, daß der Kriegs-Minister ermächtigt ist, so viel Leute zu beurlauben, für die die im Etat bereit gestellten Miltel nit aus- reichen.“ Es ist also von der jährlichen Festseßung des Bud- gets abhängig gemacht, wie weit über die Ziffer von 64 000 hinaus von den 220009 jährlih eingestellten Mannschaften hon nah einjäl riger Dienstzeit Leute zu entlassen sind. Um eine Desorganisation der Armee zu verhüten, erfolgt die Entlassung Seitens des Kriegs-Ministers durch Zie ungs-

Svon 64000 in Frankrei

n. Wie weit die Ziffer der Einjährigen über die Ziffer T è Anaubgelt bei uns beträgt

sie nur 9000 —, wird erst die Zukunft lehren. Nach den

M neuesten Nachrichten beträgt sie jeßt hon 95000 Mann. Jn

ational-Zeitung“ sprach sich jüngst ein Militärschrift-

Pes vadin y daß nah allgemeiner Ansicht in Frankreich die einjährige Dienstzeit das Normale sein wird; wie eine so durchgreisende Neuerung in ihrer Gesammtwirkung werde, darüber sollte der kühnste Mann mit seinem Urtheil vorsichtig ¿urückhalten. Die nächste Folge des Wehrgeseßes werde die ein, daß sie keinesfalls zur Stärkung des inneren Zusammen- haltes der Armee beitrage. Um so gewagter würde es sein, jenn man jeßt hon aus der großen, shwierigen Probe, der

SFrankreih unterzogen wird, Ergebnisse für Aenderungen im deutschen Heere zieht. Mich persönlih hat das neue Französishe Gesey in hohem Maße interessirt, noch bevor ih wußte, daß unter Bezugnahme darauf an uns eine orlage kommen wird, deshalb, weil man, wie man auch im inzelnen darüber denken mag, in diesem Geseße drei Grund-

äge verkörpert findet, für die ih in den 19 Fahren, die ih

hier stehe, in Bezug auf die Militärpolitik stetig eingetreten

bin, nämlih die Durchführung der allgemeinen Militärpflicht, ie Verk ü L der Militärdienstzeit, möglichst kurze Bewilligung der Friedenspräsenzstärke durch das Parlament. Wir haben ir diese Grundsäße gekämpft und ih kann wohl auch sagen, elitten. Denn zu oft ist diese unsere Haltung eine Quelle on Angriffen und selbst von Verdächtigungen unserer natio- alen Gesinnung und unseres Fnteresses an der Echaltung er Wehrkraft gewesen. Nun muß ich es erleben, daß einmal in Gesey, das auf diesem Grundsage aufgebaut ist,

d radikal, daß ich niemals mich getraut hätte, es vorzu- lagen, unserer Militärverwaltung so ganz besonders im- onirt, daß sie weit entfernt ist, darin eine Shmälerung der deeresfkraft zu erbliden, sondern umgekehrt auf Grund des- [ben eine weitere Verstärkung der deutschen Wehrkraft ver- gt. Wie sind wir bekämpft worden, als wir die drei- hrige Feststellung der Friedenspräsenzstärke verlangten. Das ernichte, sagte man, die Ruhe und Stärke der Heere®- nrihtungen, das schaffe ein Parlamentsheer: bewilligt ihr “auc den lezten Mann, aber nur auf drei Fahre, so s{hwächt “ihr das Heer derart, daß die Franzosen den Respekt davor erlieren; sie werden über uns herfallen und das auf drei re bewilligte deutsche Heer wird wegen seiner inneren wäche niht im Stande sein, fich zu wehren ; wir werden atastrophen entgegengehen wie 1806. Einige Bürgermeister “machten ja bekannt, welche Kontributionen ihre Städte "1806 zahlen mußten. Das war sehr anschaulich dargestellt. Frankreih {aft sich nun ein solches arlamentsheer in des Wortes verwegenster Bedeutung; all: jährlich hat das Parlament über die Höhe der Heeresstärke zu blieben; und unsere Regierung, weit davon entfernt, ein solhes Heer für niht widerstandsfähig anzusehen und eine Herabsetzung der deutschen Heeresziffer zu empfehlen, geht dazu über, eine Erhöhung der Elen zu verlangen. Sie “können es mir nicht übelnehmen, wenn ih mi Angesichts ‘dessen um so mehr ermuthigt fühle, jene Grundsäße auch für s deutshe Heerwesen wieder aufzunehmen. Die Frage der Verkürzung der Dienstzeit findet ja jeßt auh in vielen Kreisen éin sehr lebhaftes Jnteresse. Die bayerishe Kammer hat irch Mehrheitsbeshluß Petitionen auf Einführung der zwei- jährigen Dienstzeit in der Jnfanterie der Regierung zur Wür- digung überwiesen; das Centrum bildet in der bayerischen Kammer schon allein die Mehrheit, die Freisinnigen haben es noch unterstügt. Es wird wesentlich im Reichstage von der Centrumspartei abhängen, wie sie sich praktisch zur Abkürzung stellt. Jch weiß ja, daß man gegen die Verkürzung der Dienstzeit in diesem Moment besonders geltend zu machen sucht die Einführung der neuen Waffen, welche eine größere Präzision und eine größere Schießfertigkeit u. s. w. bedingt. Aber wie viel von der Zeit von drei Jahren wird jeßt für die Ausbildung in diefec Richtung in Anspruch genommen? Ohne der Frage der zweijährigen Dienstzeit zu präjubdiziren, würde noch über das neue Excrzier-Reglement hinaus eine Verminderung des Paradedienstes, ein Zurütreten des Schulschießens, eine Ver- kürzung der auf Einprägung reiner Exerziersormen angewendeten Zeit vorgenommen werden können. Nun sagt man, die mili- tärishe Fertigkeit könne auch in zwei Fahren erreiht werden, aber die eigentliche joldatische Erziehung, die Entwidtelung der soldatischen Tugenden wurde vor längerer Zeit betont. Andererseits wendet man aber ein, dies gelte für die Dis- positionsurlauber au nicht, die doch niht nah der besseren Qualifikation, sondern nah häuslichen Verhältnissen entlassen würden. Von solchen, die diese Dinge aus der Praxis kennen, wird weiter bemerkt, die Auswahl der zu Entlassenden würde bei den Zurückgebliebenen Mißstimmung erregen und _in Folge davon Lockerung der Disziplin. Die militärishen Tugenden Muths und der Unerschrockenheit werden in drei jahren so wenig wie in zwei Jahren entwickelt, sie sind von dem Beispiel des Vorgeseßten und dem sittlihen Fonds, der unserem Volk innewohnt,

. An diesen Tugenden hat es in dem leßten

Kriege nicht gefehlt, obwohl Alle, die damals im Feuer standen, eine kürzere Dienstzeit gehabt haben. Das größte Kontingent des dritten Jahrganges dient übrigens ohne Waffe und wird U anderen Zwecken verwandt. Sie dienen als Burschen, Schreiber, Handwerker, Treiber, Musikanten. Daß “hierbei erheblibe Beschränkungen möglih sind, kann jeder im 4 ichen Leben beurtheilen, auch wenn er nicht Militär ijt. Militärishe Gewöhnung is übrigens gleihbedeutend mit Ent- hnung vom bürgerlichen Beruf. Ein großer Arbeitgeber egt darüber folgendes Zeugniß ab: Die dreijährige Dienst- “zeit bringt ungeheuren Nachtheil ¿für die deutsche Jndustrie mit sih. Der Arbeiter wird in einer Zeit, wo er an- fängt etwas gelernt zu haben, auf drei Jahre eins gezogen. Er fommt mit einer unberetigten hohen IMeinung zu uns zurük, und wir haben Jahre Flang zu thun, bis wir ihn wieder zur Ordnung bringen. Dieses Zeugniß der Firma Krupp, die gewiß niht Gegner # des Militärwesens ist, fällt auch ins Gewicht. Die Ansicht,

als ob eine so lange Dienstzeit nöthig wäre, um einer größeren 4 Ausbreitung der Sozialdemokratie Ne, beruht auf

‘einer sehr naiven Vorstellung von dem Wesen der Sozial- demokratie. Diese Vorlage is auch ein Stück Sozialpolitik. Ob das Arbeiterschußgeseß dem Arbeiter so viel nüßt, wie ihm

durch diese Vorlage an Mneleluna zufällt, ist mir zweifel- + haft. Die dreijährige Dien l die rein körperliche Arbeit eine größere Rolle spielte als heute,

tzeit stammt aus einer Zeit, wo

wo es sich um eine höhere Vorbildung und Fertigkeit handelt. Eine Verkürzung der Arbeitszeit ist ohne Schädigung nur möglich, wenn in kürzerer Zeit dasselbe produzirt werden

kann wie sonst, und das hängt von der Vorbildung und der ertigkeit ab. Wenn aber der junge Arbeiter drei ahre lang in der Kaserne festgehalten wird, dann wird es ihm schwer, sich diese größere Uebung anzueignen. Die Präsenzerhöhung fällt nur auf die minder wohlhabenden Klassen, die Verhältnisse der Einjährigen bleiben dieselben. Und auch vom Standpunkte des Arbeitgebers! Das Arbeiter- shußgeseß verringert die Verfügbarkeit des Arbeitgebers über die Arbeitskräfte und vermindert das Angebot von Arbeitern. Der Nachtheil der Produktion wird um so {hwerer empfunden, wenn gleichzeitig dieses Geseg 18 000 Arbeiter mehr der Pro- duktion entzieht. Das Gesetz stellt größere Opfer an Personen und Kapital. Seit 1876, wo wir keine Reichsschulden hatten, haben wir 1 Milliarde Schulden gemacht, und für die schon bewilligten Anschaffungen hat die Militärverwaltun 1/7 Milliarde 31/5 prozentiger Konsols auf den Markt zu bringen. Dazu kommt diese neue einmalige Aus- gabe von 40 Millionen auf Anleihe, ab esehen noch von den späteren Kasernenbauten 2c. Wovon sollen diese Auf- wendungen stattfinden? Doch nur aus dem aufgesparten Kapital der Nation. Ob soviel aufgespartes Kapital da ift, bezweifle ih. Die Anleihe von 129 Millionen im Februar d. J. ist nur zu 2/2 gezeichnet worden, es hat Mühe gemacht, sie unterzubringen. Man kann zwar den Zinsfuß erhöhen, dann wird sich mehr Kapital einfinden, aber diese Erhöhung des Zinsfußes würde zu einer allgemeinen Erhöhung desselben überhaupt führen. Was heißt es nun für die Industrie, wenn mit der Tendenz der Steigerung der Löhne auch die Tendenz der Steigerung des Zinsfußes eintritt? Beides läßt sich nicht vereinigen. Unter der Steigerung des Zinsfußes wird ein Herabdrücken der Löhne beginnen, um so mehr, wenn die großen Anschaffungen erst ausgeführt werden, die auf Grund dieser Kredite bei bestimmten Klassen der Zndustrie zur Bestellung kommen. Nun bedenken Sie, wenn die Löhne zur Zeit hoher Lebensmittelpreise sinken. Solche Fragen können nit mit militärischer Autorität ent- schieden werden. Wo ift die Reihsorgani)ation, welche diese Fragen richtig zu erwägen weiß? Der Abg. von Bennigsen erkannte an, daß das eine bedenklihe Lücke sei und eine spar- same Verwaltung nur mit einem Reichs-Finanz-Minijter mögli sei. Der jezige Schaßsekretär ist nur ein General- Kriegszahlmeister, der auszahlt, was der Kriegs-Minister ihm anweist. Hr. von Bennigsen hat zu unserem Bedauern seiner ersten Anregung keine weitere Folge gegeben, indessen das läßt sich ja noch nachholen, um so mehr als jeßt ein Kanzlerwech}el eingetreten ist. Nunmehr ist die Stelle des Reichskanzlers auch von einem berufsmäßigen Militär be- sezt. Herr von Caprivi hat uns in seiner offenen Weise gesagt, die politischen Angelegenheiten seien ihm bisher fremd gewesen. Wir alle haben die Ueberzeugung, daß er sih die größte Mühe geben wird, sih in alle diese Fragen hineinzu- arbeiten; er hat uns offen gesagt, er habe in den leßten Wochen mehr über Kolonialpolitik gelesen, als früher in seinem ganzen Leben. Wenn ih mir dieje Anforderungen an den Reichskanzler, au nur an die Lektüre desselben, ver- gegenwärtige, so ist es mir bedenklih, ob ohne persönliche Spiße die jeßige Organisation der obersten Reichsbehörde auch nur entfernt ausreicht, um bei solhen Vorlagem.alle wirthschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkte zu berücksich- tigen. Wo diese 18 Millionen herkommen sollen, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Diese Vorlage kommt nur aus dem Kriegs-Ministerium, vom R Setretgriat scheint keine Silbe hineingekommen zu sein. Will man si formell da- mit helfen, daß das Reich wegen der Matrikularbeiträge kein Defizit haben kann? Nun, auf diese Matrikularbeiträge kom- men jeßt schon die 4 Millionen für Kolonialpolitik, die Millionen für die Gehaltsverbesserungen, in der Post und Telegraphie allein 12 Millionen. Jn Folge der großen Ueber- weisungen mag das jeßt den Einzelstaaten verhältnißmäßig leiht werden. Diese Ueberweisungen stammen aber aus den Getreidezöllen in Folge einer ungünstigen Ernte, die wir nicht wieder wünschen können. Fsstt die Regierung in der Lage, bis zum Ende dieser Wahlperiode mit den indirekten Steuern aus- zukommen, oder plant sie neue indirekte Steuern? Wird man es im Lande wirklih leiht nehmen, wenn zu den 400 Mil- lionen Mark indirekter Steuern, die die Minderwohlhabenden tragen müssen, noch eine weitere Erhöhung kommt? Fn Preußen foll die direkte Steuershraube angezogen werden. Jst eine Steuerpolitik richtig, die das Leßte an direkten und indirekten Steuern auspreßt? Müssen wir nicht Summen zu einer Reform der indirekten Steuern im Reich zur Verfügung haben? Fürst Bismarck hat einmal gesagt: Die Grundlagen eines geordneten Staatswesens sind eine starke Armee, blühende Finanzen und erte des Volkes. Eine starke Armee haben wir Dank der Erhöhungen der Präsenzziffer. Blühende Finanzen? Wir haben zwar 400 Millionen Mark mehr Steuern in den leßten zehn Fahren auferlegt, aber troßdem sind die Finanzen wieder im Verblühen. Und Zufriedenheit des Landes? Darüber hat jeder bei den Wahlen seine besondere Erfahrung machen können. Ob das, was die starke Armee an größerer Stärke durch diese Vorlage gewinnen kann, im Verhältniß steht zu den größeren Opfern der Steuerzahler, das ist die schwierige Frage, die zu lösen uns hier obliegt. Möge sie eine Lösung finden, die im Jnteresse des Volks und des Vaterlandes liegt!

Kriegs-Minister von Verdy du Vernois:

Meine Herren! Um an einen der leßten Säße anzuknüpfen, us ih zunächst bemerken, daß die Mitwirkung des Reichs\chaßamtes do keineswegs eine folhe ist, wie der Hr. Abg. Richter sie si denkt, Ohne weiter darauf näher einzugehen, kann ich Ihnen nur sagen, daß mir das Reihsshaßzamt manchmal s\{wieriger und ge- fährliher is, als wie die Gefährlihsten von Ihnen. Das ist Thatsahe. Dann aber bitte ih, meine Herren, auch nicht zu untershätßen, wie “wir der Finanzfrage gegenüberstehen. Wenn mein verehrter Herr Amtsvorgänger gesagt hat, er danke Gott, daß er niht die Mittel zu beshaffen brauche, so ist das doch nur in dem Sinne gemeint, daß die finanzielle Operation ihre großen Schwierigkeiten habe. Das \chließt aber nicht aus, daß die Sorgen für das finanzielle Wohl auch bei uns in. hohem Maße ins Auge gefaßt werden. Die Versicherung kann ich Ihnen geben, daß innerhalb der großen Bedürfnisse, die an allen Ecken und Enden hervortreten, wir, ehe wir mit einer Vorlage zu íJhnen kommen, viel mehr Millionen abstreihen, als Sie uns hier abstreihen können. J kann Ihnen ferner sagen, daß Ege uns Sorge macht, was wir fordern; das ist aber nit die Fs te Sorge, die wir haben. Auf Unsereinem lasten vielmehr die Millionen, die wir nicht fordern, troy ihrer Dringlichkeit, und für die wir dereinst die \{chwere Verantwortung tragen, wenn das, was wir in der Stunde des Ernstes gebrauchen, nicht zur Stelle“ ist, Alsokich bitte auc, unsere Thätigkeit auf diesem Gebiet nicht zu gering zu bemessen.

Alédann hat der Hr. Abg. Richter sih in Sue auf frühere Er- kFlärungen ausgesprochen, die ih gegeben habe. Jch erkenne zunächst dankbar an, daß dies in maßvoller Weise gesehen ist. Indeß,

meine Herren, es steck ein s{werer Kern darin, und deshalb muß ich darauf eingehen und antworten. Wenn dem fo wäre, daß in der kurzen Zeit von drei Monaten ih meine Ansichten gewechselt hätte, so muß das nothwendig Sie entweder auf eine ungemein schaelle Veränderlihkeit der Anschauungen des Kriegs- Ministers bringen, oder auf den Verdacht, daß ih nit ofen genu gewesen wäre. Nun, meine Herren, haben Sie stets anerkannt, daß die Militärverwaltung mit der größten Offenheit Ihnen gegenüber alles gesagt hat, was sie hat sagen fönnen. Dieser traditionelle Geist, der meiner Natur gewiß im vollsten Maße ent- spri{t, wird von mir unter allen Umständen aufrecht erhalten werden,

Jch habe in Bezug auf die Neuformation in der vorigen Session im Plenum Sie können sih ja aus den stenographischen Berichten überzeugen nicht ein Wort über Organisation gesprochen, ih kann also da keine Erklärungen gemacht haben. Die Erklärungen liegen in den Kommissionen Ich bitte die Herren, daß sie ih vergegen- wärtigen, daß wir damals um den preußischen Etat und um die Bildung zweier neuen Armee-Corps diskutirten. In der ersten Sitzung habe ih damals nach dem gedruckten Kommissionsberiht bemerkt, ih be- zeihnete die Vorlage als eine folche, welche [hon seit geraumer Zeit vorbereitet und die Krönung des “Gebäudes sei, das man seit langer Zeit zu begründen beschäftigt sei“. Wörtlih hat mein AusspruG dahin gelautet: : s /

In gewisser Beziehung die Krönung des Gebäudes in Bezug auf das bisher Geshehene und fomit ein Abschluß der bisherigen Organisation. j i : i Ich bin vorsichtig in diefer Sache; i hatte mir vorher notict, was ih fagen wollte, und nachher auch Notizen gemaht. Die zweite Er- klärung über die- Frage: man hört in den Zeitungen von Jäger- Bataillonen sprechen, lautet ; : i : i Wünschenswerth sei noch die Neuformation von Train-, resp. von Pionier-Bataillonen, „sonst sei aus der Neuformation der zwei Armee-Corps eine weitere Konsequenz nicht zu erwarten“. Die dritte ih hierauf beziehende Erklärung von mir war, ob zwei oder drei Divisionen künftig weiter formirt werden fönnten: eee Kriegs-Minister kann für die fernere Zukunft keine Erklärung abgeben. Wörtlich hat meine Erklärung gelautet : „Für die Zukunft mache ih kein Versprehen und übernehme keine Garantie.“ : i Meine Herren, das is das, was ich damals gesagt habe. Dem gegenüber halte ih aufrecht, daß das in der jeßigen Forderung Ver- langte abgesehen von den, durch Neuformation der beiden Armee- Corps bedingten Train- und Pionier-Bataillone in einer späteren Stelle ist noch von Bekleidungsämtern die Rede —, daß nicht cine einzige Forderung: in irgend einer Beziehung mit der Neu- formation der beiden Armee-Corps steht. Wenn Sie auf die Artillerie hingedeutet haben, so ist das absolut niht der Fall. Sie sehen, die Artillerie ist eine Mehrforderung, welche die gesammte deutshe Armee umfaßt, die gar keinen Bezug auf die beiden Armee-Corps hat, sondern auf einem anderen Boden steht Wenn wir uns darüber noch weiter zu verständigen haben, so hoffe ih, können wir dies in der Kommissions- sfißung thun. i

Ich komme nun auf die Bemerkung des Hrn. Abg. Richter in Bezug auf das Septennat. Ja, meine Herren, die verbündeten Re- gierungen stehen genau auf dem Standpunkt des Septennats oder vielmehr genau auf dem Standpunkt der Forderung, welche sie zuerst gestellt haben, als sie überhaupt mit längeren Perioden an Sie Herantraten. Es geshah dies in der Forderung des Aeternats. Auch heutigen Tages noch i} die dauernde Be- willigung dasjenige, was für die allgemeine Organisation am Wünschenswerthesten ersheint. Im Wege des Kompromisses gegen- über dieser Forderung des Aeternats und dem einjährigen Budgetreht ist das Septennat entstanden. Wir hätten jeßt wieder, wo wir die Prâäsenzziffer durchbrechen, mit einer Septennatsforderung kommen können; wir haben es nicht gethan, wir haben uns be- \chränkt, dieses Plus von dem, was uns bis zum Ablauf des Septennats bewilligt worden ift, nur zu fordern bis ebenfalls zum Ablauf des Septennats. Ih will Ihnen auch die Gründe sagen. Meine Herren, wir sind hier doch in etwas veränderter Physiognomie zusammen getreten, und ih glaube do nur auszusprechen, was uns Alle erfüllen muß, wenn i sage, daß wir getragen sind von dem Geiste, in gemeinschaftlicher Arbeit der Welt zu zeigen, daß wir für das Wohl des Vaterlandes Alles aus dem Wege räumen wollen, was irgend welhe Differenzen hervor- ruft. Nun meine Herren, blicken wir zurück, \o war ein sehr gewichtiger Differenzpunkt eben diese Forderung des Aeter- nats und Septennats. Solhe Sachen kann man und muß man unter Umständen zum Austrag bringen; man bringt sie aber doch nur, wenn etne absolute Nothwendigkeit vorliegt, und wenn man im Frieden und ohne Differenzpunkte arbeiten kann. Wir haben dies also erst nöthig, wenn die Frage eines neuen Septennats an uns herantritt, im Jahre 1893. Bis dahin kann sich noch Manches ereignen, und es ift eben der Wunsch, etwas aus dem Wege zu schaffen, was sowohl den Kampf der Parteien, wie möglicherweise Differenzen mit der Regierung herbeiführen könnte, gewesen, daß wir an dem festhalten, was wir haben, und uns begnügen, die Mehrforderung im Rahmen des Septennats zu fordern. Das ist das Motiv, weshalb die Vorlage die Mehrforderung bis zum 1. April 1894 ausdehnt. Nun, meine Herren, zur Anführung der iffern und Zahlen wie der Organifationéverhältnisse war der Hr. Abg. Richter ja vollständig berechtigt. Wir selbst haben solhe Ziffern und Zahlen gegeben, und er hat die seinen dagegen aus- geführt. Indeß, meine Herren, Sie werden zugeben, daß hier, wie der Hr. Abg. Richter selbst gesagt hat, nicht der Play ist, alle Differenzen, die dabei zum Vorschein gekommen, zum Austrag zu bringen, sondern daß diese Verhältnisse in geeigneter Weise nur in den Kommissionssißungen vorzunehmen sind. Jch bitte also, anzu- nehmen, daß hier zwei Differenzen entgegenstehen, über welche wir uns weiterhin aus\prechen werden. Im Uebrigen hatte ih angeordnet, daß etwas, worauf Sie fußten das „Beiheft des Militär- Wochenblatts* jedem Mitglied der Kommission zugestellt würde, damit Sie das Material vollständig in der Hand haben. :

Was nun die gewisse Shwärmerei dabei das will ich noch erwähnen des Hrn. Abg. Richter für das si bildende Parlaments - heer betrifft, so möchte ich Ihnen doch in die Erinnerung zurüd- rufen, daß aus dem Parlamentsheer der ersten französishen Republik die Diktatur und das Kaiserreih hervorgegangen ist, und daß die Armee, die nachher einen Kaiser Napoleon II1. auf den Thron ge- bracht hat, au eine Art Parlamentsheer gewesen ist. i

Schließlih hat Hr. Abg. Richter das soziale Gebiet gestreift. In Bezug darauf werden Sie wohl erklärlich finden, daß ih nit weiter darauf eingehe, Sollte eine Beschränkung der Arbeitszeit stattfinden, so wünschte ih nur, daß wir auh miteinbegriffen werden.

Abg. Dr. Windthorst: Die Vorlage hat auf alle Mit- glieder des Hauses und im Lande einen tiefen Eindruck

emacht, denn nah den früheren Erklärungen des Kriegs-

inisters mußten wir annehmen, daß mit den früheren Be- willigungen ein Ende erreiht sei. Wir müssen jeßt fragen, ob endlich das Ende gekommen is. Die Regierung muß uns in der Kommisfion voll und ganz Aufschluß geben über die Denderungen und Pläne, die noch ausstehen. Es macht sehr óses Blut, daß bei jedem Zusammentritt des Reichstages neue Forderungen vorliegen. Vorlage nicht im Januar gemaht? Jh ha

arum hat die Nang diese on e die Empfindung, daß die Kriegsverwaltung wohl dazu geneigt gewesen wäre, daß aber eine gewisse sorgende Hand es zweck- mäßiger fand, die Wahlen erst vorübergehen zu lassen. g bin überzeugt, daß die Herren, welche damals die artellparteien vertraten, darüber das Mare wissen.

Es handelt sich einfah um die Frage: ist es noth- E daß wir zur Sicherung des Deutschen Reichs